Be_herzt - Diözese Innsbruck

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Be_herzt - Diözese Innsbruck
Ausgabe 02/2021 | 33. Jahrgang, Juni 2021

Linda, 3. Klasse VS

                                                                    be_herzt

          Bischof Reinhold Stecher               Alles Lehren ist auch Aufgabe des Herzens
          Eine unveröffentlichte Predigt         Herzensbildung und Identitätsfindung
          „Gott im Herzen zum Klingen bringen“   im Religionsunterricht
Be_herzt - Diözese Innsbruck
INhalt
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           Peter Trojer
           VORWORT

           Christine Pichler im Interview mit Maria Plankensteiner-Spiegel

      4    „Geht nicht war keine Option, gar nie.“

           Theresa Haag-Zingerle

      7    Herzensbildung im Religionsunterricht der Volksschule

           Bischof Reinhold Stecher
      8    Gott im Herzen zum Klingen bringen

           Judith Jetzinger
      10   Alles Lehren ist auch Aufgabe des Herzens

           Blitzlichter
      12   Herzens-Bilder...

           Susanne Baumgartner & Cornelia Webhofer

      14   aus_brennen, wie geht der Weg ins Leben zurück

           Andrea Petritsch

      16   „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“

           David Erhart

      18   Die Sprache der Menschen sprechen

           Bernhard Lammer

      20   AV-Medienstelle

           Schul_Leben

      22   Was mein Schulleben bereichert

      23   Personalia und Impressum

           Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin / des Autors
           wieder und müssen nicht der Meinung der Herausgeber entsprechen.
           Die Nennung bei den Personalia erfolgt mit Einverständnis der Genannten.

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Dr. Peter Trojer,
                                                                                                         Rektor der Kirchlichen Pädagogischen
                                                                                                         Hochschule Edith Stein

Verehrte Kolleginnen
und Kollegen!

Eine kurze Recherche im Internet zeigt rasch            Das sind keine neuen Erkenntnisse, son-
über sechzig Redewendungen mit Herz an                  dern es handelt sich hier um uraltes Wissen
– und das ist sicher keine vollständige Liste.          der Menschheit. Auch Heinrich Pestalozzi
Auch das Bibelzitat, das dem Beitrag auf Seite          schließt daran an, wenn er in seinem allseits
16 die Überschrift gibt, ist dabei. Schon allein        bekannten Motto zur ganzheitlichen Päda-
diese große Zahl ist Hinweis auf die Bedeu-             gogik „Mit Kopf, Herz und Hand“ das Herz
tung, die das Herz in unserem Leben hat.                in die Mitte stellt. In einer herausfordernden
                                                        Zeit, wie wir sie erleben, ist Herzensbildung
Es ist aber der erste Beitrag in dieser Ausga-          eine wichtige und unverzichtbare Aufgabe
be des ÖKUM, der uns in beeindruckender                 und zugleich eine große Chance für uns alle.
Weise vor Augen führt, von welch elemen-
tarer Bedeutung es ist, ein gutes Herz zu               Wir befinden uns mitten im Jubiläums-
haben – und es wird auch gleich klar, dass              jahr 500 Jahre Petrus Canisius. Der Folder
diese Bedeutung weit über die rein medizi-              zum Jubiläum zeigt die vier Symbole: Herz,
nische Notwendigkeit hinausgeht.                        Hand, Buch und Schuh. Sie sind Hinweis
                                                        auf unterschiedliche Facetten der Person
Wir können hier gut dem Gedanken von                    und des Wirkens unseres Diözesanpatrons.
Edith Stein folgen, wenn sie schreibt: „Das
Herz ist die eigentliche Lebensmitte. Wir be-           Wenn wir nun auf ein schwieriges Schuljahr
zeichnen damit das leibliche Organ, an des-             zurückblicken und daran denken, dass nur
sen Tätigkeit das leibliche Leben gebunden              noch wenige Wochen bis zu den Ferien vor
ist, aber es ist uns ebenso geläufig, darunter          uns liegen, können wir uns Petrus Canisius
das Innere der Seele zu verstehen, offenbar             zum Vorbild nehmen und uns mit Vertrauen,
weil das Herz am stärksten an dem beteiligt             Mut und Tatkraft unseren so notwendigen
ist, was im Inneren der Seele vorgeht, weil             pädagogischen Aufgaben widmen und im
der Zusammenhang von Leib und Seele nir-                wahrsten Sinne des Wortes beherzt die ge-
gends deutlicher zu spüren ist.“ (E. Stein, Endliches   genwärtigen und kommenden Herausforde-
und ewiges Sein.)                                       rungen annehmen.

Das Herz ist also nicht nur ein lebensnot-              Dazu wünsche ich alles Gute!
wendiges Organ des menschlichen Körpers;
wir verbinden mit ihm den Ort unseres Füh-
                                                        Ihr
lens, Wollens und der Begegnung von Geist
und Seele; es ist der Sitz des Mutes und der
Tatkraft, des Vertrauens und Hoffens und es
ist Träger sittlich-religiöser Vorstellungen.           Peter Trojer

                                                                                                                                           3
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Christine Pichler und ihr neues Herz

            „Geht nicht war keine
                 Option, gar nie.“

                           Müde war sie oft, und dauernd krank. Vor allem in der Maturaklasse, als sie kurz vor
                           ihrem Abschluss als Kindergartenpädagogin stand. Erklärung gab es keine. Die Schule
                           konnte sie noch abschließen und ihre Arbeit in einem Kindergarten beginnen. Genau
                           eine Woche lang.

                           Dann wurde ihr im Bus so schlecht, dass sie        Dass es so sein kann, wissen wir alle. Aber
„Man merkt in einem        auf dem Weg zur Arbeit aussteigen musste.          wenn diese Erfahrung wirklich plötzlich
                           Gerade noch schaffte sie es in den Kinder-         einbricht ins Leben? – Dann überrascht sie
   solchen Moment:
                           garten, aber die Übelkeit blieb, der fürchter-     doch. Und erschüttert das Fundament, auf
 Eigentlich ist nichts
                           liche Husten auch, besonders in der Nacht.         dem wir stehen.
  planbar. Es ist alles    Die Hausärztin schrieb ein EKG – und ab
     ganz anders als       dem Moment war alles anders. Sie wurde             Was konnte Christines Herz so geschwächt
            gedacht.“      sofort in die Klinik eingeliefert. Das Herz        haben? Die Suche nach der Ursache begann,
                           war schon so schwach, dass ein plötzlicher         erschwert durch die Tatsache, dass sie die
                           Herzstillstand zu erwarten war. Eine Leis-         notwendigen Medikamente nicht vertragen
                           tungskapazität des Herzens von nur 21%,            konnte und sofort wieder in die Klinik muss-
                           Wasser in der Lunge und Stauungsgastritis          te. Eine Biopsie ergab, dass sie sich wohl
                           erklärten ihre extrem schlechte Verfassung.        irgendwann mit Ringelrötelviren angesteckt
                                                                              haben musste, die sich auf das Herz geschla-
                           Auch für ihre Familie veränderte sich in die-      gen und es nachhaltig geschädigt haben. Ein
                           sem September 2009 von einem Tag auf den           halbes Jahr extrem anstrengende Therapien
                           anderen alles. Plötzlich ist die eben erst flüg-   mit Interferon folgten. Die Viren wurden
                           ge gewordene Tochter schwer krank. Denn,           besiegt, aber die Herzleistung konnte nicht
                           so sagt sie: „Ich hätte mir mein Leben anders      mehr verbessert werden, das Gewebe war
                           vorgestellt. Ausziehen, Beruf, eigenes Leben       zu vernarbt.
                           führen. Alle Möglichkeiten offen.“ Und wei-
                           ter: „Man merkt in einem solchen Moment:           Zum ersten Mal rappelte sich Christine wie-
                           Eigentlich ist nichts planbar. Es ist alles ganz   der heraus. Sie lernte zu gehen, schneller zu
                           anders als gedacht.“                               gehen, am Laufband zu gehen, bergauf zu

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gehen, sie half ihrer Schwester im Haushalt       ten, verwundert den Retter von Christine
– bis sie endlich wieder Schitouren unter-        noch heute. „Man kann mit seiner Hand ein
nehmen konnte – trotz einer Herzleistung          Leben retten!“, betont sie – und fordert uns
                                                                                                   „Ich habe mich mit der
von 30%. „Dafür, wie es mir gegangen ist,         alle auf, das auch zu tun.                       Situation irgendwie
hatte ich zu der Phase ein relativ gutes Le-                                                       zurechtgefunden.
ben.“, sagt sie in der Erinnerung.                Der Defibrillator hatte zwar sieben Mal aus-     Immer wieder - Man
                                                  gelöst, ihr Herz konnte den Impuls aber          lernt dadurch, man
Bei einer Routinekontrolle im Jahr 2014           nicht aufnehmen. Damit war das Vertrauen         wird stärker.“
las sie im Befund als „wundersame Über-           in den „Schutzengel“ weg.
raschung“, wie sie sagt, dass die Implanta-
tion eines Defibrillators empfohlen wurde.        Es war nicht klar, wie ihr Gehirn diese Zeit
Mit einer so niedrigen Herzleistung bestand       ohne Sauerstoff verkraftet haben würde. Für
wohl die Gefahr, jederzeit einen Herzstill-       ihre Familie war sie zu dem Zeitpunkt ganz
stand zu erleiden.                                nah am Sterben. Sie selber hat sich nicht so
                                                  empfunden, sie hatte nicht damit gerech-
Mit der Entscheidung tat sie sich schwer.         net, dass etwas schiefgehen könnte. Trotz-
Sie wollte kein solches Gerät in sich tragen.     dem: Sie musste akzeptieren, dass sie zum
Eine Therapeutin half ihr mit einem Bild: Sie     zweiten Mal aus dem Leben gerissen war.
solle sich vorstellen, der Defi sei ihr Schutz-   Zu dem Zeitpunkt sagt sie: „Geht nicht, war
engel, der auf sie aufpasse, wenn sie es          keine Option, gar nie!“
braucht. Darauf konnte sie sich einlassen.
Und noch einen Satz sagt sie, der typisch         Im Gespräch frage ich sie, ob sie nicht           „Man kann mit
ist für Christines Lebenshaltung: „Ich habe       auch gezweifelt habe. „Sicher gibt es auch
                                                                                                   seiner Hand ein
mich mit der Situation irgendwie zurechtge-       schlechte Phasen, wo man trübsinnig ist.
                                                                                                   Leben retten!“
funden. Immer wieder - Man lernt dadurch,         Oder denkt: Jetzt mag ich dann nicht mehr.“,
man wird stärker.“                                antwortet sie.

Sie führte ihr relativ sportliches Leben wei-     Geholfen hätten ihr der Glaube, ihr Grund-
ter, bis zum Feber 2016. Da brach sie beim        vertrauen auf Gott, ihre Gespräche mit „da
Joggen zusammen, Herzstillstand. Sie spürt        oben“. Sie lebt in der Zuversicht, dass es ei-
nichts davon, wohl aber der Hund des jun-         nen Plan für sie gebe. Wenn sie überlebt hat
gen Mannes, der ihr kurz davor entgegen-          bis jetzt, werde auch Hilfe kommen. „Lieber
gekommen war. Der Hund bellte, der Mann           Gott, mach einmal!“, haben manche ihrer
drehte sich um und sah sie am Boden lie-          Gebete gelautet.
gen. Und er bewies Gott sei Dank Zivil-
courage, wurde sofort aktiv. Er verständigte      Und es gab sehr viele Menschen, die mitge-
die Rettung und führte für ganze 15 Minuten       lebt und mitgezittert haben; die Kerzen für
eine Herzdruckmassage durch. Damit rettete        sie angezündet, Gebetskreise gegründet, ihr
er ihr das Leben. Denn sie wäre nicht mehr        positive Gedanken geschickt haben. Es war
zu sich gekommen. Dass kein Spaziergän-
ger, keine Spaziergängerin am Inn stehen
geblieben waren und Hilfe angeboten hät-
                                                  ein tragfähiges Netz an Solidarität, das sie
                                                  gespürt hat.
                                                                                                   o
                                                                                                                     5
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Wieder kämpft sie sich zurück. Aber der Weg        Hallo, ich bin die Christine, wir beide wer-
    wird enger und steiler, die Möglichkeiten          den ein gutes Team, du wirst es nicht immer
    werden weniger. Bis es ihr im Februar 2017         leicht haben mit mir, aber wir werden es gut
    dann so dramatisch schlecht geht, dass eine        schaffen. Ich habe es willkommen gehei-
    Transplantation als letzter Ausweg thema-          ßen, es war ab dort ‚mein‘ Herz.“
    tisiert wird. Mit einem fremden Herzen in
    sich zu leben, mochte sie sich zunächst nicht      Jeden 14. Juli feiert sie ihren zweiten Ge-
    vorstellen. Aber dann ging es rasch. Die           burtstag. Sie weiß, dass der Spender des
    Voruntersuchungen begannen, sie war auf            Herzes auf jeden Fall gestorben wäre, nicht
    der Liste, wissend, dass es durchschnittlich       wegen ihr. Aber, und dafür ist sie ihm un-
    sechs bis neun Monate dauert, bis ein Herz         glaublich dankbar: Er hat ihr Leben gerettet.
    zur Verfügung steht. Die Zeit des Wartens ist      Für die Familie des Verstorbenen, die einen
    herausfordernd. Sie pendelt bei jedem Te-          Menschen verloren hat, zündet sie an die-
    lefonanruf zwischen „hoffentlich nicht“ und        sem Tag immer eine Kerze an.
    „hoffentlich ja“. Am 14. Juli 2017 traf sie sich
    mit ihren Schwestern, ihren Eltern, besuchte       Es wäre nicht Christine, hätte sie sich nicht
    dann am Abend ihren Bruder – und da kam            mit ganz viel Energie und Humor ihrem neu-
    der Anruf. Sie muss das Telefon an ihren           en Leben zugewendet. Sie braucht manchmal
    Bruder weitergeben und verabschiedet sich          einen Mundschutz und besondere Hygiene-
    dann von ihm mit dem Gedanken: „Das ist            maßnahmen, das, was jetzt viele Menschen
    das letzte Mal, dass ich mit meinem Herzen         lernen müssen, wie sie sagt. Nach sechs Mo-
    meinen Bruder umarme.“                             naten ist sie ihre erste Schitour gegangen, sie
                                                       klettert, sie fährt Mountainbike, sie ist neu-
    Eineinhalb Tage später wacht sie auf. Die OP       gierig und gespannt, was in ihrem Leben al-
    hat funktioniert. Sie spürt sofort den kräfti-     les möglich ist. Sie ist sozusagen der Star der
    gen und raschen Schlag ihres neuen Herzes.         Transplant und ein Sonnenschein für viele.
                                                       Sie feiert ihr Leben, ist mit großer Freude da-
    Wieder, zum dritten Mal, steht sie vor der         bei und will sich ungern bremsen lassen.
    Aufgabe, mit einem völlig veränderten und
    neuen Leben zurechtzukommen. Sie lernt,            Maria Plankensteiner-Spiegel war fünf
    die Medikamente zu nehmen, sie lernt, mit          Jahre lang Klassenvorständin von Chris-
    der reduzierten Immunabwehr zurecht zu             tine und ist begeistert von der sprühen-
    kommen. Das Vertrauen in das neue Herz             den Lebendigkeit und dem Humor, die
    muss auch erst wachsen. „Ich hab auf der           aus Christines Augen strahlen.
    Intensivstation mit meinem Herzen geredet.

                                                                         „Jedes Mal, wenn ich
                                                                          auf einen Berg gehe,
                                                                          ist es ein so schöner
                                                                         Moment, dass ich das
                                                                           machen kann. Es ist
                                                                       jedes Mal ein Wunder.“

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Theresa Haag-Zingerle, Mag.,

„DAS STEINERNE HERZ“
                                                                                                                        Kindergartenpädagogin, Religions-
                                                                                                                        lehrerin an der VS, Hochschullehrerin
                                                                                                                        an der KPH Edith Stein

Herzensbildung im Religionsunterricht der Volksschule

Herzensbildung ist etwas vom Wichtigsten,                               „Avarizzo, ich mache dich zum reichsten,
das wir unseren Kindern weitergeben                                     zum mächtigsten Menschen. Willst du?“
können. In allen unseren Handlungen als                                 „Nichts lieber als das!“ Er tauscht sein
Lehrpersonen vertreten und vermitteln wir                               menschliches Herz gegen ein Herz aus Stein.
Werte. Auch Kinder haben bereits ihr eige-                              Von nun an denkt er nur noch an sich und
nes Wertesystem, über das sie mit Kopf                                  ist bald ganz allein.Nikolaus kennt das stei-
und Herz reflektieren können. Es gehört für                             nerne Herz des Avarizzo und denkt: „Der
mich als Pädagogin zu den spannendsten                                  Mann ist so reich und doch so arm. Er lebt
Momenten, mich mit meinen Schülerinnen                                  mit allen im Streit, hat keinen Frieden. Es
und Schülern darüber auszutauschen. Oft                                 fehlt ihm die Liebe.“ Und er erinnert sich an
geht einem solchen Austausch eine Ge-                                   einen Satz aus der Bibel: „DIE LIEBE GOT-
schichte voraus, die zum Nachdenken an-                                 TES IST AUSGEGOSSEN IN EURE HERZEN!“
regt. Eine dieser Geschichten, die in allen
meinen Volksschulklassen besondere Be-                                  Nikolaus will Avarizzo die Liebe Gottes brin-
geisterung weckt, ist die Legende von Ni-                               gen und klopft an dessen Tür. Als Avarizzo
kolaus und Avarizzo.1                                                   verärgert öffnet, blickt ihn Nikolaus voller         Auch Kinder haben
                                                                        Liebe an, umarmt ihn und sagt: „Die Lie-             bereits ihr eigenes
Im Sitzkreis wird ein gelbes Tuch in der Mit-                           be Gottes ist ausgegossen in dein Herz!“Da-          Wertesystem, über
te abgelegt. Wir enthüllen ein Herz, das da-                            rauf war Avarizzo nicht vorbereitet. „Ja,            das sie mit Kopf
rin versteckt ist. Wir sammeln, was uns zu                              die Liebe fehlt mir“, denkt er. „Wo kann ich         und Herz reflektieren
„Herz“ einfällt: vom Organ über das Symbol                              sie kaufen? Ich zahle einen guten Preis.“            können.
bis zu Gesten und Redensarten.Ich falte das                             „Die Liebe lässt sich nicht kaufen“, antwor-
gelbe Tuch zu einem Haus. Für die Kinder                                tet der Bischof. „Liebe kann man sich nur
ist es ein helles, freundliches Haus, in dem                            schenken lassen. Ich helfe dir dabei, wenn
man sich wohlfühlt, wo die Liebe wohnt…                                 du willst.“ Und Avarizzo will. Gemeinsam
Ich nehme ihre Ideen auf und beginne zu                                 überlegen sie, wie die Liebe in sein Herz
erzählen:                                                               kommen kann.

Hier wohnt einer, der ein großes Herz hat,                              Die Kinder überlegen mit und legen für
der den Menschen Gutes tut… Es ist die                                  jede Idee ein Symbol in sein Haus. Es wird
Stadt Myra. In dem hellen Haus wohnt Bi-                                immer heller.
schof Nikolaus, von dem ihr schon viel ge-
hört habt. Sein Herz ist ganz offen, beson-                             Avarizzo beginnt dies und jenes zu tun. Es
ders für Gott. In einem Haus aber wohnt ein                             zerreißt ihm fast das Herz. Allmählich wird
Mann, der hat ein Herz aus Stein.                                       es durch seine Mühen um Liebe und Frie-
                                                                        den verwandelt. Er kann wieder fühlen! Die
Ein Herzstein wird weitergereicht. Die Kin-                             ganze Stadt freut sich und feiert ein Fest.
der spüren und beschreiben seine Schwere,
Härte und Kälte.                                                        Wir freuen uns mit und verzieren unsere
                                                                        Häuser. Wir zünden die Klassenkerze an
Avarizzo hat ein hartes Herz. Wie kam es                                und singen in Erinnerung an all das Gute,
dazu? „Ich will der Allerreichste sein!“ denkt                          das Nikolaus bewirkt hat.
Avarizzo. Eines Tages hört er eine Stimme:

1 Text und Idee übernommen und angepasst aus: Kett, Franz: Religionspädagogische Praxis.
  Handreichungen für eine Elementare Religionspädagogik, 26. Jahrgang, Heft 2001/3, S. 41-44.
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Be_herzt - Diözese Innsbruck
BISCHOF REINHOLD STECHER
    (22. Dezember 1921 – 29. Jänner 2013)

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                     Anlässlich seines 100. Geburtstags eine unveröffentlichte Predigt im Rahmen eines Bildungstages
                     (13.11.1996) des Katholischen Tiroler Lehrervereins (KTLV) - und zum Thema dieses Heftes passend.

                     Gott im Herzen zum Klingen bringen
                     „Gott im Herzen zum Klingen bringen“:             gen? Wir bauen für die künftige Generation
                     Ein schönes Thema – weil es in das Tiefste        das Penthouse einer sich immer perfekter
                     kreist, um das unsere Gedanken überhaupt          entwickelnden Zivilisation – aber in dieser
                     kreisen können. Schwierig, weil anschei-          selbstgebauten Welt funktioniert die Hei-
                     nend für immer mehr Menschen dieses Wort          zung nicht recht. Die Kessel des Gemüts im
                     „Gott“ Echo und Klang verliert. In immer          Kellergeschoß sind zu schwach. Die Blume
                     mehr Kindern, die in unsere Schulen und           Gotteserfahrung und Gottesgedanke hat
                     Kindergärten strömen, ist dieses Wort „Gott“      keine besonders günstigen klimatischen Be-
                     kaum mehr mit nachschwingendem, vibrie-           dingungen. So erleben wir es oft bei jungen
                     rendem und faszinierendem Gongschlag in           Menschen – und bei Erwachsenen und bei
                     die Seele gefallen. Ja bei vielen sind sozu-      uns selbst. Auf der Schiene der Selbstver-
                     sagen die Saiten im Herzen gar nicht recht        ständlichkeiten fährt Gott bei vielen nicht
                     aufgezogen, die die Weise „Gott“ spielen          mehr. Und wenn er in diese Welt hineinge-
                     könnten. Bei manchen ist das aus geglück-         tragen werden soll, dann bräuchte er doch
                     ten familiären Beziehungen gewachsene             Ergriffene, Hoffende, Vertrauende, Glau-
                     Urvertrauen gestört, das zur Übernahme            bend-Gelassene ... Sind wir das?
                     dieser Schwingung „Gott“ nötig wäre. Bei
                     vielen ist das Gemüt überhaupt etwas zu           Darf ich doch den Versuch unternehmen,
                     kurz gekommen – eine Tatsache, die ein-           Euch, liebe Freunde, etwas Mut zu ma-
                     fach das Glauben erschwert. Sogar die Welt        chen? Ich möchte nicht so sehr ins pädago-
                     des Spielerischen wird oft mit Leistung,          gische Detail gehen – da hört Ihr heute ja
                     Technik, Computerspielen, Informationen           viel Besseres aus berufenerem Munde. Ich
                     und Vordergründigem derart verstellt, dass        möchte Euch nur drei Tatsachen in Erinne-
                     kaum ein Raum bleibt, wo man den Teppich          rung rufen, die über alle Kirchenkrisen und
                     des Staunens oder der Ehrfurcht ausrollen         Menschheitskrisen, über den Wechsel der
                     könnte. Und wie soll Gott einziehen, wenn         Lebensgefühle und der Epochenentwicklun-
                     diese Teppiche nirgendwo in der Seele lie-        gen hinweg bleiben.

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Be_herzt - Diözese Innsbruck
Dann kann auch heute
                                                                                                  das Herz zu der Über-
                                                                                                  zeugung aufbrechen,
                                                                                                  dass es etwas Wun-
                                                                                                  derbares ist, an einen
                                                                                                  Strom der Güte zu
                                                                                                  glauben, der aus der
                                                                                                  Ewigkeit kommt.

1. Auch im dichten Nebel kreist die              sen Gedanken über die Blumen und Früchte,
   religiöse Antenne in den Herzen weiter ...    will sagen: über die Erfahrung des Guten.
Alle Prophezeiungen, dass mit gewissen           Einfach das Gute tun – das kann einen Weg
Entwicklungen der Menschheit die Religion        zum Glauben an ewige Güte freimachen.
und die Religionen in der Menschheit ster-       Wenn eine Klasse erfährt, wieviel Freude sie
ben würden, haben sich als falsch erwie-         mit dem Einfall verbreitet, im benachbarten
sen. Es stimmt schon, dass wir uns schwer        Altersheim allen Insassen zu Festtagen eine
tun, zu glauben. Aber wir tun uns genauso        Rose zu schenken, oder eine Musik zu spie-
schwer, nicht zu glauben. Es stimmt schon,       len, oder wenn sie erlebt, was der Kontakt
dass der Glaube, der uns hier im Dom ver-        mit einer Klasse in einem fernen, bitter armen
eint, von größeren Zweifeln und Unsicher-        Land bringen kann – dann kann auch heute
heiten begleitet ist als es in früheren Zeiten   das Herz zu der Überzeugung aufbrechen,
der Fall gewesen sein mag. Aber der Un-          dass es etwas Wunderbares ist, an einen
glaube hat ebenso seine starken, ja noch         Strom der Güte zu glauben, der aus der
stärkeren Unsicherheiten und Zweifel, wie        Ewigkeit kommt, an einen Gott, von dem in
es der große Altmeister der Tiefenpsycho-        Klarheit nur wir Christen wissen, dass er die
logie, Albert Görres, so meisterhaft aus der     Liebe ist. Das meine ich mit der Faszination
therapeutischen Erfahrung dargestellt hat.       des Stilllebens, der Früchte und Blumen.
Im Nicht-Vertrauen-Können liegt auf die
Dauer ein viel größerer Frust programmiert       3. Der dritte Trost, liebe Freunde,
                                                                                                  Ich glaube, liebe Freun-
als im Vertrauen-Können. Der Mensch im               ist ein Orgelbrausen.
Allgemeinen und das Kind im Besonderen           Eine Grundmelodie des Universums, die            de, dass wir uns als
braucht Vertrauen, Wert-Erahnen, tröstendes      Kennmelodie, sozusagen die Signation des         katholische Lehrerinnen
Mysterium und Geborgenheitserfahrungen           II. Vaticanums, der große Paukenschlag der       und Lehrer, als Kin-
so dringend wie das Sonnenlicht. Wenn die        Offenbarung, Schriftwort und Dogma zu-           dergärtnerinnen und
Antenne nicht weiterkreisen würde, dann          gleich: „Gott will, dass alle Menschen geret-    Erzieherinnen, als
könnten ja Sekten und Ersatzreligionsfor-        tet werden ...“                                  Klassenvorstände und
men nicht so viel Erfolg haben, auch wenn                                                         Religionslehrer von
sie wirklich oft eine Mischung aus Tiefsinn,     Wir versuchen als Lehrer und Pädagogen           diesem kosmischen
Schwachsinn und Geschäftssinn darstellen.        doch, das zu formulieren und zu artikulie-       Brausen der nach-
Die Antennen kreisen weiter, weil der homo       ren, was wir wollen. Wir erarbeiten Lern-        gehenden Liebe er-
religiosus so tief in der Natur des Menschen     ziele, Wertparagraphen, Lehrpläne, Stun-
                                                                                                  greifen lassen sollten.
verankert ist, dass man ihn nicht einfach        denbilder, Interaktionen der einzelnen
bei gesellschaftlichem Schlechtwetter ab-        Fächer – und wir müssen dabei wissen, was
stellen kann. Wir müssten in der Kirche wie      wir wollen. Gott weiß auch, was er will. Er
in der Erziehung nur nachdenken, dass wir        weiß es durch die Ewigkeiten der Ewigkeit:
im Weitergeben des Glaubens einigermaßen         Er will, dass alle Menschen gerettet werden.
die rechten Wellenlängen erwischen ...           Und ich glaube, liebe Freunde, dass wir uns
                                                 als katholische Lehrerinnen und Lehrer, als
2. Es gibt einen Einstieg zur Gottes-            Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen, als
    erfahrung, der auch immer bleiben wird.      Klassenvorstände und Religionslehrer von
Darf ich dafür ein Bild gebrauchen, das aus      diesem kosmischen Brausen der nachge-
der Malerei kommt. Ein uraltes Malmotiv          henden Liebe ergreifen lassen sollten: Vom
ist das Stillleben, die bunte Sammlung von       Heilswillen Gottes, den wir mit der Bitte
Früchten, Blumen und Jagdbeute. Es gibt ein-     „Dein Wille geschehe“ im Vaterunser an-
fach einen bleibenden Einstieg zum religiö-      sprechen. Amen.

                                                                                                                     9
Be_herzt - Diözese Innsbruck
Herzensbildung und Identitätsfindung im Religionsunterricht

   Judith Jetzinger, BEd, Dipl.Päd., FI,
     Schulamt der Diözese Innsbruck
                                                                Alles Lehren
                                                                ist auch Aufgabe des Herzens

                                           Ich erinnere mich noch lebhaft an eine          det. Mit allen diesen Fragen sollen Kinder
                                           Klausurtagung im Schulamt im Schuljahr          und Jugendliche nicht allein bleiben. Es
                                           2017/18. Am Programm stand die Auswer-          sind Fragen an ihre Lehrer*innen, weil sie
                                           tung von Rückmeldungen der Religionsleh-        wissen wollen, was diese denken, glauben
                                           rer*innen auf die Frage: „Was sind für dich /   und wofür sie stehen. Identitätsfindung und
                                           für Sie die fünf wichtigsten Gründe für den     Herzensbildung geschehen in der Ausein-
                                           Religionsunterricht?“                           andersetzung mit genau diesen Fragen mit
                                                                                           Menschen, die sich darauf in authentischer
                                           Religionslehrer*innen aller Schularten in un-   Weise einlassen.
                                           serer Diözese wurden gefragt; die Antwort
     Die Resonanz auf
                                           sollte möglichst spontan erfolgen, sozusa-      Authentizität ist ein Schlüssel dazu, Schü-
  diese Frage war sehr
                                           gen vom Bauch – vom Herzen aus. Die Re-         ler*innen im Religionsunterricht an eigenen
   aufschlussreich und                     sonanz auf diese Frage war sehr aufschluss-     Glaubenserfahrungen teilhaben zu lassen,
hat uns dazu motiviert,                    reich und hat uns dazu motiviert, mit den       sie mit dem Evangelium vertraut zu machen
      mit den 5 guten                      5 guten Gründen für den Religionsunterricht     und darauf zu vertrauen, dass Gott in vielfäl-
      Gründen für den                      weiter zu arbeiten.1                            tiger Weise ihre Herzen berührt.
    Religionsunterricht
    weiter zu arbeiten.                    In der Reihung der Gründe, die von den Reli-    Die Religionspädagogin Inger Hermann
                                           gionslehrer*innen als wichtig genannt wurden,   schreibt dazu: „Ich bin dazu aufgerufen,
                                           nahm die „Persönlichkeitswerdung, die ge-       der Realität in der Schule mit meinem gan-
                                           samtmenschliche Bildung“ einen prominen-        zen Menschsein zu begegnen. Authentizität
                                           ten Platz ein. In der Kurzformel „ICH SEIN      ist eine Notwendigkeit. Jede religiöse Floskel
                                           erlaubt“ wurden die einzelnen Aussagen ver-     fällt ab. Nur was ich selber glauben kann,
                                           dichtet und wie folgt zusammengefasst:          was als Erfahrung in mir lebt, ist wichtig.“ 2

                                           0 Raum geben für die großen Fragen              Lernen geschieht in Beziehung
                                             des Lebens: Woher, wohin, wozu?               Voraussetzung für gelingendes Lernen ist
       Mit allen diesen
                                           0 Persönlichkeit werden:                        eine gute Beziehung zwischen Schüler*innen
  Fragen sollen Kinder                       Ich werde ich, ich bin ich                    und der Religionslehrerin / dem Religions-
und Jugendliche nicht                      0 Ich bin von jemandem gewollt                  lehrer. Diese wird tagtäglich spürbar, indem
 allein bleiben. Es sind                   0 Die Frage nach dem Sinn offenhalten           ich Schüler*innen ermutige, ihnen etwas
         Fragen an ihre                    0 Das Unperfekte, die Krisen anerkennen         zutraue, als Lehrer*in ihr Engagement aner-
 Lehrer*innen, weil sie                    0 Den Blick für gelingendes Leben               kenne, ihre Meinung respektiere und mich
    wissen wollen, was                       wach halten                                   für ihre Lebenswelt ehrlich interessiere.
diese denken, glauben                      0 Mich als religiöse Person wahrnehmen
 und wofür sie stehen.                                                                     Die bekannte „Hattie-Studie“ hat überaus
                                           In diesen Worten klingen die großen Fragen      deutlich die Bedeutung dieser Beziehung
                                           an, die jede und jeden von uns berühren; die    bestätigt: Es kommt wesentlich darauf an,
                                           sich mehr oder weniger drängend stellen, je     wie Lehrpersonen ihre Beziehung zu Schü-
                                           nachdem, in welcher Phase des Lebens und        ler*innen gestalten.
                                           in welcher Situation sich ein Mensch befin-

  10
Mit unvorherge-
                                                                                                                             sehenen Ereignissen
                                                                                                                             ist zu rechnen. Das
                                                                                                                             können schöne Ge-
                                                                                                                             meinschaftserfahrun-
                                                                                                                             gen sein, aber auch
                                                                                                                             herbe Enttäuschungen
                                                                                                                             bis zu Tragödien,
                                                                                                                             die über Menschen
                                                                                                                             hereinbrechen.
Der „ganz normale Schulalltag“                   Tun „durchklingt“ und Menschen erreicht.
– Keine Resonanz ohne Korrelation
Die Schule ist ein Lebens- und Lernraum, in      Ich erinnere mich an ein Ritual aus meiner
dem sich das Leben in allen Facetten – so-       Zeit als Religionslehrerin, das sich als sehr
mit auch das Religiöse – auf ganz vielfältige    wohltuend erwies. Ich habe mir oft die Zeit
Weise zeigt. Mit unvorhergesehenen Ereig-        genommen, jedes einzelne Kind anzuschau-
nissen ist zu rechnen. Das können schöne         en. Viele Kinder haben den Blick erwidert,
Gemeinschaftserfahrungen sein, aber auch         wollten an–gesehen werden, und ein Lächeln
herbe Enttäuschungen bis zu Tragödien, die       huschte über unsere Gesichter. Oft war da
über Menschen hereinbrechen.                     eine unausgesprochene Bestätigung, eine
                                                 stille Bejahung in unseren Augen. Manchmal
0 Anna hat Geburtstag; sie ist gut aufge-        ergab sich auch ein humorvolles Zwinkern.
  legt bis übermütig und ihre überbor-           Dieses „Ansehen Geben“ ist ein Grundbau-
  dende Freude sucht sich ihren Weg…             stein für die Identitätsfindung. Erst dann kön-
  Wer bin ich und wer darf ich sein?             nen Philosophieren und Theologisieren und
0 Tobias hat Sorgen, daheim läuft es nicht       ein Unterwegssein im Glauben gelingen.
  rund, es geht um die Arbeitsstelle seines
  Vaters. Wie wird es weitergehen…?              Die Lyrikerin Hilde Domin findet dafür sehr
  Wer / was gibt mir Sicherheit?                 treffende Worte:„Dein Ort ist / wo Augen dich
0 Die Eltern von Celina streiten nur noch        ansehn. Wo sich die Augen treffen entstehst
  – eine Trennung steht im Raum. Celina          du… Es gibt dich / weil Augen dich wollen,                                  Keine fertigen Ant-
  erzählt es im Unterricht. Einige hören zu      dich ansehn und sagen, dass es dich gibt.“ 4
                                                                                                                             worten sind gefragt,
  … Wo finde ich Schutz und Geborgenheit?
                                                                                                                             sondern die Befähi-
                                                 Die Erfahrungen der letzten Wochen und
Religiöse Bildung, die auch Herzensbildung       Monate haben eindrücklich gezeigt, wie
                                                                                                                             gung zum selbststän-
sein will, muss an die Lebenswelt der Kinder     wichtig der Lern- und Lebensraum Schule                                     digen Denken, Urteilen
und Jugendlichen anschließen. Die Erfahrun-      für Kinder und Jugendliche ist. Die Frage,                                  und Handeln. Religiöse
gen und Fragen der Schüler*innen verdienen       was Schüler*innen heute lernen sollten,                                     Herzensbildung ist
authentische und vernünftige Beachtung.          welche Kompetenzen sie auf die Zukunft                                      immer ganzheitliches
                                                 vorbereiten, rückt in den Vordergrund. Der                                  Lernen mit allen Sin-
Keine fertigen Antworten sind gefragt, sondern   Religionsunterricht birgt dahingehend große                                 nen, das – ganz im
die Befähigung zum selbstständigen Denken,       Chancen und hat mehr als fünf gute Gründe.                                  Sinne von Pestalozzi
Urteilen und Handeln. Religiöse Herzensbil-      Mit seinen Inhalten und Schwerpunkten er-                                   – Kopf, Herz und Hand
dung ist immer ganzheitliches Lernen mit allen   teilt er einem Bildungsverständnis, das allein                              einschließt.
Sinnen, das – ganz im Sinne von Pestalozzi –     dem Nützlichen verpflichtet ist, eine Abfuhr.
Kopf, Herz und Hand einschließt.3

                                                 1.   Unterlagen zum Projekt „WHAT_RU“ - 5 gute Gründe für den
Die Haltung, in der Religionslehrer*innen ih-         Religionsunterricht, Schulamt der Diözese Innsbruck, 2017
ren Schüler*innen und Kolleg*innen begeg-             (Plakate, Postkartenset, digitale Präsentation über AV-Medienstelle:
                                                      http://innsbruck.medienverleih.at).
nen, ist bedeutsam. Es wird spürbar, ob ih-      2.   Hermann, Inger: „Halt’s Maul, jetzt kommt der Segen…“. Kinder auf
nen ein wohlwollender und aufmerksamer                der Schattenseite des Lebens fragen nach Gott, Stuttgart: Calwer
                                                      2001.
Blick zukommt, ob sie an-gesehen werden
                                                 3.   Rosa, Hartmut / Endres, Wolfgang: Resonanzpädagogik, Weinheim:
oder über-sehen. Diese Haltung einzuüben,             Beltz Verlag, 2. Auflage 2016.

trägt zur Herzensbildung bei und ist wie         4.   Domin, Hilde: Wer es könnte. Gedichte, Hünfelden: Präsenz Verlag
                                                      2000.
eine Hintergrundmelodie, die das Sein und

                                                                                                                                              11
Herzens-
                                       Ingrid Jehle,
                                       KPH Edith Stein

    Ich stehe vor
                  einer Corona-
    rage einer Ap               Testung in de
                  otheke und w                r Ga-
                               arte auf Einlas
                                                                                                                         egger,
                                                                                                          Klaus Heid rer
                                               s.
                                                                                                                io n sl e h
    Vor mir ist ein                                                                                       Relig
                     Vater, der mit                                                                         m P  O R  G   Volders
    10-jährigen So                     seinem circa                                                       a
                    hn auch warte
   ginnt ein theo                     t. Der Sohn be-
                   logisches Ges
   Warum feiern                     p rä ch und fragt:
                   wir eigentlich
   Vater: Wir feie                   Karfreitag? Der                                         ?“
                   rn das Leiden                                   we        inst du …
  Sohn: Aber w
                 arum feiern w
                                     von Christus.
                                                     Der    „Warum
  Vater: Weil da                   ir das Leiden? D                                                               n groß in
                 nn die Auferst
                                  ehung komm
                                                       er
                                                                                   z u m   S tu  ndenbegin
  Sohn – noch                                                           b ich                                         n ein
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                                lt die Frage, w
                                                  t. Der    Das schrie                l. U  n  d  sc  hon began
                                                                         er Tafe                                           t:
 denn auferste                                    er        die Mitte d                                        einen läss
 auferstanden;
                hen könne. D
                                 er Vater: Jesus                           b e  r  d a s,  was uns w                  C H ), die
                                                                         ü                                       n (I
                 und auch wir
                                  können aufers
                                                   ist      Gespräch                n  E  n tt ä uschunge                  fl ikte im
 hen, weil das                                                           nlic  h  e                             und Ko   n
                jeden Tag pas                      te-       Die persö                            L  O   B E )
                                 sieren kann.                                der Welt (G
                                                             Situation in                     ).
                                                                            mer (WIR
Nach kurzer Ü
               berlegung antw                                Klassenzim
beherzt: Dann                   ortet der Sohn                                                                       einen um,
               ist Auferstehun                                                           w ir  m  it   diesem W                ir
                               g, wenn ein                                 gehen
Freund mich
                                                              Wie aber                                          kommt? W
wenn es für m
             nach einem R
                            ennen tröstet,                                   s   u n se  re  m Herzen                  g ss z e ne
                                                               das tief au                                        hun
              ich nicht gut ge
                               laufen ist …                                       e s  m  it d  er Auferste               h  z  w  ei
                                                                              n                                      leic
                                                               verknüpfe                       v a n  gelium. G
                                                                                 ha  n n e se                          gt: „W rum a
                                                                aus dem Jo                       M   a g dala gefra                     b
                                                                              Maria      v o n                          gel am Gra
                                                                Mal wird                   t  d ie   F  ra ge der En
                                                                               ?“ Es is
                                                                 weinst du                             Jesu.
                                                                     n d  e s  is t  die Frage
                                                                 –u
                                                                                                                                           -
                                                                                                                             ge ist wich
                                                                                                 st li c h e r. Keine Fra             h t.
                                                                                  ge ist trö                            nsunterric
                                                                  Keine Fra                  e -h e  rz  ten Religio
                                                                                    e m    b
                                                                  tiger in ein
-Bilder...
             3. Klasse - Volk
                             sschule

                                                               le
                                                     Volksschu
                                       3. Klasse -
Susanne Baumgartner, Prim. Dr., Mag.,
             Fachärztin für Psychiatrie u.
          psychotherapeutische Medizin
                                                                aus_brennen
  Ärztliche Leiterin im Sonnenpark Lans                                            Wie geht der Weg ins Leben zurück?

                                             Seit 2011 werden im Zentrum für psychoso-        Psychotherapeutische, kreativ- und körper-
                                             ziale Gesundheit Sonnenpark Lans jährlich        therapeutische Angebote, wie sie in der me-
                                             durchschnittlich 1000 Patient*innen mit psy-     dizinisch-psychiatrischen Rehabilitation im
                                             chosomatischen und psychiatrischen Krank-        Sonnenpark Lans angeboten werden, sind
                                             heitsbildern im Rahmen ihrer Möglichkeiten       notwendig, um neue Strategien im Umgang
                                             auf ihrem Weg „ins Leben zurück“ begleitet. In   mit sich selbst und Anderen zu erlernen.
                                             sechs Wochen durchlaufen die Patientinnen        Der gleichzeitige Blick auf die Biographie
                                             und Patienten ein ressourcen- und teilhabe-      ermöglicht ein Verständnis für behindernde,
                                             orientiertes, klinisch-therapeutisches Reha-     nicht zielführende Verhaltensweisen oder
                                             bilitationsprogramm mit dem Ziel der sozia-      hemmende Schuldthemen. Erstrebenswertes
                                             len und beruflichen Teilhabe.                    Ziel ist die Vermittlung neuer Erlebniswei-
Ungünstige Verhaltens-
                                                                                              sen, anstelle frustran abgespeicherter Erfah-
muster sind ein Spiegel
                                             Ein grundlegendes Ziel der medizinisch-psy-      rungswelten, so dass Zuversicht-optimierte
    von Mechanismen
                                             chiatrischen Rehabilitation ist die Verbesse-    Sichtweisen sich entwickeln können und
    die sich im Gehirn                       rung der Psychopathologie, um Angebote           der Zugriff auf brachliegende Ressourcen
     verfestigt haben.                       nutzen und selbstbestimmt und weitgehend         möglich wird.
                                             selbstgestaltend die eigene Lebensführung
                                             (wieder) übernehmen zu können.                   Selbstwert und Selbstvertrauen, Selbstwirk-
                                                                                              samkeit sowie Zuversicht, Mut und intrin-
                                             Die medizinisch-psychiatrische Rehabilitation    sische Motivation ermöglichen Schritte in
                                             dient dazu, das Fortschreiten der Erkran-        Richtung Reintegration in ein soziales bzw.
                                             kung zu verlangsamen und damit die psy-          beruflich erfülltes Leben und können Nach-
                                             chische Gesundheit als Basis für die Wieder-     haltigkeit gewährleisten.
                                             herstellung von Gesundheit im Allgemeinen
                                             und Arbeitsfähigkeit bzw. soziale Teilhabe       Ansätze, die auf oben Erwähntes abzielen,
                                             zu ermöglichen.                                  finden in allen Therapieangeboten im Son-
                                                                                              nenpark Lans Berücksichtigung, vom indivi-
                                             Jahrelange Chronifizierung psychiatrischer Er-   dualisierten psychotherapeutischen Zugang
                                             krankungen und damit einhergehende zahl-         über Gruppenangebote (mit therapeuti-
                                             reiche frustrane Reintegrationsversuche in ein   schem oder modularem Aufbau) bis hin zu
                                             erfülltes soziales und berufliches Leben sind    informellen Schulungen und dem Angebot
                                             nicht selten eine Gemeinsamkeit der psychia-     von Übungsräumen.
                                             trischen Rehabilitand*innen. Ungünstige Ver-
                                             haltensmuster im Rahmen der Grunderkran-         Zu Beginn und am Ende des Aufenthaltes
                                             kungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen       werden mit den Patient*innen Ziele hin-
                                             bis hin zu Persönlichkeitsstörungen verstärken   sichtlich ihrer Fähigkeiten und Aktivitäten
                                             Vermeidungs- und Abwehrverhalten oder ge-        im Rahmen von Selbst- und Fremdeinschät-
                                             reizt-aggressives Auftreten. Diese ungünstigen   zung erhoben. Damit ist eine durchgängige
                                             Verhaltensmuster sind ein Spiegel, wie sich      Zielorientierung als Leitlinie für den gesam-
                                             diese Mechanismen im Gehirn verfestigt ha-       ten Rehabilitationsprozess in der therapeuti-
                                             ben und behindern somit das Verwenden von        schen Arbeit mit den Patient*innen gewähr-
                                             günstigeren Verhaltensweisen.                    leistet.

  14
Cornelia Webhofer, Mag., DSA,
                                                                                             Psychotherapeutin im
                                                                                             Sonnenpark Lans

Während des sechswöchigen Aufenthaltes        Alle angebotenen therapeutischen Inter-
liegt der rehabilitative Fokus auf:           ventionen der medizinisch-psychiatrischen
                                              Rehabilitation sollten deshalb als grundle-
0 Verbesserung der Psychopatho-               genden Nebeneffekt eine Stressreduktion
  logie (Angstreduktion, Depressions-         aufweisen. Die Ansatzpunkte sind man-
  linderung..)                                nigfaltig und entwickeln ihre Wirksamkeit
0 Stressreduktion und                         in der Summe der vernetzten und aufein-
  Stressmanagement                            ander abgestimmten Interventionen.
0 Vermeidung von körperlichen
  zusätzlichen Erkrankungen                   Im Sonnenpark Lans arbeiten Fachärzt*innen
0 Verbesserung von Aktivität                  für Psychiatrie und psychotherapeutische
  und Teilhabe                                Medizin, Allgemeinmediziner*innen, Diplo-            Die Ansatzpunkte
0 Bearbeitung von ungünstig erlebten          mierte psychiatrische Gesundheits- und Kran-        sind mannigfaltig und
  sozialen Kontextfaktoren                    kenpfleger*innen, Psychotherapeut*innen,            entwickeln ihre Wirk-
0 Verstärkung der eigenen Motivation          Ergotherapeut*innen, Musiktherapeut*innen,          samkeit in der Summe
  hinsichtlich beruflicher/sozialer           Kunsttherapeut*innen, Mal- und Gestal-              der vernetzten und auf-
  Teilhabe                                    tungstherapeut*innen, Tanztherapeutinnen,           einander abgestimmten
0 Reflexion ungesunder Lebens-                Klinische und Gesundheitspsycholog*innen,           Interventionen.
  stilelemente                                Medizinische Masseur*innen, Physiothera-
0 Planung nachfolgender ambulant-             peut*innen und Sportwissenschafter*innen,
  unterstützender Strukturen.                 Diätolog*innen und Sozialarbeit*innen.
                                              Alle Berufsgruppen verfügen über spezi-
Patient*innen der psychiatrischen Rehabili-   fische und mannigfaltige Zusatzqualifika-
tation leiden fast ausnahmslos unter aus-     tionen und arbeiten vernetzend, stets mit
geprägter subjektiver Stresssymptomatik in    dem gemeinsamen Fokus, das subjektive
beruflichen, privaten und sozialen Lebens-    Stresserleben zu bearbeiten und mittels
bereichen, welche mit Aktivierung ungüns-     unterschiedlicher Methoden zu reduzieren.
tiger immunologischer Reaktionen einher-
gehen.                                        In unserem Haus ergänzen wir diese
                                              stressreduzierenden Ansätze um eine wei-
Die dauerhafte Aktivierung der Stresshor-     tere Methode, nämlich die der Meditation,
monachse mit seinen Hormonen, vor al-         deren Wirksamkeit in Kombination mit
lem dem Cortisol, verändern wesentliche       den anderen Therapien zu einer inneren
Immunfunktionen in ungünstiger Weise.         überdauernden selbstberuhigenden Hal-
Die resultierende immunologische Para-        tung führen kann.
meterverschiebung durch anhaltenden
Stress erhöht zudem in nachgewiesenen
Maßen auch das Risiko für schwere Er-
krankungen. Auch diese Gesichtspunkte
finden bei der psychiatrischen Rehabilita-
tion Berücksichtigung.

                                                                                                                             15
Impulse zu einer „Rhetorik des Herzens“

    Pfarrerin Andrea Petritsch, Mag.,
                                                     „Wes das Herz voll ist,
                                                     des geht der Mund über.“
Evangelische Pfarrgemeinde Jenbach,
         RL am Bischöfl. Gymnasium
                   Paulinum Schwaz

                                        Ein Satz in einem wunderbaren Sprachrhyth-       wir aus dem griechischen Urtext übersetz-
                                        mus, der innere Bilder weckt! Wer weiß           ten, dann müssten wir wörtlich so wieder-
                                        schon, dass er aus der Bibel stammt? Man         geben: „Aus der Fülle des Herzens, spricht
                                        findet ihn als Jesu Wort in der Feldrede des     sein Mund.“
                                        Lukas (6, 45b) bzw. im Matthäusevangelium
                                        (12,34b). Er ist längst zum geflügelten Wort     Doch Martin Luther, der im September 1522
                                        geworden. So sagt der Volksmund, wenn            in seinem Versteck auf der Wartburg das
                                        jemand seine Begeisterung, seine Gefüh-          Neue Testament ins Deutsche übertrug, fand
                                        le, seine Gedanken nicht bei sich behalten       das kein verständliches Deutsch. Er wollte
     „Wovon dein Herz                   kann, sondern sich übersprudelnd anderen         möglichst volksnah übersetzen und dem
        erfüllt ist, davon              mitteilen muss. Wer ein starkes Anliegen         Volk „aufs Maul schauen“; die Bibel sollte
      redet dein Mund.“                 verspürt, der spricht eben darüber und hofft     wie eine Mutter zu ihren Kindern sprechen.
                                        auf Resonanz.                                    Auch das einfache Volk, nicht nur die Gebil-
                                                                                         deten sollten die biblischen Worte verstehen
                                        Ich erinnere mich gerne an die Zeit als Kind,    und so setzte er: „Wes das Herz voll ist, des
                                        wenn ich von der Schule nach Hause kam           geht der Mund über.“
                                        und unbedingt als erste erzählen wollte.
                                        Zwischen meinen Schwestern und mir gab           Ich denke, wir verstehen sein Bild. Es ist
                                        es regelrecht einen Wettstreit, wer schneller,   ihm gelungen, auch wenn wir die Worte
                                        lustiger, sprudelnder das Erlebte weiterge-      selbst ein wenig modernisiert haben. Übri-
                                        ben konnte. Unser Herz war voll und wir          gens nicht nur diese, sondern auch viele an-
                                        wollten es loswerden.                            dere seiner Wortschöpfungen haben Einzug
                                                                                         in unsere Sprache gefunden.
                                        Heute empfinden wir die Sprache des
                                        Sprichwortes veraltet, vor allem den Genetiv.    Und Luther fällt mir auch ein, wenn ich über
                                        Insofern heißt es eher: „Wovon dein Herz         die Richtigkeit des Spruchs nachdenke. Sein
        „Aus der Fülle                  erfüllt ist, davon redet dein Mund“ oder mit     Herz war übervoll, Schweigen war ihm nicht
         des Herzens,                   der Dativkonstruktion: „Wem das Herz voll,       möglich und beherzt stellte er sich mit sei-
   spricht sein Mund.“                  dem geht der Mund über.“ So steht es auch        nen Reformideen gegen die größten Autori-
                                        in neueren Bibelübersetzungen.                   täten seiner Zeit: gegen den Kaiser und ge-
                                                                                         gen den Papst. Vor genau 500 Jahren stand
                                        Wenn wir den Kontext nachschlagen, dann          Luther vor dem Reichstag in Worms, gela-
                                        finden wir den Satz in einer Passage der ge-     den, um seine kritischen Schriften zu wider-
                                        nannten Evangelien, in der es um Bäume           rufen. Aber er widerstand dem Druck. Er
                                        und ihre Früchte geht. Lukas und Matthäus        weigerte sich, seine Meinung an die damali-
                                        erzählen von Jesus, der dieses Bild auf Men-     ge katholische Kirche anzupassen. Er muss-
                                        schen überträgt und klar macht, dass ein gu-     te entscheiden: Was ist mehr wert: Das, was
                                        ter Mensch Gutes und ein böser Mensch Bö-        mir eine Organisation sagt und was allge-
                                        ses aus seinem inneren Wesen, dem „Schatz        mein verbreitete Ansicht ist? Oder das, was
                                        seines Herzens“ als Frucht hervorbringt. Die     ich selber festgestellt habe? Was mir mein
                                        Passage endet mit besagtem Bildwort. Wenn        Gewissen sagt? Mein Herz? Und so erfolgte

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Luthers Antwort auf den geforderten Wider-      Es ist erschreckend, wie wörtlich Hitler die                                 Also ich wünsche mir,
ruf nach einem Tag Bedenkzeit am 18. Ap-        „Empfehlungen“ Luthers umsetzen konnte.                                      dass ich mit meiner
ril 1521 durchaus beherzt: „Wenn ich nicht                                                                                   „Rhetorik des Herzens“
durch das Zeugnis der Heiligen Schrift oder     Doch zurück zu unserem Spruch von der                                        andere in ihrer Seele
vernünftige Gründe überwunden werde -…          Überfülle des Herzens. Mein Anliegen ist es,                                 anrühre und bewege.
mein Gewissen ist durch Gottes Wort gefan-      den „Schatz des Herzens“ mit Positivem zu
gen. Und darum kann ich und will ich nichts     füllen und ich überlege: Mit welchen Wor-
widerrufen, weil gegen das Gewissen zu          ten erreiche ich meine Hörerschaft? Und
handeln weder sicher noch lauter ist. Gott      vor allem: Wie gelingt es mir, beherzt und
helfe mir. Amen.“1 Luther berief sich also      klar meine Anliegen zu formulieren und mit
auf eine logische, vernünftige Argumentati-     meiner Begeisterung andere anzustecken?
on und vor allem auf das Zeugnis der Bibel      Also ich wünsche mir, dass ich mit meiner
und sein dadurch gebundenes Gewissen,           „Rhetorik des Herzens“ andere in ihrer See-
sein Herz. Aber seine Überzeugung sah er        le anrühre und bewege. Auf alle Fälle weiß
immer noch diskutierbar, wenn auch in den       ich, dass das Reden in Bildern, mit Humor,
angegebenen Kriterien. Erstmals hat sich ein    vielleicht auch etwas Ironie und mit Sinn für
Einzelner mit seiner „Sprache des Herzens“      die Sprache zum Gelingen beiträgt. Aber ei-
gegenüber einer Gemeinschaft behauptet.         gentlich sollte es sich ganz selbstverständ-
Heute muss man keinem Menschen mehr             lich ergeben, denn „Wes das Herz voll ist,
sagen, dass das Individuum, Zivilcourage        des geht der Mund über.“
und das eigene Gewissen wichtig sind.

                                                1.   Volker Leppin: Martin Luther, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchge-
Leider lässt sich unser Sprichwort auch im           sellschaft) 2. Aufl. 2010, S. 177. (Aus der Reihe: Gestalten des Mit-
Negativen auf Luther anwenden. Sein cho-             telalters und der Renaissance, hrsg. von Peter Herde).

lerisches Temperament hat sich ebenso Luft
gemacht und ist aus dem vollen Herzen zu
heftigen Worten geworden. Der große Re-
formator wurde mit zunehmendem Alter
und Enttäuschung extrem judenfeindlich.         „Luther vor dem Reichstag in Worms“
Da unterschied er sich nicht von seiner Zeit.   Anton von Werner,Wikimedia Commons

                                                                                                                                              17
DIE SPRACHE
              David Erhart, M.Ed., BEd
    Inklusions- und Religionspädagoge
      an der MS Dr. Posch, Hall in Tirol
                   Hochschullehrer an
        der KPH Edith Stein, Innsbruck

                                                               der Menschen sprechen

                                           Als Petrus Canisius zuerst in Wien und dann     sprachlich. Paulus schreibt weiter: „Wenn
                                           in Innsbruck wirkte und lehrte, beherrsch-      ich nun die Bedeutung der Sprache nicht
        Das Grundwerk-
                                           ten vermutlich nur wenige Menschen die          kenne, werde ich ein Fremder sein für den,
         zeug einer Lehr-                  „Sprache der Kirche“. Das „einfache“ Volk       der redet, und der redet wird für mich ein
       person ist jegliche                 kannte eine gewöhnliche Alltagssprache          Fremder sein.“ (1 Kor 14,11). In den Schul-
       Form der Sprache.                   und – je nach Zunft und Stand – eine ein-       alltag übersetzt bedeutet das: Wenn die
                                           schlägige Bildungs- bzw. Fachsprache. Die       Schüler*innen das Fach-Vokabular des je-
                                           sprachliche Kluft zwischen dem glaubenden       weiligen Faches nicht beherrschen, wird es
                                           Volk und dem Klerus war dementsprechend         für sie fremd bleiben.
                                           groß. Als Theologieprofessor und Hofpredi-
                                           ger wusste Petrus Canisius sehr genau, dass     Prinzipiell wird in der Sprachwissenschaft
                                           er – um den Glauben vermitteln zu kön-          zwischen drei Sprachebenen unterschieden:
                                           nen – die „Sprache der Menschen“ sprechen       Alltagssprache, Bildungssprache und Fach-
                                           musste. Zuerst arbeitete er an einem Kate-      sprache. Für den schulischen Bildungspro-
                                           chismus für seine Schüler*innen, anschlie-      zess und für den Erwerb schulischer Kom-
                                           ßend auch an einer „Übersetzung für das         petenzen ist das Erlernen der Bildungs- bzw.
                                           gewöhnliche Volk“. Er bereitete komplexe        der Fachsprache unabdingbar. Die (fach-)
                                           Inhalte so auf, dass sie für jede und jeden     sprachlichen Anforderungen des Religions-
                                           einigermaßen verständlich wurden. Canisius      unterrichts sind vielfältig und dürfen nicht
                                           machte damals also eine Arbeit, die heute       unterschätzt werden. Sowohl biblische Über-
                                           dem Bestreben einer Religionslehrerin / ei-     lieferungen – Psalmen, Gleichnisse, Meta-
                                           nes Religionslehrers sehr ähnlich ist.          phern, bildsprachliche Texte und Lieder – als
                                                                                           auch kirchliche Glaubenstraditionen werden
                                           Religionsunterricht ist Sprachunterricht        im Religionsunterricht sprachlich bzw. schrift-
                                           Das Grundwerkzeug einer Lehrperson ist          sprachlich vermittelt. Jeder dieser Textsorten
                                           jegliche Form der Sprache: Die gesprochene      ist eine bestimmte Form von Sprache eigen,
                                           und geschriebene Sprache, die Gebärden-         die laut Stefan Altmeyer (2013) von den
                                           sprache sowie die Braillschrift, die Symbol-    Schüler*innen erst erschlossen werden muss.
 Die (fach)sprachlichen                    sprache und die Bildsprache. Die Lehrper-       Er bezeichnet die Sprache im Religionsunter-
                                           son, die Religion unterrichtet, ist – neben     richt als den Schlüssel für einen „spezifisch
Anforderungen des Re-
                                           vielen anderen Bereichen – auch besonders       religiösen Lernprozess“ (S. 365).
 ligionsunterrichts sind
                                           eine Sprachenlehrerin / ein Sprachenlehrer.
           vielfältig und
                                           Paulus, ein wichtiger Religionslehrer seiner    Sprachsensibilität als Unterrichtsprinzip
     dürfen nicht unter-                   Zeit, schreibt in seinem ersten Brief an die    Der (neue) Lehrplan 2020 für den katholi-
        schätzt werden.                    Korinther, „… es gibt wer weiß wie viele        schen Religionsunterricht Volksschule und
                                           Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne       Sekundarstufe I verweist auf die Notwen-
                                           Sprache“ (1 Kor 14,10). Dieser Leitsatz lässt   digkeit des Erwerbs einer fundierten und
                                           sich sehr gut auf den heutigen Bildungs-        aufsteigenden religiösen Sprachkompetenz
                                           prozess übertragen. Die Vermittlung von         und auf die besondere Bedeutung der Spra-
                                           (schulischem) Wissen geschieht zuallererst      che im Religionsunterricht: Wahrnehmen

  18
der „Sprache in ihrer Vielfalt“ (1. Schulstufe),   te, 2001) reicht es aber nicht, die Sprache
Erwerb einer „religiösen Sprachkompetenz           der Religion nur zu verstehen; sie muss
– Symbolsprache und Metaphern“ (6. Schul-          auch angewendet, geübt und ausprobiert                            Sich neben dem
stufe) bis hin zur Kompetenz, die „Sehn-           werden (vgl. S. 34-43). In erster Linie bietet                    Lehren der Sache
sucht nach einem Leben in Fülle“ sprachlich        ein sprachsensibler Religionsunterricht eine                      auch für das Lehren
ausdrücken zu können.                              Vielfalt an Sprachanlässen, die den Schü-                         der Sprache zur
                                                   ler*innen die Möglichkeit geben, über In-                         Sache verantwortlich
Nach der Erziehungswissenschafterin Ing-           halte zu sprechen, neue Begriffe kennen zu                        zu fühlen.
rid Gogolin (2019) sollte es für Lehrer*in-        lernen, darüber zu diskutieren, sich zu iden-
nen selbstverständlich sein, sich neben dem        tifizieren, sich zu begeistern, sich abzugren-
Lehren der Sache auch für das Lehren der           zen, Fragen zu stellen und gleicher bzw.
Sprache zur Sache verantwortlich zu fühlen         anderer Meinung zu sein … Die Lehrper-
(S.10). Für den konkreten Unterricht heißt         son übernimmt die Rolle des sprachlichen
das zuallererst, die im Religionsunterricht        Vorbildes und versucht mit neuen Impulsen
verwendete Sprache zu reflektieren und so          und unterstützenden Materialien, den Schü-
ein Bewusstsein für die sprachlichen Her-          ler*innen das Verstehen und das Weiterspre-
ausforderungen zu entwickeln. Je nach              chen zu erleichtern.
Thema und Schulstufe können die diversen
fachsprachlichen Herausforderungen lokali-         Abschließend lässt sich sagen: Der Religi-
siert und methodisch-didaktisch eingeführt         onsunterricht bietet uns Lehrer*innen eine
bzw. erarbeitet werden. Diesbezüglich bie-         Vielzahl an Möglichkeiten, unsere Schü-                           Sprechen über
tet die Literatur bereits eine Vielzahl an un-     ler*innen sprachlich zu be_gleiten. Beson-                        Inhalte, die unseren
terschiedlichen guten Methoden.                    ders das Sprechen über Inhalte, die unseren                       Schüler*innen „durchs
                                                   Schüler*innen „durch‘s Herz gehen“ und so-                        Herz gehen“ und somit
Der Religionsunterricht ist auch Raum              mit lebendig werden (Funke, 2015), gehört                         lebendig werden.
für be_herzte Sprachbildung                        zu einem sprachsensiblen und be_herzten
„Wo, wenn nicht im Religionsunterricht,            Religionsunterricht.
wird über mehr als ‚nur‘ Gegenständliches
gesprochen?“ Dort bedarf es nicht nur eines        Literaturhinweise:
hohen Maßes an fachsprachlicher Kompe-             - Altmeyer, S. (2013). Die (religiöse) Sprache der Lernenden.
tenz, sondern besonders auch der Fähig-              Sprachempirische Zugänge zu einer großen Unbekannten.
                                                     Reihe: Fachdidaktische Forschung 3. Münster: Waxmann.
keit, Gefühle, Gedanken und Erfahrungen
                                                   - Busse, V., & Göbel, K. (2019). Mehrsprachigkeit. Sprach-
sprachlich ausdrücken zu können. Wie der             sensibilität muss professionalisiert werden. Lernende Schule.
Religionspädagoge Rainer Oberthür immer              86. S. 8-11.
wieder betont, lösen Geschichten bei un-           - Funke, G. (2015). WERT-volle Bildung. BildungsTV.
seren Schülerinnen und Schülern einen                https://www.youtube.com/watch?v=58Knpc1_7Xg.

Prozess des Nachdenkens aus und wecken             - Schulte, A. (2001). Sprache finden. Religiöse Kompetenz
                                                     im Umgang mit Kindern. Praktische Theologie, Band 36,
Fragen, Gefühle, Ängste und Hoffnungen,
                                                     Heft 1. S. 34-43.
Imaginationen und Fantasien. Im Sinne eines
kommunikationsorientierten Ansatz (Schul-

                                                                                                                                      19
AV-MEDIENVERLEIH
            be_herzt

                 Klein                                                         Mose und seine Geschichte

                                                                       DIAS
                                                                      048887                                                     108140
                                                                                                                                  DVD
                  3 Jahre             27 Dias + Buch +                             6 Jahre       45 Min.
                 			                 Arbeitsheft + Plakat + DVD
                                                                               Thema: Bibel: Altes Testament,
                 Thema: Familie, Angst, Gewalt, Vertrauen, Anver-                     Bibel: AT: Mosezei
                        trauen, Werte, Identität, Trennung

                 Wo die wilden Kerle wohnen                                    Die Geschichte vom Fuchs,
                                                                               der den Verstand verlor
                                                            DVD
                                                           106662      DIAS
                                                                      040797                                                     108892
                                                                                                                                  DVD
                     4 Jahre          20 Dias              109575
                                                                                   6 Jahre       8 Min.
                 Thema: Abenteuer, Angst, Autorität, Bilderbuch,
                        Erziehung, Identität, Kindergarten, Phantasie          Thema: Alter, Alzheimer, Krankheit, Bilderbuch,
                                                                                      Vergessen

                 Da bist du ja                                                 Über Gott nachdenken -
                                                                               von Gott sprechen
                                                                       DIAS
                                                                      048889                                                     109759
                                                                                                                                  DVD
                  4 Jahre            12 Dias + Buch +
                 			                 Arbeitsheft + DVD                             6 Jahre       5 + 7 + 10 Min.
                 Thema: Angenommensein, Beginn, Beziehungen,                   Thema: Gottesvorstellungen, Gottesbilder, Theologie
                        Freundschaft, Identität, Kindergeschichten, Liebe             für Kinder, Gott als Begleiter, Vertrauen

                 Identität (Animanimals)                                       Rain is Falling

                                                                      109914
                                                                       DVD                                                       107619
                                                                                                                                  DVD
                     4 Jahre         16 Min. (4 x 4)                               8 Jahre       15 Min.

                 Thema: Traurig sein, Zufriedenheit, Selbstbild, Selbst-       Thema: Armut, Familie, Frau, Kind: Probleme,
                        bewusstsein, Leib, Glieder, Nähe, Distanz,                    Krankheit, Menschenrechte, Umwelt
                        Achtsamkeit, Nächstenliebe, Bedürfnisse

                 Kleiner großer Bär                                            Barmherzigkeit

                                                          ONLINE
                                                          203912      100090
                                                                       DVD                                                  DVD  109483
                     5 Jahre         5 Min.               auf LeOn              8 Jahre          77 Min.
                                                                               			               (12 +15 + 3 +8 +15 +21 +3)
                 Thema: Buch, Kinderbücher, Andersartigkeit, Angst,
                        Hilfe, Lesen, Identität, Fabel, Gemeinschaft,          Thema: Sieben Werke der Barmherzigkeit
                        Parabel, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein

                 Empathie -                                                    Speechless
                 Mitgefühl und Fürsorge
                                                          ONLINE
                                                          201287      100124
                                                                       DVD                                          ONLINE
                                                                                                                    190205       109725
                                                                                                                                  DVD
                                                          auf LeOn                 10 Jahre      7 Min.             auf LeOn
                     6 Jahre         13 Min.
                                                                               Thema: Flucht, Fremdsein, Fremde, Kommunikation,
                 Thema: Kunst, Bibel: Neues Testament, Bibel: NT:                     Sprache, Sprechen, Zuhören, Erfassen,
                        Jesus Christus, Glaube, Glaubensbekenntnis                    Verstehen, Sprachlos

     DIAS       ONLINE           ONLINE                 DVD
                                 auf LeOn

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