BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
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Annex: 1. Die in dieser Broschüre enthaltenen Personen- und Funktionsbezeichnungen gelten für Frauen und Männer in gleicher Weise. 2. Die Checkboxen zu den Berufsfeldern bieten einen kurzen Überblick. Sie sind nicht vollständig identisch mit der Tätigkeit der porträtierten Person, sondern stellen einen all- gemeinen Querschnitt des jeweiligen Bereiches dar. 2 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
EDITORIAL Kurz vor Abschluss des Studiums stellen sich viele Fragen: Soll ich meine Qualifikation mit einer Promotion oder einem Postdoc-Aufent- halt weiter ausbauen? Welches Unternehmen ist der passende Arbeitgeber für mich? Und wie bewirbt man sich dort am besten? Bei der Beantwortung dieser Fragen möchten wir unterstützen. Diese Broschüre zeigt, wel- DR. CHRISTOPH che vielfältigen Berufsfelder und Möglichkeiten GÜRTLER die chemisch-pharmazeutische Industrie bie- Foto: VAA – Maria Schulz tet. VAA-Mitglieder werden in ihren Tätigkeiten und Aufgabengebieten porträtiert, um einen studentische Mitglieder in direkten Kontakt persönlichen Einblick in das Arbeitsleben in der mit Führungskräften treten und Fragen, die im Industrie zu geben. Ergänzt werden diese Por- Vorfeld einer Bewerbung auftreten, persönlich träts durch übersichtliche Informationskästen besprechen. Studierende erhalten auf diese zu den einzelnen Berufsbildern. Weise Tipps und wertvolle Informationen für die Bewerbung im jeweiligen Unternehmen. Das Thema Bewerbung ist ein weiterer, sehr wichtiger Bestandteil der Broschüre. Denn Be- Weitere Vorteile, die der VAA seinen studenti- werbungen sollen Türen zum Vorstellungsge- schen Mitgliedern bietet, wie etwa die juristi- spräch öffnen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, sche Beratung oder die VAA-Umfragen zu Ein- wie eine Bewerbung auf Entscheidungsträger kommen und Stimmung in den Unternehmen, wirkt. Die diplomierte Pädagogin und Psycho- stellen wir in der Broschüre ebenfalls vor. login Monika Puls-Rademacher gibt hier wert- volle Hinweise, Tipps und Anregungen aus der Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre, wichti- Praxis. Als erfahrener Personalprofi war sie ge Erkenntnisse und viel Erfolg beim Eintritt ins lange Zeit verantwortlich für die Personalent- Berufsleben. wicklung einer Konzerngesellschaft der che- misch-pharmazeutischen Industrie. Dr. Christoph Gürtler Mitglied des VAA-Vorstandes Die Erfahrung und das Know-how erfahrener Führungskräfte sind ein echter Trumpf in Sa- chen Karriereplanung. Genau das bietet der VAA seinen studentischen Mitgliedern mit dem VAA-Bewerbungsnetzwerk: Dadurch können VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 3
INHALT 1. Möglichkeiten nach dem Studium – Chemie studieren und was dann? 6 2. Tätigkeitsfelder in der chemischen Industrie 9 2.1 Forschung & Entwicklung 9 2.2 Produktion 13 2.3 Analytik 17 2.4 Wissenschaftliches Informationsmanagement 21 2.5 Drug Regulatory Affairs 26 2.6 Strategisches Marketing 31 2.7 Patentwesen 35 2.8 Verfahrenstechnik/Prozessentwicklung 39 2.9 Umwelt, Gesundheit, Sicherheit & Gesetzgebung 43 2.10 Anwendungstechnik 48 2.11 Qualitätsmanagement 49 3. Erfolgreich bewerben 51 4. Unterstützung durch den VAA 60 VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 5
1. MÖGLICHKEITEN NACH DEM STUDIUM – CHEMIE STUDIEREN UND WAS DANN? Daten und Fakten aus der GDCh- zent wagen den Sprung ins Berufsleben, alle Hochschulstatistik anderen nehmen im Anschluss ein Master- Der Trend zum Doktortitel ist bei Chemie- studium auf. Nach der Promotion strebt die studenten ungebrochen: Circa 80 Prozent der Mehrheit der Absolventen eine Anstellung in Masterabsolventen beginnen eine Promotion. der Wirtschaft an, davon über ein Drittel in Auch die Bachelorabsolventen streben einen der chemischschen Industrie. möglichst hohen Abschluss an: Nur ein Pro- Anfänger in Chemie-Studiengängen Studiendauer Benotungen Der Medianwert für die Studiendauer bis Ausgezeichnete Promotionen: 19 Prozent der zum Bachelorabschluss liegt bei 6,4 Semes- Chemieabsolventen schließen ihre Promotion tern. Bis zum Masterabschluss werden im mit „ausgezeichnet“ und 72 Prozent mit „sehr Median weitere 4,5 Semester benötigt. Die gut“ ab. Im Masterstudiengang erreichen Promotionsdauer liegt bei 8,3 Semestern. 14 Prozent eine Auszeichnung, 44 Prozent Zwischenzeitlich hatte sich die Gesamt- schneiden „sehr gut“ und 44 Prozent „gut“ studiendauer verkürtz, liegt nun – wie regel- ab. Den Bachelor-Studiengang schließen zwei mäßig vor 2008 – bei über 8 Semestern. Prozent mit „ausgezeichnet“, 10 Prozent mit „sehr gut“ und 60 Prozent mit „gut“ ab. 6 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Erster Berufsschritt der Masterabsolventen * 2018 Einstieg ins Berufsleben auf den Arbeitsmarkt: Gerade einmal ein Nur sechs Prozent der Masterabsolventen Prozent starten nach dem Abschluss ins starten ins Berufsleben. Wie oben dargestellt, Berufsleben. zieht es auch die Bachelorabsolventen nicht Erster Berufsschritt der promovierten Chemieabsolventen* 2018 VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 7
Nach Abschluss der Promotion wechselt die fentlichen Dienst kommen rund sechs Pro- Mehrheit der promovierten Chemiker von der zent unter. Rund elf Prozent der Absolventen Uni in die Industrie. Über ein Drittel beginnt waren zum Zeitpunkt der Erhebung in 2012 das Berufsleben in der chemisch-pharma- stellensuchend. Dieser Wert schwankt je zeutischen Industrie. In die übrige Wirtschaft nach Wirtschaftslage. Im Vergleich zu der gehen 13 Prozent der Promovenden. Ins Situation vor 20 Jahren haben sich die Ein- Ausland, meist zu einem Postdoc-Aufenthalt, stellungschancen jedoch deutlich gebessert. zieht es rund zwölf Prozent der promovierten Insgesamt lässt sich allerdings festhalten, Chemiker. Im Forschungsbereich an einer dass in Industrie und Wissenschaft immer Hochschule oder einem Forschungsinstitut seltener unbefristete Stellen für Berufsein- bleiben vier Prozent der Absolventen. Im öf steiger ausgeschrieben werden. Studiengang Chemie: Verbleib der promovierten Absolventen in % Die Grafiken und Zahlen auf den Seiten sechs bis acht sind der Statistik der Chemiestudien- gänge 2018 der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh entnommen. ) 8 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2. TÄTIGKEITSFELDER IN DER CHEMISCHEN INDUSTRIE 2.1 Forschung & Entwicklung Für viele ist es nur ein Sprungbrett. Dr. Nina Kausch-Busies ist mit Leib und Seele For- scherin. „Es macht mir einfach großen Spaß, auf der Suche nach etwas Neuem zu sein“, betont sie. Kausch-Busies arbeitet als Laborleiterin bei Dr. Nina Kausch-Busies. Foto: privat der Heraeus Precious Metals GmbH & Co. KG im Chemiepark Leverkusen. Die gebürtige Rheinländerin hat nach ihrer Chemie- promotion mit dem Schwerpunkt Organik Kausch-Busies. „Das war ein idealer Start.“ einen Postdoc am Max-Planck-Institut für Die Conductive Polymers Division von Her- Kohlenforschung absolviert und sich dort mit aeus produziert Dispersionen leitfähiger Poly- der Totalsynthese von Naturstoffen befasst. mere. Diese bläulichen Flüssigkeiten kommen Die Liebe zur Forschung hat sich in dieser als elektrische Funktionsschichten zum Zeit gefestigt. Dennoch wollte Nina Kausch- Einsatz, beispielsweise als Elektrode in Kon- Busies gern anwendungsbezogener arbeiten. densatoren oder als strukturierte Schicht von „Es ist schön, an etwas zu forschen, das Touchscreens. Das weitere Produktspektrum nicht nur veröffentlicht, sondern auch produ- reicht von Materialien für die Herstellung leit- ziert wird.“ fähiger Folien für die Solar-, Automobil- oder Elektronikindustrie bis hin zur Verwendung in Der ideale Start OLEDs. Ausgangsstoff ist ein Monomer auf Die Stellenausschreibung bei Heraeus hat sie Thiophenbasis, das zu immer leistungsfähigeren dann „spontan interessiert“. Auch wenn die Polymeren mit dem chemischen Namen PEDOT Aufgabe eine komplette thematische Um- (Polyethylendioxythiophen) verknüpft wird, orientierung darstellte. „Das erste Jahr war die jeweils maßgeschneiderte Eigenschaften sehr aufregend“, erinnert sich die Diplom- aufweisen. Das reine PEDOT-Polymer ist nicht chemikerin. Insbesondere die Einarbeitung ohne Weiteres zu verarbeiten. Die Forscher in das neue Themengebiet Materialwissen- arbeiten deshalb daran, bei der Polymerisation schaften stellte eine Herausforderung dar. ein weiteres Polymer zuzusetzen, das die positi- „Ich hatte jedoch großes Glück, da ich fast ven Ladungen im PEDOT kompensiert und das ein halbes Jahr lang von meinem Vorgänger Polymer in Wasser dispergierbar – also feinst betreut und eingearbeitet wurde“, schildert verteilbar – macht. Das in Wasser dispergierte VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 9
Polymer kann für Beschichtungszwecke in ten sehr selbstständig, sind super aus- eine Formulierung eingebracht werden, die der gebildet, denken mit und bringen auch immer Schicht weitere Funktionalitäten wie Haftung eigene Ideen ein.“ oder Kratzfestigkeit verleiht. Experimentieren, bis es klappt Den größten Teil ihrer Arbeitszeit verbringt Kreativität und Spaß am Forschen sind laut Nina Kausch-Busies mit der Recherche, Kausch-Busies unabdingbar für die Tätig- Planung und Auswertung von Experimenten. keit in F&E: „Irgendwas muss einem immer Den Hauptteil der praktischen Tätigkeit im einfallen. Man muss so lange experimen- Labor übernehmen ihre Mitarbeiterinnen. „Ich tieren, bis es klappt.“ Genauso wichtig dürfte zwar kochen, schaffe es aber zeitlich seien Teamfähigkeit und eine gute, effektive kaum noch“, schildert sie. Im Labor ist sie Kommunikation mit Mitarbeitern und Kolle- dennoch mehrmals täglich, um mit ihrem gen. „Wenn es darum geht, ein Experiment Team das weitere Vorgehen und die Aus- zu planen, muss ich genau überlegen, wie wertungen von Experimenten zu besprechen. und was ich meinen Mitarbeitern sage.“ Im Die Interaktion mit dem Team ist Kausch- Idealfall sollten alle möglichen Ausgänge des Busies extrem wichtig, nimmt sie aus diesen Versuchs vorgesehen und durchgesprochen Gesprächen doch Verständnis und wichtige sein, da ein Gesamtverständnis unabding- Impulse mit: „Meine Mitarbeiterinnen arbei- bar ist, um kurzfristig auf eine Beobachtung Foto: fotoinfot-fotolia 10 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
richtig zu reagieren. Die Conductive Polymers Division von Heraeus am Standort Leverkusen umfasst rund 80 Mitarbeiter. Ursprünglich Teil der Zentralen Forschung bei Bayer, wurde der Bereich zunächst zur Bayer- Tocher H.C. Starck, welche die Aktivität im Jahr 2010 an Heraeus verkaufte. Ein großer Teil der Belegschaft arbeitet heute in F&E und Anwendungstechnik. „Wir haben zwar viele Produkte, die wir in größeren Men- gen herstellen, aber eben auch einige sehr spezialisierte Anwendungen, die noch nicht im Technikumsmaßstab produziert werden“. Insbesondere mit der Physik-Abteilung sowie dem Bereich New Technologies arbeitet Kausch-Busies eng zusammen. Projekte würden zum Teil von mehreren Abteilungen aus verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet. Eine möglichst breite Ausbildung sei deshalb für die Zusammenarbeit wichtig: „Wir arbeiten hier sehr interdisziplinär.“ Nina Kausch-Busies sieht es als „großes Privileg“ an, sich in ihrer Arbeitszeit mit so interessanten Fragen und Herausforderungen beschäftigen zu dürfen. Auch wenn sie erst am Anfang ihres Berufslebens steht, kann sich die Chemikerin sehr gut vorstellen, in der Forschung zu bleiben. „Es ist sehr innovativ, was wir hier machen“, betont Nina Kausch- Busies. Andere Gebiete seien schon „so abgekocht“. Die leitfähigen Polymere seien hingegen ein „Oase“, in der es noch viel Neues zu entdecken gebe. Autorin des Porträts: Stephanie Alt, 2013 VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 11
Konkrete Tätigkeiten • Projektbearbeitung: Recherche, Planung und Auswertung von Experimenten, Darstellung und Diskussion der Ergebnisse in Projekttreffen, Verfassen von Forschungsberichten • Mitarbeiterführung: Anweisung der Mitarbeiter, Mitarbeitergespräche, für Infrastruktur im Labor sorgen, Verantwortung für die Sicherheit der Mitarbeiter • Besuch von Fachmessen, externen Projektpartnern (zum Beispiel Universitäten) Einstieg • Start in F&E ist klassischer Einstieg nach Studium • Meist Laborleitung mit mehreren Mitarbeitern Entwicklungschancen • Statistik zeigt, dass Großteil nach einigen Jahren in andere Bereiche wechselt, alle Ent- wicklungsmöglichkeiten stehen offen Persönliche und fachliche Voraussetzungen • Lernfähigkeit bei Einarbeitung in neue Themengebiete • Kreativität bei der Planung neuer Experimente • Teamfähigkeit • Geduld und Ausdauer Zusammenarbeit mit anderen Bereichen • Je nach Unternehmen interdisziplinärer Austausch und Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmensbereichen 12 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.2 Produktion Er bringt Sachen gern auf den Punkt. Dabei spricht er klar und verständlich. Prägnant, unterhaltsam und anschaulich, so antwor- tet Dr. Hans-Dieter Gerriets. Er gibt viele praktische Beispiele. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie er seinen Betrieb leitet, durch die Produktion geht und mit seinen Mit- arbeitern spricht. Dr. Hans-Dieter Gerriets. Gerriets ist Betriebsleiter des Produktions- Foto: VAA betriebes für Trimethylolpropan am Standort Uerdingen der LANXESS Deutschland GmbH. Vorstellung, dass man irgendwann ein tolles Der promovierte Chemiker führt diese Produk- Medikament erfindet, hat sich bei mir schnell tion seit über zehn Jahren als 1. Betriebsleiter. verflüchtigt“, erläutert der dynamische Mitt- Angefangen hat er seine berufliche Karriere fünfziger. ebenfalls in diesem Betrieb. Vor 23 Jahren, damals noch bei Bayer und als 3. Betriebs- Der Einstieg selbst sei dann „der Hammer“ leiter. Er war einer von fünf Berufsanfängern, gewesen: „Ich habe früher in kleinsten die direkt in der Produktion eingestellt wurden. Kölbchen gearbeitet“, erzählt Gerriets. „Da „Üblicherweise hat man in der Zentralen war ich froh, wenn ich 0,03 Milligramm Forschung angefangen und nach zwei bis drei Ausbeute hatte und jetzt hatte ich da Jahren hat die Produktion dann Leute ab- sechs 20.000-Liter-Reaktoren stehen.“ Ein gezogen.“ Nach drei Jahren „kochen“ während „Quantensprung“ sei das gewesen. Sein che- der Promotion habe er die Lust an der reinen misches Know-how von der Universität habe Grundlagenforschung jedoch verloren und sich genau auf den Betrieb gepasst, aber die groß- deshalb direkt für die Produktion beworben. technische Produktion sei dann etwas ganz anderes gewesen. „Ich kam mit einem Strauß Ermuntert dazu hat ihn sein Doktorvater. von akademischen Ideen und musste mir Der entdeckte früh das Managementtalent dann meist anhören: ‚Das funktioniert nicht seines Schützlings. Als er einen Ruf an die Jung‘.“ Er habe ausdauernd sein müssen, um Universität Paderborn erhielt, folgte Gerriets die ein oder andere Variante einer Idee doch ihm dorthin und organisierte den kompletten umsetzen zu können. Umzug des Instituts. Sein Diplom mit Ver- tiefung in Organischer Chemie hat Gerriets in Bei mehreren Wechseln zwischen Betrieb Köln absolviert, seine Promotionsarbeit 1989 und Stab sowie zwischen den Standorten in Paderborn erfolgreich abgeschlossen. „Die Dormagen und Uerdingen übernahm Gerriets VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 13
zunehmend Verantwortung, zunächst für auf den nächsten Karrieresprung warten einen Teilbetrieb, dann als müssen, aber die Familie sei wichtiger ge- 2. Betriebsleiter. Schließlich kam er für wesen. Heute ist er verantwortlich für einen dreieinhalb Jahre in den großen Stab des Betrieb mit rund 60 Mitarbeitern. Gebietsleiters in die Bayer-Zentrale. Dies sei eine besondere Erfahrung gewesen. Als verantwortlicher Betriebsleiter übt Ger- Man trete nie in Erscheinung, habe jedoch riets „die Hausherrenfunktion“ aus. So steht weitreichenden Überblick und Zugriff auf es im Stellenprofil. Dazu gehören die unter- relevante Daten und einen enormen Wissens- schiedlichsten Tätigkeiten: Koordinierung und vorsprung. Er hat dann selbst den Wechsel Steuerung der Produktionsprozesse, Sicher- zurück in die Produktion gefordert. Be- stellung der Einhaltung regulativer Vorgaben, sonderen Wert hat er darauf gelegt, wieder Personalführung und Weiterentwicklung der nach Uerdingen zu kommen und nicht, wie Mitarbeiter, Verfahrensverbesserungen zur eigentlich für ihn vorgesehen, in Leverkusen Optimierung der Produktion, Risikoanalysen zu bleiben. Da seine Frau die drei kleinen und Kostencontrolling. Kinder „alleine managen musste“, wollte er sie so gut wie möglich unterstützen und Bei diesen vielen unterschiedlichen Tätig- Karriere und Familie vereinbaren. „Ich habe keiten ist Organisationsfähigkeit unabdingbar: meinem Chef klipp und klar gesagt: lieber 2. „Man muss delegieren können. Allein ist es Betriebsleiter in Uerdingen als 1. in Lever- nicht zu schaffen.“ Genauso entscheidend kusen.“ So habe er zwar drei Jahre länger sei deshalb auch Kommunikationsfähigkeit Foto: Lanxess 14 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
und kooperative Mitarbeiterführung. „Man mit einer Teambesprechung los. Das Ende sollte die Stärken der Mitarbeiter kennen, hingegen ist weniger fest. Bereitschaft ist Talente sehen und sie entsprechend fördern.“ üblich, wirklichen Feierabend gibt es nicht: Außerdem müsse man mit Zahlen umgehen „Man muss immer erreichbar sein.“ An der und betriebswirtschaftlich denken können. Spitze des Betriebes stehe fast immer ein Entscheidungsfreude sei dabei ebenfalls sehr Zweiergespann: Ingenieur und Chemiker. wichtig, betont Gerriets: „Wenn man nachts „Wenn das Doppel gut zusammenspielt, angeklingelt wird, muss man sich darauf dann macht das Spaß und bringt den Betrieb einstellen, schnell die richtige Entscheidung weiter voran.“ Mit seinem Ingenieurspartner zu treffen und auch in Krisensituationen ruhig funktioniere dies wunderbar. „Er ist der Blut zu bewahren.“ Tüftler, ich bin der Präsentator.“ Gemeinsam hätten sie schon viel erreicht. Entscheidungsfreude und Kommunikations- fähigkeit zeigt Hans-Dieter Gerriets auch So auch seinen bisher größten beruflichen privat. Seit zwölf Jahren pfeift er als Volley- Erfolg: Gerriets und sein Kollege haben in ball-Schiedsrichter in der ersten Bundesliga jahrelangen Gesprächen einen Kredit in Höhe zwei bis sechs Spiele pro Monat. Im letzten von 18 Millionen Euro für den Bau einer Jahr durfte er das Herren-Pokalfinale pfeifen. eigenen Formalinproduktion durchgefochten. 56 Jahre sei die Altersgrenze, danach möch- Dies hat außer der Kosteneinsparung für te er sich um die Aus- und Weiterbildung den Bezug auch den Charme, dass bei der von Volleyball-Schiedsrichtern kümmern. Er Formalinproduktion viel Energie entsteht, die selbst spielt auch: einmal wöchentlich auf in Form von Dampf genutzt werden kann. Seniorenebene beim Rumelner TV. „Alles „Und wir sind einer der größten Dampfver- andere machen die Knochen nicht mehr mit.“ braucher hier am Standort.“ Sechs Jahre hat es gebraucht, von der ersten Idee bis zum „Wie der Franzl Beckenbauer“ Start der Produktion Ende letzten Jahres: „Das war das Highlight überhaupt!“ Die Vielfältigkeit der Aufgaben macht für Hans-Dieter Gerriets den Reiz seiner Tätigkeit Autorin des Porträts: Stephanie Alt, aus. Man könne selbstständig arbeiten und 2013 sei wenig fremdbestimmt. Er versteht sich als Teamcoach, das mache ihm am meisten Spaß: „Wie der Franzl Beckenbauer, der seine Mannschaft zur Weltmeisterschaft führt.“ Der Arbeitsbeginn ist sehr geregelt: „Ich bin so pünktlich, dass Sie danach die Uhr stellen können.“ Punkt halb acht geht es morgens VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 15
Konkrete Tätigkeiten • Koordinierung und Steuerung der Produktionsprozesse • Sicherstellung der Einhaltung regulativer Vorgaben • Führung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter • Verfahrensverbesserungen zur Optimierung der Produktion/Qualität/Kosten • Risikoanalysen Einstieg • Üblicherweise zunächst in Abteilungen wie F&E oder Anwendungstechnik sowie über Traineeprogramme; nur vereinzelt Direkteinstieg in Produktion Entwicklungschancen • Nach mehreren Jahren als 2. Betriebsleiter oder in anderen Unternehmensbereichen besteht Möglichkeit, zum verantwortlichen Betriebsleiter (1. Betriebsleiter) ernannt zu werden Persönliche und fachliche Voraussetzungen • Fähigkeit zur kooperativen Menschenführung • Ganzheitliches Denken und Organisationsfähigkeit • Kommunikations-, Konflikt- und Konsensfähigkeit • Urteils- und Entscheidungsfähigkeit • Kreativität und Innovation Zusammenarbeit mit anderen Bereichen 16 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.3 Analytik In seiner ersten Arbeitswoche war Dr. Carsten Gaebert jeden Abend „eigentlich ganz froh“, wenn die Schranke hinter ihm zuging. „Das war schon eine Herausforderung“, erinnert er sich lächelnd. Als Gruppenleiter Analytik mit Personalverantwortung für sechs Mitarbeiter stehe man plötzlich nicht mehr nur für die eigenen Ergebnisse gerade, sondern für die der kompletten Gruppe. „Und ich war auch noch Dr. Carsten Gaebert. mit Abstand der Jüngste.“ Doch man lerne Foto: VAA mit jeder Probe und jeder neuen Fragestellung hinzu. „Die Erfahrung ist in der Analytik unend- lich viel wert!“ nen über die stoffliche Zusammensetzung von Proben. Hierbei unterscheidet sich die Carsten Gaebert ist im Consortium für forschungsbezogene Analytik von der Ana- elektrochemische Industrie, der Zentralen lytik in der Qualitätskontrolle dadurch, dass Forschungstätte der Wacker Chemie AG, als neue Stoffe identifiziert und charakterisiert Arbeitsgruppenleiter in der Analytik tätig. Ins- werden, während in der Qualitätskontrolle gesamt hat das Consortium acht Fachbereiche. bekannte Produkte auf ihre Spezifikation Das Spektrum reicht von Katalysatoren, über hin untersucht werden. Carsten Gaeberts Siliziumchemie und Polymere bis hin zur Bio- Auftraggeber sind vor allem die forschenden technologie. Als zentrale Dienstleitung vor Ort Bereiche aber auch Marketingabteilungen. betreut der Fachbereich Analytik die gesamte Die Kollegen treten mit einer bestimmten Bandbreite der Forschung. Die Abteilung selbst Frage an die Analytik heran. Die drei Arbeits- gliedert sich in drei Bereiche. Carsten Gaebert gruppenleiter kanalisieren diese Aufgaben- leitet heute einen Bereich mit den Einheiten stellung dann, indem sie diskutieren, mit Rasterelektronenmikroskopie, physikalisch- welcher Analysemethode die Untersuchung chemische Analytik, anorganische Analytik der Probe Sinn ergibt und welche Abteilung sowie die Kopplungstechniken GC-MS/LC-MS. hierfür verantwortlich ist. „Wir sind nicht nur Außerdem ist er verantwortlich für die Toxiko- Knöpfchendrücker an einem Gerät“, stellt logie am Standort. Hierfür hat Gaebert ein Gaebert klar. Postgradualstudium Toxikologie und Umwelt- schutz absolviert. Das erste Gespräch mit dem Kunden ist essenziell: „Ich muss genau wissen, was er Nicht nur Knöpfchendrücker will, sonst laufe ich in die falsche Richtung.“ Analytik ist die Gewinnung von Informatio- Dann untersucht die zuständige Arbeits- VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 17
gruppe die Probe im Labor. Die besondere Es muss sprudeln Herausforderung der Analytik in F&E besteht Man müsse kreativ sein und überlegen, darin, dass es in der Regel keine fertige Ana- welche chemischen Reaktionen noch lysemethode gibt. Vielmehr wird die Methode ablaufen könnten und was zu welchem erst Schritt für Schritt entwickelt. Produkt führen könnte. „Da muss es hier „Analytik in F&E ist echte Detektivarbeit“, oben sprudeln“, sagt Gaebert und tippt sich erläutert Carsten Gaebert. Aus den Er- an die Stirn. Außer Kreativität sollte auch gebnissen einer Analysentechnik gewinne eine gewisse Frustrationstoleranz vorhanden man nie ein komplettes Bild der Probe, sein. Gelegentlich komme beispielsweise die sondern immer nur ein Indiz. Dann wende Frage, ob das Analysenergebnis korrekt sei. man die nächste Technik an und erhalte „Man braucht manchmal ein dickes Fell“, ein weiteres Indiz. „Nach und nach füge ich räumt Gaebert ein. Als Gruppenleiter steht diese Indizien dann wie bei einem Puzzle Carsten Gaebert aber für die Richtigkeit der zusammen.“ Soll beispielsweise eine neue Ergebnisse und die Arbeit seiner Gruppe Substanz synthetisiert werden, untersucht gerade: „Ich trage die volle Verantwortung.“ Gaebert, ob die Synthese auch tatsächlich Und nicht jede Umsetzung liefert das vom erfolgreich war. Da es sich in den meisten Auftraggeber erwartete Produkt. Fällen um einen neuen Stoff handelt, sind Referenzdaten noch nicht vorhanden. In der Stimmen Ergebnisse und Erwartungen Regel liegt ein Substanzgemisch vor. Hier nicht überein, geht Gaebert den gesamten muss zunächst eine Trennung der einzelnen Prozess mit dem Auftraggeber durch und Analyten erfolgen. überprüft ihn auf mögliche Fehlerquellen. Wurde beispielweise in der Analyse zu wenig Zum Einsatz kommen Chromatografie- Quecksilber gefunden, überprüft Gaebert, ob Techniken wie Gaschromatografie oder und wobei das Quecksilber in dem vor der Flüssigchromatografie (HPLC). Beide Analyse stattfindenden Forschungsvorgang Trenntechniken kann man mit einem verloren gegangen sein könnte. massenselektiven Detektor koppeln. Die Massenspektrometrie liefert dann für jeden „Wir stehen hier ganz am Anfang der Wert- Analyten im Idealfall das Molekülgewicht schöpfungskette“, betont Carsten Gaebert, sowie Massen von charakteristischen „weit entfernt von produktbegleitender Ana- Fragmenten. Nutzt man zusätzlich die lytik oder Qualitätskontrolle.“ Beim Münchner Infrarotspektroskopie, erhält man Auskunft Consortium werden die Grundsteine gelegt über funktionelle Gruppen. Mittels Kern- für Dinge, die Wacker noch gar nicht im spinresonanzspektroskopie können auch Produktportfolio führt. Wenn man sich dafür Regio- und Stereochemie der Verbindung entscheidet, ein Projekt weiter zu verfolgen aufgeklärt werden. und zum Produkt zu führen, wird es an einen Produktionsstandort von Wacker verlagert. 18 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Die Analytik wandert mit. „Wir stellen dem Betrieb dann die entwickelten analytischen Methoden zur Verfügung und wenn es Probleme gibt, springen wir ein“, erläutert Gaebert. Neugierig sein Der Analytiker hat laut Gaebert eine „Multi- plikatorenrolle“. Er wisse, wo konzernweit welche Analysetechnik vorhanden sei und könne die Fragestellung genau kanalisieren. Carsten Gaebert steht deshalb in intensivem Erfahrungsaustausch mit seinen Kollegen in den Analytikabteilungen der anderen Stand- orte. Er leitet außerdem das Competence Foto: Wacker Center Anorganische Analytik. Regelmäßig finden konzernweite Treffen statt, um an dieser Schnittstelle das analytische Know- how zusammenzutragen. Auch auf dem Organisationstalent seien für die Tätigkeit Gebiet der Gerätetechnik muss Gaebert wichtig. Erforderlich sei außerdem ein breites stets auf dem aktuellsten Stand sein. Die Grundlagenwissen, denn man müsse sich in Beurteilung, ob in ein neues Gerät oder eine viele unterschiedliche Bereiche und Sparten neue Technik investiert werden soll, liegt in einarbeiten. „Ich habe mit vielen wechseln- seiner Verantwortung. Aufgrund der hohen den Themen zu tun, weil meine Kunden aus Gerätekosten erfordert dies eine äußerst prä- allen Forschungsbereichen kommen“, schil- zise Abwägung. „Man muss neugierig sein, dert Carsten Gaebert. Genau dies macht für die Hersteller auch mal anstupsen und die ihn den besonderen Reiz seiner Tätigkeit aus: Entwicklung neuer Technologien anregen.“ „Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen Bestimmte Geräte würden dann sogar zu- und Projekte.“ So hat er im Laufe der Jahre sammen entwickelt. viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, eintönige Routine konnte sich dabei nie ein- Dabei werde Team- und Kommunikations- schleichen. fähigkeit vorausgesetzt: „Man steht nicht nur mit den Auftraggebern in ständigem Autorin des Porträts: Stephanie Alt, Kontakt, man muss auch auf die Mitarbeiter 2013 zugehen und immer wieder offen sein für Vorschläge.“ Auch Führungsqualität und VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 19
Die Analytik wandert mit. „Wir stellen dem Betrieb dann die entwickelten analytischen Methoden zur Verfügung und wenn es Probleme gibt, springen wir ein“, erläutert Gaebert. Neugierig sein Der Analytiker hat laut Gaebert eine „Multi- plikatorenrolle“. Er wisse, wo konzernweit welche Analysetechnik vorhanden sei und könne die Fragestellung genau kanalisieren. Carsten Gaebert steht deshalb in intensivem Erfahrungsaustausch mit seinen Kollegen in den Analytikabteilungen der anderen Stand- orte. Er leitet außerdem das Competence Foto: Wacker Center Anorganische Analytik. Regelmäßig finden konzernweite Treffen statt, um an dieser Schnittstelle das analytische Know- how zusammenzutragen. Auch auf dem Organisationstalent seien für die Tätigkeit Gebiet der Gerätetechnik muss Gaebert wichtig. Erforderlich sei außerdem ein breites stets auf dem aktuellsten Stand sein. Die Grundlagenwissen, denn man müsse sich in Beurteilung, ob in ein neues Gerät oder eine viele unterschiedliche Bereiche und Sparten neue Technik investiert werden soll, liegt in einarbeiten. „Ich habe mit vielen wechseln- seiner Verantwortung. Aufgrund der hohen den Themen zu tun, weil meine Kunden aus Gerätekosten erfordert dies eine äußerst prä- allen Forschungsbereichen kommen“, schil- zise Abwägung. „Man muss neugierig sein, dert Carsten Gaebert. Genau dies macht für die Hersteller auch mal anstupsen und die ihn den besonderen Reiz seiner Tätigkeit aus: Entwicklung neuer Technologien anregen.“ „Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen Bestimmte Geräte würden dann sogar zu- und Projekte.“ So hat er im Laufe der Jahre sammen entwickelt. viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, eintönige Routine konnte sich dabei nie ein- Dabei werde Team- und Kommunikations- schleichen. fähigkeit vorausgesetzt: „Man steht nicht nur mit den Auftraggebern in ständigem Autorin des Porträts: Stephanie Alt, Kontakt, man muss auch auf die Mitarbeiter 2013 zugehen und immer wieder offen sein für Vorschläge.“ Auch Führungsqualität und VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 19
Konkrete Tätigkeiten • Zentrale Dienstleistungsstelle zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der stofflichen Zusammensetzung von Proben • Untersuchung von Proben anhand verschiedener Analysetechniken und Entwicklung optimaler analytischer Methoden oder Methodenkombinationen • Identifizierung und Charakterisierung neuer Stoffe • In F&E: Lösung komplexer Fragestellungen, weniger Routinekontrollen von Serienproben • In QK: Mehr Routineanalytik zur Überprüfung von Spezifikationen Einstieg • Leitung einer Arbeitsgruppe mit mehreren Mitarbeitern Entwicklungschancen • Alle Entwicklungsmöglichkeiten stehen offen Persönliche und fachliche Voraussetzungen • Breites Grundlagen- und analytisches Expertenwissen • Führungsqualitäten • Organisationstalent • Teamfähigkeit und Kommunikationstalent • Kombinationsgabe • Neugier und Kreativität Zusammenarbeit mit anderen Bereichen • Vor allem F&E, Marketing und Produktsicherheit: konzernweiter und internationaler Er- fahrungsaustausch 20 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.4 Wissenschaftliches Informationsmanagement „Das ist es – das möchte ich werden!“ – augenblicklich wusste Dr. Ulrike Ess- wein, dass sie ihren Traumberuf gefunden hatte. Auslöser war der Vortrag eines Gruppenleiters des wissenschaftlichen Informationsmanagements der BASF. „Ich fand das hochinteressant und habe mich direkt hier beworben.“ Esswein arbeitet als Information Professional für den Bereich Pflanzenschutz des wissenschaftlichen Dr. Ulrike Esswein. Informationsmanagements der BASF SE. Foto: Simone Leuschner - VAA Sie unterstützt ihre Kollegen aus Forschung und Entwicklung, Marketing oder Produk- sive Zusatzausbildung. Die werde bei der tion durch Beratung und Bereitstellung von BASF „on the job“ gemacht und dauert ein maßgeschneiderten Informationslösungen. Jahr. In dieser Zeit durchlaufen die Berufsan- Nach Abschluss ihrer Promotion 1986 hat fänger eine Reihe von Seminaren und Aus- Ulrike Esswein direkt in dieser Abteilung bildungsschritten in Methodik, Grundlagen angefangen. des Patentrechts und Datenbanksystemen. Außerdem hat jeder, der neu in die Abteilung Esswein hat in Heidelberg Chemie studiert kommt, einen Tutor, der ihn intensiv betreut, und als Nebenfach Mathematik belegt. Die die Arbeit durchspricht und mit dem die perfekte Kombination für ihren heutigen Job: ersten Recherchen gemeinsam durchgeführt „Aufgrund meiner Ausbildung im Neben- werden. Zudem müsse man die Abteilungen fach fand ich es unglaublich spannend, wie kennenlernen, die man inhaltlich betreue: man große Datenmengen und chemische „Ich muss wissen, was dort bearbeitet wird, Strukturen in Systemen ablegen und wieder damit ich auch fachlich mit den Kollegen finden kann.“ reden und sie bei der Arbeit unterstützen kann.“ Dieser Zweiklang sei das prägendste Zeiten des Umbruchs seien das gewesen, Element ihrer Tätigkeit: „Man muss beides erinnert sich Ulrike Esswein lächelnd. Damals können: die Chemie verstehen und den wurden gerade die ersten Computer ein- methodischen Hintergrund kennen.“ geführt. Sie konnte also direkt mit elektro- nischen Systemen arbeiten. An den Einstieg Das wissenschaftliche Informations- erinnert sie sich genau: „Ich musste sehr viel management bei der BASF ist in Gruppen lernen.“ Zwar bringe man das chemische organisiert, die den jeweiligen Forschungs- Fachwissen mit, benötige jedoch eine inten- und Unternehmensbereichen entsprechen. VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 21
Ulrike Esswein erhält Anfragen und Aufträge diesem Wissen füttere ich meinen Computer mit Informationsanforderungen von Kollegen und klassifiziere die gefundenen Inhalte.“ aus den verschiedensten Unternehmens- So wird beispielsweise bei der Zulassung bereichen, vom Marketing bis zur Produktion. neuer Pflanzenschutzmittel im Vorhinein Hauptsächlich kommen die Anfragen aus die komplette Toxikologie und Ökotoxiko- dem Bereich Forschung und Entwicklung. logie bewertet. Auch Daten für REACH sind Hier ist die Abteilung Wissenschaftliche ein Thema. Esswein trägt zusammen, was Information auch innerhalb des Unter- bereits bekannt ist und was selbst unter- nehmens angesiedelt. Wenn eine Information sucht werden muss, gegebenenfalls durch angefordert wird, spricht Esswein zunächst die Anfertigung eigener Studien. „Ich habe persönlich mit den Kollegen der anfordernden die Kenntnis der Datenbanken und ich weiß, Abteilung: „Wir diskutieren dann intensiv, wie welches Wissen wo wie abgelegt ist.“ Über man das Informationsbedürfnis befriedigen 1.000 Datenbanken stehen ihr zur Verfügung; kann.“ Diese Gespräche sind essenziell, rund 50 davon nutzt sie regelmäßig. denn aufgrund der Diskussion muss Ess- wein beurteilen, welche Daten wofür und Die Ergebnisse dieser „Profirecherche“ in welcher Tiefe gebraucht werden: Genügt bewertet Ulrike Esswein dann zusammen eine einfache Information oder ist die Frage mit den Kollegen aus der Fachabteilung. geschäftskritisch? Im Voraus führt sie eine Erstbewertung durch. Bei einer Recherche erhält sie meist Den Computer füttern Hunderte von Treffern, von denen sie nur Unterschiedlich lang und umfassend fällt die einen Bruchteil als zutreffend bewertet. Nur Recherche aus. „Benötigt jemand schnell diese Informationen gibt sie an die Kollegen einen bestimmten Mischungsparameter oder weiter. „Den Rest sortiere ich auf eigene den Schmelzpunkt, dann weiß ich genau, wo Verantwortung als Ballast aus.“ Die end- ich diese Daten finde und kann die Informa- gültige Bewertung des Sachverhaltes erfolgt tion innerhalb von fünf Minuten weitergeben.“ dann in der jeweiligen Fachabteilung, bei Komplexe Informationsanalysen hingegen Patentrecherchen gemeinsam mit der Patent- betreffen beispielsweise Akquisitionen oder abteilung. „Freedom-to-operate-Analysen“ für Anlagen- bau oder neue Technologien und Produkte in Ein weiterer, wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit verschiedenen Ländern. Bei diesen Fragen, ist die Bereitstellung von Endusersystemen welche die Grundlage für strategische für alle BASF-Mitarbeiter. In diesen Syste- Entscheidungen bilden, führt Esswein eine men wird alles aufbereitet, was schnell und detaillierte Patent- und Literaturrecherche einfach zu finden ist. Ulrike Esswein schult durch. Zum gefragten Sachverhalt erstellt die Kollegen in der Nutzung dieser Daten- sie ein breites Rechercheprofil mit vielen banken für die Selbstrecherche. Außerdem verschiedenen Gliederungspunkten. „Mit beobachten sie und ihre Kollegen aus der 22 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Foto: BASF wissenschaftlichen Information den Markt ämtern werden die Daten in die Informations- für Informationstechnologie genau. „Wir systeme eingespeist. Entscheidend ist jedoch arbeiten mit Firmen zusammen, die für nicht nur der Originaltext des Patentes, uns interessant sind, kaufen Systeme und sondern die Aufbereitung dieses Wissens in entwickeln diese auch weiter.“ Eine neue Ent- den Datenbanken. Die Datenbankhersteller wicklung sei beispielsweise die Aufbereitung belegen die Strukturen und Sach-erhalte großer Datenmengen anhand semantischer deshalb mit Deskriptoren und Patentklassi- Methoden. Hier werden die Zusammenhänge fikationen. zwischen verschiedenen Begrifflichkeiten hinterlegt und ständig weiterentwickelt. So Tiefer gehen können immer größere Datenmengen struk- Ulrike Esswein arbeitet mit den unterschied- turiert zugänglich gemacht werden. lichsten Menschen aus allen Bereichen des Unternehmens zusammen. Kommuni- Eine ständige Optimierung, die aufgrund der kations- und Kooperationsfähigkeit sowie Fülle der Daten und der Sprachenvielfalt un- Kundenorientierung sind deshalb in ihrem erlässlich ist. So gibt es weltweit 70 Millionen Job eine wichtige Voraussetzung. Genauso Patente. Allein 2011 sind zwei Millionen neue wichtig sei jedoch analytisches Denken: „Es Patente dazugekommen. Von den Patent- liegt an mir, das Informationsbedürfnis und VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 23
die Fragestellung richtig zu analysieren und arbeitete sie als freie Mitarbeiterin weiter die Diskussion so zu führen, dass sie den für das Unternehmen. Kinderbetreuung war Kollegen einen Mehrwert bringt.“ Auch auf früher ein generell großes Problem. Aber zu Gründlichkeit und Beharrlichkeit legt Esswein kündigung und auszuscheiden kam für Ess- großen Wert: „Ich muss ein Interesse daran wein nie in Frage. Durch ihre freie Mitarbeit haben, tiefer zu gehen.“ Gleichzeitig müsse war sie immer im Kontrak zu den Kollegen, man aber auch flexibel sein und erkennen, was wichtig war. „Ich habe von Anfgang an wann man die Dinge nicht unnötig zu ver- mein Gebiet gefunden – das war meins!“, so komplizieren brauche. Esswein. Ulrike Esswein nimmt sich während des Autorinnen des Porträts: Stephanie Gesprächs zuweilen einen Moment Zeit, Alt 2013 und Elena Zolototubova 2017 bevor sie antwortet. Auf das Interview hat sie sich genau vorbereitet. Handschriftliche Notizen liegen vor ihr. Sie wählt ihre Worte mit Bedacht, möchte präzise erläutern und strukturiert vorgehen. Freundlich, aufmerk- sam und konzentriert wendet sie sich ihrer Gesprächspartnerin zu, während sie lacht und interessierte Rückfragen stellt. Er- staunlich, wie genau sie die persönlichen Charakteristika verkörpert, die sie selbst als bezeichnend für ihr Berufsfeld aufführt. Esswein arbeitet seit über 25 Jahren im wissenschaftlichen Informationsmanagement für die BASF. Ihr Job begeistert sie nach wie vor: „Dieser Beruf entwickelt sich immer weiter.“ Sie sei immer an den neuesten Forschungsgebieten und Innovationen der BASF beteiligt. Auch die Informations- technologie und Methodik veränderten sich kontinuierlich. „Das ist eine solche Heraus- forderung, dass es auch nach so langer Zeit noch spannend ist.“ Den Einstieg bei der BASF hat Esswein keinesfalls bereut. Auch als junge Mutter 24 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Konkrete Tätigkeiten • Beratung zu und Bereitstellung von maßgeschneiderten Informationslösungen • Zielgerichtete Unterstützung bei Entscheidungsfindungen zu Forschungsthemen, Patentan- meldungen, Technologie- und Marktbeobachtung durch Patent- und Literarturrecherche • Strukturierung, Analyse und Ausarbeitung der gewonnenen Informationen • Unterstützung im Umgang mit komplexen Daten und Datenmanagement • Kenntnis des Informationsmarkts insb. im Bereich der Patent-, Literatur- und Markt- informationen • Betreuung von externen und internen Informationssystemen (auch von Endusersystemen) Einstieg • Direkteinstieg oder Wechsel aus anderen Bereichen (insbesondere F&E) Entwicklungschancen • Spezialistenkarriere oder Weiterentwicklung durch zahlreiche Kontakte mit anderen Ab- teilungen Persönliche und fachliche Voraussetzungen • Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit • Kooperationsfähigkeit und Kundenorientierung • Neugier auf neue thematische und technische Herausforderungen • Flexibilität • Gründlichkeit Zusammenarbeit mit anderen Bereichen • Enge Zusammenarbeit mit F&E und Patentabteilung, außerdem mit Produktion, Marketing und Registrierung VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 25
2.5 Drug Regulatory Affairs ner, als er seine dreijährige Tätigkeit beim BfArM schildert. Das Studium absolvierte er in dieser Zeit berufsbegleitend. Wenn er im Studium anwesend sein mußte, nahm er Sonder- oder Erholungsurlaub. Die Studien- kosten trug er selbst. Dieser Aufwand hat sich gelohnt: Toxikologische Fragestellungen machen auch heute noch einen großen Teil seiner Arbeit aus. Die Arzneimittelzulassung – Drug Regula- Dr. Matthias Brunner. tory Affairs – ist ein ausgesprochen breites Foto: privat und vielfältiges Aufgabengebiet. Regulatory Affairs Manager kümmern sich um die Zu- Doppelt hält besser. Zumindest im Fall von lassung von Arzneimitteln oder Wirkstoffen. Dr. Matthias Brunner. Nach seiner Promotion Sie begleiten den gesamten Lebenszyklus in Chemie mit biochemischem und ana- eines Medikaments – von der Entwicklung lytischem Schwerpunkt war der Markt nicht über die verschiedenen Stufen der klinischen günstig. Die Arbeitssuche zog sich hin: Zu Studien, den Zulassungsantrag bis hin zur lange für Brunners Geschmack. Deshalb Betreuung nach der Marktzulassung. hat er sich dazu entschlossen, zunächst das Die Zulassungsanforderungen für Arznei- zweijährige Aufbaustudium Toxikologie und mittel wurden in Europa, Nordamerika und Umweltschutz an der Universität Leipzig zu Japan weitgehend harmonisiert. Wesentliche absolvieren. Kaum immatrikuliert bekam er Leitlinien zum Nachweis der Qualität, Sicher- die Stellenzusage vom Bundesinstitut für heit und Wirksamkeit sowie die Dokumenten- Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) formate für die Zulassung wurden verein- in Bonn. „Ich habe dann beides parallel be- heitlicht. Das Unternehmen muss mit dem gonnen“, erzählt Brunner. Diesen Elan hat er Zulassungsantrag ein umfangreiches Dossier bis heute nicht verloren. Voller Freude spricht im Common Technical Document-Format er von seiner Tätigkeit, wobei immer wieder (CTD) einreichen. Dieses Dossier enthält in Pfälzer Dialekt durchklingt. Seine Worte fünf Modulen alle Ergebnisse zur Herstellung, unterstreicht er mit Gesten. Für das Gespräch Forschung und Entwicklung für das be- nimmt er sich viel Zeit. treffende Arzneimittel. Beim BfArM kümmerte er sich in der Ab- Die ersten beiden Module enthalten regional teilung Pharmazeutische Qualität um die spezifische Informationen und zusammen- Nachzulassung von Arzneimitteln. „Ich war fassende Dokumente. Modul 3 beschreibt, Herr über die Nasentropfen“, lacht Brun- wie das Arzneimittel in hinreichender 26 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
pharmazeutischer Qualität hergestellt wird mittel entwickelt. Der Wettlauf mit den und wie dies analysiert und nachgewiesen Mitbewerbern ist hart, es geht um Gewinne werden kann. Modul 4 umfasst die nicht- in Millionenhöhe. „Arzneimittel sind ein hoch- klinischen pharmakologischen und toxiko- ethisches Wirtschaftsgut“, fasst Matthias logischen Studien und Modul 5 sämtliche Brunner beide Aspekte zusammen. Daten aus den klinischen Studien. Ganze LKW-Ladungen an Dokumenten wurden frü- Nachdem das Medikament auf dem Markt her bei den Zulassungsbehörden abgeliefert, ist, geht die Arbeit weiter. Die Zulassungs- wobei die klinischen Studienergebnisse den abteilung muss alle Texte, die das Unter- überwiegenden Teil ausmachten. Heute nehmen zu dem Medikament herausgibt, er- werden die Dossiers in elektronischer Form stellen und intern genehmigen. Dazu gehören übermittelt. zum Beispiel Werbe- und Marketingtexte sowie Informationsbroschüren für Patienten, Matthias Brunner ist auf den Bereich der Fachinformationen für Ärzte und Apotheker pharmazeutisch-chemischen Qualität, also oder Texte auf der Verpackung. Hinzu kommt, Modul 3, spezialisiert. Hier erarbeitet er dass die Zulassungen verlängert und Ände- Zulassungsstrategien. Er kümmert sich um rungen, die Qualitätsaspekte betreffen, sowie die pharmazeutische Qualität von Arznei- Erkenntnisse zur Anwendungssicherheit des mitteln, für die ein Zulassungsantrag gestellt Arzneimittels den zuständigen Behörden werden soll. Der englische Begriff des regelmäßig gemeldet werden müssen. „Managers“ trifft laut Matthias Brunner ins Das Anwendungsgebiet der Medikamente Schwarze. Denn er nimmt eine Schnitt- wird aufgrund neuer Erkenntnisse häufig stellenfunktion ein, indem er die Arbeit der erweitert, sodass die Zulassung für weitere einzelnen Fachabteilungen koordiniert und Einsatzfelder erwirkt werden muss. deren Ergebnisse zusammenfügt. Nur wenn Forschung, Produktion, Qualitätskontrolle, Die Schreibtischseite wechseln Toxikologie und Marketing eng zusammen- Nach erfolgreichem Studienabschluss und arbeiten, ist eine erfolgreiche Zulassung dem Ende seiner befristeten Tätigkeit für samt anschließender Betreuung möglich. Die das BfArM ist Matthias Brunner im Zu- zusammengetragenen Informationen prüft lassungsbereich geblieben, hat jedoch „die Brunner anhand der gesetzlichen Vorgaben, Schreibtischseite“ gewechselt. „Ich kannte bereitet die wissenschaftlichen Daten auf und das Unternehmen Dr. Mann bereits aus verhandelt mit den zuständigen Behörden. meiner Tätigkeit beim BfArM und war mit Darüber hinaus muss er den Zeitplan und die dem dortigen Zulassungschef in Kontakt.“ So Kosten immer im Blick behalten. Er trägt eine hat Brunner direkt im Anschluss eine Stelle große Verantwortung: Für die Menschen, in der pharmazeutischen Dokumentation bei die das Medikament später einnehmen, und Dr. Mann Pharma, heute Bausch & Lomb, für das Unternehmen, welches das Arznei- erhalten. VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 27
Die Schreibtischseite hat er seitdem nicht Brunner. Es gebe sehr viele Nachfragen und gewechselt, die Unternehmen und Zu- Angebote. „Ich habe den Eindruck, dass sich lassungsberatungen schon. Vor eineinhalb dies in nächster Zeit noch verstärken wird.“ Jahren hat sich Brunner dann selbstständig Die regulatorischen Anforderungen würden gemacht. „Ich habe mich gründlich und ständig wachsen, auch gebe es innerhalb gut informiert, wie man es als Zulasser so der Arzneimittelzulassung neue Gebiete, bei- tut“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. spielsweise Orphan Drugs, also Arzneimittel „Dann habe ich mir gedacht: Was soll’s, für die Behandlung seltener Erkrankungen, es ist spannend, ich mache das jetzt.“ Mit für die neue Anforderungen zur Zulassung einem großen Anfangsprojekt legte er los, gelten und Strategien für die Zulassung ent- später kamen kleinere Aufgaben hinzu. „Ich wickelt werden müssen. bin zufrieden mit diesem Schritt“, betont Um die wachsende Nachfrage zu stillen, gibt es seit einigen Jahren Aufbaustudien- gänge von Universitäten oder spezialisierten Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs (DGRA). „Ein Studium solcher Art ist die beste Voraussetzung für unsere Arbeit“, meint Matthias Brunner. „Man lernt von Beginn an die gesetzlichen regulatorischen Hintergründe kennen, sodass man im Berufsleben direkt weiß, ob Theorie und Praxis zusammenpassen.“ Außerdem werde man dank der Breite der Ausbildung auf das gesamte Gebiet der Zulassung vor- bereitet. Doch trotz aller theoretischen Kenntnisse sei es letztlich die Erfahrung, welche die Quali- fikation eines guten „Zulassers“ ausmache, meint Brunner: „Man lernt bei jedem Projekt Foto: dondoc-foto – Fotolia neue Aspekte kennen und kann diese dann für das nächste Dossier einsetzen.“ Welches Land legt auf welchen Punkt besonders viel Wert? Welcher Mitarbeiter hat welches persönliche „Steckenpferd“? Wie legt man komplexe Sachverhalte klar und verständlich dar? All dies seien Erfahrungen, die man im
Laufe seines Berufslebens sammle. Sie seien entscheidend, um beim nächsten Projekt noch präziser planen und die Erkenntnisse in entsprechende Strategien einfließen lassen zu können. Präzise Vorbereitung und Planung sind das A und O. Diese Grundsätze hat Matthias Brunner verinnerlicht – nicht nur in seinem Job. Im Vorgang zum Gespräch erkundigt er sich nach möglichen Essens- und Getränke- wünschen und hat für den Termin Gebäck vorbereitet. An vielen weiteren Stellen zeigt sich sein hohes Maß an Sorgfalt und Selbstorganisation. Nach wie vor gilt für ihn: Doppelt hält bekanntlich besser. Autorin des Porträts: Stephanie Alt, 2013 VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 29
Konkrete Tätigkeiten • Erarbeitung regulatorischer Strategien und Unterstützung in Antragstellung und Ent- wicklungsprojekten zur Herstellung pharmazeutischer Produkte • Erstellung und Betreuung der Dossiers für Zulassungsanträge und Anträge für klinische Studien • Verfassen erster Umweltbewertungen für Zulassungsanträge • Durchsicht und Aktualisierung der Kennzeichnungen und informativen Texte Einstieg • „Learning by Doing“ am Arbeitsplatz mit spezifischer Weiterbildung • Aufbaustudium zum Master of Regulatory • Quereinstieg innerhalb des Unternehmens (etwa aus Analytik, Qualitätskontrolle/-sicherung oder verwandten regulatorischen Bereichen) Entwicklungschancen • Management bis Abteilungsleitung • Selbstständige Beratung Persönliche und fachliche Voraussetzungen • Sorgfalt und Genauigkeit • Selbstständigkeit • Spaß am Umgang mit Regularien • Hohe Belastbarkeit, Stressresistenz, Überzeugungskraft und Kostenbewusstsein • Aufbaustudium oder Weiterbildung (siehe oben) Zusammenarbeit mit anderen Bereichen • Alle Arbeitsbereiche im Lebenszyklus eines Arzneimittels: F&E, Produktion, Qualitätssicherung, Toxikologie und Marketing 30 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.6 Strategisches Marketing Er stellt seinen Kollegen einen Kompass zur Verfügung. Einen Kompass, der die Richtung weist. Der zeigt, wohin die Reise gehen soll. Dr. Wolfram Uzick ist Global Marketing Manager bei der Chemtura Corporation. Er ist zuständig für das weltweite operative und strategische Marketing für metallorganische Spezialprodukte, die beispielsweise in Kata- lysatorsystemen der Polymer-Produktion Dr. Wolfram Uzick. sowie der Synthese von Feinchemikalien und Foto: VAA Pharmazeutika verwendet werden. Haupt- produktionsstandort und damit auch haupt- sächlicher Arbeitsort Uzicks ist Bergkamen Auf Grundlage der langfristigen Marketing- im Ruhrgebiet. strategie entwickelt Uzick Marketingpläne und Aktivitäten zur zeitgerechten Umsetzung Neben dem operativen Marketing deckt in den einzelnen Geschäftsfeldern, um das das strategische Marketing Konzeption, budgetierte Umsatz- und Ergebnisziel zu Koordination und Erstellung langfristiger erreichen. „Als Marketing Manager bin ich Marketingstrategien ab. Wolfram Uzick, Mitte vor dem eigentlichen Vertragsabschluss fünfzig, entwickelt und verantwortet diese tätig“, erläutert er. „Ich stelle eine Handlungs- Strategie für das Geschäftsfeld Metallorganik. richtschnur für die Verkaufsorganisation auf, Dabei arbeitet er mit allen Abteilungen des sodass wir unsere Stärken voll ausspielen Unternehmens zusammen. „Meine wichtigste können und die richtigen Schwerpunkte Aufgabe ist die Schnittstellenfunktion zwi- setzen.“ schen allen Bereichen“, schildert er. „Nur aus der Kenntnis des Zusammenspiels zwischen Ziel ist es, dem Industriekunden deut- den einzelnen Fachbereichen wird klar, wo lich zu machen, dass man ein guter und die Stärken, aber auch die Schwächen des zuverlässiger Lieferant mit wettbewerbs- eigenen Hauses liegen.“ Diese Ergebnisse fähigen Preisen ist. „Tue Gutes und rede fließen ebenso in die Marketingstrategie darüber – dieses Sprichwort trifft den Kern ein wie die Wettbewerbsanalyse und die meiner Tätigkeit“, schildert Uzick mit einem Kundensegmentierung, also die Identifikation Augenzwinkern. Anders als beim Marketing homogener Gruppen aus der Gesamtheit für Endverbraucher ist ein Chemieprodukt potenzieller Kunden, die Uzick ebenfalls für Industriepartner hochgradig technisch. durchführt. Deswegen stehen im Business-to-Business- Bereich strategisch-technische Überlegungen VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 31
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