ÜBERBLICK zu EUROPÄISCHEN GESETZESINITIATIVEN - EU-Koordination - Stadt Wien

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ÜBERBLICK zu EUROPÄISCHEN GESETZESINITIATIVEN - EU-Koordination - Stadt Wien
EU-Koordination

                  ÜBERBLICK zu
              EUROPÄISCHEN
         GESETZESINITIATIVEN

                                 Stand: März 2021
Kurzfassung – Für Wien relevante EU-Themenentwicklungen

Beschäftigungs- und Sozialpolitik:

Die europäische Politik für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit zielt auf eine Verbesserung der
Lebensbedingungen ab, indem Beschäftigung, nachhaltiges Wachstum und ein stärkerer sozialer
Zusammenhalt gefördert werden. Nachdem unter der vorangegangenen Juncker-Kommission die soziale
Dimension zu einer der Kernprioritäten erhoben wurde, kündigte auch die seit Juli 2019 im Amt befindliche
neue Präsidentin der Europäischen Kommission („EK“), Ursula von der Leyen („VdL“), bereits im Rahmen
der Vorstellung ihrer politischen Schwerpunkte eine Reihe von Initiativen im Bereich der Sozialpolitik an. In
der im Jänner 2020 vorgelegten Mitteilung über „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“
gab die EK schließlich einen ersten Ausblick auf die sozial-, bildungs- bzw. gleichstellungspolitischen
Initiativen, die 2020 bzw. 2021 auf den Weg gebracht werden sollen. So wurden seither u. a. Mitteilungen
betreffend eine Europäische Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025, die Stärkung der
Europäischen Jugendgarantie, eine aktualisierte europäische Agenda für Kompetenzen, die Vollendung des
Europäischen Bildungsraumes, ein Aktionsplan für digitale Bildung, die Strategie für die Rechte von
Menschen mit Behinderungen, ein Grünbuch zum Thema Altern oder ein Richtlinienvorschlag zur Stärkung
der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder
gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmaßnahmen vorgelegt. Hervorzuheben ist
in diesem Zusammenhang jedoch die als zentraler politischer Schwerpunkt im Sozialbereich von der VdL-
Kommission angekündigte Initiative zur Sicherstellung angemessener Mindestlöhne für ArbeitnehmerInnen
in der EU. Nach dem primärrechtlich vorgesehenen, zweistufigen Konsultationsprozess mit den
europäischen Sozialpartnern legte die EK schließlich Ende Oktober 2020 einen Vorschlag für eine Richtlinie
über angemessenen Mindestlöhne in der EU („RL-Vorschlag“) vor. Eine einheitliche Länderstellungnahme
hierzu ist aufgrund unterschiedlicher Positionen im Zusammenhang mit der Frage der kompetenzrechtlichen
Zulässigkeit dieses RL-Vorschlags nicht zustande gekommen.

Gemeinsam mit der o. a. Mitteilung über „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ initiierte
die EK im Jänner 2020 außerdem einen breit angelegten öffentlichen Konsultationsprozess, auf dessen
Grundlage ein gemeinsamer Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte ausgearbeitet und Anfang
März 2021 vorgelegt wurde. Das Land Wien hat an dieser Konsultation im Vorfeld der Unterbreitung des
Aktionsplans teilgenommen und eine umfangreiche Stellungnahme eingebracht.

Wie dem Arbeitsprogramm der EK für 2021 entnommen werden kann, sind eine Reihe weiterer
sozialpolitischer Initiativen für das laufende Jahr geplant, wie insbesondere eine Empfehlung für eine
Europäische Kindergarantie, ein Aktionsplan für die Sozialwirtschaft, eine EU-Strategie für die Rechte des
Kindes oder eine legislative Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten.

Finanzen:

Der Brexit, die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie neue Eigenmittelkategorien
haben große Auswirkungen auf den aktuellen EU-Finanzrahmen seit 2021. Das zwischenzeitig von Polen
und Ungarn eingelegte Veto zur HaushaltskonditionalitätenVO (dh. die Koppelung der Auszahlung der
Finanzmittel an die Rechtsstaatlichkeit) als Teil des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) stoppte kurzzeitig

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das formelle einstimmige Beschlussfassungserfordernis im Rat der Europäischen Union. Österreich wird
neben den Mitteln aus dem MFR voraussichtlich aus der Aufbau- und Resilienzfazilität „Next Generation-
EU“ – als Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie – im
Zeitraum 2021 bis 2023 knapp 3 Milliarden Euro an Zuweisungen erhalten. Der Anteil für Wien ist derzeit
noch nicht bekannt, da von der Bundesregierung ein innerstaatlicher Verteilungsschlüssel bis dato nicht
vorgelegt wurde. Ein nationaler Aufbauplan soll im Frühjahr in Brüssel vorgelegt werden. Nach derzeitigem
Stand stehen Österreich insgesamt aus den für Wien relevanten Fonds wie beispielsweise dem
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) insgesamt 477 Mio EUR und dem Europäischen
Fonds für territoriale Zusammenarbeit (Interreg) 192 Mio EUR zur Verfügung.

Energie/Klimawandel:

Mit dem Vorschlag für ein Europäisches Klimagesetz, der im Zusammenhang mit dem politischen Ziel „Ein
Grüner Deal für Europa“ steht, soll die EK ermächtigt werden, mittels delegierten Rechtsakten Klimazielpfade
für die Mitgliedstaaten zur Erreichung einer Klimaneutralität vorzuschreiben. Diese Zielpfade wären aber EU-
rechtskonform im Klimagesetz selbst zu verankern. Auch die weitgehende kriterienlose Ermächtigung für
Maßnahmen und Empfehlungen der EK widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip, da das Recht der
Mitgliedstaaten beschnitten würde, selbst über die Zusammensetzung ihres Energiemixes zu entscheiden.

Die Mitteilung „Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Eine EU-Strategie zur Integration des
Energiesystems“ enthält eine Strategie zur Dekarbonisierung aller Wirtschaftszweige und weiteren Senkung
der Treibhausgasemissionen. Dabei wird die wichtige Rolle der Energiesysteme bei der Verwirklichung
dieser Ziele betont und insbesondere ein beschleunigter Ausbau der „Offshore- Stromerzeugung“ als auch
eine Renovierungsstrategie für kleine und mittlere Wasserkraftwerke gefordert. Aus Sicht der Länder wären
aber derartige Strategien ausschließlich in die nationalen Energie- und Klimastrategien einzubeziehen. Auch
die Absicht der EK, auf europäischer Ebene die Nutzung elektrischer Energie für die Raumheizung bzw. -
kühlung zu forcieren, ist subsidiaritätswidrig. Die Entscheidung, mit welcher Technologie Gebäude künftig
geheizt und gekühlt werden, und die Forcierung des Ausbaus hocheffizienter Fernwärmeversorgungsnetze,
Niedertemperaturnahwärmenetze, lokale Nahwärmekonzepte z.B. mit Biomasse für die Wärme- und
Kälteversorgung etc., müssen weiterhin Sache der Mitgliedstaaten bleiben.

In ihrer Mitteilung „Eine Renovierungswelle für Europa“ kündigt die EK ein Bündel von Maßnahmen auf EU-
Ebene an, um die jährliche Quote der energetischen Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden
bis 2030 mindestens zu verdoppeln bzw. diese Quote bis 2050 aufrechtzuerhalten, um das Ziel der
Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Dazu sollen auch mehrere EU-Rechtsakte geändert werden. Die
Länder dringen in Bezug auf die geplante Änderung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie in ihrer
einheitlichen Länderstellungnahme vehement auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips,
insbesondere im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur energetischen Renovierung bestehender Bauten.
Die Dekarbonisierung im Gebäudesektor und der Wärme-/Kälteversorgung in den einzelnen Mitgliedstaaten
und in benachteiligten Gebieten muss außerdem für die dort ansässigen Menschen mit mittlerem und
niedrigerem Einkommen sowie für sozial benachteiligte Menschen leistbar sein. Zudem wird betont, dass
nicht in das Recht eines Mitgliedstaats eingegriffen werden darf, seine Wahl zwischen verschiedenen
Energiequellen eigenständig zu treffen.

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Umwelt:

Die gemeinsame Länderstellungnahme zum Vorschlag für eine RL über die Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch kommt zum Schluss, dass eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips vorliegt (da
z.B. unterschiedliche Trinkwasservorkommen in den Mitgliedstaaten auch individuelle Lösungen bedingen).
Ebenso wird in der einheitlichen Stellungnahme der Länder zum Vorschlag für eine VO über
Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung der Verstoß gegen das Subsidiaritäts- und
Verhältnismäßigkeitsprinzip moniert: Dieser ergibt sich durch nicht an die Sachmaterie sowie an die örtlichen
Gegebenheiten anknüpfende Regelungsvorschläge sowie aufgrund fehlender Rechtsgrundlage auf EU-
Ebene. Die Verhandlungen zur Trinkwasser-RL (Ratsarbeitsgruppe (RAG) Umwelt) gestalteten sich vor
allem im Hinblick auf die Überarbeitung der Parameterliste, die Vorgaben zum Zugang zu Wasser und
Konsumenteninformationen sowie die Anforderungen für Baumaterialien im Kontakt mit Trinkwasser
schwierig. Nach fünf Trilogen konnte am 18. Dezember 2019 eine politische Einigung unter finnischem
Vorsitz erzielt werden. Nach den formellen Abstimmungen konnte die Richtlinie am 23. Dezember 2020 im
Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Digitaler Binnenmarkt:

Der digitale Binnenmarkt bzw. generell die digitale Agenda ist unter dem Motto „Ein Europa für das digitale
Zeitalter“ weiterhin ein wesentlicher Themenschwerpunkt der EK. Aus Wiener Sicht sind insbesondere die
Themenfelder Gestaltung der digitalen Zukunft Europas, Künstliche Intelligenz, Europäische Datenstrategie,
Digitale Dienste sowie die Netz- und Informationssicherheit (NIS-Richtlinie) hervorzuheben. In Fortführung
dieses Schwerpunkts sind im Arbeitsprogramm 2021 sieben Vorschläge für neue Initiativen dazu enthalten.

Migrations- und Asylpolitik:

Am 23. September 2020 legte die EK ihr im Arbeitsprogramm 2020 ursprünglich bereits für das erste Quartal
2020 angekündigtes Migrations- und Asylpaket vor. Mit diesem Paket soll ein Neustart in der Europäischen
Asyl- und Migrationspolitik angestoßen werden, nachdem die Verhandlungen zu den 2016 bzw. 2018
vorgelegten Reforminitiativen zu keinem Abschluss gebracht werden konnten. Das vorgelegte Paket umfasst
neben der Mitteilung „Ein neues Migrations- und Asylpaket“, COM(2020) 609 final, neun weitere Initiativen,
wovon fünf legislativer Natur sind. Zu den Kernelementen dieses umfangreichen Legislativpakets zählen u.
a. der mit dem „Vorschlag für eine Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement“ eingeführte und mit
dem „Vorschlag für eine Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Fällen höherer Gewalt im
Bereich Migration und Asyl“ für Krisensituationen entsprechend angepasste neue Solidaritätsmechanismus,
der nunmehr auch sog. „Rückkehrpatenschaften“ als neues Instrument des Solidaritätsbeitrags umfassen
soll. Außerdem wird die Einführung eines integrierten Grenzverfahrens vorgeschlagen, das u. a. erstmals
ein obligatorisches Screening-Verfahren vor der Einreise vorsieht, das für alle Drittstaatsangehörige, die
unbefugt die EU- Außengrenze übertreten, durchzuführen ist. Das Land Vorarlberg hat die Federführung für
die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung für dieses Dossier übernommen und einen Vorschlag
für eine einheitliche Länderstellungnahme vorgelegt. Während in Bezug auf die fünf Legislativakte keine

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Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip festgestellt wurden, wurden in Bezug auf einzelne Bestimmungen
im Vorschlag für eine Asyl- und Migrationsmanagement Verordnung sowie im Änderungsvorschlag
betreffend den Vorschlag für eine Asylverfahrensverordnung vereinzelt Verhältnismäßigkeitsbedenken
vorgebracht. Nach Berücksichtigung inhaltlicher Anmerkungen von Wien, erging hierzu Anfang Jänner 2021
schließlich eine einheitliche Länderstellungnahme.

Katastrophenschutz:

Im Lichte der Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie legte die EK am 2. Juni 2020 neuerlich einen
Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Beschlusses
Nr. 1313/2013/EU über ein Katastrophenschutzverfahren der Union vor. Ziel dieses Vorschlags ist es, das
Katastrophenschutzverfahren der Union in künftigen Krisen größeren Ausmaßes schneller und flexibler zu
gestalten. Zu diesem Vorschlag erging im Vorfeld der Beratungen des EU-Ausschusses des Bundesrates
vom 1. Juli 2020 eine einheitliche Länderstellungnahme (unter der Federführung Vorarlbergs), in der
Subsidiaritätsbedenken im Hinblick auf die vorgeschlagene Befugnis der EK zur Festlegung von
Unionszielen für die Katastrophenresilienzplanung mittels delegierter Rechtsakte sowie die weitreichende
alleinige Befugnis der EK betreffend die Beschaffung von rescEU-Kapazitäten (europäische Kapazitäten für
die Katastrophenabwehr) geäußert wurden. Ende November 2020 konnte im Rat ein vollständiges Mandat
für die anschließenden interinstitutionellen Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament erzielt werden.
Im Verhandlungsmandat des Rates ist den in der einheitlichen Länderstellungnahme vorgebrachten
Bedenken zum Teil Rechnung getragen worden. Im Februar 2021 konnte eine vorläufige Einigung in den
interinstitutionellen Verhandlungen zu diesem Dossier auf europäischer Ebene erzielt werden.

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Beschäftigungs- und Sozialpolitik

Die Bereiche Beschäftigungs- und Sozialpolitik zählen zu jenen Politikfeldern, in denen der EU nur
eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten übertragen wurden. In erster Linie sind es nach wie vor
die EU-Mitgliedstaaten, die in diesen Bereichen zuständig sind. Die Union unterstützt und ergänzt
lediglich die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik, wobei ihr in bestimmten
sozialpolitischen Bereichen die Kompetenz zur Erlassung von Mindestvorschriften mittels
Richtlinien zukommt. Der EU-Besitzstand im Bereich Beschäftigung und Soziales umfasst
inzwischen u. a. Vorschriften zur Regulierung der Arbeitszeiten, zur Bekämpfung von
Diskriminierung am Arbeitsplatz, zur Gewährleistung sicherer Arbeitsbedingungen und zur
Sicherung des Rechts auf Entschädigung bei Arbeitsunfällen.

Unter der vorangegangenen Juncker-Kommission wurde die soziale Dimension zu einer ihrer
Kernprioritäten    erhoben.    So    wurden     unter    der    Juncker-Kommission        insgesamt     27
Gesetzgebungsinitiativen im Sozialbereich lanciert, 1 wobei der Großteil der Initiativen noch im
Rahmen der vorangegangenen Wahlperiode zum Abschluss gebracht werden konnte und somit
(gegebenenfalls) bereits in das Umsetzungsstadium übergetreten ist. Unter anderem zu den
folgenden sozialpolitischen Initiativen ergingen einheitliche bzw. gemeinsame Stellungnahmen der
Bundesländer: Vorschlag für eine Richtlinie (RL) zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen, Vorschlag für
eine RL zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Vorschlag für eine RL über transparente und
vorhersehbare Arbeitsbedingungen, sowie zur Mitteilung der EK zum Thema „Effizientere
Entscheidungsfindung in der Sozialpolitik“. Subsidiaritätsprüfungen der Länder erfolgten darüber
hinaus zu den Vorordnungsvorschlägen betreffend die Einrichtung einer Europäischen
Arbeitsbehörde (ELA) sowie das Europäische Solidaritätskorps (ESK).

Einige europäische Rechtssetzungsinitiativen aus dem sozial- bzw. gleichstellungspolitischen
Bereich früherer Amtsperioden sind nach wie vor anhängig. In diesem Zusammenhang ist u. a. der
im Dezember 2016 vorgelegte Vorschlag zur Änderung der Verordnungen über die Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit, COM(2016) 815 final, zu nennen, der auch als
sozialversicherungsrechtlicher Teil des sog. „Mobilitätspakets“ bezeichnet wird. Mitte 2018 einigte
sich der Rat auf eine Allgemeine Ausrichtung. In den anschließend mit dem EP geführten
interinstitutionellen Verhandlungen konnte bisher jedoch kein Abschluss bei diesem Dossier erzielt
werden.

Auch die aktuelle Präsidentin der EK, Ursula von der Leyen, kündigte bereits im Rahmen der
Präsentation ihrer politischen Leitlinien für die aktuelle Funktionsperiode unter dem Titel „Eine

1 In der Mitteilung der EK zu „Effizientere Entscheidungsfindung in der Sozialpolitik: Ermittlung möglicher
Bereiche für einen verstärkten Übergang zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit“, COM(2019) 186
final, werden insgesamt 27 Gesetzgebungsinitiativen im Bereich Beschäftigung und Soziales für den
Zeitraum 2014 bis 2019 aufgelistet.
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Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht“ eine Reihe von sozialpolitischen Initiativen
an. Mit Vorlage der Mitteilung über „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten
Übergang“, COM(2020) 14 final, am 14. Jänner 2020 präzisierte die neue EK ihre Vorhaben im
sozialpolitischen Bereich und gab einen ersten Ausblick auf die sozialpolitischen Initiativen, die
2020 bzw. 2021 auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht werden sollten, wobei der im
Arbeitsprogramm der EK für das Jahr 2020 ursprünglich avisierte Zeitplan hinsichtlich mancher
dieser Initiativen im Zuge der aktuellen COVID-19-Krise jedoch angepasst werden musste.

Mit Vorlage dieser Mitteilung setzte die EK insbesondere auch einen breit angelegten
Konsultationsprozess in Gang, auf dessen Grundlage die EK den zwischenzeitlich bereits
veröffentlichten gemeinsamen Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte,
COM(2021) 102 final, ausarbeitete. Im Rahmen dieser Konsultation im Vorfeld der Unterbreitung
des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte lud die EK „alle europäischen,
nationalen, regionalen und lokalen Behörden und Partner“ ein, sich bis Ende November 2020 im
Rahmen einer Konsultation entweder zu weiteren erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf die
Umsetzung der sozialen Säule zu äußern oder sich zu eigenen konkreten Verpflichtungen in
diesem Zusammenhang zu bekennen. Auch das Land Wien nahm an dieser Konsultation teil und
gab eine umfangreiche Stellungnahme ab.

Seither wurden u. a. die folgenden, im Rahmen der Mitteilung über „Ein starkes soziales Europa
für einen gerechten Übergang“ bzw. im Rahmen der Arbeitsprogramme der EK für die Jahr 2020
und 2021 angekündigten Initiativen im Bereich der Sozialpolitik von der EK auf den Weg gebracht:

   – Europäische Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter: Am 5. März 2020 legte
       die EK die „Europäische Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025“ in
       Form einer Mitteilung, COM(2020) 152 final, vor. Diese soll den Rahmen für die Arbeit der
       EK auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter für die kommenden Jahre bilden
       und enthält die politischen Ziele sowie die wichtigsten Maßnahmen für den Zeitraum 2020
       bis 2025. Als eine der Schlüsselinitiativen der aktuellen EK im gleichstellungspolitischen
       Bereich wurde in diesem Zusammenhang auch die Vorlage verbindlicher Lohntransparenz
       angekündigt. Hierzu legte die EK im März 2021 schließlich einen – ursprünglich bereits für
       das 4. Quartal 2020 angekündigten – RL-Vorschlag zur Stärkung der Anwendung des
       Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger
       Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen, COM(2021) 93 final, vor.

   – Auch in anderen gleichstellungspolitischen Bereichen sind im Laufe des vergangenen
       Jahres von der EK Initiativen vorgelegt worden; u. a. ein EU-Aktionsplan gegen Rassismus,
       COM(2020) 565 final (Mitteilung), ein Strategischer Rahmen der EU zur Gleichstellung,
       Inklusion und Teilhabe der Roma, COM(2020) 620/621 (Mitteilung und Vorschlag für eine
       Empfehlung des Rates) oder eine Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen
       2020-2025, COM(2020) 698 final (Mitteilung). Im März 2021 wurde die Strategie für die
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Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021 – 2030, COM(2021) 101 final (Mitteilung),
         veröffentlicht.

    – Nachdem die EK ihren Bericht „über die Auswirkungen des demografischen Wandels“,
         COM(2020) 241 final, bereits im Juni 2020 veröffentlichte, wurde auf dieser Grundlage
         Ende Jänner 2021 ein – ursprünglich bereits für 2020 angekündigtes – Grünbuch zum
         Thema Altern, COM(2020) 50 final, vorgelegt.

    – Europäische Arbeitslosenrückversicherung: Als ein zentrales politisches Vorhaben der
         neuen EK im sozialpolitischen Bereich kündigte die Kommissionpräsidentin eine Initiative
         für ein EU-weites System der Arbeitslosenrückversicherung an, dessen Vorlage im
         Arbeitsprogramm der EK ursprünglich für das 4. Quartal 2020 in Aussicht gestellt wurde.
         Als Teil des Soforthilfepakets der EU zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen
         der COVID-19-Krise legte die EK jedoch bereits Anfang April 2020 einen Vorschlag für ein
         befristetes Instrument (SURE) vor, das den Mitgliedstaaten Darlehen in einer Gesamthöhe
         von bis zu 100 Mrd. € für die Finanzierung von nationalen Kurzarbeitsregelungen und
         ähnliche Maßnahmen zur Verfügung stellen soll, um Arbeitsplätze zu sichern und
         Arbeitskräfte       sowie      Selbstständige         vor     Einkommensverlusten              zu    schützen.      Die
         Verordnung (EU) 2020/672 des Rates vom 19. Mai 2020 zur Schaffung eines
         Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung
         von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den COVID-19-
         Ausbruch ist am 20. Mai 2020 im Amtsblatt der EU Nr. L 159/1 veröffentlicht worden.

    – Initiative zur Stärkung der Europäischen Jugendgarantie: Die EK hat am 1. Juli 2020
         gemeinsam mit der Mitteilung betreffend „Förderung der Jugendbeschäftigung: eine Brücke
         ins Arbeitsleben für die nächste Generation“, COM(2020) 276 final, einen Vorschlag für
         eine Empfehlung des Rates betreffend „Eine Brücke ins Arbeitsleben – Stärkung der
         Jugendgarantie“, COM(2020) 277 final, vorgelegt. Mit dieser Initiative soll ein Beitrag zur
         Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte – insb. des Grundsatzes 4 „Aktive
         Unterstützung der Beschäftigung“ – geleistet werden. Die Initiative ist Teil des
         Maßnahmenpakets zur Förderung der Jugendbeschäftigung, das mit der o.g. Mitteilung
         vorgelegt wurde und soll einen Beitrag zur Förderung der – von der COVID-19-Pandemie
         besonders getroffenen – Beschäftigungssituation junger Menschen in der gesamten EU
         leisten. Am 30. Oktober 2020 nahm der Rat einstimmig die Empfehlung zum Thema „Eine
         Brücke ins Arbeitsleben – Stärkung der Jugendgarantie“ an. 2 Diese ersetzt nun die
         Empfehlung vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie. Den Mitgliedstaaten
         wird darin empfohlen sicherzustellen, „dass allen jungen Menschen unter 30 Jahren
         innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder die formale Bildung

2
  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/10/30/reinforcing-the-youth-guarantee-the-council-adopts-a-
recommendation-for-more-inclusive-measures-to-boost-youth-employment/
                                                                                                                              8
beendet haben, in Übereinstimmung mit Grundsatz 4 der europäischen Säule sozialer
         Rechte      eine    hochwertige          Beschäftigung,     Weiterbildung        oder    ein     hochwertiger
         Ausbildungsplatz oder Praktikumsplatz angeboten wird.“ 3

    –    Auch im bildungspolitischen Bereich wurden die im Arbeitsprogramm 2020 angekündigten
         Initiativen auf den Weg gebracht, darunter insbesondere: Eine Mitteilung betreffend die
         „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale
         Gerechtigkeit und Resilienz“, COM(2020) 274 final, zusammen mit einem Vorschlag für
         eine Empfehlung des Rates „zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige
         Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“, COM(2020) 275 final, sowie
         Mitteilungen betreffend die „ Vollendung des europäischen Bildungsraumes bis
         2025“, COM(2020) 625 final, und betreffend den „Aktionsplan für digitale Bildung 2021-
         2027“, COM(2020) 624 final.

Insbesondere         hervorzuheben          ist     in    diesem       Zusammenhang              jedoch      die     von
Kommissionspräsidentin Von der Leyen als einen ihrer zentralen politischen Schwerpunkte im
sozialpolitischen Bereich angekündigte Vorlage eines Rechtsinstruments zur Sicherstellung eines
fairen Mindestlohns für alle ArbeitnehmerInnen in der Union. Zeitgleich mit der Vorlage der
Mitteilung der EK über „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ am 14. Jänner
2020 startete die EK hierzu die erste Phase des in Art. 154 AEUV vorgesehenen zweistufigen
Konsultationsverfahrens mit europäischen Sozialpartnerverbänden. Nach Prüfung der von den
Sozialpartnern in dieser ersten Konsultationsphase geäußerten Standpunkte, leitete die EK am 3.
Juni 2020 die zweite Phase der Konsultation ein, wobei die Sozialpartner diesmal eingeladen
wurden, sich zum möglichen Inhalt und Instrument der geplanten Initiative zu äußern. Nachdem
die europäischen Sozialpartnerverbände auch nach der zweiten Konsultationsphase nicht in
zweiseitige Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung gem. Art. 155 AEUV
traten, legte die EK schließlich Ende Oktober 2020 selbst einen Vorschlag für eine
Gemeinschaftsmaßnahme vor, und zwar in Form eines Vorschlags für eine Richtlinie über
angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union, COM(2020) 682 final. Aufgrund von
Auffassungsunterschieden im Zusammenhang mit der Frage der kompetenzrechtlichen
Zulässigkeit des RL-Vorschlags ist eine einheitliche Stellungnahme der Länder zu diesem
Gegenstand nicht zustande gekommen.

Außerdem wurde, wie bereits zuvor angemerkt, im März 2021 die Mitteilung der EK betreffend den
Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte, COM(2021) 102 final, veröffentlicht. Weitere
sozial-, beschäftigungs- und gleichstellungspolitische Initiativen sollen laut Arbeitsprogramm der
EK im Laufe dieses Jahres folgen. So ist im Arbeitsprogramm für das Jahr 2021 u. a. die Vorlage

3
  Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ und zur
Ersetzung der Empfehlung des Rates vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie 2020/C 372/01 ABl. C 372 vom
4.11.2020, S. 1–9, para. 1.

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einer „Empfehlung für eine europäische Kindergarantie“ sowie einer EU-Strategie für die Rechte
des Kindes noch für das erste Quartal 2021 in Aussicht genommen. Ein Aktionsplan für die
Sozialwirtschaft ist für das vierte Quartal 2021 angekündigt. Als ein zentrales legislatives Vorhaben
im beschäftigungspolitischen Bereich sieht das Arbeitsprogramm 2021 zudem eine Initiative zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten vor. Hierzu startete die EK im
Februar 2021 die erste Phase des in Art. 154 AEUV vor Unterbreitung von Vorschlägen für
Unionsmaßnahmen im Sozialbereich vorgesehenen zweistufigen Konsultationsverfahrens mit
europäischen Sozialpartnerverbänden.

Finanzen

Die Vorschläge zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 wurden Anfang Mai 2018
veröffentlicht, gefolgt von den zugehörigen fondsspezifischen Verordnungsvorschlägen.

Die Regelungen des MFR beinhalten unter anderem einen Beschluss über neue Eigenmittel der
EU, COM(2018) 325, sowie auch eine Verordnung über die endgültige einheitliche Regelung für
die Erhebung der Mehrwertsteuermittel, COM(2018) 328, die vor allem Erleichterungen in der
Berechnung präsentiert. Ziel ist eine Modernisierung des EU-Haushalts, eine flexiblere
Vorgehensweise sowie weniger Bürokratie bei der Verwaltung der EU-Programme, die von 63 auf
37 reduziert wurden. Der MFR soll sicherstellen, dass die Ausgaben der EU innerhalb der Grenzen
ihrer Eigenmittel bleiben, wobei er sie in unterschiedliche Kategorien gliedert. Im neuen MFR
wurden im Vergleich zum Zeitraum 2014-2020 zwei weitere Ausgabenkriterien (nunmehr sieben)
eingeführt. Diese lauten: Binnenmarkt, Innovation und Digitales; Zusammenhalt und Werte (neu);
natürliche Ressourcen und Umwelt; Migration und Grenzmanagement (neu); Sicherheit und
Verteidigung; Nachbarschaft und die Welt; europäische öffentliche Verwaltung.

Die Mittelaufbringung für das EU-Budget wird im sogenannten Eigenmittelbeschluss (EMB)
geregelt. Der MFR muss sich innerhalb der Grenzen der Eigenmittel der EU bewegen. Diese
gliedern sich aktuell in traditionelle Eigenmittel (Agrarabschöpfungen und Zölle), Mehrwertsteuer-
Eigenmittel und Bruttonationaleinkommen(BNE-)Eigenmittel. Die EK schlägt in ihrem Vorschlag
von 2018 vor, diese um drei neuen Eigenmittelkategorien (auf Basis einer gemeinsamen
konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage, des Emissionshandelssystems der
EU sowie Verpackungsabfällen aus Kunststoffen) zu ergänzen, um die Abhängigkeit von den BNE-
Eigenmitteln zu verringern.

Ebenfalls neu vorgeschlagen wurde eine Verordnung über den Schutz des Haushalts der Union
im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten,
COM(2018) 324 final. Vorgesehen ist, dass in einem der Art, der Schwere und dem Umfang der
festgestellten Mängel entsprechenden Ausmaß der Zugang zu EU-Mitteln für den betroffenen MS
ausgesetzt, verringert oder eingeschränkt werden kann.
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Ende Mai 2018 wurden in der Folge die Verordnungsvorschläge zu 37 neu geclusterten Fonds
veröffentlicht, die vor allem Einschnitte in der Gemeinsamen Agrarpolitik aber auch beim Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) vorsehen.

Mit dem Paket aus 2018 war für Österreich ein wesentlich höherer Beitrag zu den EU-Finanzen als
bisher zu erwarten, da einerseits ein Auslaufen des Rabatt-Rabatt-Systems für die Nettozahler
vorgesehen war und anderseits schon im Mai 2018 höhere Eigenmittel (Abrufsatz von 3% der
gemeinsamen      Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage,        ein   Anteil   von    20%    der
Versteigerungseinnahmen aus dem Emissionshandelssystem und ein nationaler Beitrag auf
Grundlage der Menge an nicht wiederverwerteten Kunststoffverpackungsabfällen) vorgeschlagen
wurde.

Die Länder haben hiezu eine einheitliche Stellungnahme verfasst, worin insbesondere auf die
Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenzen vom 10. November 2017 und vom 18. Mai 2018
verwiesen wird, in der sich die Länder dafür aussprechen, weder die allgemeine Steuerlast noch
die Beitragslast der Länder zu erhöhen. Demzufolge werden Mindereinnahmen durch Erhöhung
der Prozentsätze sowie die Einführung neuer Eigenmittelkategorien abgelehnt. Ebenso wird darauf
verwiesen, dass die Landeshauptleute eine Fortführung der Kohäsionspolitik für alle Regionen
befürworten, sich für eine stärkere Fokussierung des Einsatzes von kohäsionspolitischen Mitteln
aussprechen und die GAP-Reform den aktuellen Herausforderungen der Landwirtschaft Rechnung
tragen sollen.

Die EK unter Präsidentin Ursula von der Leyen hat zur Umsetzung des Green Deals den Vorschlag
zu einem Fonds für einen gerechten Übergang (=Just Transition Fonds, JTF), COM(2020) 22 vom
14. Jänner 2020, der mit 100 Mio Euro dotiert sein soll, veröffentlicht, der allerdings einen Teil
seiner Mittel aus den bereits bestehenden Fonds abschöpfen soll.

– Neuer MFR und InvestEU aufgrund der COVID-19-Pandemie

Die Verhandlungen der MS zum Abschluss des MFR sowie der Erweiterung um den JTF waren
zwar schon weit gediehen, allerdings erfordern vor allem die finanziellen Auswirkungen der COVID-
19-Pandemie nunmehr wesentliche Änderungen in der europäischen Finanzgebarung. Zunächst
wurde eine VO über die Investitionsoffensive zur Bewältigung der Corona-Virus-Krise
vorgeschlagen, in der rasch mehr als 37 Mrd. Euro mobilisiert werden (COM(2020) 113 vom 13.
März 2020) sollen. Ein weiterer VO-Vorschlag beinhaltet die Einführung einer außerordentlichen
Flexibilität beim Einsatz der europäischen Struktur- und Investitionsfonds als Reaktion auf den
Ausbruch von COVID-19, COM(2020) 138 vom 2. April 2020. Ebenso wurde ein VO-Vorschlag
betreffend die Einführung spezifischer Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Krise,
COM(2020) 141 vom 2. April 2020 veröffentlicht, worin Mittel aus den Europäischen Strukturfonds
für die am stärksten benachteiligten Personen für die Versorgung der Bevölkerung bestimmt

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wurden. Auch wurde der Anwendungsbereich des Solidaritätsfonds auf eine Notlage im Bereich
der öffentlichen Gesundheit erweitert, COM(2020) 114 vom 31. März 2020.

   •   „Die Stunde Europas“ und „Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan“

In einem zweiten Schritt beauftrage der Europäische Rat im Frühjahr die Schaffung eines
Wiederaufbauplans, in dem die Schwerpunkte „Green Transition“ und „Digital Transformation“ eine
zentrale Rolle für eine widerstandsfähige Infrastruktur spielen sollen.

Daher hat die EK als umfassende Reaktion auf die weltweite Krise einen Vorschlag für einen
Aufbauplan „Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation
eröffnen“, COM(2020) 456 vom 27. Mai 2020, vorgelegt. Um vor allem die finanziellen
Auswirkungen innerhalb Europas abzufedern, wurden neue Instrumente vorgeschlagen und auch
der Entwurf des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027 – mit der Mitteilung „Der EU-Haushalt
als Motor für den Europäischen Aufbauplan“, COM(2020) 442 vom 27. Mai 2020, sowie weiteren
Ergänzungen in den Sektorenprogrammen – der neuen wirtschaftlichen Ausgangssituation
angepasst. Vor dem Hintergrund der schwer betroffenen Gesundheits- und Sozialsysteme – davon
miterfasst sind auch unsere Gesellschafts- und Volkswirtschaften – soll durch das mit 750 Mrd.
Euro ausgestattete Instrument „Next Generation EU (=NGEU)“ sowie durch gezielte
Unterstützungen über den langfristigen EU-Haushalt ein wesentlicher Beitrag zur Überwindung der
Krise und zur Ankurbelung der Konjunktur geleistet werden.

Die finanziellen Mittel sollen durch eine vorübergehende Anhebung der Eigenmittelobergrenze auf
2% des Bruttonationaleinkommens und durch Kreditaufnahmen auf den Finanzmärkten sowie
durch die Schaffung neuer Eigenmittel aufgebracht werden. Der neu adaptierte Mehrjährige
Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021-2027 sollte um 524,4 Mrd. EUR höher sein als der
ursprüngliche Vorschlag vom Mai 2018. Allerdings hat die Einführung des Recovery-Fonds (dotiert
mit 750 Mrd. EUR – vor allem die Ausweitung der Zuschüsse und deren Rückzahlungen ab 2028
auf die nächsten 30 Jahre – bedeutende Auswirkungen. Dies umfasst vor allem die nach 2027
folgenden EU-Budgetplanungen, da das EU-Budget als Haftungshintergrund für die Aufnahme der
Darlehen dienen wird. Die Zuschüsse sollen innerhalb der Programme des MFR fließen, sodass
diese den jeweiligen Auflagen der Programme unterliegen werden.

Nach zähen Verhandlungen zum MFR brachte dann – im Zuge der Corona-Krise – die Aufstockung
des Programms „NGEU“ sowie eine Überarbeitung des MFR eine Gipfeleinigung des
Europäischen Rates vom 21. Juli 2020.

Für das Aufbauinstrument „NGEU“ sollen maximal 750 Mrd. EUR (390 Mrd. EUR als Zuschüsse
und 360 Mrd. EUR als Darlehen) zur Verfügung stehen. Der MFR 2021-2027 wird 1.074 Mrd. EUR
umfassen.

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Die Verteilung der Finanzmittel aus dem Wiederaufbauinstrument „NGEU“ soll wie folgt stattfinden:

   o      Eine neue Aufbau- und Resilienzfazilität im Umfang von 672,5 Mrd. EUR wird in das
          Europäische Semester integriert und soll für den ökologischen und digitalen Wandel
          verwendet werden (312,5 Mrd. EUR für Finanzhilfen und 360 Mrd. EUR für Darlehen).
   o      Für die Initiative REACT-EU und die Aufstockung der Kohäsionsprogramme sollen 47,5
          Mrd. EUR, für den Fonds für einen gerechten Übergang 10 Mrd. EUR und dem
          Landwirtschaftsfonds 7,5 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt werden.
   o      Das Programm InvestEU soll als Anreiz für private Investitionen um 5,6 Mrd. EUR
          aufgestockt werden.
   o      Das Katastrophenschutzverfahren rescEU wird mit 1,9 Mrd. Euro höher dotiert und für das
          Programm Horizont werden zusätzlich 5 Mrd. Euro bereitgestellt.

Dieses zusätzliche Investitionsvolumen soll – wie erwähnt – durch das EU-Budget besichert
werden. Aufgrund der hohen Dotierung der Fonds – vor allem zur Ausgabe von Anleihen für
notleidende Staaten – ist daher ein wesentlich höheres EU-Budget als Haftungsgrundlage geboten.
Daher wird der MFR zunächst wesentlich höhere nationale Beiträge bedingen (Erhöhung der
Eigenmittelobergrenze auf 1,40% des Bruttonationaleinkommens sowie eine temporäre Erhöhung
um weitere 0,6%), die mit dem Wiedererstarken der Wirtschaft eine zeitliche Anpassung erfahren
sollen.

Eine Zustimmung Österreichs als Mitglied der sog. „Frugal Four“ wurde unter anderem durch die
Weiterführung eines jährlichen Rabattes in Höhe von 565 Mio EUR bis 2027 ermöglicht, sodass
die wesentliche Erhöhung des österreichischen Beitrages etwas abgefedert werden konnte.

Die neuen Eigenmittel sollen eine Abgabe auf nicht-recycelte Verpackungsabfälle (0,80 EUR pro
Kilo), zusätzliche Eigenmittel für das CO2-Grenzausgleichssystem und eine Digitalabgabe sowie
eine Ausweitung des Emissionshandelssystems auf Luft- und Seeverkehr beinhalten.

Gegen die ursprüngliche Gipfeleinigung vom Juli 2020 hatten allerdings Polen und Ungarn ein Veto
gegen den MFR – im Konkreten gegen die HaushaltskonditionalitätenVO (dh. die Koppelung der
Auszahlung der Finanzmittel an die Rechtsstaatlichkeit) – eingelegt, sodass kurzzeitig das
Erfordernis der Einstimmigkeit für die Beschlussfassung der VO-Vorschläge des MFR im Rat der
Europäischen Union nicht vorlag. Während des Gipfeltreffens des Europäischen Rates im
Dezember 2020 konnte durch eine Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus (Stopp der
Auszahlung der Mittel erst bei gerichtlich festgestellter Verletzung der Rechtsstaatlichkeit) eine
endgültige Einigung zum MFR und zum Programm NGEU gefunden werden, weshalb nunmehr die
tatsächliche Umsetzung der Auszahlung der erforderlichen Finanzmittel zur Bewältigung der
COVID-19-Wirtschaftskrise als auch der Beginn für Programme des MFR erfolgen kann.

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– Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU des
   Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung

Einige Bestimmungen zum Informationsaustausch und zur Verwaltungszusammenarbeit im
Bereich der Besteuerung sollen durch den RL-Vorschlag geändert werden. Besonders bedeutend
sind die neuen Regelungen betreffend die Verpflichtung von Betreibern digitaler Plattformen,
Einkünfte, die aus der Erbringung von Dienstleistungen oder dem Verkauf von Waren über
Plattformen erzielt werden, an die Steuerbehörden zu melden. Darüber hinaus soll es einen
verpflichtenden Austausch von gemeldeten Daten der Plattformbetreiber zwischen den
Mitgliedstaaten geben. Erfasst von der Meldepflicht sollen die Vermietung von unbeweglichem
Vermögen, persönliche Dienstleistungen, der Verkauf von Gütern, die Vermietung jeglicher
Verkehrsmittel sowie Investitionen und Darlehen im Zusammenhang mit Crowdfunding werden.
Erfreulicherweise konnte im ECOFIN bereits Anfang Dezember 2020 eine Einigung zu diesem
Dossier bekannt gegeben werden, sodass im Frühjahr 2021 mit einer Veröffentlichung im Amtsblatt
der Europäischen Union gerechnet werden kann.

Energie/Klimaschutz

– Europäisches Klimagesetz

Zum politischen Ziel „Ein Europäischer Grüner Deal“ veröffentlichte die EK am 4. März 2020 einen
Verordnungsvorschlag zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und
zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz), COM(2020) 80.
Damit soll das verbindliche Ziel für die EU-weite Klimaneutralität bis 2050 festgeschrieben
werden, das bereits am 11. Dezember 2019 in der Mitteilung „Der Europäische Grüne Deal“,
COM(2019) 640, angekündigt wurde. Insbesondere soll die EK bis September 2020 das aktuelle
Emissionsreduktionsziel für 2030 der gesamten EU im Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität
überprüfen und Optionen für ein neues Ziel von „50% bis 55%“ Emissionsreduktionen gegenüber
dem Niveau von 1990 untersuchen – das derzeit geltende Ziel für 2030 liegt bei 40%.

Der EK soll unter anderem die Befugnis übertragen werden, zur Ergänzung dieser Verordnung
delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen sie auf Unionsebene einen Zielpfad festlegt, mit dem
das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 verwirklicht werden soll. Weiters wird die EK ermächtigt, die
Fortschritte der EU insgesamt sowie jedes einzelnen Mitgliedstaates bei der Verwirklichung dieses
Zielpfades zu bewerten, bei Abweichungen vom Zielpfad „die erforderlichen Maßnahmen“ zu
setzen und den Mitgliedstaaten Empfehlungen auszusprechen, denen diese „gebührend
Rechnung zu tragen“ haben.

Gegen diese Ermächtigungen und Befugnisübertragungen an die EK wurden in zwei von Wien
federführend erstellten einheitlichen Länderstellungnahmen (VSt-5143/23 vom 27. April 2020
und VSt-5143/36 vom 26. Juni 2020) gewichtige Bedenken erhoben, insbesondere aus Sicht der
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Subsidiarität. In der ersten Stellungnahme wurde betont, dass delegierte Rechtsakte (nach Art.
290 AEUV) nur bestimmte nicht wesentliche Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes
ergänzen oder ändern dürfen. Die wesentlichen Aspekte eines Bereichs sind dem
Gesetzgebungsakt selbst vorbehalten, und eine diesbezügliche Befugnisübertragung ist für sie
deshalb ausgeschlossen. Nun ist aber gerade der Zielpfad der zentrale Punkt des Europäischen
Klimagesetzes für die schrittweise Annäherung an das Ziel der Klimaneutralität. Es widerspricht
daher EU-Recht, der EK die Befugnis zu übertragen, diesen festzulegen.

Diese Länderstellungnahme wurde auch in die Beratungen des EU-Ausschusses des Bundesrates
vom 6. Mai 2020 einbezogen, der dazu eine begründete Stellungnahme an die EU-Organe
richtete.

Die Kritik der zweiten einheitlichen Länderstellungnahme bezog sich auf die vorgesehenen
Ermächtigungen der EK sowohl für Maßnahmen als auch für Empfehlungen an die Mitgliedstaaten.
Uneingeschränkte Ermächtigungen der EK, „die erforderlichen Maßnahmen“ zu setzen und den
Mitgliedstaaten (möglicherweise sogar faktisch bindende) Empfehlungen auszusprechen, wenn
vom Zielpfad abgewichen wird, sind EU-rechtlich nicht gedeckt. Dieses aufgrund fehlender
Kriterien sehr große Ermessen könnte zum Beispiel dazu führen, dass den Mitgliedstaaten
vorgeschrieben wird, welche Energieträger sie zu verwenden haben, um insgesamt
Klimaneutralität zu erreichen. Das Recht, selbst über die Zusammensetzung des Energiemixes zu
entscheiden, ist aber den Mitgliedstaaten primärrechtlich vorbehalten (Art. 194 Abs. 2 AEUV).
Atomenergie gilt in zahlreichen Staaten der EU nach wie vor als Energieform der Zukunft; nach
dem Vorschlag der EK wäre nicht ausgeschlossen, dass im Hinblick auf die Klimaneutralität
Österreich verpflichtet würde, Atomenergie zu nutzen. Zudem könnte – wenngleich Art. 288 AEUV
für Empfehlungen eine Bindungswirkung explizit ausschließt – aus Art. 6 Abs. 3 des Vorschlags
konkludent eine Bindungswirkung der Empfehlungen abgeleitet werden. Problematisch wäre in
diesem Zusammenhang beispielsweise, dass das Nicht-Aufgreifen einer Empfehlung durch einen
Mitgliedstaat eine Begründungspflicht gegenüber der EK auslösen soll. Auch dies wird
ausdrücklich abgelehnt, weil die Nichteinhaltung einer nicht bindenden Empfehlung eo ipso nicht
begründungspflichtig sein kann.

Mit dem am 17. September 2020 veröffentlichten Änderungsvorschlag zum Europäischen
Klimagesetz, COM(2020) 563, wurde im Wesentlichen die EU-weite Zielvorgabe für die
Emissionssenkung von CO2 bis 2030 auf mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 im
Klimagesetz verankert. Da auch in dem geänderten VO-Vorschlag die von Länderseite
aufgezeigten Subsidiaritätswidrigkeiten nicht beseitigt sind, erstellte Wien federführend eine
weitere einheitliche Länderstellungnahme (VSt-5143/44 vom 13. November 2020), mit der auf
die gewichtigen Bedenken in den beiden vorhergehenden Länderstellungnahmen zu den
delegierten Rechtsakten hingewiesen wurde. Im EU-Ausschuss des Bundesrates vom 7. Oktober

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2020 berichtete ein Ministeriumsvertreter, dass die (subsidiaritätswidrigen) delegierten Rechtsakte
„vom Tisch“ seien.

– Integration des Energiesystems

Die am 8. Juli 2020 veröffentlichte Mitteilung „Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Eine EU-
Strategie zur Integration des Energiesystems“, COM(2020) 299, enthält eine Strategie zur
Dekarbonisierung aller Wirtschaftszweige und weiteren Senkung der Treibhausgasemissionen.
Dabei wird die entscheidende Rolle der Energiesysteme bei der Verwirklichung dieser Ziele betont
und insbesondere ein beschleunigter Ausbau der „Offshore-Stromerzeugung“ als auch eine
Renovierungsstrategie für kleine und mittlere Wasserkraftwerke gefordert.

In der dazu federführend von Wien erstellten einheitlichen Länderstellungnahme (VSt-5746/2 vom
19. Oktober 2020) wird festgehalten, dass derartige Strategien ausschließlich in die nationalen
Energie- und Klimastrategien einzubeziehen wären. Auch die Absicht der EK, auf europäischer
Ebene die Nutzung elektrischer Energie für die Raumheizung bzw. -kühlung zu forcieren, ist
subsidiaritätswidrig. Die Entscheidungen, mit welcher Technologie Gebäude künftig geheizt und
gekühlt werden, und welche hocheffizienten Fernwärmeversorgungsnetze, Niedertemperatur-
nahwärmenetze,       lokale Nahwärmekonzepte z.B.        mit   Biomasse für     die Wärme-       und
Kälteversorgung etc., ausgebaut werden, müssen weiterhin Sache der Mitgliedstaaten bleiben.

Im EU-Ausschuss des Bundesrates vom 4. November 2020 wurde grundsätzlich das Ziel der EK
begrüßt, eine vollständige Dekarbonisierung kostengünstig über alle Sektoren hinweg zu erreichen
und gleichzeitig Wachstum zu generieren sowie technologische Innovation voranzutreiben. Die
Länderstellungnahme diente als Basis für eine von allen Parteien unterstützte Mitteilung an die EK,
in der die Länderkammer des österreichischen Parlaments die EU-Strategie für eine intelligente
Sektorenintegration begrüßt, um langfristig Klimaneutralität zu erreichen, gleichzeitig aber
Mechanismen fordert, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Energiequellen zu
ermöglichen. Die Nutzung der Energieressourcen, die Wahl zwischen verschiedenen
Energiequellen und die allgemeine Struktur der Energieversorgung sollte aus Sicht des Bundesrats
den Mitgliedstaaten freigestellt sowie Raum für nationale Strategien gelassen werden.

Die (coronabedingt virtuelle) Orientierungsdebatte des Energieministerrates vom 14. Dezember
2020 zeigte die noch nicht entscheidungsreife Haltung der Mitgliedstaaten zum Thema
Energiesystemintegration als Wegbereiter für ein klimaneutrales Europa. Teilweise wurde eine
adäquate Anpassung der Ziele für Energieeffizienz und erneuerbare Energien gefordert, andere
Staaten traten für eine maximale nationale Flexibilität beim Erreichen des jeweiligen Klimaziels ein.
Viele Mitgliedstaaten sahen große Potentiale im Gebäudebereich und durch die Digitalisierung. Ein
Teil sprach sich für eine umfassende Überarbeitung der staatlichen Beihilfen aus, um bestimmte
Technologien gezielter fördern zu können.

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– Eine Renovierungswelle für Europa

In ihrer Mitteilung „Eine Renovierungswelle für Europa – umweltfreundlichere Gebäude, mehr
Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen“, COM(2020) 662 vom 14. Oktober 2020, kündigt
die EK ein Bündel von Maßnahmen auf EU-Ebene an, um die jährliche Quote der energetischen
Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden bis 2030 mindestens zu verdoppeln bzw.
diese Quote bis 2050 aufrechtzuerhalten, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Dazu sollen auch mehrere EU-Rechtsakte geändert werden.

In der dazu federführend von Wien erstellten einheitlichen Länderstellungnahme (VSt-4697/461
vom 12. Jänner 2021) wird in Bezug auf die geplante Änderung der Gebäudeenergieeffizienz-
Richtlinie vehement auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gedrungen, insbesondere
im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur energetischen Renovierung bestehender Bauten. Die
geplante Dekarbonisierung im Gebäudesektor und der Wärme-/Kälteversorgung in den einzelnen
Mitgliedstaaten und in benachteiligten Gebieten muss außerdem für die dort ansässigen Menschen
mit mittlerem und niedrigerem Einkommen sowie für sozial benachteiligte Menschen bezahlbar
sein. Zudem wird betont, dass nicht in das Recht eines Mitgliedstaats eingegriffen werden darf,
seine Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen eigenständig zu bestimmen.

– Ein europäischer Klimapakt

Die am 9. Dezember 2020 von der EK veröffentlichte Mitteilung „Ein europäischer Klimapakt“,
COM(2020) 788 zielt darauf ab, Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Gemeinschaften in klima- und
umweltschutzbezogene Maßnahmen einzubinden. Der europäische Klimapakt soll der Information,
der Inspiration und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Organisationen,
angefangen bei nationalen, regionalen und lokalen Behörden über Unternehmen, Gewerkschaften,
Organisationen der Zivilgesellschaft, Bildungs-, Forschungs- und Innovationseinrichtungen,
Verbrauchergruppen bis hin zu einzelnen Bürgerinnen und Bürgern dienen.

Lokale Behörden sind in der Mitteilung unter anderem angesprochen bei der Anpflanzung und
Pflege neuer Grünflächen, der städtischen Landschaftsgestaltung, bei sichereren, gesünderen und
kostengünstigeren    Mobilitätsoptionen   („Grüne   Mobilität“),   beim   Erwerb   emissionsfreier
Verkehrsmittel wie Bussen mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb, beim Ausbau der Fahrradstrecken
und Qualität einer sicheren Infrastruktur bei gleichzeitiger Senkung der Zahl der Verkehrstoten in
den Städten, bei Plänen für städtische Mobilität mit maßgeschneiderten Kombinationen von
Lösungen zur Verringerung von Emissionen und Luftverschmutzung sowie beim Vorantreiben der
Renovierungswelle für Gebäude.

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In dem dazu federführend von Wien erstellten Vorschlag für eine einheitliche Länderstellungnahme
wird festgehalten, dass die gegenständliche Initiative der EK zwar grundsätzlich zu begrüßen ist.
Entsprechend dem Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sollte sich jedoch die EU in
den genannten Bereichen auf allgemeine Zielvorgaben beschränken und die konkrete Wahl der
Mittel bzw. die nähere Regelung der Maßnahmen den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, damit
keine kompetenzüberschreitende Einschränkung der staatlichen Kompetenzen erfolgt.

Umwelt

„Die Umweltnormen der EU zählen zu den strengsten der Welt. Die EU-Umweltpolitik trägt zu einer
umweltfreundlicheren Wirtschaft, zum Schutz der Natur und zur Sicherung von Gesundheit und
Lebensqualität der Menschen in der EU bei. Die EK schlägt Strategien und Rechtsvorschriften vor,
die darauf abzielen, die natürlichen Lebensräume zu schützen, Luft und Wasser rein zu halten,
eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung zu gewährleisten und die Kenntnisse über giftige
Chemikalien zu verbessern. Außerdem soll Unternehmen beim Übergang zu einer nachhaltigen
Wirtschaft geholfen werden“ (www.ec.europa.eu/environment).

Aktuelle Schwerpunkte in der EU-Umweltpolitik sind die Abfallwirtschaft – im Besonderen die
Strategien zur Reduzierung von Plastik und von Kunststoffabfällen – und die Revision der Richtlinie
über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (= „Trinkwasserrichtlinie“).

– Kreislaufwirtschaft

   •   Mini-Kreislaufwirtschaftspaket

Bestehend aus einer Mitteilung – Eine europäische Strategie für Kunststoffe in der
Kreislaufwirtschaft, COM(2018) 28; einer Mitteilung über einen Überwachungsrahmen für die
Kreislaufwirtschaft, COM(2018) 29; und einer Mitteilung über Optionen zur Regelung der
Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht, COM(2018) 32. Ein Großteil
der Kunststoffabfälle (vorwiegend Verpackungsmaterial) wird auf Deponien gelagert oder
verbrannt. Wachsende Mengen an Plastikabfällen, deren Verbreitung in den Meeren und die
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit fordern Maßnahmen, die zu getrennter Sammlung
von Kunststoffabfällen, Alternativen zu Einwegkunststoffartikeln und der Verringerung von
Wasserflaschen aus Kunststoff führen. Ziel ist die Bekämpfung von Umweltverschmutzungen an
der Quelle, die Verhinderung des Entweichens von Mikroplastik aus den Produkten und die
drastische Reduzierung von Einweggebinden aus Plastik. Die Wiener Position ist, dass das Mini-
Kreislaufwirtschaftspaket viele durchaus sinnvolle Maßnahmen enthält, die umweltpolitisch auch
von überregionaler Bedeutung sind, allerdings ist die Wirtschaftlichkeit des Recyclings zu
beachten. Besonders hervorzuheben ist, dass noch unter österreichischer Präsidentschaft die

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