Über Wildhaus nach Einsiedeln - Helmut Tiefenthaler Ein ökumenischer Pilgerweg
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Über Wildhaus nach Einsiedeln Ein ökumenischer Pilgerweg Inhalt 1 Vorbemerkungen 5 2. Geschichtlicher Rückblick 7 2.1 Feldkirch als Kreuzungspunkt alter Fernpilgerwege 7 2.2 Einsiedeln 9 An der Schwelle von äußerer und innerer Welt 9 Gebaute Himmelsnähe 10 Wallfahrten in der Vergangenheit 12 2.3 Alte Routen vom Rheintal nach Einsiedeln 13 3. Auf heutigen Wanderwegen nach Einsiedeln 15 3.1 „Geerdete Spiritualität“ 15 3.2 Routen zur Wahl 15 3.3 Feldkirch als Etappenort 16 3.4 Der Pilgerweg über Wildhaus und seine historischen Bezüge 17 3.5 Gehzeiten und Höhenunterschiede 18 3.6 Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten 19 4. Routenbeschreibung 22 4.1 Durch das Rheintal nach Wildhaus 22 Routenvariante Feldkirch – Bendern über Nofels – Ruggell 26 4.2 Auf dem Thurweg durch das Toggenburg 31 4.3 Vom Thurtal zum Zürichsee 37 Routenvariante Neuhaus – Wurmsbach – Rapperswil 41 4.4 Zwischen Rapperswil und Pfäffikon 44 4.5 Über den Etzelpass nach Einsiedeln 45 5. Ein ökumenischer Pilgerweg 48 5.1 Spirituelle Neuorientierung 48 5.2 Naturnähe 48 5.3 Gedenkorte und Begegnungen unterwegs 50 5.4 Erfahrungen ökumenischer Offenheit 50 Anmerkungen 52 Literatur 53 Studie zum Routenverlauf und zu geschichtlichen Bezugspunkten im Auftrag des Landes Vorarlberg (Zl. VIIa-342.20.04, www.vorarlberg.at/wanderwege) und des Amtes für Raumentwicklung des Kantons St. Gallen, Fachstelle Wanderwege Fotos vom Verfasser, wenn nicht anders angegeben Titelbild: Ausschnitt aus Toggenburg-Karte von J. J. Büler von 1784 © Helmut Tiefenthaler, Bregenz 2006
1. Vorbemerkungen Für die Wiederentdeckung des Pilgerns auf Wanderwegen hatte es Signalwirkung, als 1987 vom Europarat der spanische Jakobsweg zum ersten europäischen Kulturweg erklärt wurde. Wenige Jahre später sah sich die Schweiz bereits in der Lage, vom Bodensee bis zum Genfersee Weit- wanderwege als „Jakobswege“ mit entsprechender Signalisation und mit fundierter Begleitlite- ratur anzubieten. In Österreich erschien inzwischen zwar ebenfalls einige Wanderliteratur für Jakobspilger, diese lässt hinsichtlich der Routenwahl aber sehr zu wünschen übrig. Hier ist die Herausgabe von Büchern über Jakobswege dem Erkunden der geeignetsten Wege vorausgeeilt. Dabei wirkte das von Bernhard G. Graf und Hans-Günther Kaufmann 1993 herausgegebene Buch Auf Jakobs Spuren in Bayern, Österreich und in der Schweiz mit fragwürdigen Vorgaben zur Routenführung eines österreichischen Jakobs- wegs als Richtschnur. 1999 erschien der Wanderführer Auf dem Jakobsweg durch Österreich von Peter Lindenthal. Dem Autor war anscheinend nicht bekannt, dass im Rahmen des Vorarlberger Wanderwegekonzeptes von 1995 be- reits regionale Hauptrouten ausgewiesen und beschildert wurden. So verläuft Lindenthals „Jakobsweg“ oft abseits dieser Routen auf zum Wandern unattraktiven Wegen. Für die Fortsetzung von Feldkirch in Richtung Einsiedeln ist eine Routenführung über Sargans – Walensee beschrieben, die häufig auf Asphaltstraßen, zwischendurch auch auf Bergwegen mit erheblichen Auf- und Abstiegen verläuft. Dabei wurde wenig Rücksicht auf historische Bezüge und auf die heutigen Bedürfnisse der Fußwanderer genommen. Mit welcher Hast und mit wie wenig Ortskenntnissen Pilgerführer gelegentlich verfasst werden, zeigt sich beson- ders in dem 2004 erschienenen Wanderreiseführer Auf Jakobswegen von Bert Teklenborg. Dort ist beispielsweise zur Rheintalquerung des Pilgerwegs nach Einsiedeln entgegen jeder Pilgertradition und Logik zu lesen: „Die Jakobs- pilger aus Österreich benützten nach der Überquerung des Arlbergpasses die Straße über Feldkirch nach Rorschach (Jakobsbrunnen und Jakobskapelle).“ In einem 2005 erschienenen Pilgerführer Österreich: Jakobsweg von Reinhard Dippelreither wurde im Unterschied zu Teklenborg anscheinend von Peter Lindenthal abgeschrieben und zur Que- rung des Rheintals die erwähnte Route über Sargans gewählt. Die zur Orientierung von Pilgern durch Vorarlberg nach Einsiedeln offenkundig gewordenen Unzulänglichkeiten haben den Verfasser der vorliegenden Studie veranlasst, im Jahre 2000 mit eingehenden Untersuchungen über die historischen Pilgerwege von Westösterreich nach Einsie- deln als dem nächsten Hauptziel der Fernpilger und über die heute geeignetsten Wanderwege zu beginnen. Diese Untersuchungen wurden in den folgenden Jahren vertieft, wobei neben den Er- kundungen im Gelände zusätzliche Archivstudien erfolgten. Für die Routenwahl und sich erge- bende Detailfragen wurde zugleich das Einvernehmen mit den für Wanderwege im Fürstentum Liechtenstein und in den Nachbarkantonen St. Gallen, Appenzell Außerrhoden und Innerrhoden zuständigen Stellen gesucht. Im Ergebnis können im Vorarlberger Rheintal nun drei Hauptrouten empfohlen werden, die als Wanderwege die kürzesten Zugänge zum Ostschweizer Jakobsweg bilden, der von Rorschach über St. Gallen – Herisau – St. Peterzell – Wattwil – Rapperswil – Einsiedeln verläuft: 1. Im Anschluss an den Münchner Jakobsweg über Weiler im Allgäu nach Bregenz: Bregenz – Lustenau Wiesenrain – Widnau – Altstätten – Stoss – Gais – Appenzell – Gonten – Urnäsch – St. Peterzell. In Lustenau kommt der Zugang vom Bregenzerwald über Dornbirn hinzu. 2. Im Anschluss an den Arlbergweg und Walgauweg (Variante zu 3.) sowie an die Verbindung vom KIeinwalsertal über Damüls nach Rankweil: Rankweil – Meiningen – Freienbach – Eggerstanden – Appenzell – Gonten – Urnäsch – St. Peterzell. 5
3. Im Anschluss an den Arlbergweg und Walgauweg, einschließlich Via Alpina mit Walserweg und Montafoner Illweg nach Feldkirch: Feldkirch – Bendern – Gams – Wildhaus – Thurweg – Wattwil. Zu diesen Routen erfolgte eine erste vergleichende Orientierung 2002 in der Zeitschrift MONT- FORT (H. 2, 97-123) unter dem Titel Historische und heutige Pilgerwanderwege von Vorarl- berg nach Einsiedeln. Im Auftrag des Amtes der Vorarlberger Landesregierung folgte 2005 eine detaillierte Routenbeschreibung zum Pilgerweg Bregenz – Einsiedeln, bei der auch der Zugang von Rankweil durch das Appenzellerland mitberücksichtigt ist. Ergänzend zu dieser Studie sind in der vorliegenden Dokumentation die Ergebnisse neuerlicher Begehungen und Erhebungen zusammengefasst. In Bezug auf frühere Pilgertraditionen, Gehzeiten und landschaftliche Attraktivität unter- scheidet sich die Verbindung Feldkirch – Einsiedeln nicht wesentlich von den beiden anderen Routen. Sie ist aber etwas kürzer, weist insgesamt geringere Höhenunterschiede auf und bietet die größere Auswahl an Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten. Da die Route in Wildhaus am Geburtshaus des Reformators Huldrych Zwingli vorbeiführt und mehr reformierte Gemein- den berührt als die anderen Zugänge, kann sie zudem in besonderer Weise als ökumenischer Pilgerweg verstanden werden. Pilger auf dem Weg von Pfäffikon nach Einsiedeln 6
2. Geschichtlicher Rückblick 2.1 Feldkirch als Kreuzungspunkt alter Fernpilgerwege Die Gründung der Stadt Feldkirch durch Graf Hugo I. von Montfort erfolgte zur Zeit einer all- gemeinen Zunahme des Fernverkehrs. Zur Zeit der frühen Stadtentwicklung hatten die Kreuz- züge auch ein starkes Interesse an ausgedehnten Pilgerreisen geweckt. Wenn im Rheintal vorher schon gelegentlich Fernpilger unterwegs waren, war für die meisten Rom der Hauptanziehungs- punkt. Diese Reisen waren aber häufig mit beruflichen Zwecken verbunden. Der eigentliche Aufschwung des Fernpilgerns erfolgte im Spätmittelalter, nachdem Papst Bonifaz VIII. das Jahr 1300 zum Anlass genommen hatte, erstmals ein Heiliges Jahr mit einem vollkommenen Ablass für Wallfahrten nach Rom zu proklamieren. Für Romreisende aus dem deutschen Sprachraum waren die Graubündner Pässe seit jeher die zentralen Alpenübergänge. Die Hauptroute folgte durch das Vorarlberger, Liechtensteiner und Graubündner Rheintal dem Verlauf der alten Römerstraße. Als Alpenübergang wurde bis ins 15. Jahrhundert meistens der Septimerweg gewählt. Seit der 1473 erfolgten Eröffnung des neu ausgebauten Wegs durch die Viamala wurde der Splügen zum Hauptpass zwischen Brenner und St. Gotthard. In der um 1500 vom Nürnberger Kartographen Erhard Etzlaub angefertigten Romwegkarte ist die Verbindung Ulm – Ravensburg – Bregenz – Feldkirch – Chur – Splügen – Chiavenna – Como – Mailand bereits als zentrale Route eingetragen. Wenn man gelegentlich Ausweichrouten über den Septimer, Julier oder auch über den Lukmanierpass benützte, war Feldkirch für die durch das Rheintal ziehenden Rompilger ebenfalls eines der wichtigsten Zwi- schenziele. Seit dem Mittelalter wählten auch zahlreiche Pilger, die aus dem süddeutschen Raum und aus der Ostschweiz ins Heilige Land reisten, Feldkirch als Etappenort. Für viele war nämlich die Route vom Rheintal über den Arlberg und Reschenpass, durch Südtirol und die Valsugana der kürzeste Weg nach Venedig als dem damals wichtigsten Mittelmeerhafen.1 Dass diese Ver- bindung mitunter ebenso von Frankreich her benützt wurde, weiß man zum Beispiel aus An- gaben über die Reise der Gefährten von Ignatius von Loyola, die 1536 über Konstanz – Feld- kirch – Bozen – Trient nach Venedig kamen2. In Feldkirch hatte im Mittelalter vor allem der Johanniterorden für die Unterbringung der Durchreisenden zu sorgen. Wie wichtig deren Rolle genommen wurde, lässt sich schon daran erkennen, dass Graf Hugo dem Orden 1218 annähernd ein Viertel des alten Stadtkerns zur Ver- fügung stellte und zugleich die Errichtung und Betreuung eines zusätzlichen Hospizes im inne- ren Klostertal übertrug. Die Johanniterkommende wurde 1610 vom Benediktinerkloster Wein- garten erworben und war von 1696 bis 1802 im Besitz des Stiftes Ottobeuren. Als Bene- diktinerpriorat hatte das Feldkircher Kloster St. Johann schon durch die Zugehörigkeit zum glei- chen Orden Beziehungen zum Kloster Einsiedeln. Im Kriegsjahr 1798 haben dort auch etliche aus Einsiedeln geflüchtete Mönche Zuflucht gefunden. Für Angehörige des Benediktinerordens, die immer wieder zwischen dem Kloster Einsiedeln und dessen Propstei St. Gerold unterwegs waren, waren die Benediktinerklöster St. Johann in Feldkirch und St. Johann im Toggenburg schon vorher als Übernachtungsorte willkommen. Das Toggenburger Kloster St. Johann besaß in Feldkirch sogar ein Amtshaus zur Verwaltung von dessen Gütern im Vorarlberger Rheintal. Von dort hatten Säumer auch den Wein aus den eige- nen Weingärten ins Toggenburg zu befördern.3 Weitaus die meisten Pilger, die in Feldkirch eine Unterkunft suchten, waren in Richtung Ein- siedeln unterwegs oder von dorther auf dem Rückweg. So wurde Feldkirch durch die hier in verschiedene Richtungen kreuzenden Routen zum Hauptknotenpunkt der Vorarlberger Fern- pilgerwege. 7
In Feldkirch war das Kloster St. Johann Jahrhunderte lange der wichtigste Stützpunkt der Fern- pilger (Zeichnung Mitte 17. Jhdt. von P. Gabriel Bucelin) Um von Feldkirch zum Zürichsee zu kommen, war es bei Gütertransporten, wie zum Beispiel mit Haller Salz, normal, den Weg über Vaduz – Balzers – Trübbach – Sargans und über den Walensee zu nehmen und die Transporte ab Weesen mit Booten auf Maag und Linth weiter zu befördern. Die Segelschiffahrt auf dem Walensee war allerdings oft durch Gegenwind oder stür- mischen Seegang behindert. Davon profitierte Walenstadt immer wieder durch unfreiwillige Aufenthalte. In einem Bericht von 1586 heißt es: „Da ist große Niederlag, Sammlung und Her- berg der Frömden, so die Strass über den See brauchend und oftmals von wegen Ungewitter da still liegen müssend. Dann die Strass neben den See hinab gar weit, rauch und unwägsam ist …“4 Für viele Pilger kam es zum Teil wegen derlei Unsicherheiten, zum Teil auch aus Prinzip oder aus Kostengründen nicht in Frage, den Fußmarsch durch eine Schifffahrt zu ersetzen. Fuß- pilger, die auf keine Infrastruktur für Pferdefuhrwerke angewiesen waren, konnten es sich ohne- hin leisten, durch das Wandern auf weniger guten Bergwegen Abkürzungen zu wählen. Da sich die meisten Wallfahrer zu rigoroser Sparsamkeit gedrängt fühlten, war von Feldkirch aus der kürzere Weg über Wildhaus und durch das Toggenburg die meistbenützte Route. Der Weg über Sargans und Walenstadt wurde erst nach dem Aufkommen der Dampfschiff- fahrt auf dem Walensee (1837), dem Bau der Fahrstraße über den Kerenzer Berg (1848) und vor allem nach den 1877 erfolgten letzten Lückenschlüssen in der Eisenbahnverbindung Feldkirch – Einsiedeln interessant. Schon die Neugierde auf die modernen Reisemöglichkeiten führte zu ei- ner raschen Verlagerung der Wallfahrten auf die neuen Verkehrslinien, wodurch die alten Fuß- wege – so auch der Pilgerweg über Wildhaus – immer mehr in Vergessenheit gerieten. Von „Jakobswegen“ war in Vorarlberg vermutlich schon vorher nicht viel die Rede. Wer von Österreich eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela unternahm, mied normalerweise noch im 18. Jahrhundert den beschwerlichen Weg über den Arlberg. Zur Umgehung boten sich Mög- lichkeiten auf der Alpensüdseite, wie etwa über den Brenner und durch die Poebene, oder durch das bayrische Alpenvorland zum Bodensee. Im zweiten Fall zogen Jakobspilger auch über Bre- genz und Einsiedeln. Wenn in Richtung Santiago de Compostela der Weg über Feldkirch ge- nommen wurde, hatte man immerhin die Möglichkeit, neben dem Pilgerweg durch die Inner- schweiz auch einen der Graubündner Alpenübergänge zu wählen. Aus einer Studie über die churrätische Wallfahrt im Mittelalter geht hervor, dass der Weg nach Santiago „oft auch über 8
Disentis, den Lukmanier, dann durch Oberitalien, Barcelona und Montserrat“ führte.5 Auf wie verschiedenen Routen die Jakobspilger unterwegs waren, gibt sich auch am Beispiel des Wiener Neustädter Domherrn Christoph Gunzinger zu erkennen, der 1654 durch Oberitalien nach Spa- nien reiste und auf dem Rückweg die Route über Einsiedeln – Lindau – Andechs – Altötting – Mariazell vorzog.6 In beiden Fällen wurde Vorarlberg umgangen. 2.2 Einsiedeln An der Schwelle von äußerer und innerer Welt Die Entstehung des Klosters Einsiedeln geht auf die Einsiedelei des Reichenauer Mönchs Mein- rad (Meginrat) zurück, der um 835 in den „Finstern Wald“ der Innerschweiz kam, um dort in der Weltabgeschiedenheit die Nähe zu Gott zu suchen. Nach der Legende wurde Meinrad 861 von zwei Räubern erschlagen. Die Räuber seien daraufhin von zwei Raben verfolgt worden. Das habe in Zürich zu ihrer Festnahme und Bestrafung geführt. Nach Meinrads Ermordung folgten bald Gleichgesinnte dem Beispiel seiner „Pilgerschaft in die Stille“. Die „Meginratscella“ (Meinradszelle) schien im 10. Jahrhundert für Sucher nach Weltabgeschiedenheit sozusagen zum Geheimtipp geworden zu sein. Einer der prominentesten Einsiedler war der Straßburger Domherr Benno, der sich 906 dort niederließ. 934 folgte der Dompropst Eberhard von Straßburg mit etlichen Gefährten. Er begann, hier auch eine weltwirk- same Ora-et-lobora-Spiritualität einzuführen und gründete eine Klostergemeinschaft nach der Regel des heiligen Benedikt. Schon im 10.-11. Jahrhundert profilierte sich das Kloster durch einen weit ausstrahlenden Reformgeist. Zugleich wurde es zu einer Stütze des Reiches, durch Schenkungen vermögend und politisch privilegiert. Dadurch kam Einsiedeln auch zu Besitz im Rheintal und im Großen Walsertal. Aus der St. Gerolds-Legende ist zu entnehmen, dass sich ein im Walgau begüterter Adeliger um das Jahr 950 herum als Eremit in den Urwald des Großen Walsertals zurückgezo- gen hatte und seine Besitzungen dem Kloster Einsiedeln vermachte. So entstand dort die Props- tei St. Gerold als eigenständiger und reichsfreier Herrschaftssprengel der Schwyzer Abtei. Propstei St. Gerold im 17. Jahrhundert (nach Zeichnung von P. G. Bucelin) 9
Wie in anderen wohlhabend und einflussreich gewordenen Abteien machten sich im späten Mit- telalter auch in Einsiedeln zunehmende Verluste an spiritueller Glaubwürdigkeit bemerkbar. Nun war es nicht mehr leicht, aus dem bewährten Geist der Armut zu leben und sich aus den Händeln der Machtausübung herauszuhalten. Die Folge war ein in der monastischen Lebens- und Geisteshaltung nicht mehr zu übersehender Niedergang. Diesen hatte auch Huldrych Zwingli während seiner Zeit als Leutpriester in Einsiedeln (1516-1518) miterlebt, bevor er in Zürich als Reformator auftrat. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts sah es so aus, als habe das Kloster durch die fortgeschrittene Verweltlichung seine spirituelle Zukunftsfähigkeit verspielt. Und doch begann zur Zeit des Konzils von Trient die längst fällige innere und äußere Erneuerung. Abt Joachim Eichhorn (1544-1569), der 1562 als gewählter Vertreter der Schweiz am Konzil teilgenommen hatte, gilt als zweiter Klostergründer. Die Abtei begann sich mit neuen Akzentsetzungen in der Wall- fahrtsseelsorge und Liturgie, mit Kunst und humanistischer Bildung und schließlich mit einer umfassenden barocken Neugestaltung zu präsentieren. Bei der Vollendung der beachtlichen Neubauten durfte man in Einsiedeln allein schon wegen der Neugierde auf die gelungene barocke Prachtentfaltung einen gewaltigen Zustrom von Wall- fahrern erwarten. Die Freude über die ersten Ansätze eines solchen Aufschwungs war aber nur von kurzer Dauer. Dafür bekam man sehr rasch die Folgen einer kirchenkritischen Aufklärung und der auf die Schweiz übergegriffenen Französischen Revolution zu spüren. 1798 marschier- ten die Franzosen in Einsiedeln ein. Der Konvent rettete sich durch die Flucht, wobei auch die Schwarze Madonna aus der Gnadenkapelle auf abenteuerlichen Wegen aus dem Land ge- schmuggelt und eine Zeitlang in Vorarlberg versteckt wurde. 1798 hat die Helvetische Republik die Abtei formell aufgehoben. In einer von allem vermeintlichen religiösen Ballast emanzi- pierten Welt erschien Einsiedeln wie ein störender Anachronismus. Und doch wechselte der Zeitgeist schon sehr bald in die Suche nach bewährter Tradition und nach spiritueller Neu- orientierung. Noch bevor die Napoleonischen Kriege zu Ende waren, begann in Einsiedeln 1803 ein Neu- anfang, wobei die Wallfahrten sehr rasch wieder aufblühten. Das Kloster und die Stiftskirche wurden in der Schweiz fortan noch mehr als bisher als ein herausragendes Zentrum des christ- lichen Geisteslebens und eines reichen kulturellen Erbes geschätzt. Im 20. Jahrhundert hat das benediktinische „ora et labora“ wechselnd neue Anforderungen mit sich gebracht. Dazu gehört hellhörige Offenheit für die Zeichen der Zeit mit fortschreitender globaler und überkonfessio- neller Vernetzung. Gebaute Himmelsnähe Die erste Klosterkirche hat noch wenig an sich gehabt, was über die Bedürfnisse einer kleinen Mönchsgemeinschaft hinausging. Nach einem Brand im Jahre 1029 entstand 1031-39 ein neuer romanischer Kirchenbau. Dieser wurde als Doppelkirche ausgeführt mit Chor und Klosterkirche („Oberes Münster“) und Leutkirche („Unteres Münster“). Danach kam es immer wieder – be- sonders nach den Bränden der Jahre 1226, 1465, 1509 und 1577 – zu baulichen Veränderungen. Immer bestand aber ein „Kirchlein in der Kirche“, nämlich eine kleine Kapelle, die ursprünglich dem Erlöser, später mit einer Marienstatue der Gottesmutter geweiht war. Das als „Schwarze Madonna“ verehrte Gnadenbild wurde vermutlich erst 1466 in diese Kapelle gebracht. Der beträchtlich angewachsene Gebäudekomplex war zu Beginn der Neuzeit ziemlich ver- winkelt und schwer überschaubar. Die im 17. Jahrhundert sich wandelnde Lebens- und Geistes- haltung drängte zum „Abbruch und Aufbruch“ in zeitgemäßer Großzügigkeit. Ein Anfang er- folgte zwischen 1600 und 1683 mit der Neugestaltung der Gnadenkapelle auf Kosten von Graf Kaspar von Hohenems und seines als Erzbischof in Salzburg wirkenden Bruders Marcus Sitti- cus. Noch vor der Fertigstellung der Kapelle kam es nach Plänen des Bregenzer Barockbau- 10
meisters Hans Georg Kuen zum Neubau des Chors (1674-76) und des „Beichthauses“ (1676- 78). Der große Klosterneubau wurde 1698-1718 nach Plänen des aus Au im Bregenzerwald stammenden Klosterbruders Kaspar Moosbrugger (1656-1723) verwirklicht. Nach der Einwei- hung des Neubaus im Jahre 1735 folgte unter Einsatz zahlreicher Künstler die Vollendung der Innenausstattung nach Ansprüchen, wie sie in der Hochblüte des Barock gestellt wurden. Daran waren vor allem die aus Bediktbeuren stammenden Brüder Ägid Quirin Asam als Stuckateur und Cosmas Damian Asam als Schöpfer der Deckenfresken beteiligt. 1746 begann Franz Anton Kraus, Architekt und Maler aus Söflingen bei Ulm, mit dem Umbau des Kuen-Chors. Dadurch wurde der triumphale Farben- und Formenreichtum unter dem Einfluss des Rokoko noch zu- sätzlich gesteigert. Mit der Illusionsmalerei von Giovanni Antonio Torricelli aus Lugano erfolg- ten im Oberen Chor neue Akzentsetzungen. Bei manchen Neugestaltungen waren wiederholt Vorarlberger engagiert, wie zum Beispiel Baumeister Johann Rueff beim Klosterplatz und die Klosterbrüder Kaspar Braun aus Bregenz und Jakob Natter von Au. In einer Zeit, in der „barock“ im Sinne von schwulstiger Übertreibung einen eher negativen Beigeschmack hat, ist es nicht ganz leicht, jene Begeisterung nachzuempfinden, mit der in Ein- siedeln ein barockes Gesamtkunstwerk geschaffen wurde. Zum besseren Verständnis müsste man an die vorausgegangene erste Hälfte des 17. Jahrhunderts erinnern. In einer Zeit lang anhal- tender Kriegswirren – besonders während des 30-jährigen Kriegs –, von Pest und Hungersnöten, wurde die Welt wie selten zuvor als ein freudloses Jammertal erlebt. All das weckte Sehnsucht nach einem neuen beseligenden Lebensgefühl und wenigstens nach Ahnungen der verborgenen himmlischen Wirklichkeit. Nachdem sich an den Fürstenhöfen theatralische Machtpräsentation zu entfalten begonnen hatte, erschien es an der Zeit, auch zu Ehren der göttlichen Majestät alles Menschenmögliche an prunkvoller und lebensfroher Schönheit aufzubieten. „Das Fürstliche Stifft und Closter samb der Kirchen“ nach Fertigstellung der Barockbauten (Stich von Franz Dominik Oechslin) 11
Wallfahrten in der Vergangenheit In der Geschichte des Pilgerns lässt sich ein wiederholter Wandel der Akzentsetzungen erken- nen. Im frühen Mittelalter gab es zwar schon Pilgerfahrten in das Heilige Land und nach Rom, doch einen besonderen Stellenwert hatte anfangs das Aufsuchen von als heiligmäßig geltenden Personen. So konnten Einsiedler in ihrer Zurückgezogenheit oft nicht jene ungestörte Weltabge- schiedenheit finden, die sie suchten. Das war auch der Grund, weshalb der aus dem Kloster Rei- chenau zum Zürichsee gekommene Mönch Meinrad von seiner 828 am Etzelpass eingerichteten Klause nach wenigen Jahren noch tiefer in die Waldeinsamkeit auswich. Nach seinem Tod wur- de die „Meinradszelle“ dort aber ebenfalls zu einem Anziehungspunkt für neu hinzukommende Einsiedler. Was man bei Wallfahrten später als „typisch katholisch“ verstand, kam erst im 14. Jahrhun- dert auf, als in einer Zeit vermehrter Höllenängste eine zunehmende Bereitschaft zu Bußwall- fahrten und vor dem Hintergrund einer einseitig vermännlichten Religiosität zugleich in „Unse- rer Lieben Frau“ eine gefühlsbetonte Marienfrömmigkeit geweckt wurde. Das trug mit dazu bei, dass Einsiedeln zu einem der meistbesuchten Wallfahrtsziele Europas wurde. Der erste urkundliche Nachweis von Wallfahrten nach Einsiedeln stammt aus dem Jahr 1337. Dabei handelte es sich um einen in Feldkirch ausgestellten Geleitbrief des Ritters Tumb von Neuburg für Einsiedler Pilger.7 Im ausgehenden Mittelalter haben die Wallfahrten in ganz Europa stark zugenommen. Wo Ablässe angeboten wurden, hatte das „Wallen und Laufen“ mitunter geradezu etwas Fieberhaf- tes an sich. Diesen Auswüchsen gegenüber wirkte die Reformation als heilsame Ernüchterung. Im Spannungsfeld von Reformation und Gegenreformation blieb freilich auch das Pilgern von den Teufelskreisen der Intoleranz nicht unberührt. In den reformierten Gemeinden empfand man nun manche Volkswallfahrt „mit Kreuz und Fahnen“ als ärgerlich, wenn sie gleichsam als De- monstrationen des „rechten Glaubens“ etwas Provozierendes an sich hatte. Umgekehrt mussten die Katholiken damit rechnen, dass im Thurtal „och die bilgeri mit vil tratzworten“ geschmäht und „angespötzet“ wurden.8 Dennoch hat das Pilgern nach Einsiedeln ab dem 16. Jahrhundert wieder stark zugenommen. Am häufigsten motivierten existenzielle Nöte zu Wallfahrten. Nach heil überstandenen Kriegszeiten waren auch große Dankwallfahrten nicht selten. Eine der ältesten Informationen darüber ist in der Prugger’schen Chronik von 16859 zum Ende des Dreißigjährigen Krieges zu finden: „Anno 1648 den 15. Juni ist eine löbl. Burgerschaft zu Feldkirch ungefähr bei 350 Menschen, mit aufrechtem Kreuz und Fahnen nach Einsiedeln zu U.L. Frauen wallfahren gegangen. 5 Täg hat man damit zugebracht, dieser Ursachen halber, weil der Feind den 4. Jänner 1647 das Land eingenommen, und den 7. März hernach ohne absonderlichen Schaden, über alles Ver- meinen, abgezogen ist. Und da man wieder zurückgekommen, ist die übrige Burgerschaft, klein und groß, Jung und Alt, bis zu dem Letzibüchel bei Tisis auch mit Kreuz und Fahnen den ande- ren entgegen gegangen, und haben sie in die Stadt begleitet. Ist also bei unbedenkbaren Jahren keine so schöne und erbärmliche Prozession gesehen worden.“ Aus dieser Zeit und aus den Jahren der Napoleonischen Kriege sind Volkswallfahrten ebenso aus anderen Gemeinden bekannt. Näher beschrieben ist zum Beispiel eine Wallfahrt des Jahres 1796, bei denen sich 257 Personen aus Nenzing auf den Weg nach Einsiedeln gemacht haben.10 Auch von Tirol her erfolgten wiederholt große Buß-, Bitt- und Dankwallfahrten. Dabei erfährt man gelegentlich auch Näheres über die gewählten Routen und Etappenorte. So ist zum Beispiel in einem Bericht über eine insgesamt elftägige Volkswallfahrt von über 200 Personen (darunter sogar „schwache Weibspersonen, schwangere Weiber, kleine Knaben“) aus Kappl in Paznaun im April des Jahres 1724 die Route durch das Montafon über Feldkirch und durch das Toggen- burg („nachtlager beim alten S. Johann“) näher beschrieben.11 12
Seit der Fertigstellung von durchgehenden Eisenbahnverbindungen waren die Wallfahrten nach Einsiedeln mit einem Reisekomfort verbunden, durch den nun auch die touristischen Annehm- lichkeiten einen erhöhten Stellenwert bekamen. Ab 1878 wurden in Vorarlberg Pilgerzüge orga- nisiert, mit denen oft über tausend Wallfahrer auf einmal ans Ziel kamen. Diese Fahrten waren während des Ersten und Zeiten Weltkriegs zwar unterbrochen, doch nach jedem Kriegsende war ein starker Nachholbedarf spürbar. Bei den 1947 wieder mit einem Pilgerzug begonnenen Vor- arlberger Landeswallfahrten erfolgte 1983 die Umstellung auf die Verwendung von Bussen. Durch das motorisierte Reisen wurde die Wallfahrt zu einem bequemen Tagesausflug. Diesem Zeitgewinn steht nun aber beim Unterwegssein ein Verlust gegenüber, zu dem der Einsiedler Wallfahrtspater Othmar Lustenberger bemerkt: „Die verkürzte Reisezeit vom Heimat- ort zum Wallfahrtsort erschwert sehr oft auch den ‚inneren Weg’, welchen ein Pilger zurück- legen sollte, den Weg zu sich selber, um in der eigenen Stille Gottes Stimme zu vernehmen. Es geschieht hier fast unbemerkt eine ‚innere Aushöhlung’ der Wallfahrt.“12 2.3 Alte Routen vom Rheintal nach Einsiedeln Soweit in Berichten über die in früheren Jahrhunderten unternommenen Wallfahrten Hinweise zum Routenverlauf zu finden sind, wird bei den möglichen Querungen des Rheintals am häufig- sten der Weg über Feldkirch und durch das Toggenburg genannt. Diese Verbindung wird in der Wallfahrtsgeschichte von Einsiedeln auch als Hauptzugang von Tirol her mit folgenden Anga- ben genannt: „Südtirol, Bozen, Sterzing über den Brenner, den Arlberg, Feldkirch, Gams, Wild- haus und Obertoggenburg auf den Ricken“.13 Der Liechtensteiner Landesarchivar Paul Vogt bestätigt: „Der Pilgerverkehr aus Tirol und Vorarlberg nach Einsiedeln wählte die Route Feld- kirch – Thurtal – Ricken.“14 Auch in anderen Zusammenhängen wird die Bevorzugung des We- ges über Feldkirch – Wildhaus erwähnt. Anders verhält es sich im unteren Rheintal mit den kürzesten Wegen durch das Appenzel- lerland. Hier führte der Hauptzugang traditionell über den Stoss und weiter auf der Route Ap- penzell – Gonten – Urnäsch – St. Peterzell – Wattwil. Zwischen Götzis und Rankweil war für diese Route der Zugang über Oberriet – Eggerstanden am nächsten.15 In der früheren Volksfrömmigkeit wurde oft auf zusätzliche Möglichkeiten zum „Sammeln von Wallfahrtsgnaden“ Wert gelegt. Wer beispielsweise aus dem Donauraum nach Santiago de Compostela wanderte, nahm daher nicht ungern den Weg über die Zwischenziele Altötting, An- dechs und Einsiedeln, wobei im Spätmittelalter ebenso St. Gallen zu den beliebten Wallfahrts- orten gehörte. Bei Wallfahrten durch den hinteren Bregenzerwald oder über den Arlberg nach Einsiedeln war es kaum ein Umweg, wenn man zuerst nach Rankweil und danach durch das Appenzellerland wanderte. Die Route über Feldkirch – Sargans – Walensee wurde erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und besonders seit dem Eisenbahnbau und noch mehr seit dem Aufkommen des motorisierten Straßenverkehrs zur Hauptverbindung. Zum Radfahren war und bleibt diese Route dank der ge- ringen Höhenüberwindung ebenfalls sehr geschätzt. Wer zu Fuß ging, wählte meistens aber lie- ber einen der kürzeren Bergwege. Dass von den Wanderern manchmal sogar beträchtliche Hö- henunterschiede in Kauf genommen wurden, zeigt sich ebenso bei den Wegen von Graubünden nach Einsiedeln.16 Wenn von „historischen Pilgerwegen“ die Rede ist, müssen bei jeder Route Varianten und Veränderungen mitbedacht werden, je nachdem eine Teilstrecke zeitweise durch wechselnde Wegbeschaffenheit oder Unterkunftsmöglichkeiten an Attraktivität gewann oder verlor. Allein zwischen Feldkirch und Wildhaus standen seit jeher verschiedene Verbindungen zur Wahl, bei denen die Frage nach der Bevorzugung aber nur mit Vermutungen beantwortet werden kann. Lange gehörten im Raum Feldkirch die Verbindungen über Bangs – Büchel und Nofels – Rug- 13
gell – Salez zu den meistbenützten Verbindungen. Seit der Reformation waren in der Freiherr- schaft Sax–Forstegg Wallfahrer aber nicht mehr gern gesehen. Diese waren nun froh, dass sie auf den Rheinübergang bei Bendern ausweichen konnten, der besonders nach dem 1836 erfolg- ten Straßenbau Haag – Gams interessant wurde. Dass Fußpilger gelegentlich von normalen Hauptrouten abwichen, ist auch aus dem Toggen- burg bekannt, wo mitunter sogar unbequeme Bergwege gewählt wurden. Dazu bemerkt Hein- rich Oberli in einem Bericht über alte Toggenburger Gasthäuser: „Das obere Toggenburg bot sich an für Salztransporte aus Österreich nach Zürich, aber auch für die Pilgerscharen aus dem Rheintal nach Einsiedeln, die nicht nur über Schönenberg, Ricken und Laad, sondern auch über die höheren Übergänge nach Amden und die Eggwege nach Rietmarren, Regelstein und Breite- nau zogen.“17 Toggenburg-Karte von Johann Jakob Büler von 1784 (Staatsarchiv St. Gallen) 14
3. Auf heutigen Wanderwegen nach Einsiedeln 3.1 „Geerdete Spiritualität“ Wenn ein Harmonieren von Körper, Seele und Geist angestrebt wird, empfehlen Ärzte und Psy- chotherapeuten auch unabhängig von religiösen Motivationen ein heilsames „Wohl-Ergehen“ auf Fußwegen. Inzwischen ist unter Christen zudem ein so weit verbreiteter Mangel an Spiritua- lität bewusst geworden, dass auf verschiedenste Weise versucht wird, vergessene Zugänge zu eigenen spirituellen Erfahrungen wieder neu zu erschließen. Dabei wurden im Pilgern auf Wan- derwegen altbekannte Möglichkeiten einer „geerdeten Spiritualität“ neu entdeckt. Im beschau- lichen Unterwegssein mit der Aufmerksamkeit eines schweigsamen Pilgerns können sich alle Vorzüge einer Ganzheitstherapie vereinen. Impulsgebend für das Pilgern auf Weitwanderwegen war das Reaktivieren alter Jakobswege. Bei diesen Angeboten für ein wochenlanges Wandern wurde neben der Neugierde auf Unbe- kanntes zugleich ein reges Interesse für die Chancen sportlicher Selbstbestätigung geweckt. Ob- schon die Motivationen sehr verschieden und zum Teil Modeerscheinungen sein können, wer- den von vielen, wenn nicht von den meisten Pilgern unterwegs auch sinnstiftende Erfahrungen gewonnen. So hat sich das missverständliche Schlagwort verbreitet: „Der Weg ist das Ziel“. Vor allem Einzelpilger beschreiten in Ihrer Suche nach Lebensorientierung einen inneren Weg, der bei unvoreingenommener Offenheit überraschend hilfreich sein kann. Eines von zahl- reichen Beispielen ist das Pilgertagebuch von Raimund von der Thannen, der im Jahre 2000 von Feldkirch nach Einsiedeln und über Flüeli Ranft und Taizé bis Lourdes wanderte. Er konnte schon an den ersten fünf Wandertagen „soviel Positives erfahren, Wertvolles erleben, dass sich das Unternehmen schon gelohnt hat.“ Sein Resümee: „Ich kann nur empfehlen, sich einmal ei- ne Woche auf Pilgerschaft zu begeben.“18 Die nach Einsiedeln führenden Wanderwege sind durchwegs so gut betreut, dass das Wan- dern leicht gemacht ist. Es ist jedenfalls keine besondere Kondition erforderlich. Dank einer ausreichenden Beschilderung und Markierung ist es mit Hilfe der gebräuchlichen Wanderkarten auch problemlos, sich im Gelände zu orientieren. Gut geeignet sind zwei vom Verlag Küm- merly+Frey herausgegebene Karten St. Gallen – Toggenburg / Appenzellerland und Schwyz – Zug / Vierwaldstättersee im Maßstab 1:60.000. Im Unterschied zu früheren Jahrhunderten sind die heutigen Pilger materiell nicht mehr so bedürftig, dass sie sich zum Einsparen von Übernachtungskosten zu möglichst langen Tages- märschen genötigt sehen. Statt mit einst normalen 8- bis 12-stündigen Tagesmärschen kann man sich heute auf genüssliche 5- bis 7-stündige Wanderungen einstellen. Dazu stehen auf allen Teilstrecken vorzügliche Einkehrmöglichkeiten zur Verfügung. 3.2 Routen zur Wahl Die Schweizer Fachstelle Inventar historischer Verkehrswege (IVS) – heute ViaStoria genannt – hat zwischen Bodensee und Genfersee bereits um die Mitte der 90er Jahre durchgehende Pilger- wege ausgewiesen. Diese wurden im Blick auf den in Spanien reaktivierten Camino nach Sant- iago de Compostela als Jakobswege bezeichnet. Der von Vorarlberg aus nächstgelegene offizielle Jakobsweg führt von Rorschach über St. Gallen – Herisau – St. Peterzell – Wattwil – Laad – Etzelpass nach Einsiedeln. Diese Route ist mit braunen Wegweisertafeln und Markierungszeichen kenntlich gemacht. Bei den Vorarlberger Zugängen zu dieser Hauptroute wurde bislang von einer Bezeichnung als Jakobswege kaum Gebrauch gemacht, um nicht den Eindruck zu erwecken, als sei immer Santiago de Compostela das vorrangige Ziel. 15
Bei den östlichen Zugängen zum Ostschweizer Jakobsweg wurde von der Frage nach den früher bevorzugten Wegen nach Einsiedeln ausgegangen und versucht, im Bereich der historischen Routen die geeignetsten Wanderwege ausfindig zu machen. Dabei wurden auf Länder- bzw. Kantonsebene einvernehmlich die in den Vorbemerkungen genannten Rheintal-Querverbindun- gen Bregenz – Lustenau – Widnau – Altstätten – Stoss – Appenzell, Rankweil – Meiningen – Eggerstanden – Appenzell sowie Feldkirch – Bendern – Wildhaus gewählt. Die Zugänge von Bregenz und Rankweil her vereinen sich in St. Peterzell mit dem Jakobsweg, die Route über Feldkirch und Wildhaus in Wattwil. Dazu kommen noch regionale und örtliche Zugänge mit verschiedenen Varianten. So kann zum Beispiel im Anschluss an die vom Arlberg und Monta- fon in den Walgau führenden Hauptrouten in Satteins zwischen dem Pilgerweg über Feldkirch – Toggenburg und über Rankweil – Appenzell gewählt werden. Bei den genannten Routen halten sich die Gesamtgehzeiten annähernd in der gleichen Grö- ßenordnung. Die für einen gemächlichen Schritt ermittelten Gehzeiten bis Einsiedeln betragen ab Feldkirch 28-29 Stunden, ab Rankweil 29-30 Stunden, ab Bregenz 32-33 Stunden. 3.3 Feldkirch als Etappenort Wer weit entfernte Wallfahrtsorte aufsuchte, nahm früher auf den langen Wegen ungleich mehr Risiken auf sich als heute. Daher waren viele Fußpilger auch für Zwecke der gegenseitigen Hil- fe in mehr oder weniger großen Gruppen unterwegs. Bevor man „mit Kreuz und Fahne“ loszog, fand am Ausgangsort ein Wallfahrtsgottesdienst statt. Das war in Feldkirch normalerweise in der Stadtpfarrkirche, dem jetzigen Dom. Feldkirch war zugleich Zwischenziel für jene Einsied- ler Pilger, die aus dem Walgau und den östlich anschließenden Bergtälern oder von Tirol her über den Arlberg oder das Zeinisjoch kamen. In Satteins bogen manche Wallfahrer auch auf die etwa gleich lange Route über Rankweil und danach in Richtung Appenzell ab. Dabei bot sich nämlich die Chance, unterwegs noch einen überregional bekannten Marienwallfahrtsort aufzu- suchen. Vielen Wallfahrern blieb unbekannt, dass sich auch in der Feldkircher Stadtkirche eine be- sonders schöne Marienstatue befindet, die seit mehr als einem halben Jahrtausend sehr geschätzt wird. Sie wurde um 1420-30 als Terracottaskulptur geschaffen und dürfte sogar noch älter sein als die Marienstatuen in Einsiedeln und Rankweil. Für Pilger, die über Feldkirch nach Einsie- deln wandern, gibt es somit einen zusätzlichen Grund, den ohnehin sehenswerten Dom zu besu- chen. Der außen wie eine normale städtische Pfarrkirche aussehende Dom überrascht im Inne- ren mit der meisterhaften gotischen Architektur von Hans Sturn aus Göfis, der den Bau 1478 verwirklicht hat. Der Chor wurde 1520 mit Stilelementen der Renaissance angebaut. Kunstinter- essierte finden eine vielfältig beachtenswerte Ausstattung, wie etwa den rechten Seitenaltar (Annenaltar) mit Bildern von Wolf Huber, die farbenfrohen Glasmalereien von Martin Häusle, das Schmiedekunstwerk der Kanzel, das ursprünglich als Sakramentshäuschen gedient hatte o- der der neugotische Marienaltar im Seitenschiff mit der erwähnten Marienstatue. Wer Feldkirch als Etappenort der Pilgerroute nach Einsiedeln nur auf einem kurzen Gang durch die mittelalterliche Altstadt unter der Schattenburg kennen lernt, bemerkt sehr schnell, dass die kulturgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten der Montforterstadt weit über das hinaus- gehen, was Pilger unterwegs noch nebenbei mitbeachten können. Das kann immerhin ein An- stoß sein, der Stadt bei einem weiteren Besuch mehr Beachtung zu schenken. Im Vorarlberger Wanderwegenetz bietet sich Feldkirch vor allem für folgende Hauptrouten als Anschluss und Etappenort an: • Walgauweg Bludenz – Thüringen – Schnifis – Satteins – Feldkirch mit insgesamt 7 ¼ Stun- den Gehzeit. 16
• Zugang durch Bludenz auf dem Arlbergweg Landeck – Arlberg – Bludenz. Bis Feldkirch mit 14 ¼ Stunden Gehzeit ab Klösterle und 28 Stunden ab Landeck. • Zugang durch Bludenz auf dem Montafoner Illweg. Bis Feldkirch mit 11 ¼ Stunden Geh- zeit ab Schruns und 14 Stunden ab St. Gallenkirch. • Zugang zum Walgauweg auf der Via Alpina bzw. auf dem Walserweg ab Buchboden / Fa- schina über St. Gerold – Schnifis. Bis Feldkirch mit 11 Stunden ab Buchboden und 5 ¾ Stunden ab St. Gerold. 3.4 Der Pilgerweg über Wildhaus und seine historischen Bezüge In früheren Jahrhunderten waren die Hauptverbindungen von Ort zu Ort die gebräuchlichsten Wanderwege. Seit dem Aufkommen des motorisierten Verkehrs und dem Ausbau der Wege zu Asphaltstraßen ging deren frühere Eignung zum Wandern zumeist verloren. Zum Glück ist es im Bereich der traditionellen Routen immerhin möglich, auf mehr oder weniger parallel füh- rende Wanderwege auszuweichen. Diese sollten aber immer in die von den Pilgern auch in der Vergangenheit bevorzugten Etappenorte führen. Zwischen Feldkirch und Gams, wo verschiedene historische Verbindungen zur Verfügung standen, vor allem über Tisis – Mauren – Bendern oder über Nofels – Ruggell – Sax, sind heute auf den reizvollen Wegen über St. Corneli – Schellenberg und Nofels – Bangs gut geeignete Kompromissvarianten zu finden. Auf Teilstrecken, wie etwa zwischen Gams und Wildhaus, konnte die Route aber auch im ursprünglichen Verlauf der alten Saum- und Fahrwege geführt werden. Im oberen Toggenburg braucht es zwar oft Abstand von dem nun zur Hauptstraße aus- gebauten alten Pilgerweg, dafür bietet der der Thur entlang führende regionale Thurweg die Reize einer großteils noch naturnah erhaltenen Flusslandschaft. Ab Wattwil wurde bei der Konzeption für den Jakobsweg ebenfalls versucht, dem histori- schen Wegverlauf wenigstens nahe zu kommen. Im Unterschied zu früher muss man jedoch auch da immer wieder asphaltierte Wegstrecken in Kauf nehmen. Der Pilgerweg Feldkirch – Wildhaus – Wattwil – Rapperswil – Einsiedeln 17
3.5 Gehzeiten und Höhenunterschiede Die im Folgenden angegebenen Gehzeiten der Teilstrecken sind Durchschnittswerte, die von Schnellgehern leicht verkürzt werden können. Teilstrecke Gesamt-Höhendifferenzen Gehzeit aufwärts ca. m abwärts ca. m Stunden Feldkirch Stadtmitte – St. Corneli 110 40 1 St. Corneli – Schellenberg – Bendern 140 200 2¾ Bendern – Gams 40 20 1½ Gams – Wildhaus 640 30 3¼ Wildhaus – Unterwasser 30 220 1 Unterwasser – Alt St. Johann - 10 ½ Alt St. Johann – Stein 30 80 1½ Stein – Nesslau 30 100 1 Nesslau – Krummenau 20 60 1¼ Krummenau – Ebnat-Kappel 90 170 1½ Ebnat-Kappel – Wattwil - 20 1¼ Wattwil – Obere Laad / Heid 410 30 1½ Obere Laad – Walde 60 200 1¼ Walde – St. Gallenkappel 10 290 1¼ St. Gallenkappel – Neuhaus 20 80 ½ Neuhaus – Eschenbach 20 40 ½ Eschenbach – Rapperswil 140 210 2½ Rapperswil – Hurden - Pfäffikon 10 10 1¼ Pfäffikon – St. Meinrad 540 - 1½ St. Meinrad – Einsiedeln 110 170 2 Insgesamt 2450 1970 28 ¾ 18
Varianten: • Feldkirch – Nofels – Ruggell – Bendern: 3 ¼ Stunden • Neuhaus – Wurmsbach – Rapperswil: 3 Stunden Bei der Variante über Nofels ist der Höhenunterschied ca. 150 Meter, bei der Variante über Wurmsbach um 80 bis 100 m geringer. Wer die Route nicht unter einmal abgehen möchte, findet für An- und Rückfahrten in kurzen Abständen Haltestellen des öffentlichen Verkehrs. 3.6 Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten Dank der Vielzahl von Einkehr- und Übernachtungsorten bieten sich als Tagesetappen verschie- denste Varianten. Im Wissen um diese Auswahl können Pilger die Chance nützen, sich erst un- terwegs für die eine oder andere Möglichkeit zu entscheiden. Bei größeren Gruppen wird hin- gegen vorausgesetzt, dass rechtzeitig eine Auswahl mit Anmeldung erfolgt. Für die Kontakt- nahme können die nötigen Detailinformationen dem Internet entnommen werden. Vorausge- hend kann die folgende Auflistung der am Weg befindlichen Einkehr- und Übernachtungsmög- lichkeiten eine erste Orientierung vermitteln. Ort Essen und Trinken am Weg Unterkünfte Feldkirch Auswahl verschiedenartiger Gaststätten Verschiedene Kategorien St. Corneli Gasthof z. tausendjährigen Eibe (Di geschl.) Auf der Egg Gasthof Auf der Egg (Mo + Di geschl.) Hinderschloss Kleiner Landgasthof Rofenberg Gasthof Hirschen (Do geschl.) Gasthof Hirschen Nofels Verschiedene Gaststätten Gasthof Löwen Bangs Gasthof Stern Ruggell Gasthof Rössle (Mi geschl.) Gasthof Rössle Bendern Restaurant Deutscher Rhein (Mo geschl.) Hotel Deutscher Rhein Gasthof Löwen (Di + Mi geschl.) Gasthof Löwen Haag Restaurant Kreuz Hotel Kreuz Gams Restaurant Schäfli (Do geschl.), Rest. Kreuz Hotel Schäfli Wildhaus Zahlreiche Gaststätten Verschiedene Kategorien Unterwasser Zahlreiche Gaststätten Verschiedene Kategorien 19
Ort Essen und Trinken am Weg Unterkünfte Alt St. Johann Mehrere Gaststätten Unterkünfte zur Wahl Starkenbach Gasthaus. Drei Eidgenossen, Rest. Churfirsten Gasthaus Drei Eidgenossen Stein Mehrere Gaststätten Unterkünfte zur Wahl Germen Gasthaus Feihof (Mi + Do geschl.) Gasthaus Freihof („rustikal“) Nesslau Mehrere Gaststätten Verschiedene Kategorien Krummenau Drei Gasthöfe Unterkünfte zur Wahl Ebnat-Kappel Mehrere Gaststätten Unterkünfte zur Wahl Wattwil Zahlreiche Gaststätten Verschiedene Kategorien Walde Gasthaus Kreuz (Do geschl.) Gh. Kreuz (beschränkt) St. Gallenkappel Gh. Krone, Gh. Rössli (Do + Fr v. geschl.), Gasthöfe Krone + Rössli Restaurant Frohsinn Neuhaus Gasthaus Ochsen (Di nachm. + Mi geschl.), Gasthof Ochsen Restaurant Krone (Mo + So geschl.) Eschenbach Verschiedene Gasthäuer Beschränkte Auswahl Schmerikon Mehrere Gaststätten Verschiedene Kategorien Oberbollingen Wirtschaft zum Hof (Do geschl.) Bollingen Dorf Restaurant Schiffahrt (mit Seeterrasse, Sept.- April Mo-Di geschl., sonst offen) Rapperswil-Jona Große Auswahl an Gaststätten Verschiedene Kategorien Hurden Hotel Rössli, Rest. Adler und Kreuz Hotel Rössli, Rest. Kreuz Pfäffikon Mehrere Gaststätten Verschiedene Kategorien Luegeten Restaurant Luegeten St. Meinrad Gasthof St. Meinrad (Mi + Do geschl.) Gasthof St. Meinrad Teufelsbrücke Gasthaus Krone (Mi geschl.) Einsiedeln Große Auswahl an Gaststätten Verschiedene Kategorien Bei der angeführten Kurzorientierung besteht keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. 20
Rapperswil gehört zu den gastronomisch bestausgestatteten Etappenorten. Konkretere Angaben sind im Wanderführer Wandern auf dem Jakobsweg von Peter Witschi (Appenzeller Verlag Herisau, seit 1997 in aktualisierten Auflagen) zu finden. Im Internet vermitteln vor allem folgende Adressen detaillierte touristische Informationen: Vorarlberg: www.vorarlberg-tourism.at Liechtenstein: www.tourismus.li Schweiz: www.gastronomieguide.ch oder www.youthhostel.ch. Bei der Suche nach Unterkünften für größere Pilgergruppen empfiehlt sich die vorausgehende Umschau an Ort- und Stelle und die Kontaktnahme mit den örtlichen Tourismusbüros. Dabei können auch Unterkünfte erfragt werden, die nicht gastgewerblich geführt werden. Erfreulicherweise ist es bei der Pilgerroute von Feldkirch nach Einsiedeln möglich, den ver- schiedensten Ansprüchen mit überdurchschnittlichen Wahlmöglichkeiten gerecht zu werden. Das Angebot reicht von Restaurants und Hotels der gehobenen Kategorien über einfache Land- gasthöfe bis zu billigsten Gruppenunterkünften. Bei den alternativen Unterkunftsformen werden auf einigen Bauernhöfen – z.B. in St. Gallenkappel, Wurmsbach, Pfäffikon, Egg-Roblosen und Einsiedeln – auch sehr rustikale „Schlafplätze im Stroh“ geboten. Anbieterverzeichnisse sind im Internet unter www.abenteuer-stroh.ch zu finden. Unterkünfte in Klöstern stehen gegenwärtig nur sehr beschränkt zur Verfügung. Am Weg sind das Zisterzienserinnenkloster in Wurmsbach (www.wurmsbach.ch) und das Kapuzinerklos- ter in Rapperswil (www. klosterrapperswil.ch) vor allem auf Gäste eingestellt, die sich für mehrtägige Besinnungsaufenthalte interessieren. Pilgerhospize alten Stils stehen derzeit noch nicht zur Verfügung. Ein solches ist aber in Rapperswil immerhin bereits geplant. Verschiedenste speziell für Pilger zusammengestellte Informationen und Links sind zu finden unter www.wandersite.ch/Jakobspilger oder www.jakobsweg.ch/home. Wer sich speziell für Wegbeschreibungen interessiert, findet hilfreiche Auskünfte unter www.jakobswege.net/vote. 21
4. Routenbeschreibung 4.1 Durch das Rheintal nach Wildhaus In Feldkirch (458 m) führt der Gang durch die Stadt vom Domplatz über die Schmiedgasse, Marktgasse und Zeughausgasse zum Illufer, dort nach rechts am Wasserturm und Diebsturm vorbei zur gemauerten Bogenbrücke über die Ill. Der Ortsteil Heiligkreuz (465 m) am anderen Illufer war im Mittelalter ein wichtiger Ver- kehrsknotenpunkt. Dort war die Nord-Süd-Verbindung Bodensee – Graubünden – Italien bis zum Brückenbau in der Oberen Illschlucht (1538) mit dem Arlbergweg und mit der Rheintal- querverbindung über Nofels verknüpft. Im frühen Mittelalter wurde diese Brückensiedlung Pon- tilles (842), auf deutsch Illbruck genannt. Der Ortsname Heiligkreuz wurde erst nach dem Bau der Heilig-Kreuz-Kapelle gebräuchlich. Sie entstand 1380 zur Erinnerung an die von Graf Ru- dolf V. unternommene Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die gotischen Innenfresken wurden zum Teil bei einer 1992 erfolgten Renovierung freigelegt. An der Außenwand ist eine Darstellung des St. Christophorus zu sehen. In nächster Umgebung fanden die Reisenden alle nötigen Ver- kehrseinrichtungen, wie Gasthöfe, Ställe, Hufschmied und Wagner. Bei den alten Häusern Im Kehr zweigt die historische Straßenverbindung Richtung Schweiz ab, die über Nofels führte. In der Illschlucht geht man auf der alten Fahrstraße ein Stück aufwärts zum Margarethenkapf. Dort kommt man zu der aus dem 15. Jahrhundert stam- menden St. Margarethenkapelle, unter der die Straße durch einen Torbogen hindurchführt. Darüber befindet sich das turmartige Tschitscherschlösschen, das 1620 als privater Wohnsitz erbaut wurde. Dieser Bereich war 1799, als von den Franzosen die Eroberung von Feldkirch versucht wurde, einer der Hauptangriffspunkte. Straßentor am Margarethenkapf (Zeichnung von R. Püttner) Nach dem Gang durch den Schluchtwald und dem Queren einer Straßenkreuzung gelangt man zu einem Fußweg auf dem Illdamm. Nach einem knapp viertelstündigen Spaziergang am Fluss entlang zeigt ein Wegweiser, wo man durch die Tostner Wohnsiedlung Blumenau zum Fuß des Schellenbergs kommt. Dort führt ein Waldweg an der St. Wolfgang-Kapelle vorbei bergwärts. Die gotische St. Wolfgang-Kapelle (430 m) wurde 1448 erbaut. In ihrer Nähe hat man 1499 zahlreiche Krieger bestattet, die in der Schlacht bei Frastanz umgekommen waren und aus der damals hier vorbei fließenden Ill geborgen wurden. Im schattigen Wald wandert man zunächst auf einem sehr alten Weg, danach auf einer kur- zen Zufahrtstraße zur Rodungsinsel von St. Corneli (522 m). In St. Corneli diente die den Heiligen Cornelius und Cyprian geweihte Kirche den Bewoh- nern von Tosters bis 1881 als Pfarrkirche. Zugleich war sie ein regionales Wallfahrtsziel. Die äl- 22
testen Gemäuer dürften zumindest auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. Im 17. Jahrhundert er- folgten Umbauten, das Innere wurde auch später wiederholt verändert. 1953 malte Martin Häus- le das den Märtyrertod des heiligen Cyprian darstellende Deckengemälde. Neben der Kirche ist eine sehr alte Eibe zu sehen, die mit einiger Übertreibung als „tausend- jährige Eibe“ bezeichnet wird. Von diesem Baum erzählt die Legende, in ihrem Schatten habe einst die Gottesmutter gerastet, als sie einmal von Einsiedeln ins Rheintal gekommen sei. Diese Verbindung mit der Volksfrömmigkeit hat der Eibe allerdings nicht gut getan, weil es viele Leu- te nicht unterlassen konnten, Rindenstücke abzuschneiden. Auf der bewaldeten talseitigen Anhöhe ist der Bergfried der einstigen Burg Tosters zu se- hen. Sie entstand im 13. Jahrhundert nach Erbteilungen der Grafen von Montfort-Feldkirch, wurde im 14.-15. Jahrhundert erweitert, geriet aber seit dem 16. Jahrhundert in Verfall. Kirche St. Corneli mit der „tausendjährigen Eibe“ Bei einem Bauernhof gegenüber dem Gasthof „zur tausendjährigen Eibe“ beginnt ein Fußweg, der etwas steil zum Höhenrücken bei der Parzelle Auf der Egg (597 m) führt. Auf der unbe- waldeten Anhöhe bieten sich weite Ausblicke ins Rheintal, wobei in der Gebirgsumrahmung die Schweizer Rheintalberge am nächsten sind. Kurz danach überschreitet man im Bergwald die ös- terreichisch – liechtensteinische Staatsgrenze. Nach einem kurzen Anstieg führt ein bequemer Höhenweg nahe der Kante des südwestlichen Steilabfalls durch einen reizvollen Föhren- Buchenwald, der auch mit Eichen, Eiben und Stechpalmen durchsetzt ist. Unterwegs kommt man wiederholt zu Aussichtspunkten, von denen der am Gantenstein (670 m) am bekanntesten ist. Dort reicht der Blick über Feldkirch hinweg zwischen dem westlichen Rätikon und dem Walserkamm in den Walgau und darüber hinaus bis zum Lechquellengebirge und Verwall. Kaum tritt man etwas später aus dem Wald heraus, bietet sich eine Aussicht in das obere Rhein- tal, wobei hier zwischen Rätikon und Alviergruppe auch Pizol und Calanda ins Bild kommen. Viel weniger auffällig ist eine kleine Anhöhe in nächster Nähe, die dafür aber immer wieder Exkursionen von Archäologen anzieht. Es ist die bewaldeten Kuppe des Borscht. Dort befand 23
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