Bedingt schockresistent - Zur Sicherheitspolitik der Regierung Donald Trumps - Die Zeitschrift

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Bedingt schockresistent - Zur Sicherheitspolitik der Regierung Donald Trumps - Die Zeitschrift
Vereinigte Staaten

     Bedingt schockresistent
     Zur Sicherheitspolitik der Regierung Donald Trumps

     Patrick Keller | Betrachtet man die bisherige Außen- und Sicherheitspolitik
     Donald Trumps, findet man erstaunlich viel Kontinuität. Doch was ist zu er-
     warten, wenn der mäßigende Einfluss der „Erwachsenen“ in der Regierung
     fehlt und unerwartete Krisen auf den Plan treten? Deutschland wäre gut be-
     raten, seine außenpolitische Einbindungs- und Gestaltungskraft zu stärken.

     Die Beschwichtiger sehen sich be-         schaft in Israel nach Jerusalem wären
     stätigt: Nach mehr als einem Jahr im      bei einem anderen republikanischen
     Amt hat die Regierung Donald Trump        Präsidenten ebenfalls gut vorstellbar.
     in der Substanz, also abgesehen von           Der grundlegende Bruch ist ausge­
     Tweets und Theaterdonner, eine Si-        blieben, den der Wahlkämpfer Trump
     cherheitspolitik verfolgt, die den Tra-   in Aussicht gestellt und den viele gera-
     ditionslinien republikanischer Präsi-     de in Deutschland gefürchtet hatten;
     denten weitgehend entspricht. Trump       eine Furcht, die sowohl mit der sicher-
     ist, wenn auch zögerlich, seinen Mi-      heitspolitischen Abhängigkeit wie
     nistern und Beratern gefolgt und hat      auch mit der traditionellen Hasslie-
     die Beistandsgarantie des NATO-Ver-       be der Deutschen gegenüber den USA
     trags explizit bekräftigt. Seine Regie-   zu tun hat. Die USA haben die NATO
     rung stellt für die Sicherheit Europas    nicht ausgehöhlt. Sie haben weder ei-
     mehr Truppen und Geld zur Verfü-          nen militärischen Konflikt vom Zaun
     gung als seinerzeit Barack Obama und      gebrochen, noch haben sie sich aus ih-
     setzt sich für eine deutliche Erhöhung    ren sicherheitspolitischen Verpflich-
     des US-Verteidigungshaushalts ein.        tungen zurückgezogen. Osteuropa ist
         Seine Bereitschaft zu (maßvoller)     nicht für einen großen „Deal“ mit Pu-
     militärischer Härte demonstrierte         tin preisgegeben worden. Trumps Au-
     Trump im April 2017 mit dem Rake-         ßenpolitik mag reflexhaft sein – ideo-
     tenbeschuss der Militärbasis Al-Shay-     logisch ist sie nicht: Weder handeln die
     rat in Vergeltung für den syrischen       USA unter ihm ausschließlich unilate-
     Einsatz von Chemiewaffen. Und sei-        ral, noch sind sie isolationistisch; sie
     ne umstrittenen Ankündigungen zum         sind nicht gegen Bündnisse und mili-
     Ausstieg aus dem Iran-Nuklearabkom-       tärisches Engagement, aber sie orien-
     men und dem Pariser Klimaabkom-           tieren ihre Politik an einer engen Aus-
     men sowie zur Verlegung der US-Bot-       legung des nationalen Interesses.

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Bedingt schockresistent

   Also alles halb so wild? Nicht un-    maßgeblich halten, aufgrund des Wi-
bedingt. Donald Trump ist Ergebnis       derstands und der geschickten Einhe-
und Beschleuniger einer Erosion der      gung seitens des Kongresses, der Ge-
politischen Kultur in den USA. Die       richte und Trumps eigener Berater.
Chuzpe, mit der Trump gegen etablier-    Vor allem in der Außen-
te Normen des politischen Anstands       und Sicherheitspolitik hat        Eine „wohlmeinende
und die Würde der Präsidentschaft        die „wohlmeinende Jun-
                                                                           Junta“ hat für Mäßi-
verstößt, wird Spuren hinterlassen.      ta“ (Eliot Cohen) der Ge-
Die Verflechtung von privaten und        neräle John Kelly, James          gung gesorgt
öffentlichen Interessen, der Umgang      Mattis und H.R. McMas-
mit politischen Gegnern und Minder-      ter in ihren Rollen als Stabschef im
heiten, die Arroganz der Exekutive ge-   Weißen Haus, Verteidigungsminis-
genüber rechtsstaatlichen Verfahren      ter und Nationaler Sicherheitsbera-
und den Prinzipien der Gewaltentei-      ter den Präsidenten vor seinen eige-
lung: All dies hat negative Folgen für   nen Reflexen geschützt und so für ein
die innere Stärke der USA, aber auch     gewisses Maß an Kontinuität und Sta-
für Amerikas Strahlkraft in der Welt.    bilität gesorgt.
                                             Sollte diese Einschätzung zutref-
Geschickte Einhegung                     fen, verheißt dies für die Zukunft aber
Zudem bleiben Zweifel an Trumps          nichts Gutes. Denn die Theorie, dass
Bereitschaft, die Macht der Vereinig-    „die Erwachsenen“ die Staatsgeschäf-
ten Staaten für den Schutz der libe-     te schaukeln, während Trump mit sei-
ralen internationalen Ordnung in die     nem Smartphone und dem Fernseher
Waagschale zu werfen. So irritiert       beschäftigt ist, ist auf die Präsenz und
Trumps regelmäßiges Lob für men-         Durchsetzungsfähigkeit eines beson-
schenverachtende Führer wie Wladi-       nenen Stabes angewiesen. Um Trump
mir Putin und Rodrigo Duterte, wäh-      wird es aber zusehends einsamer.
rend er enge Verbündete wie Deutsch-         Nachdem zunächst der radika-
land immer wieder hart angeht. Auch      le Steve-Bannon-Flügel gestutzt wur-
seine Kritik am freien Handel, vor       de, dann Schwiegersohn Jared Kush-
allem die Aufgabe der Trans-Pazifi-      ner wegen des Verdachts der Vorteils-
schen Partnerschaft (TPP) und die        nahme die Herabstufung seines Zu-
angedrohte Einführung neuer Zöl-         gangs zu Geheimdienstinformationen
le gegen Verbündete sowie die Be-        hinnehmen musste und schließlich
schränkung der Einwanderung zeu-         die vielleicht engste Trump-Vertrau-
gen von seiner Ablehnung der freien      te im Weißen Haus, die Kommunika-
Verflechtung offener Gesellschaften.     tionschefin Hope Hicks, entnervt auf-
    Allerdings muss auch zugestan-       gab, verdichten sich nun die Zeichen,
den werden, dass Handelspolitik und      dass auch der Einfluss der Generäle
Einwanderung die zentralen Themen        schwindet. McMaster wurde bereits
seiner Wahlkampagne waren. Gemes-        durch John Bolton ersetzt, einen erfah-
sen daran hat Trump auch hier bis-       renen Falken, der für seinen ruppigen
lang nicht den Umbruch erreicht, den     Stil bekannt ist; im Zweifel ist Bolton
er hat erwarten lassen – sei es wegen    stets für eine militärische Intervention
Unfähigkeit, mangelndem Einsatz          Amerikas. K  ­ elly hat durch den missra-
oder, was die meisten Beobachter für     tenen Umgang mit der Entlassung sei-

IP • Mai / Juni 2018                                                                         99
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                  nes Mitarbeiters Rob Porter den Nim-     gestärkt worden. Das lässt Schlimmes
                  bus des unantast­baren Managers des      befürchten, sollte sich die internatio-
                  Weißen Hauses verloren. Mattis wie-      nale Lage weiter verdüstern.
                  derum, wohl im Bewusstsein, dass er          Üblicherweise bleibt kein Präsident
                              im Ernstfall der Einzige     von widrigen Umständen verschont;
    Im Zweifel ist John ist, der zwischen Trump            gerade in der Sicherheitspolitik sind
                              und einer katastropha-       es in der Regel die externen Schocks,
Bolton stets für militä-
                              len militärischen Fehlent-   die eine Präsidentschaft definieren –
 rische Interventionen scheidung steht, hält sein          die Terrorangriffe vom 11. 9. 2001, die
                              Pulver trocken und ver-      Überfälle des Irak auf Kuwait 1990
                  meidet Kontroversen in weniger fun-      und Russlands auf die Ukraine 2014,
                  damentalen Fragen.                       die Geiselnahme von Teheran 1979. In
                      Unter dem Strich bedeutet das,       solchen Situationen kommt es auf die
                  dass Trump in Zukunft wohl noch          Instinkte und die Erfahrung des Prä-
                  mehr Trump sein wird als im ersten       sidenten an, auf die Qualität seiner Be-
                  Amtsjahr. Auch der Wechsel an der        rater, auf die Tiefe der intellektuellen
                  Spitze des Außenministeriums vom         und strategischen Vorarbeit der Re-
                  bedächtigen, ja manchmal lethargisch     gierungsbeamten sowie auf die routi-
                  wirkenden Rex Tillerson zum Scharf-      nierte Geschmeidigkeit der bürokrati-
                  macher Mike Pompeo lässt nicht ver-      schen Prozesse, auch in der Interakti-
                  muten, dass die Einhegung der Ins-       on mit Partnern und Verbündeten. Es
                  tinkte des Präsidenten Bestand ha-       darf bezweifelt werden, dass die Regie-
                  ben wird. Auch ist anzunehmen, dass      rung Trump mit Blick auf diese Fakto-
                  Trump nach der absehbaren Niederla-      ren gut aufgestellt ist.
                  ge der Republikaner bei den Kongress-
                  wahlen im November noch mehr auf         Ansehnliche Vorarbeiten
                  seine eigene Marke setzen wird, die      Umso mehr überrascht es, dass ausge-
                  ihm zu politischem Erfolg verholfen      rechnet die strategisch-intellektuelle
                  hat. Das gilt insbesondere, wenn sich    Vorarbeit sich durchaus sehen lassen
                  das Damokles-Schwert der Ermitt-         kann: Zwischen Dezember 2017 und
                  lungen Robert Muellers zu den Ver-       Februar 2018 hat die Regierung drei
                  bindungen zwischen Trumps Wahl-          sicherheitspolitische Strategiepapiere
                  kampagne und russischen Interessen-      veröffentlicht. Die National Security
                  vertretern weiter über dem Haupt des     Strategy, die (nur als Zusammenfas-
                  Präsidenten senken sollte.               sung veröffentlichte) National Defen-
                      All diese Trends sind besorgniser-   se Strategy und die Nuclear Posture
                  regend, weil die Regierung selbst in     Review beschreiben die sicherheits-
                  der mäßigend wirkenden Konstella-        politischen Prioritäten der USA und
                  tion kaum strategische Erfolge erzielt   wie sie erreicht werden sollen. Damit
                  hat. Seit Trumps Amtsantritt sind die    geben sie auch einen Einblick, wie
                  wichtigsten Konkurrenten Amerikas        man sich auf Krisen vorbereitet und
                  – China, Russland, Iran, Nordkorea –     wie man im Falle unvorhergesehener
                  nicht schwächer geworden. Und we-        Herausforderungen agieren würde.
                  der die USA selbst noch einer ihrer         Zwei bemerkenswerte Dinge sind
                  wichtigsten Verbündeten ist in dieser    diesen Papieren gemeinsam. Erstens
                  Zeit durch amerikanisches Handeln        beschreiben sie eine Welt, die unsi-

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cherer geworden ist: nicht nur durch     und ausgleichenden Wirkung interna-
internationalen Terrorismus und re-      tionaler Organisationen wie der Ver-
gionale Konflikte, sondern vor allem     einten Nationen, keine Würdigung
durch – und hier scheut die US-Re-       der stabilisierenden Kraft suprana-
gierung keine Deutlichkeit – das ag-     tionaler Gebilde wie der Europäi-
gressive Verhalten undemokratischer      schen Union und nur wenige Signa-
Großmächte wie China und Russland.       le, dass die USA sich dem Wohlerge-
Beide werden als strategische Konkur-    hen der Menschen außerhalb Ame-
renten betrachtet, die in ihrem unmit-   rikas verpflichtet fühlen. Dennoch
telbaren Umfeld Einflusszonen zu er-     kann von strategischem Rückzug oder
richten trachten, die sich von etab-     mangelnder Werteorientierung keine
lierten liberalen Ordnungsvorstel-       Rede sein. Die Wahrung amerikani-
lungen abgrenzen und den Interessen      scher Interessen verlangt internatio-
der USA zuwiderlaufen. Dem wollen        nales Engagement aus einer Position
die USA, zweitens, ihre eigene natio-    der Stärke, und die Legitimation die-
nale Stärke entgegensetzen. Interna-     ses Engagements wird explizit aus der
tionale Politik wird als Nullsummen-     amerikanischen Verfassung und den
spiel konkurrierender nationaler Inte-   freiheitlich-marktwirtschaftlichen
ressen betrachtet, und die USA zeigen    Idealen der Gründerväter abgeleitet.
sich entschlossen, die Oberhand zu be-       Allerdings lassen die Papiere auch
halten – im Zusammenwirken mit ih-       keinen Zweifel, dass in der Sicher-
ren Verbündeten, aber gegebenenfalls     heitspolitik das wichtigste Mittel das
auch allein, und immer mit dem eige-     Militärische ist. Das heißt nicht, dass
nen nationalen Vorteil im Blick.         es immer zum Einsatz kommt oder di-
    Es gibt in diesen Papieren keine     plomatischen und ökonomischen Mit-
Beschwörung der friedensstiftenden       teln vorgezogen wird. Doch es heißt,

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              dass – gerade in der Konkurrenz mit           Die Strategie fordert einen Men-
              (anderen) rücksichtslosen Mächten         talitätswandel und die Vorbereitung
              wie Russland und China – alle Mittel      der Streitkräfte auf einen denkbaren
              hinfällig sind, wenn sie nicht von mi-    Konflikt, in dem die USA erstmals
              litärischer Stärke grundiert sind.        seit 50 Jahren nicht die totale Kon-
                  Die Regierung Trump verdient An-      trolle über Luft und See haben und
              erkennung für die Klarheit, mit der       der daher auch ihrerseits hohe Opfer-
              sie die Lage und die aus ihr folgenden    zahlen und Materialverluste fordern
                          Notwendigkeiten benennt.      könnte. Um dieses Szenario zu ver-
   Von Rückzug und Angesichts der Erfahrun-             meiden, müssen die Streitkräfte sich
                          gen der vergangenen Jah-      darauf vorbereiten – durch Übungen,
 mangelnden Werten
                          re, insbesondere seit Russ-   durch verbesserte Ausstattung – und
kann keine Rede sein lands völkerrechtswidriger         ihre Abschreckungswirkung stärken.
                          Annexion der Krim, sollte     Dazu gehören auch die enge Abstim-
              diese Haltung auch in der NATO un-        mung und Zusammenarbeit mit fähi-
              strittig sein. Zugleich erfordert eine    gen Verbündeten.
              solch kompetitive Strategie politische        In Deutschland darf man das als
              Führung, um die Richtung zu weisen        nachdrücklichen Appell verstehen,
              und Kräfte zu bündeln. Kluge ameri-       die gegenwärtigen sicherheitspoliti-
              kanische Führung würde stärker auf        schen Anstrengungen deutlich und
              nichtmilitärische Aspekte der Sicher-     zügig zu erhöhen. In der Tat wären
              heits- und Bündnispolitik achten –        wir hierzulande gut beraten, ange-
              vielleicht bei der Wertschätzung inter-   sichts eines volatil agierenden US-Prä-
              nationaler Klimaziele, sicher bei stra-   sidenten und des unsicheren strategi-
              tegischen Handelsbeziehungen.             schen Umfelds im Osten und Süden
                  Indirekt wird das auch in der Nati-   Europas unsere außenpolitische Ein-
              onal Defense Strategy deutlich, für die   bindungs- und Gestaltungskraft zu
              Verteidigungsminister Mattis verant-      stärken. Grundlegend dafür ist eine
              wortlich zeichnet. Darin erklärt er die   Bundeswehr, die so ausgestattet und
              amerikanische Fähigkeit, eine militä-     ausgerichtet ist, dass sie ihre vielfäl-
              rische Auseinandersetzung mit Chi-        tigen Aufträge erfüllen kann. Streit-
              na oder Russland führen zu können,        kräfte bleiben Ausdruck des Selbstbe-
              für ausschlaggebend, um krisenhaften      hauptungswillens einer Nation und
              Entwicklungen zwischen den Groß-          unterfüttern somit den politischen
              mächten vorzubeugen. Nach Jahr-           Anspruch Deutschlands, im Verbund
              zehnten der Kriege gegen militärisch      mit oft unbequemen Partnern die of-
              völlig unterlegene Gegner wäre solch      fene Gesellschaft zu schützen.
              ein Konflikt eine ungewohnte Heraus-
              forderung für Amerika. Der eigentli-                         Dr. Patrick Keller ist
              che Paukenschlag ist aber die Feststel-                       Koordinator für ­Außen-
              lung, dass das US-Militär in seiner                           und Sicherheitspolitik
                                                                            der Konrad-Adenauer-
              derzeitigen Verfassung nicht sicher                           Stiftung in Berlin. Der
              sein kann, in solch einer Auseinan-                           Beitrag gibt ausschließ-
              dersetzung siegreich zu sein: „Ameri-                         lich s­ eine persönliche
              ca’s military has no preordained right                       ­Meinung wieder.

              to victory on the battlefield.“

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