BÉLA BARTÓK BIOGRAPHISCHE SCHWERPUNKTE UND ENTSTEHUNGSGESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE DES KONZERTS FÜR ORCHESTER - STD CHRISTOPH WAGNER, FACHBERATER ...
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Béla Bartók Biographische Schwerpunkte und entstehungsgeschichtliche Hintergründe des Konzerts für Orchester (StD Christoph Wagner, Fachberater am Regierungspräsidium Stuttgart)
1. Herkunft - Kindheit 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
1. Herkunft - Kindheit 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
Österreich-Ungarische Monarchie 1815 - 1919 Kernland Österreich Von Habsburger Monarchie beherrschte Gebiete
Österreich-Ungarische Monarchie 1815 - 1919 - Landwirtschaftlich geprägtes Dorf mit ca. 9000 Einwohner - Viele Nationalitäten und Sprachen: Ungarn, Deutschsprachige, Rumänen, Serben Nagyszentmiklós („Großsanktnikolaus“)
Der Vater: Béla Bartók - Direktor der Landwirtschaftsschule - Publizist, Redakteur an Lokalzeitung - leidenschaftlicher Amateurmusiker - spielt auf dem Klavier Polkas u. Walzer - komponiert zum Tanz - organisiert ein Amateurorchester - tritt als Cellist auf Straße, in der Bartók aufwuchs Die Mutter: Paula Bartók, geb. Voit - Lehrerin aus Bratislava Landwirtschaftsschule des Vaters - Ausbildung im Klavierspiel - spielt Salonstücke und populäre Werke landwirtschaftlich-dörfliches Milieu Multisprachliches und multikulturelles Umfeld musikalisch gebildetes Elternhaus enger Kontakt zur Popular- u. Kunstmusik
Kindheit * 25. März 1881 Musikalität • spielt mit 4 Jahren Melodien auf dem Klavier nach • entwickelt ästhetisches Empfinden („Schau, Mama, die hören diesem schönen Stück gar nicht zu!“) • mit 5 Jahren erste Klavierstunde Weitere Charaktereigenschaften • erste Jahre körperliche Leiden: Ekzeme und ständiges Jucken; Eltern verbergen ihn vor der Öffentlichkeit Bartók zieht sich oft zurück. • entwickelt Akribie im Sammeln (Käfer, Insekten) Béla Bartók im Alter von fünf Jahren Musikalisierung und die Vorliebe für Sammeln und Systematisierung werden bestimmend für sein ganzes Leben.
1. Herkunft 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
Die ersten Lehrer • Frühe Entdeckung des Talents in Budapest durch Prof. Károly Aggházy (Schüler Liszts und Bruckners), aber Mutter verweigert eine allzu frühe Ausbildung zum Pianisten. • In Nagyvárad (Siebenbürgen) Unterricht bei Domkapellmeister Kersch Ferenc; Besuch des dortigen Internats mit Gymnasium • mit 11 Jahren erster öffentlicher Auftritt, auch schon mit eigener Komposition • Umsiedlung nach Bratislava (Preßburg) zur bestmöglichen Förderung Bélas. Aneignung eines großen Repertoires, Kennenlernen der „Klassiker“ (z.B. Bach, Mozart, Beethoven, Schubert)
Bedeutung des Klaviers für Bartók Grundlage des kompositorischen Schaffens • Vor allem Klavierkompositionen • Wichtige Ausprägungen: − Klavierminiaturen, mit bewusst differenziertem Schwierigkeitsgrad − Volksliedbearbeitungen − Virtuose Klaviermusik (Klavierkonzerte) Pianistische Tätigkeit als Existenzgrundlage − Zahlreiche Konzertengagements − Konzertreisen führen durch Europa und USA − Ab 1939 gemeinsame Auftritte mit Pianistin u. 2. Ehefrau Ditta Pásztory • Klavierlehrer − u. a. Professur in Budapest − Klavierschulen
Konzertreisen Bartóks
1. Herkunft 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
Lehrertätigkeit - u. a. fast 30 Jahre Professor für Klavier in Budapest - weigert sich Komposition zu unterrichten (befürchtet, dass dies sein eigenes Schaffen beeinträchtigen könnte) - Vermittlung der klassischen Musikkultur Seine Schülerin Júlia Székely über für Bartók wichtige Komponisten: o Bach „Bartók war der einzige, der [Bach] in so puritanischer Schlichtheit vortrug, als musizierte er nicht im Lehrsaal […], sondern in der Thomaskirche.“ „[Bach war] das Fundament und der Ausgangspunkt des Musizierens. Wer gelernt hatte, Bach zu spielen, der konnte von sich sagen, dass er vom Musizieren etwas verstand.“ o Mozart „Die ‚heitere‘, ‚graziöse‘ Mozartmusik und das daran geknüpfte falsche Bild zerrannen unter Bartóks Händen.“ „Durch Bartók lernten wir einen neuen Mozart, den wahren, kennen. Ein hartes, beinahe pochendes forte, kein verfeinertes, sondern ein gleichmäßig sprechendes piano, ein unangreifbarer, geschlossener Aufbau, nirgends Rührseligkeit, keine Effekthascherei und erst recht kein virtuoses Brillieren.“ o Beethoven „Beethovens Werke [waren] für Bartóks kompositorisches Schaffen von entscheidender Bedeutung. [… ] Bartók setzte in seinen Konzerten fast immer eine Sonate von Beethoven aufs Programm und hatte damit den größten Erfolg. […] Musikkritiker haben Bartók als den authentischsten Interpreten Beethovens bezeichnet. Kein lebender Pianist konnte Beethoven so spielen wie Bartók, er war schließlich der direkte [Schüler-]Nachfahre von Beethoven.“
Béla Bartók u. Joseph Szigeti: Beethoven, Kreutzer-Sonate (Live-Aufnahme, 1940)
o Chopin „Chopins Werke machten einen beträchtlichen Teil des verbindlichen Lernstoffs aus. […] Nur sehr selten setzte Bartók Werke von Chopin auf seine Konzertprogramme. […] Dem Publikum gefiel es nicht, es gab saure Mienen und spärlichen Beifall. Seine Interpretation der romantischen Klavierwerke entsprach nicht der damals verbreiteten Auffassung. […]“ o Liszt „Liszt gehörte nicht zum Pflichtlernstoff, seine Werke standen nur als empfohlene Vortragsstücke auf dem Lehrplan. Bartók mochte Liszt sehr, jedoch nicht seine virtuosen Klavierwerke. Aus ihnen spricht nicht der wahre Liszt…. […]“ o Debussy „Von Debussy konnte ich soviel in den Unterricht bringen, wie ich wollte. Es wurde ihm nicht zuviel. […] Wer […] Bartóks und Kodálys Werke spielen wollte, musste auch den Weg zurücklegen, der zu ihnen führt. Und eine Station dieses Weges ist eben Debussy.“ Hochschätzung des musikkulturellen Erbes; Bartóks Interpretation ist autonom, unabhängig von Strömungen und streng am Urtext ausgerichtet; Bartók steht zur und in der Tradition der Musikentwicklung.
Wechselwirkung von Lehr- und Kompositionstätigkeit Mehrere Kompositionen mit methodisch-didaktischer Konzeption z. B.: - „Für Kinder“ - Klavierschule (1909) - „Die erste Zeit am Klavier“ (1913) - 44 Duos für 2 Violinen (1931), basierend auf diversen osteuropäischen Volksliedern und nach technischem Schwierigkeitsgrad geordnet - „Mikrokosmos“ - Klaviermusik vom allerersten Anfang in 6 Bänden (1926 – 1939) Ziel (neben der Ausbildung pianistischer Fähigkeiten): Vermittlung einer neuen Ästhetik
Bartóks Sohn Peter erinnert sich an seinen Vater als Klavierlehrer Während der Zeit, die ich mit meinem Vater verbrachte, nahm er gewöhnlich nur fortgeschrittene Klavierschüler an. Er entschied sich dann aber doch, und zwar als ich ungefähr 9 Jahre alt war (1933), mich als Anfangsschüler zu akzeptieren. Sein Lehrprogramm folgte durchaus nicht der bewährten Methode irgendeiner „Klavierschule". Zu Beginn musste ich nur singen. Später wurden Übungen improvisiert, die zum Teil die unabhängige Kontrolle der Finger zum Ziel hatten. Manchmal bat er mich im Verlauf unserer Klavierstunde zu warten, während er sich an seinen Schreibtisch setzte, und ich nur das Kratzen seiner Feder vernahm. Ein paar Minuten später brachte er mir dann gewöhnlich eine Übung oder ein kurzes Stück, das ich sogleich entziffern und später für die nächste Stunde einstudieren musste. Auf diese Weise entstanden einige der leichteren Stücke in diesen Bänden. Mein Vater schrieb jedoch zusätzliche Stücke schneller als ich sie lernen konnte. Er schrieb die kleinen Kompositionen nieder, sobald ihm die Idee dafür gekommen war. Bald stand eine ausgiebige Sammlung von Stücken zur Wahl, und ich konnte die, die mir zum Lernen aufgegeben wurden, mit einer recht guten Kopie des Manuskripts einstudieren. Später stellte mein Vater die Stücke in einer progressiven Ordnung zusammen, um sie zu veröffentlichen. (Peter Bartók im Vorwort zu „Mikrokosmos“, 1987) Ineinandergreifen verschiedener Disziplinen: singen, spielen, improvisieren – schließlich: komponieren Unterrichten und komponieren stehen in Wechselwirkung zueinander, geschehen „gleichzeitig“
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Bartóks Schülerin Júlia Székely über Bartóks Liebe zur Volksmusikforschung Bartók: „Die Zeit, die ich mit dem Sammeln von Volksliedern verbracht habe, war die schönste Zeit meines Lebens, und ich würde sie für nichts anderes hingeben.“ Die Volksmusikforschung und der Aufenthalt in den Dörfern bedeuteten für ihn ein Glück, wie es seine Kollegen auf vergleichbare Weise nicht kannten. Die größte Befriedigung fand er in der Beschäftigung mit der Volksmusik und in der wissenschaftlichen Arbeit. Im Vergleich dazu konnte der Klavierunterricht höchstens an vierter Stelle stehen. (Den zweiten Platz nahm das Komponieren ein, den dritten die eigene pianistische Tätigkeit.) [Székely 42] Der Komponist Jenö Takács erinnert sich: [Er sammelte] auch Käfer, Insekten, Pflanzen, Mineralien, Töpfereien und Stickereien sammelt er, kurzum alles, was natürlich und einfach war. […] Er sah das alles als Offenbarungen der Natur, und auch von der Volksmusik soll er als einer Art Naturerscheinung gesprochen haben. [Takács 23]
Phonograph, 1877 von Thomas Edison erfunden. Wachsrollen, die als Speichermedium fungierten.
• 1904: erste Notation von Bauernmelodien • 1906: erste Sammlerreise, zunächst nur in Ungarn. • Unterstützer und Freund: Zoltán Kodály • Ab 1912: Ausdehnung auf andere osteuropäische Länder, insbesondere Rumänien und die Slowakei. • Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen • 1913: Reise nach Algerien (neben Lieder- und Instrumentensammlung auch z.B. Käfer- sammlung). • Reisen nach Ägypten und in die Türkei (1936, letzte Forschungsreise)
Von seiner Türkeireise berichtet Bartók: „Nach Landessitte zogen wir die Schuhe aus und ließen uns nach türkischer Art auf den Matten nieder, während unser Wirt Feuer machte. Es gab weder Kamin noch Fenster, innerhalb weniger Minuten war der Raum voll stickigen Rauches... Langsam füllte sich das Haus mit Nachbarsleuten, mit denen wir uns bis gegen sieben Uhr auf das freundschaftlichste unterhielten. Allem Anschein nach hatte unser Führer noch gar nicht er- wähnt, was uns hergeführt hatte, und ich saß wie auf Kohlen. Schließlich hörte ich ihn etwas wie «türki, türk halk musiki» sagen und von Volksliedern sprechen. Ich hoffte, das Eis würde nun bald gebrochen sein, und tat- sächlich sang ein Fünfzehnjähriger ohne Scheu und Zö- gern das erste Lied. Die Melodie klang wieder ganz un- garisch. Rasch bereitete ich meine auf dem Boden ver- streuten Instrumente vor und schrieb beim Schein des Holzfeuers das Lied nieder. So, dachte ich, und jetzt der Phonograph! Das war aber nicht so einfach. Mein guter Sänger fürchtete, er verlöre die Stimme, wenn er in die Maschine sänge, die offenbar vom Teufel betrieben wurde. Er dachte, sie würde seine Stimme nicht nur auf-, sondern ganz abnehmen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich seine Bedenken zerstreut hatte. Dann Auf der letzten Volksliedersammelreise in der Türkei, nahe der syrischen Grenze arbeiteten wir ununterbrochen und ungestört bis gegen (November 1936) Mitternacht!“
Bartók sammelt slowakische Volkslieder im Dorf Darázs mit dem Phonographen, 1908
Bartóks Forschertätigkeit Aufnahme, Sammlung Abhören, Transkribieren
Bartóks Forschertätigkeit Aufnahme, Sammlung Abhören, Niederschrift, Korrekturen Systematisierung, Katalogisierung, Publikation, Vorträge Aus der Studie „Die Volkmusik der Magyaren und der benachbarten Völker“, 1934
Bartóks Forschertätigkeit Aufnahme, Sammlung Abhören, Niederschrift, Korrekturen Systematisierung, Katalogisierung, Publikation, Vorträge Komposition Hélène Grimaud spielt „Rumänische Volkstänze“ Nr. 1 (Sz. 56)
Kulturgeschichtlicher Ausgangspunkt der Volksmusikforschung - Ende 19./Anfang 20. Jh. starke patriotisch-nationale Bewegung als oppositionelle Haltung zur habsburgisch dominierten Doppelmonarchie. - Bartók wurde als junger Mann glühender Verehrer dieser Bewegung. - Ziel: Schaffung einer originär ungarischen Musik. Aber: was ist ungarisch? Bis Bartók galt in Ungarn die Ansicht: ungarisch = „Musik der Zigeuner“ Franz Liszt: „Die Musik der Zigeuner in Ungarn“ (1859) These Liszts: Zigeuner sind Begründer der ungarischen Volksmusik. Die Musik der Bauern hingegen ist eine „grobe Verfälschung der ihnen weit überlegenen Zigeunermusik“ Bartók bewies durch seine Forschung das Gegenteil: „Das, was man (auch in Ungarn) ‚Zigeunermusik‘ nennt, ist keine Zigeunermusik, sondern ungarische Musik; es ist nicht alte Volksmusik, sondern eine verhältnismäßig neue Art ungarischer Unterhaltungsmusik, die fast ausnahmslos von Ungarn des besseren Mittelstandes komponiert wird. […] Nach Ansicht des Vortragenden darf man Liszt nur zum Teil für seinen Irrtum tadeln. Sein Irrtum ist eher den Verhältnissen des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben: den völlig falschen Grundbegriffen im Bereich der Musikfolklore; der romantischen Neigung zur Überladenheit, zu Schwulst und Pathos; dem Verzicht auf klassische Einfachheit.“
Bedeutung für den Komponisten Bartók „Das Studium all dieser Bauernmusik war deshalb von entscheidender Bedeutung für mich, weil sie mich auf die Möglichkeit einer vollständigen Emanzipation von der Alleinherrschaft des bisherigen Dur- und Moll-Systems brachte. […] der weitaus überwiegende und gerade wertvolle Teil des gewonnenen Melodienschatzes […] zeigt außerdem mannigfaltigste und freieste rhythmische Gebilde und Taktwechsel sowohl im Rubato- als auch im Tempo-giusto-Vortrag. Es erwies sich, dass die alten, in unserer Kunstmusik nicht mehr gebrauchten Tonleitern ihre Lebensfähigkeit durchaus nicht verloren haben. Die Anwendung derselben ermöglichte auch neuartige harmonische Kombinationen. Diese Behandlung der diatonischen Tonreihe führte zur Befreiung von der erstarrten Dur-Moll-Skala und, als letzte Konsequenz, zur vollkommen freien Verfügung über jeden einzelnen Ton unseres chromatischen Zwölftonsystems.“ Erforschung alter Traditionen und Musiksysteme ermöglicht einen neuen Weg in der Musik. Innovation als logische Konsequenz aus der Tradition
1. Herkunft 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
1. a) Scherzo für Klavier (1897) Typischer spätromantischer Duktus: - ausladende, chromatisch geprägte Melodik; b) Intermezzo (1898) - tonale, aber komplexe Harmonik, überreich an Modulationen; - Klaviersatz: begleitende Arpeggien, z. Tl. oktavierende Melodieführung; - klare formale Strukturierung; - Vorbilder: Schumann, Brahms, Strauss. 2. a) Nr. 2 aus 14 Bagatellen (1908) Radikale Abkehr, antiromantische Haltung: b) Nr. 5 (“) - Zentralklänge ersetzen Dur-Moll-System; c) Nr. 11 (“) - Dissonanzen und scharfe Artikulation als Mittel des Ausdrucks; - freie, oft ausgeprägt vitale Rhythmik („Vitalismus“); - Einbindung von Volksmelodien. 3. a) „Abend auf dem Lande“ Verbindung von Innovation und Tradition: aus: „Im Freien“ (1926) - Übernahme klassischer Formen; b) Divertimento, 3. Satz (1939) - Melodik greift auf diatonische Muster zurück; - Verbindung Dur-Moll-Harmonik und Modi osteuropäischer Volksmusik.
3 Schaffensperioden (nach Zieliński): Typischer spätromantischer Duktus: 1.) Bis 1907 Romantische Phase - ausladende, chromatisch geprägte Melodik; - tonale, aber komplexe Harmonik, überreich an Modulationen; - Klaviersatz: begleitende Arpeggien, z. Tl. oktavierende Melodieführung; - klare formale Strukturierung; - Vorbilder: Schumann, Brahms, Strauss. 2.) Bis 1925 Expressiv-antiromantische Radikale Abkehr, antiromantische Haltung: Phase - Zentralklänge ersetzen Dur-Moll-System; - Dissonanzen und scharfe Artikulation als (Mit Unterbrechungen: 1913 – 1917: tiefe Krise, Mittel des Ausdrucks; kaum Anerkennung, beendet vorübergehend das Komponieren) - freie, oft ausgeprägt vitale Rhythmik („Vitalismus“); - Einbindung von Volksmelodien. 3.) Ab 1926 Art „Neoklassizimus“ Verbindung von Innovation und Tradition: - Übernahme klassischer Formen; - Melodik greift auf diatonische Muster zurück; - Verbindung Dur-Moll-Harmonik und Modi osteuropäischer Volksmusik.
Klassisch- romantisches Erbe: Einflüsse u.a. von: Bach, Beethoven, Igor Stravinsky, Brahms, Strauss Debussy, Schönberg T Pianist Kom- I R ponist N A O D V I A T T I I O Lehrer Forscher O N N Lehrtätigkeit, Publikationen, Erforschung v.a. Vorträge, osteuropäischer Unterrichtswerke Volkskultur
1. Herkunft 2. Tätigkeiten a. Pianist b. Lehrer c. Forscher d. Komponist 3. Konzert für Orchester - entstehungsgeschichtliche Hintergründe
Lebensumstände Bartóks im Vorfeld des „Konzerts für Orchester“ 1.) Emigration in die 2.) Wirtschaftliche Sor- 3.) Zunehmende USA als Folge feh- gen wegen mangeln- gesundheitliche lender Anerkennung in dem Interesse an Beeinträchtigung Ungarn und des sich Werk und Person durch Leukämie ausbreitenden Natio- Bartóks in den USA nalsozialismus in Eu- ropa
1.) Bartóks Situation in Ungarn in den 20er u. 30er Jahren • Wachsende Anerkennung im Ausland wenig bis keine Anerkennung in Ungarn; (keine Aufführung eines Bartókschen Bühnenwerks in Budapest) • Erfolg lediglich als Pianist des klassischen Repertoires, vor allem auch als Begleiter berühmter Künstler; • Kaum Resonanz seiner volksmusikkundlichen Arbeiten; • Zunehmender Nationalismus verhindert wissenschaftliches Arbeiten; „Die ideologischen Spannungen unserer Zeit begünstigen leider das Umsichgreifen der krankhaftesten Einseitigkeiten anstatt des Vorherrschens einer objektiven Betrachtung“ (Bartók im Artikel „Volkliedforschung und Nationalismus“, 1937) • Ausbreitung von Faschismus und Nationalsozialismus in Europa; „Ja, das war auch für uns eine fürchterliche Zeit – jene Tage, an welchen Österreich überrumpelt wurde. […] Es ist nämlich die immanente Gefahr, dass sich auch Ungarn diesem Räuber- und Mördersystem ergibt. Die Frage ist nur. Wann, wie? Wie ich dann in so einem Lande weiter leben oder – was dasselbe bedeutet – weiter arbeiten kann, ist gar nicht vorstellbar. Ich hätte eigentlich die Pflicht, auszuwandern, solange es noch möglich ist.“ (Brief an Fr. Müller-Widmann vom 13.4.1938) „Wenn jemand hierbleibt, obwohl er wegfahren könnte, so stimmt er stillschweigend alledem zu, was hier geschieht […] wer nur kann, der reise fort […] „ (Brief an Fr. Székely v. Jan. 1939)
1.) Bartóks Situation in Ungarn in den 20er u. 30er Jahren • 19. Dez. 1939: Tod der Mutter letzte Bindung an Ungarn März 1940: Ausreise in die USA, (endgültig ab Oktober 1940). An Bord der „Escalibur“, Oktober 1940
2.) Situation Bartóks in den USA Trotz Ernennung zum Ehrendoktor (Columbia-Universität) und Konzertreise Verschlechterung der materiellen Lage. Unsere Lage verschlechtert sich von Tag zu Tag. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich noch nie in meinem Leben […] in einer so entsetzlichen Lage war, wie ich wahrscheinlich sehr bald sein werde. Entsetzlich, das ist vielleicht übertrieben, aber nicht sehr übertrieben. […] Ich bin ziemlich pessimistisch, ich habe all mein Vertrauen zu Menschen, zu Ländern, zu allem verloren.“ (Brief an seine ehemalige Schülerin Wilhelmine Creel , Jan. 1942) „Das Schlimmste von allem ist, dass wir nicht genug Engagements haben, und das erschwert uns das Leben beträchtlich. Mein Gehalt an der Columbia-Universität wird kaum für drei Personen reichen, wegen der hohen Steuern und anderer lästiger Ausgaben aller Art. Meine Frau würde gern Unterricht geben, um unsere Lage zu bessern. Aber wir wissen nicht, wie wir das anfangen sollen, was man machen muss, um Schüler oder eine Beschäftigung zu bekommen.“ (Brief an Dorothy Parrish vom 4.3.1942) „Meine Laufbahn als Komponist ist sozusagen beendet; der Quasi-Boykott meiner Werke seitens der führenden Orchester geht weiter, weder meine alten noch meine neuen Werke werden gespielt. Eine große Schande – natürlich nicht für mich.“ (Brief an Wilhemine Creel v. 31.12.1942)
3.) Erkrankung Seit April 1942 deutliche Anzeichen ernsthafter Erkrankung: allabendliches hohes Fieber, chronische Erschöpfung, Schwächeanfälle. Diagnose (vor Bartók bis zuletzt verheimlicht): Leukämie Bartók 1943 – sichtbar von Krankheit gezeichnet
Bartók erfährt Unterstützung • Hilfsangebot der American society of Composers für einen Sanatoriumsaufenthalt • Dirigent Fritz Reiner und der Geiger Joseph Szigeti bewirken einen Kompositionsauftrag bei Sergeij Kussewitzky und seiner Kussewitzky-Stiftung für ein Orchesterstück. Sergeij Kussewitzky im Jahre 1943 Deutliche Verbesserung von Bartóks Gesundheitszustand Komposition des „Concerto for Orchestra“ in 55 Tagen (15.8. – 8.10.1943), „sozusagen Tag und Nacht“ Aufführung am 1. Dez. 1944: begeisterte Aufnahme des Konzerts bei Musikern und Publikum.
Bartók erfährt Unterstützung • Hilfsangebot der American society of Composers für einen Sanatoriumsaufenthalt • Dirigent Fritz Reiner und der Geiger Joseph Szigeti bewirken einen Kompositionsauftrag bei Sergeij Kussewitzky und seiner Kussewitzky-Stiftung für ein Orchesterstück Sergeij Kussewitzky im Jahre 1943 Deutliche Verbesserung von Bartóks Gesundheitszustand Durchführung der Komposition in 55 Tagen (15.8. – 8.10.1943), „sozusagen Tag und Nacht.“ Aufführung am 1. Dez. 1944: begeisterte Aufnahme des Konzerts bei Musikern und Publikum. Programmzettel der New Yorker Erstaufführung (10. Jan. 1945)
Bartók erfährt Unterstützung • Hilfsangebot der American society of Composers für einen Sanatoriumsaufenthalt • Dirigent Fritz Reiner und der Geiger Joseph Szigeti bewirken einen Kompositionsauftrag bei Sergeij Kussewitzky und seiner Kussewitzky-Stiftung für ein Orchesterstück. Sergeij Kussewitzky im Jahre 1943 Deutliche Verbesserung von Bartóks Gesundheitszustand Komposition des „Concerto for Orchestra“ in 55 Tagen (15.8. – 8.10.1943), „sozusagen Tag und Nacht“ Aufführung am 1. Dez. 1944: begeisterte Aufnahme des Konzerts bei Musikern und Publikum. Art Wiederentdeckung Bartóks in den USA mit gewinnbringenden Kompositionsaufträgen
Tod Bartóks 26. September 1945 erliegt Béla Bartók in New York seiner schweren Erkrankung. „Ich möchte heimkehren, aber endgültig“ (Bartók in einem seiner letzten Briefe) Bartóks Grab in New York; 1988 Überführung nach Budapest mit einem Staatsbegräbnis
• Schriftquellen: – Bónis, Ferenc: Béla Bartóks Leben in Bildern. Bonn 1964 – Demény, János: Béla Bartók – Briefe (2 Bd.). Budapest 1973 – Lindlar, Heinrich: Lübbes Bartók-Lexikon. Bergisch Gladbach 1984 – Székely, Júlia: Mein Lehrer Béla Bartók. München 1995 – Takács, Jenö: Erinnerungen an Béla Bartók. Wien-München 1982 – Zielinski, Tadeusz A.: Bartók. Lebe, Werk, Klangwelt. München 1989 (Originalausgabe: Krakau 1969) • Bildquellen Internet: – http://hu.wikipedia.org/wiki/Aggh%C3%A1zy_K%C3%A1roly – http://www.chicagoontheaisle.com/wp-content/uploads/2013/03/Bela-Bartok-at-the-piano-credit- rodosto.hu_.jpg • Tonquellen: – https://www.youtube.com/watch?v=rxb0kugFbCU (H. Grimaud am 14.06.2011 in Baden-Baden) – https://open.spotify.com/album/0GDOtZe1emtnYgGNJawjtF (Jeno Jando, Klavier. Bartók: Piano Pieces Vol. 7, Naxos) – https://open.spotify.com/album/2Pf1BUk42sM2BRYTAwmobx (Andreas Bach, Klavier. Bartók: Complete Works for Piano Solo, Vol. 1 – The Mature Bartók. Hänssler Classic) – https://open.spotify.com/album/0JTfjySP0Fd2bOLhKyZAUC (Norwegian Chamber Orchestra, Dir.: Jona Brown, Chandos)
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