BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA

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BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
Chemische Industrie —

BERUFE UND
BERUFUNG
BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
Annex:

    1.   Die in dieser Broschüre enthaltenen Personen- und Funktionsbezeichnungen gelten für
         Frauen und Männer in gleicher Weise.

    2.   Die Checkboxen zu den Berufsfeldern bieten einen kurzen Überblick. Sie sind nicht
         vollständig identisch mit der Tätigkeit der porträtierten Person, sondern stellen einen all-
         gemeinen Querschnitt des jeweiligen Bereiches dar.

2 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
EDITORIAL
Kurz vor Abschluss des Studiums stellen sich
viele Fragen: Soll ich meine Qualifikation mit
einer Promotion oder einem Postdoc-Aufent-
halt weiter ausbauen? Welches Unternehmen
ist der passende Arbeitgeber für mich? Und wie
bewirbt man sich dort am besten?

Bei der Beantwortung dieser Fragen möchten
wir unterstützen. Diese Broschüre zeigt, wel-           DR. CHRISTOPH
che vielfältigen Berufsfelder und Möglichkeiten         GÜRTLER
die chemisch-pharmazeutische Industrie bie-                            Foto: VAA – Maria Schulz
tet. VAA-Mitglieder werden in ihren Tätigkeiten
und Aufgabengebieten porträtiert, um einen         studentische Mitglieder in direkten Kontakt
persönlichen Einblick in das Arbeitsleben in der   mit Führungskräften treten und Fragen, die im
Industrie zu geben. Ergänzt werden diese Por-      Vorfeld einer Bewerbung auftreten, persönlich
träts durch übersichtliche Informationskästen      besprechen. Studierende erhalten auf diese
zu den einzelnen Berufsbildern.                    Weise Tipps und wertvolle Informationen für
                                                   die Bewerbung im jeweiligen Unternehmen.
Das Thema Bewerbung ist ein weiterer, sehr
wichtiger Bestandteil der Broschüre. Denn Be-      Weitere Vorteile, die der VAA seinen studenti-
werbungen sollen Türen zum Vorstellungsge-         schen Mitgliedern bietet, wie etwa die juristi-
spräch öffnen. Deshalb ist es wichtig zu wissen,   sche Beratung oder die VAA-Umfragen zu Ein-
wie eine Bewerbung auf Entscheidungsträger         kommen und Stimmung in den Unternehmen,
wirkt. Die diplomierte Pädagogin und Psycho-       stellen wir in der Broschüre ebenfalls vor.
login Monika Puls-Rademacher gibt hier wert-
volle Hinweise, Tipps und Anregungen aus der       Ich wünsche viel Spaß bei der Lektüre, wichti-
Praxis. Als erfahrener Personalprofi war sie       ge Erkenntnisse und viel Erfolg beim Eintritt ins
lange Zeit verantwortlich für die Personalent-     Berufsleben.
wicklung einer Konzerngesellschaft der che-
misch-pharmazeutischen Industrie.                  Dr. Christoph Gürtler
                                                   Mitglied des VAA-Vorstandes
Die Erfahrung und das Know-how erfahrener
Führungskräfte sind ein echter Trumpf in Sa-
chen Karriereplanung. Genau das bietet der
VAA seinen studentischen Mitgliedern mit dem
VAA-Bewerbungsnetzwerk: Dadurch können

                                                       VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 3
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BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
INHALT
1. Möglichkeiten nach dem Studium –
   Chemie studieren und was dann?                                           6

2. Tätigkeitsfelder in der chemischen Industrie                             9

  2.1 Forschung & Entwicklung                                              9
  2.2 Produktion                                                          13
  2.3 Analytik                                                            17
  2.4 Wissenschaftliches Informationsmanagement                           21
  2.5 Drug Regulatory Affairs                                             26
  2.6 Strategisches Marketing                                             31
  2.7 Patentwesen                                                         35
  2.8 Verfahrenstechnik/Prozessentwicklung                                39
  2.9 Umwelt, Gesundheit, Sicherheit & Gesetzgebung                       43
  2.10 Anwendungstechnik                                                  48
  2.11 Qualitätsmanagement                                                49

3. Erfolgreich bewerben                                                   51

4. Unterstützung durch den VAA                                            60

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BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
1. MÖGLICHKEITEN NACH DEM STUDIUM –
      CHEMIE STUDIEREN UND WAS DANN?
    Daten und Fakten aus der GDCh-                  zent wagen den Sprung ins Berufsleben, alle
    Hochschulstatistik                              anderen nehmen im Anschluss ein Master-
    Der Trend zum Doktortitel ist bei Chemie-       studium auf. Nach der Promotion strebt die
    studenten ungebrochen: Circa 80 Prozent der     Mehrheit der Absolventen eine Anstellung in
    Masterabsolventen beginnen eine Promotion.      der Wirtschaft an, davon über ein Drittel in
    Auch die Bachelorabsolventen streben einen      der chemischschen Industrie.
    möglichst hohen Abschluss an: Nur ein Pro-

                                 Anfänger in Chemie-Studiengängen

    Studiendauer                                     Benotungen
    Der Medianwert für die Studiendauer bis          Ausgezeichnete Promotionen: 19 Prozent der
    zum Bachelorabschluss liegt bei 6,4 Semes-       Chemieabsolventen schließen ihre Promotion
    tern. Bis zum Masterabschluss werden im          mit „ausgezeichnet“ und 72 Prozent mit „sehr
    Median weitere 4,5 Semester benötigt. Die        gut“ ab. Im Masterstudiengang erreichen
    Promotionsdauer liegt bei 8,3 Semestern.        14 Prozent eine Auszeichnung, 44 Prozent
    Zwischenzeitlich hatte sich die Gesamt-          schneiden „sehr gut“ und 44 Prozent „gut“
    studiendauer verkürtz, liegt nun – wie regel-    ab. Den Bachelor-Studiengang schließen zwei
    mäßig vor 2008 – bei über 8 Semestern.           Prozent mit „ausgezeichnet“, 10 Prozent mit
                                                    „sehr gut“ und 60 Prozent mit „gut“ ab.

6 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
Erster Berufsschritt der Masterabsolventen * 2018

Einstieg ins Berufsleben                         auf den Arbeitsmarkt: Gerade einmal ein
Nur sechs Prozent der Masterabsolventen          Prozent starten nach dem Abschluss ins
starten ins Berufsleben. Wie oben dargestellt,   Berufsleben.
zieht es auch die Bachelorabsolventen nicht

           Erster Berufsschritt der promovierten Chemieabsolventen* 2018

                                                     VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 7
BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
Nach Abschluss der Promotion wechselt die        fentlichen Dienst kommen rund sechs Pro-
    Mehrheit der promovierten Chemiker von der       zent unter. Rund elf Prozent der Absolventen
    Uni in die Industrie. Über ein Drittel beginnt   waren zum Zeitpunkt der Erhebung in 2012
    das Berufsleben in der chemisch-pharma-          stellensuchend. Dieser Wert schwankt je
    zeutischen Industrie. In die übrige Wirtschaft   nach Wirtschaftslage. Im Vergleich zu der
    gehen 13 Prozent der Promovenden. Ins            Situation vor 20 Jahren haben sich die Ein-
    Ausland, meist zu einem Postdoc-Aufenthalt,      stellungschancen jedoch deutlich gebessert.
    zieht es rund zwölf Prozent der promovierten     Insgesamt lässt sich allerdings festhalten,
    Chemiker. Im Forschungsbereich an einer          dass in Industrie und Wissenschaft immer
    Hochschule oder einem Forschungsinstitut         seltener unbefristete Stellen für Berufsein-
    bleiben vier Prozent der Absolventen. Im öf      steiger ausgeschrieben werden.

                                  Studiengang Chemie: Verbleib der
                                   promovierten Absolventen in %

    Die Grafiken und Zahlen auf den Seiten sechs bis acht sind der Statistik der Chemiestudien-
    gänge 2018 der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh entnommen. )

8 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
2. TÄTIGKEITSFELDER IN DER CHEMISCHEN INDUSTRIE

2.1 Forschung & Entwicklung

Für viele ist es nur ein Sprungbrett. Dr. Nina
Kausch-Busies ist mit Leib und Seele For-
scherin. „Es macht mir einfach großen Spaß,
auf der Suche nach etwas Neuem zu sein“,
betont sie.

Kausch-Busies arbeitet als Laborleiterin bei                           Dr. Nina Kausch-Busies.
                                                                                   Foto: privat
der Heraeus Precious Metals GmbH & Co. KG
im Chemiepark Leverkusen. Die gebürtige
Rheinländerin hat nach ihrer Chemie-
promotion mit dem Schwerpunkt Organik            Kausch-Busies. „Das war ein idealer Start.“
einen Postdoc am Max-Planck-Institut für         Die Conductive Polymers Division von Her-
Kohlenforschung absolviert und sich dort mit     aeus produziert Dispersionen leitfähiger Poly-
der Totalsynthese von Naturstoffen befasst.      mere. Diese bläulichen Flüssigkeiten kommen
Die Liebe zur Forschung hat sich in dieser       als elektrische Funktionsschichten zum
Zeit gefestigt. Dennoch wollte Nina Kausch-      Einsatz, beispielsweise als Elektrode in Kon-
Busies gern anwendungsbezogener arbeiten.        densatoren oder als strukturierte Schicht von
„Es ist schön, an etwas zu forschen, das         Touchscreens. Das weitere Produktspektrum
nicht nur veröffentlicht, sondern auch produ-    reicht von Materialien für die Herstellung leit-
ziert wird.“                                     fähiger Folien für die Solar-, Automobil- oder
                                                 Elektronikindustrie bis hin zur Verwendung in
Der ideale Start                                 OLEDs. Ausgangsstoff ist ein Monomer auf
Die Stellenausschreibung bei Heraeus hat sie     Thiophenbasis, das zu immer leistungsfähigeren
dann „spontan interessiert“. Auch wenn die       Polymeren mit dem chemischen Namen PEDOT
Aufgabe eine komplette thematische Um-           (Polyethylendioxythiophen) verknüpft wird,
orientierung darstellte. „Das erste Jahr war     die jeweils maßgeschneiderte Eigenschaften
sehr aufregend“, erinnert sich die Diplom-       aufweisen. Das reine PEDOT-Polymer ist nicht
chemikerin. Insbesondere die Einarbeitung        ohne Weiteres zu verarbeiten. Die Forscher
in das neue Themengebiet Materialwissen-         arbeiten deshalb daran, bei der Polymerisation
schaften stellte eine Herausforderung dar.       ein weiteres Polymer zuzusetzen, das die positi-
„Ich hatte jedoch großes Glück, da ich fast      ven Ladungen im PEDOT kompensiert und das
ein halbes Jahr lang von meinem Vorgänger        Polymer in Wasser dispergierbar – also feinst
betreut und eingearbeitet wurde“, schildert      verteilbar – macht. Das in Wasser dispergierte

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BERUFE UND BERUFUNG Chemische Industrie- VAA
Polymer kann für Beschichtungszwecke in         ten sehr selbstständig, sind super aus-
    eine Formulierung eingebracht werden, die der   gebildet, denken mit und bringen auch immer
    Schicht weitere Funktionalitäten wie Haftung    eigene Ideen ein.“
    oder Kratzfestigkeit verleiht.
                                                    Experimentieren, bis es klappt
    Den größten Teil ihrer Arbeitszeit verbringt    Kreativität und Spaß am Forschen sind laut
    Nina Kausch-Busies mit der Recherche,           Kausch-Busies unabdingbar für die Tätig-
    Planung und Auswertung von Experimenten.        keit in F&E: „Irgendwas muss einem immer
    Den Hauptteil der praktischen Tätigkeit im      einfallen. Man muss so lange experimen-
    Labor übernehmen ihre Mitarbeiterinnen. „Ich    tieren, bis es klappt.“ Genauso wichtig
    dürfte zwar kochen, schaffe es aber zeitlich    seien Teamfähigkeit und eine gute, effektive
    kaum noch“, schildert sie. Im Labor ist sie     Kommunikation mit Mitarbeitern und Kolle-
    dennoch mehrmals täglich, um mit ihrem          gen. „Wenn es darum geht, ein Experiment
    Team das weitere Vorgehen und die Aus-          zu planen, muss ich genau überlegen, wie
    wertungen von Experimenten zu besprechen.       und was ich meinen Mitarbeitern sage.“ Im
    Die Interaktion mit dem Team ist Kausch-        Idealfall sollten alle möglichen Ausgänge des
    Busies extrem wichtig, nimmt sie aus diesen     Versuchs vorgesehen und durchgesprochen
    Gesprächen doch Verständnis und wichtige        sein, da ein Gesamtverständnis unabding-
    Impulse mit: „Meine Mitarbeiterinnen arbei-     bar ist, um kurzfristig auf eine Beobachtung

                                                                            Foto: fotoinfot-fotolia

10 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
richtig zu reagieren. Die Conductive Polymers
Division von Heraeus am Standort Leverkusen
umfasst rund 80 Mitarbeiter.

Ursprünglich Teil der Zentralen Forschung bei
Bayer, wurde der Bereich zunächst zur Bayer-
Tocher H.C. Starck, welche die Aktivität im
Jahr 2010 an Heraeus verkaufte. Ein großer
Teil der Belegschaft arbeitet heute in F&E
und Anwendungstechnik. „Wir haben zwar
viele Produkte, die wir in größeren Men-
gen herstellen, aber eben auch einige sehr
spezialisierte Anwendungen, die noch nicht
im Technikumsmaßstab produziert werden“.
Insbesondere mit der Physik-Abteilung sowie
dem Bereich New Technologies arbeitet
Kausch-Busies eng zusammen. Projekte
würden zum Teil von mehreren Abteilungen
aus verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet.
Eine möglichst breite Ausbildung sei deshalb
für die Zusammenarbeit wichtig: „Wir arbeiten
hier sehr interdisziplinär.“

Nina Kausch-Busies sieht es als „großes
Privileg“ an, sich in ihrer Arbeitszeit mit so
interessanten Fragen und Herausforderungen
beschäftigen zu dürfen. Auch wenn sie erst
am Anfang ihres Berufslebens steht, kann
sich die Chemikerin sehr gut vorstellen, in der
Forschung zu bleiben. „Es ist sehr innovativ,
was wir hier machen“, betont Nina Kausch-
Busies. Andere Gebiete seien schon „so
abgekocht“. Die leitfähigen Polymere seien
hingegen ein „Oase“, in der es noch viel
Neues zu entdecken gebe.

Autorin des Porträts: Stephanie Alt,
2013

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Konkrete Tätigkeiten
    • Projektbearbeitung: Recherche, Planung und Auswertung von
      Experimenten, Darstellung und Diskussion der Ergebnisse in Projekttreffen, Verfassen von
      Forschungsberichten
    • Mitarbeiterführung: Anweisung der Mitarbeiter,
      Mitarbeitergespräche, für Infrastruktur im Labor sorgen,
      Verantwortung für die Sicherheit der Mitarbeiter
    • Besuch von Fachmessen, externen Projektpartnern
      (zum Beispiel Universitäten)

    Einstieg
    • Start in F&E ist klassischer Einstieg nach Studium
    • Meist Laborleitung mit mehreren Mitarbeitern

    Entwicklungschancen
    • Statistik zeigt, dass Großteil nach einigen Jahren in andere Bereiche wechselt, alle Ent-
      wicklungsmöglichkeiten stehen offen

    Persönliche und fachliche Voraussetzungen
    • Lernfähigkeit bei Einarbeitung in neue Themengebiete
    • Kreativität bei der Planung neuer Experimente
    • Teamfähigkeit
    • Geduld und Ausdauer

    Zusammenarbeit mit anderen Bereichen
    • Je nach Unternehmen interdisziplinärer Austausch und Zusammenarbeit mit verschiedenen
      Unternehmensbereichen

12 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.2 Produktion

Er bringt Sachen gern auf den Punkt. Dabei
spricht er klar und verständlich. Prägnant,
unterhaltsam und anschaulich, so antwor-
tet Dr. Hans-Dieter Gerriets. Er gibt viele
praktische Beispiele. Man kann sich sehr gut
vorstellen, wie er seinen Betrieb leitet, durch
die Produktion geht und mit seinen Mit-
arbeitern spricht.
                                                                    Dr. Hans-Dieter Gerriets.
Gerriets ist Betriebsleiter des Produktions-                                      Foto: VAA
betriebes für Trimethylolpropan am Standort
Uerdingen der LANXESS Deutschland GmbH.             Vorstellung, dass man irgendwann ein tolles
Der promovierte Chemiker führt diese Produk-        Medikament erfindet, hat sich bei mir schnell
tion seit über zehn Jahren als 1. Betriebsleiter.   verflüchtigt“, erläutert der dynamische Mitt-
Angefangen hat er seine berufliche Karriere         fünfziger.
ebenfalls in diesem Betrieb. Vor 23 Jahren,
damals noch bei Bayer und als 3. Betriebs-          Der Einstieg selbst sei dann „der Hammer“
leiter. Er war einer von fünf Berufsanfängern,      gewesen: „Ich habe früher in kleinsten
die direkt in der Produktion eingestellt wurden.    Kölbchen gearbeitet“, erzählt Gerriets. „Da
„Üblicherweise hat man in der Zentralen             war ich froh, wenn ich 0,03 Milligramm
Forschung angefangen und nach zwei bis drei         Ausbeute hatte und jetzt hatte ich da
Jahren hat die Produktion dann Leute ab-            sechs 20.000-Liter-Reaktoren stehen.“ Ein
gezogen.“ Nach drei Jahren „kochen“ während         „Quantensprung“ sei das gewesen. Sein che-
der Promotion habe er die Lust an der reinen        misches Know-how von der Universität habe
Grundlagenforschung jedoch verloren und sich        genau auf den Betrieb gepasst, aber die groß-
deshalb direkt für die Produktion beworben.         technische Produktion sei dann etwas ganz
                                                    anderes gewesen. „Ich kam mit einem Strauß
Ermuntert dazu hat ihn sein Doktorvater.            von akademischen Ideen und musste mir
Der entdeckte früh das Managementtalent             dann meist anhören: ‚Das funktioniert nicht
seines Schützlings. Als er einen Ruf an die         Jung‘.“ Er habe ausdauernd sein müssen, um
Universität Paderborn erhielt, folgte Gerriets      die ein oder andere Variante einer Idee doch
ihm dorthin und organisierte den kompletten         umsetzen zu können.
Umzug des Instituts. Sein Diplom mit Ver-
tiefung in Organischer Chemie hat Gerriets in       Bei mehreren Wechseln zwischen Betrieb
Köln absolviert, seine Promotionsarbeit 1989        und Stab sowie zwischen den Standorten
in Paderborn erfolgreich abgeschlossen. „Die        Dormagen und Uerdingen übernahm Gerriets

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zunehmend Verantwortung, zunächst für           auf den nächsten Karrieresprung warten
    einen Teilbetrieb, dann als                     müssen, aber die Familie sei wichtiger ge-
    2. Betriebsleiter. Schließlich kam er für       wesen. Heute ist er verantwortlich für einen
    dreieinhalb Jahre in den großen Stab des        Betrieb mit rund 60 Mitarbeitern.
    Gebietsleiters in die Bayer-Zentrale. Dies
    sei eine besondere Erfahrung gewesen.           Als verantwortlicher Betriebsleiter übt Ger-
    Man trete nie in Erscheinung, habe jedoch       riets „die Hausherrenfunktion“ aus. So steht
    weitreichenden Überblick und Zugriff auf        es im Stellenprofil. Dazu gehören die unter-
    relevante Daten und einen enormen Wissens-      schiedlichsten Tätigkeiten: Koordinierung und
    vorsprung. Er hat dann selbst den Wechsel       Steuerung der Produktionsprozesse, Sicher-
    zurück in die Produktion gefordert. Be-         stellung der Einhaltung regulativer Vorgaben,
    sonderen Wert hat er darauf gelegt, wieder      Personalführung und Weiterentwicklung der
    nach Uerdingen zu kommen und nicht, wie         Mitarbeiter, Verfahrensverbesserungen zur
    eigentlich für ihn vorgesehen, in Leverkusen    Optimierung der Produktion, Risikoanalysen
    zu bleiben. Da seine Frau die drei kleinen      und Kostencontrolling.
    Kinder „alleine managen musste“, wollte
    er sie so gut wie möglich unterstützen und      Bei diesen vielen unterschiedlichen Tätig-
    Karriere und Familie vereinbaren. „Ich habe     keiten ist Organisationsfähigkeit unabdingbar:
    meinem Chef klipp und klar gesagt: lieber 2.    „Man muss delegieren können. Allein ist es
    Betriebsleiter in Uerdingen als 1. in Lever-    nicht zu schaffen.“ Genauso entscheidend
    kusen.“ So habe er zwar drei Jahre länger       sei deshalb auch Kommunikationsfähigkeit

                                                                                                     Foto: Lanxess

14 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
und kooperative Mitarbeiterführung. „Man          mit einer Teambesprechung los. Das Ende
sollte die Stärken der Mitarbeiter kennen,        hingegen ist weniger fest. Bereitschaft ist
Talente sehen und sie entsprechend fördern.“      üblich, wirklichen Feierabend gibt es nicht:
Außerdem müsse man mit Zahlen umgehen             „Man muss immer erreichbar sein.“ An der
und betriebswirtschaftlich denken können.         Spitze des Betriebes stehe fast immer ein
Entscheidungsfreude sei dabei ebenfalls sehr      Zweiergespann: Ingenieur und Chemiker.
wichtig, betont Gerriets: „Wenn man nachts        „Wenn das Doppel gut zusammenspielt,
angeklingelt wird, muss man sich darauf           dann macht das Spaß und bringt den Betrieb
einstellen, schnell die richtige Entscheidung     weiter voran.“ Mit seinem Ingenieurspartner
zu treffen und auch in Krisensituationen ruhig    funktioniere dies wunderbar. „Er ist der
Blut zu bewahren.“                                Tüftler, ich bin der Präsentator.“ Gemeinsam
                                                  hätten sie schon viel erreicht.
Entscheidungsfreude und Kommunikations-
fähigkeit zeigt Hans-Dieter Gerriets auch         So auch seinen bisher größten beruflichen
privat. Seit zwölf Jahren pfeift er als Volley-   Erfolg: Gerriets und sein Kollege haben in
ball-Schiedsrichter in der ersten Bundesliga      jahrelangen Gesprächen einen Kredit in Höhe
zwei bis sechs Spiele pro Monat. Im letzten       von 18 Millionen Euro für den Bau einer
Jahr durfte er das Herren-Pokalfinale pfeifen.    eigenen Formalinproduktion durchgefochten.
56 Jahre sei die Altersgrenze, danach möch-       Dies hat außer der Kosteneinsparung für
te er sich um die Aus- und Weiterbildung          den Bezug auch den Charme, dass bei der
von Volleyball-Schiedsrichtern kümmern. Er        Formalinproduktion viel Energie entsteht, die
selbst spielt auch: einmal wöchentlich auf        in Form von Dampf genutzt werden kann.
Seniorenebene beim Rumelner TV. „Alles            „Und wir sind einer der größten Dampfver-
andere machen die Knochen nicht mehr mit.“        braucher hier am Standort.“ Sechs Jahre hat
                                                  es gebraucht, von der ersten Idee bis zum
„Wie der Franzl Beckenbauer“                      Start der Produktion Ende letzten Jahres:
                                                  „Das war das Highlight überhaupt!“
Die Vielfältigkeit der Aufgaben macht für
Hans-Dieter Gerriets den Reiz seiner Tätigkeit    Autorin des Porträts: Stephanie Alt,
aus. Man könne selbstständig arbeiten und         2013
sei wenig fremdbestimmt. Er versteht sich
als Teamcoach, das mache ihm am meisten
Spaß: „Wie der Franzl Beckenbauer, der seine
Mannschaft zur Weltmeisterschaft führt.“

Der Arbeitsbeginn ist sehr geregelt: „Ich bin
so pünktlich, dass Sie danach die Uhr stellen
können.“ Punkt halb acht geht es morgens

                                                     VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 15
Konkrete Tätigkeiten
    • Koordinierung und Steuerung der Produktionsprozesse
    • Sicherstellung der Einhaltung regulativer Vorgaben
    • Führung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter
    • Verfahrensverbesserungen zur Optimierung der Produktion/Qualität/Kosten
    • Risikoanalysen

    Einstieg
    • Üblicherweise zunächst in Abteilungen wie F&E oder
       Anwendungstechnik sowie über Traineeprogramme; nur
       vereinzelt Direkteinstieg in Produktion

    Entwicklungschancen
    • Nach mehreren Jahren als 2. Betriebsleiter oder in anderen Unternehmensbereichen besteht
      Möglichkeit, zum verantwortlichen Betriebsleiter (1. Betriebsleiter) ernannt zu werden

    Persönliche und fachliche Voraussetzungen
    • Fähigkeit zur kooperativen Menschenführung
    • Ganzheitliches Denken und Organisationsfähigkeit
    • Kommunikations-, Konflikt- und Konsensfähigkeit
    • Urteils- und Entscheidungsfähigkeit
    • Kreativität und Innovation

    Zusammenarbeit mit anderen Bereichen

16 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.3 Analytik

In seiner ersten Arbeitswoche war Dr. Carsten
Gaebert jeden Abend „eigentlich ganz froh“,
wenn die Schranke hinter ihm zuging. „Das
war schon eine Herausforderung“, erinnert er
sich lächelnd. Als Gruppenleiter Analytik mit
Personalverantwortung für sechs Mitarbeiter
stehe man plötzlich nicht mehr nur für die
eigenen Ergebnisse gerade, sondern für die der
kompletten Gruppe. „Und ich war auch noch                                Dr. Carsten Gaebert.
mit Abstand der Jüngste.“ Doch man lerne                                            Foto: VAA
mit jeder Probe und jeder neuen Fragestellung
hinzu. „Die Erfahrung ist in der Analytik unend-
lich viel wert!“                                   nen über die stoffliche Zusammensetzung
                                                   von Proben. Hierbei unterscheidet sich die
Carsten Gaebert ist im Consortium für              forschungsbezogene Analytik von der Ana-
elektrochemische Industrie, der Zentralen          lytik in der Qualitätskontrolle dadurch, dass
Forschungstätte der Wacker Chemie AG, als          neue Stoffe identifiziert und charakterisiert
Arbeitsgruppenleiter in der Analytik tätig. Ins-   werden, während in der Qualitätskontrolle
gesamt hat das Consortium acht Fachbereiche.       bekannte Produkte auf ihre Spezifikation
Das Spektrum reicht von Katalysatoren, über        hin untersucht werden. Carsten Gaeberts
Siliziumchemie und Polymere bis hin zur Bio-       Auftraggeber sind vor allem die forschenden
technologie. Als zentrale Dienstleitung vor Ort    Bereiche aber auch Marketingabteilungen.
betreut der Fachbereich Analytik die gesamte       Die Kollegen treten mit einer bestimmten
Bandbreite der Forschung. Die Abteilung selbst     Frage an die Analytik heran. Die drei Arbeits-
gliedert sich in drei Bereiche. Carsten Gaebert    gruppenleiter kanalisieren diese Aufgaben-
leitet heute einen Bereich mit den Einheiten       stellung dann, indem sie diskutieren, mit
Rasterelektronenmikroskopie, physikalisch-         welcher Analysemethode die Untersuchung
chemische Analytik, anorganische Analytik          der Probe Sinn ergibt und welche Abteilung
sowie die Kopplungstechniken GC-MS/LC-MS.          hierfür verantwortlich ist. „Wir sind nicht nur
Außerdem ist er verantwortlich für die Toxiko-     Knöpfchendrücker an einem Gerät“, stellt
logie am Standort. Hierfür hat Gaebert ein         Gaebert klar.
Postgradualstudium Toxikologie und Umwelt-
schutz absolviert.                                 Das erste Gespräch mit dem Kunden ist
                                                   essenziell: „Ich muss genau wissen, was er
Nicht nur Knöpfchendrücker                         will, sonst laufe ich in die falsche Richtung.“
Analytik ist die Gewinnung von Informatio-         Dann untersucht die zuständige Arbeits-

                                                      VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 17
gruppe die Probe im Labor. Die besondere         Es muss sprudeln
    Herausforderung der Analytik in F&E besteht      Man müsse kreativ sein und überlegen,
    darin, dass es in der Regel keine fertige Ana-   welche chemischen Reaktionen noch
    lysemethode gibt. Vielmehr wird die Methode      ablaufen könnten und was zu welchem
    erst Schritt für Schritt entwickelt.             Produkt führen könnte. „Da muss es hier
    „Analytik in F&E ist echte Detektivarbeit“,      oben sprudeln“, sagt Gaebert und tippt sich
    erläutert Carsten Gaebert. Aus den Er-           an die Stirn. Außer Kreativität sollte auch
    gebnissen einer Analysentechnik gewinne          eine gewisse Frustrationstoleranz vorhanden
    man nie ein komplettes Bild der Probe,           sein. Gelegentlich komme beispielsweise die
    sondern immer nur ein Indiz. Dann wende          Frage, ob das Analysenergebnis korrekt sei.
    man die nächste Technik an und erhalte           „Man braucht manchmal ein dickes Fell“,
    ein weiteres Indiz. „Nach und nach füge ich      räumt Gaebert ein. Als Gruppenleiter steht
    diese Indizien dann wie bei einem Puzzle         Carsten Gaebert aber für die Richtigkeit der
    zusammen.“ Soll beispielsweise eine neue         Ergebnisse und die Arbeit seiner Gruppe
    Substanz synthetisiert werden, untersucht        gerade: „Ich trage die volle Verantwortung.“
    Gaebert, ob die Synthese auch tatsächlich        Und nicht jede Umsetzung liefert das vom
    erfolgreich war. Da es sich in den meisten       Auftraggeber erwartete Produkt.
    Fällen um einen neuen Stoff handelt, sind
    Referenzdaten noch nicht vorhanden. In der       Stimmen Ergebnisse und Erwartungen
    Regel liegt ein Substanzgemisch vor. Hier        nicht überein, geht Gaebert den gesamten
    muss zunächst eine Trennung der einzelnen        Prozess mit dem Auftraggeber durch und
    Analyten erfolgen.                               überprüft ihn auf mögliche Fehlerquellen.
                                                     Wurde beispielweise in der Analyse zu wenig
    Zum Einsatz kommen Chromatografie-               Quecksilber gefunden, überprüft Gaebert, ob
    Techniken wie Gaschromatografie oder             und wobei das Quecksilber in dem vor der
    Flüssigchromatografie (HPLC). Beide              Analyse stattfindenden Forschungsvorgang
    Trenntechniken kann man mit einem                verloren gegangen sein könnte.
    massenselektiven Detektor koppeln. Die
    Massenspektrometrie liefert dann für jeden       „Wir stehen hier ganz am Anfang der Wert-
    Analyten im Idealfall das Molekülgewicht         schöpfungskette“, betont Carsten Gaebert,
    sowie Massen von charakteristischen              „weit entfernt von produktbegleitender Ana-
    Fragmenten. Nutzt man zusätzlich die             lytik oder Qualitätskontrolle.“ Beim Münchner
    Infrarotspektroskopie, erhält man Auskunft       Consortium werden die Grundsteine gelegt
    über funktionelle Gruppen. Mittels Kern-         für Dinge, die Wacker noch gar nicht im
    spinresonanzspektroskopie können auch            Produktportfolio führt. Wenn man sich dafür
    Regio- und Stereochemie der Verbindung           entscheidet, ein Projekt weiter zu verfolgen
    aufgeklärt werden.                               und zum Produkt zu führen, wird es an einen
                                                     Produktionsstandort von Wacker verlagert.

18 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Die Analytik wandert mit. „Wir stellen dem
Betrieb dann die entwickelten analytischen
Methoden zur Verfügung und wenn es
Probleme gibt, springen wir ein“, erläutert
Gaebert.

Neugierig sein
Der Analytiker hat laut Gaebert eine „Multi-
plikatorenrolle“. Er wisse, wo konzernweit
welche Analysetechnik vorhanden sei und
könne die Fragestellung genau kanalisieren.
Carsten Gaebert steht deshalb in intensivem
Erfahrungsaustausch mit seinen Kollegen in
den Analytikabteilungen der anderen Stand-
orte. Er leitet außerdem das Competence
                                                Foto: Wacker

Center Anorganische Analytik. Regelmäßig
finden konzernweite Treffen statt, um an
dieser Schnittstelle das analytische Know-
how zusammenzutragen. Auch auf dem                             Organisationstalent seien für die Tätigkeit
Gebiet der Gerätetechnik muss Gaebert                          wichtig. Erforderlich sei außerdem ein breites
stets auf dem aktuellsten Stand sein. Die                      Grundlagenwissen, denn man müsse sich in
Beurteilung, ob in ein neues Gerät oder eine                   viele unterschiedliche Bereiche und Sparten
neue Technik investiert werden soll, liegt in                  einarbeiten. „Ich habe mit vielen wechseln-
seiner Verantwortung. Aufgrund der hohen                       den Themen zu tun, weil meine Kunden aus
Gerätekosten erfordert dies eine äußerst prä-                  allen Forschungsbereichen kommen“, schil-
zise Abwägung. „Man muss neugierig sein,                       dert Carsten Gaebert. Genau dies macht für
die Hersteller auch mal anstupsen und die                      ihn den besonderen Reiz seiner Tätigkeit aus:
Entwicklung neuer Technologien anregen.“                       „Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen
Bestimmte Geräte würden dann sogar zu-                         und Projekte.“ So hat er im Laufe der Jahre
sammen entwickelt.                                             viele wertvolle Erfahrungen gesammelt,
                                                               eintönige Routine konnte sich dabei nie ein-
Dabei werde Team- und Kommunikations-                          schleichen.
fähigkeit vorausgesetzt: „Man steht nicht
nur mit den Auftraggebern in ständigem                         Autorin des Porträts: Stephanie Alt,
Kontakt, man muss auch auf die Mitarbeiter                     2013
zugehen und immer wieder offen sein für
Vorschläge.“ Auch Führungsqualität und

                                                                  VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 19
Die Analytik wandert mit. „Wir stellen dem
Betrieb dann die entwickelten analytischen
Methoden zur Verfügung und wenn es
Probleme gibt, springen wir ein“, erläutert
Gaebert.

Neugierig sein
Der Analytiker hat laut Gaebert eine „Multi-
plikatorenrolle“. Er wisse, wo konzernweit
welche Analysetechnik vorhanden sei und
könne die Fragestellung genau kanalisieren.
Carsten Gaebert steht deshalb in intensivem
Erfahrungsaustausch mit seinen Kollegen in
den Analytikabteilungen der anderen Stand-
orte. Er leitet außerdem das Competence
                                                Foto: Wacker

Center Anorganische Analytik. Regelmäßig
finden konzernweite Treffen statt, um an
dieser Schnittstelle das analytische Know-
how zusammenzutragen. Auch auf dem                             Organisationstalent seien für die Tätigkeit
Gebiet der Gerätetechnik muss Gaebert                          wichtig. Erforderlich sei außerdem ein breites
stets auf dem aktuellsten Stand sein. Die                      Grundlagenwissen, denn man müsse sich in
Beurteilung, ob in ein neues Gerät oder eine                   viele unterschiedliche Bereiche und Sparten
neue Technik investiert werden soll, liegt in                  einarbeiten. „Ich habe mit vielen wechseln-
seiner Verantwortung. Aufgrund der hohen                       den Themen zu tun, weil meine Kunden aus
Gerätekosten erfordert dies eine äußerst prä-                  allen Forschungsbereichen kommen“, schil-
zise Abwägung. „Man muss neugierig sein,                       dert Carsten Gaebert. Genau dies macht für
die Hersteller auch mal anstupsen und die                      ihn den besonderen Reiz seiner Tätigkeit aus:
Entwicklung neuer Technologien anregen.“                       „Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen
Bestimmte Geräte würden dann sogar zu-                         und Projekte.“ So hat er im Laufe der Jahre
sammen entwickelt.                                             viele wertvolle Erfahrungen gesammelt,
                                                               eintönige Routine konnte sich dabei nie ein-
Dabei werde Team- und Kommunikations-                          schleichen.
fähigkeit vorausgesetzt: „Man steht nicht
nur mit den Auftraggebern in ständigem                         Autorin des Porträts: Stephanie Alt,
Kontakt, man muss auch auf die Mitarbeiter                     2013
zugehen und immer wieder offen sein für
Vorschläge.“ Auch Führungsqualität und

                                                                  VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 19
Konkrete Tätigkeiten
    • Zentrale Dienstleistungsstelle zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der stofflichen
      Zusammensetzung von Proben
    • Untersuchung von Proben anhand verschiedener
      Analysetechniken und Entwicklung optimaler analytischer
      Methoden oder Methodenkombinationen
    • Identifizierung und Charakterisierung neuer Stoffe
    • In F&E: Lösung komplexer Fragestellungen, weniger
      Routinekontrollen von Serienproben
    • In QK: Mehr Routineanalytik zur Überprüfung von
      Spezifikationen

    Einstieg
    • Leitung einer Arbeitsgruppe mit mehreren Mitarbeitern

    Entwicklungschancen
    • Alle Entwicklungsmöglichkeiten stehen offen

    Persönliche und fachliche Voraussetzungen
    • Breites Grundlagen- und analytisches Expertenwissen
    • Führungsqualitäten
    • Organisationstalent
    • Teamfähigkeit und Kommunikationstalent
    • Kombinationsgabe
    • Neugier und Kreativität

    Zusammenarbeit mit anderen Bereichen
    • Vor allem F&E, Marketing und Produktsicherheit: konzernweiter und internationaler Er-
      fahrungsaustausch

20 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.4 Wissenschaftliches Informationsmanagement

„Das ist es – das möchte ich werden!“
– augenblicklich wusste Dr. Ulrike Ess-
wein, dass sie ihren Traumberuf gefunden
hatte. Auslöser war der Vortrag eines
Gruppenleiters des wissenschaftlichen
Informationsmanagements der BASF. „Ich
fand das hochinteressant und habe mich
direkt hier beworben.“ Esswein arbeitet als
Information Professional für den Bereich
Pflanzenschutz des wissenschaftlichen                                      Dr. Ulrike Esswein.
Informationsmanagements der BASF SE.                           Foto: Simone Leuschner - VAA
Sie unterstützt ihre Kollegen aus Forschung
und Entwicklung, Marketing oder Produk-          sive Zusatzausbildung. Die werde bei der
tion durch Beratung und Bereitstellung von       BASF „on the job“ gemacht und dauert ein
maßgeschneiderten Informationslösungen.          Jahr. In dieser Zeit durchlaufen die Berufsan-
Nach Abschluss ihrer Promotion 1986 hat          fänger eine Reihe von Seminaren und Aus-
Ulrike Esswein direkt in dieser Abteilung        bildungsschritten in Methodik, Grundlagen
angefangen.                                      des Patentrechts und Datenbanksystemen.
                                                 Außerdem hat jeder, der neu in die Abteilung
Esswein hat in Heidelberg Chemie studiert        kommt, einen Tutor, der ihn intensiv betreut,
und als Nebenfach Mathematik belegt. Die         die Arbeit durchspricht und mit dem die
perfekte Kombination für ihren heutigen Job:     ersten Recherchen gemeinsam durchgeführt
„Aufgrund meiner Ausbildung im Neben-            werden. Zudem müsse man die Abteilungen
fach fand ich es unglaublich spannend, wie       kennenlernen, die man inhaltlich betreue:
man große Datenmengen und chemische              „Ich muss wissen, was dort bearbeitet wird,
Strukturen in Systemen ablegen und wieder        damit ich auch fachlich mit den Kollegen
finden kann.“                                    reden und sie bei der Arbeit unterstützen
                                                 kann.“ Dieser Zweiklang sei das prägendste
Zeiten des Umbruchs seien das gewesen,           Element ihrer Tätigkeit: „Man muss beides
erinnert sich Ulrike Esswein lächelnd. Damals    können: die Chemie verstehen und den
wurden gerade die ersten Computer ein-           methodischen Hintergrund kennen.“
geführt. Sie konnte also direkt mit elektro-
nischen Systemen arbeiten. An den Einstieg       Das wissenschaftliche Informations-
erinnert sie sich genau: „Ich musste sehr viel   management bei der BASF ist in Gruppen
lernen.“ Zwar bringe man das chemische           organisiert, die den jeweiligen Forschungs-
Fachwissen mit, benötige jedoch eine inten-      und Unternehmensbereichen entsprechen.

                                                    VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 21
Ulrike Esswein erhält Anfragen und Aufträge      diesem Wissen füttere ich meinen Computer
    mit Informationsanforderungen von Kollegen       und klassifiziere die gefundenen Inhalte.“
    aus den verschiedensten Unternehmens-            So wird beispielsweise bei der Zulassung
    bereichen, vom Marketing bis zur Produktion.     neuer Pflanzenschutzmittel im Vorhinein
    Hauptsächlich kommen die Anfragen aus            die komplette Toxikologie und Ökotoxiko-
    dem Bereich Forschung und Entwicklung.           logie bewertet. Auch Daten für REACH sind
    Hier ist die Abteilung Wissenschaftliche         ein Thema. Esswein trägt zusammen, was
    Information auch innerhalb des Unter-            bereits bekannt ist und was selbst unter-
    nehmens angesiedelt. Wenn eine Information       sucht werden muss, gegebenenfalls durch
    angefordert wird, spricht Esswein zunächst       die Anfertigung eigener Studien. „Ich habe
    persönlich mit den Kollegen der anfordernden     die Kenntnis der Datenbanken und ich weiß,
    Abteilung: „Wir diskutieren dann intensiv, wie   welches Wissen wo wie abgelegt ist.“ Über
    man das Informationsbedürfnis befriedigen        1.000 Datenbanken stehen ihr zur Verfügung;
    kann.“ Diese Gespräche sind essenziell,          rund 50 davon nutzt sie regelmäßig.
    denn aufgrund der Diskussion muss Ess-
    wein beurteilen, welche Daten wofür und          Die Ergebnisse dieser „Profirecherche“
    in welcher Tiefe gebraucht werden: Genügt        bewertet Ulrike Esswein dann zusammen
    eine einfache Information oder ist die Frage     mit den Kollegen aus der Fachabteilung.
    geschäftskritisch?                               Im Voraus führt sie eine Erstbewertung
                                                     durch. Bei einer Recherche erhält sie meist
    Den Computer füttern                             Hunderte von Treffern, von denen sie nur
    Unterschiedlich lang und umfassend fällt die     einen Bruchteil als zutreffend bewertet. Nur
    Recherche aus. „Benötigt jemand schnell          diese Informationen gibt sie an die Kollegen
    einen bestimmten Mischungsparameter oder         weiter. „Den Rest sortiere ich auf eigene
    den Schmelzpunkt, dann weiß ich genau, wo        Verantwortung als Ballast aus.“ Die end-
    ich diese Daten finde und kann die Informa-      gültige Bewertung des Sachverhaltes erfolgt
    tion innerhalb von fünf Minuten weitergeben.“    dann in der jeweiligen Fachabteilung, bei
    Komplexe Informationsanalysen hingegen           Patentrecherchen gemeinsam mit der Patent-
    betreffen beispielsweise Akquisitionen oder      abteilung.
    „Freedom-to-operate-Analysen“ für Anlagen-
    bau oder neue Technologien und Produkte in       Ein weiterer, wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit
    verschiedenen Ländern. Bei diesen Fragen,        ist die Bereitstellung von Endusersystemen
    welche die Grundlage für strategische            für alle BASF-Mitarbeiter. In diesen Syste-
    Entscheidungen bilden, führt Esswein eine        men wird alles aufbereitet, was schnell und
    detaillierte Patent- und Literaturrecherche      einfach zu finden ist. Ulrike Esswein schult
    durch. Zum gefragten Sachverhalt erstellt        die Kollegen in der Nutzung dieser Daten-
    sie ein breites Rechercheprofil mit vielen       banken für die Selbstrecherche. Außerdem
    verschiedenen Gliederungspunkten. „Mit           beobachten sie und ihre Kollegen aus der

22 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Foto: BASF

wissenschaftlichen Information den Markt           ämtern werden die Daten in die Informations-
für Informationstechnologie genau. „Wir            systeme eingespeist. Entscheidend ist jedoch
arbeiten mit Firmen zusammen, die für              nicht nur der Originaltext des Patentes,
uns interessant sind, kaufen Systeme und           sondern die Aufbereitung dieses Wissens in
entwickeln diese auch weiter.“ Eine neue Ent-      den Datenbanken. Die Datenbankhersteller
wicklung sei beispielsweise die Aufbereitung       belegen die Strukturen und Sach-erhalte
großer Datenmengen anhand semantischer             deshalb mit Deskriptoren und Patentklassi-
Methoden. Hier werden die Zusammenhänge            fikationen.
zwischen verschiedenen Begrifflichkeiten
hinterlegt und ständig weiterentwickelt. So        Tiefer gehen
können immer größere Datenmengen struk-            Ulrike Esswein arbeitet mit den unterschied-
turiert zugänglich gemacht werden.                 lichsten Menschen aus allen Bereichen
                                                   des Unternehmens zusammen. Kommuni-
Eine ständige Optimierung, die aufgrund der        kations- und Kooperationsfähigkeit sowie
Fülle der Daten und der Sprachenvielfalt un-       Kundenorientierung sind deshalb in ihrem
erlässlich ist. So gibt es weltweit 70 Millionen   Job eine wichtige Voraussetzung. Genauso
Patente. Allein 2011 sind zwei Millionen neue      wichtig sei jedoch analytisches Denken: „Es
Patente dazugekommen. Von den Patent-              liegt an mir, das Informationsbedürfnis und

                                                      VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 23
die Fragestellung richtig zu analysieren und     arbeitete sie als freie Mitarbeiterin weiter
    die Diskussion so zu führen, dass sie den        für das Unternehmen. Kinderbetreuung war
    Kollegen einen Mehrwert bringt.“ Auch auf        früher ein generell großes Problem. Aber zu
    Gründlichkeit und Beharrlichkeit legt Esswein    kündigung und auszuscheiden kam für Ess-
    großen Wert: „Ich muss ein Interesse daran       wein nie in Frage. Durch ihre freie Mitarbeit
    haben, tiefer zu gehen.“ Gleichzeitig müsse      war sie immer im Kontrak zu den Kollegen,
    man aber auch flexibel sein und erkennen,        was wichtig war. „Ich habe von Anfgang an
    wann man die Dinge nicht unnötig zu ver-         mein Gebiet gefunden – das war meins!“, so
    komplizieren brauche.                            Esswein.

    Ulrike Esswein nimmt sich während des            Autorinnen des Porträts: Stephanie
    Gesprächs zuweilen einen Moment Zeit,            Alt 2013 und Elena Zolototubova 2017
    bevor sie antwortet. Auf das Interview hat
    sie sich genau vorbereitet. Handschriftliche
    Notizen liegen vor ihr. Sie wählt ihre Worte
    mit Bedacht, möchte präzise erläutern und
    strukturiert vorgehen. Freundlich, aufmerk-
    sam und konzentriert wendet sie sich ihrer
    Gesprächspartnerin zu, während sie lacht
    und interessierte Rückfragen stellt. Er-
    staunlich, wie genau sie die persönlichen
    Charakteristika verkörpert, die sie selbst als
    bezeichnend für ihr Berufsfeld aufführt.

    Esswein arbeitet seit über 25 Jahren im
    wissenschaftlichen Informationsmanagement
    für die BASF. Ihr Job begeistert sie nach wie
    vor: „Dieser Beruf entwickelt sich immer
    weiter.“ Sie sei immer an den neuesten
    Forschungsgebieten und Innovationen der
    BASF beteiligt. Auch die Informations-
    technologie und Methodik veränderten sich
    kontinuierlich. „Das ist eine solche Heraus-
    forderung, dass es auch nach so langer Zeit
    noch spannend ist.“

    Den Einstieg bei der BASF hat Esswein
    keinesfalls bereut. Auch als junge Mutter

24 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
Konkrete Tätigkeiten
• Beratung zu und Bereitstellung von maßgeschneiderten
  Informationslösungen
• Zielgerichtete Unterstützung bei Entscheidungsfindungen zu Forschungsthemen, Patentan-
  meldungen, Technologie- und Marktbeobachtung durch Patent- und Literarturrecherche
• Strukturierung, Analyse und Ausarbeitung der gewonnenen Informationen
• Unterstützung im Umgang mit komplexen Daten und
  Datenmanagement
• Kenntnis des Informationsmarkts insb. im Bereich der Patent-, Literatur- und Markt-
  informationen
• Betreuung von externen und internen Informationssystemen (auch von Endusersystemen)

Einstieg
• Direkteinstieg oder Wechsel aus anderen Bereichen
   (insbesondere F&E)

Entwicklungschancen
• Spezialistenkarriere oder Weiterentwicklung durch zahlreiche Kontakte mit anderen Ab-
  teilungen

Persönliche und fachliche Voraussetzungen
• Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit
• Kooperationsfähigkeit und Kundenorientierung
• Neugier auf neue thematische und technische
  Herausforderungen
• Flexibilität
• Gründlichkeit

Zusammenarbeit mit anderen Bereichen
• Enge Zusammenarbeit mit F&E und Patentabteilung, außerdem mit Produktion, Marketing
  und Registrierung

                                            VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 25
2.5 Drug Regulatory Affairs                       ner, als er seine dreijährige Tätigkeit beim
                                                      BfArM schildert. Das Studium absolvierte
                                                      er in dieser Zeit berufsbegleitend. Wenn er
                                                      im Studium anwesend sein mußte, nahm er
                                                      Sonder- oder Erholungsurlaub. Die Studien-
                                                      kosten trug er selbst. Dieser Aufwand hat
                                                      sich gelohnt: Toxikologische Fragestellungen
                                                      machen auch heute noch einen großen Teil
                                                      seiner Arbeit aus.

                                                      Die Arzneimittelzulassung – Drug Regula-
          Dr. Matthias Brunner.                       tory Affairs – ist ein ausgesprochen breites
                   Foto: privat                       und vielfältiges Aufgabengebiet. Regulatory
                                                      Affairs Manager kümmern sich um die Zu-
    Doppelt hält besser. Zumindest im Fall von        lassung von Arzneimitteln oder Wirkstoffen.
    Dr. Matthias Brunner. Nach seiner Promotion       Sie begleiten den gesamten Lebenszyklus
    in Chemie mit biochemischem und ana-              eines Medikaments – von der Entwicklung
    lytischem Schwerpunkt war der Markt nicht         über die verschiedenen Stufen der klinischen
    günstig. Die Arbeitssuche zog sich hin: Zu        Studien, den Zulassungsantrag bis hin zur
    lange für Brunners Geschmack. Deshalb             Betreuung nach der Marktzulassung.
    hat er sich dazu entschlossen, zunächst das       Die Zulassungsanforderungen für Arznei-
    zweijährige Aufbaustudium Toxikologie und         mittel wurden in Europa, Nordamerika und
    Umweltschutz an der Universität Leipzig zu        Japan weitgehend harmonisiert. Wesentliche
    absolvieren. Kaum immatrikuliert bekam er         Leitlinien zum Nachweis der Qualität, Sicher-
    die Stellenzusage vom Bundesinstitut für          heit und Wirksamkeit sowie die Dokumenten-
    Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)          formate für die Zulassung wurden verein-
    in Bonn. „Ich habe dann beides parallel be-       heitlicht. Das Unternehmen muss mit dem
    gonnen“, erzählt Brunner. Diesen Elan hat er      Zulassungsantrag ein umfangreiches Dossier
    bis heute nicht verloren. Voller Freude spricht   im Common Technical Document-Format
    er von seiner Tätigkeit, wobei immer wieder       (CTD) einreichen. Dieses Dossier enthält in
    Pfälzer Dialekt durchklingt. Seine Worte          fünf Modulen alle Ergebnisse zur Herstellung,
    unterstreicht er mit Gesten. Für das Gespräch     Forschung und Entwicklung für das be-
    nimmt er sich viel Zeit.                          treffende Arzneimittel.

    Beim BfArM kümmerte er sich in der Ab-            Die ersten beiden Module enthalten regional
    teilung Pharmazeutische Qualität um die           spezifische Informationen und zusammen-
    Nachzulassung von Arzneimitteln. „Ich war         fassende Dokumente. Modul 3 beschreibt,
    Herr über die Nasentropfen“, lacht Brun-          wie das Arzneimittel in hinreichender

26 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
pharmazeutischer Qualität hergestellt wird       mittel entwickelt. Der Wettlauf mit den
und wie dies analysiert und nachgewiesen         Mitbewerbern ist hart, es geht um Gewinne
werden kann. Modul 4 umfasst die nicht-          in Millionenhöhe. „Arzneimittel sind ein hoch-
klinischen pharmakologischen und toxiko-         ethisches Wirtschaftsgut“, fasst Matthias
logischen Studien und Modul 5 sämtliche          Brunner beide Aspekte zusammen.
Daten aus den klinischen Studien. Ganze
LKW-Ladungen an Dokumenten wurden frü-           Nachdem das Medikament auf dem Markt
her bei den Zulassungsbehörden abgeliefert,      ist, geht die Arbeit weiter. Die Zulassungs-
wobei die klinischen Studienergebnisse den       abteilung muss alle Texte, die das Unter-
überwiegenden Teil ausmachten. Heute             nehmen zu dem Medikament herausgibt, er-
werden die Dossiers in elektronischer Form       stellen und intern genehmigen. Dazu gehören
übermittelt.                                     zum Beispiel Werbe- und Marketingtexte
                                                 sowie Informationsbroschüren für Patienten,
Matthias Brunner ist auf den Bereich der         Fachinformationen für Ärzte und Apotheker
pharmazeutisch-chemischen Qualität, also         oder Texte auf der Verpackung. Hinzu kommt,
Modul 3, spezialisiert. Hier erarbeitet er       dass die Zulassungen verlängert und Ände-
Zulassungsstrategien. Er kümmert sich um         rungen, die Qualitätsaspekte betreffen, sowie
die pharmazeutische Qualität von Arznei-         Erkenntnisse zur Anwendungssicherheit des
mitteln, für die ein Zulassungsantrag gestellt   Arzneimittels den zuständigen Behörden
werden soll. Der englische Begriff des           regelmäßig gemeldet werden müssen.
„Managers“ trifft laut Matthias Brunner ins      Das Anwendungsgebiet der Medikamente
Schwarze. Denn er nimmt eine Schnitt-            wird aufgrund neuer Erkenntnisse häufig
stellenfunktion ein, indem er die Arbeit der     erweitert, sodass die Zulassung für weitere
einzelnen Fachabteilungen koordiniert und        Einsatzfelder erwirkt werden muss.
deren Ergebnisse zusammenfügt. Nur wenn
Forschung, Produktion, Qualitätskontrolle,       Die Schreibtischseite wechseln
Toxikologie und Marketing eng zusammen-          Nach erfolgreichem Studienabschluss und
arbeiten, ist eine erfolgreiche Zulassung        dem Ende seiner befristeten Tätigkeit für
samt anschließender Betreuung möglich. Die       das BfArM ist Matthias Brunner im Zu-
zusammengetragenen Informationen prüft           lassungsbereich geblieben, hat jedoch „die
Brunner anhand der gesetzlichen Vorgaben,        Schreibtischseite“ gewechselt. „Ich kannte
bereitet die wissenschaftlichen Daten auf und    das Unternehmen Dr. Mann bereits aus
verhandelt mit den zuständigen Behörden.         meiner Tätigkeit beim BfArM und war mit
Darüber hinaus muss er den Zeitplan und die      dem dortigen Zulassungschef in Kontakt.“ So
Kosten immer im Blick behalten. Er trägt eine    hat Brunner direkt im Anschluss eine Stelle
große Verantwortung: Für die Menschen,           in der pharmazeutischen Dokumentation bei
die das Medikament später einnehmen, und         Dr. Mann Pharma, heute Bausch & Lomb,
für das Unternehmen, welches das Arznei-         erhalten.

                                                    VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 27
Die Schreibtischseite hat er seitdem nicht   Brunner. Es gebe sehr viele Nachfragen und
     gewechselt, die Unternehmen und Zu-          Angebote. „Ich habe den Eindruck, dass sich
     lassungsberatungen schon. Vor eineinhalb     dies in nächster Zeit noch verstärken wird.“
     Jahren hat sich Brunner dann selbstständig   Die regulatorischen Anforderungen würden
     gemacht. „Ich habe mich gründlich und        ständig wachsen, auch gebe es innerhalb
     gut informiert, wie man es als Zulasser so   der Arzneimittelzulassung neue Gebiete, bei-
     tut“, erzählt er mit einem Augenzwinkern.    spielsweise Orphan Drugs, also Arzneimittel
     „Dann habe ich mir gedacht: Was soll’s,      für die Behandlung seltener Erkrankungen,
     es ist spannend, ich mache das jetzt.“ Mit   für die neue Anforderungen zur Zulassung
     einem großen Anfangsprojekt legte er los,    gelten und Strategien für die Zulassung ent-
     später kamen kleinere Aufgaben hinzu. „Ich   wickelt werden müssen.
     bin zufrieden mit diesem Schritt“, betont
                                                  Um die wachsende Nachfrage zu stillen,
                                                  gibt es seit einigen Jahren Aufbaustudien-
                                                  gänge von Universitäten oder spezialisierten
                                                  Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft
                                                  für Regulatory Affairs (DGRA). „Ein Studium
                                                  solcher Art ist die beste Voraussetzung für
                                                  unsere Arbeit“, meint Matthias Brunner.
                                                  „Man lernt von Beginn an die gesetzlichen
                                                  regulatorischen Hintergründe kennen, sodass
                                                  man im Berufsleben direkt weiß, ob Theorie
                                                  und Praxis zusammenpassen.“ Außerdem
                                                  werde man dank der Breite der Ausbildung
                                                  auf das gesamte Gebiet der Zulassung vor-
                                                  bereitet.

                                                  Doch trotz aller theoretischen Kenntnisse sei
                                                  es letztlich die Erfahrung, welche die Quali-
                                                  fikation eines guten „Zulassers“ ausmache,
                                                  meint Brunner: „Man lernt bei jedem Projekt
Foto: dondoc-foto – Fotolia

                                                  neue Aspekte kennen und kann diese dann
                                                  für das nächste Dossier einsetzen.“ Welches
                                                  Land legt auf welchen Punkt besonders
                                                  viel Wert? Welcher Mitarbeiter hat welches
                                                  persönliche „Steckenpferd“? Wie legt man
                                                  komplexe Sachverhalte klar und verständlich
                                                  dar? All dies seien Erfahrungen, die man im
Laufe seines Berufslebens sammle. Sie seien
entscheidend, um beim nächsten Projekt
noch präziser planen und die Erkenntnisse in
entsprechende Strategien einfließen lassen
zu können.

Präzise Vorbereitung und Planung sind das
A und O. Diese Grundsätze hat Matthias
Brunner verinnerlicht – nicht nur in seinem
Job. Im Vorgang zum Gespräch erkundigt er
sich nach möglichen Essens- und Getränke-
wünschen und hat für den Termin Gebäck
vorbereitet. An vielen weiteren Stellen
zeigt sich sein hohes Maß an Sorgfalt und
Selbstorganisation. Nach wie vor gilt für ihn:
Doppelt hält bekanntlich besser.

Autorin des Porträts: Stephanie Alt,
2013

                                                 VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 29
Konkrete Tätigkeiten
    • Erarbeitung regulatorischer Strategien und Unterstützung in Antragstellung und Ent-
      wicklungsprojekten zur Herstellung
      pharmazeutischer Produkte
    • Erstellung und Betreuung der Dossiers für Zulassungsanträge und Anträge für klinische
      Studien
    • Verfassen erster Umweltbewertungen für Zulassungsanträge
    • Durchsicht und Aktualisierung der Kennzeichnungen und
      informativen Texte

    Einstieg
    • „Learning by Doing“ am Arbeitsplatz mit spezifischer
       Weiterbildung
    • Aufbaustudium zum Master of Regulatory
    • Quereinstieg innerhalb des Unternehmens (etwa aus Analytik, Qualitätskontrolle/-sicherung
       oder verwandten regulatorischen Bereichen)

    Entwicklungschancen
    • Management bis Abteilungsleitung
    • Selbstständige Beratung

    Persönliche und fachliche Voraussetzungen
    • Sorgfalt und Genauigkeit
    • Selbstständigkeit
    • Spaß am Umgang mit Regularien
    • Hohe Belastbarkeit, Stressresistenz, Überzeugungskraft und Kostenbewusstsein
    • Aufbaustudium oder Weiterbildung (siehe oben)

    Zusammenarbeit mit anderen Bereichen
    • Alle Arbeitsbereiche im Lebenszyklus eines Arzneimittels: F&E,
      Produktion, Qualitätssicherung, Toxikologie und Marketing

30 — VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG
2.6 Strategisches Marketing

Er stellt seinen Kollegen einen Kompass zur
Verfügung. Einen Kompass, der die Richtung
weist. Der zeigt, wohin die Reise gehen
soll. Dr. Wolfram Uzick ist Global Marketing
Manager bei der Chemtura Corporation. Er
ist zuständig für das weltweite operative und
strategische Marketing für metallorganische
Spezialprodukte, die beispielsweise in Kata-
lysatorsystemen der Polymer-Produktion
                                                                              Dr. Wolfram Uzick.
sowie der Synthese von Feinchemikalien und                                            Foto: VAA
Pharmazeutika verwendet werden. Haupt-
produktionsstandort und damit auch haupt-
sächlicher Arbeitsort Uzicks ist Bergkamen       Auf Grundlage der langfristigen Marketing-
im Ruhrgebiet.                                   strategie entwickelt Uzick Marketingpläne
                                                 und Aktivitäten zur zeitgerechten Umsetzung
Neben dem operativen Marketing deckt             in den einzelnen Geschäftsfeldern, um das
das strategische Marketing Konzeption,           budgetierte Umsatz- und Ergebnisziel zu
Koordination und Erstellung langfristiger        erreichen. „Als Marketing Manager bin ich
Marketingstrategien ab. Wolfram Uzick, Mitte     vor dem eigentlichen Vertragsabschluss
fünfzig, entwickelt und verantwortet diese       tätig“, erläutert er. „Ich stelle eine Handlungs-
Strategie für das Geschäftsfeld Metallorganik.   richtschnur für die Verkaufsorganisation auf,
Dabei arbeitet er mit allen Abteilungen des      sodass wir unsere Stärken voll ausspielen
Unternehmens zusammen. „Meine wichtigste         können und die richtigen Schwerpunkte
Aufgabe ist die Schnittstellenfunktion zwi-      setzen.“
schen allen Bereichen“, schildert er. „Nur aus
der Kenntnis des Zusammenspiels zwischen         Ziel ist es, dem Industriekunden deut-
den einzelnen Fachbereichen wird klar, wo        lich zu machen, dass man ein guter und
die Stärken, aber auch die Schwächen des         zuverlässiger Lieferant mit wettbewerbs-
eigenen Hauses liegen.“ Diese Ergebnisse         fähigen Preisen ist. „Tue Gutes und rede
fließen ebenso in die Marketingstrategie         darüber – dieses Sprichwort trifft den Kern
ein wie die Wettbewerbsanalyse und die           meiner Tätigkeit“, schildert Uzick mit einem
Kundensegmentierung, also die Identifikation     Augenzwinkern. Anders als beim Marketing
homogener Gruppen aus der Gesamtheit             für Endverbraucher ist ein Chemieprodukt
potenzieller Kunden, die Uzick ebenfalls         für Industriepartner hochgradig technisch.
durchführt.                                      Deswegen stehen im Business-to-Business-
                                                 Bereich strategisch-technische Überlegungen

                                                    VAA CHEMISCHE INDUSTRIE: BERUFE UND BERUFUNG — 31
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