Der Kraftakt - Hannoversche Ärzte-Verlags-Union
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Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 93. Jahrgang | Dezember 2020 Der Kraftakt Niedersachsen, Deutschland, die Welt – Corona-Impfungen laufen an Kammerversammlung Fortbildung Vertreterversammlung Bericht über den 20. Oldenburger Harsche Kritik fortschreitenden Ärztetag erstmals an Pandemie- Neubau des online als Bürokratie Ärztehauses Live-Übertragung
ollm un n g ach g. Bit kann. e- ode t f ür S te bea Die ra ie ch um ber vo hande ten fass llum „Wer für den Notfall vorsorgt, ln ach en. In fän t au jed glich voll f med em ma izin s lie cht ha ische nimmt seinen engsten Vertrauten gt d ben wer ies z. den B. soll . den ee zu I hre inse m Be die Last von den Schultern“ nkt tzen. vollmä ist Die cht ste . In die s gesc igten (Dr. med. Martina Wenker) llt w sen h uen erden Fä ieht s vo . M llen m er f n dem it eine uss ür d r Be ie F zustä - orm nd ulie igen run g Pa tie nte nve rfü gu ng Die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht der Ärztekammer Niedersachsen schaffen Rechtssicherheit für Angehörige und Ärzte Seh r ge ehr Sie te D h am bes aben en und chä sich Ste ftig a n Her rbe en, die ren zuk n. D ü Ä om as S ber da rzteka , Jah m t . te r s v i m m rz D i b e e le e r ist. ehnte eses V n gehö nicht Niede D n e r g r uns ie Aus große rdräng t zum erne s sachse ere e F L pre n A inand ortsc en lieg eben c ng e llta ers h t daz hen: M wand g. etz ritte g wohl u it d t, ung mit em ac auc hd u nd d em weil S dem ht ha ara ennoc Ende ie sich Ste t und n, das h verd unser zu rbe s es L rzeit m n p unsere unse ränge e b it räg n t da Lebe re Med wir, w ens – etwas her nse i z in a sa m it d nic rw ht m artun in den uf uns em ehr gd ve r alle eut so sta lic gang rk w h ges enen ie f ti rüh egen er Ein PDF-Dokument der neuen Patientenverfügung steht als kostenloser Download auf www.aekn.de und auf www.haeverlag.de zur Verfügung. Die gedruckte Version der Patientenverfügung ist gegen einen Unkostenbeitrag in Höhe von 5,00 Euro pro Exemplar (per Vorauskasse) unter folgender Adresse zu bestellen: Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover, E-Mail: info@haeverlag.de
Editorial Aufgabe ohne Beispiel Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, man könnte es als das größte Weihnachtsgeschenk aller Zeiten bezeichnen – die Corona-Impfungen laufen an. Kommt es so, wie wir alle es uns wün- Fotos: KVN schen und für möglich halten, dann ist die er- sehnte Rückkehr zur Normalität im Leben in Sicht. Doch erst einmal steht uns ein Kraftakt bevor. Eine Durchimpfung von –zig Millionen Menschen in wenigen Monaten, dazu noch mit Wiederholungsimpfung, ist in der medizinischen Geschichte unseres Landes ohne Beispiel. Die Infrastruktur dafür muss innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft werden. Die KVN steht bei dieser Herausforderung gemeinsam mit der Ärztekammer an der Seite der politisch Verantwortlichen. Das Land Niedersachsen steuert diese größte Impfaktion in seiner Geschichte. Doch Impfen ist und bleibt eine ärztliche Aufgabe. Wir haben es daher mit der ÄKN übernommen, das medizinische Personal für die Impfzentren zu gewinnen. Die vielen freiwilligen Meldungen auf unseren Aufruf hin signalisieren weithin: Unsere Ärzte sind sich ihrer Verantwortung bewusst und wollen sich engagieren. Danke dafür! Wer kommt zuerst? lautet jetzt die zentrale Frage. Denn der Impfstoff wird erst nach und nach in grö- ßeren Mengen lieferbar sein. Uns ist wichtig, dass diese Diskussion aus den Praxen herausgehalten wird. Lautstarke Auseinandersetzungen mit dem Doktor, ob man die Impfung bekommt, weil es doch nächsten Monat nach Fuerteventura gehen soll –bloß nicht! Von daher kann es nur von Vorteil sein, wenn zunächst an zentralen Stellen geimpft wird. Die unaus- weichlichen Priorisierungsentscheidungen können nur unsere gewählten Volksvertreter treffen. Ethische und medizinisch-fachliche Erwägungen werden hier in Ausgleich zu bringen sein. Unsere dringende Empfehlung scheint aber Gehör zu finden: Impft zuerst das medizinische und pfle- gerische Personal! Das wird für alle weiteren Maßnahmen gebraucht. Und das entspräche einem be- währten Grundsatz: Schützt die Retter – damit sie gefahrlos retten können. Herzlichst Ihre Mark Barjenbruch Dr. Jörg Berling Vorstandsvorsitzender der KVN Stellv. Vorstandsvorsitzender der KVN 12 | 2020 3
Fotos: I. Wünnenberg; ÄKN 8 Letzte Sitzung der 18. Wahlperiode: In der 16 Über COVID-19 informierte der 20. Olden- 28 Den Tag der Weiterbildung hielt die ÄKN- Kammerversammlung ging es um Themen burger Ärztetag, den Professor Dr. Claus- Bezirksstelle Braunschweig mit Unterstüt- wie Haushalt und Ärztehaus-Neubau. Henning Köhne moderierte. zung des Sachgebiets erstmals online ab. ÄKN Politik 8 „Ein Berg von Aufgaben liegt hinter uns“ In der 19. Kammerversammlung der 18. Wahlperiode stand un- Bezirksstelle Braunschweig 28 Tag der Weiterbildung online Viel Zuspruch erfuhr ei- ne Infoveranstaltung, die das Sachgebiet Weiterbil- ter anderem Dr. med. Martina Wenkers „Bericht zur dung für Weiterbildungsassistenten der Bezirksstelle Lage“ auf der Tagesordnung. Braunschweig übers Internet anbot. 10 Positive Ertragsentwicklung Die Kammerversammlung 28 Erste Facharztprüfung Urologie Die Bezirksstelle der 18. Wahlperiode beschließt den Jahresabschluss Braunschweig bietet zusätzlich zu den Prüfungen im 2019 und den Haushaltsplan 2021. Fach Allgemeinmedizin jetzt auch Facharztprüfungen 12 Ausbau des Rohbaus Bericht in der Kammerversamm- für Urologen an. lung über den Baufortschritt des neuen Ärztehauses. Recht COVID-19 29 Seltene Erkrankungen wie eine Sectionarben-Gravidi- 14 FAQs zur zweiten Welle Hier erhalten Sie Informatio- tät Von Fall zu Fall: Aus der Praxis der norddeutschen nen zur Wirksamkeit von Impfungen und Masken Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen oder der Frage, ob Masken für Kinder schädlich sind. 16 „COVID-19 wird uns von jetzt an begleiten“ Der Qualitätsmanagement 20. Oldenburger Ärztetag widmete sich mit verschie- 31 Die stationäre Qualitätssicherung gehört nun zu den denen Vorträgen und einer Podiumsdiskussion dem Aufgaben der „Landesarbeitsgemeinschaft Qualitäts- Thema „SARS-CoV-2-Infektion“. sicherung Niedersachsen in der medizinischen Ver- 23 Algorithmen helfen bei Entscheidungen Die Pandemie sorgung“ (LAGN QSmV). stellt die interdisziplinäre Onkologie am Comprehen- sive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N) in Han- Nach Redaktionsschluss nover vor Herausforderungen. 87 Hilfe bei ethischen Konflikten im Krankenhaus Das Klinische Ethikkomitee der Universitätsmedizin Göt- tingen feierte unter der Leitung von Professor Dr. phil. Alfred Simon 2020 sein zehnjähriges Bestehen. 4 niedersächsisches ärzteblatt
44 Es wird einfacher und hoffentlich besser - mit 50 Kein Durchblick mehr – die Bürokratie schlägt 57 Digitale Hilfe und Begleitung für Transsexu- der neuen Heilmittel-Richtlinie. Immerhin in der Corona-Pandemie eigene Kapriolen. elle – das Projekt i2TransHealth am UKE reduziert sich der Formularkram von drei Vor- Dr. Matthias Berndt und Dr. Jörg Berling reden bringt Betroffene, Kliniker und Niedergelas- drucken auf nur noch einen. Der Überblick. Klartext über notwendige Veränderungen sene im virtuellen Raum an einen Tisch KVN Vertreterversammlung 37 Zuviel der Gesetze Virtuelle Vertreterversammlung Telemedizin & Digitales 57 Digitale Versorgung für spezielle Patientengruppen Fotos: creativ collection, pxhere rechnete mit Corona-Bürokratie ab Wie Videosprechstunden die ambulante Gesundheits- versorgung ergänzen können: Das Beispiel i2Transhe- Arzneimittel & Therapie alth 42 Keine signifikane Risikoerhöhung Atis informiert: Nach 60 An den Bedürfnissen vorbei Dr. med. Carl Stiller, Agioödem – AT1-Blocker als Alternative zu ACE- Hausarzt in Adelebsen, mit einem ganz persönlichen Hemmern? Statement zum Stand der Digitalisierung in der ambu- 44 Neue Heilmittel-Richtlinie ab Januar 2021 Was sich lanten Medizin ändert – und ein Überblick über Serviceangebote für Ärzte und Therapeuten Politik & Verbände 46 Ausfüllanleitung Formular 13 zur Heilmittelverord- 61 Aus anderen KVen nung ersetzt bisherige Formulare 13, 14 und 18 Selbstverwaltung 48 Corona-Impfungen – viele Fragen offen Rund 60 Impf- zentren für Niedersachsen – doch wer impft wen? 50 „Irgendwann blickt keiner mehr durch“ Ärzteverbände kritisieren kleinteile Verwaltungsvorgaben in der Pan- demie – ein Interview mit Dr. Matthias Berndt und Dr. Jörg Berling Praxis und Versorgung 52 Neuerscheinungen 54 Die Rechtsform macht’s – nicht immer Steuertipp: Wie ist ein Medizinisches Versorgungszentrum steu- erlich zu behandeln? Standards 55 Checken Sie sich mal selbst Informationsstrecke Hy- 3 Editorial giene und Medizinprodukte: „Mein PraxisCheck“ hilft, 6 Aktuell Stärken und Schwächen der eigenen Praxis zu erken- 32 ÄKN-Mitteilungen nen 62 KVN-Mitteilungen 76 Veranstaltungen 81 Rubrikenanzeigen 87 Impressum 12 | 2020 5
Aktuell Aufbau eines Freiwilligenregisters zur Unterstützung der Zwanzig Jahre Krebsdoku- niedersächsischen Impfzentren mentation in Niedersachsen In den kommenden Monaten wird es Bei Fragen zur Prävention, Früherken- auch vom Einsatz der Ärzteschaft ab- nung, Versorgungssicherung und Krebs- hängen, wie schnell große Teile der forschung bilden aussagefähige und ver- Bevölkerung geimpft werden können. lässliche Daten eine wichtige Basis. In Deshalb ruft die Ärztekammer Nieder- Niedersachsen leisten das im Jahr 2000 sachsen gemeinsam mit dem Nieder- gegründete Epidemiologische Krebsre- sächsischen Ministerium für Soziales, gister (EKN) und das vor zwei Jahren er- Gesundheit und Gleichstellung sowie öffnete Klinische Krebsregister (KKN) ei- der Kassenärztlichen Vereinigung Nie- nen wichtigen Beitrag zur Verbesserung dersachsen (KVN) dazu auf, die Impf- der Versorgung: „Die hier erhobenen zentren zu unterstützen (siehe auch Daten helfen, die Überlebenschancen Seite 48). „Wir sollten uns als Ärztin- von Patientinnen und Patienten zu er- nen und Ärzte der Verantwortung stel- höhen“, sagte Gesundheitsministerin Dr. len“, kündigte Ärztekammerpräsiden- rer. nat. Carola Reimann anlässlich des tin Dr. med. Martina Wenker in der EKN-Jubiläums. Das Epidemiologische letzten Kammerversammlung der 18. Krebsregister vergleicht zum Beispiel Wahlperiode für Anfang Dezember Auswertungen zu Überlebenszeiten, un- ein Schreiben an die niedersächsische Es sind mehrere Impfstoffe gegen das terstützt bei der regionalen Planung von SARS-CoV-2-Virus in der Entwicklung. Ärzteschaft an: Darin wurden die Ärz- Versorgungseinrichtungen und wirkt bei tinnen und Ärzte über den Aufbau ei- der nationalen Gesundheitsstudie NA- nes Freiwilligenregisters informiert, das fragt wird darüber hinaus ebenso die KO mit. Als anerkanntes Referenzregister künftig vom Meldewesen der Ärzte- Bereitschaft zu anderen Einsätzen – setzt die Einrichtung Maßstäbe – unter kammer geführt wird. Interessierte kön- wie zum Beispiel Gesundheitsämter anderem bei der Qualitätssicherung des nen auf den Fragebögen allerdings oder Abstrichzentren zu unterstützen. Mammographie-Screening-Programms. nicht nur ihre Bereitschaft erklären, in Die niedergelassenen Ärzte können Außerdem führt das EKN als einziges einem der geplanten 60 niedersächsi- ihre Einwilligung ebenfalls über ein Krebsregister Deutschlands seit einigen schen Impfzentren für die Impfung ge- Formular auf dem KVN-Meldeportal Jahren ein gemeindebezogenes Moni- gen SARS-CoV-2 mitzuwirken. Abge- dokumentieren. r wbg toring durch, um auffällige Krebshäu- fungen zu erkennen. Das Klinische Krebsregister beobachtet und analysiert Neugeborene werden künftig routinemäßig dagegen den gesamten Behandlungs- auf die Sichelzellkrankheit untersucht verlauf im Fall einer Krebserkrankung: also von der Früherkennung über die Si- Der Bluttest auf Sichelzellkrankheit ist Gendefekt verantwortlich. Er hat zur cherung der Diagnose und die leitlini- in Deutschland künftig fester Bestand- Folge, dass die roten Blutkörperchen engerechte Behandlung bis hin zur Tu- teil der Früherkennungsuntersuchun- (Erythrozyten) verkrümmen und ihre mornachsorge. „Wir gehen damit ganz gen bei Neugeborenen, wie der Ge- Aufgabe, den Sauerstoff zu transpor- entscheidende Schritte zur Sicherung der meinsame Bundesausschuss (G-BA) tieren, nicht mehr gut erfüllen. Außer- Qualität der Versorgung von Krebspati- jetzt entschieden hat. Damit deckt das dem verkürzt sich die Lebensdauer der entinnen und Krebspatienten. Gerade in erweiterte Neugeborenen-Screening betroffenen Erythrozyten. Pro Jahr wer- einem Flächenland wie Niedersachsen nun bereits 15 Krankheiten ab, die den in Deutschland etwa 150 Kinder muss man sich überall auf die Qualität dank der frühen Untersuchung erkannt mit der Sichelzellkrankheit geboren. der Behandlung verlassen können“, sag- und dadurch zielgerichtet therapiert In den vergangenen Jahren wurde die te die Ministerin, nachdem das KKN nach Foto: merklicht.de / stock.adobe.com werden können. Die Sichelzellkrank- Früherkennungs-Richtlinie bereits zwei Jahren des Aufbaus nun voll be- heit führt zum Beispiel unbehandelt mehrfach erweitert: So wurden das triebsfähig ist. Über das KKN wird auch bereits bei kleinen Kindern zu gravie- Neugeborenen-Screening auf Muko- Niedersachsen seinen Beitrag zur „Natio- renden Schäden an lebenswichtigen viszidose und die Reihenuntersuchung nalen Dekade gegen Krebs“ leisten, die Organen und sogar zu Todesfällen. auf Herzfehler (Pulsoxymetrie-Scree- im vergangenen Jahr ausgerufen wurde, Für die Erkrankung ist ein angeborener ning) aufgenommen. r wbg um alle Initiativen von Forschung und Versorgung zu bündeln. r red 6 niedersächsisches ärzteblatt
Aktuell Abschlagszahlungen an die Mitglieder im Zahl der Medizinischen Versorgungs- Jahr 2021 festgelegt zentren auf 3.500 gestiegen Der Vorstand der KVN hat den Terminplan 2021 für die Ab- Die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren ist im schlags- und Restzahlungen verabschiedet. Die Abschlags- vergangenen Jahr um 11,5 Prozent gestiegen. Damit gab höhe wird unverändert im ersten und dritten Monat des es Ende 2019 rund 3.500 Einrichtungen bundesweit, etwa Quartals 24 Prozent, im zweiten Monat des Quartals 37 350 mehr als im Vorjahr. Das hat die Auswertung der ak- Prozent des Durchschnitts der im vergangenen Kalenderjahr tuellen MVZ-Statistik der KBV ergeben. Die meisten Me- abgerechneten Honorargutschriften (Quartale 4/2019 bis dizinischen Versorgungszentren (MVZ) wurden bislang in 3/2020) betragen. Sofern sich aufgrund pandemiebedingter Bayern, Nordrhein, Niedersachsen und Berlin zugelassen. Honorarrückgänge in den Basisquartalen rechnerisch nied- So liegt Bayern mit 716 MVZ an der Spitze, gefolgt von rigere Abschlagsbeträge im Vergleich zu 2020 ergeben, Nordrhein mit 404. Die wenigsten MVZ sind mit 33 Ein- werden die Abschläge aus dem Vorjahr auch für das Jahr richtungen in Bremen zu finden. Durchschnittlich arbeiten 2021 übernommen. Die geltende Abrechnungsanweisung in jedem der Zentren 6,2 Ärzte. Insgesamt sind in Deutsch- sieht vor, dass die Monatsabschläge bis zum 24. eines Mo- land knapp 22.000 Ärzte in MVZ tätig. Davon sind acht nats erfolgen. Fällt der 24. auf einen Samstag, Sonntag oder Prozent Vertragsärzte und 92 Prozent angestellt. Rund 63 Feiertag, so hat die Zahlung bis zum nächstfolgenden Werk- Prozent der in MVZ angestellten Ärzte arbeiten in Teilzeit. tag zu erfolgen. Unter Berücksichtigung der voraussichtli- Hausärzte, Orthopäden und Chirurgen sowie fachärztliche chen Liquidität wurden die Zahlungstermine 2021, sofern Internisten sind bundesweit in den MVZ am häufigsten der 24. auf ein Wochenende oder einen Feiertag fällt, auf vertreten. Vertragsärzte (41 Prozent) und Krankenhäuser den Freitag vorverlegt. Die Restzahlung folgt dann bis zum (43 Prozent) gründen MVZ nahezu zu gleichen Anteilen. 15. des auf das Leistungsquartals folgenden 4. Monats. Im Die bevorzugten Rechtsformen sind die Gesellschaft mit Dezember wurde mit Rücksicht auf den Fälligkeitstermin beschränkter Haftung (GmbH) und die Gesellschaft bür- der Sozialversicherungsbeiträge eine Zahlung für den 21.12. gerlichen Rechts (GbR). Der besonders starke Zuwachs eingeplant. r ös von MVZ seit 2016 liegt unter anderem an einer veränder- ten Gesetzeslage. So wurde damals eingeführt, dass auch fachgleiche Ärzte gemeinsam ein MVZ gründen können. Bis dahin mussten mindestens zwei verschiedene Arzt- Übergangsfrist für elektronische gruppen in einem MVZ tätig sein. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung r ös Zur Entlastung der Niedergelassenen hat die KBV beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) erreicht, dass die BIX 2020: Zusätzlicher Bürokratieaufwand elektronische AU-Bescheinigung nicht wie zunächst vorge- durch Corona sehen zum 1. Januar kommen muss, sondern es eine Über- gangsfrist bis zum 30. September gibt. Das BMG hat seine Der Bürokratieaufwand in den Praxen ist im Vergleich zum Zustimmung allerdings mit der Auflage verbunden, dass die Vorjahr um 1,3 Prozent gestiegen. Vor allem hat die Coro- KBV die Details mit dem Spitzenverband der Krankenkassen na-Pandemie die niedergelassenen Ärzte und Psychothera- aushandeln müsse. „Auf dem Weg sind wir jetzt“, sagte peuten zusätzlich belastet. Das ergab der zum fünften Mal Kriedel. „Aber wir sind noch nicht endgültig durch mit der von der KBV veröffentlichte Bürokratieindex 2020. Insge- Vereinbarung.“ samt 55,8 Millionen Netto-Arbeitsstunden verursachten r dh verschiedene Informationspflichten im Berichtsjahr – das sind circa 715.000 Stunden mehr als im Vorjahr. Pro Praxis mussten im Schnitt 61 Tage im Jahr für Bürokratie aufge- wendet werden. Vor allem schlug hierbei die Arbeitsunfä- Neuer Kopfschmerzbeauftragter für higkeitsbescheinigung (AU) mit circa 561.000 Nettostunden Niedersachsen mehr als im Vorjahr zu Buche. Ein Mehrwert der Digitali- sierung ist noch nicht zu spüren: Die Pflichten, die für Ver- Dr. Borries Kukowski, Göttingen, ist neuer Regionalbeauf- tragsärzte aktuell mit der Einführung der Telematikinfra- tragter Kopf- und Gesichtsschmerz für Niedersachsen der struktur einhergehen, bedeuteten eher einen Mehraufwand Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. für die Praxen, während den Nutzen andere Akteure wie a Kontakt unter https://www.drkukowski.de/ . die Krankenkassen haben. r dh 12 | 2020 7
Politik „Ein Berg von Aufgaben liegt hinter uns“ „Bericht zur Lage“ von Präsidentin Dr. med. Martina Wenker in der 19. Kammerversamm- lungssitzung der 18. Wahlperiode: Auf der Tagesordnung standen verschiedene Satzungsänderungen und die Gründung einer neuen Schlichtungsstelle 2021 Der Neubau des Ärztehauses, die Digitalisierung der Ärz- tekammer oder die Entwicklung und Umsetzung der neu- en Weiterbildungsordnung auf Bundes- und Landesebene: In ihren Wortbeiträgen erinnerten eine Reihe von Kam- merversammlungsmitgliedern und der in Ausschüssen wie Gremien Tätigen an das in der vergangenen 18. Wahl- periode Erreichte. Auch Dr. med. Martina Wenker, Präsi- dentin der Ärztekammer Niedersachsen, zog am 28. No- vember in der 19. Sitzung der Kammerversammlung in dieser Wahlperiode in ihrem „Bericht zur Lage“ kurz Bi- lanz: „Wir haben in den vergangenen fünf Jahren einen riesigen Berg an Aufgaben bewältigt“, sagte Wenker, um sich dann den aktuellen Herausforderungen für die Ärz- teschaft zu widmen. In Dauerstress habe die Corona-Pandemie dieses Jahr Ärztinnen und Ärzte versetzt, würdigte die Präsidentin im Rahmen der Präsenzveranstaltung in Hannover, in der strenge Hygieneregeln befolgt wurden, den Einsatz der niedersächsischen Kolleginnen und Kollegen in den ver- gangenen Monaten. Doch nachdem im Frühjahr dank ei- nem gemeinsamen Vorstoß von Ärztekammer und Kas- senärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) die ge- setzliche Verankerung einer sogenannten Zwangsver- pflichtung von Ärztinnen und Ärzten für künftige Pande- mien habe verhindert werden können, sei nun die Unter- stützung der Impfzentren erforderlich: „Wir sollten uns Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersach- als Ärztinnen und Ärzte der Verantwortung stellen!“ Mit sen, gab einen kurzen Bericht zur Lage. diesen Worten kündigte Wenker für Anfang Dezember ein gemeinsames Schreiben des Niedersächsischen Mi- nisteriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer „Wir haben in den an alle Ärztinnen und Ärzte an. An der Mithilfe interes- sierte Kolleginnen und Kollegen könnten sich dann in ein vergangenen fünf Freiwilligenregister des ÄKN-Meldewesens aufnehmen lassen. Für die personelle Unterstützung der Impfzentren Jahren einen riesi- durch die niedersächsische Ärzteschaft sprach sich auch Kammerversammlungsmitglied Hans Martin Wollenberg gen Berg an Auf- Foto: I. Wünnenberg aus, der auch Vorsitzender des Landesverbands Nieder- sachsen des Marburger Bunds ist: „Denken wir aneinan- gaben bewältigt.“ der! – Handeln wir miteinander“, heißt es in dem von der Kammerversammlung einstimmig befürworteten Appell, Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen in dem Wollenberg fordert: 8 niedersächsisches ärzteblatt
Politik „Vermeiden wir eigene Infektion und Erkrankung weiter Schlichtungsstelle sei notwendig geworden, weil die jetzige durch konsequentes Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, „Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen durch Abstandhalten und durch Einhalten der Hygienere- Ärztekammern“ – wie in der vorigen Kammerversammlung geln. Unterstützen wir alle gemeinsam die Impfaktion in am 26. September 2020 beschlossen –, zum Ende kommenden den Impfzentren und lassen uns impfen. Stehen wir als Jahres ihren Betrieb einstellen werde, berichtete Svenja Nol- Impfärzte zur Verfügung und unterstützen wir diejenigen, ting, stellvertretende Justiziarin der Ärztekammer Niedersach- die sich als Impfärzte zur Verfügung stellen. Dann werden sen. „Wir planen parallel dazu, ab 1. April 2021 eine neue wir die Pandemie auch bewältigen.“ Schlichtungsstelle in der Ärztekammer aufzubauen“, kündigte Nolting an. Nach intensiver Diskussion wurde die Satzung mit einer großen Mehrheit und wenigen Gegenstimmen sowie ei- nigen Enthaltungen angenommen. Reisekosten- und Entschädigungsordnung nicht neu gefasst Eine überarbeitete Version der im Jahr 2017 letztmalig neu ge- fassten Reisekosten-und Entschädigungsordnung stellte Dr. med. Wolfgang Lensing vor. Er hatte als ÄKN-Vorstandsmit- glied an einer Arbeitsgruppe teilgenommen, in der auch die Ärzteversorgung und ein ehemaliger Partner der Wirtschafts- prüfungsgesellschaft PwC – PricewaterhouseCoopers vertreten Dr. med. Gisbert Voigt stellte Änderungen zur Weiterbildungsordnung vor. waren. Zehn Eckpunkte des dort in einem Zeitraum von zwölf Ergänzungen zur Weiterbildungsordnung Auf der Tagesordnung der Kammerversammlung standen au- ßerdem erste Änderungen der am 1. Juli 2020 in Kraft getretenen Weiterbildungsordnung: Dr. med. Gisbert Voigt, Mitglied im ÄKN-Vorstand und in der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer, berichtete über den Fortschritt des e-Logbuchs und die wachsende Zahl der fertig gestellten „fachlich empfohlenen Weiterbildungspläne“ (FEWP). Bei den aktuellen Änderungsanträgen ging es zum ei- nen um redaktionelle Änderungen im Gebiet Dermatologie sowie zum anderen um die Aufnahme der „Systemischen The- rapie“ im Gebiet Psychosomatische Medizin und Psychothe- rapie. Eine redaktionelle Vereinheitlichung der Vorgaben er- Dr. med. Wolfgang Lensing präsentierte eine überarbeitete Version folgte darüber hinaus bei der „Selbsterfahrung“ in den Gebieten der Reisekosten- und Entschädigungsordnung. der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie, der Kin- der- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie der Zu- Monaten erarbeiteten Änderungsentwurfs waren bereits von satz-Weiterbildung Psychotherapie. Eine kontroverse Debatte der Kammerversammlung am 26. September 2020 verabschie- unter den Kammerversammlungsmitgliedern löste schließlich det worden. Die vom Ausschuss für Finanz- und Beitragsange- die vorgeschlagene Einführung der Zusatz-Weiterbildung „Kli- legenheiten erarbeitete Endfassung war jedoch nach Auffas- nische Akut- und Notfallmedizin“ aus. Am Ende wurden alle sung der Delegierten Dr. med. Elke Buckisch-Urbanke nicht vorgeschlagenen Änderungen mit einer großen Mehrheit, we- entscheidungsreif. Ihrem Antrag auf „Nichtbefassung“ stimmte nigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen. die Mehrheit der Kammerversammlung zu – das heißt in dieser Wahlperiode wird es keine Entscheidung dazu geben. Neue Satzung für eine neue ÄKN-Schlichtungsstelle Zunächst vertagt wurde qua Delegierten-Votum außerdem die vom ÄKN-Vorstand angeregte Bildung eines neuen um- Zur Verabschiedung vorgelegt wurde dem Plenum außerdem fassenden Ausschusses für „Ärztliche Versorgung“ durch Zu- die „Satzung der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen sammenlegung des „Ausschusses für Krankenhausangelegen- der Ärztekammer Niedersachsen“. Die Einrichtung der neuen heiten“ und des „Ausschusses für Sektorenübergreifende Ver- 12 | 2020 9
Politik sorgung“: Der Vorstand hatte die Bildung dieses neuen Aus- das sich für die Themen Datenschutz und Datensicherheit im schusses angeregt, um den Delegierten der kommenden Wahl- Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens einsetzt: Die periode der Kammerversammlung Gelegenheit zu geben, sich Kammerversammlungsmitglieder entschieden, die Problematik zu zukünftigen versorgungspolitischen Fragestellungen zu po- zur weiteren Bearbeitung an die Bundesärztekammer zu über- sitionieren – wie zum Beispiel zur wohnortnahen ambulanten weisen. Die sich nachfolgend entwickelnde Diskussion offen- haus- und fachärztlichen sowie stationären Versorgung, zur barte einmal mehr, wie stark das Interesse einiger Mitglieder Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdiensts, zur Notfallver- etwa am Erstellen von E-Mail-Verteilern für Neuigkeiten aus sorgung und Digitalisierung oder auch zur Arzneimittelversor- den Ärztevereinen oder den Bezirksstellen ist. Sie wurden da- gung und Geburtshilfe. rüber informiert, dass das demnächst zur Verfügung stehende modifizierte Mitgliederportal die Möglichkeit eröffnen soll, Eingehend diskutiert wurde neben weiteren Anträgen das Po- sich zum Beispiel für Newsletter oder Nachrichten aus Ärzte- sitionspapier der Fraktion „Kammer gemeinsam gestalten“, kammer und Bezirksstellen einzutragen. n Inge Wünnenberg Positive Ertragsentwicklung Die Kammerversammlung der 18. Wahlperiode beschließt in ihrer letzten Sitzung den Jahresabschluss 2019 und den Haushaltsplan 2021 Der Haushaltsplan für das kommende Jahr und der Ab- schluss für das vorhergehende Jahr stellen traditionell einen Schwerpunkt der Kammerversammlung im November dar. Präsentiert wurde, dass für 2019 im Vergleich zum Pla- nungsansatz eine positivere Mitglieder- und Kammerbei- tragsentwicklung zu verzeichnen war. Insgesamt weist der Jahresabschluss 2019 eine Bilanzsumme von 76,94 Millio- nen Euro im Vergleich zu 44,54 Millionen Euro in 2018 auf. Dieser Ansatz enthält die bilanziellen Auswirkungen des aufgenommenen Baukredits. In der Abstimmung wurde der Jahresabschluss von den Kammerversammlungsmitgliedern ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen angenommen. Auf Antrag von Dr. med. Helmut Anderten, dem Vorsitzen- den des Ausschusses für Finanz- und Beitragsangelegenhei- ten, wurde außerdem der Entlastung des Vorstands zuge- Dr. med. Helmut Anderten, Vorsitzender des Ausschusses für Finanz- und Beitragsangelegenheiten in der 18. Wahlperiode stimmt; nur zwei Delegierte und die Vorstandsmitglieder als Betroffene enthielten sich. schuss ein hohes Maß an Konzilianz, Diskussionsbereit- Anschließend referierte Anderten über die notwendigen schaft, Sachkenntnis und Gerechtigkeitssinn abgefordert. Veränderungen der Rücklagen für 2021 und präsentierte „Aber letztlich haben wir immer einen Konsens gefunden, den Haushaltsplan: Das geplante Volumen sieht Aufwen- den wir dann gemeinsam getragen und in der Kammerver- dungen in Höhe von 29,8 Millionen Euro vor, denen ent- sammlung kollegial vertreten haben. Dabei sind wir fast je- sprechende Einnahmen gegenüberstehen. Nachdem die des Mal mit einstimmigen Beschlüssen belohnt worden“, Kammerversammlungsmitglieder den Haushaltsplan ange- dankte Anderten den Ausschussmitgliedern Dr. med. Tilman nommen hatten, blickte Anderten in der letzten Sitzung der Kaethner, Detlef Schmitz und Christoph Wolf sowie dem 18. Wahlperiode auf seine Zeit als Ausschussvorsitzender stellvertretenden Vorsitzenden Dr. med. Dr. med. vet. Ger- zurück: Neben den finanzüblichen Aufgaben hätten den hard Ey für die Zusammenarbeit. Auch dem für den Aus- Ausschuss in den absolvierten 28 Sitzungen viele neue The- schuss für Finanz- und Beitragsangelegenheiten zuständigen Foto: I. Wünnenberg men von der Finanzierung des Ärztekammer-Neubaus über Vorstandsmitglied Dr. med. Franz Bernhard M. Ensink, die Bearbeitung neuer Tatbestände in der Gebührenordnung MBA dankte Anderten „für die detailreichen Berichte zum bis hin zur Gestaltung der Reisekosten- und Entschädi- Baufortschritt sowie für das Mitwirken bei der Arbeitsgruppe gungsordnung beschäftigt: Alle Themen hätten dem Aus- Baufinanzierung“. n Inge Wünnenberg 10 niedersächsisches ärzteblatt
Politik 96,39 % Ärztekammerbeiträge 28.709 T€ 0,34 % Bußen/Ordnungsgelder 100 T€ 0,95 % Erträge aus Gebühren 282 T€ Ertrag (29.783.000 €) 0,03 % Mieterträge 0,00 % Kapitalerträge 10 T€ 0,5 T€ 0,00 % Sonstige Erträge 0 T€ 2,29 % Entnahmen aus Rücklagen 681,5 T€ 0,00 % Entnahmen aus Rücklagen 0 T€ (zweckgebunden) 0,00 % Auflösung von Rückstellungen 0 T€ 25,94 % Personalaufwand 7.727 T€ 2,87 % Aufwand für Organe 856 T€ 18,99 % Sächlicher Aufwand 5.657 T€ 4,52 % Kommunikation 1.347 T€ 0,40 % Arbeitskreise 119 T€ 12,96 % Bezirksstellen 3.861 T€ 5,97 % Bundesärztkammer 1.779 T€ Aufwand (29.783.000 €) 0,03 % Fürsorgeleistungen 8 T€ 0,10 % Berufsgericht/Gerichtshof 30 T€ 5,27 % Schlichtungsstelle 1.570 T€ 6,73 % Fort- und Weiterbildung 2.004 T€ 0,00 % Ärztliche Stelle 0 T€ 1,49 % ZQ 443 T€ Graf.: H. Steffen; T. Schmitz-Reinthal 0,00 % Organisationsentwicklung 0 T€ 14,71 % Zuweisung an Rücklagen 4.382 T€ 0,00 % Zuführung zu den Rückstellungen 0 T€ 12 | 2020 11
Politik Ausbau des Rohbaus Bericht in der Kammerversammlung über den Baufortschritt des neuen Ärztehauses mit vielen Bildern und Informationen von der Baustelle Der Neubau des Ärztehauses an der Berliner Allee hat bereits gemäß: Die öffentliche Treppe vom Foyer in das zweite eine sichtbare Höhe erreicht: Inzwischen ist schon das vierte Obergeschoss und das Fortbildungszentrum im Erdgeschoss Obergeschoss im Rohbau fertiggestellt. Ass. jur. Ralf Noord- sind im Rohbau fertig. Bereits im Frühsommer 2020 sind die mann, LL.M, Ärztekammer-Geschäftsführer für Interne Diens- beiden Untergeschosse soweit fertiggestellt worden, dass Fotos: H. Krückeberg; M. Böcken; I. Wünnenberg te und Bezirksstellen, brachte die Mitglieder der Kammerver- dort bereits der technische Innenausbau begonnen hat. sammlung deshalb in der Sitzung am 28. November mit vielen Bildern und Informationen von der Baustelle auf den Aktuell steht nun – gemeinsam mit dem Generalunterneh- aktuellen Stand beim Fortschritt des Baus. mer – die Fertigstellung der Ausführungsplanung auf der Basis der Funktionalen Leistungsbeschreibung und der Ent- In der Tiefbauphase hatte der aufwendige Rückbau des Me- wurfsplanung an: Hierfür hatte die Kammerversammlung be- dienkanals zwischen den Gebäuden von Ärztekammer und reits in ihrer Sitzung am 25. September 2019 eine Kostensi- Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen zu Herausfor- cherheit in Form eines Risikovorbehalts von 4 Millionen Euro derungen geführt. Die Hochbauphase läuft derzeit planungs- beschlossen. Diese Gelder werden auch deshalb gebraucht, 12 niedersächsisches ärzteblatt
Der Neubau des Ärztehauses an der Berliner Allee hat bereits eine erkennbare Höhe erreicht: Inzwischen ist schon das vierte Obergeschoss im Rohbau errichtet (l.). Fertiggestellt ist unter anderem die Treppe aus dem Foyer in den zweiten Stock (o.). In den Untergeschossen wurde bereits mit den technischen Ausbau begonnen (u.). da sich aufgrund der COVID-19-Pandemie Lieferschwierig- keiten ankündigen, die den Baufortschritt verzögern könnten. Endverhandelt wurde inzwischen das Paket „Fassade und Dach“. Für die weiteren Pakete „Mechanische Haustechnik“, „Elektroinstallationen“ und „Innenausstattung“ könnten noch „Kostenauswirkungen“ entstehen. Für die Unterstützung bei dem Mammut-Projekt dankte in der sich an den Vortrag anschließenden Aussprache Ärzte- kammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker vor allem Dr. med. Franz Bernhard M. Ensink, MBA, der den Bau als Vor- standsmitglied von Anfang an betreut hat. Es gebe bei den Ausführungsplanungen viele Punkte, die man sich im Detail ansehen müsse, schilderte Ensink den Kammerversamm- lungsmitgliedern sein Engagement. Daher sei bislang nicht Auch Dr. med. Franz Bernhard M. Ensink, MBA, der den Bau als Vor- bekannt, in welcher Größenordnung die noch ausstehenden standsmitglied von Anfang an betreut hat, beantwortete während Kosten rangieren würden, so Ensink. n Inge Wünnenberg der Aussprache zum Tagesordnungspunkt Neubau Fragen. 12 | 2020 13
COVID-19 Die zweite Welle in der Praxis Schutzausrüstung, Zertifizierungen von medizinischen Masken und Studien zu deren Wirk- samkeit : Lesen Sie jetzt Fragen und Antworten zu aktuellen Themen der zweiten COVID- 19-Infektionswelle. Die zweite COVID-19-Infektionswelle verlangt von Ärztinnen Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN). Auf und Ärzten sowie medizinischem Personal erneut viel Flexi- der Webseite der KVN (www.kvn.de) finden Sie weiter- bilität, Geduld und Durchhaltvermögen. Die derzeitige In- gehende Informationen und ein Portal, über das Sie per- fektionslage wirft zudem im Alltag von Ärztinnen und Ärzten sönliche Schutzausrüstung bestellen können. immer neue Fragen auf. Einige dieser Fragen hat die Redaktion des niedersächsischen ärzteblatts für Sie gesammelt und be- In Kürze starten die Impfungen gegen SARS-CoV-2: Was antwortet. Im Folgenden finden Sie kurze Informationen und kann Patientinnen und Patienten über die Wirksamkeit der Hinweise zur Beschaffung von Schutzausrüstung oder zu neuen Impfstoffe gesagt werden? wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Tragen von Masken. Woher kann ich als privatärztlich tätige Ärztin oder Arzt Wenn es heißt, ein Impfstoff gegen COVID-19 ist zu 90 oder Schutzkleidung erhalten? gar 95 Prozent wirksam, bezieht sich diese Angabe nicht auf die Gruppe der Geimpften, sondern auf die der Infizierten. Um die Ausstattung mit Schutzausrüstung von privaten Darüber informiert Professor Dr. phil. Gerd Gigerenzer in der Praxen kümmert sich die jeweilige Katastrophenschutz- vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung heraus- behörde des Landkreises, dem die Praxis oder der Ge- gegebenen Unstatistik (www.rwi-essen.de/unstatistik/109/) schäftssitz des Arztes oder der Ärztin zugeordnet ist. Die des Monats. Laut Gigerenzer wird die Wirksamkeit folgen- Ärztekammer Niedersachsen empfiehlt, Anfragen direkt dermaßen ermittelt: Von den rund 43.000 Menschen in der an den jeweiligen Kreis beziehungsweise die jeweilige BioNTech-Studie sei etwa die Hälfte geimpft worden und die kreisfreie Stadt oder Landesregierung zu richten. andere Hälfte habe ein Placebo erhalten. Am Ende habe es insgesamt 94 bestätigte COVID-19 Fälle gegeben. Die Wirk- Und wie versorgen sich niedergelassene Ärztinnen und samkeit des Impfstoffs werde dann berechnet, indem man Ärzte mit einem Kassensitz? den Anteil der COVID-19-Fälle in der Impfgruppe durch den Anteil der Fälle in der Kontrollgruppe dividiere. Dieser Wert Die Vergabe von Schutzausrüstungen für Praxen mit werde dann in Prozente umgerechnet: Daraus folge, dass es Kassensitz in Niedersachsen koordiniert weiterhin die in der Impfgruppe 8 Fälle und in der Placebogruppe etwa 86 14 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 Fälle gegeben habe. Die Wirksamkeit beziehe sich also auf sowie gemeinschaftlichen Risiken und dem gegebenen Nutzen die Reduktion von Infektionen und nicht auf die Reduktion des Tragens von Masken zu dem Fazit, dass es Kindern grund- von schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen. sätzlich zugemutet werden könne, Masken im Rahmen des Infektionsschutzes zu tragen. Zu möglichen unerwünschten Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse kann ich als Ärztin negativen Beeinflussungen von Kindern und ihrer Gesundheit oder Arzt zitieren, wenn ich Fragen zur Schutzwirkung von durch das Tragen von Masken fehle demnach eine ausrei- Masken im Alltag erhalte? chende Datenlage. Die DGPI weist allerdings auch auf soziale und psychologische Faktoren hin, die im Einzelfall zu beden- Im Folgenden wird der Begriff Masken synonym sowohl für ken seien. Insgesamt teilt die Fachgesellschaft gesundheitliche chirurgische Masken als auch Alltagsmasken wie den Mund- Bedenken nicht und hält die Befürchtung, dass bei Kindern Nasen-Schutz aus Stoff verwendet. Es gibt derzeit (Stand: seelische Probleme durch das Tragen von Masken entstehen, 23. November) einige wissenschaftliche Studien und Artikel, für unbegründet – sofern sie dabei von Erwachsenen und die sich mit der Frage beschäftigen, ob Infektionsschutz- Eltern begleitet und auch aufgeklärt werden. Es sei wichtig, maßnahmen wie etwa das Tragen einer Maske im Alltag Sinn und Ziel sowie Funktionsweise und Handhabung von und öffentlichen Raum Schutz vor einer Infektion mit SARS- Masken im Alltag kindgerecht zu erklären und zu vermitteln. CoV-2 und COVID-19 bieten. Im Medizinbereich konnten Die DGPI empfiehlt größenadaptierte chirurgische Masken für das Tragen von Masken vielfach positive Effekte nach- oder selbst genähte Mund-Nasen-Bedeckungen für Kinder ab gewiesen werden. Darüber hinaus gibt es einige wissen- sechs Jahren. Säuglingen sollten keine Masken angezogen schaftliche Publikationen, die das Tragen von Masken als werden. Bei chronisch kranken Kindern oder Kindern mit Be- Maßnahme des Infektionsschutzes auch jetzt unterstützen hinderungen empfiehlt die Fachgesellschaft – in Absprache und empfehlen: Prather, Wang und Schooley (2020) sowie mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt – Peepels (2020) bewerten das Tragen von Masken in der der- individuelle Lösungen zu erarbeiten. Lesen Sie die vollständige zeitigen Pandemie als eine wichtige Maßnahme, die die Empfehlung unter: haeverlag.de/n/1f (zuletzt besucht: 24. No- Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2, der die Infektions- vember). Weitere Informationen und Hinweise zu diesem krankheit COVID-19 auslöst, vermindern oder verhindern Thema finden Sie auch in der Publikation der Weltgesund- kann. (Peepels, 2020: Face masks. What the data say, heitsorganisation (WHO): haeverlag.de/n/1g. Nature 2020., http://www.haeverlag.de/n/1d). Auch eine Meta-Studie von „The Lancet“ um Chu, Akl, Du- Wo finde ich tagesaktuelle Informationen rund um SARS- da et. al. (2020), die 172 Beobachtungsstudien (unter ande- CoV-2 und COVID-19? rem 44 Kohorten-Studien, ohne experimentelle Settings) aus 16 Ländern zusammenfasst (n= 25697), untersucht die Tägliche Lageberichte zur COVID-19-Situation in Deutsch- Wirksamkeit von Alltagsmasken, im Kontext von anderen land bietet das Robert Koch-Institut (RKI): haeverlag.de/n/1i Maßnahmen wie Abstand halten und einem Schutz der Au- Zahlen zur weltweiten Infektionslage finden Sie zudem gen im Alltag. Dabei kommen die Autoren zu einer eher po- auch auf dem Daten-Dashboard der Johns Hopkins Univer- sitiven Einschätzung eines Mund-Nasen-Schutzes im Rah- sity: haeverlag.de/n/1k men des Infektionsschutzes und unterstreichen seinen Stel- lenwert vor allem dort, wo nicht strikt Abstand gehalten Welche Quellen kann ich Patientinnen und Patienten emp- werden kann. Darüber hinaus weist die Studie dem Tragen fehlen – etwa, um sich über geltende Verordnungen, Emp- von Brillen eine zusätzliche Schutzfunktion vor einer SARS- fehlungen oder Hygieneregeln zu informieren? CoV-2-Infektion zu. Chan (2020) unterstreicht zudem die Barriere-Funktion von Masken, die die Verbreitung oder die Es gibt für den Bereich Gesundheit und Infektionsschutz ei- Aufnahme virushaltiger Tröpfchen verhindern kann. nige Stellen, die aktuelle, faktenbasierte und gut verständli- (Chan et al., 2020: Narrative review of non-pharmaceuti- che Informationen rund um COVID-19 bereitstellen. Infor- calbehavioural measures for the prevention ofCOVID-19 mationen zu Hygienemaßnahmen wie der AHA-Formel (SARS-CoV-2) based on theHealth-EDRM framework: oder zur Corona-Warn-App finden Bürgerinnen und Bürger https://doi.org/10.1093/bmb/ldaa030.) unter infektionsschutz.de und zusammengegencorona.de. Bei Fragen zur aktuellen Verordnung des Landes Nieder- Grafik: Joshua / stock.adobe.com Welche Empfehlungen gibt es zur Verwendung von Masken sachsen können Sie auf die Webseite der Niedersächsischen bei Kindern? Landesregierung verweisen: haeverlag.de/n/1h. Eine aktuelle Empfehlung (Stand: 12. November) der Deut- Eine Antwort auf Ihre Frage ist nicht berücksichtigt? Dann schen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) kommt schreiben Sie uns an kommunikation@aekn.de. nach gründlicher Diskussion und Abwägung von individuellen n Esther Schmotz 12 | 2020 15
COVID-19 „COVID-19 wird uns künftig weiterhin als normale Infektionskrankheit begleiten“ Der 20. Oldenburger Ärztetag widmete sich mit verschiedenen Vorträgen und einer Podi- umsdiskussion dem Thema „SARS-CoV-2-Infektion“. Der Livemitschnitt der Fortbildungs- veranstaltung kann jederzeit auf dem ÄKN-YouTube-Kanal angesehen werden. Über die ambulante und stationäre Versorgung während der Pandemie diskutierten auf dem Oldenburger Ärztetag (v.l.n.r.): Der niedersächsi- sche Landtagsabgeordnete Volker Meyer, Dr. med. Matthias Pulz (Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamts), Ärztekammerprä- sidentin Dr. med. Martina Wenker, der niedergelassene Allgemeinmediziner Christoph Paschen und ÄKN-Kommunikationschef Thomas Spieker als Moderator. In diesem Jahr gibt es kein Thema, das alle im Gesundheitswe- Dr. med. Claus-Henning Köhne als Vorsitzender und Pro- sen Tätigen ähnlich in Anspruch nimmt wie das SARS-CoV-2- fessor Dr. med. habil. Djordje Lazovic, der neue Vorsitzende Virus und die dadurch ausgelöste COVID-19-Erkrankung. Der der Oldenburger Bezirksstelle, angehören, das Thema diesjährige Oldenburger Ärztetag, den die Ärztekammer-Be- „SARS-CoV-2-Infektion“ in den Mittelpunkt der Veranstal- zirksstelle Oldenburg am 14. November zum 20. Mal ausrich- tung. Angesichts der Tatsache, dass Seuchen und Epidemien tete, trug der Pandemie gleich in zweifacher Weise Rechnung: seit jeher die Medizin- und Menschheitsgeschichte beglei- Zum einen entschied sich die Bezirksstelle – um unnötige An- ten, erinnerte Köhne in seiner Begrüßung an die Reportage steckungen zu vermeiden –, die Fortbildungsveranstaltung Heinrich Heines, der 1832 über den Ausbruch der Cholera nicht wie in all den Jahren zuvor als Präsenzveranstaltung in in Paris berichtet hat: „Dieser Text hat eine gewisse Aktua- der Wandelhalle in Bad Zwischenahn durchzuführen. Die Ta- lität“, verwies der Direktor der Klinik für Onkologie und gung wurde vielmehr erstmals live aus den Räumen in Olden- Hämatologie am Klinikum Oldenburg auf Parallelen: „Auch burg übertragen und kann auch noch im Nachgang als Mit- wir müssen uns rüsten, um die Herausforderungen dieser schnitt jederzeit auf dem ÄKN-YouTube-Kanal unter Pandemie zu bewältigen“, leitete Köhne zum ersten Referat Fotos: I. Wünnenberg http://www.haeverlag.de/n/074 angesehen werden. des Vortragsteils über, in dem sich Professor Dr. med. Axel Hamprecht mit der Frage befasste: „Gibt es eine Lösung Zum anderen stellte der Fortbildungsausschuss der Bezirks- durch Impfstoffe, die uns ermöglicht, künftig wieder ein stelle Oldenburg, dem neben weiteren Mitgliedern Professor normales Leben zu führen?“ 16 niedersächsisches ärzteblatt
COVID-19 Impfstoffe zum Schutz vor COVID-19 Wie es möglich war, im Fall von SARS-CoV-2 so schnell Impfstoffe in großer Zahl zu entwickeln, während dieser Prozess bisher in der Regel bis zu 15 Jahre oder länger dau- erte, erläuterte Hamprecht, Facharzt für Mikrobiologie, Vi- rologie und Infektionsepidemiologie am Klinikum Olden- burg, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fortbil- dung. Dabei verwies der Arzt, der für seinen Vortrag im Rahmen des Oldenburger Ärztetags aus dem Krankenhaus zugeschaltet wurde, auf einen entscheidenden Unterschied: „Es gab diesmal einen großen Vorteil, weil die genetische Sequenz des Virus schon im Januar bekannt war und zudem bereits Daten von anderen Corona-Viren vorhanden waren.“ Dadurch habe die Forschung bereits im März mit der Impf- stoffentwicklung beginnen können. Außerdem sei das Ver- Professor Dr. med. Claus-Henning Köhne moderierte den Vortragsteil des 20. Oldenburger Ärztetags. fahren erheblich beschleunigt worden, indem die klinischen Studien von Phase I bis Phase III nicht nacheinander, sondern quasi parallel durchgeführt würden. Am 12. No- Vakzin ChAdOx1, das von der Universität Oxford und dem vember waren Hamprecht zufolge 259 Impfstoffe in der Pharmahersteller AstraZeneca entwickelt werde. Zur Ver- Entwicklung – davon elf in Phase III-Studien. fügbarkeit der Impfstoffe prognostizierte Hamprecht, dass er davon ausgehe, es werde spätestens in der zweiten Jah- Unterschiedliche Arten von Impfstoffen reshälfte ausreichend Impfstoff geben, um die Bevölkerung auf einem größeren Level zu impfen. Anschließend stellte der Arzt ausführlich und detailliert die unterschiedlichen Arten von Impfstoffen vor, die derzeit ge- Umgang mit der Pandemie im gen COVID-19 entwickelt werden. Hamprecht gab einen Nachbarland – den Niederlanden Überblick über die Bandbreite der Ansätze von inaktivierten oder abgeschwächten Lebend- und Totimpfstoffen über re- Der „Umgang mit der Pandemie im Nachbarland“ – den kombinante Impfstoffe sowie Vakzine mit virusähnlichen Niederlanden – stand im Mittelpunkt des Vortrags von Pro- Partikeln und Vektorimpfstoffe ähnlich dem bereits zuge- fessor Dr. med. Alexander Friedrich. Die Ausbreitung von lassenen Ebola-Impfstoff bis hin zu den RNA- und DNA- COVID-19 habe auch in der niederländischen Gesellschaft Vakzinen. Das relativ neue Konzept der RNA- und DNA- zu dramatischen Auseinandersetzungen geführt, berichtete Impfstoffe zielt darauf ab, dass die Geimpften selbst Antigene der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektions- produzieren. „Der Vorteil besteht in der schnellen Entwick- epidemiologie sowie Inhaber des Lehrstuhls für medizini- lung und dem gut kontrollierbaren Produktionsprozess in sche Mikrobiologie und Infektionsprävention an der Uni- vitro“, sagte der Experte über die RNA-Impfstoffe: „Wir ha- versität Groningen: „Eine neue Infektionskrankheit, für die ben aber bisher noch kein nach diesem Konzept zugelasse- zunächst jeder Mensch suszeptibel ist, führt ungebremst in- nes Vakzin“, räumte Hamprecht ein. Deshalb habe man nerhalb von sechs bis 16 Wochen zu einem Peak – und der bisher kaum Erkenntnisse über Langzeitschutz und langfris- ist dann nicht zu handeln“, erläuterte Friedrich. Das Ergebnis tige Nebenwirkungen. Eine Hürde für die Verteilung sei zu- wäre der Kollaps des Versorgungssystems. Um dieses Sze- dem die Stabilität der Impfstoffe, denn sie müssten zum Teil nario zu verhindern, habe man auch in den Niederlanden bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden. „In dieser Ka- versucht, Zeit zu gewinnen, bis die bei respiratorischen Er- tegorie haben wir die Impfstoffe von Moderna, BioNTech/ krankungen zu erwartende saisonale Verbesserung im Som- Pfizer und Curevac, die derzeit am weitesten in der Ent- mer einsetze oder am Ende wirksamere Therapien bezie- wicklung sind“, nannte Hamprecht die Vakzine, die seit hungsweise Impfungen zur Verfügung stünden. Mitte November Schlagzeilen machen. Infektionsherde für COVID-19 Für die rekombinanten Vektorvakzine schließlich nehme man infektionsfähige Trägerviren etwa aus dem Tierreich Zunächst aber schilderte Friedrich der Zuhörerschaft, wie sich wie zum Beispiel Schimpansenadenoviren, in die man das der COVID-19-Ausbruch während der ersten Welle in den Genmaterial einbaue. Auf diesem Wirkstoffprinzip basiere Niederlanden entwickelte: „Im Norden des Landes hatten wir sowohl der russische Sputnik V-Impfstoff als auch das früher Ferien als im Süden und wir haben auch keinen Karne- 12 | 2020 17
COVID-19 Professor Dr. med. Axel Hamprecht befasste sich mit der Frage: Der Umgang mit der Pandemie im Nachbarland – den Niederlan- „Gibt es eine Lösung durch Impfstoffe, die uns ermöglicht, künftig den – stand im Mittelpunkt des Vortrags von Professor Dr. med. Ale- wieder ein normales Leben zu führen?“ xander Friedrich von der Universität Groningen. val“, analysierte der Arzt. Dies sei ein Grund für die niedrigeren Lockdowns auch in den Niederlanden das Infektionsge- Infektionszahlen in den nördlichen Landesteilen. Außerdem schehen reduzieren konnten. Als problematisch für das In- habe der Norden mehr Zeit gehabt, sich vorzubereiten – und fektionsgeschehen beschrieb er allerdings Studentenverei- die Containment-Strategie mit Tests für das Gesundheitsper- nigungen, Großfamilien, Migrantenzentren, die im Gesund- sonal sei im Norden zu keinem Zeitpunkt aufgegeben worden. heitswesen und in Pflegeheimen Tätigen sowie die dort Insgesamt sei der Ausbruch in den Niederlanden mit 436.544 ständig anwesenden und hochgefährdeten Patienten und dokumentierten Fällen und 8358 an der Krankheit Verstorbe- Bewohner: „Wir wissen mittlerweile, dass die mittlere Über- nen (Stand: 14. November 2020) dramatisch verlaufen. Dabei tragungsrate in Gesundheitseinrichtungen sowie bei Ge- seien vor allem im Süden und Westen des Landes zwei Drittel sundheitsmitarbeitern bei zwischen sechs und zehn Perso- der Verstorbenen Pflegeheimen und Versorgungseinrichtungen nen liegt.“ zuzuschreiben, bedauerte Friedrich. Plädoyer für den Einsatz von Antigen-Tests „Hit hard and early“ Dabei sei eines der am meisten unterschätzten „,Hit hard and early‘, scheint hingegen „Wir werden in den Risiken in den Niederlanden seiner Meinung zum Erfolg zu führen“, formulierte der kommenden Jahren nach die a-, prä- oder oligosymptomatische Arzt aus epidemiologischer Sicht eine eine Testgesellschaft Übertragung: Erst im Mai dieses Jahres sei die der Lehren, die er aus dem bisherigen werden.“ Relevanz dieses Aspekts anerkannt worden, so Verlauf der Pandemie gewonnen hat. Professor Dr. med. Alexander Friedrich, Friedrich: „Trotzdem führt das bis heute zu Ver- Universität Groningen Denn eine besonders große Herausfor- zögerungen bei den Maßnahmen“, kritisierte derung für sein Land sei in den vergan- der Arzt. Das Problem bestehe darin, dass bei genen Monaten vor allem die geringe Zahl der zur Verfügung COVID-19 kurz vor und kurz nach Beginn der Symptome stehenden Intensivbetten gewesen, wies Friedrich auf die die Ansteckungswahrscheinlichkeit aufgrund der hohen Vi- knappe Ausstattung der Niederlande hin: „Die Absorptions- renkonzentration in Nase und Rachen am größten sei. Des- kapazität des deutschen Versorgungssystems war von Beginn halb baue er neben PCR-Verfahren auch auf die Antigen- an fünf Mal höher. Deshalb erreichen wir in der Versorgung Tests: „Ich glaube, sie werden uns helfen, herauszubekom- sehr viel schneller den Anschlag.“ An dieser Stelle nutzte men, ob jemand in den nächsten Tagen infektiös wird“, Fotos: Universität Oldenburg; H. Veenstra der Arzt die Gelegenheit, sich für die grenzübergreifende hofft Friedrich. Er empfahl: „Am besten in spezifischen Mo- Solidarität und Zusammenarbeit mit den Bundesländern menten – zum Beispiel nach Kontakt zu jemandem, der po- Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu bedanken. sitiv ist –, jeden Tag testen, dann können Superspreading- Events frühzeitig verhindert werden.“ Den Ansteckungsrisiken auf der Spur Am Ende seines Beitrags unterstrich der Facharzt für Mikro- In seiner Beurteilung des bisherigen Pandemieverlaufs zeigte biologie, Virologie und Infektionsepidemiologie noch ein- Friedrich zudem auf, wie stark die Phasen mit partiellen mal die Bedeutung der Tests: „Die PCR-Tests werden wir 18 niedersächsisches ärzteblatt
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