Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...

Die Seite wird erstellt Vera Lehmann
 
WEITER LESEN
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
                                                             95. Jahrgang | Januar 2022

                             Bessere Versorgung
                             durch Digitalisierung
                                             5. Niedersächsischer
                                         Digitalgipfel Gesundheit

Klinik und Praxis            Corona                        Telemedizin & Digitales
Obduktion als                Freistoß gegen                Für den Fall des
Instrument der               Abwehr:                       Falles: Bei IT-Pannen
Qualitäts-                   Corona-Impfung                richtig reagieren
sicherung                    einfach erklärt
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Zielgruppengenau und treffsicher.

Der Anzeigenmarkt
im niedersächsischen ärzteblatt

      Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover
                                   Telefon 05 11 / 3 80 - 22 82, Telefax 05 11 / 3 80 - 22 81
         Online-Anzeigenaufgabe: info@haeverlag.de oder unter www.haeverlag.de/service
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Editorial

                              Alte und neue Herausforderungen

                                                             Liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                                             sehr geehrte Damen und Herren,

                                                             zu Beginn des neuen Jahres 2022 stehen wir beinahe vor den gleichen
                                                             Herausforderungen wie 2021. Alle Kräfte konzentrieren sich auf die
                                                             Abwehr der Corona-Pandemie. Sie wird auch im vor uns liegenden
                                                             Jahr weitgehend das Geschehen bestimmen. Ob beim Impfen in den
Fotos: C. Wyrwa, H. Preller

                                                             Praxen oder durch die mobilen Teams, bei der Arbeit auf den Intensiv-
                                                             stationen oder in den Teststationen – überall leisten Sie als Ärztinnen
                                                             und Ärzte Überragendes. Für Ihren Einsatz können wir Ihnen, Ihren

                                                                                                                                       Fotos: KVN
                                                             Teams, aber auch den Pflegekräften nicht genug danken.

                                                             Neue politische Weichenstellungen bahnen sich an. Die Ernennung
                                                             von Professor Dr. med. Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister
                                                             wurde von einem Großteil der Bevölkerung befürwortet. Damit gelangt
                                                             ein Arzt und Epidemiologe an die Spitze der Gesundheitspolitik, dem
                                                             viele in der Pandemiebekämpfung mehr Geschick zutrauen als seinem
                                                             Vorgänger. Lauterbach versichert, sein Haus auf der Basis wissen-
                                                             schaftlicher Prinzipien und nach den Grundsätzen der evidenzbasierten
                                                             Medizin führen zu wollen. Damit hat er die Ärzteschaft sicher an
                                                             seiner Seite. Für seine Amtsführung unter schwierigsten Bedingungen
                                                             wünschen wir ihm alles Gute.

                                                             Wäre eine allgemeine Impfpflicht der Weg aus der Pandemie? Auf
                                                             jeden Fall wäre sie ein Paradigmenwechsel, bei dem die Politik das
                                                             Staatswohl rückhaltlos mit den Prinzipien der modernen Medizin verknüpft.
                                         Eine Entscheidung allerdings, die in der Gesellschaft möglicherweise kontrovers bleiben wird. Die
                                         gesundheitspolitischen Strukturveränderungen, die die Ampelkoalition darüber hinaus plant, wird
                                         man im Einzelfall abzuwägen haben. Mehr Durchlässigkeit bei den Sektorengrenzen, ein angepasstes
                                         Vergütungssystem und eine Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich sind richtige Vorhaben.
                                         Aber es gibt auch Konfliktpotential – etwa bei den geplanten integrierten Notfallzentren, der Ver-
                                         selbstständigung medizinischer Assistenzberufe oder der Schaffung komplementärer Einrichtungen
                                         wie „Gesundheitskiosken“. Eingriffen in das ärztliche Selbstverwaltungsrecht werden wir uns ent-
                                         gegenstellen.

                                         Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ziehen wir an einem Strang. Aber wir empfehlen dabei
                                         ein bedächtigeres, sorgfältigeres Vorgehen als bisher, das die Anwendungsbedürfnisse der Praxen und
                                         die Marktreife der Produkte berücksichtigt. Gerade auf dem Gebiet der sicheren Vernetzung gibt es
                                         noch enorm viel zu tun.

                                         Mit den besten Wünschen für das neue Jahr

                                         Dr. med. Martina Wenker     Dr. med. Marion         Mark Barjenbruch          Dr. med. Jörg Berling
                                         Präsidentin der Ärztekam-   Renneberg               Vorstandsvorsitzender     Stellv. Vorstandsvorsit-
                                         mer Niedersachen            Vizepräsidentin         der Kassenärztlichen      zender der Kassenärzt-
                                                                     der Ärztekammer         Vereinigung Nieder-       lichen Vereinigung Nie-
                                                                     Niedersachsen           sachsen                   dersachsen

                              1 | 2022                                                                                                                     3
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
8
Podiumsdiskussion über Digitalisierung und
                                                                                21
                                              Warum die Obduktion nicht aus dem klinischen
                                                                                                                                 25
                                                                                             So soll das Zentralklinikum in der ostfriesischen
Gamification in der medizinischen Ausbildung   Alltag verschwinden darf, argumentiert ein     Gemeinde Südbrookmerland einmal aussehen.
beim 5. Niedersächsischen Digitalgipfel       Bericht aus dem Ausschuss für Krankenhaus-     Derzeit laufen die Vorbereitungen für den Neu-
Gesundheit in der Hochschule Hannover         angelegenheiten der Kammerversammlung.         bau. 2028 soll die Klinik geöffnet werden.

ÄKN
Digitalisierung
8 Reha, Notfalltraining oder Integrierte Lernkonzepte Beim
   5. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit ging es
                                                                      Ausschüsse
                                                                      20 Wehret den Anfängen! Die Mitglieder des Ausschusses
                                                                         für Krankenhausangelegenheiten warnen davor, bei Er-
   unter anderem um digitale Verfahren in der Patienten-                 lösverlusten in Krankenhäusern die ärztliche Besetzung
   versorgung, Datenübermittlung oder Aus- und Fortbildung.              weiter zu reduzieren.
   Ein Mitschnitt kann weiterhin auf dem ÄKN-YouTube-                 21 Für Obduktionen als Instrument der klinischen Quali-
   Kanal angesehen werden.                                               tätssicherung setzt sich Carolin Schreiber, Fachärztin
11 Eine bessere Versorgung von Patientinnen und Patienten                für Rechtsmedizin am Klinikum Lüneburg, ein.
   Professor Dr. mult. Eckhard Nagel von der Universität
   Bayreuth referierte beim Digitalgipfel über die Frage              Bezirksstellen
   „War Corona der Booster für die Digitalisierung?“                  24 Immer noch kein Bonus für unsere MFA Grußwort von
12 Keine sicheren technischen Voraussetzungen Dr. med.                   Dr. med. Jörg Weißmann, Vorsitzender der Ärztekam-
   Karin Bremer benannte beim Digitalgipfel die Heraus-                  mer-Bezirksstelle Aurich
   forderungen und Probleme bei der Digitalisierung der               25 News aus der Bezirksstelle Aurich: Berichte über Vor-
   Hausarztpraxen.                                                       bereitungen für das neue Zentralklinikum, einen Podcast
16 Notfalltraining in der virtuellen Welt Dr. rer. nat.                  der Radiosendung „Meine Gesundheit“ und die Pläne
   Guillermo Carbonell stellte beim Digitalgipfel das For-               für einen Vorkurs „Humanmedizin“ am Gymnasium
   schungsprojekt ViTAWIN vor, das mit Mixed Reality ar-                 Ulricianum in Aurich
   beitet.
                                                                      Qualitätsmanagement
Politik                                                               26 Zügige Verbesserungen in den Abläufen Umsetzung der
17 Haushaltsplan verabschiedet Die 5. Sitzung der Kammer-                vom G-BA beschlossenen Richtlinie zur Versorgung der
   versammlung der Ärztekammer Niedersachsen in der                      hüftgelenknahen Femurfraktur
   19. Wahlperiode musste aufgrund der Corona-Pandemie
   kurzfristig abgesagt werden: Über wichtige Beschlüsse
                                                                                                                                                 Fotos: N. Heusel, I. Wünnenberg, Trägergesellschaft

   wie den Haushalt wurde stattdessen im Umlaufverfahren
   abgestimmt.

Kammerversammlung
19 Die Neuen in der Kammerversammlung Dr. med. Anne
   Ilka Aden und Dr. med. Karin Bremer wurden zur
   19. Wahlperiode neu in die Kammerversammlung ge-
   wählt.

4                                                                                                          niedersächsisches ärzteblatt
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
36
Wie wirkt die Impfung im Körper? Immunolo-
                                                                                    40
                                                 Gesünder durch die Pandemie – auch 2021
                                                                                                                                     48
                                                                                                   Was tun, wenn Cyber-Kriminelle trotz aller
gin Prof. Christine Falk hat eine Antwort: Sie   ging der Niedersächsische Gesundheitspreis        Vorsicht Zugriff auf die Praxis-IT erlangt ha-
funktioniert wie die Fußball-Abwehr beim         vor allem an Projekte, die dieses Ziel im loka-   ben? Fünf Beispiele zeigen: Es geht auch um
Freistoß? Leuchtet das Impfmuffeln ein?          len Umfeld verwirklichen wollen.                  Fehlerkultur und Aufklärung im Praxisteam.

KVN
Corona
35 Nachtragshaushalt für Corona-Maßnahmen beschlossen.
   Sondersitzung der KVN-Vertreterversammlung befasste
                                                                           Praxis & Versorgung
                                                                           43 Koalitionsvertrag aus steuerlicher Sicht Steuertipp: Was
                                                                              hat die „Ampelkoalition” für den Steuerzahler geplant?
   sich mit aktueller Pandemie-Situation                                   44 Neuerscheinungen
36 Kein Freistoß für das Virus! MHH-Professorin Dr. Christine              46 Investieren Sie in Vertrauen Sieben „Glaubenssätze”
   Falk macht das komplexe Impfgeschehen mit Fußball-                         stehen einem erfolgreichen Investment im Wege. Dabei
   Beispielen nachvollziehbar                                                 halten sie einer Überprüfung nicht stand

Arzneimittel & Verordnung                                                  Telemedizin & Digitales
38 Ohne Risiko für Mutter und Kind ATIS informiert: Be-                    48 Auf Cyber-Kriminalität richtig reagieren Fünf Beispiele
   handlung von Depression und Rheuma in der Schwan-                          mit Handlungsoptionen für den Ernstfall
   gerschaft
                                                                           Politik & Verbände
Selbstverwaltung                                                           52 Aus anderen KVen
40 Nicht kompliziert – aber immer nah dran. Niedersäch-
   sischer Gesundheitspreis 2021 würdigte Projekte zum
   Umgang mit der Corona-Pandemie
42 Leseerfahrung digital Es ist soweit: Das Niedersächsische
   Ärzteblatt wie auch das KVN-Rundschreiben sind als
   Digitalversionen erhältlich

                                                                                                     Standards
                                                                                                     3     Editorial
                                                                                                     6     Aktuell
                                                                                                     28    ÄKN-Mitteilungen
                                                                                                     53    KVN-Mitteilungen
                                                                                                     59    Veranstaltungen
                                                                                                     64    Rubrikenanzeigen
                                                                                                     75    Impressum

1 | 2022                                                                                                                                        5
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Aktuell

Frühe Intervention bei                                                                       Anzahl der Krebsdiagnosen
                                                                                             nahm in den Jahren
psychischen Auffälligkeiten                                                                  zwischen 2010 und 2019 zu

Ergebnisse einer Längsschnittstudie zur                                                      Die Zahl der diagnostizierten Krebs-
Entwicklung der psychischen Gesundheit                                                       erkrankungen nahm in der Dekade
von Kindern und Jugendlichen hat jetzt                                                       vor der Corona-Pandemie stetig zu.
das Robert Koch-Institut (RKI) in der jüngs-                                                 Das ist das Ergebnis einer aktuellen
ten Ausgabe des Journal of Health Moni-                                                      Versorgungsatlas-Studie des Zentral-
toring (JoHM) veröffentlicht. Das RKI hat                                                    instituts für die kassenärztliche Ver-
im Rahmen der Studie zur Gesundheit                                                          sorgung (Zi), für die Daten von Ver-
von Kindern und Jugendlichen in Deutsch-                                                     sicherten der Gesetzlichen Kranken-
land (KiGGS) insgesamt 3.546 Kinder                                                          versicherung (GKV) ab 15 Jahren aus
und Jugendliche im Alter von 11 bis 17                                                       der Zeit zwischen 2010 und 2019
Jahren über einen Zeitraum von elf Jahren                                                    ausgewertet wurden: Von den ins-
bis in das junge Erwachsenenalter begleitet.                                                 gesamt 61,5 Millionen gesetzlich Kran-
Ein Aspekt war die Entwicklung von Kin-                                                      kenversicherten ab 15 Jahren hatten
dern und Jugendlichen mit psychischen          Bei psychischen Auffälligkeiten in Kindheit   2019 knapp 3,32 Millionen Menschen
                                               oder Jugend sollte der KIGGS-Studio des RKI
Auffälligkeiten. Die nun publizierten Re-                                                    eine als gesichert dokumentierte Krebs-
                                               zufolge interveniert werden.
sultate der KiGGS-Kohorte zeigen, dass                                                       diagnose, teilte das Zi jetzt mit. Das
psychische Auffälligkeiten sowie Risiko-       mildern. Die in den Analysen aufgezeigten     entspreche einer altersstandardisierten
und Schutzfaktoren in Kindheit oder Jugend     Effekte psychosozialer Schutzfaktoren ver-    Diagnoseprävalenz von 5,2 Prozent
mit der späteren psychischen Gesundheit,       weisen dabei auf mögliche Chancen             für alle Krebserkrankungen ohne den
Lebenszufriedenheit und Lebensqualität,        einer ressourcenorientierten Prävention       hellen Hautkrebs. 2010 habe die Häu-
dem Bildungserfolg und dem Gesund-             und Intervention.“ Den Forschenden zu-        figkeit noch bei 4,1 Prozent gelegen.
heitsverhalten sowie der sexuellen und         folge sollten dabei verhältnispräventive      Die Studie ergab, dass vor allem ältere
reproduktiven Gesundheit in engem Zu-          Interventionen zur Verringerung sozial        Menschen an Krebs erkranken. In der
sammenhang stehen. Das Fazit lautet:           ungleicher Gesundheitschancen im Vor-         Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen
„Die Ergebnisse dieser Analysen legen          dergrund stehen. Als Maßnahmen werden         waren es 16,6 Prozent im Jahr 2019.
die Notwendigkeit früher Prävention und        Armutsbekämpfung, Verbesserung der            Dies sei bei fast allen Krebsarten zu
Intervention bei Vorliegen psychischer         Bildungschancen und Sicherstellung be-        beobachten. Ausnahmen bilden dem
Auffälligkeiten in Kindheit oder Jugend        darfsgerechter, niedrigschwelliger Bera-      Zi zufolge Hoden-, Gebärmutterhals-
nahe, um die vielfältigen Risiken für die      tungs- und Unterstützungsangebote für         und Schilddrüsenkrebs. Hier werde
Betroffenen im Erwachsenenalter abzu-          belastete Familien genannt.        r wbg      jeweils der Altersgipfel deutlich früher
                                                                                             erreicht. Männer seien dagegen von
KID-PROTEKT-Studie sieht Bedarf für aktive Unterstützung                                     den meisten geschlechtsunabhängigen
                                                                                             Krebsarten häufiger betroffen als Frau-
Schwangere und Familien mit psycho-            in Hamburg, Niedersachsen und Schles-         en. An Harnblasenkrebs erkrankten
sozialen Belastungen systematisch und          wig-Holstein an der randomisiert-kon-         indes deutlich mehr Männer, während
verlässlich zu erkennen, ihren Bedarf          trollierten Studie teilgenommen. Die          weitaus mehr Frauen an Schilddrü-
zu klären und das passende Unterstüt-          nun vorgelegten Ergebnisse belegen,           senkrebs litten. Darüber hinaus zeigt
zungsangebot zu finden – dafür hat die          dass belastete Familien davon profitieren,     die Zi-Studie, dass bei der Behandlung
Treuhandstiftung SeeYou des Katho-             wenn sie zuverlässiger an Hilfen wei-         und Begleitung Hausärztinnen und
lischen Kinderkrankenhauses Wilhelm-           tergeleitet werden als in der Regelver-       Hausärzte eine große Rolle spielen:
stift in Hamburg 2007 das Programm             sorgung. Besonders qualifizierten Praxen       „Der hausärztliche Behandlungsbeitrag
„Babylotse“ ins Leben gerufen. Es wurde        gelingt es laut SeeYou besser, Eltern bei     hat in der Versorgung von Patientinnen
zunächst an Geburtskliniken und später         Bedarf über Unterstützungsangebote zu         und Patienten mit Brustkrebs bezie-
auch auf Frauenarzt sowie Kinder- und          informieren. Gleichzeitig zeigt die Stu-      hungsweise Prostatakrebs in den Jahren
                                                                                                                                        Foto: AOK-Mediendienst

Jugendarztpraxen ausgeweitet. In den           die, dass dies für rund ein Drittel der       nach der Diagnose deutlich zuge-
vergangenen drei Jahren wurde das An-          Familien nicht ausreicht und die Be-          nommen“, sagte der Zi-Vorstandsvor-
gebot versuchsweise um das Projekt             troffenen darüber hinaus eine aktive          sitzende Dr. rer. pol. Dominik von
KID-PROTEKT erweitert: 9.000 Schwan-           Vermittlung oder sogar Begleitung be-         Stillfried.                      r wbg
gere und Familien haben in 24 Praxen           nötigen.                          r wbg
6                                                                                                       niedersächsisches ärzteblatt
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Aktuell

Landkreis Schaumburg: neues Regionales Versorgungszentrum                                      Zahl der Medizinischen Ver-
                                                                                               sorgungszentren gestiegen
In der Gemeinde Auetal im Landkreis               „Als Bürgermeister einer ländlich ge-
Schaumburg wird ein Regionales Ver-               prägten und dezentral strukturierten Ge-     Die Zahl der Medizinischen Versor-
sorgungszentrum (RVZ) entstehen. Die              meinde bin ich sehr froh über die Mög-       gungszentren ist im vergangenen Jahr
niedersächsische Regionalministerin Birgit        lichkeit, durch die Errichtung eines Re-     nach Angaben der Kassenärztlichen
Honé übergab am 6. Dezember einen                 gionalen Versorgungszentrums sowohl          Bundesvereinigung weiter gestiegen.
entsprechenden Förderbescheid in Höhe             die ärztliche als auch die allgemeine        Damit gab es Ende 2020 rund 3.850
von rund 1.269.000 Euro an den Bürger-            kommunale Daseinsvorsorge gesichert          Einrichtungen bundesweit, knapp 300
meister der Gemeinde Auetal, Jörn Loh-            zu wissen.“ Zudem gibt es Überlegungen,      mehr als im Vorjahr. Durchschnittlich
mann. „Die bestehende Arztpraxis wird             eine Tagespflege einzubinden und weitere      arbeiten in jedem der Zentren 6,1 Ärzte.
in das zu gründende Medizinische Ver-             Angebote der Daseinsvorsorge vor Ort         Insgesamt sind in Deutschland knapp
sorgungszentrum (MVZ) überführt und               zu bündeln. Die Gemeinde Auetal hatte        23.650 Ärzte in MVZ tätig. Davon sind
in Zukunft soll noch eine Ärztin oder ein         bereits vor einigen Monaten einen För-       wie im Vorjahr 8 Prozent Vertragsärzte,
Arzt dazukommen“, so Honé. Mit der                derbescheid zur Erstellung eines Konzeptes   alle anderen sind angestellt. Rund 63
Landesförderung könne die Gemeinde                zum Aufbau eines RVZ in Auetal erhalten.     Prozent der in MVZ angestellten Ärzte
jetzt mit dem Aufbau eines RVZ beginnen,          Das RVZ soll in der Alten Molkerei in        arbeiten in Teilzeit. In Thüringen (23,5
sagte Auetals Bürgermeister Jörn Lohmann:         Rehren entstehen.                   r dh     Prozent) und Hamburg (20,6 Prozent)
                                                                                               arbeitet mittlerweile jeder fünfte Arzt,
„Landarztquote“ auch in Niedersachsen?                                                         der an der vertragsärztlichen Versorgung
                                                                                               teilnimmt, in einem MVZ. Das ist bun-
Auch in Niedersachsen wird es künftig             nicht einmal die im „Masterplan 2020“        desweit der höchste Anteil. Den nied-
wohl eine „Landarztquote“ bei der Ver-            genannten zehn Prozent der Medizin-          rigsten Anteil weist Baden-Württemberg
gabe von Medizinstudienplätzen geben.             studienplätze ausgeschöpft. Es wäre sinn-    mit 7,6 Prozent auf, obwohl es mit
Der KVN ging jetzt der Entwurf für ein            voller, wenn die angedachten Quoten-         302 Einrichtungen insgesamt an sechster
Gesetz zur Verbesserung der flächen-               plätze komplett als zusätzliche Studien-     Stelle der Bundesländer liegt. Hausärzte,
dendeckenden hausärztlichen Versorgung            plätze zu den bereits vorhandenen Plätzen    Chirurgen und Orthopäden sowie fach-
in Niedersachsen aus dem nds. Sozial-             zur Verfügung gestellt würden. Zudem         ärztliche Internisten sind bundesweit
ministerium zu. Die KVN begrüßt es,               gibt die KVN zu bedenken, dass nach          in den MVZ am häufigsten vertreten.
dass die Thematik jetzt auch in Nieder-           ihrer jüngsten Arztzahlprognose auch         Vertragsärzte (42 Prozent) und Kran-
sachsen angegangen wird, bedauert aber,           bei einigen Facharztgruppen wie etwa         kenhäuser (42 Prozent) gründen MVZ
dass dafür viele Jahre ungenutzt verstri-         Nervenärzten, HNO-Ärzten, Kinder- und        zu gleichen Anteilen. Die bevorzugten
chen sind, obwohl die Probleme bei der            Jugendärzten, Urologen und Hautärzten        Rechtsformen sind die Gesellschaft mit
ärztlichen Altersstruktur seit Langem be-         mit Nachwuchsproblemen zu rechnen            beschränkter Haftung (GmbH) und die
kannt sind. Sie kritisiert aber, dass lediglich   sei. Sie plädiere daher dafür, auch für      Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
60 Medizinstudienplätze für die Land-             bestimmte Facharztgruppen zusätzliche                                            r ös
arztquote vorgesehen sind. Damit würden           Quotenplätze einzuplanen.          r dh
Forschungspreis zur Rolle der Ärzteschaft in der NS-Zeit verliehen

Der Forschungspreis zur Rolle der Ärz-            diater Berthold Epstein überlebte in         Gegenwart und werfe außerdem ein be-
teschaft in der Zeit des Nationalsozialis-        Auschwitz als Häftlingsarzt und prakti-      zeichnendes Licht auf die schwierige Si-
mus ist am 23. November 2021 zum                  zierte nach der Befreiung in Prag. Die       tuation und die weitere Anfeindung jü-
achten Mal verliehen worden. Mit dem              preisgekrönte Arbeit ist das Ergebnis        discher Ärzte nach dem Nationalsozialis-
Herbert-Lewin-Preis werden seit 2006              einer Zusammenarbeit zwischen dem in         mus in Osteuropa. Zudem lobt die Jury
wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet,         Marburg niedergelassenen Kinder- und         die in deutscher und englischer Sprache
die sich mit der Aufarbeitung der NS-             Jugendarzt Nolte und der tschechischen       erschienene jüdische Miniatur über das
Vergangenheit auseinandersetzen. Den              Biochemikerin und Zeitzeugin Trnka, die      Leben der Kinderärztin Lucie Adelsberger
Preis verlieh die Jury für die Arbeit von         als Kind von Shoa-Überlebenden 1946          von Benjamin Kuntz, die von großem
Dr. Stephan Heinrich Nolte und Dr. Vera           in Prag geboren wurde. Die Arbeit sei        Engagement für das Schicksal jüdischer
Trnka mit dem Titel „In den Grauzonen             nach dem Urteil der Jury ein eindrucks-      Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozia-
der Geschichte – der Prager Kinderarzt            volles Beispiel für die deutsch-tsche-       lismus zeuge und auch Anstoß für weiteres
Berthold Epstein (1890-1962)“. Der Pä-            chisch-jüdische Verständigung in der         Gedenken gegeben habe.             r ös
1 | 2022                                                                                                                               7
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Digitalisierung

Debatte über „Digitalisierung in der Praxis und Gamification in der medizinischen Ausbildung“ (v.l.n.r.): Dr. med. Fabian Feil, Dr. med. Martina
Wenker, Dr. med. Marion Charlotte Renneberg, Dr. rer. nat. Guillermo Carbonell, Professor Dr. mult. Eckhard Nagel (auf dem Bildschirm),
Dirk Engelmann und Thomas Spieker.

Reha, Notfalltraining oder Integrierte Lernkonzepte
5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit: Bei Patientenversorgung, Datenübermittlung
sowie Aus- und Fortbildung kommen immer mehr digitale Verfahren zum Einsatz.
Die Tagung wurde live übertragen – der Mitschnitt kann weiterhin angesehen werden.

„Ohne Digitalisierung gäbe es Veranstaltungen wie diese                   seiner Begrüßung der Ärztekammerpräsidentin zu. Von
nicht“, begrüßte Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der                 Helden stellte bei der Gelegenheit unter anderem ein ge-
Ärztekammer Niedersachsen, die Zuschauerinnen und Zu-                     meinsames Projekt von HsH und Medizinischer Hochschule
schauer des 5. Niedersächsischen Digitalgipfels Gesundheit                Hannover vor, das derzeit geplant werde: ein interdiszipli-
am 24. November 2021. Die alljährliche Veranstaltung, die                 näres Innovationsnetzwerk der Gesundheits- und Pflege-
erneut live digital übertragen wurde, greift die Themen rund              branche mit Partnerinnen und Partnern aus Wirtschaft und
um die Digitalisierung des Gesundheitssektors auf. Aufgrund               Gesellschaft. „Am Ende soll es so sein, dass ein offenes
der steigenden COVID-19-Infektionszahlen und der aktuell                  Haus der Gesundheitsinnovation entsteht“, kündigte von
gültigen Corona-Regelungen musste das Publikum vor Ort                    Helden an – falls das Projekt gefördert werde.
während der gemeinsam von Ärztekammer Niedersachsen
und Hochschule Hannover (HsH) im Design Center an der                     „Angesichts des Fachkräftemangels müssen
Expo Plaza ausgerichteten Fachtagung auch diesmal stark re-               wir vermehrt auf Technologie setzen“
duziert werden. Doch der Mitschnitt des 5. Digitalgipfels
rund um die Frage „Digitalisierung: Booster oder Kollaps für              Um die Zukunft der Digitalisierung ging es auch Stefan
das Gesundheitswesen“ kann jederzeit über die Mediathek                   Muhle, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium
des ÄKN-YouTube-Kanals abgerufen und angesehen werden.                    für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, in seinem
                                                                                                                                                   Fotos: N.. Heuse

                                                                          Grußwort. Muhle, auch im zweiten Jahr der Corona-Pande-
„Das Thema Digitalisierung ist aktueller denn je“, stimmte                mie dem Digitalgipfel per Videoübertragung zugeschaltet,
HsH-Präsident Professor Dr. rer. nat. Josef von Helden in                 zeigte sich überzeugt, Niedersachsen sei in Sachen flächen-

8                                                                                                                niedersächsisches ärzteblatt
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Digitalisierung

Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker                             Dr. med. Marion Charlotte Renneberg, ÄKN-Vizepräsidentin

deckender Digitalisierung auf einem gutem Weg und wies                     wa das NLGA zur Erfassung und Übermittlung der Melde-
unter anderem auf das Potential dieser Entwicklung hin:                    fälle an das Robert Koch-Institut die Software „SurvNet“,
„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht nur ange-                  berichtete Feil. Aber die Daten an die Gesundheitsämter
sichts des Fachkräftemangels, den wir schon heute vielfach                 seien von Laboren oder Ärztinnen und Ärzten lange nicht
im Gesundheitssystem haben, vermehrt auf Technologie                       durchgängig über das Internet übertragen worden, räumte
setzen müssen – auf Robotik, auf maschinelles Lernen und                   der NLGA-Präsident ein: „Was wir brauchen, ist die Stan-
auf künstliche Intelligenz.“ Denn er wünsche sich, dass die                dardisierung der Vernetzung“, forderte Feil und stellte DE-
Personen, „die uns in Zukunft medizinisch betreuen und                     MIS vor. Dieses „Deutsche Elektronische Melde- und Infor-
pflegen, Unterstützung haben“. Erst die technische Hilfe er-               mationssystem für den Infektionsschutz“ wurde Mitte 2020
mögliche dann künftig die menschliche Arbeit und versetze                  freigeschaltet, um Laboren zur ermöglichen, Nachweise
Ärzteschaft wie Pflegende in die Lage, den menschlichen                    von SARS-CoV-2 elektronisch an die Gesundheitsämter zu
Part zu übernehmen.                                                        melden. Im kommenden Jahr soll das DEMIS-System Feil
                                                                           zufolge weiter ausgebaut werden und den Laboren die Mel-
Die digitalen Tools und die Plattformen                                    dung sämtlicher Erreger an die Gesundheitsämter erlauben.
des Öffentlichen Gesundheitsdiensts
                                                                           Epidemie-Management mit SORMAS
Die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdiensts
stand dagegen im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. med.                     Mit SORMAS, dem vom Helmholtz-Zentrum für Infektions-
Fabian Feil, dem neuen Präsidenten des Niedersächsischen                   forschung (HZI) in Braunschweig entwickelten mobilen, di-
Landesgesundheitsamts (NLGA). Bereits seit 2001 nutze et-                  gitalen „Surveillance Outbreak Response Management and

                                                                                                                                         Anzeige

                                                                                    spezialisiert auf Beratung & Fachplanung für Ärzt*innen
                                                   Darauf haben                     Vollversorgungskonzept inkl. Ultraschall & Röntgen
                                                   alle gewartet:
                                                                                    IT-Kompetenz für Sicherheit & Digitalisierung
                                                                      ig
                                                 Praxen schlüsselfert
                                                                      n.
                                                  konzipieren + miete
                                                                                    umfassendes techniches Service-Angebot
                                                                                    modernste Logistik inkl. Online-Bestellportal

                                                                                                                        www.com2med.de

1 | 2022                                                                                                                                      9
Bessere Versorgung durch Digitalisierung - Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer ...
Digitalisierung

Analysis System“, verwies Feil auf ein weiteres digitales       Beispiel bei der Reha von Kindern und ihren Familienange-
Tool. Mithilfe des Epidemie-Management-Systems SOR-             hörigen ein, um diese zu unterstützen, wenn sie das Kran-
MAS, das vom HZI frühzeitig um ein SARS-CoV-2-Modul             kenhaus verließen. Von eigenen positiven Erfahrungen unter
ergänzt wurde, können infizierte Personen schneller iden-       dem Stichwort Gamification berichtete gleichfalls Dirk En-
tifiziert und alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen in      gelmann von der Techniker Krankenkasse Niedersachsen:
Echtzeit informiert werden. Darüber hinaus wird Feil zufolge    „Wir nutzen erfolgreich einen virtuellen Gesundheitscoach
in verschiedenen Bereichen der Gesundheitsämter digitale        in Bereichen wie persönlicher Fitness, Ernährung, Stressbe-
Unterstützung genutzt – wie zum Beispiel bei der Untersu-       wältigung und auch bei Suchtentwöhnung, also zum Bei-
chung von Trinkwasser oder Badegewässern sowie bei den          spiel Raucherentwöhnung.“
Schuleingangsuntersuchungen.
                                                                Mit Virtual Reality arbeitet ebenso das Forschungsprojekt
Das digitale Gesundheitsamt 2025                                ViTAWiN – Virtuell-augmentiertes Training für die Aus-
                                                                und Weiterbildung in der interprofessionellen Notfallver-
Zusätzliche Unterstützung bei der Digitalisierung erwartete     sorgung, das Dr. rer. nat. Guillermo Carbonell beim Digi-
der NLGA-Präsident ferner vom im September 2020 be-             talgipfel vorstellte: „Es ist eine gute Gelegenheit, das Training
schlossenen Pakt für den ÖGD, über den der Bund 4 Milli-        zu verbessern, indem wir mit relativ geringen Kosten viel-
arden Euro für Personal, Digitalisierung und moderne Struk-     fältige Szenarien erstellen und diese auch ortsunabhängig
turen zur Verfügung stellt. 800 Millionen Euro seien für den    nutzen können.“ Von positiven Erfahrungen mit Simulation
Ausbau der digitalen Infrastruktur vorgesehen, so Feil. Auf     berichtete außerdem Ärztekammerpräsidentin Dr. med.
dem Weg zum „digitalen Gesundheitsamt 2025“ solle zu-           Martina Wenker: „Ich sehe diese virtuellen Trainings als un-
nächst anhand eines sogenannten Reifegradmodells der di-        geheure Bereicherung. Aber sie müssen von einem an-
gitale Ausbau der Gesundheitsämter systematisch analysiert      schließenden Briefing des Teams begleitet werden, um zu
und geplant werden. Als eines der Projekte stellte Feil „Ago-   sehen, was es den einzelnen Mitgliedern gebracht hat.“
ra“ vor – die Kollaborationsplattform für den ÖGD. Sie soll     Auch bei der Ärztekammer habe die Digitalisierung gerade
den dort Beschäftigten ermöglichen, sich untereinander          während der Corona-Pandemie zu großen Fortschritten ge-
besser auszutauschen, zu kollaborieren, Wissen für alle         führt, denn es sei nun möglich, in kürzester Zeit und tages-
einzustellen und gemeinsam zu nutzen. „Ein entscheidendes       aktuell Fortbildungen zu produzieren und auf die Webseite
Ziel der Digitalisierung ist es, eine Interoperabilität über    zu stellen: „Da haben wir einen extremen Innovationsschub
alle Ebenen hinweg sicherzustellen und die für das Melde-       erfahren.“
und Berichtswesen erforderlichen Schnittstellen und Syste-
me zu definieren, zu schaffen und die entsprechenden            Positive Erfahrungen mit Blended Learning
Standards einzuhalten“, schloss Feil.
                                                                Von ähnlich positiven Erfahrungen mit Blended Learning
„Digitalisierung in der Praxis und Gamification                 bei Fortbildungen – also integrierten Lernkonzepten, die
in der medizinischen Ausbildung“                                Online- und Präsenzanteile kombinieren – berichtete NLGA-
                                                                Präsident Dr. med. Fabian Feil: „Gerade diese Kombination
An der Podiumsdiskussion im Rahmen des Digitalgipfels           aus Präsenzveranstaltung und Onlineanteilen funktioniert
nahmen vor Ort – moderiert von Ärztekammer-Kommuni-             sehr gut.“ Von den Vorteilen einer Kombination aus digitalen
kationschef Thomas Spieker – diesmal Ärztekammerpräsi-          und traditionellen Angeboten zeigte sich nicht zuletzt ÄKN-
dentin Dr. med. Martina Wenker, ÄKN-Vizepräsidentin Dr.         Vizepräsidentin Dr. med. Marion Charlotte Renneberg über-
med. Marion Charlotte Renneberg, HsH-Forscher Dr. rer.          zeugt: „Ich kann als Studierende oder Studierender im Skills
nat. Guillermo Carbonell, Dirk Engelmann (Leiter der Lan-       Lab unendlich oft eine Braunüle am Modell gelegt haben“,
desvertretung Niedersachsen der Techniker Krankenkasse)         so die Fachärztin für Allgemeinmedizin. Das bedeute noch
und NLGA-Präsident Dr. med. Fabian Feil teil. Per Video-        lange nicht, dass es dann gleich auf Anhieb bei einem Men-
übertragung zugeschaltet war zudem Professor Dr. mult.          schen gelinge, etwa bei einem verschwitzten, unruhigen
Eckhard Nagel. Der Direktor des Instituts für Medizinmana-      Kind, wenn die nervösen Eltern daneben stehen. Der Bezug
gement und Gesundheitswissenschaften der Universität            zur Praxis sei gerade für die aktuell Studierenden, deren
Bayreuth berichtete auf die Frage, welche digitale Techno-      Studium während der Pandemie zum großen Teilen digital
logie ihn in jüngster Zeit besonders beeindruckt habe, vom      stattgefunden habe, enorm wichtig, pflichtete Wenker bei.
Einsatz der Virtual-Reality-Technologie. Er setze sie zum                                              r Inge Wünnenberg

10                                                                                                 niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung

Positive Effekte und eine bessere Versorgung
von Patientinnen und Patienten
Professor Dr. mult. Eckhard Nagel von der Universität Bayreuth referierte beim
5. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit über „Die Lehren aus der Corona-
Pandemie“ und die Frage „War Corona der Booster für die Digitalisierung?“

Ein differenziertes Bild der durch die COVID-19-Pandemie              terbrechung der Infektionsketten haben wir nicht wirklich
beschleunigten Digitalisierung in Deutschland zeichnete               Erfolg gehabt mit dieser Technologie.“
Professor Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c.
Eckhard Nagel in seiner Keynote zum Auftakt des 5. Nieder-            Er habe ohnehin eine Corona-Tracing-Lösung favorisiert,
sächsischen Digitalgipfels Gesundheit. Dass die Pandemie              wie sie das Konzept der Fraunhofer-Gesellschaft projektiert
in vielen Bereichen des Gesundheitssystems einen Schub                habe, sagte Nagel. Daher sei er bis heute unverändert der
bewirkt habe, bestätigte der geschäftsführende Direktor des           Überzeugung, man hätte als Gesellschaft beherzter auf ein
Instituts für Medizinmanage-                                                                                   solches App-Angebot zuge-
ment und Gesundheitswis- „Im Hinblick auf die Unterbrechung der                                                hen und Bereitschaft signali-
senschaften der Universität Infektionsketten haben wir nicht wirklich                                          sieren sollen: „Wenn nur die-
Bayreuth zu Beginn seines Erfolg gehabt mit der Corona-Warn-App.“                                              jenigen, die wirklich zuge-
                                                       Professor Dr. mult. Eckhard Nagel, Universität Bayreuth
Vortrags über „Die Lehren                                                                                      stimmt hätten, die Nachver-
aus der Corona-Pandemie“                                                                                       folgung ihrer Bewegungen
und die Frage „War Corona der Booster für die Digitalisie-            ermöglicht hätten, hätte dies die Arbeit des Öffentlichen
rung?“. Gleichzeitig verwies er aber auch auf die Limitationen        Gesundheitsdienstes erleichtert.“
dieser Prozesse. Kritisch beurteilte Nagel zum Beispiel die
Resultate der Corona-Warn-App: „Im Hinblick auf die Un-               Andererseits habe Deutschland, das bei der Digitalisierung
                                                                      des Gesundheitssystems in der Vergangenheit zurückhal-
                                                                      tender gewesen sei als andere Gesellschaften, im Bereich
                                                                      der Videosprechstunden einen richtigen „Booster-Effekt“
                                                                      erlebt, sagte Nagel. Mit einem deutlichen Anstieg von 4.000
                                                                      Videosprechstunden im Jahr 2019 auf fast 1,4 Millionen in
                                                                      der ersten Hälfte von 2020 sei eine wirklich phänomenale
                                                                      Entwicklung zu sehen gewesen. Eine wichtige Vorausset-
                                                                      zung war dafür dem Referenten zufolge die Aufhebung des
                                                                      Fernbehandlungsverbots 2019 im Vorfeld der Pandemie. In
                                                                      Bereichen wie der Augenheilkunde, der Dermatologie zur
                                                                      Erstbeurteilung von Wunden oder melanozytären Läsionen
                                                                      sowie der Palliativversorgung zur besseren Einschätzung
                                                                      körperlicher Veränderungen habe sich die Telemedizin bei-
                                                                      spielsweise bewährt, berichtete Nagel: „Man kann tatsäch-
                                                                      lich eine Reihe von positiven Effekten und eine bessere Ver-
                                                                      sorgung von Patientinnen und Patienten feststellen.“

                                                                        Der Gesundheitswissenschaftler zeigte sich deshalb über-
                                                                        zeugt, dass die Ärzteschaft zunehmend Weiterentwicklun-
                                                                        gen auf dem Gebiet der digitalen Lösungen wünsche. Wäh-
                                                                        rend früher befürchtet worden sei, die Digitalisierung be-
                                                                        deute eine Gefahr für die Qualität der Gesundheitsversor-
                                                                        gung, werde dies nun tatsächlich anders bewertet: „Die Di-
Über den Booster-Effekt der Corona-Pandemie für das Gesundheits-
wesen sprachen Professor Dr. iur. Fabian Schmieder (l.), Vizepräsi-     gitalisierung erhöht die Qualität der Gesundheitsversorgung,
                                                                                                                                               Foto: N.. Heusel

dent für Digitalisierung und IT der Hochschule Hannover, und Tho-       indem sie hilft, Prozesse zu vereinfachen“, folgerte Nagel:
mas Spieker (r.), Pressesprecher der Ärztekammer Niedersachsen          „Ich glaube, dass wir durchaus von einem sehr positiven
und Leiter des Teams Kommunikation, mit Professor Dr. mult. Eckard      Unterstützungsmechanismus der Digitalisierung durch die
Nagel, der aus Bayreuth per Video zugeschaltet war.
                                                                        Pandemie sprechen können.“              r Inge Wünnenberg
1 | 2022                                                                                                                                 11
Digitalisierung

Keine sicheren, funktionierenden Programme,
Schnittstellen und Kommunikationsplattformen
Die Herausforderungen und Probleme bei der Digitalisierung der Hausarztpraxen und die
Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen damit: Vortrag der niedergelassenen Hausärztin
Dr. med. Karin Bremer beim 5. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit

„Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein
Gift ist.“
                                                       Paracelsus

Wenn Hausärztinnen und Hausärzte das Stichwort „Digita-
lisierung“ hören, haben sie verschiedene Assoziationen.
Natürlich denken sie an die Digitalisierung ihrer Praxen,
die in den vergangenen Jahren und zumal durch die Pande-
mie rasant an Fahrt gewonnen hat. Mit Digitalisierung kann
im hausärztlichen Kontext bekanntlich aber auch die Digi-
talisierung von Patientinnen und Patienten gemeint sein,
also die dosierte und kontrollierte Verabreichung von Digi-
talispräparaten. Vordergründig hat das eine mit dem anderen
nicht viel zu tun. Doch wissen die hausärztlichen Kollegin-
nen und Kollegen aus der Praxis sehr genau: Digitalisierung         Über die Perspektiven der Digitalisierung für die Hausarztpraxen
                                                                    sprach die stellvertretende Vorsitzende der ÄKN-Bezirksstelle
ist eine Frage der richtigen Dosis. Korrekt verabreicht steigert
                                                                    Osnabrück Dr. med. Karin Bremer beim 5. Niedersächsischen
Digitalis die Leistungskraft des Herzens. Ist die Dosis jedoch      Digitalgipfel Gesundheit.
zu hoch, so sind die Folgen Bauchschmerzen, Verwirrtheit
und Herzrhythmusstörungen.                                          Erfahrungen damit gesammelt, wo die Digitalisierung hakt.
                                                                    Deswegen nur ein vergleichsweise typisches Beispiel: Ein
In den letzten zwei Jahren wurde bei der Digitalisierung der        Patient ist Kontaktperson. Vom Gesundheitsamt wird ein
hausärztlichen Praxen vor allem auf Tempo gesetzt, ohne             PCR-Test angeordnet, der ist positiv. Im Verlauf erkrankt der
dass auf die richtige Dosierung geachtet wurde. Deswegen            Patient symptomatisch. Die Hausärztin wurde zu keinem
hat die Digitalisierung immer wieder zu Bauchschmerzen              Zeitpunkt informiert. Der Patient meint, das Gesundheitsamt
und in manchen Fällen auch Verwirrtheit geführt. Deswegen           sei zuständig und meldet sich nicht in seiner Praxis. Bei
ist es dringend an der Zeit, über die richtige Anwendung            plötzlicher Verschlechterung besteht keine optimale Ver-
nachzudenken.                                                       sorgung vor Ort, da die Hausärztin nicht im Bilde ist.

Die hausärztliche Perspektive                                       Ein solches Problem dürfte fast jede Hausärztin, fast jeder
                                                                    Hausarzt während der Coronapandemie erlebt haben. Struk-
In den vergangenen 20 Monaten trafen pandemiebedingt                turell entsteht dieses Problem aus einem recht banalen Um-
die Arbeitswelten des hausärztlichen Bereichs und die der           stand. Aufgrund einer fehlenden gemeinsamen Kommuni-
regionalen Gesundheitsämter aufeinander. Es ging darum,             kationsplattform findet kein elektronischer Informations-
positive Corona-Fälle zu detektieren, diese im weiteren             austausch zwischen Gesundheitsamt und Praxis statt. Für
Verlauf regelmäßig zu kontaktieren und bei symptomati-              ein individuelles Telefonat im Sinne des „kurzen Dienst-
schem Verlauf medizinisch zu behandeln. Kontaktpersonen             wegs“ fehlen aktuell die personellen Kapazitäten. Das hat
mussten eruiert und getestet werden. Hausärztinnen und              zur Folge, dass eine Vielzahl von Maßnahmen wie zum
Hausärzte mussten die Patientinnen und Patienten in sämt-           Beispiel Telefonate mit Patientinnen und Patienten oder die
lichen Belangen der Pandemie beraten. Es ist absehbar,              Planung von PCR-Abstrichen nicht zentral koordiniert ver-
dass diese Aufgabe die Hausärztinnen und Hausärzte auch             laufen. Das Ergebnis sind Doppelmaßnahmen oder Ver-
                                                                                                                                        Foto: N. Heusel

weiterhin herausfordern wird.                                       säumnisse, die zu Qualitätsverlust und Verschwendung
                                                                    von Ressourcen – vor allem von unserer Arbeitskraft und
Wohl fast alle Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen            der unserer angestellten MFA – führen. Das ist nicht nur
haben in den vergangenen knapp zwei Jahren ihre eigenen             frustrierend, sondern auch finanziell belastend.

12                                                                                                       niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung

Das geschilderte Beispiel demonstriert, dass dringend eine        halten und das Misstrauen von Hausärztinnen und Haus-
digitale Zusammenarbeit von hausärztlichen Praxen und             ärzten in die Politik abzubauen, ist es beispielsweise wichtig,
ÖGD benötigt wird. Beide Akteure müssen sich Qualitäts-           dass das E-Rezept eine End-zu-End-Verschlüsselung erhält.
sicherung durch standardisierte Abläufe, schnelle Reakti-
onszeit und dadurch Fehlervermeidung auf die Fahnen               Ein Satz, der im Zusammenhang mit der Digitalisierung im-
schreiben. Gleichzeitig müssen die Transparenz der Arbeit         mer wieder fällt, ist, dass digitale Anwendungen nur Mittel
und der Datenschutz sichergestellt werden. Das muss aber          zum Zweck sein sollen. Was heißt das im Kontext der haus-
mit Effizienz in jeder Hinsicht konform gehen, indem Dop-         ärztlichen Versorgung? Die klinische Entscheidungsfindung
pelungen etwa von Dokumentationen, Anrufen, Entschei-             durch Ärztinnen und Ärzte kann nicht durch digitale An-
dungsfindungen und Meldungen vermieden werden.                    wendungen ersetzt werden. Diese wird angesichts ver-
                                                                  schiedener Erwartungshorizonte getroffen und ist nicht
Aktuelle digitale Voraussetzungen in der                          durch Künstliche Intelligenz oder eine Datenbank zu erset-
hausärztlichen Praxis                                             zen. Jedoch können Einzelschritte der klinischen Entschei-
                                                                  dungsfindung durch digitale Unterstützung optimiert wer-
Die digitale Transformation der hausärztlichen Arbeitswelt        den. Eine vollständige Datenbasis und präzise Diagnostik,
ist im Interesse der Hausärztinnen und Hausärzte. Viele von       leichtere Evaluationsmöglichkeiten und die Minimierung
ihnen haben bereits vor Jahren intern auf eine papierlose         von Beurteilungs- und Beobachtungsfehlern durch Einbe-
Praxis umgestellt. Nahezu flächendeckend gibt es im am-           ziehen der Subjektivität des Betrachters führen zu einer
bulanten Bereich elektronische Patientenakten – die Kartei-       Qualitätssteigerung der ärztlichen Leistung. Um im Bild der
karte hat weitgehend ausgedient. Diese Umwandlung ge-             medikamentösen Digitalisierung zu bleiben, heißt das, dass
schah zwanglos, einfach weil der Mehrwert überwog. Diese          die Digitalisierung die Medizin kraftvoller machen kann.
Entwicklung hat jedoch ihre Tücken. Denn diese digitalen
Anwendungen basieren auf dezentral eingerichteten, paral-         2020 hat Stefan Muhle, Staatssekretär im Niedersächsischen
lel arbeitenden Lösungen. Das hat zu einigen der akuten           Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisie-
Probleme geführt, die aktuell die hausärztliche Arbeit be-        rung, beim 4. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit
lasten.                                                           ausgeführt, dass „Digitalisierung eine menschliche sein
                                                                  muss und dem Gemeinwohl dienen soll“. Dem kann aus
Aus dem betriebswirtschaftlichen Wissensmanagement ist            hausärztlicher Sicht nur zugestimmt werden. Doch damit
bekannt, dass die Schaffung, die Speicherung und der              das keine Floskel bleibt, muss geklärt werden, wie dieses
Transfer von Wissen in und zwischen Organisationen und            Ziel erreicht werden kann. Die Antwort darauf wird ent-
Institutionen eine der größten Herausforderungen der Digi-        scheidend für den Erfolg und die Auswirkungen der digitalen
talisierung ist. Softwareentwickler und -entwicklerinnen          Veränderungen in der hausärztlichen Praxis sein.
ebenso wie Politiker und Politikerinnen berücksichtigen
solche Erkenntnisse der modernen Betriebswirtschaftslehre         Um das Ziel zu erreichen, muss zudem über Digitalisierung
immer noch viel zu selten. Mit Digitalisierung im Gesund-         grundlegend nachgedacht werden. Zunehmend bedroht
heitsbereich ist vor allem die Vernetzung aller Beteiligten       der Hausärztemangel die medizinische Grundversorgung.
im Gesundheitswesen gemeint, also die Vernetzung von              Mit zunehmender Tendenz werden in strukturschwachen
Menschen mittels digitaler Anwendungen, beispielsweise            Gebieten Hausarztsitze nicht nachbesetzt. Das Durch-
durch eine gemeinsame Kommunikationsplattform oder te-            schnittsalter der Niedergelassenen steigt stetig, aktuell sind
lemedizinische Anwendungen.                                       mehr als ein Drittel über 60 Jahre alt. Solange Veränderun-
                                                                  gen nicht mit einem Mehrwert verbunden sind – wie zum
KIM bietet für Hausärztinnen und Hausärzte – solange die          Beispiel Zeitgewinn oder Qualitätszuwachs – solange wird
Datensicherheit gewährleistet ist – großes Potential, die Ar-     die Gruppe der Hausärztinnen und -ärzte, die in ihren
beit effizienter zu gestalten. Wenig hilfreich ist es hingegen,   letzten Berufsjahren mit Maßnahmen der Digitalisierung
wenn unter Androhung von Honorarabzug Hausärztinnen               konfrontiert wird, das Problem verständlicherweise aussitzen
und Hausärzte gezwungen werden, KIM und Telematikin-              oder vorzeitig aus der Patientenversorgung ausscheiden.
frastruktur zu installieren. Beispielsweise hat in nicht weni-    Das darf angesichts des Hausärztemangels nicht in Kauf ge-
gen hausärztlichen Praxen die erzwungene Einführung die-          nommen werden. Außerdem führen aufgezwungene Maß-
ser Technologien auf Air Gap basierende Sicherheitskon-           nahmen ohne direkten Nutzen für die Beteiligten zu Unmut.
zepte gesprengt. Zudem bestehen die genannten Technolo-           Sie verringern die Motivation. Zwang sorgt in einem freien
gien aktuell noch aus mehr Bugs als Features. Ferner muss         Beruf naturgemäß für Widerstand. Offensichtliche finan-
immer die Datensicherheit berücksichtigt werden. Um das           zielle Interessen bei der Umsetzung durch Wirtschaftsun-
Vertrauensverhältnis zu Patientinnen und Patienten zu er-         ternehmen sorgen ebenfalls nicht für Vertrauen. Dazu

1 | 2022                                                                                                                      13
Digitalisierung

kommt, dass es eine Vielfalt an Praxisverwaltungssystemen        wenigen Indikationen vorbehalten sind. Es gibt digitale
sowie unterschiedliche Ausgangsbedingungen in den Arzt-          Schnittstellen mit Laboren, Wundmanagern und radiologi-
praxen gibt.                                                     schen Praxen. Auch existieren zum Teil Schnittstellen mit
                                                                 Krankenhäusern zum Abruf von Befunden und Bildern. All
Ein großer Teil der Patientinnen und Patienten ist alt oder      diese digitalen Verbindungen sind dezentral und regional,
sehr alt, chronisch krank und hilfsbedürftig. Allein der ana-    sie werden je nach individueller Kosten-Nutzen-Abwägung
loge Umgang mit Medikamenten und Medikamentenplänen              erfolgreich eingesetzt. Außerdem finden sich immer mehr
stellt für viele eine große Herausforderung dar. Darüber hi-     dezentrale E-Health-Projekte in den Grenzbereichen mit
naus sind ältere Menschen überdurchschnittlich häufig            Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, dem Rettungsdienst
nicht an die digitale Welt angeschlossen. In einer aktuellen     und im ambulanten Sektor.
Forsa-Umfrage geben knapp 50 Prozent der über 75-Jährigen
an, sie sähen keinen Nutzen in digitalen Anwendungen.            Welche Digitalisierung benötigen Hausarzt
Zudem haben in einem Flächenland wie Niedersachsen               oder Hausärztin?
viele Menschen keinen optimalen Internetzugang. Nicht
zuletzt ist das Arzt-Patienten-Verhältnis kostbar und basiert    Digitalisierung im Gesundheitswesen betrifft alle daran Be-
auf Vertrauen und Diskretion im Umgang mit den Patien-           teiligten. Also müssen alle Gesundheitsberufe aktiv bei der
tendaten. Naturgemäß haben die Datenschutzbelange in             Einführung von digitalen Schnittstellen einbezogen werden.
diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert.                     Beispielhaft seien MFA als VERAH und der ambulante Pfle-
                                                                 gesektor mit sektorenübergreifenden E-Pflegeberichten über
Chancen und Probleme digitaler                                   die TI genannt. Die Vielzahl dezentral entwickelter digitaler
Anwendungen im hausärztlichen Bereich                            Anwendungen beweist, dass es in der Praxis keine starre
                                                                 Festlegung auf einzelne Systeme geben kann.
In den allermeisten Hausarztpraxen wird eine elektronische
Patientenakte geführt. Bewährt haben sich darüber hinaus         Anstelle eines Systems, das per Zwang Neuerungen einführt,
vielfach Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis         kann nur ein Bonussystem mit Anreizen für Eigeninitiative
(VERAHs). Sie werden zum Hausbesuch geschickt und er-            und Innovation erfolgversprechend sein. Der Vorwurf, die
möglichen per iPad Telemedizin. Dabei kann eine Video-           Ärzteschaft würde die Digitalisierung blockieren, existiert
konsultation und Videoansicht von bestimmten körperlichen        schon so lange wie die Digitalisierung. Sie ist ein Mythos, mit
Befunden erfolgen. Seit fünf Jahren existiert der Bundesein-     dem Teile der Politik versuchen, von der eigenen Verantwor-
heitliche Medikationsplan (BMP) verpflichtend im ambulanten      tung abzulenken. Fakt ist, dass Digitalisierung einen Nutzen
Bereich. Dieser kann in das eigene Praxisverwaltungssystem       mit sich bringen muss, um angenommen zu werden. Motiva-
integriert werden. Hier sind die Softwareingenieure gefragt,     tion, Knowhow und der Wille zur Veränderung sind in den
Lösungen zu finden, dass die Schnittstellen zwischen den         hausärztlichen Praxen hinreichend vorhanden. Nur wenn
Nutzern funktionieren. Kritisch erwähnt sei aber auch, dass      ein Mehrwert im Sinne einer verbesserten Patientenversor-
in den anderen Sektoren der Patientenversorgung der BMP          gung, einer Arbeitserleichterung oder einer Qualitätsverbes-
nur wenig genutzt wird, so dass das eigentliche Ziel nicht er-   serung den Unterschied ausmacht, werden digitale Anwen-
reicht wird. Digitalisierung scheitert also vielfach nicht an    dungen zum Erfolg. Zudem können digitale Anwendungen
den hausärztlichen Praxen, sondern daran, dass die Partner       nur eingeführt werden, wenn die technische Anwendungsreife
der Praxen nicht auf deren technologischem Stand sind.           erreicht wurde. Pannen wie die verpasste Einführung von
                                                                 eAU und eRezept dürfen sich nicht wiederholen.
Es existieren seit Jahren telemedizinische Anwendungen.
Als Beispiel sei die Behandlung beziehungsweise Überwa-          Außerdem müssen wir Hausärztinnen und Hausärzte Au-
chung von Herzinsuffizienz genannt. Sie findet jedoch zum        genhöhe mit den Krankenhäusern erlangen. Dafür muss es
Teil parallel zur hausärztlichen Versorgung statt und ohne       eine allgemeine Wirtschafts- und Standortförderung für
Datenaustausch zwischen Herzzentrum und hausärztlichen           selbständig niedergelassene Ärztinnen und Ärzte geben.
Praxen. Beschleunigt durch die Coronapandemie etablierte         Die Bundesärztekammer fordert einen Digitalisierungsfond,
sich die Videosprechstunde als große Errungenschaft. Sie         der mit dem des Krankenhauszukunftsgesetzes mit einem
wurde in der Anfangszeit der Pandemie als abrechenbare           Volumen von 4 Milliarden Euro vergleichbar ist. Solche
Leistung eingestuft, vergleichbar mit einem persönlichen         Forderungen müssen wir Hausärztinnen und Hausärzte un-
Arzt-Patienten-Kontakt. Es folgte ein flächendeckender Ein-      terstützen, weil nur finanzielle Förderung eine Gleichbe-
satz der Videosprechstunde. Sie hat zwischenzeitlich jedoch      handlung der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen,
erheblich an Schwung verloren, nachdem deutlich wurde,           die eben auch Unternehmerinnen und Unternehmer sind,
dass die Vorteile gegenüber einem Telefonat begrenzt und         mit den Krankenhausbetreibern sicherstellt.

14                                                                                                 niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung

Das alles würde einer optimalen Patientenversorgung dienen                      Anders als bei der einleitend beschriebenen medikamentö-
und den Erhalt und Ausbau der hausärztlichen Primärver-                         sen Digitalisierung kommt es bei der Informationstechnolo-
sorgung sicherstellen. Die Hausarztkompetenz muss wei-                          gie im Hausarztbereich nicht auf zu viel oder zu wenig an.
terhin zentral sein und eine Lotsenfunktion übernehmen –                        Stattdessen wird es notwendig sein, Systeme zu entwickeln,
das gilt angesichts der Digitalisierung mehr denn je. Es geht                   die einfach zu installieren sind und nahtlos mit den beste-
um einen datensicheren, schnellen Informationsfluss, um                         henden Systemen zusammenarbeiten. Außerdem sollten sie
vereinfachte Arbeitsläufe und Entbürokratisierung.                              frei verfügbar sein und uns Hausärztinnen und Hausärzten
                                                                                sowie unseren Mitarbeitenden möglichst viel Arbeit abneh-
Was wir Hausärztinnen und Hausärzte brauchen, ist eine                          men und Zeit sparen. Wenn das passiert, werden Hausärz-
von der öffentlichen Hand bereitgestellte API (application                      tinnen und Hausärzte diese Systeme ganz selbstverständlich
programming interface) – also eine Programmierschnittstelle,                    nutzen, denn dies wird nicht nur eine bessere Patientenbe-
über die strukturierte Daten wie Labordaten, Fremdbefunde                       treuung, sondern auch mehr Umsatz und damit mehr Si-
oder Informationen aus Entlassbriefen und nicht nur PDFs                        cherheit und Handlungsspielraum für unsere Unternehmen
weitergegeben werden können. Wichtig ist, dass sie von al-                      bedeuten.
len Stakeholdern einfach in die Praxisverwaltungssysteme
implementiert werden können. Unter diesen Prämissen                                Dr. med. Karin Bremer
müssen alle Anwendungen geprüft werden. Idealerweise                               Stellvertretende Vorsitzende der Bezirksstelle
sorgt Digitalisierung für eine intelligente Verteilung der                         Osnabrück der Ärztekammer Niedersachsen
menschlichen Arbeitsleistung. Erst dann sind digitale An-                          Mitglied der AG Digitales des niedersächsischen
wendungen tatsächlich Mittel zum Zweck.                                            Hausärzteverbands

                                                                                                                                                   Anzeige

  Betriebsarzt/Facharzt (d/m/w) für Arbeitsmedizin am Standort Bremen
  Referenzcode JR10064604

  Für Airbus Commercial Aircraft in Bremen suchen wir für die Abteilung         Was sind Ihre Hauptaufgaben:
  „Medical Services“ zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Betriebsarzt/          • Arbeitsmedizinische Vorsorge und Beratung zu allen Fragen des
  Facharzt (m/w/d) für Arbeitsmedizin.                                            Gesundheitsschutzes
  Als Betriebsarzt (m/w/d) sind Sie zuständig für die Verhinderung von          • Notfallmedizinische Akutversorgung und Ambulanzbetreuung für
  arbeitsbedingten      Beeinträchtigungen der physischen und mentalen            Mitarbeiter und Gäste
  Gesundheit. Dieses umfasst die Bereitstellung individueller medizinischer
                                                                                • Gesundheitsförderung und Reintegration
  Folgeuntersuchungen, die Empfehlung und Unterstützung bei der
  Risikominimierung am Arbeitsplatz, die Unterstützung einer effektiven         • Beratung zu spezifischen Präventionsmaßnahmen
  betrieblichen Wiedereingliederung, das Antreiben der Gesundheitsförderung     • Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen innerbetrieblichen
  zur Aufrechterhaltung einer gesunden Belegschaft.                               Schnittstellen
  Am Bremer Airbus-Standort sind 4.500 Mitarbeiter in der Luft- und Raumfahrt
  beschäftigt, davon rund 2400 im Bereich Commercial Aircraft und 1100
                                                                                Wie sieht Ihr Boarding Pass aus:
  im Bereich Defence and Space. Ebenfalls am Standort vertreten sind die        • Facharzt für Arbeitsmedizin oder Facharzt in einem klinischen Fach mit
  Unternehmen Ariane Group, Premium Aerotec und Testia.                           Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin sind erforderlich
  Der Hauptaufgabenbereich besteht in der medizinischen Betreuung aller         • Erfahrungen in der Notfallmedizin, z.B. Fachkunde Rettungsdienst von
  Mitarbeiter am Standort Bremen. Das beinhaltet die Beratung zu allen            Vorteil
  Themen der Gesundheit und Arbeit sowie Notfallversorgung. Wir bieten          • Gute Kenntnisse im Umgang mit medizinischer Software
  umfangreiche Leistungen zur Gesundheitsförderung und Reintegration.           • Spaß an der Arbeit im Team sowie Kommunikationsstärke
  Bei Planungen beurteilen wir Arbeitsplätze und unterstützen bei Projekten     • Einsatzbereitschaft und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein
  wie z.B. Industrie 4.0 und beraten bei Reisetätigkeiten.                      • Verhandlungssichere Deutsch- und fortgeschrittene Englischkenntnisse
  Was bieten wir Ihnen:
                                                                                               Bitte bewerben Sie sich für diese Stelle online über unsere
  • Herausfordernde Aufgaben an einzigartigen Services und Produkten
                                                                                               Karriereseite (www.airbus.com/en/careers) und fügen Ihren
  • Angenehmes Arbeitsklima in einem kompetenten und internationalen                           beruflichen Werdegang, ein Motivationsschreiben inklusive
    Umfeld                                                                                     Ihrer Gehaltsvorstellung und Ihrer Kündigungsfrist sowie
  • Flexible Arbeitszeiten & Arbeitszeitausgleich                                              relevante Zeugnisse als Anhang bei.
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie, z.B. Kinderbetreuungsangebote
  • Attraktive Vergütung mit Bausteinen wie variabler Vergütung
  • Betriebsrente und vieles mehr

1 | 2022                                                                                                                                                   15
Sie können auch lesen