RUNDSCHREIBEN MITGLIEDER - Wahlen zum Vorstand und Beirat - DGHO
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Juni · 2/2021 MITGLIEDER RUNDSCHREIBEN DGHO Intern 4 DGHO 5 Veranstaltungen 24 Wahlen zum Neu: Onkopedia- Hybride Vorstand und Beirat Webinare Jahrestagung
DGHO INHALT Editorial L iebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder der DGHO, liebe Freundinnen und Freunde, Der Vorstand ruft die Mitglieder der DGHO auf, sich aktiv um die ab dem 1. Januar 2022 zu besetzenden Ämter in Vorstand und Beirat zu bewerben. Va- seit einigen Ausgaben ist dieses das kant wird das Amt der*des Vorsitzen- erste Mitgliederrundschreiben, in dem den für die Amtsperiode 2022 bis 2023, Sie keinen Artikel zu COVID-19 fin- an die sich laut Satzung automatisch den. Der Grund ist selbstverständlich das Amt der*des Geschäftsführenden nicht, dass uns das Thema nicht mehr Vorsitzenden für die Amtsperiode von beschäftigt. Unsere Fachgesellschaft 2024 bis 2025 anschließt. Darüber hi- DGHO ist weiterhin äußerst aktiv, wenn es naus wird mit Beginn des nächsten um COVID-19 geht. Die Schnellle- Jahres die Position für ein weiteres Neu: Onkopedia-Webinare������ 5 bigkeit des Themas erfordert von uns Mitglied im Vorstand für die Amtspe- Stellungnahme Modell- sehr oft kurzfristiges Agieren. Diesem riode 2022 bis 2025 vakant. Ebenfalls vorhaben Genom- Tempo werden wir mit unserem digi- zu besetzen sind ab dem 1. Januar sequenzierung���������������������������� 7 talen Angebot gerecht. So finden Sie 2022 fünf Positionen im Beirat unserer auf unserer Website stets die aktuellen Fachgesellschaft. Sowohl die Arbeit im Assistierte Selbsttötung bei Dokumente rund um COVID-19. Neben Vorstand als auch im Beirat bietet – in Krebspatient*innen������������������ 10 der Lektüre des vorliegenden Mitglie- enger Kooperation mit den vielen eh- Vergabe José Carreras- derrundschreibens laden wir Sie herz- renamtlich engagierten Kolleg*innen DGHO-Promotions- lich ein, sich regelmäßig auf unserer unserer Fachgesellschaft – einen aus- stipendien��������������������������������� 12 Website zu COVID-19 und den vielen gesprochen großen wissenschaftli- weiteren Themen, bei denen sich unse- chen, medizinischen und gesundheits- re Fachgesellschaft intensiv engagiert, politischen Gestaltungsspielraum in Historische Forschungsstelle zu informieren. einem der innovativsten Fachgebiete der Medizin! Der besondere Fall: Onkopedia ist ein Leuchtturmprojekt PNH 1678����������������������������������� 14 der DGHO und hat sich seit seiner Initi- Für die hybride Jahrestagung der Deut- ierung zu einem Standard-Tool für unser schen, Österreichischen und Schwei- Fachgebiet entwickelt. Die Onkopedia- zerischen Gesellschaften für Hämato- Deutsche Stiftung für junge Leitlinien zeichnen sich u. a. durch ihre logie und Medizinische Onkologie vom Erwachsene mit Krebs komprimierte Darstellung, ihre große 1. bis 4. Oktober 2021 in Berlin wurden Praxistauglichkeit im klinischen Alltag 535 Abstracts eingereicht. Durch Ihr Patient*innenbeirat mit sowie durch Ihre Aktualität aus. Daher Engagement tragen Sie wesentlich neuer Zusammensetzung�������� 19 freuen wir uns ganz besonders, dass zur Gestaltung eines spannenden Pro- Ausbau des wir Ihnen – realisiert durch die DGHO gramms bei. Dafür möchten wir uns Informationsangebots������������� 20 Service GmbH – ab sofort in zweiwö- sehr herzlich bei Ihnen bedanken! chigen Abständen kostenlose Onkope- Unabhängig von den durch COVID-19 dia-Webinare anbieten können. Immer bedingten konkreten Ausgestaltungen Veranstaltungen freitags von 14:00 bis 15:00 Uhr geben der Jahrestagung freuen wir uns ge- die verantwortlichen Autor*innen der meinsam mit dem diesjährigen Kon- Hybride Jahrestagung������������� 24 Onkopedia-Leitlinien, bei denen sich gresspräsidenten Prof. Andreas Ma- Grußwort des relevante Änderungen ergeben haben, ckensen und seinem Team auf einen Kongresspräsidenten��������������� 25 einen entsprechenden Überblick. Im intensiven fachlichen Austausch und Anschluss bietet ein Chat Raum für Fra- besonders – wenn möglich – auch auf Titelbild: Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker; AdobeStock Veranstaltungs- gen und Diskussionen. Zur Teilnahme persönliche Gespräche – vor Ort und hinweise 2021���������������������������� 25 laden wir Sie ganz herzlich ein! virtuell! DGHO Intern Wahlen zum Vorstand und Beirat������������������������������������ 4 Lorenz Trümper Hermann Einsele Bewerbung um die Geschäftsführender Vorsitzender Vorsitzender Mitgliedschaft��������������������������� 22 Maike de Wit Ingo Tamm Mitglied im Vorstand Mitglied im Vorstand DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 3
– was ist neu? Jetzt als regelmäßiges Webinar! O nkopedia ist in den letzten 10 Jahren zu einem Standard in der Diagnostik und Therapie von Patient*innen mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen gewor- den. Ziel von Onkopedia ist es, Empfehlungen auf dem aktu- ellen Stand des Wissens zu geben. Das erfordert kontinuier- liche Aktualisierung der Leitlinien durch die Expert*innen, aber auch die Bereitschaft der behandelnden Ärzt*innen, diese Empfehlungen umzusetzen. Wann und wo muss ich meine Routine in der Diagnostik, in der Therapie, im Nebenwirkungsmanagement oder in der Nachsorge ändern bzw. anpassen? Hierzu starten wir jetzt eine neue Reihe von Webinaren. Inhalt Onkopedia Leitlinien, bei denen sich relevante Änderungen ergeben haben Vortragende verantwortliche Autor*innen der Onkopedia Leitlinien Format Webinar über 45 Minuten, anschließend Diskussion über Chat-Funktion Aufbau einheitlich: Grundlagen, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, Nachsorge, … Zeitpunkt freitags 14:00 bis 15:00 Uhr, alle 2 Wochen Daten, Themen und Referent*innen der ersten Webinare: Datum Thema Referent*innen 28. Mai 2021 Akute Myeloische Leukämie1 Prof. Dr. med. Christoph Röllig, Dresden 11. Juni 2021 ASCO Wichtig zu wissen1 Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Berlin 25. Juni 2021 NSCLC1 Prof. Dr. med. Frank Griesinger, Oldenburg 9. Juli 2021 Antibakterielle Prophylaxe1 Dr. med. Annika Claßen, Köln Prof. Dr. med. Jörg Janne Vehreschild, Frankfurt a. M. 23. Juli 2021 CLL Prof. Dr. med. Clemens Wendtner, München 6. August 2021 Ösophaguskarzinom Prof. Dr. med. Michael Stahl, Essen 20. August 2021 DLBCL Prof. Dr. med. Georg Lenz, Münster Die Organisation erfolgt über die DGHO Service GmbH. Voraussetzung für die Teilnahme ist die vorherige Anmeldung unter https://www.dgho-service.de/veran- staltungen/onkopedia-webinare. Teilnehmer*innen bekommen rechtzeitig einen persönlichen Zugangslink zugesandt. Im Anschluss an die Webinare wird die Teil- nahme bestätigt. Die Webinare werden aufgezeichnet und können im Anschluss an die jeweilige Veranstaltung unter www.onkopedia.com eingesehen werden. 1 Diese Webinare wurden von der Ärztekammer Berlin mit 1 Fortbildungspunkt in Kategorie A zertifiziert. Für die weiteren Webinare wurde die Anerkennung als Fortbildung beantragt. DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 5
DGHO Stellungnahme zum Modellvorhaben Genomsequenzierung Änderungsantrag 3 der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 18. März 2021 zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) Die vorliegende Stellungnahme wurde mit der Patient*innen- mit den Ergebnissen, zeigt jedoch große Überlappungen. Das Selbsthilfe sowie weiteren wissenschaftlichen medizinischen ist der Hintergrund für die thematische Zusammenfassung Fachgesellschaften und Institutionen verfasst und am Mittwoch, in dem von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD ge- 21. April 2021 veröffentlicht. meinsam eingebrachten Änderungsantrag unter dem Titel „Modellvorhaben Genomsequenzierung“. Zusammenfassung In der Onkologie haben sich die betroffenen medizinischen Diagnostik und Therapie seltener und maligner Erkrankun- wissenschaftlichen Fachgesellschaften seit mehreren Jah- gen befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Ziel ist ren angesichts der Vielfalt der molekulardiagnostischen die Translation von Ergebnissen der Genomforschung in die Möglichkeiten und der Angebote intensiv mit dem The- Versorgung. Wir begrüßen die Bereitschaft aus der Politik ma beschäftigt [1, 2]. Anfang 2019 hatten sie ihre Position zur weiteren Unterstützung dieser in Deutschland bereits zum Einsatz der Molekulardiagnostik in der Versorgung von auf hohem Niveau durchgeführten Forschung. Krebspatient*innen in Deutschland definiert und das Posi- Allerdings wird das vorgeschlagene Modellvorhaben zur Ge- tionspapier „Qualitätsgesicherte Molekulardiagnostik in der nomsequenzierung der Komplexität der Herausforderung Onkologie: zielgerichtet – qualitätsgesichert – integriert“ nicht gerecht. So wie der Änderungsantrag jetzt formuliert publiziert [3]. Zentrale Punkte sind: ist, gefährdet dieses Modellprojekt • Zielgerichtete Indikation zur Anforderung von Molekular- • die Qualität der Versorgung diagnostik • die Sicherheit der Patient*innen • Orientierung an aktuellen Leitlinien • die zur Therapieverbesserung notwendige Verbindung von • Integration der molekularpathologischen/tumorgeneti- Forschung und Versorgung schen Analysen in die weitere Diagnostik und die Thera- • die Kostentransparenz und -kontrolle pieempfehlung • die Fortführung aktueller, mit öffentlichen Geldern geför- • Qualitätssicherung von molekularpathologischer / tumor- derter Forschungsprojekte und deren konsequenter Um- genetischer Diagnostik und daraus resultierender Thera- setzung in die qualitätsgesicherte Versorgung, pieempfehlung • den Forschungsstandort Deutschland. • Datenschutz bei Verbleib von molekularen und klinischen Daten im öffentlichen Raum Wir fordern, dieses Modellvorhaben in seiner vorgeschlage- • Wissensgenerierende Versorgung. nen Form nicht umzusetzen. Diese Forderungen sind nur im engen Verbund spezialisier- Sinnvolle Alternativen sind Nutzung und weiterer Ausbau der ter Zentren mit der entsprechenden Expertise umzusetzen. bereits etablierten Strukturen, d.h. Sicherstellung einer qua- litativ hochwertigen Durchführung von Genomsequenzie rung, klinischer Beratung und Evaluation in einer Hand auf Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD der Basis hoher Qualitätsanforderungen in bereits zur Ver- Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben einen umfang- fügung stehenden hochspezialisierten Zentren. Damit kann reichen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur sowohl den betroffenen Patient*innen effektiv geholfen als Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) BT- auch der Forschungsstandort Deutschland gestärkt werden. Drs. 19/26822 eingebracht. Unsere Zusammenfassung ist: Genomdiagnostik für seltene und maligne Erkrankungen ist • Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen kein wirtschaftlicher Selbstzweck, sondern integrativer Be- (GKV-SV) soll für alle Kassen ein Modellvorhaben zur Ge- standteil qualitativ hochwertiger und Patient*innen-zent- nomsequenzierung mit geeigneten Leistungserbringern rierter Versorgung. verhandeln. • Geeignet sind alle Hochschulkliniken, Kliniken und ver- tragsärztlichen Labore, die die Kriterien der Zentrumszu- Hintergrund schläge erfüllen [4]. Genetische Alterationen spielen eine zentrale Rolle in der • Alle Institutionen/Anbieter, die diese Kriterien erfüllen, Entstehung seltener angeborener und onkologischer Erkran- verhandeln dann gemeinsam mit dem GKV-Spitzenver- kungen. Grundsätzlich handelt es sich bei hereditären und band über die Qualitätskriterien und über den Preis. bei malignen Erkrankungen um unterschiedliche Fachgebie- • Die Datenbank lässt das BMG erstellen. Zur Finanzierung te. Vor allem die Art der Diagnostik, aber auch der Umgang werden 10 Mill. Euro bereitgestellt. DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 7
DGHO Stellungnahme zum Modellvorhaben Genomsequenzierung Bewertung Onkologie Nach unserem Wissenstand wurde dieser Änderungsantrag Das MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor weder in der wissenschaftlichen Medizin noch in den Orga- Eradication Research)-Programm ist ein präzisionsonkolo- nen der Selbstverwaltung im Vorfeld inhaltlich diskutiert. Bei gisches Netzwerk, das 2012 am Deutschen Krebsforschungs- Durchsicht ergeben sich die folgenden, kritischen Punkte: zentrum und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankun- gen Heidelberg gegründet wurde und seit 2016 auch alle • Die Komplexität der Genomdiagnostik sowohl bezüg- Standorte des Deutschen Konsortiums für Translationale lich der Interpretation der Sequenzierungsergebnisse als Krebsforschung (DKTK) mit ihren jeweiligen Einzugsgebie- auch der klinischen Konsequenzen erfordert eine enge ten umfasst. Zudem beteiligen sich auch die von der Deut- Verbindung von Grundlagenforschung, State-of-the-art schen Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzen- – Diagnostik und klinischer Expertise. Diese kann nur in tren, die zum Teil nicht dem DKTK angehören. Insgesamt spezialisierten, forschungsnahen akademischen Zentren haben weit mehr als 100 Partner, die das gesamte Spektrum vorgehalten werden. der Versorgung von Krebspatient*innen repräsentieren, zum • Die im Modellvorhaben geforderten Qualitätsanforderun- Erfolg des Programms beigetragen. Seit seinem Bestehen hat gen entsprechen in keiner Weise diesen Notwendigkeiten. das MASTER-Programm in technologischer und strukturel- • Das Modellvorhaben ermöglicht privaten Laborbetreibern ler Hinsicht eine Vorreiterrolle für die Präzisionsonkologie in in Zusammenarbeit mit Kliniken / Klinikketten sowie der Deutschland eingenommen. Einerseits hat es von Anfang an pharmazeutisch/diagnostischen Industrie die Durchfüh- den systematischen klinischen Einsatz von Genom-, Exom- rung von Genomsequenzierung. Die Notwendigkeit der und Transkriptomsequenzierungen realisiert. Darüber hin- engen Verbindung von Versorgung und klinischer For- aus wurden wesentliche strukturelle Elemente der Präzisi- schung kann so nicht sichergestellt werden. onsonkologie in Deutschland pilotiert und kontinuierlich • Die Qualität der Beratung von Patient*innen / Zuweiser*innen weiterentwickelt (standortübergreifende molekulare Tumor- bezüglich der klinischen Konsequenzen ist nicht mehr sicher- boards, gemeinsame Standards für die Evidenzgraduierung gestellt, da diese die interdisziplinäre Zusammenarbeit in und Priorisierung sowie das Reporting von genetischen Va- spezialisierten forschungsnahen Zentren erfordert. rianten im klinischen Kontext etc.). Eine weitere Errungen- • Für korrekte Diagnosen und Therapieempfehlungen auf schaft des MASTER-Konsortiums besteht in der Entwicklung Grundlage von Genomsequenzierungen wird eine hoch- eines stetig wachsenden Portfolios an molekular stratifizier- wertige Durchführung der Sequenzierung benötigt, die nur ten klinischen Studien. wenige Einrichtungen erfüllen. Die Befundbewertung erfor- dert das Wissen über die neuesten Forschungsergebnisse Das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM), sowie die Kooperation mit den klinischen Expert*innen. Die unterstützt durch die Deutsche Krebshilfe (DKH) und die resultierenden Therapieempfehlungen benötigen einen en- Krankenkassen, ist ein Modellvorhaben zur Implementie- gen Austausch von spezialisierten klinischen Expert*innen rung von personalisierter Lungenkrebstherapie in Deutsch- und den molekulargenetischen Expert*innen. land. Aktuell werden hier Panelsequenzierungen für jährlich • Die Datenhaltung sollte in diesen Zentren angesiedelt sein 14.000 Lungenkrebspatient*innen bundesweit in einem Ver- als Voraussetzung für eine kontinuierliche Anwendungs- bund von 20 Zentren, in der Mehrzahl onkologische Spitzen- nahe Evaluation und Weiterentwicklung. Erfahrungen in zentren, und über 400 Krankenhäusern und onkologischen Deutschland und international haben gezeigt, dass kom- Praxen durchgeführt. Zentralisiert in den nNGM Zentren merzielle Anbieter von Genomsequenzierung die versor- findet hierbei die qualitätsgesicherte Sequenzierdiagnos- gungsfinanzierten Daten zum eigenen Nutzen unter Ver- tik, die Beratung und interdisziplinäre Therapieempfehlung schluss halten und so den Prozess einer kontinuierlichen sowie eine kontinuierliche Evaluation statt. Über besondere Verbesserung untergraben. Versorgungsverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen ist • Es bestehen Zweifel, ob die geplante zentrale Datenbank die Bezahlung dieser Leistungen für über 80% der in Frage in absehbarer Zeit funktional sein wird. Somit besteht bei kommenden Patient*innen geregelt. Die Optimierung der Aufsplitterung der Leistungserbringer auch die Gefahr ei- digitalen Vernetzung der nNGM Zentren mit Krankenhäu- ner Aufsplitterung der Datenhaltung, teilweise im nicht sern, Praxen und Patient*innen wird ab Sommer 2021 im mehr öffentlichen Bereich. Die einheitliche und zentrums- DigiNet Projekt über den Innovationsfonds gefördert. Die im übergreifende Evaluation der hochwertigen klinischen und nNGM aufgebauten Strukturen stellen eine Blaupause für die genomischen Daten ist nicht mehr gewährleistet, weil die- Implementierung personalisierter Krebstherapie auch bei se angesichts der enormen (und zunehmenden) Komplexi- anderen Tumorentitäten dar. tät nur in enger Verzahnung der Datenbankexpert*innen, der genomischen und der klinischen Arbeitsgruppen in Die Zentren für personalisierte Medizin (ZPM) haben in den Zentren erfolgen muss. Baden-Württemberg an den Universitätskliniken Strukturen zur zentralisierten und qualitätsgesicherten genetischen Di- Diese Forderungen sind nur im engen Verbund spezialisier- agnostik, Beratung in interdisziplinären Expert*innenboards ter Zentren mit der entsprechenden Expertise umzusetzen, und zur Evaluation individualisierter Therapien für eine Öffnung für eine Vielzahl von Leistungserbringern ist Patient*innen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen damit nicht vereinbar. etabliert. Zudem sind die IT-Strukturen zur prospektiven Do- kumentation der klinischen und genetischen Daten etabliert worden. Die Ausweitung des Modells auf ganz Deutschland Alternativen im Deutschen Netzwerk Personalisierte Medizin (DNPM) In Deutschland gibt es bereits erfolgreiche Modellprojekte, wird aktuell ebenfalls durch den Innovationsfonds gefördert die diese Forderungen umsetzen. und wird zum Aufbau von ZPM-Strukturen an 20 Universi- 8 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021
Stellungnahme zum Modellvorhaben Genomsequenzierung DGHO tätskliniken führen. Sowohl die diagnostischen Leistungen reits eine substanzielle Durchdringung der Versorgung als auch die Beratung der Patient*innen und die individuali- erreicht haben, weiter unterstützt und im Rahmen der sierte Therapie werden durch Verträge mit den gesetzlichen genom.DE Initiative integriert werden, um eine quali- Krankenkassen in Baden-Württemberg finanziert. Die ZPM- tativ hochwertige, forschungsnahe und Evidenz-gene- BW und das DNPM-Netzwerk stehen somit für eine quali- rierende molekulargenetische Diagnostik allen hierfür tätsgesicherte und evidenzbasierte wissensgenerierende in Frage kommenden Patient*innen in Deutschland zu- Versorgung im Bereich der personalisierten Onkologie und kommen zu lassen. perspektivisch auch weiterer Krankheitsentitäten. Humangenetik Das TranslateNamse Projekt zentralisiert für seltene ge- Referenzen netische Erkrankungen eine Beurteilung der bislang un- 1. Dietmaier W, Hummel M: Qualitätssicherung in der Molekularpathologie. Pa- thologe 39:178-180, 2018. DOI: https://doi.org/10.1007/s00292-018-0423-0; gelösten Fälle in interdisziplinären und – wenn notwendig https://quip.eu/wp-content/uploads/2018/04/Qualit%C3%A4tssicherung-in- – zentrumsübergreifenden Fallkonferenzen. Viele Fälle kön- der-Molekularpathologie.pdf nen bereits so gelöst werden und identifizieren dabei auch 2. Schirmacher P, Stenzinger A, Kirchner T: Zentralisierte Molekula- re Tumordiagnostik durch kommerzielle Anbieter – Konsequenzen für bisher unentdeckte häufige Erkrankungen. Bei allen anderen Patient*innen, Krankenversorgung und Forschung. Pathologe 39:583-586, Patient*innen erfolgt eine Exomdiagnostik, deren Ergebnis- 2018. DOI: 10.1007/s00292-018-0523-x se in einem Expertenpanel mit dem klinischen Spezialisten 3. https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/gute-aerztliche-praxis/ bewertet werden. Das Projekt wurde durch eine Förderung molekulare-diagnostik/molekulare-diagnostik-positionspapier-2019-1.pdf des Innovationsfonds entwickelt und wird durch Selektiv- 4. https://www.g-ba.de/richtlinien/117/ §136c verträge mit den Krankenkassen weitergeführt. Diese Projekte bringen in der genom.DE Initiative auf Ein- Dieses Positionspapier wurde von Prof. Dr. Jürgen Wolf (Köln) ladung des BMG ihre Expertise ein. Sie betreiben eine Da- und Prof. Dr. Bernhard Wörmann (Berlin) in Kooperation mit tensammlung und -auswertung, die mit der Medizininforma- Prof. Dr. Reinhard Büttner (Köln), Bernd Crusius (Bonn), Prof. tik-Initiative des BMBF abgestimmt ist. Basierend auf ihren Dr. Justus Duyster (Freiburg), Prof. Dr. Hermann Einsele (Würz- Vorarbeiten, erarbeiten sie aktuell in regelmäßigen Treffen burg), Prof. Dr. Stefan Fröhling (Heidelberg), Prof. Dr. Michael Empfehlungen für das BMG zur qualitätsgesicherten und Hallek (Köln), Prof. Dr. Heiko Krude (Berlin), Prof. Dr. Nisar forschungsfreundlichen Implementierung von Genomse- P. Malek (Tübingen), Dr. Christine Mundlos (Berlin), Prof. Dr. quenzierung in die klinische Routine in Deutschland. Das Stefan Mundlos (Berlin), Dr. Martina Nothacker (Berlin, Mar- aktuelle Modellvorhaben ignoriert diese Arbeit der eingela- burg), Prof. Dr. Peter Schirmacher (Heidelberg), Prof. Dr. Bri- denen Experten und zerstört diese Bemühungen. gitte Schlegelberger (Hannover), Prof. Dr. Thomas Seufferlein (Ulm), Dr. Reiner Siebert (Ulm), Bärbel Söhlke (Köln), Jessica Zusammenfassend schlagen wir daher vor, das Modell- Stoltze (Bonn), Prof. Dr. Robert Thimme (Freiburg), Prof. Dr. Lo- vorhaben nicht in der vorgeschlagenen Form umzuset- renz Trümper (Göttingen), Prof. Dr. Christof von Kalle (Berlin), zen. Alternativ sollten die o.g. Modellprojekte, die be- Markus Wartenberg (Wölfersheim) erstellt. DGHO-Preisausschreibungen 2021 (MO) Auch in diesem Jahr schreibt die DGHO folgende Preise aus: Artur-Pappenheim-Preis Doktoranden-Förderpreis Der Preis ist für eine wissenschaftliche Arbeit bestimmt, Der Preis ist für studentische Arbeiten zu klinischen, die sich mit klinischen, experimentellen oder experimentellen oder theoretischen Fragen der theoretischen Fragen der Hämatologie befasst. Hämatologie und Onkologie bestimmt. Dotierung: 7.500 Euro Dotierung: 3.000 Euro Einsendeschluss: 31. Juli 2021 Einsendeschluss: 31. Juli 2021 Vincenz-Czerny-Preis Der Preis ist für eine wissenschaftliche Arbeit bestimmt, die sich mit klinischen, experimentellen oder theoretischen Fragen der Onkologie befasst. Dotierung: 7.500 Euro Einsendeschluss: 31. Juli 2021 https://www.dgho.de/aktuelles/preisausschreiben DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 9
DGHO Assistierte Selbsttötung bei Krebspatient*innen: Regelungsbedarf und Ermessensspielraum Dieser Text wurde am Mittwoch, 28. Juni 2021 als Pressemittei- stellvertretender Vorsit- lung veröffentlicht. zender des Arbeitskrei- ses Medizin und Ethik der Seit das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 den DGHO und Direktor des § 217 StGB zum Sterbehilfe-Verbot für verfassungswidrig Instituts für Geschichte erklärt hat, steht die Regelung der assistierten Selbsttö- und Ethik der Medizin der tung und insbesondere die Rolle von Ärzt*innen dabei Medizinischen Fakultät der im Mittelpunkt gesellschaftlicher, politischer, medizini- Martin-Luther-Universität scher und berufspolitischer Debatten. Die DGHO Deut- Halle-Wittenberg: „Ent- sche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische sprechend der gesellschaftli- Onkologie e. V. hatte sich bereits 2015 nach einem in- chen Debatte ist auch unter tensiven Austausch innerhalb der Fachgesellschaft in die den Mitgliedern der DGHO Diskussion um die damals vorgelegten Gesetzesentwür- die Haltung zur ärztlich fe eingebracht. Angesichts des nun bestehenden Rege- assistierten Selbsttötung lungsbedarfs hat die DGHO erneut eine Diskussion un- heterogen. Interessant ist ter ihren Mitgliedern angestoßen. Die aktuelle Umfrage, allerdings die geringe Unter- Prof. Dr. med. Jan Schildmann an der 750 Mitglieder teilgenommen haben, gibt einen stützung für ein berufsrecht- Einblick in die aktuelle Situation in der Onkologie und liches Verbot.“ Während die Anzahl der Kolleg*innen, die eine schafft die Basis für praxisorientierte Regelungen, auch ärztlich assistierte Selbsttötung grundsätzlich ablehnen, in unter Berücksichtigung untergesetzlicher Lösungen. etwa so groß ist wie die derer, die eine ärztlich assistierte Selbsttötung grundsätzlich oder unter bestimmten Bedin- Trotz großer Fortschritte in der Krebsmedizin verlaufen gungen in Betracht ziehen, befürwortet lediglich jeder Vierte viele Tumorerkrankungen immer noch tödlich, so dass die ein entsprechendes Verbot. medizinische Versorgung und Begleitung von an Krebs er- krankten Menschen in der letzten Lebensphase ein Kernbe- standteil der Arbeit von onkologisch tätigen Ärzt*innen ist. Frage nach einem Rezept ist kein „Wir nehmen wahr, dass bei einigen Patientinnen und Patienten ärztlicher Alltag trotz optimaler palliativmedizinischer Betreuung der Wunsch Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmenden ist in ihrem Be- besteht, ihrem Leben bei unerträglichem Leiden selbstbestimmt rufsleben schon einmal um Informationen zum Vorgehen ein Ende zu setzen“, so Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Ge- bei einer assistierten Selbsttötung gebeten worden. Bei der schäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der konkreten Frage nach einem Rezept für ein tödliches Medi- Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Uni- kament ist es hingegen nur noch ein Drittel der Befragten, versitätsmedizin Göttingen. „Vor dem Hintergrund des Urteils und rechnerisch mehr als neun von zehn Umfrageteilneh- des Bundesverfassungsgerichts steht die ärztlich assistierte menden geben an, noch nie Assistenz zur Selbsttötung ge- Selbsttötung erneut im Fokus von Debatten – unter anderem in leistet zu haben. Schildmann, der die Studie federführend der Politik und in der Ärzteschaft. Als medizinische Fachgesell- umgesetzt hat, verweist darauf, dass es sich bei der assis- Foto: Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schaft können und wollen wir die assistierte Selbsttötung nicht tierten Selbsttötung um kein Alltagsphänomen handelt: moralisch bewerten, weil wir die Wertevorstellungen aller unse- „Unsere Zahlen zur Praxis decken sich mit internationalen Da- rer Mitglieder vertreten. In die aktuelle Debatte zu einer ange- ten, nach denen die assistierte Selbsttötung selten ist. Dies gilt messenen politischen Regelung bringen wir uns ein, indem wir auch für Länder, in denen sie unter bestimmten Bedingungen mit der erneuten Umfrage einen Einblick zu den Einstellungen, rechtlich möglich ist.“ Wichtig sind ihm Aus- und Weiterbil- Erfahrungen und zur Handlungspraxis unter unseren Mitglie- dungsangebote für Ärzt*innen zum professionellen Umgang dern gewinnen. So ergänzen wir die aktuelle – teils auch sehr mit Sterbewünschen. „Der angemessene Umgang mit den emotional geführte – Diskussion um die Perspektive praktisch vergleichsweise häufigen Anfragen nach Sterbehilfe erfordert tätiger Onkologinnen und Onkologen und deren Erfahrungen“, ethische und kommunikative Kompetenzen, die in der medizi- so Trümper weiter. nischen Aus- und Weiterbildung vermittelt werden müssen“, so Schildmann. Kontroverse persönliche Einstellungen, geringe Zustimmung zu berufsrechtlichem Bedingungen für Suizidhilfe und Fragen zur Verbot ärztlichen Rolle Die persönliche Einstellung zur ärztlich assistierten Selbst- Deutliche Prioritäten zeigen sich bei den Bedingungen, un- tötung unterscheidet sich auch unter praktisch tätigen ter denen die befragten Onkolog*innen eine Assistenz zur Onkolog*innen, berichtet Prof. Dr. med. Jan Schildmann, Selbsttötung erwägen würden. Hier werden ‚Freiverant- 10 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021
Assistierte Selbsttötung bei Krebspatient*innen: Regelungsbedarf und Ermessensspielraum DGHO wortlichkeit‘ und ‚unkontrollierbares Leiden‘ mit Abstand tötung auch Vorgaben zur Qualitätssicherung implemen- am häufigsten genannt. Bei der Frage, ob die Prüfung der tiert werden sollten, befürwortet mit sieben von zehn Um- Freiverantwortlichkeit als ärztliche Aufgabe verstanden frageteilnehmenden eine deutliche Mehrheit. „Auch für die wird, zeigt sich ein heterogenes Bild – wenn auch mit einer konkreten Maßnahmen zur Qualitätssicherung sehen wir Zu- Tendenz. Etwa ein Viertel der Umfrageteilnehmenden gibt stimmungen“, so Winkler weiter. Sechs von zehn der befrag- an, dass die Prüfung ausschließlich von Ärzt*innen durch- ten onkologisch tätigen Ärzt*innen geben ‚Meldepflicht der geführt werden soll, knapp die Hälfte, dass die Prüfung von Beratung‘, Meldepflicht der Rezeptausgabe‘ und ‚Begleit- Ärzt*innen durchgeführt werden kann, und nur jeder siebte forschung‘ als qualitätssichernde Maßnahme an, bei dem Umfrageteilnehmende hält die Prüfung für keine ärztliche Punkt ‚Ärztliche Fortbildungen‘ sind die Zustimmungswerte Aufgabe. „Die Diskussion über die assistierte Selbsttötung for- sogar noch etwas höher. dert das ärztliche Selbstverständnis heraus. Es ist daher wich- tig, in der Ärzteschaft zu diskutieren, welche Aufgaben aus wel- chen Gründen von Ärztinnen und Ärzten übernommen werden Regelungsbedarf und Ermessensspielraum sollten. Unbenommen davon ist, dass Ärztinnen und Ärzte eine „Mit Blick auf die Interpretation der Ergebnisse sehen wir, dass Assistenz immer auch ablehnen können“, so Schildmann. Die seitens unserer Kolleginnen und Kollegen der Wunsch nach ei- Heterogenität bei der Bewertung der ärztlichen Rolle zeigt nem Regelungsbedarf besteht, in dessen Rahmen Ärztinnen und sich auch bei der Frage, wer ein tödliches Medikament ab- Ärzte sowohl offen als auch differenziert und bedacht mit den geben sollte. Vier von zehn Befragten verstehen die Medika- von Patientinnen und Patienten vergleichsweise häufig vorge- mentenabgabe als ärztliche Aufgabe, jeder Fünfte als optio- brachten Sterbewünschen umgehen können“, so Prof. Dr. med. nale Aufgabe für Ärzt*innen, und jeder Vierte gibt hingegen Maike de Wit, Mitglied im Vorstand der DGHO und Chef- an, dass die Abgabe eines tödlichen Medikamentes nicht ärztin der Klinik für Innere Medizin – Hämatologie, Onko- durch Ärzt*innen erfolgen sollte. logie und Palliativmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln. „Gleichzeitig muss zum Schutz der Patientinnen und Patienten gewährleistet sein, dass Freiverantwortlichkeit, Information, Beratung und Qualitätssicherung insbesondere über palliativmedizinische Maßnahmen sowie Der Aussage, dass die Be- Ernst- und Dauerhaftigkeit eines Anliegens bezüglich der assis- ratung von Patient*innen tierten Selbsttötung geprüft werden können.“ eine ärztliche Aufgabe ist, stimmt ein Drittel der be- Schildmann erläutert in diesem Zusammenhang: „Die Um- fragten Onkolog*innen frageteilnehmenden unterscheiden zwischen persönlichen zu, vier von zehn sehen moralischen Bewertungen und angemessenen Regelungen. die Beratung als optiona- Pauschale Verbote werden den schwierigen individuellen Ent- le ärztliche Aufgabe, und scheidungssituationen nicht gerecht, wir benötigen differenzier- nur jeder zehnte Umfra- te und tragfähige Regelungen. Die Umfrageergebnisse bieten geteilnehmende gibt an, hierfür Ansatzpunkte.“ dass die Beratung nicht von Ärzt*innen durchge- Trümper ergänzt: „Die Betreuung von Menschen am Lebensen- führt werden sollte. „Die- de ist eine besondere Herausforderung für Arztinnen und Ärzte. ser Befund macht zwar die Dabei bleibt die Anfrage nach einer ärztlich assistierten Selbst- Heterogenität unter den Be- tötung immer eine Ausnahmesituation. Für diese existenziellen Prof. Dr. med. Eva Winkler fragten deutlich, zeigt aber Situationen braucht es für Betroffene sowie für Ärztinnen und Foto: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg auch, dass – zumindest im Ärzte Ermessensspielraum. Wir schlagen die Förderung unter- Grundsatz – die Mehrheit unserer onkologisch tätigen Kolle- gesetzlicher Lösungen zur Sicherung der ärztlichen Zuwendung ginnen und Kollegen die Beratung als eine ärztliche Aufgabe für diese Patientinnen und Patienten ohne Strafandrohungen begreift. Darüber hinaus zeigen uns die Zahlen, dass unsere bei gleichzeitiger Gewährleistung von Sorgfalt und Versor- Kolleginnen und Kollegen, die ihre Patientinnen und Patienten gungsqualität vor.“ oftmals über viele Jahre behandeln und daher auch sehr gut kennen, sie auch in existenziellen Lebensphasen begleiten und Die Mitgliederumfrage der DGHO wurde vom 12. bis zum 31. nicht allein lassen möchten“, so Prof. Dr. med. Eva Winkler, März 2021 durchgeführt. Der Umfragelink wurde an 3.588 Vorsitzende des DGHO-Arbeitskreises Medizin und Ethik, DGHO-Mitglieder versendet. 750 Mitglieder haben an der Oberärztin und Leiterin der Sektion ‚Translationale Medi- Umfrage teilgenommen. Das entspricht einer Rücklaufquote zinethik‘ am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen von 20,76 Prozent. (NCT) an der Universitätsklinik Heidelberg. Dass für den Fall einer rechtlichen Regelung der ärztlich assistierten Selbst- DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 11
DGHO José Carreras-DGHO-Promotionsstipendien gehen an vier Nachwuchswissenschaftler Der Text wurde am Mittwoch, 5. Mai 2021 als Pressemitteilung veröffentlicht Starkes Engagement für den wissenschaftlichen Nach- wuchs: Um die Erforschung neuer Therapien gegen Leukämie und andere Blut- und Knochenmarkserkran- kungen voranzutreiben, verleihen die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung (DJCLS) und die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkolo- gie (DGHO) seit 2014 das José Carreras-DGHO-Promoti- onsstipendium, das mit jeweils 10.000 Euro dotiert ist. Bei der heutigen Online-Verleihung erhielten vier Stu- dierende die begehrten, von der DJCLS finanzierten För- Das José Carreras-DGHO-Stipendium soll den Doktoranden derungen. Preisträger in diesem Jahr sind Michael Kien- ermöglichen, ein Jahr vollzeitig an ihrem Forschungsprojekt höfer (Universitätsklinikum Heidelberg), Ahmad Mayar zu arbeiten. Gefördert werden jährlich bis zu zehn Nach- (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel), Maximilian wuchs-Wissenschaftler mit monatlich 800 Euro über zwölf Mönning (Universitätsklinikum Heidelberg) und Tobias Monate. Zusätzlich können projektbezogene Reisekosten bis Zeller (Ludwig-Maximilians-Universität München). zu 400 Euro zur Verfügung gestellt werden. Dr. Ulrike Serini, Geschäftsführerin der José Carreras Leukämie-Stiftung: DGHO-Promotionsstipendien 2021 „Wir haben seit 2014 bereits 37 Studie- rende mit einem José Carreras-DGHO- (MO) Zur Förderung des wissenschaftlichen und Promotionsstipendium finanziell unter- ärztlichen Nachwuchses hat die DGHO gemeinsam mit stützen können und freuen uns sehr, heute Partnerinstitutionen Promotionsstipendien etabliert. vier weitere Nachwuchswissenschaftler in das Programm aufzunehmen. Als José Dr. Werner Jackstädt-DGHO-Promotionsstipendium Carreras Leukämie-Stiftung wollen wir Zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf dem damit dazu beitragen, dass der medizi- Gebiet der Geriatrischen Hämatologie und Onkologie. nischen Forschung weitere Fortschritte Einsendeschluss: 30. Juni 2021 gelingen. Unser gemeinsames Ziel ist die große Vision unseres Stifters José Car- GWT-GMIHO-DGHO-Promotionsstipendium reras: ,Leukämie muss heilbar werden. Zur Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten auf Immer und bei jedem.‘“ dem Gebiet von Klinischen Studien im Bereich der Onkologie. Einsendeschluss: 30. Juni 2021 Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Ge- schäftsführender Vorsitzender der José Carreras-DGHO-Promotionsstipendium DGHO und Vorstand Krankenversor- Zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten in gung der Universitätsmedizin Göttin- der Erforschung der Leukämie und verwandter gen: „Die Hämatologie und Medizinische Blutkrankheiten bei Erwachsenen. Onkologie ist eines der sich am schnells- Einsendeschluss: 30. Juni 2021 ten wandelnden Fächer in der gesamten Medizin. Dabei lebt Innovation immer Sieglinde Welker-DGHO-Promotionsstipendium auch von der leidenschaftlichen Ausei- Zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten im Bereich nandersetzung mit wissenschaftlichen von grundlagen- und versorgungsorientierten Fragestellungen. Wir freuen uns sehr, Forschungsvorhaben auf dem Gebiet seltener dass wir dem Nachwuchs unseres Fach- hämatologischer Erkrankungen. gebiets mit dem José Carreras-DGHO- Einsendeschluss: 30. Juni 2021 Promotionsstipendium einen wichtigen Raum hierfür bieten können.“ Die Promotionsstipendien richten sich an Studierende der Humanmedizin oder verwandter Fächer und sollen es den Stipendiat*innen ermöglichen, ein Jahr vollzeitig an ihrem Forschungsprojekt zu arbeiten. https://www.dgho.de/aktuelles/preisausschreiben 12 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021
José Carreras-DGHO-Promotionsstipendien gehen an vier Nachwuchswissenschaftler DGHO Stimmen der neuen Promotionsstipendiaten: Michael Kienhöfer Maximilian Mönning (Universitätsklinikum (Universitätsklinikum Heidelberg) Heidelberg) „Das Forschungsfeld des „In meiner Forschungsar- Epitranskriptoms ist noch beit geht es um Rückfälle bei größtenteils unbekannt, einer akuten lymphatischen bietet aber vielversprechende Leukämie (ALL), die sich auf Ansätze für ein besseres Ver- verbleibende Zellen nach der ständnis der akuten myeloischen Therapie zurückführen lassen. Des- Leukämie (AML). Dabei geht es um die halb werden wir diese Zellen auf beson- fehlgeleitete Steuerung der Synthese von dere Eigenschaften in ihrem Stoffwechsel Proteinen in einer Zelle, die einen gro- und ihrer Genexpression untersuchen, ßen Einfluss auf die Verwandlung von um mit neuester Methodik nach besseren gesunden Blutzellen in Leukämiezellen Therapiemöglichkeiten zu suchen. Das hat. Das genaue Verständnis dieser zu- Stipendium ermöglicht es mir, mich die- grundeliegenden Mechanismen kann in sem Ziel voll zu widmen.“ der Zukunft zu neuen Therapien führen. Das war ausschlaggebend für mich, die- ses Thema auszuwählen.“ Tobias Zeller (Ludwig-Maximilians- Universität München) Ahmad Mayar (Christian-Albrechts- „Das Antigen LILRB2 wirkt Universität zu Kiel) als Bremse in der Aktivie- rung von Fresszellen. In „Wir untersuchen wie Leu- meiner Forschungsarbeit un- kämiezellen Veränderungen tersuche ich, ob mit Antikörpern im Zentralen Nervensystem diese Bremse gelöst und so eine Be- hervorrufen, was wiederum seitigung von Blutkrebszellen ermöglicht eine Einwanderung von Leukä- werden kann. Das José Carreras-DGHO- miezellen in diese für Medikamente Promotionsstipendium ermöglicht mir schwer zugängliche Nische begünstigt. einen einjährigen Einblick in diese expe- Aus unseren Untersuchungen sollen in rimentelle Forschung. Auf diese zusätzli- der Zukunft neue und schonendere The- che Erfahrung werde ich nach dem Stu- rapiemöglichkeiten für den Befall des dium hoffentlich zurückgreifen können.“ Zentralen Nervensystems durch Leukä- miezellen abgeleitet werden. Die Deut- sche José Carreras Leukämie-Stiftung Die Vergabe der Promotionsstipendien fand im Rahmen ei- und die Universität zu Kiel ermöglichen ner virtuellen Veranstaltung der DGHO und der Deutschen mir, meine wissenschaftliche Arbeit vor- José Carreras Leukämie-Stiftung statt. Dabei präsentierten anzutreiben, sodass ich meinen Teil zur die neuen Stipendiaten ihre Forschungsansätze vor Fach Leukämiebekämpfung beitragen darf.“ publikum. DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 13
DGHO Historische Forschungsstelle Der besondere Fall: PNH 1678 Urina Nigra Nil Funesti Indicante INTERVIEW MIT PROF. PETER VOSWINCKEL, AUFGEZEICHNET VON MICHAEL OLDENBURG Abb. 1: Jahrgang 8, 1677 (1678) der „Miscellanea“ oder „Ephemeriden“ der Abb. 2: Barockes Titelkupfer der Miscellanea 1677 mit dem Leitspruch der Leopoldina Akademie, der ältesten Fachzeitschrift mit Schwerpunkt Medizin. Leopoldina „Nunquam otiosus!“ „Niemals müßig!“. https://www.biodiversitylibrary.org/bibliography/77511 https://www.biodiversitylibrary.org/item/163152#page/9/mode/1up Warum halten Sie diesen Fall aus dem Jahr 1678 für so wichtig, Das einzige, was damals sichtbar war – so habe ich es in Vor- dass Sie ihn unseren Lesern präsentieren möchten? lesungen zur Medizingeschichte gehört – waren Blut, Urin und sonstige Ausscheidungen… Es geht mir nicht darum, den Tausenden von klinischen Fall- berichten einen weiteren hinzuzufügen. Vielmehr möchte Genau! Die Uroskopie und, in geringerem Masse, die Häma- ich den Lesern ein Fest der Sinne bereiten, eine Feierstunde toskopie waren die wichtigsten diagnostischen Instrumente. der Erkenntnis und ein Hohelied der Erinnerung. Es geht mir Noch als im frühen 19. Jahrhundert die moderne Erforschung um das Staunen, um Affekte und Empfindungen und deren des ‚Blutroths‘ einsetzte, begann dies bezeichnender Weise Bedeutung für unser Wissen heute. Wie das? Vergessen Sie für einen Moment alles, was Sie als Laie viel- leicht über Hämatologie gehört haben: Blutkörperchen, Ery- throzyten, Hämoglobin, Hämolyse, Komplement usw. das sind alles Begriffe aus dem 19. Jahrhundert, als Mikroskop und Chemie in die Wissenschaft traten. Wir befinden uns hier im 17. Jahrhundert: Blutkrankheiten im heutigen Sinne kannte man nicht, sie gaben sich äußerlich nicht als spezi- fische Blutkrankheiten zu erkennen. Blässe, Abgeschlagen- heit, Fieber etc. waren viel zu unspezifisch. (Deswegen gibt es, im Unterschied zu Hautkrankheiten oder Missbildungen auch keine historischen Darstellungen, etwa auf Altarbil- Abb. 3: „Kohlschwarzer Urin“. dern, von Leukämien, Lymphomen, Anämien, sehr zum Leid- Handkolorierter Druck aus dem wesen von kunsthistorisch interessierten Hämatologen!). Harnbuch des Jodocus Willich, 1582. 14 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021
Der besondere Fall: PNH 1678 DGHO Historische Forschungsstelle Über schwarzen Urin, der nicht den Tod bedeutet Unser Praekonsul G.K., mein großer Schutzherr, bemerkte beim Was- serlassen, dass der Urin ohne irgendeine äußere Ursache schwarz herauskam. Wegen dieser ungewöhnlichen Farbe selber zutiefst erschrocken, ließ er mich rufen. Bei meiner Ankunft sehe ich mit eigenen Augen die farbe und prüfe die Beschaffenheit: Der Urin ist undurchsichtig und ohne Sediment, auch nicht, als er eine Zeit lang in dem gewöhnlichen Glasbehältnis gestanden hatte. Zunächst dachte ich, man hätte mir Tinte anstelle von Urin vorsetzen wollen, wenn ich nicht den Ernst und die Besorgnis beim Vorzeigen wahrge- nommen hätte. In seiner körperlichen Verfassung fühlte er sich nicht beeinträchtigt, außer, daß er in der Milzregion ein Spannungsgefühl bemerkte. Auch klagte er darüber, daß er in der Zwerchfellgegend ei- nen Krampf empfinde, als ob er durch einen Gurt geschnürt werde. Die schwarze Farbe hielt sich, sooft er Wasser ließ, über fünf Tage. Dann klarte sie allmählich auf, näherte sich einem Dunkelrot und kam schließlich am 10. Tag in ihren natürlichen Zustand zurück... Abb. 4: „Über schwarzen Urin, der nicht den Tod bedeutet“ Erste Seite der „Observatio Nº 87“, Miscellanea 8, 1677 (1678) p. 144-147. mit der Hämolyse: man spritzte Wasser, Gallensäuren oder Waren das alle Fälle von PNH? Chemikalien in die Venen und beobachtete die Dunkelfär- bung des Harns. Erst ab 1850 sprach man von „Hämoglobin“ Keineswegs. Wir wissen heute, dass es ganz verschiedene und „Hämoglobinurie“. Krankheitsentitäten gibt, die mit einer Färbung von dunkel- rot bis schwarz imponieren können, denken Sie das „Schwarz- Gehen wir 300 Jahre zurück! wasserfieber“, an die genetische Krankheit „Alkaptonurie“, an die Melanurie (terminales Melanom), Porphyrinurie oder Ort: Danzig im Jahre 1678, damals eine der größten Städ- etwa das moderne Crush-Syndrom (Myoglobinurie). All die- te Nordeuropas. Der hochgelehrte Stadtphysikus Johann se modernen Nosologien sind angestoßen worden durch das Schmidt und der Bürgermeister Gabriel Krumhausen [Pati- „Staunen“ über die Harnfarbe! Ja ganze Zweige der Medizin ent] (64) wurden aus heiterem Himmel konfrontiert mit ei- wie etwa die Humangenetik mit ihren ‚Inborn errors of me- nem „schwarzen Urin“, später im Text heißt es sogar „niger- tabolism‘ (Sir Garrod) erwuchsen nachweislich aus der sinnli- rima“, so dass der Arzt unwillkürlich dachte, man habe ihm chen Wahrnehmung eines dunklen Urins (Alkaptonurie) und Tusche vorgesetzt. Ein höchst wundersames und seltenes aus dem Nachspüren von Verwandtschaftsbeziehungen. Ereignis! Was passierte daraufhin? Erschrecken? Panik? Richtig. „Perterritus“ – zu Tode erschreckt. Andere [seltene!] Berichte von solch schwarzen Urin sprachen von „Todes- furcht“, „Sich Wundern“, „Faszination“, „Kuriosität“. Einer der Väter der PNH-Forschung, der Brite John Dacie resü- mierte 1942 „always a source of wonder and amazement“. Um genau diesen Impuls des „Staunens“ geht es mir, denn er ist heute weitgehend verloren und hatte doch weitreichende Konsequenzen für den Fortschritt unseres Wissens. Haben Sie das selbst erlebt? Ja, ich erlebte 1984 als junger Assistent bei Prof. Theml in Karlsruhe, wie ein männlicher Patient aufrechten Ganges in die Aufnahme kam (wie sich herausstellte, bei einem Hb von 4,5!) und mir ohne Kommentar ein Glas „Coca-Cola“ auf den Tische stellte ….. Seitdem ließ mich die Frage nicht los: Das müssen doch andere Ärzte früher genau so gesehen haben? Was haben Sie daraus gemacht? Wie haben sie es erklärt? Daraus erwuchs, wie Sie wissen, sechs Jahre später eine Habilitationsschrift im Fach Medizingeschichte. Zu meiner Überraschung gab es durch alle Jahrhunderte hindurch in Abb. 5: Dr. med. Johannes Schmidt (1623-1690) Danzig. den medizinischen Büchern einen Topos „Urina nigra“, den Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: A 27974, Portr. I 11973.1. ich systematisch sammelte und auswertete. http://www.portraitindex.de/documents/obj/34027372 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021 15
DGHO Historische Forschungsstelle Der besondere Fall: PNH 1678 ob er durch einen Gurt geschnürt werde.“ Ein Symptom, das erst 1980 als pathognomonisches Zeichen Beachtung fand (Ösophagospasmen; Bauchkrämpfe) und bis heute nicht restlos geklärt ist. (Man vermutet eine Beeinflussung des Muskeltonus durch hämolysebedingte Depletion des Stick- stoffmonoxids) 2. Die hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit. Der Autor be- kundet explizit „accedens video“: „ich sah mit eigenen Augen“. Hinzu kommt die ungewohnt rasche Publikation in einem völ- lig neuen Medium: der ersten medizinischen Fachzeitschrift der Welt, die erst 1670 von der Leopoldina eingeführt worden Abb. 6: Urinproben nach Hämolyse-Attacke. war. Das erlaubte eine zeitnahe Kommunikation innerhalb der Foto freundlicher Weise zur Verfügung gestellt von Alexander Röth, Essen. scientific community. Vorher bestand die „schriftliche“ Medi- zin aus Folianten mit Sammlungen von tradierten oder nur Kann man diese modernen Entitäten denn nachträglich zuord- von Hörensagen bekannten Krankheitsfällen. nen, zurückinterpolieren auf die historischen Beobachtungen von „Urina nigra“? Das namengebende Attribut „Nächtlich“ kommt in Schmidt‘s Fall gar nicht vor, offenbar Tageszeiten-unabhängig? Nein, das ist nicht sinnvoll und in der Wissenschaftsge- schichte auch absolut verpönt – auch wenn immer wieder Das ist richtig. Wir wissen heute, dass das nächtliche Ge- der Versuch unternommen wird, solche Diagnosen rückwärts schehen nicht zwingend ist. Seit wir die molekulargeneti- zu projizieren. Zu ungenau waren die alten Beschreibungen; schen Ursachen kennen (Mutation des Phospatidyl-Inositol- und allzu oft vermischen sich Aberglauben, Symbolik und Glykan-Gens auf dem X-Chromosom auf Stammzellebene) Spekulation. Das einzig Verbürgte war das autoptische Zeug- und nachweisen können, wissen wir sogar, dass bei vielen nis eines schwarzen Urins, oftmals garniert mit drastischer PNH-Patienten auch die Harnverfärbung nur sehr blande Metaphorik (Tinte, Porter, Theer, Kaffee, Russ, Rotwein, verläuft und oft gar nicht wahrgenommen wird. Aus epis- Magenta, Tiroler Porphyr, Coca-Cola etc.). Darüber hinaus temischer Sicht finde ich es natürlich bedauerlich, dass die darf man nicht vergessen, dass bis zum 19. Jahrhundert ganz tiefschwarze Farbe, wie sie im Promillebereich der PNH- andere Denkmodelle die Medizin beherrschten (Humoral- Patienten auftritt, heute in der Literatur nicht mehr explizit pathologie), heute würde man sagen, ganz andere Betriebs- angeführt wird, wie auch die sinnlichen Farbschattierungen systeme gültig waren, die mit der heutigen naturwissen- kaum noch differenziert werden. Sie sind ersetzt durch den schaftlichen Medizin völlig inkompatibel sind. Da sind dann trockenen laborchemischen Urinbefund „Hämoglobin + + +“. die Fachkenntnisse des professionellen Medizinhistorikers Man könnte mit dem deutschen Soziologen Philipp Lepenies unverzichtbar. Vielfach waren es in jüngerer Zeit pensio- von einer „Veralltäglichung des Außerordentlichen“ spre- nierte Fachärzte, die „ihr“ Fachgebiet um eine faszinierende chen. In Konsequenz daraus findet die Harnfarbe in manchen Geschichte bereichern wollten oder umgekehrt Kulturhisto- Internet-Kompendien (z.B. MSD-Manual; DocCheck.u.a. ) riker, die berühmten historischen Figuren eine „Diagnose“ gar keine Erwähnung mehr (wohl aber in Onkopedia). unterschieben wollten. Aber der Name PNH wird beibehalten? Was macht Sie denn so sicher, dass es sich hier um eine PNH handelt? Gewiss, schon mit einer gewissen Verpflichtung gegenüber der Überlieferung. Die Bezeichnung geht zurück auf Paul Zwei Gesichtspunkte: Strübing, Greifswald, der 1882 einen Fall publizierte und 1. Das Gesamtbild. Schon das Partizipialattribut „nil funesti diesen Namen kreierte (Morgentlicher Harn: „dunkelbraun, indicante“ signalisiert ein benignes Geschehen im Unter- ja schwarz“). Strübing vermutete schon damals einen Eryth- schied zu den meist letalen Ausgängen etwa bei septischen rozytendefekt als Ursache. Hämolysen, ferner die geschilderte Periodizität (2 x 5 Tage) Seit den dreißiger Jahren beobachten wir einen riesiger For- und allgemeine Abgeschlagenheit („hypochondriacum ma- schungsaufwand zur Aufklärung der PNH-Pathogenese. Der lum“). Besonders überzeugt aber hat mich ein fein beobach- amerikanische Hämatologe William Dameshek äußerte 1941 tetesDetail: „circa diaphragma cingulo quasi ligatum“: „als „Among the many interesting syndromes in medicine, none is more fascinating than PNH“. Und der Handbuchbeitrag von Dacie über die PNH 1967 (Haemolytic Anemias, 2nd ed.) umfasste bereits 140 Seiten und 350 Literaturstellen. Heute wissen wir, dass der erworbene Defekt in dem fehlerhaften GIP-Ankerprotein, das einen bestimmten Anteil von Blut- zellen anfällig macht gegen Hämolyseattacken. Interessant ist, dass das klinische Bild sich heute mit sehr unspezifischen Zeichen präsentiert (Anämie, Fatigue, Leukopenie, Throm- boembolische Ereignisse). Die PNH ist sehr selten. (Prävalenz lt. Onkopedia 16 : 1.000.000) Eine Rezensentin aus der Schweiz beklagte an Ihrem Buch, hier werde „mit viel Aufwand ein kleiner Befund hochstilisiert….“ Abb. 7: Aus: Röth (2009). Haben Sie aus einer Mücke einen Elefanten gemacht? 16 DGHO Mitgliederrundschreiben 2/2021
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