Österreichische Gesellschaft für Meteorologie 2013/2
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Zum Titelbild: Das Foto gewann den Europhotometeo2012-Wettbewerb der Europäischen Meteorologischen Ge- sellschaft EMS. Es stammt von Vittoria Poli, Italien. Der Fotograf betitelte es als The Land ” of Fairy Tales“. Es zeigt die kleine Stadt Conca im Assiago-Plateau in Italien bei Nebel auf- genommen von einer Bergspitze. Die EMS hat den Europhotometeo2014-Wettbewerb gestartet. Nähere Details siehe Website der EMS www.emetsoc.org
ÖGM bulletin 2013/2 1 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Nachruf auf Professor Hans-Jürgen Bolle . . . . . 5 Helmut Rott 5. Österreichischer MeteorologInnentag, 7.-8. November 2013, Feldkirch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Fritz Neuwirth Gründung des Austrian Polar Research Insti- tute (APRI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wolfgang Schöner Festkolloquium 250 Jahre Wetter- und ” Klimabeobachtung in der Stiftssternwarte Impressum Kremsmünster“ und Verleihung der Silbernen Hann-Medaille der ÖGM an die Stiftssternwarte Herausgeber und Medieninhaber: Kremsmünster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Österreichische Gesellschaft für Meteorologie Fritz Neuwirth 1190 Wien, Hohe Warte 38 http://www.meteorologie.at Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels – was die Meteorologie beitragen kann. . . . . . . . . . . . .20 Redaktion: Wolfgang Gepp, Matthias Ratheiser, Simon Fritz Neuwirth Österreichische Gesellschaft für Meteorologie Tschannett 1190 Wien, Hohe Warte 38 fritz.neuwirth@gmx.at DACH 2013: Deutsch-Österreichisch- Michael Kuhn Schweizerische Meteorologentagung 2013, Institut für Meteorologie und Geophysik, 2.-6. September 2013, Innsbruck, Universität Innsbruck Kongresshaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 6020 Innsbruck, Innrain 52 Fritz Neuwirth Ernst Rudel Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik 13. Jahrestagung der Europäischen Meteorolo- 1190 Wien, Hohe Warte 38 gischen Gesellschaft (EMS) 11th European Conference on Applications of Technische Umsetzung: Meteorology (ECAM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Christian Maurer Ernest Rudel christian.maurer@zamg.ac.at Die Atmosphäre und ihre Zusammensetzung Redaktionsschluss für das ÖGM Bulletin (Vorstellung von Prof. Karl) . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2014/1 ist 30. April 2014. Um Beiträge wird Mathias Rotach gebeten. Wien, im November 2013
2 ÖGM bulletin 2013/2 Ausschussmitglieder der ÖGM Vorstand 1. Vorsitzender Fritz NEUWIRTH (ZAMGa ) 2. Vorsitzender Michael KUHN (IMGIb ) Generalsekretär Ernest RUDEL (ZAMG) Kassier Markus KOTTEK (KIKSc ) Schriftführer Andreas GOBIET (Wegener Centerd , Graz) Sonstige Ausschussmitglieder Michael ABLEIDINGER (ACGe ) Ingeborg AUER (ZAMG) Gottfried KIRCHENGAST (IGAMf Graz) Helga KROMP-KOLB (BOKU-Metg ) Manfred SPAZIERER (UBIMETh GmbH) Reinhold STEINACKER (IMGWi ) Leopold HAIMBERGER (IMGW) Viktor WEILGUNI (HZBj ) Mathias ROTACH (IMGI) a Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik b Institut für Meteorologie und Geophysik Innsbruck c Kärnter Institut für Klimaschutz d Wegener Center for Climate and Global Change e Austro Control Gesellschaft f Institutsbereich Geophysik, Astrophysik und Meteorologie g Universität für Bodenkultur Wien-Institut für Meteorologie h Institut für ubiquitäre Meteorologie i Institut für Meteorologie und Geophysik Wien j Hydrographisches Zentralbüro
ÖGM bulletin 2013/2 3 Vorwort Fritz Neuwirth 1. Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie (ÖGM) Sehr geehrte Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft und der Österreichischen Gesell- Gesellschaft für Meteorologie! schaft für Meteorologie organisiert. Die Tagung Das letzte halbe Jahr war für die ÖGM von war gut besucht und höchst erfolgreich, vor al- mehreren außerordentlichen Aktivitäten be- lem war erfreulicherweise der Anteil an jungen stimmt. So wurde in einem wie ich meine Kolleginnen und Kollegen recht hoch. Einen sehr schönem, würdigem und dem Anlass ent- Bericht finden Sie ebenfalls in diesem Bulletin. sprechendem Rahmen in einem Festkolloqui- Schließlich fand vom 7. bis 8. November um im Stift Kremsmünster den 250 Jahren in Feldkirch der 5. Österreichische Meteorolo- Wetterbeobachtungen durch die Stiftsternwar- gInnentag der ÖGM statt. Das Ziel des Me- te Kremsmünster gedacht Im Rahmen dieses teorologInnentages ist bekanntlich, den Aus- Festaktes durfte ich in Würdigung dieser un- tausch und Kontakt zwischen allen an Meteo- glaublichen Leistungen über bereits mehr 250 rologie und ihren Anwendungsbereichen inter- Jahre für die Meteorologie der Stiftsternwar- essierten Personen und Institutionen in Öster- te, vertreten durch Pater Amand, dem der- reich zu intensivieren. In der von Richard Wer- zeitigen Direktor der Stiftssternwarte, die Sil- ner, Ernst Rudel und Sophie Debit bestens or- berne Julius Hann Medaille der ÖGM überrei- ganisierten Veranstaltung waren erfreulicher- chen. Seitens der Stiftssternwarte wurde übri- weise alle relevanten österreichischen Einrich- gens diese Silberne Julius Hann-Medaille als tungen inklusive privater meteorologischer Fir- Objekt des Monats Juni 2013 auf die Website men präsent, sodass ein sehr guter Überblick der Stiftsternwarte www.specula.at gestellt. über die derzeitigen Aktivitäten in der öster- Einen kurzen Bericht über das Festkolloquium reichischen meteorologischen Gemeinschaft ge- finden Sie in diesem Bulletin. geben war. Auch über diese Tagung finden Sie Vom 2. bis 6. September 2013 richtete einen Bericht in diesem Bulletin. Es sei auch die ÖGM im Kongresszentrum Innsbruck zum noch angefügt, dass im Rahmen der Tagung zweiten Mal nach 2001 die 5.DACH-Tagung erfreulicherweise einige Kolleginnen und Kol- aus, wobei die konkrete Organisation in den legen als neue Mitglieder der ÖGM gewonnen Händen von Michael Kuhn, dem 2. Vorsit- werden konnten. Der nächste MeteorologInnen- zenden der ÖGM, zusammen mit dem Insti- tag wird übrigens in 2015 in Wien in der Veteri- tut für Meteorologie und Geophysik der Uni- närmedizinischen Universität stattfinden. versität Innsbruck und dem Kongresszentrum In dem vorliegenden Bulletin wird weiters Innsbruck lag. Die DACH-Tagung wird be- von Wolfgang Schöner über die Gründung des kanntlich seit 2001 alle drei Jahre gemeinsam Österreichischen Polarforschungsinstituts be- von der Deutschen Meteorologischen Gesell- richtet. In einem Artikel der Kollegen von der schaft, der Schweizerischen Meteorologischen Firma Weatherpark wird über die Problematik
4 ÖGM bulletin 2013/2 Stadtplanung und Klimawandel berichtet und Auswahl gekommenen zu finden sind. Mathias Rotach stellt Thomas Karl als neuen Mit Trauer musste in diesem Jahr die ÖGM Professor für Atmosphärenphysik am Institut den Tod von zwei verdienstvollen Mitgliedern für Meteorologie und Geophysik der Univer- der ÖGM zur Kenntnis nehmen. Am 13. März sität Innsbruck vor. 2013 verstarb Hans-Jürgen Bolle, der von 1977 Ernst Rudel gibt einen Bericht über die bis 1985 Professor am Institut für Meteorolo- Generalversammlung der Europäischen Meteo- gie und Geophysik der Universität Innsbruck rologischen Gesellschaft EMS sowie über die war. Einen Nachruf von Helmut Rott finden 13. Jahreskonferenz der EMS und die 11. Eu- Sie in diesem Bulletin. Am 5. November 2013 ropäische Conference on Applications of Me- schied Josef Willfarth im gesegneten 96. Le- teorology ECAM, die heuer in Reading, UK, bensjahr aus dem Leben. Josef Willfarth war stattgefunden haben. Die EMS hat übrigens lange Jahre bis Ende 1983 Vizedirektor der den 3. Europäischen Fotowettbewerb Euro- Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna- photometeo14 gestartet. Bis 17. Jänner 2014 mik und hat in dieser Funktion die Entwicklung können von jedermann maximal 2 Fotos mit der ZAMG wesentlich mit beeinflusst. Daneben meteorologischem Inhalt eingereicht werden. war er über lange Jahre wichtiger Funktionär Die Teilnahmsbedingungen finden Sie auf der der ÖGM. Mit Freude und Wehmut erinnere Website der EMS www.emetsoc.org . Das Ge- ich mich gern, dass Hofrat Willfarth bis vor winnerfoto des letzten Fotowettbewerbs Euro- kurzem trotz seines hohen Alters zu den Pen- photometeo12 finden Sie auf dem Titelblatt sionistentreffen der ZAMG gekommen ist und des vorliegenden Bulletins. Wenn Sie wun- mit bewundernswerter geistiger Frische an den derschöne meteorologische Fotos sehen wollen, Diskussion teilgenommen hat. kann ich Ihnen nur empfehlen, die Website der Die ÖGM wird beiden ehemaligen Mitgliedern EMS zu besuchen, wo die 10 besten Fotos von ein ehrendes Gedenken bewahren. Europhotometeo12 aber auch alle in die nähere
ÖGM bulletin 2013/2 5 IMGI Nachruf auf Professor Hans-Jürgen Bolle 29.1.1929 – 13.3.2013 Helmut Rott Festkolloquium zum 75. Geburtstag von H.-J. Bolle, Universität Innsbruck, 9. Februar 2004. Hans-Jürgen Bolle, ein exzellenter Wissen- Hans-Jürgen Bolle absolvierte das Studi- schaftler und Lehrer in den Fachgebieten At- um der Physik an der Universität seiner Ge- mosphärenphysik, Klimaforschung und Erdbe- burtsstadt Hamburg. Im Jahre 1954 schloss er obachtung aus dem Weltraum, starb am 13. das Diplomstudium mit einer Arbeit über die März 2013 in München. Er spielte international Bestimmung optischer Konstanten dünner Me- eine führende Rolle in der Entwicklung quan- tallschichten ab. 1958 promovierte er zum Dok- titativer Methoden zur Analyse und Inversion tor der Naturwissenschaften. Für seine Dok- von Satellitenmessungen der Atmosphäre und torarbeit führte Herr Bolle am Observatorium war einer der Vorreiter der Nutzung von Satel- des Deutschen Wetterdienstes in Hamburg mit litendaten für Klimaforschung. Während seiner einer selbstgebauten Apparatur spektroskopi- Professur in Innsbruck (1977-1985) war er eine sche Messungen der atmosphärischen Infrarot- treibende Kraft für den Aufschwung von Satel- strahlung durch. Diese Arbeit war ein wichtiger litenmeteorologie und Fernerkundung in Öster- Grundstein seiner wissenschaftlichen Karriere. reich. Seine Verbundenheit mit Innsbruck und Strahlungsprozesse in der Atmosphäre und In- Österreich bekundete Herr Bolle unter ander- version spektraler Messungen waren Themen, em beim Festkolloquium zu seinem 75. Ge- mit denen er sich während seiner gesamten burtstag, das im Februar 2004 an der Univer- wissenschaftlichen Laufbahn befasste, zunächst sität Innsbruck abgehalten wurde. basierend auf Boden-gebundenen Messungen,
6 ÖGM bulletin 2013/2 bald übergehend auf Plattformen in der ho- Während seiner Zeit in Innsbruck hat- hen Atmosphäre und im Weltraum. Mit hoch- te Herr Bolle wichtige leitende Funktio- auflösenden spektralen Messungen der atmo- nen in internationalen wissenschaftlichen Gre- sphärischen Strahlung im sichtbaren und in- mien inne: Präsident der Int. Strahlungs- fraroten Spektralbereich, die er in den Jah- kommission der IUGG (1979-1983), Präsi- ren 1961 bis 1963 an verschiedenen Orten dent der Int. Assoziation für Meteorologie des Mittelmeerraumes und am Jungfraujoch und Atmosphärenphysik (IAMAP) der IUGG durchführte, lieferte er wesentliche Grundlagen (1983-1987), Stellvertretender Vorsitzender des für die Modellierung von Prozessen der Strah- Joint Scientific Committee“ (JSC) des Welt- ” lungsübertragung in der Atmosphäre. Klimaprogramms WCRP (1982-1986). Diese Bereits wenige Wochen nach der Promotion Funktionen ermöglichten Herrn Bolle die Um- wurde Herr Bolle zum wissenschaftlichen Assi- setzung seiner Ideen im internationalen Rah- stenten am Lehrstuhl von Prof. Fritz Möller an men. Er war einer der Initiatoren des In- ” der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ternational Land Surface Climatology Pro- ernannt, einem Zentrum der atmosphärischen ject“ (ISLSCP), ein Projekt unter dem Schirm Strahlungsforschung. Im Jahr 1960 folgte er von IUGG, COSPAR und UNEP, in dem Ver- Herrn Prof. Möller an das Meteorologische fahren zur Ableitung von Klimaparametern Institut der Universität München. Er leitete aus Satellitenmessungen entwickelt und globale in München eine Arbeitsgruppe für Entwick- Datensätze wichtiger Klimagrößen erstellt wur- lung und Betrieb von Strahlungsinstrumenten, den. Mittlerweile ist ISLSCP im Global Ener- ” die auf Stratosphärenballons und Forschungs- gy and Water Cycle Experiment“ (GEWEX) Raketen zum Einsatz gelangten. Diese Arbei- des WCRP beheimatet. Eines der beiden ten lieferten wichtige Kenntnisse für die Ent- Workshops zur Gründung und Definition von wicklung Satelliten-getragener Spektrometer, ISLSCP wurde auf Einladung Herrn Bolles die der Messung von Spurengasen der Atmo- im Juli 1983 in Innsbruck abgehalten. Auf sphäre dienen. Im Jahre 1968 erlangte Hans- dem Gebiet der Satelliten Sondierung der At- Jürgen Bolle an der Universität München die mosphäre unterstützte Hans-Jürgen Bolle die Lehrbefugnis für Meteorologie und im Jahre Gründung der internationalen TOVS Working 1973 wurde er zum außerplanmäßigen Profes- Group (ITWG), eine Untergruppe der Int. sor ernannt. Strahlungskommission. Er lud zur 1. Interna- Im Februar 1978 wurde Hans-Jürgen Bol- tional TOVS Study Conference im August 1983 le als Ordentlichen Universitätsprofessor für nach Igls bei Innsbruck ein. ITWG entwickelte Meteorologie und Geophysik an die Univer- sich zu einem wichtigen Forum für den Fort- sität Innsbruck berufen. Diese Position hatte schritt der Atmosphärensondierung. Bis heute er bis Februar 1986 inne. Schwerpunkte sei- wurden 17 weitere TOVS Study Conferences ner wissenschaftlichen Arbeit in dieser Zeit abgehalten. In den Jahren 1985, 1988, 1993 und waren Methoden zur Inversion von Satelli- 1998 fanden sie wiederum in Igls statt. tenmessungen der Atmosphäre und Erdober- Hans-Jürgen Bolle war ein Verfechter mul- fläche und der Einsatz von Erdbeobachtungs- tidisziplinärer Forschungsansätze, insbesonde- Satelliten für Klimaforschung. Er war einer der re was die breite Nutzung von Satellitenda- ersten, der das große Potential der Satelliten- ten für Klimaforschung betrifft. Dies spiegelte beobachtung für die Erfassung von Klimapa- sich unter anderem in seinem Engagement bei rametern der Erdoberfläche und Atmosphäre Planung und Durchführung von Feldmesskam- erkannte. pagnen wieder, deren Ziel es war, Satelliten-
ÖGM bulletin 2013/2 7 Methoden für die Messung von Klimaparame- Daten in Klimamodellen. Eines der wichtigsten tern zu entwickeln und zu verbessern. In sei- Projekte, das Herr Bolle koordinierte, war das ner wissenschaftlichen Laufbahn initiierte er multidisziplinäre EFEDA Projekt der EU, an zahlreiche Messkampagnen, an denen Wissen- dem 150 Wissenschaftler aus Europe und USA schaftler verschiedener Disziplinen teilnahmen. teilnahmen. Auf Grund seines fachlichen En- Bei diesen Kampagnen war er Organisator und gagements wurde Herr Bolle zum Vorsitzen- auch selbst engagierter Experimentator. Die den des wissenschaftlichen Komitees des IGBP Verknüpfung von wissenschaftlicher Theorie, Projekts BAHC (Biological Aspects of the Hy- Experiment und praktischer Umsetzung war drological Cycle) ernannt, eine Funktion, die ein Markenzeichen der von ihm geleiteten Kur- er von 1990 bis 1993 innehatte. Auch nach sei- se. Die Feldmesspraktika am Landgut Herrn ner Emeritierung (1994) war Hans-Jürgen Bol- Bolles in der Toskana sind den (ehemaligen) le wissenschaftlich sehr aktiv. Sein besonders Studenten noch in lebhafter Erinnerung. Interesse in diesen Jahren galt dem Klima des Auf nationaler Ebene trug Hans-Jürgen Mittelmeerraumes und der Desertifikation. Bolle wesentlich zur Planung und Vorbereitung Hans-Jürgen Bolle war ein Wissenschaft- der Mitgliedschaft Österreichs in den interna- ler, der wesentlich zum Fortschritt in Atmo- tionalen Organisationen ESA und in EUMET- sphären- und Klimaforschung beitrug, der mit SAT bei. Unter anderem erstellte er im Jah- großer Offenheit über sein eigenes Fachgebiet re 1984 gemeinsam mit Siegfried Bauer eine hinaus blickte und internationaler und inter- Studie zum Thema Beziehungen Österreichs disziplinärer Kooperation großen Wert beimaß. ” zur ESA, Auswirkungen auf die Wissenschaft“. Diese Offenheit und sein Arbeitsstil, geprägt In Folge wurde eine beratende Kommission für von Sorgfalt, Weitblick und Kollegialität, ver- Weltraumforschung und -technologie der Bun- liehen ihm höchste Anerkennung bei Kolle- desregierung eingesetzt, mit der Aufgabe, eine gen, Mitarbeitern und Schülern. Mit Hans- langfristige Strategie für die österreichische Be- Jürgen Bolle verliert die internationale wis- teiligung an Weltraumprojekten zu erarbeiten. senschaftliche Gemeinschaft einen der Pioniere In dieser Kommission spielte Hans-Jürgen Bol- der Erdbeobachtung aus dem Weltraum, der le eine wichtige Rolle. Österreich wurde schließ- in der Periode des Aufschwungs der Satelliten- lich am 1. Januar 1987 Vollmitglied der ESA. Technik wesentliche und nachhaltige Akzente Zentrales Forschungsthema Herrn Bolles für Atmosphären- und Klimaforschung setzte. während seiner Professur an der Freien Uni- versität Berlin (1986 bis 1994) war der Ein- satz von Satellitenmethoden zur Messung von Energie- und Massenflüssen an der Erdober- fläche. Sein besonderes Interesse galt dem Was- serkreislauf und dem Einfluss von Klimaänder- ungen auf die Verfügbarkeit von Wasser. Herr Bolle war einer der Initiatoren großer interna- tionaler Feldexperimente, die in verschiedenen Regionen des Mittelmeerraumes durchgeführt wurden. Wichtige Fragestellungen dieser Kam- pagnen waren Weiterentwicklung und Verifi- zierung von Methoden zur Messung von Zu- standsgrößen der Atmosphäre, der Vegetation, Einsatzbesprechung bei der EFEDA Messkampag- und des Erdbodens, sowie die Nutzung dieser ne in Spanien.
8 ÖGM bulletin 2013/2 ÖGM 5. Österreichischer MeteorologInnentag, 7.-8. November 2013, Feldkirch Fritz Neuwirth Der alle zwei Jahre stattfindende Österrei- le mit Meteorologie befassten Organisationen chische MeteorologInnentag machte diesmal in in Österreich wie die ZAMG, Flugwetterdienst Feldkirch Station. Wie bekannt wurde die Ta- von AustroControl, die Meteorologie-Institute gung eingerichtet, um den Austausch und Kon- in Wien, Innsbruck und Graz, das ESSL (Eu- takt zwischen allen an Atmosphärenwissen- ropean Severe Storms Laboratory) aus Wr. schaft und ihren Anwendungsbereichen interes- Neustadt, das Climate Change Centre Austria sierten Personen und Institutionen zu fördern. (CCCA) und private meteorologische Firmen Insbesondere die Vernetzung zwischen den ent- vertreten waren und über ihre derzeit laufen- sprechenden Einrichtungen soll damit verbes- den Aktivitäten bzw. Projekte berichteten. sert bzw. intensiviert werden. Auch ist die Ta- Zusätzlich zu den Vorträgen wurden noch gung ein Forum, wo insbesondere junge Kolle- Arbeiten in 12 Postern vorgestellt. Den Po- ginnen und Kollegen eingeladen sind, ihre Ar- sterpreis (Geldpreis) für den besten Poster der beiten sei es in Vorträgen oder Postern vorzu- ÖGM erhielt Frau Marianne Hofer vom In- stellen. stitut für Geophysik, Astrophysik und Meteo- Die österreichische MeteorologInnentagung rologie der Universität Graz für ihren Poster der ÖGM fand erstmals in Innsbruck statt. Zu Detektion und Untersuchung solarer Strah- ” den folgenden Tagungen konnte nach Wien, lungsüberhöhungen mit dem ARAD (Austrian Graz und Klagenfurt eingeladen werden. Die Radiation) System und dem Cloudcam (All- diesjährige Tagung fand auf Initiative und un- sky-Bildgebungs-)System“ am IGAM Graz. ter intensiver Mithilfe unseres Mitglieds Ri- Die Kurzfassungen aller Beiträge sowie die chard Werner in Vorarlberg statt. Zum Gelin- Powerpointpräsentationen der gehaltenen Vor- gen haben zusätzlich Ernst Rudel, Sophie De- träge sind auf der Website der ÖGM www. bit und Markus Kottek wesentlich beigetragen. meteorologie.at zu finden. Eine Fotogalerie Allen muss herzlichst für ihre Mühe gedankt von der Tagung auf der Website vervollständigt werden. Besonderer Dank muss auch den Spon- die Information über die Tagung. Insgesamt soren der Tagung – Firma Sommer GmbH, Fir- war die bestens organisierte und vom Hotel ma Getzner Textil AG, ZAMG und dem Land Montfort bestens betreute Tagung sehr er- Vorarlberg - ausgesprochen werden. folgreich und hat ihren Zweck, Information Grußworte an die Tagungsteilnehmer rich- über die verschiedenen mannigfaltigen Akti- teten Frau Schöbi-Fink in ihrer Funktion als vitäten der österreichischen meteorologischen Stadträtin für Kultur und Integration der Gemeinschaft zu erhalten bzw. auszutauschen, Stadt Feldkirch, und Herr Landesrat Erich mögliche neue Kooperationen zu beginnen, voll Schwärzer, der uns beim Buffetdinner beehr- erfüllt. Zu der angestrebten Vernetzung zwi- te. Wie aus dem Programm ersichtlich, war es schen den Institutionen haben zweifelsohne höchst erfreulich, dass tatsächlich praktisch al- das von der ZAMG gesponserte Dinner so-
ÖGM bulletin 2013/2 9 wie die Kaffeepausen wesentlich beigetragen. Die nächste Österreichische MeteorologInnen- tagung wird auf Einladung von Franz Rubel 2015 an der Veterinärmedizinischen Univer- sität in Wien stattfinden. Überreichung des Posterpreises durch Fritz Neu- wirth an Frau Marianne Hofer (Foto: Ernest Rudel) Georg Kaser, Johann Feichter, Richard Werner und Ingeborg Schwarzl im Gespräch (Foto: Ernest Ru- del) Postersession (Foto: Ernest Rudel) Mathias Rotach bei seinem Vortrag (Foto: Christi- an Maurer)
10 ÖGM bulletin 2013/2 Programm des Meteorologentages Donnerstag, 7. November 2013 13:00- Registrierung 14:30 14:30- Begrüßung und Eröffnung 14:45 Barbara Schöbi-Fink (Stadträtin für Kultur und Integration, Feldkirch), Fritz Neu- wirth (1. Vorsitzender ÖGM) Session 1, Vorsitz: Fritz Neuwirth 14:45- Climate Change 2013, 5. IPCC-Bericht 15:05 Georg Kaser, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck 15:05- Das Climate Change Centre Austria (CCCA) stellt sich vor 15:25 Ingeborg Schwarzl, CCCA - Climate Change Centre Austria 15:25- Aktuelle Forschung in atmosphärischer Dynamik am IMGI 15:45 Mathias Rotach, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck 15:45- Unwetterforschung im Europäischen Kontext - das ESSL in Österreich 16:05 Alois M. Holzer, ESSL, European Severe Storms Laboratory 16:05- Einführung hochaufgelöster numerischer Modelle in den operationellen Betrieb an 16:25 der ZAMG: erste Erfahrungen und zukünftige Planung Florian Meier, ZAMG Wien 16:25- Kaffeepause 16:45 Session 2, Vorsitz: Ernest Rudel 16:45- Modellierung von Vulkanasche für den Flugverkehr 17:05 Gerhard Wotawa, ZAMG Wien 17:05- Klimamodellierung im Alpenraum - neueste Entwicklungen am Wegener Center 17:25 Heimo Truhetz, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Karl-Franzens- Universität Graz 17:25- 50 Jahre Ostalpine Strömungslagenklassifikation 17:45 Reinhold Steinacker, Universität Wien 17:45- GCOS datainventory Austria 18:05 Rainer Stowasser, ZAMG Wien 18:05- Die Zugbahnen von Tiefdruckgebieten über Mitteleuropa und ihre Niederschlagsre- 18:25 levanz für 1948-2012 Michael Hofstätter, ZAMG Wien 18:25- Forschung & Entwicklung beim privaten Wetterdienst UBIMET 18:45 Dieter Mayer, Günther Doppelbauer, UBIMET 18:45- Neues Visualisierungssystem - Neue Möglichkeiten 19:05 Martin Steinheimer, Austro Control
ÖGM bulletin 2013/2 11 19:30 Dinner Freitag, 8. November 2013 Session 3, Vorsitz: Franz Rubel 08:30- Räumliche Modellierung extremer Schneehöhen in Österreich 08:50 Harald Schellander, ZAMG Innsbruck 08:50- 30.000 Schneewasserwertmessungen aus Österreich! Was zeigen sie uns? 09:10 Stefanie Gruber, ZAMG Innsbruck 09:10- 3PClim: Klima von Tirol, Südtirol und Veneto. Ein interregionales Projekt zur Kli- 09:30 mavergangenheit, -gegenwart und -zukunft Christoph Zingerle, ZAMG Innsbruck 09:30- Missverständnisse zwischen Meteorologen und Laien: Erfahrungen aus der Praxis 09:50 Matthias Ratheiser, Weatherpark GmbH 09:50- Dürrephasen im Alpenraum - Analysen aus HISTALP Beobachtungsdaten und re- 10:10 gionalen Klimasimulationen mit COSMO-CLM Klaus Haslinger, ZAMG Wien 10:10- Kaffeepause 10:30 Session 4, Vorsitz: Markus Kottek 10:30- Meteorologische und klimatologische Leistungen der ZAMG im Bereich der Wind- 10:50 energie Hildegard Kaufmann, ZAMG Wien 10:50- Die Bedeutung von abgetropften Tiefdrucksystemen für meso-skalige Starknieder- 11:10 schlagsereignisse im Alpenraum David Leidinger, Institut für Meteorologie, Universität für Bodenkultur Wien 11:10- Aktuelle Aktivitäten in der Umweltmeteorologie an der ZAMG 11:30 Martin Piringer, ZAMG Wien 11:30- Das Niederschlagsregime an Dome C, Antarktis - eine Untersuchung mit AMPS 11:50 (Antarctic Mesoscale Prediction System) Elisabeth Schlosser, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck 11:50- Quantifizierung von Austauschprozessen im Gebirge: Effekte der Stabilität und der 12:10 Gebirgshöhe Daniel Leukauf, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck 12:10- Aktivitäten an der ZAMG, Kundenservice Steiermark im Überblick 12:30 Friedrich Wölfelmaier, ZAMG Graz 12:30 Verleihung Posterpreis
12 ÖGM bulletin 2013/2 Posterpräsentationen P1 Detektion und Untersuchung solarer Strahlungsüberhöhungen mit dem ARAD (Au- strian Radiation) System und dem Cloudcam (All-sky-Bildgebungs-) System am IGAM Graz Marianne Hofer, Institut für Geophysik, Astrophysik und Meteorologie, Universität Graz P2 Changing risks to European transport infrastructure as pictured by Climatic Indices - an aspect of CliPDaR Christoph Matulla, ZAMG Wien P3 Constructing management guidelines for the Douglas fir as an alternative conifer species in Austria: provenance recommendations based on climate response functions Christoph Matulla, ZAMG Wien P4 Meilensteine einer realistischen Darstellung von Dispersionsergebnissen: Quell- termabschätzung und Ensemblevorhersage am Beispiel Grimsvötn Christian Maurer, ZAMG Wien P5 Inhomogenitäten in Zeitreihen der relativen Luftfeuchtigkeit in Österreich Johanna Nemec, ZAMG Wien P6 Climate services der ZAMG Johanna Oberzaucher, ZAMG Wien P7 Künftige Entwicklungen für das Lagrange’sche Partikelausbreitungsmodell FLEX- PART Anne Philipp, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Wien P8 Carbon Dioxide Exchange in Complex Topography Matthias Reif, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck P9 Monitoring der Dual-Pol Radar in Österreich Christina Tavolato, MeteoServe GmbH P10 Analyse und Qualitätskontrolle von Wolkenuntergrenze und Sichtweite: erste Schrit- te Sarah Umdasch, Universität Wien P11 The impact of valley depth and width on thermally driven flows and vertical heat fluxes Johannes Wagner, Institut für Meteorologie und Geophysik, Universität Innsbruck P12 Zum Klimaatlas von Vorarlberg - vier Beispiele Richard Werner, Institut für Umwelt und Lebensmittelsicherheit
ÖGM bulletin 2013/2 13 ZAMG Gründung des Austrian Polar Research Insti- tute (APRI) Wolfgang Schöner Österreich hat eine lange Tradition in der in- für die internationale Meereisforschung legte. ternationalen Polarforschung. Eine wesentliche Es sei hier noch angemerkt, dass in Österreich Grundlage und ein herausragender Meilenstein seit jeher, so wie in vielen anderen Ländern, die war die Entdeckung der Inselgruppe Franz Jo- Polarforschung sehr eng mit der Meteorologie sef Land durch die österreichisch-ungarische und Geophysik und insbesondere auch mit der Nordpolarexpedition unter der Führung von Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna- Julius Payer und Carl Weyprecht im Jahr 1873. mik verknüpft ist. Wie oft in der Geschichte der Wissenschaft war der Erfolg mit dem gleichzeitigen Ver- fehlen des eigentlichen Expeditionszieles ver- bunden, nämlich die Erkundung der Nordost- ” Passage“. Die größte Innovation die aus die- ser Expedition folgte war jedoch die Entwick- lung der Idee eines internationalen Polarjah- res durch Carl Weyprecht. Ihm war durch seine Polarexpeditionen klar geworden, dass der Wettstreit zwischen den Nationen und die unkoordinierte Erforschung der Polarregionen Grußworte von BM Karlheinz Töchterle (Foto: Ger- nicht zielführend waren. Er schlug daher vor, not Weyss) in internationaler Absprache zur selben Zeit und unter Beteiligung möglichst vieler Natio- nen die Polarregionen im Rahmen eines Polar- Trotz vieler internationaler Beiträge Öster- jahres zu erforschen. Internationale Polarjah- reichs zur Polarforschung ist es bis vor kurz- re wurden mittlerweile mehrmals durchgeführt, em nicht gelungen, eine nationale Vertretung und Österreich beteiligte sich mit internatio- in Form eines eigenen Polarforschungsinstituts nal herausragenden Wissenschaftlern an al- oder eine sonstigen nationalen Vertretung der len Polarjahren. Von diesen Persönlichkeiten Polarforschung in Österreich zu etablieren. Es sei nur einer beispielhaft erwähnt, nämlich gab jedoch in der Vergangenheit mehrere Ver- der kürzlich verstorbene Nobert Untersteiner. suche, eine solche Institution zu gründen, die Berühmt wurde er durch seine Messungen auf jedoch scheiterten. Eine derartige Vertretung der Driftstation Alpha“ im Bereich des ark- ist wichtig, um in internationalen Gremien (et- ” wa dem International Arctic Science Commit- tischen Ozeans, mit der er im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahrs 1957- tee IASC oder dem Scientific Committee on 58 (das auch als 3tes Internationales Polarjahr Antarctic Research SCAR) teilzunehmen und verstanden wird) eine wesentliche Grundlage österreichische Interessen in internationale For- schungsprogramme einzubringen. Auch für die
14 ÖGM bulletin 2013/2 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nehmenden Organisationen koordinieren und und die Information der Öffentlichkeit ist eine fördern. Das APRI umfasst derzeit etwa 50 eigene Polarinstitution wichtig. Wissenschaftler (aus 14 Forschergruppen) von Mit dem Rückenwind des 4ten Internatio- der Universität Wien, der Universität Inns- nalen Polarjahres 2007/2008 hat sich die öster- bruck, der Technischen Universität Wien und reichische Polarforschung neu formiert und die der Zentralanstalt für Meteorologie und Geo- Idee eines eigenen Polarinstitutes wurde wie- dynamik. Das Österreichische Institut für Po- der aufgegriffen. Im Jahr 2012 ist es dann nach larforschung verfolgt die folgenden Zielsetzun- mehrjähriger Vorarbeit durch die Zusammen- gen: arbeit von Wissenschaftlern der Universitäten Wien und Innsbruck und der Zentralanstalt 1. Erleichtern der Zusammenarbeit für Meteorologie und Geodynamik gelungen und Fördern von Synergien in der die Initiative umzusetzen und das Österrei- Polarforschung auf nationaler Ebe- chische Polarforschungsinstitut – Austrian Po- ne: lar Research Institute ( APRI ) als kooper- APRI will die disziplinär oft exzellente, ierendes Institut zwischen den Initiatoren zu aber fragmentierte österreichische For- gründen. Die feierliche Eröffnung des Institu- schungslandschaft im Bereich der Polar- tes fand am 8. April 2013 an der Universität forschung zusammenführen. Dabei soll Wien im Beisein des BM für Wissenschaft und die Zusammenarbeit der beteiligten Wis- Forschung Dr. Karlheinz Töchterle, des Rek- senschaftlerinnen und Wissenschaftler im tors der Universität Wien, des Direktors der Bereich der Polarforschung in Österreich Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna- gefördert und unterstützt und Synergien mik, des Geschäftsführers von IASC und etwa im Forschungsbereich der beteiligten In- 200 Gästen statt. Damit konnte ein Meilenstein stitutionen ermöglicht werden. in der Geschichte der österreichischen Polarfor- 2. Förderung internationaler Koope- schung erreicht werden. rationen in der Polarforschung und Vertretung Österreichs in interna- tionalen Organisationen der Polar- forschung: Polarforschung ist nicht nur thematisch komplex, sie benötigt auch aufgrund der geographischen Gegebenheiten zur Durchführung eine ausgereifte und teu- re Infrastruktur (etwa Forschungsstatio- nen, Schiffe, Helikopter und Flugzeuge). Polarforschung ist daher nur in einer ge- meinsamen internationalen Anstrengung Direktor Michael Staudinger begrüßte im Namen sinnvoll und möglich. Österreich besitzt der ZAMG (Foto: Gernot Weyss) im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern kein Polarforschungsprogramm Das neue österreichische Polar Research In- beziehungsweise keine Trägerorganisati- stitute möchte mit einer schlanken Führungs- on, die sich um Polarforschungsagen- struktur die Forschung und Ausbildung im Be- den bemühen. Daher APRI hat es sich reich der polaren Wissenschaften an den teil- zum Ziel gesetzt, die österreichischen
ÖGM bulletin 2013/2 15 Forscherinnen und Forscher in diesem Be- keit forcieren und die Öffentlichkeit mit reich zusammen zu führen, sie zu koor- fachlich fundierten Informationen zu die- dinieren und nach außen zu vertreten so- sem Bereich versorgen. wie ihre Forschung sichtbarer zu machen. Darüber hinaus wird APRI die österrei- Das APRI hat sich der Forschung auf chische Polarforschung in wichtigen inter- höchstem Niveau verpflichtet und orientiert nationalen Organisationen vertreten, et- sich dazu ausschließlich an den Standards der wa IASC (International Arctic Science Internationalen Scientific Community. Thema- Committee) oder dem SCAR (Scientific tisch gibt es hingegen keine Einschränkungen. Committee on Antarctic Research). Das APRI ist derzeit in drei Bereiche geglie- dert: 3. Initiierung, Entwicklung und Un- terstützung interdisziplinärer Po- larforschung auf nationaler und Eu- • Cryosphere and Climate ropäischer Ebene: Dieser Themenbereich beschäftigt sich APRI möchte auch die Entwicklung vor allem mit der Reaktion der polaren von gemeinsamen interdisziplinären For- Cryosphäre auf den Klimawandel, Rück- schungsprogrammen und -projekten in koppelungen von Veränderungen in der Österreich initiieren und aktiv die Ein- Cryosphäre auf das globale Klima sowie bindung der österreichischen Polarfor- der Rekonstruktion des Klimas aus pola- schung in europäische Forschungspro- ren Klimaarchiven. gramme unterstützen. • Polar Ecology 4. Unterstützung von Jungwissen- Die wichtigsten Themen in diesem Be- schaftlerInnen: reich sind die Rolle polarer Ökosysteme Junge Wissenschaftlerinnen und Wissen- in globalen biogeochemischen Kreisläufen schaftler werden bei der Entwicklung und ihre Veränderung und Rückkoppe- ihrer Kariere im Bereich der Polarfor- lung im Klimawandel und die genetischen schung durch das APRI unterstützt und und ökologischen Anpassungen von Or- jungen österreichischen Forscherinnen ganismen (insbesondere von Mikroorga- und Forschern die internationale Vernet- nismen) an ihre polare Umwelt. zung in besserer Weise ermöglicht. • Social and Cultural Systems 5. Erhöhung der Sichtbarkeit der Der globale Klimawandel und die Aus- österreichischen Polarforschung beutung von Rohstoffen in arktischen und die Förderung des Dialogs der Gebieten ändern die Lebensbedingun- Polarforscher mit der Öffentlich- gen indigener Völker in arktischen Ge- keit: bieten dramatisch. Dieses Themenfeld Die Sichtbarkeit der oft exzellenten, aber beschäftigt sich insbesondere mit den fragmentierten österreichischen Polarfor- Veränderungen in den Mensch-Umwelt schung der beteiligten Institutionen kann Beziehungen in den arktischen Gebieten. durch APRI nach außen hin besser sicht- Die Kooperation von Naturwissenschaf- bar gemacht werden. Darüber hinaus will ten und Sozialwissenschaften macht das APRI den Dialog zwischen Polarforscher- APRI zu einem interdisziplinären For- innen und –forschern und der Öffentlich- schungsinstitut.
16 ÖGM bulletin 2013/2 Das derzeitige Management-Team umfasst den Direktor (derzeit Prof. Andreas Rich- ter, Universität Wien) die Vize- Direktorin (Prof. Birgit Sattler, Universität Innsbruck), den Geschäftsführer (Dr. Wolfgang Schöner, ZAMG, Stellvertreter Prof. Peter Schweit- zer, Universität Wien) und die Finanzdirekto- rin (Dr. Annett Bartsch, Technische Univer- sität Wien, Stellvertreter Prof. Ulrich Stras- ser, Universität Innsbruck). Detaillierte Infor- Der Direktor des APRI Andreas Richter stellte das mationen über das österreichischen Polar Re- neue Institut und seine Aufgaben vor (Foto: Bern- search Institute sind auf der Website www. hard Hynek) polarresearch.at abrufbar. Reisekostenzuschuss für studierende Mitglieder Die ÖGM fördert junge Mitglieder, die ihr hat der Antragsteller Originalrechnungen und Studium noch nicht abgeschlossen haben, einen kurzen Bericht (1-2 Seiten), bis späte- mit Reisekostenzuschüssen von maximal Eu- stens 3 Monate nach beendeter Reise, abzuge- ro 150,- pro Reise. Die Reise soll der wissen- ben. Der Bericht ist so abzufassen, dass er im schaftlichen Fortbildung oder der Präsentation nächsten ÖGM Bulletin veröffentlicht werden der eigenen Arbeit im Rahmen von Workshops kann; die Mitglieder der ÖGM über die Ta- oder Tagungen dienen. Der Antrag auf Reise- gung und im Besonderen über den Beitrag des kostenzuschuss muss an den 1. Vorsitzenden geförderten ÖGM Mitglieds informiert werden. der ÖGM gerichtet werden. Bei Bewilligung Tagungen Bezüglich anstehender Tagungen im Jahr 2014 wird auf den Tagungskalender auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie verwiesen: http://www.meteorologie.at
ÖGM bulletin 2013/2 17 ÖGM Festkolloquium 250 Jahre Wetter- und Kli- mabeobachtung ”in der Stiftssternwarte Krems- münster“ und Verleihung der Silbernen Hann- Medaille der ÖGM an die Stiftssternwarte Krems- münster Fritz Neuwirth Wie im letzten ÖGM-Bulletin angekündigt der Wetterbeobachtungen zu sichern. Frau fand das Festkolloquium aus Anlass von 250 Bundesrätin Angelika Winzig überbrachte die Jahren Wetter- und Klimabeobachtungen in Grüße und Glückwünsche des Herrn Landes- der Stiftsternwarte Kremsmünster unter re- hauptmanns von Oberösterreich zu dem einzig- ger Anteilnahme im beeindruckenden Rahmen artigen Jubiläum. Michael Staudinger, Direk- des Stifts Kremsmünster am 13. Juni 2013 tor der ZAMG, würdigte in seiner Begrüßung statt. Wie bekannt wurde mit regelmäßigen den jahrhundertelangen Einsatz der Stiftstern- Wetterbeobachtungen durch die Stiftsternwar- warte bzw. deren Mitarbeiter für die ständigen te Kremsmünster bereits am 28. 12. 1762 be- Wetterbeobachtungen und -messungen. gonnen. Begrüßung durch Abt Ambros Ebhart (Foto: Man- Einleitende Worte durch Ernest Rudel, ZAMG, fred Weigerstorfer) Generalsekretär der ÖGM (Foto: Manfred Weiger- storfer) Im ersten Vortrag im Rahmen des Festkollo- quiums gab P. Amand Kraml, Direktor der Der Abt des Stifts Kremsmünster, Ambros Eb- Stiftssternwarte, einen höchst interessanten hart, begrüßte die Teilnehmer und wies darauf und launigen Überblick über 250 Jahre Meteo- hin, dass sich das Stift der Bedeutung der jahr- rologie in Kremsmünster (siehe auch den Bei- hundertelangen Wetterbeobachtungen bewusst trag im ÖGM-Bulletin 2013/1). Er wies dar- ist und bemüht sein wird, den Fortbestand auf hin, dass sich die Patres des Stiftes bereits
18 ÖGM bulletin 2013/2 vor 1762 mit Meteorologie befassten. In die- sem Zusammenhang ist auch darauf hinzuwei- sen, dass der erste Direktor der ZAMG – Karl Kreil – und der wohl bedeutendste österreichi- sche Meteorologe und Direktor der ZAMG – Julius Hann -, Schüler des Stiftsgymnasiums Kremsmünster waren. Ein ehemaliger Direk- tor der Stiftssternwarte, P. Marian Koller, hat- te als Ministerialbeamter des Kultusministeri- ums wesentlichen Einfluss auf die Gründung der ZAMG in 1851. Pater Amand begrüßt die Gäste (Foto: Manfred Weigerstorfer) Pater Amand, Direktor der Stiftssternwarte (Foto: Manfred Weigerstorfer) Begrüßung durch Direktor Michael Staudinger, ZAMG (Foto: Manfred Weigerstorfer) Der ehemalige Direktor des Max-Plank- Instituts für Meteorologie in Hamburg, Hart- mut Grassl, befasste sich im zweiten Festvor- trag gewohnt mitreißend mit dem Treibhausef- Pater Amand bei seinem Vortrag (Foto: Manfred fekt, wobei er sowohl die historische Entwick- Weigerstorfer) lung des Verständnisses des Treibhauseffekts als auch den heutigen Kenntnisstand insbeson- dere im Hinblick des anthropogenen Anteils be- Peer Hechler vom WMO Information System befasste sich in seinem Vortrag mit 250 Jah- handelte.
ÖGM bulletin 2013/2 19 ren Klimabeobachtungen in Kremsmünster in Relation zu den WMO Aktivitäten. Er zeigte eindrücklich, dass Beobachtungsstationen wie Kremsmünster die unverzichtbare Grundlage für die Aktivitäten der globalen Meteorologie sind. Eine WMO-Umfrage ergab, dass es rund 5000 Stationen weltweit gibt mit mehr als 100- jährigen Beobachtungen, jedoch nur sehr weni- ge mit über 200 Jahren ununterbrochenen Be- obachtungen wie in Kremsmünster. Peer Hechler: Kremsmünster und die WMO (Foto: Manfred Weigerstorfer) Am Ende des Festkolloquiums überreichte der 1. Vorsitzende der ÖGM, Fritz Neuwirth, die Silberne Julius-Hann-Medaille Herrn P. Amand Kraml, dem derzeitigen Direktor der Stiftsternwarte, die die ÖGM in Würdigung der einzigartigen, 250-jährigen Wetterbeobach- tungen durch die jeweiligen Direktoren und ihr- en Mitarbeitern der Stiftsternwarte zuerkann- Hartmut Grassl bei seinem Vortrag (Foto: Manfred te. Nach einem gemeinsamen Mittagessen gab Weigerstorfer) es die Möglichkeit, die Stiftsternwarte zu be- sichtigen. Alle Vorträge können auf der Home- Schließlich behandelte Ingeborg Auer, Leiterin page der ÖGM (www.meteorologie.at) gefun- der Abteilung Klimaforschung der ZAMG, die den werden. Bedeutung der Datenreihe von Kremsmünster in der österreichischen Klimaforschung (sie- he auch das ÖGM-Bulletin 2013/1). Sie wies auf die unbedingte Notwendigkeit der Ho- mogenisierung der Zeitreihen hin und beton- te, dass manche Klimaforschungsarbeiten oh- ne die Messungen bzw. Parallelmessungen von Kremsmünster nicht möglich gewesen wären. Fritz Neuwirth würdigt die Leistung der Stiftsstern- warte (Foto: Manfred Weigerstorfer)
20 ÖGM bulletin 2013/2 Weatherpark GmbH Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels – was die Meteorologie beitragen kann Wolfgang Gepp, Matthias Ratheiser, Simon Tschannett In der Vergangenheit haben wir in Öster- schiedener Disziplinen (z.B. von Meteorologie reich einige wesentliche Fehlentwicklungen und und Medizin). Auf nationaler Ebene fehlt im Versäumnisse in der Klimapolitik beobachtet. Bereich der Stadtplanung noch die praktische Dies betrifft neben dem Klimaschutz vor allem Umsetzung im Sinne dieser notwendigen Inter- die Anpassung unseres gebauten Lebensraumes disziplinarität. an den schon stattfindenden Klimawandel. Das Das Interesse am Wohlbefinden künftiger äußert sich etwa darin, dass die unmittelba- Bewohner und Benutzer von Gebäuden oder re Bedeutung meteorologischer Forschung und Stadtteilen sollte dazu führen, die Expertise deren praktischer Umsetzung für die (Stadt-, von Meteorologen als selbstverständlichen Be- Freiraum- und Gebäude-)Planung nur äußerst standteil in die Planung zu integrieren. Im Sin- zögerlich im notwendigen Maße wahrgenom- ne lebenswerter Städte ist weitere Aufklärungs- men wird, obwohl es internationale Beispie- arbeit und Bewusstseinsbildung erstrebens- le wie etwa den Klimaatlas aus Stuttgart aus wert. dem Jahre 1992 gibt. Darin werden unter an- Ein wesentlicher Teil meteorologischer Ar- derem Empfehlungen für die Flächenwidmung beit für die Stadtplanung besteht in der Bera- und Stadtgestaltung gegeben, damit die Stadt tung bei der Gestaltung von Gebäuden und an- sich im Einklang mit den klimatologischen Ge- grenzenden Freiflächen, damit Menschen die- gebenheiten entwickeln kann.1 se gerne nutzen bzw. deren Nutzbarkeit erhal- So verbleibt die Meteorologie bei der ten bleibt. So können Meteorologen in interak- Gebäude- und Stadtteilplanung hinter den sich tiver Zusammenarbeit mit Landschaftsplanern bietenden Möglichkeiten zurück, denn sie wird und Architekten ein angenehmes Mikroklima von vielen involvierten Planern nicht als wich- schaffen, in dem etwa Bäume nicht nur Schat- tig empfunden. Oftmals ist den handelnden ten spenden, sondern diese auch so gepflanzt Personen gar nicht bekannt, welche Werkzeuge werden, dass sie Wind abbremsen, die Aufhei- und Potentiale vorhanden sind. Der Grund für zung von Freiflächen verringen und Schadstof- diese Entwicklung liegt bisweilen in einer For- fe aus der Luft filtern. Die Ausgewogenheit der schung, die es verabsäumt, ihre eigene Bedeu- meteorologischen Parameter wie Wind, Tem- tung entsprechend hervor zu heben. Auf inter- peratur, Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung nationaler Ebene besteht hingegen eine starke muss gewährleistet sein. Diese sollen jeder für Tendenz, durch eine wirkungsvolle Präsenta- sich ein angenehmes Maß nicht übersteigen und tion meteorologischer Arbeit Aufmerksamkeit in ihrem Zusammenspiel das Wohlbefinden der für das Thema zu gewinnen und dessen Bedeu- Menschen nicht nur nicht stören, sondern im tung bewusst zu machen. Weiters etabliert sich Idealfall fördern. Denn für Menschen angeneh- international bereits die Zusammenarbeit ver- me klimatische Bedingungen sind die Voraus- 1 http://www.stadtklima-stuttgart.de/
ÖGM bulletin 2013/2 21 setzung für soziale Interaktion auf den Frei- gossen und somit vergleichbar gemacht. Hoher flächen einer Stadt und damit für gelungene Windkomfort alleine kann noch keinen hohen Stadtplanung. Humankomfort sicherstellen, wenn die thermi- Ein entscheidender Parameter, der stark sche Belastung, der Personen auf einer Frei- von der umgebenden Bebauung beeinflusst fläche ausgesetzt sind, zu hoch ist. Ebenso wird, ist der Wind. Im Umfeld von Gebäuden, zeigt sich, dass eine hohe Lufttemperatur allei- die sich nicht in das am Standort vor- ne noch kein ausreichender Indikator für Hit- herrschende Bebauungsschema einfügen (z.B. zestress ist. Erst das Zusammenspiel aller Fak- Hochhäuser), kann es zu Windverhältnissen toren bringt die tatsächlich empfundene Bela- kommen, die nicht ortsüblich sind. In der Fol- stung zum Ausdruck. Eine geringe Belastung ge treten an solchen Stellen Windgeschwindig- bedeutet hohen Humankomfort. keiten auf, deren Höhe das typische Maß für Der Klimawandel wird, soweit es die bisher die nähere und weitere Umgebung bei weitem entwickelten Szenarien erkennen lassen, die ein- übersteigen kann. Ab einer gewissen Häufig- zelnen meteorologischen Parameter verändern keit derartiger Situationen verringert sich der und daher auf den Humankomfort Einfluss Windkomfort einer betroffenen Freifläche. Der nehmen. Auf Stadtgebiete trifft dies in be- Windkomfort ist ein auf die Windgeschwin- sonderem Maße zu, da einige der relevanten digkeit bezogenes Maß dafür, wie angenehm Faktoren durch die städtische Bebauung eine es für Menschen ist, eine Freifläche zu nutzen zusätzliche Verstärkung erfahren. Der Effekt und sich dort aufzuhalten. Hoher Windkomfort der städtischen Wärmeinsel etwa, der den Tem- liegt dann vor, wenn an einer Stelle nur selten peraturgegensatz zwischen Stadt und Land Windgeschwindigkeiten auftreten, die eine be- zum Ausdruck bringt, führt bei einem durch absichtigte Nutzung erschweren oder den Auf- den Klimawandel induzierten generellen An- enthalt unangenehm machen. Soll etwa vor ei- stieg der Lufttemperatur zu einer überpropor- nem Lokal ein Gastgarten betrieben werden, tional stärkeren Zunahme der Temperatur in so ist das nur bei hohem Windkomfort sinn- Ballungsräumen. Das bewirkt eine Ausweitung voll. Niedriger Windkomfort hingegen führt zu der Zonen mit Hitzestress im Stadtgebiet, was einer erheblichen Attraktivitätsverminderung wiederum die Zahl der Hitzetoten ansteigen und letztlich dazu, dass die betroffenen Frei- lassen wird.2 Dem kann durch eine geeigne- flächen von den Menschen gemieden werden. te Freiraum- und Stadtgestaltung, die die me- Der Windkomfort ist ein Teil des Human- teorologischen Zusammenhänge berücksichtigt, komforts. Denn neben dem Wind spielen für entgegen gesteuert werden. So wird etwa in das menschliche Wohlbefinden weitere meteo- Paris zur Zeit die Umgestaltung des Place de rologische Faktoren wie die Lufttemperatur, la République nach Humankomfort-Kriterien die Sonneneinstrahlung oder die Luftfeuchtig- durchgeführt.3 Dabei ist aber zu beachten, keit eine wichtige Rolle. Bei der Ermittlung dass die Begrifflichkeiten und Phänomene rich- des Humankomforts wird das subjektive Emp- tig benannt werden. Denn der Wärmeinselef- finden des Menschen in Reaktion auf all diese fekt (z.B.: Gebäude der Stadt speichern un- Einflussgrößen in eine mathematische Form ge- ter Tags Energie und geben diese in der Nacht 2 siehe: Klimawandel und Gesundheit“. Editoren: Kromp-Kolb, H., Schwarzl, I. (2007): StartClim 2005: End- ” bericht, Auftraggeber: BMLFUW, BMGF, UBA, 76S: http://www.austroclim.at/fileadmin/user_upload/ reports/StCl05A1a.pdf oder Temperature, temperature extremes, and mortality: a study of acclimatisation ” and effect modification in 50 US cities“ M. Medina-Ramón & J. Schwartz in: Occup Environ Med 2007;64:827-833 doi:10.1136/oem.2007.033175 3 http://www.placedelarepublique.paris.fr/articles/le-confort-thermique-0084
22 ÖGM bulletin 2013/2 ab und halten so die Lufttemperatur höher als stellt werden sollten, genau dies gelingen kann. in der Umgebung) ist in mitteleuropäischen Diese Werkzeuge gemeinsam mit dem Know- Städten in klaren Winternächten am stärk- How von Meteorologen ist für die Planung und sten ausgeprägt. In einer Dezember-Nacht 2010 Gestaltung unserer klima(wandel)angepassten war etwa der Temperaturunterschied zwischen Städte unentbehrlich. der Innenstadt in Wien (-6,4◦ C, warme“ Insel) ” Aufgrund des bereits begonnenen Klima- und dem nahe Wien gelegene Groß Enzersdorf wandels zeigt sich heute eine verstärkte Not- (-20◦ C, kalte Umgebung) 13,6◦ C. An einem wendigkeit meteorologische Parameter in der heißen Sommernachmittag 2011 hatte die In- Planung zu berücksichtigen. Aber auch in der nenstadt 33,5◦ C, Groß Enzersdorf 33,0 ◦ C. Vergangenheit haben sich Siedlungen schon im- Trotzdem wird unter Tags im Sommer die mer an das jeweilige Klima angepasst. Die fort- Stadt als (viel) heißer als die ländliche Um- schreitende technische Entwicklung der ver- gebung der Stadt empfunden. Dies ist jedoch gangenen Jahrzehnte hat die Stadtentwicklung hauptsächlich auf die bisherige Planung, Ge- immer mehr vom Klima entkoppelt. Es hat staltung und Umsetzung von Gebäuden und sich die Meinung durchgesetzt, dass techni- Freiflächen in der Stadt zurückzuführen. Denn sche Hilfsmittel und das Vorhandensein billi- diese wirken sich tagsüber oftmals auf eine Ver- ger Energie das menschliche Leben von Witter- ringerung des Humankomforts aus und nicht ungsbedingungen unabhängig machen. Wenn so sehr auf eine Erhöhung der Temperatur in es kalt ist, dann kann geheizt werden, ist es der Stadt als Ganzes. Somit ist der Wärmein- zu warm, wird ein Kühlaggregat eingeschal- seleffekt als klimatologisches Phänomen nicht tet. Die Fortbewegung im Automobil erfolgt geeignet, die Hitze unter Tags an einem Som- mit hohem Energieaufwand und die Insassen mertag in der Stadt zu beschreiben. Dies ist werden gegen die Einflüsse von Temperatur, dann schon eher der Stadteffekt“. In Som- Wind oder Niederschlag abgeschirmt. Körper- ” mernächten jedoch kühlt die Stadt nicht so liche Anstrengung ist nicht mehr notwendig. stark ab wie das Umland, was nun tatsächlich Der Humankomfort eines Autofahrers unter- Wärmeinseleffekt genannt wird. Hitzeperioden scheidet sich damit deutlich von dem eines mit niedrigem Humankomfort in der Stadt, Fußgängers. Genau dieser Energieverbrauch, die auch noch hohe Temperaturminima in der der die vermeintliche Unabhängigkeit vom Kli- Nacht haben und somit eine Erholung vom ma ermöglicht, trägt zur Veränderung des Kli- Hitzestress verhindern, tragen am stärksten zu mas bei. Da nun erkannt wurde, dass eine Ver- höherer Sterblichkeit bei. ringerung des Energieaufwandes notwendig ist, Für ein nachhaltig verträgliches Stadtklima muss die Stadtentwicklung wieder wie früher, ist zudem die Sicherstellung einer ausreichen- als dies implizit passierte, im Einklang mit dem den Versorgung mit (kühler) Frischluft ent- Klima erfolgen. scheidend. Eine gute Belüftung wird erreicht, Dabei können Fehlentwicklungen der letz- indem bestehende Luftschneisen nicht durch ten Jahrzehnte nur mehr schwer korrigiert wer- Bebauung blockiert und in dem neue Wege den; städtische Strukturen weisen ein großes für die Frischluft geschaffen werden. Ebenso Beharrungsvermögen auf. Maßnahmen sind da- ist die Schaffung und richtige Positionierung her in bestehenden Stadtteilen schwer umsetz- von Grünzonen für die Frischluftversorgung be- bar – wenn auch nicht unmöglich, wie die deut- deutend. Internationale Beispiele zeigen, dass liche Erhöhung des Windkomforts in der Wie- mit Hilfe von Klimatop- und Planungshinweis- ner Donaucity beim Ares Tower durch regu- karten, die auch für österreichische Städte er- lierende Eingriffe zeigt: Interaktiv entwickel-
ÖGM bulletin 2013/2 23 te Maßnahmen wie z.B: immergrüne Pflan- zen in Pflanztrögen lenken den Wind über die Fußgängerpromenade; eine optimal posi- tionierte Glaswand schirmt den Eingang von hohen Windgeschwindigkeiten ab. Am effek- tivsten ist es jedoch, bereits beim Beginn der Planung von neuen Gebäuden, neuen Stadttei- len und der Stadtentwicklung die meteorolo- gische Komponente zu berücksichtigen. Dann Bei der Umgestaltung des Place de la Republique besteht großer Gestaltungsspielraum, in dem in Paris wurden Maßnahmen für einen höheren Hu- wirkungsvolle Maßnahmen erarbeitet werden mankomfort ergriffen: mehr Grün, helle Bodenplat- können. So wurde etwa bei der Planung der ten und offene Wasserspiele. (Foto: Mairie de Paris) Seestadt Aspern (ein ehemaliges Flugfeld im Osten Wiens) beispielgebend agiert. Bereits in Ausschreibungen werden Richtlinien und Infor- mationen zum Thema Mikroklima, Wind- und Humankomfort vorgegeben, so dass Planer und Entwickler dafür sensibilisiert sind und in der Umsetzung diese Erkenntnisse Verwendung fin- den. Denn die zukünftigen Bewohner und Nut- zer der Wohn- und Gewerbebauten sollen sich in ihrer neuen Umgebung wohl fühlen und sich gerne im Freien aufhalten. Wissen, das wir als Meteorologen in den Planungsprozess einflie- Pflanztröge wie diese am Praterstern in Wien ßen lassen, versetzt die Stadt als Lebensraum können helfen, die lokalen Windverhältnisse zu ver- in die Lage, den Anforderungen der Zukunft bessern oder Schatten an heißen Sommertagen zu gerecht zu werden. spenden. (Foto: Weatherpark) Begehbare Wasserspiele oder Brunnen in der Stadt ermöglichen Abkühlung an heißen Sommertagen. Sie tragen zu einem größeren Wohlbefinden der Bevölkerung während einer Hitzewelle bei. (Foto: Als Maßnahme gegen eine überhitzte Fußgängerzo- Weatherpark) ne hat die Stadtverwaltung von Malaga in Südspa- nien Segeltücher aufgespannt. Diese Straße ist zur Mittagszeit eine der wenigen, die von Passanten frequentiert wird. (Foto: Weatherpark)
24 ÖGM bulletin 2013/2 ÖGM DACH 2013: Deutsch-Österreichisch-Schweizerische Meteorologentagung 2013, 2. – 6. September 2013, Innsbruck, Kongresshaus Fritz Neuwirth Die Deutsch- Österreichisch- Schweizerische Kuhn und seinem Team muss herzlichst für sei- Meteorologentagung - DACH- Tagung - wird ne Mühe gedankt werden. traditionell gemeinsam von der Deutschen Me- Die DACH 2013 war die 5. DACH-Tagung. teorologischen Gesellschaft DMG, der Österrei- Die erste DACH-Tagung fand 2001 in Wien, chischen Gesellschaft für Meteorologie ÖGM ebenfalls organisiert von der ÖGM statt. Die und der Schweizerischen Gesellschaft für Me- weiteren DACH- Tagungen fanden 2004 in teorologie SGM ausgerichtet. Diesmal wurde Karlsruhe, 2007 in Hamburg und 2010 in Bonn die DACH 2013 vom Institut für Meteorolo- statt. Die DACH-Tagung wurde seinerzeit von gie und Geophysik der Universität Innsbruck den drei Gesellschaft gegründet, um eine Ta- und dem Kongresszentrum Innsbruck organi- gung den deutsch-sprechenden Meteorologin- siert, wobei die Federführung dabei bei Michael nen/Meteorologen anzubieten, wo sie die Vor- Kuhn, dem 2. Vorsitzenden der ÖGM, lag. träge in ihrer Muttersprache halten können. Auch wenn diese Idee in diesen Zeiten vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß ist, so zeigt aber der Besuch der bisherigen DACH-Tagungen, dass es Sinn macht. Es muss aber betont werden, dass auch Vorträge bzw. Poster in Englisch ak- zeptiert werden. Eine Besonderheit der DACH-Tagung ist auch, dass es keine spezialisierte Tagung ist, sondern dass meteorologische Themen in ihrer ganzen Breite behandelt werden. So fanden bei der DACH2013 Vorträge bzw. Poster zu folgen- den Themen statt: • Atmosphärische Chemie • Herfried-Hoinkes-Sitzung: Glazial- und Gebirgsmeteorologie Eröffnung der DACH 2013 durch den 1. Vorsitzen- • Albert-Defant-Sitzung: Ozeanographie, den der ÖGM Fritz Neuwirth (Foto: Helmut Mayer) Maritime Meteorologie • Klimawandel Eine derartige Tagung zu organisieren, erfor- dert einen ziemlichen Aufwand und Michael • Messtechnik
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