Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 94. Jahrgang | November 2021 Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit Kammerversammlung Honorar Politik Bericht der KVN-Honorar- Die Gesetzmaschine – Ärzteversorgung abrechnung Gesundheitsminister über 2020 2. Quartal 2021 Jens Spahn
Zielgruppengenau und treffsicher. Der Anzeigenmarkt im niedersächsischen ärzteblatt Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover Telefon 05 11 / 3 80 - 22 82, Telefax 05 11 / 3 80 - 22 81 Online-Anzeigenaufgabe: info@haeverlag.de oder unter www.haeverlag.de/service
Editorial Klimaschonend durch Digitalisierung Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Corona-Pandemie hat zu einem ungeheuren Fotos: C. Wyrwa, H. Preller Digitalisierungsschub in vielen Bereichen der Ge- sellschaft geführt. Als Ärztinnen und Ärzte haben viele von uns erlebt, dass psychotherapeutische Sitzungen via Bildschirm besser waren, als Pa- tientinnen und Patienten gar nicht zu sehen. Auch haben wir den kollegialen Austausch per Video- konferenz und Telekonsil schätzen gelernt. Fortbildungen, die wir als Ärztekammer Niedersachsen nach dem Ausbruch von COVID-19 live übertragen oder auch als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt haben, sind auf eine enorme Nachfrage unter den Mitgliedern gestoßen. Nicht zuletzt erreichte der Live-Talk „Zur Sache Corona“, den wir regelmäßig mit dem Infektiologen Professor Dr. med. Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover sowie weiteren Expertinnen und Experten aus der Ärztekammer gesendet haben, ein richtig großes Publikum. Daher wollen wir uns nach anderthalb Jahren Pandemie auf dem 5. Niedersächsischen Digitalgipfel Gesundheit am 24. November 2021 in Hannover der Frage widmen, was die Digitalisierung auf Dauer für das Gesundheitssystem bedeutet. Welche Lehren ziehen wir im Hinblick auf den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) oder auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten für die medizinische Aus- und Fortbildung aus der Krise? Wir sollten das Thema allerdings noch aus einem anderen Blickwinkel sehen: Gerade erst haben wir gemeinsam mit einer Delegation der Ärztekammer Niedersachsen am Deutschen Ärztetag in Berlin zum Schwerpunktthema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ teilgenommen und uns als ÄKN- Vorstand zudem dafür ausgesprochen, uns auch als Ärztekammer Niedersachsen auf den Weg zur Nachhaltigkeit zu begeben. Um dieses Ziel zu erreichen, kann uns die Digitalisierung eine große, wertvolle Hilfe sein: Als nieder- sächsische Ärztekammer arbeiten wir bereits mit Hochdruck daran, Prozesse zu digitalisieren und planen zum Beispiel, papierlos in das neue Ärztehaus in Hannover umzuziehen. Aber auch andere Maßnahmen gilt es aus ökologischen Gründen zu ergreifen: Durch digitale Meetings lässt sich etwa ein Teil der Fahrten zu Gremien und Ausschüssen einsparen. Auf dem Deutschen Ärztetag wurden bereits viele Anträge, das Gesundheitswesen umweltfreundlicher zu gestalten, mit großen Mehrheiten beschlossen. Auch wir wollen und müssen durch aktives Handeln den Weg zu einem nachhaltigen Klimaschutz beschreiten. Mit kollegialen Grüßen Dr. med. Martina Wenker Dr. med. Marion Charlotte Renneberg Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen 11 | 2021 3
8 Über Kernforderungen an die Gesundheits- 12 Die Kammerversammlung beschließt auf Vor- 18 Über die Vorteile von Online-Seminaren und politik nach der Wahl sprach auf der Kammer- schlag der Ärzteversorgung Niedersachsen viele andere Themen spricht Professor Dr. med. versammlung der Ärztekammer Niedersach- die Erhöhung der Renten und Anwartschaften Lorenz Trümper, neues Vorstandsmitglied der sen Präsidentin Dr. med. Martina Wenker. zum 1. Januar 2022. Universitätsmedizin Göttingen, im Interview. ÄKN Politik 8 Zwischen Klimakrise und Pandemie 4. Sitzung der Kam- merversammlung der Ärztekammer Niedersachsen in Bezirksstellen 22 „Akutfälle müssen zeitgerecht versorgt werden!“ Grußwort von Professor Dr. med. Klaus-Dieter Kossow, Vorsitzender der 19. Wahlperiode in Celle zu prioritären Forderungen der Bezirksstelle Verden an die Politik sowie zu Klimaschutz und der COVID- 23 Ärztin und Lehrerin mit Leib und Seele Nachruf für Dr. 19-Impfkampagne. med. Claudia Kampmann, stellvertretende Vorsitzende 11 Folgen der Pandemie für die Jugend Ärztekammer-Vor- der ÄKN-Bezirksstelle Verden standsmitglied Dr. med. Thomas Buck berichtet über 23 Mehr MFA-Auszubildende 2021 in Verden Strategien zur Unterstützung von Kindern und Jugend- 24 Impfaktion für ausländische Studierende Dr. med. Thomas lichen und zur Therapie von Long-COVID bei Kindern. Buck und sein Praxisteam impften an der Leibniz Uni- versität in Hannover. Ärzteversorgung 24 Team der Bezirksstelle Braunschweig verabschiedet Dr. 12 Bewährtes Risikomanagement Berichte unter anderem med. Marianne Pellegrini. zu Renditen und zur Nachhaltigkeitsstrategie: Außerdem beschließt die Kammerversammlung die Erhöhung der MFA Renten und Anwartschaften zum 1. Januar 2022 um 25 Hilfe statt Ausbildungsabbruch Berufseinsteiger und 0,5 Prozent. -innen mit Problemen rund um die Ausbildung können verschiedene Förderangebote wie Ausbildungsbegleitete Digitalisierung Hilfen (abH) erhalten. 14 Das digitalisierte Gesundheitssystem Neue Technologien, Robotik und der Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Patientensicherheit Intelligenz verändern das Gesundheitssystem. Um diese 26 Aus positiven Ereignissen lernen: Systeme gelten als Themen wird es beim 5. Niedersächsischer Digitalgipfel sicher, wenn möglichst wenig schief geht. Deshalb liegt Gesundheit am 24. November in Hannover gehen. der Fokus im Risikomanagement zu selten auf dem, was gut und positiv gelaufen ist. Hochschulen 18 „Wir müssen Ärztinnen und Ärzte besser verteilen!“ Professor Dr. med. Lorenz Trümper, neues Vorstands- Fotos: H. Krückeberg, UMG/kimmel mitglied der Universitätsmedizin Göttingen, berichtet im Interview über den Neubau, Kooperationen über die Sektorengrenzen hinweg und den Vorteil von Online- Fortbildungen. 4 niedersächsisches ärzteblatt
Fotos: pixelio; U. Köster 33 Fallzahlen und Honorare erreichen fast wie- 48 Medizin im Tandem: Mentee-Projekt des Land- 54 Kommunikation für Psychotherapeuten: der Vor-Corona-Niveau - in manchen Berei- kreises Gifhorn begeistert junge Medizinerinnen KBV-Serie zu neuen TI-Anwendungen in Pra- chen allerdings verzögert. Über die „Schutz- und Mediziner frühzeitig für die Hausarzttätigkeit xen - weitere Digitalisierungsschritte auch für schirm“- Regelung erfolgt ein Ausgleich. - und holt so ärztlichen Nachwuchs in die Region. Psychotherapeuten. KVN Honorar & Verträge 33 Ergebnisse der Honorarabrechnung 2/2021 Honorar- zuwachs im Vergleich zum Corona-Vorjahresquartal Praxis & Versorgung 48 Medizin im Tandem Mentee-Projekt des Landkreises Gifhorn begeistert junge Mediziner frühzeitig für die Hausarzttätigkeit Politik & Verbände 50 Neuerscheinungen 42 Auffrischimpfungen gegen Corona laufen an Es müssen 45 Kein Kinderkram Steuertipp: Wie können Kosten für mindestens sechs Monate zwischen der Grundimmuni- Kinder steuerlich geltend gemacht werden? sierung und der Booster-Impfung liegen 56 Die Gesetzmaschine Der Digitalisierungsfan Jens Spahn Telemedizin & Digitales hat als Gesundheitsminister viele Ärztinnen und Ärzte 54 Kommunikation für Psychotherapeuten KBV-Serie zu verschreckt neuen TI-Anwendungen in Praxen 58 Aus anderen KVen Nach Redaktionsschluss Arzneimittel & Verordnung 75 Notfall Triage-Praxis startet in Norder Klinik 44 Antibiotika ohne Wechselwirkungen ATIS informiert: Antibiotische Therapie einer schweren Exazerbation der chronischen Bronchitis Selbstverwaltung 46 Interview mit Dr. Wolfram Nagel, Vorsitzender der Kreis- ärzteschaft in Esens Man muss im Auge behalten, wofür man angetreten ist Standards 3 Editorial 6 Aktuell 28 ÄKN-Mitteilungen 59 KVN-Mitteilungen 64 Veranstaltungen 68 Rubrikenanzeigen 75 Impressum 11 | 2021 5
Aktuell MHH-Studie entwickelt Referenzwerte für Lymphozyten im Blut Die Lymphozyten im Blut eines Men- schen geben Aufschluss über seinen aktuellen Gesundheitszustand sowie angeborene oder erworbene Immun- defizite. Die Zusammensetzung im Blut lässt sich mit Hilfe modernster Durch- flusszytometrie genau bestimmen. Was bislang jedoch fehlte, waren Referenz- bereiche, um die Messergebnisse richtig einzuordnen. Jetzt hat ein Forschungs- team um Dr. med. Christian Schultze- Florey von der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation und Dr. rer. nat. Ivan Odak aus dem Institut für Im- Dr. med. Christian Schultze-Florey (l.) und Dr. rer. nat. Ivan Odak haben neue Normwerte für munologie der Medizinischen Hoch- Lymphozyten im Blut ermittelt. schule Hannover neue Normwerte er- arbeitet, die helfen sollen, Kranke von dieser Werte ließen sich künftig die ferenzwerte vor, die weltweit die Di- Gesunden sicher zu unterscheiden. bei Patientinnen und Patienten erho- agnostik von Erkrankungen des Blutes „Die neuen Normwerte unterscheiden benen Befunde genau einordnen und und des Immunsystems unterstützen nicht nur nach Geschlecht, sondern exakte Diagnosen stellen, ergänzt können.“ Die Studie wurde im renom- auch nach den sinnvollen biologischen Schultze-Florey: „Mit unserer Studie mierten Fachjournal „Leukemia“ ver- Altersklassen“, berichtet Odak. Anhand liegen jetzt standardisiert erhobene Re- öffentlicht. r red Einmaliges Hepatitis-Screening Erstes Doc’s Arts Festival neuer Bestandteil des „Check-ups“ im Sommer 2022 in Goslar Versicherte ab 35 Jahren können sich Medikamenten wirksam verhindern. Das für 2020 geplante erste Doc’s Arts einem Beschluss des Gemeinsamen Die Deutsche Gesellschaft für Gastro- Festival wurde aufgrund der Corona- Bundesausschusses (G-BA) zufolge jetzt enterologie, Verdauungs- und Stoff- Pandemie auf das Jahr 2022 verschoben. einmalig auf die Viruserkrankungen wechselkrankheiten (DGVS) e.V. hat Das Mitmach-Festival für Ärztinnen, Hepatitis B und Hepatitis C testen las- sich lange für ein solches Screening Ärzte und in medizinischen Berufen sen. Das Screening-Angebot ist neuer stark gemacht und begrüßt nun den Tätige wird in der Zeit vom 16. bis Bestandteil des sogenannten Check- Beginn der Tests in der breiten Bevöl- 19. Juni 2022 unter Einhaltung der Hy- ups, das alle 3 Jahre angeboten wird. kerung. „Oft wird eine Infektion mit gieneregeln und Teilnehmerhöchstzah- Die Tests können übergangsweise auch Hepatitis-Viren erst bemerkt, wenn sich len in Goslar stattfinden. Die Teilnahme separat durchgeführt werden, falls der bereits Spätfolgen wie eine Leberzir- ist als Einzelperson oder Ensemble, als letzte Check-up weniger als 3 Jahre rhose oder Leberkrebs entwickelt ha- Fast-Profi oder Freizeitmusiker sowie zurückliegt. Da beide Infektionen häufig ben“, sagt Professor Dr. med. Frank mit oder ohne Vorkenntnisse möglich. zunächst symptomlos verlaufen und Lammert, Vorstand für Krankenversor- In verschiedenen Workshops für Or- lange Zeit unbemerkt bleiben, können gung der Medizinischen Hochschule chester, Chor, Rock/Pop, Bigband/Jazz- sie unwissentlich weitergegeben wer- Hannover und Präsident der DGVS. ensemble oder Drum Circle erarbeiten Foto: Karin Kaiser / MHH den. Das Screening ist somit wichtig, Diese Folgeerkrankungen seien dann die Teilnehmenden unter professioneller um die Verbreitung von Hepatitis-Viren nur noch schwer zu therapieren. Welt- Leitung gemeinsam Musikwerke. Die zu begrenzen. Spätfolgen einer unbe- weit stirbt Schätzungen der Weltgesund- Ergebnisse der Workshop-Arbeit werden handelten chronischen Hepatitis lassen heitsorganisation (WHO) zufolge alle in einem öffentlichen Konzert präsen- sich durch eine Therapie mit antiviralen 30 Sekunden ein Mensch daran. tiert. Weitere Informationen unter: r wbg www.docs-arts.de. r red 6 niedersächsisches ärzteblatt
Aktuell Digitaler Fragebogen Idana nora soll retten für die Praxis wird voll- automatisch nora ist die neue offizielle Notruf- Nach dem Absenden des Notrufs ist Die SaaS-Lösung Idana hat eine neue Funk- App der Bundesländer. Hilfesuchende der Hilfesuchende über eine Chat- tion - „Idana IQ". Damit können Arztpra- erreichen mit ihr Polizei, Feuerwehr Funktion direkt mit der Leitstelle ver- xen ihren Patienten nach der Terminver- und Rettungsdienst im Notfall schnell, bunden und kann weitere Auskünfte gabe automatisiert einen Link oder QR- einfach und sicher. Überall in Deutsch- geben oder Fragen stellen. Die Not- Code zukommen lassen per Mail oder land. nora ermöglicht es auch Men- ruf-App ist eine zusätzliche Möglich- SMS, der zu einem Fragebogen führt. schen, die die Notruf-Nummern 110 keit, Polizei, Feuerwehr und Rettungs- Nachdem die Patientinnen und Patienten und 112 nicht anrufen können, selbst- dienst zu erreichen. Man kann aber ein paar Fragen beantwortet haben, sucht ständig einen Notruf abzusetzen, ist auch weiterhin die 110 oder die 112 „Idana IQ“ automatisch die passenden daher besonders hilfreich für Men- anrufen oder ein Notruf-Fax senden. Fragebögen für die Anamnese und For- schen mit Sprach- und Hörbehin- mulare zur Anmeldung in der Praxis aus. derungen. Dank der Standortbestim- Leistungsumfang im Überblick: Diese starten direkt im Anschluss und mung finden die Einsatzkräfte Betrof- • Notruf ohne Sprechen die Ergebnisse werden nahtlos in die fene über einen nora App-Notruf auch • Standortbestimmung Praxissoftware angebunden. Eine MFA dann, wenn sie selber nicht genau • Kommunikation mit der Leitstelle braucht nicht mehr in den Prozess ein- wissen, wo sie sind. In wenigen Schrit- via Chat gebunden werden. Die cloudbasierte ten lässt sich ein Notruf absetzen. • Stiller Notruf für Situationen, in Softwarelösung ermöglicht damit ein ef- Dabei wird der Standort des Hilfe- denen man sich bedroht fühlt fizienteres, kontakt- und papierloses Pa- suchenden über sein Mobilgerät er- • Demo-Modus zum Ausprobieren tientenmanagement. Idana wurde im mittelt und zusammen mit dem Notruf eines App-Notrufs Rahmen der KBV-Leuchtturmprojekte im an die zuständige Leitstelle gesendet. • Registrierung nur mit Mobil-Num- niedersächsischen ärzteblatt ausführlich Der Ort lässt sich manuell ändern, mer und Namen vorgestellt. r ös falls er nicht richtig erfasst wurde • zweisprachig deutsch und eng- oder der Notfall an einem anderen lisch BDI mit neuem Vorstand Ort passiert ist. Welche Hilfe benötigt • verschlüsselte Kommunikation und wird, wird über maxial für aufeinan- höchster Datenschutzstandard Im Berufsverband Deutscher Internis- derfolgende Fragen ermittelt, die durch r ös tinnen und Internisten ist bei seiner einfaches Tippen auf Auswahlfelder Mitgliederversammlung am 9. Oktober beantwortet werden. So erhalten die 2021 der Vorstand des Landesverban- Einsatzkräfte alle wichtigen Informa- a Mehr unter https://www.nora-not- des Niedersachsen durch eine Nach- tionen in wenigen Sekunden. ruf.de/de-as/startseite wahl des stellvertretenden Vorsitzenden ergänzt worden. Er hat nun die fol- gende personelle Zusammensetzung: Vorsitzender: Dr. Thomas Schmidt, Göttingen. Stellvertretender Vorsitzender: Prof.Dr. Andreas Franke, Hannover. Beisitzer: Dr. Werner Bode, Celle. Dr. Andreas Buck, Hannover. Dr. Ludwig Grau, Oldenburg. Ehrenvorsitzender/Fortbildungsbeauftragter: Dr. Wolf-Dieter Kirsten, Hannover. In einer zeitnahen Vorstandssitzung wer- den die einzelnen Ressorts als Aufga- benbereiche neu vergeben und die ent- sprechenden Ansprechpartner für spe- zielle Fragestellungen benannt. r ös 10 | 2021 7
Unter der Wahrung von Abstand und der Einhaltung der Hygienemaßnahmen tagte das Ärzteparlament – hier Vorstand, Geschäftsführung und Organisationsteam – in den Räumen der Congress Union Celle. Zwischen Klimakrise und Impfkampagne 4. Sitzung der Kammerversammlung in der 19. Wahlperiode in Celle unter anderem zu prioritären Forderungen an die Politik / Bericht zur Lage von Präsidentin Dr. med. Martina Wenker über die Bedeutung des Klimaschutzes und der COVID-19-Impfkampagne „An den Fragen der Gesundheitsversorgung wird keine Ko- dritten Forderung stimmte Wenker die Delegierten auf das alitionsverhandlung scheitern“, räumte Dr. med. Martina zentrale Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ des Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, am 125. Deutschen Ärztetags am 1. und 2. November 2021 in 29. September zu Beginn der 4. Sitzung der Kammerver- Berlin ein. Die Klimakrise mache krank, erläuterte die sammlung der 19. Wahlperiode ein. Die Delegiertenver- Ärztin: Schon jetzt gingen gesundheitliche Gefahren von sammlung der Ärztekammer Extremwetterereignissen wie Niedersachsen (ÄKN) in den Hitze, Dürreepisoden, Wald- Räumen der Congress Union „Die Klimakrise macht krank, deshalb ist bränden, Unwettern, Über- Celle, die sich schwerpunkt- es wichtig, das Gesundheitswesen auf die flutungen und Stürmen aus. mäßig den Anliegen der Ärz- Folgen der Erderwärmung vorzubereiten.“ Negative Folgen für die Be- Dr. med. Martina Wenker, teversorgung Niedersachsen völkerung zeitigten auch die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen widmete, stand noch stark vermehrte Schadstoffbelas- unter dem Eindruck der Bun- tung der Luft, die ganzjährige destagswahl einige Tage zuvor. Die Ärztekammerpräsidentin Allergenexposition, die stärkere UV-Bestrahlung und die nahm das zum Anlass, in ihrem „Bericht zur Lage“ der Bun- zunehmende Ausbreitung der Erreger von Infektionskrank- despolitik für die anstehenden Koalitionsverhandlungen heiten. Deshalb ist es laut Wenker wichtig, das Gesund- drei „prioritäre Kernforderungen für ein gesundheitspoliti- heitswesen auf die Folgen der Erderwärmung vorzubereiten. sches Sofortprogramm“ mit auf den Weg zu geben. Unter dem ersten Stichwort „Patient vor Profit“ drang Wenker da- „ÄKN auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“ rauf, den Einfluss von Fremdkapitalgebern auf die medizi- nische Versorgung zu begrenzen: „Die Entwicklung, den „Dieser Sommer hat uns gezeigt, dass der Klimawandel kei- Gesundheitssektor als Markt zu sehen, mit dem Geld ver- ne düstere Prognose ist: Die Klimakrise ist da“, folgerte die dient wird, muss uns Ärztinnen und Ärzte beunruhigen.“ Präsidentin und zitierte aus der Berufsordnung, dass es Auf- gabe der Ärztinnen und Ärzte sei, am Erhalt der natürlichen Fotos: H. Krückeberg Die zweite Forderung der Ärztekammerpräsidentin galt Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD): „Applaus Gesundheit der Menschen mitzuwirken. Daher habe der reicht nicht“, mahnte Wenker, der ÖGD müsse krisen-, zu- Vorstand der niedersächsischen Ärztekammer in der aktu- kunfts- und pandemiesicher ausgebaut werden. Mit ihrer ellen Wahlperiode erneut den Arbeitskreis „Prävention und 8 niedersächsisches ärzteblatt
Politik Umwelt“ eingerichtet und damit beauftragt, sich des Themas „Klimaschutz und Umweltschutz sind Gesundheitsschutz“ anzunehmen und sich mit dem Projekt „ÄKN auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“ zu befassen. „Klimaneutrale Ärztekammern bis 2030“ Darüber hinaus unterstützt der ÄKN-Landesvorstand der Ärztekammerpräsidentin zufolge den Vorstoß des Bundes- ärztekammervorstands, der die Initiative „Klimaneutrale Ärztekammern bis 2030“ ins Leben gerufen hat: „Nicht nur fordern, sondern vor allem Handeln ist das Gebot der Stun- de! Um heute und in Zukunft der Vorbildfunktion gerecht zu werden, wollen die Ärztekammern durch eigenes Han- deln zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele beitragen. Es ist das angestrebte Ziel aller Ärztekammern, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein.“ Aggressives Verhalten und Gewaltandrohungen Im zweiten Teil ihres „Berichts zur Lage“ ging Wenker auf Von den Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der Menschen handelte unter anderem der Bericht zur Lage von den Stand der Impfkampagne gegen COVID-19 und die Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker. Frage ein: Wie gehen wir mit der großen Gruppe der Un- geimpften um? Die Ärztekammerpräsidentin betrachtet das Impfen als „Bürgerpflicht“. Im Hinblick auf die Anzahl der häufiger ausgesetzt sind: „Morddrohungen und Angriffe vollständig geimpften Menschen in Deutschland von nur sind aufs Schärfste zu verurteilen“, machte Wenker ihre Po- knapp 70 Prozent Ende September betonte sie abermals: sition klar. Öffentliche Hass- und Gewaltbekundungen ge- „Impfen ist der einzige Weg aus der Pandemie.“ gen Ärztinnen und Ärzte sowie deren Mitarbeitende seien durch nichts zu rechtfertigen. Angesichts des raueren Tons rund um die COVID-19-Imp- fungen und der auftretenden Konfrontationen mit Impfgeg- Vizepräsidentin Dr. med. Marion Charlotte Renneberg be- nern befassten sich Wenker und in der sich später anschlie- richtete, als sie im Verlauf der Kammerversammlung die ßenden Aussprache auch die Delegierten der Kammerver- Moderation der Aussprache übernahm, von eigenen Erfah- sammlung mit dem aggressiven Verhalten und den Gewalt- rungen mit aggressivem Patientenverhalten. Interessierten androhungen, denen sowohl Ärztinnen und Ärzte in Klinik empfahl die in Peine niedergelassene Hausärztin und Vor- und Praxis wie auch das medizinische Fachpersonal immer sitzende der Bezirksstelle Braunschweig daher die von der Anzeige www.com2med.de 11 | 2021 9
Politik Ärztekammer herausgegebene Broschüre mit dem Titel „Übergriffe gegen Praxisteams – vorbeugen und abwen- den!“. Der Ratgeber, der auf der Webseite www.aekn.de heruntergeladen oder bestellt werden kann, richtet sich so- wohl an Ärztinnen und Ärzte als auch an Medizinisches As- sistenzpersonal und die Teams in Praxen und Kliniken. Impfskeptiker als globale Bedrohung Beleidigungen und Drohungen, die impfende Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit ihren Teams ertragen müssen, kritisierten auch einige Mitglieder der Kammerversammlung. In der Debatte zu Wort meldete sich neben anderen Dr. med. Marc Hanefeld, niedergelassener Facharzt für Allge- meinmedizin in Bremervörde und seit dieser Wahlperiode neu im Ärzteparlament. Hanefeld erinnerte daran, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO Impfskeptiker als glo- bale Bedrohung klassifiziert habe. Ein konsequentes Vorge- hen gegen die wenigen, aber vorhandenen Coronaleugner Aggressives Verhalten und Drohungen gegen Ärztinnen und Ärzte sowie Praxis- und Klinikteams kritisierten ÄKN-Vizepräsidentin unter den Ärztinnen und Ärzten wünschte sich zudem Uwe Dr. med. Marion Charlotte Renneberg und Kammerversammlungs- Lange, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Oldenburg: delegierte während der Debatte. „Wenn sie gegen die Berufsordnung verstoßen, müssen wir als Ärztekammer tätig werden!“ arzt für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Bramsche: „Ich Für ein abwägendes Verhalten gegenüber jenen Eltern, die hatte zum Beispiel eine 75-jährige, ungeimpfte Patientin, zunächst beim Impfangebot noch zögerten, sprach sich da- die sich dann aber impfen ließ, um ihren vorerkrankten gegen der in Nordenham niedergelassene Kinder- und Ju- Partner zu schützen.“ Für die Coronaleugner innerhalb der gendarzt Dr. med. Tilman Kaethner aus: „Sonst gehen sie Ärzteschaft hatte Nowicki genauso wenig Verständnis wie nach Hause oder woanders hin – und die Kinder und Ju- auch andere Mitglieder der Kammerversammlung und warb gendlichen werden nicht versorgt oder schlechter versorgt.“ vielmehr dafür, das Gespräch zu suchen: „An diesem Fall Eine ähnliche, aufklärende Vorgehensweise schilderte gegen sieht man, dass eine vernünftige Aufklärung Erfolg haben Ende der Debatte auch Dr. med. Alexander Nowicki, Fach- kann.“ r Inge Wünnenberg In der Aussprache tauschten sich die Kammerversammlungsmitglieder wie hier Uwe Lange aus Oldenburg über die aktuellen Themen aus. 10 niedersächsisches ärzteblatt
Politik „Wir müssen die Jugend beschützen“ Der Pädiater Dr. med. Thomas Buck schilderte in der Kammerversammlung die Situation von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie und stellte das strukturierte Versorgungsmodell für pädiatrische Patienten mit Long-COVID in Niedersachsen vor. „Kinder und Jugendliche sind in der ersten Zeit der Pandemie – ausgehend von den Erfahrungen mit Influenza- Ausbrüchen – fälschlich als Viren- schleudern abgestempelt worden“, er- innerte Dr. med. Thomas Buck: Über die aktuelle Situation der Kinder und Jugendlichen fast anderthalb Jahre nach Beginn der Pandemie sprach das Mitglied des ÄKN-Landesvorstands und Obmann der Kinder- und Jugend- ärzte im Bezirk Hannover während der Kammerversammlung in seinem Part des „Berichts zur Lage“. „Fast jedes dritte Kind entwickelte un- ter der Pandemie psychische Auffäl- ligkeiten“, schilderte der niedergelas- sene Kinder- und Jugendarzt und Vor- Dr. med. Thomas Buck referierte über die Situation von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie und stellte ein Versorgungsmodell für pädiatrische Patienten mit Long-COVID vor. sitzende der ÄKN-Bezirksstelle Han- nover unter anderem die Ergebnisse der bundesweiten COPSY-Studie am Pandemiefolgen für Kinder und Ju- nisterium erfolgreich um Unterstützung Universitätsklinikum Hamburg-Eppen- gendliche einberufen hat, unterstützte für die Einrichtung einer pädiatrischen dorf (UKE). Gegenstand der Untersu- explizit die Position dieses Gremiums Long-COVID-Versorgung und für die chung waren die Auswirkungen der auf einer Pressekonferenz Anfang Ok- Erforschung der langanhaltenden Be- COVID-19-Pandemie auf die psy- tober: „Es ist an der Zeit, dass wir uns schwerden bei Kindern und Jugendli- chische Gesundheit von Kindern und als Gesellschaft gegenüber Kindern chen geworben: Gemeinsam mit Pri- Jugendlichen, die laut Buck vielfach und Jugendlichen solidarisch zeigen“, vatdozent Dr. med. Martin Wetzke von depressive Symptome und Angststö- sagte Thümler und kritisierte: „Erwach- der Klinik für Pädiatrische Pneumolo- rungen oder psychosomatische Be- sene, die aktiv eine Impfung verwei- gie, Allergologie und Neonatologie der schwerden wie Niedergeschlagenheit, gern, handeln unverantwortlich. Sie Medizinischen Hochschule Hannover Kopf- und Bauchschmerzen gezeigt setzen Kinder und Jugendliche weiter (MHH) und Professor Dr. med. Uwe hätten. Gefahren aus.“ Tegtbur vom MHH-Institut für Sport- medizin hat Buck ein „strukturiertes Gremium zu den Die Generationengerechtigkeit ist Versorgungsmodell für pädiatrische Pa- Pandemiefolgen für Kinder auch Buck, der tagtäglich die negati- tientinnen und Patienten mit Long- und Jugendliche ven Auswirkungen der Pandemie auf COVID in Niedersachsen“ ins Leben seine jungen Patientinnen und Patien- gerufen. Dazu gehören eine interdis- Der Kinderarzt und Bezirksstellenvor- ten erlebt, ein zentrales Anliegen: „Wir ziplinäre Anlaufstelle für pädiatrische sitzende hat im Laufe der Pandemie müssen die Kinder und Jugendlichen Patienten mit Long-COVID, die Ent- sowohl die Mitglieder der „Initiative beschützen, denn sie haben die Älte- wicklung eines sporttherapeutischen In- Foto: H. Krückeberg Niedersächsischer Ethikrat“ als auch ren und Kranken auch beschützt“, sag- terventionsprogramms mit der anschlie- die niedersächsische Sozialministerin te der Arzt und erhielt dafür Applaus ßenden Dissemination in alle Sektoren Daniela Behrens über die Opfer der von den Kammerversammlungsdele- der niedersächsischen Patientenversor- Jugend unterrichtet. Wissenschaftsmi- gierten. Gemäß der Maxime „Erken- gung sowie die Ausbildung von Kom- nister Björn Thümler, der einen Kreis nen – Verstehen – Behandeln“ hat petenz auf der Seite der Betroffenen. aus Expertinnen und Experten zu den Buck außerdem im Wissenschaftsmi- r Inge Wünnenberg 11 | 2021 11
Ärzteversorgung Risikomanagement der Ärzteversorgung Niedersachsen hat sich bewährt Bericht aus dem Versorgungswerk über das Geschäftsjahr 2020 / Wahl eines Teils der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat / Kammerversammlung beschließt Erhöhung der Renten und Anwartschaften zum 1. Januar 2022 um 0,5 Prozent. Das Risikomanagement und die Nachhaltigkeitsstrategie Anschließend ging Pommer auf das Risikomanagementsys- der Ärzteversorgung Niedersachsen, die Auswirkungen der tem des Versorgungswerks ein. Dieses habe sich während Corona-Pandemie auf die Kapitalmärkte und die Bundes- der Turbulenzen an den Aktienmärkten 2020 bewährt und tagswahl: Dies waren einige der Themen, die in diesem Jahr das Versorgungswerk gut durch die Krise gebracht. Auch in den Vorträgen auf der Kammerversammlung am 29. Sep- die Nachhaltigkeitsstrategie der Ärzteversorgung Nieder- tember 2021 von den Verantwortlichen der Ärzteversorgung sachsen war ein wichtiges Thema in seinem Vortrag. Ihre Niedersachsen aufgegriffen wurden. Schwerpunkte sind neben ausgewählten Ausschlusskriterien insbesondere der Dialog mit Unternehmen und deren Be- Zunächst stellte der Vorsitzende des Vorstands, Dr. med. einflussung zu nachhaltigerem Handeln, unter anderem Gerd Pommer, die zentralen Punkte des Geschäftsberichts durch Stimmrechtsausübung. „Grundsätzlich werden in al- 2020 vor: Die Anzahl der Mitglieder des Versorgungswerks len derzeitigen Kapitalanlagen der Ärzteversorgung die ge- stieg effektiv um 1.085 auf 38.805. Die Beitragseinnahmen setzten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt“, fasste Pom- beliefen sich auf gut 464 Millionen Euro. Die Zahl der Ren- mer zusammen. Er berichtete darüber hinaus, dass für die tenempfänger lag zum Ende des Geschäftsjahrs 2020 bei Immobilien der Ärzteversorgung Niedersachsen extern ein 13.581. Mit etwa 442 Millionen Euro hatten auch die Auf- ESG-Scoring entwickelt wurde. wendungen für Versorgungsleistungen sowie Rückkäufe und Überleitungen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Anknüpfend an den Vortrag des Vorstandsvorsitzenden Der Saldo aus Beitragseinnahmen und Versorgungsleistun- Pommer erklärte der Finanzsachverständige Dirk Dreis- gen ist somit weiterhin positiv. kämper: „Ihr Versorgungswerk steht hinsichtlich der Reser- 12,35 % 0,32 % Witwen-/Witwer-/ Waisenrenten Lebenspartnerrenten 2,50 % Sonstige Leistungen 1,51 % Berufsunfähigkeitsrenten 83,32 % Grafiken: ÄVN Altersrenten Die Versorgungsleistungen der Ärzteversorgung Niedersachsen zum 31. Dezember 2020 im Überblick 12 niedersächsisches ärzteblatt
Ärzteversorgung Kapitalanlagenrendite in % 6 5,28 5,05 4,80 5 4,19 4,09 4,05 4 3,69 3,68 3,55 4,24 4,19 4,29 3,65 2,94 3 3,21 3,33 3,33 3,29 3,10 2 2,13 Bruttorendite 1 Nettorendite 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Die von der Ärzteversorgung Niedersachsen erzielte Netto- und Bruttorendite der Jahre 2011 bis 2020 vesituation heute besser da denn je.“ Anschließend erläu- verblieb im Geschäftsjahr 2020 ein Überschuss in Höhe terte er die Strategie der Ärzteversorgung Niedersachsen von rund 152 Millionen Euro. Dieser wurde verwendet, um zur Erwirtschaftung rechnungszinsfähiger Renditen in Zeiten die Rücklage sowie die Rückstellung für künftige Leistungs- niedriger Zinsen: Neben zunehmenden Investitionen in Im- verbesserungen zu erhöhen. Vorstand und Aufsichtsrat mobilien gehörten dazu auch Investitionen in Alternative schlugen den Mitgliedern der Kammerversammlung eine Investments wie Private Equity, Private Debt und Infrastruk- Anhebung der Anwartschaften und der laufenden Renten tur. von jeweils 0,5 Prozent zum 1. Januar 2022 vor. Die Mit- glieder der Kammerversammlung stimmten dem Vorschlag Der Vorsitzende des Aufsichtsrats Dr. med. Franz Bernhard zu. Die Genehmigung durch die Versicherungsaufsicht M. Ensink, MBA griff in seinem Vortrag zunächst die Aus- steht noch aus. sagen zum Thema Rente in den Wahlprogrammen der Bun- destagsparteien auf. Hinsichtlich des Wahlergebnisses In diesem Jahr wurde ein Teil der Mitglieder des Vorstands schloss er: „Das Wahlergebnis lässt vermuten, dass wir uns und des Aufsichtsrats der Ärzteversorgung Niedersachsen auf langwierige Koalitionsverhandlungen einstellen müs- gewählt. Im Vorstand betraf dies die Positionen des stellver- sen.“ Im Anschluss informierte er über das Urteil im Klage- tretenden Vorsitzenden, eines ärztlichen Mitglieds sowie verfahren der Ärzteversorgung Niedersachsen gegen das Fi- der drei Sachverständigen. Der stellvertretende Vorsitzende nanzamt Hannover wegen Umsatzsteuer: Das Gericht hat Dr. med. Günter Meyer, das ärztliche Mitglied Dr. med. entschieden, dass die Tätigkeit im Vorstand nicht als Unter- Raffael-Sebastian Boragk sowie die drei Sachverständigen nehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbracht wird. Professor Dr. phil. nat. Klaus Heubeck, Dirk Dreiskämper Diese Entscheidung hatte auch Auswirkungen auf das Ge- und Godehard Vogt wurden in ihren Ämtern bestätigt. Im setzgebungsverfahren zur Änderung des Kammergesetzes Aufsichtsrat standen die Positionen des stellvertretenden für die Heilberufe (HKG): Die im Entwurf vorgesehene Re- Vorsitzenden sowie zweier ärztlicher Mitglieder zur Wahl. gelung, dass die Erstattung der Umsatzsteuer auf die Ent- Der stellvertretende Vorsitzende Dr. med. Frank Thalacker schädigung ehrenamtlicher Tätigkeit unzulässig sei, ist ent- sowie die beiden ärztlichen Mitglieder Mareike Grebe und fallen. Dr. med. Wolfgang Koß wurden ebenfalls in ihren Ämtern bestätigt. Der Versicherungsmathematiker des Versorgungswerks Pro- fessor Dr. phil. nat. Klaus Heubeck berichtete schließlich Kirsten Gutjahr über die versicherungsmathematische Bilanz zum 31. De- Andreas Körner zember 2020. Nach Dotierung der Deckungsrückstellung Geschäftsführung Ärzteversorgung Niedersachsen 11 | 2021 13
Digitalisierung Nachholbedarf für die breite Öffentlichkeit Bessere Versorgung und viel Mehrwert durch Künstliche Intelligenz und Algorithmen: Wie Expertinnen und Experten aus Medizin und Ethik die neuen digitalen Technologien einschätzen und welche Hürden sie für die Einführung in den ärztlichen Alltag sehen. Schneller, besser, sicherer? Viele Bereiche des Lebens haben in den vergangenen zwanzig Jahren im Rahmen der zuneh- menden Digitalisierung einen enormen technischen Fort- schritt erfahren. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt und viele Arbeits- prozesse zusätzlich digitalisiert: Videokonferenzen, Tele- konsile und Telemedizin gewannen auch im ärztlichen All- tag zunehmend an Bedeutung. Wenn schon kein persönli- cher Kontakt möglich war, wollte man das Gegenüber am anderen Ende der Leitung doch wenigstens sehen. Gleich- wohl wirft der Einsatz der digitalen Technologien immer noch viele Fragen auf: In welchem Maße sollte ein Roboter bei Operationen eingebunden werden? Oder: Wie zuver- lässig unterstützen ein Algorithmus oder eine sogenannte Professorin Dr. med. Dr. phil. Professorin Dr. rer. nat. Sabine Salloch Silke Schicktanz Künstliche Intelligenz (KI) Diagnosen? Künstliche Intelligenz im Klinikeinsatz sorgung von Patientinnen und Patienten zugeschrieben Während eine Webseite noch lange nicht für jede Praxis wird, offenbaren Analysen und Untersuchungen auch immer selbstverständlich ist, wird andernorts bereits auf die Me- wieder, wie fragil diese Verfahren noch sind. thoden der Künstlichen Intelligenz gesetzt, wenn es darum geht, Hautkrebs, Arrhythmien im EKG, monogenetische Lernfähige Algorithmen im Einsatz bei Erbkrankheiten oder auch seltene Erkrankungen zu diag- der Diagnose von Hautkrebs nostizieren. Doch obwohl diesen neuen Technologien ein enormes Potenzial zu einer weiteren Verbesserung der Ver- Eine Studie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankun- gen (NCT) Heidelberg hat etwa Anfang 2021 gezeigt, wie anfällig die lernfähigen Algorithmen sind, die in der Regel bereits gut auf der Basis von Fotografien schwarzen Haut- krebs von gutartigen Muttermalen unterscheiden können. Wurden von den Forschenden zum Beispiel relativ unauf- fällige Veränderungen an den Aufnahmen vorgenommen, also zum Beispiel der Aufnahmewinkel leicht verändert, Fotos: DLR / BMBF, MHH, UMG / Vincent Leifer, European Journal of Cancer wirkte sich das auf die Sicherheit der automatisierten Diag- nose aus. „Die KI wird den Blick des erfahrenen Hautarztes nie völlig ersetzen können“, folgerte die Forschergruppe aus ihren Ergebnissen. „Entscheidungsunterstützung ärztlicher Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“ Zu dem gleichen Ergebnis kamen auch die Mitglieder der „Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten“ (Zentrale Ethik- kommission) bei der Bundesärztekammer, die im Juli dieses Jahres ihre Stellungnahme zur „Entscheidungsunterstützung Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) revolutionieren die ärztlicher Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“ veröffent- medizinische Forschung und Versorgung. licht hat. Eine Arbeitsgruppe der Ethikkommission, der auch 14 niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung Bei den Fotopaaren dieser Testreihe mit Bildern aus dem klinischen Alltag, die Hautläsionen zeigen, stimmten die Diagnose- vorhersagen der Künstlichen Intelligenz nicht überein. Professorin Dr. med. Dr. phil. Sabine Salloch von der Me- kennt die 13-seitige Stellungnahme zwar die Möglichkeiten dizinischen Hochschule Hannover angehörte, hatte sich einer effektiveren Datenverarbeitung durch die KI an, fordert mit dem Einsatz sogenannter „Clinical Decision Support aber dennoch explizit: „Die Verantwortung und Rechen- Systems“ (CDSS) befasst. Ziel war es, die ethischen, recht- schaftspflicht für Diagnose, Indikationsstellung und Therapie lichen und sozialen Herausforderungen zu beleuchten, die obliegt stets den Ärzt:innen und darf nicht an ein CDSS-Sys- der Einsatz von CDSS im Klinikalltag mit sich bringt. So er- tem abgetreten werden.“ Anzeige ihr spezialist für fachbezogene steuerberatung seit über 80 jahren Unse Ser vi r www.BUST.de Ein k os ce f ü Sie: Inf or tenlo ser m at i r o Ter m ns- Mit 16 Niederlassungen auch in Ihrer Nähe. in BUST Hauptniederlassung Hannover: Seelhorststraße 9, 30175 Hannover Telefon: 0511 280 70 - 0, E-Mail: hannover@BUST.de 11 | 2021 15
Digitalisierung Verbessern KI-Systeme die Versorgung Inhärente Unwägbarkeiten schreibt die Wissenschaftlerin von Patientinnen und Patienten? darüber hinaus den Systemen selbst zu: „Es kann zum Bei- spiel zu Verzerrungen im Datenmaterial kommen, wenn Für Salloch, seit 2020 Leiterin des MHH-Instituts für Ethik, Menschengruppen unterrepräsentiert sind“, warnt Salloch. Geschichte und Philosophie der Medizin, wäre für die Zu- Diese Gruppen von Patientinnen und Patienten erhielten kunft vor allem die bislang zu wenig erfolgte Validierung dann eventuell keine optimale Empfehlung durch den Al- der Systeme wichtig: „Das ist aus meiner Sicht ein wichtiges gorithmus, weil er aufgrund des eingespeisten Materials da- Desiderat, mit randomisierten kontrollierten Studien zu un- für nicht hinreichend qualifiziert sei. tersuchen, ob sie wirklich dazu beitragen, dass sich Diag- nostik und Behandlung verbessern.“ Dem Part der Patien- Das Gesundheitssystem von morgen tinnen und Patienten misst die Wissenschaftlerin beim Ein- satz der CDSS ebenfalls eine große Bedeutung zu: „Sie kön- Für Professorin Dr. rer. nat. Silke Schicktanz von der Uni- nen zum Beispiel ablehnen, dass eines der KI-Systeme bei versitätsmedizin Göttingen (UMG) stehen aktuell ebenfalls ihrer Diagnose und Therapie genutzt wird“, betont Salloch in einer Veranstaltungsreihe zum „Gesundheitssystem von und hinterfragt zugleich, ob andererseits Ärztinnen und morgen“ die Bürgerinnen und Bürger und ihr Verhältnis zu Ärzte dazu verpflichtet wer- den digitalen Technologien den können, die KI-basierten im Mittelpunkt. Schicktanz, Systeme einzusetzen oder „Die Frage ist, ob wir die Chance der die mit einem Team am In- ob sie sich entscheiden kön- Mitgestaltung nutzen.“ stitut für Ethik und Geschich- Professorin Dr. rer. nat. Silke Schicktanz nen, auf ihre Nutzung zu te der Medizin an der UMG Universitätsmedizin Göttingen (UMG) verzichten. Dabei bringt Sal- unter dem Stichwort „Zu- loch zufolge in diesem Zu- kunftsdiskurs“ ein Online- sammenhang gerade die Interaktion zwischen Ärztinnen Beteiligungs-Projekt gestartet hat, attestiert Deutschland und Ärzten auf der einen sowie Patientinnen und Patienten und seiner Bevölkerung Nachholbedarf auf dem Feld der auf der anderen Seite viele Herausforderungen mit sich: Digitalisierung: „Die breite Öffentlichkeit und auch die Pa- Müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten tientinnen und Patienten sind eigentlich in diesen Prozess zum Beispiel darüber aufklären, falls bei der Diagnose KI noch lange nicht ausreichend eingebunden.“ Deshalb sei zum Einsatz kommt? es für sie aus Sicht der angewandten Ethik sehr wichtig, nun so früh wie möglich interessierte Bürgerinnen und Bürger mit hineinzunehmen in solche Diskussionen, begründete Schicktanz ihre vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur aus Mitteln des Niedersächsischen Vorab geförderte Initiative. Themen wie „Künstliche Intelligenz und ihre Diagnosen“, die Rolle von Algorithmen in der digitalen Gesundheitsver- sorgung oder die Gefahren der Diskriminierung durch KI in der Medizin werden im Mittelpunkt der nächsten Veranstal- tungen des Projekts stehen. Denn Schicktanz sieht ebenfalls sowohl Chancen als auch Risiken bei der Digitalisierung: „Ich glaube nicht, dass sie per se alles verbessert. Ich glaube, es liegt jetzt an uns, diesen Prozess mitzugestalten“, fordert die Wissenschaftlerin und ermuntert auch Skeptiker, Stellung zu beziehen, um Probleme, die vielleicht sonst übersehen würden, frühzeitig zu benennen. „Die Entscheider im Ge- sundheitswesen – Politik oder eben die Ärzteschaft selbst – sollten herausgefordert werden, Lösungen anzubieten“, ist Fotos: AOK-Mediendienst Schicktanz überzeugt. „Die Digitalisierung wird kommen“, lautet ihre Botschaft etwa an Ärztinnen und Ärzte: „Die Frage ist, ob wir die Chance der Mitgestaltung nutzen. Die Corona-Krise hat ja auch gezeigt, dass die Digitalisierung in bestimmten Settings ein echter Gewinn war – das darf man Die Corona-Pandemie hat zu einem Schub für die Telemedizin geführt. nicht unterschätzen.“ r Inge Wünnenberg 16 niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit Booster oder Kollaps für das Gesundheitswesen? Fachtagung über Fortschritt, Neuerungen und Herausforderungen rund um die Digitalisierung Die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht große Teil statt und werden nicht gestreamt. Teilnehmende vor Ort Fortschritte: Gerade während der Corona-Pandemie ist haben die Möglichkeit, fünf Fortbildungspunkte zu erhalten. deutlich geworden, wie wichtig eine funktionierende digitale Infrastruktur ist, um telemedizinische, internetbasierte An- Gemäß der Frage, „Digitalisierung: Booster oder Kollaps für wendungen und Kommunikationsplattformen störungsfrei das öffentliche Gesundheitswesen?“, wird der diesjährige nutzen zu können. Auch Teile der Bevölkerung wünschen Digitalgipfel neben den vielen Chancen auch die Risiken sich eine vermehrte Einbindung digitaler Lösungen in den beim Einsatz telemedizinischer Anwendungen oder anderer ärztlichen Behandlungsalltag. Darüber hinaus profitiert die technischer Neuerungen im Hinblick auf die Datensicher- Aus- und Fortbildung mehr und mehr von den neuen tech- heit thematisieren. Nach der Eröffnung durch Ärztekam- nischen Möglichkeiten wie den Einsatz von Virtual Reality. merpräsidentin Dr. med. Martina Wenker und den HsH- Serious-Gaming-Formate bieten zum Beispiel die Gelegen- Präsidenten Professor Dr. rer. nat. Joseph von Helden stehen heit, den Alltag in einer Notaufnahme in einem Spiel nach- unter anderem Vorträge und Beiträge von Univ.-Prof. Dr. zustellen, eine digitale Praxis zu führen oder auf einer chi- Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel (Ge- rurgischen Trainingsplattform virtuelle Eingriffe vorzuneh- schäftsführender Direktor des Instituts für Medizinmanage- men. Andererseits ist während der Pandemie ebenso deut- ment und Gesundheitswissenschaften der Universität Bay- lich geworden, wie viel Nachholbedarf es auf dem Gebiet reuth), dem Präsidenten des Niedersächsischen Landesge- des digitalen Fortschritts an vielen Stellen des Gesundheits- sundheitsamts Dr. med. Fabian Feil, Staatssekretär Stefan systems noch gibt. Muhle (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Digitalisie- rung), dem HsH-Vizepräsidenten Prof. Dr. iur. Fabian Die Frage, wie die Digitalisierung das Gesundheitswesen Schmieder, der stellvertretenden Vorsitzenden der ÄKN- voranbringt, greift der 5. Niedersächsische Digitalgipfel Ge- Bezirksstelle Osnabrück Dr. med. Karin Bremer und Dr. rer. sundheit, der von der Ärztekammer Hannover gemeinsam nat. Guillermo Carbonell (HsH) auf dem Programm. mit der Hochschule Hannover (HsH) veranstaltet wird, am 24. November 2021 auf. Die Fachtagung wird in Präsenz im Anmeldungen zum Digitalgipfel und zu den Fachforen sind Design Center der Hochschule Hannover (Expo Plaza 2) in über die Homepage www.digitalgipfel-gesundheit.de mög- der Zeit zwischen 13 und 18 Uhr durchgeführt, aber auch lich. Fragen an die Experten können vorab unter der E-Mail- live über die Website digitalgipfel-gesundheit.de übertragen. Adresse kommunikation@aekn.de eingereicht werden. Die vier Fachforen finden im Anschluss an den öffentlichen r Oliver Busse Anzeige Qualitätskonferenz: Onkologische Versorgungsrealität Niedersachsen Neue Veranstaltungsreihe als Gemeinschaftsprojekt des Klinischen Krebsregisters Niedersachsen (KKN), des Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N) sowie kooperierender Onkologischer Zentren des Landes Bei jeder Veranstaltung wird eine Tumorentität aus einem der folgenden Bereiche vorgestellt: - Tumoren der Verdauungsorgane - Urologische Onkologie - Gynäkologische Onkologie - Weitere Tumoren (z. B. Melanom, Lunge, Systemische Erkrankungen) Auftakt am 01.12.2021 am UniversitätsKrebszentrum der Universitätsmedizin Göttingen zu dem Thema Harnblasenkarzinom Auskunft & Anmeldung Je nach aktueller Situation findet die Veranstaltung online oder als Hybrid-Veranstaltung statt. Weitere Informationen zum Format und zur Anmeldung finden Sie unter www.kk-n.de/auswertungen/qualitaetskonferenzen/. Die Anmeldung ist auch per Telefon oder E-Mail über das KKN möglich. Telefon: 0511 277897-71 oder -72, E-Mail: rueckmeldung@kk-n.de Die Veranstaltung ist von der Ärztekammer Niedersachsen mit 2 Fortbildungspunkten zertifiziert. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung hier 11 | 2021 17
Hochschulen „Wir bilden viele Ärztinnen und Ärzte aus: Wir müssen sie besser verteilen!“ Interview mit Professor Dr. med. Lorenz Trümper: Das neue Vorstandsmitglied der Universitätsmedizin Göttingen berichtet über Kooperationen über die Sektorengrenzen hinweg und plädiert dafür, Online-Fortbildungen weiterzuentwickeln und zu nutzen. Über den Neubau der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), die Digitalisierung des Gesundheitswesens, den aktuellen Entwurf für eine neue Approbationsordnung, während der Pandemie entstandene Kooperationen und weitere Themen sprach das niedersächsische ärzteblatt mit dem neuen UMG-Vorstandsmitglied Professor Dr. med. Lorenz Trümper. Der 63-jährige Onkologe trat das Amt zum 1. Mai 2021 an und ist für das Ressort Kranken- versorgung zuständig. Herr Professor Trümper, was macht der Neubau? Wir sind jetzt so weit, dass es losgeht. Konkret planen wir aktuell die Baustufe I. Das betrifft 60 bis 65 Prozent unserer Betten, die neuen OPs und die Notaufnahme. Vor allem die Notaufnahme muss dringend erneuert werden, um all den Anforderungen gerecht zu werden, die heute von der Be- völkerung an eine Notaufnahme gestellt werden. Neu im Vorstand der Universitätsmedizin Göttingen: Professor Dr. med. Lorenz Trümper Gilt es auch, veränderte Workflows beim Neubau zu be- rücksichtigen? heiten und ihre besonderen Bedürfnisse konzipierten Ge- bäude sehen anders aus als die der Regel- oder Grundver- Das ist in der Tat der Grund, warum wir das Klinikum, das sorgung. gar nicht so alt ist und über eine gute Bausubstanz verfügt, neu bauen müssen: weil es von den Abläufen her nicht Was wird noch anders werden? Wird die Versorgung der mehr zeitgemäß ist. Für uns als Maximalversorger stehen Bevölkerung ambulanter? dabei die Bedürfnisse der Bevölkerung im Vordergrund. Also Fragen wie: Was sind die Krankheiten, um die wir uns Die Medizin – wie zum Beispiel die Onkologie – ist heute kümmern müssen? Oder: Wie wird sich die Gesundheits- in weiten Teilen ambulant. Wir behandeln heute Krebser- versorgung entwickeln? Auf dieser Basis haben wir die An- krankungen ambulant, die wir vor rund 20 Jahren noch forderungen an uns als Maximalversorger und für unsere durchgehend stationär behandelt haben. Das ist für den Rolle in Südniedersachsen ermittelt und den Neubau kon- Heilungserfolg gut, aber es bedarf vollkommen anderer zipiert. räumlicher Strukturen, als wir sie bisher haben. Deshalb wird auch das System mit den strikten Sektorengrenzen Was steht beim nächsten Bauabschnitt an? zwischen ambulanter und stationärer Versorgung meiner Auffassung nach in den nächsten Jahren zu einem großen Erst einmal das neue Eltern-Kind-Zentrum. Auch dieser Problem für unser Gesundheitswesen werden. Die getrennte Komplex wird anders aussehen, als man vor 30 Jahren ge- sektorale Versorgung führt zu Doppelvorhaltung und zu baut hätte: Wir integrieren die gesamte ambulante Behand- Konkurrenzen, für die wir weder das Geld noch genügend lung. Außerdem wird alles von der humangenetischen Be- Fachkräfte haben. ratung bis zur sozialpädiatrischen Betreuung unter einem Foto: UMG/fskimmel Dach sein. Dabei planen wir ein, dass wir in den Fächern, Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für die UMG? in denen seltene Krankheiten behandelt werden, weiterhin eine Alleinversorger-Rolle haben werden. Die für die Ver- Aktuell führen wir eine elektronische Patientenakte ein. Wir sorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Krank- wollen mit unserer in Frühjahr vorgestellten Digitalisie- 18 niedersächsisches ärzteblatt
Hochschulen Professor Dr. med. Lorenz Trümper ist Bringt dieses Konzept neue Aufgaben mit sich? seit Mai Vorstandsmitglied der UMG Wir können unsere Rolle als Maximalversorger inzwischen ZUR PERSON gut definieren: Einem aktuellen Papier des Wissenschaftsrats Zum 1. Mai 2021 hat Professor Dr. med. Lorenz Trümper zufolge sind wir für Beratung, Kompetenz, Wissensvermitt- sein neues Amt als Vorstand Krankenversorgung der Uni- lung, aber auch Strukturierung zuständig. Während der versitätsmedizin Göttingen angetreten. An der Medizini- Pandemie haben wir zum Beispiel auf freiwilliger Basis ein schen Fakultät und der Universitätsmedizin Göttingen, wo Netzwerk der südniedersächsischen Kliniken aufgebaut. er seit November 2000 die Klinik für Hämatologie und Me- Dieses Netzwerk wird es weiterhin geben, damit wir uns dizinische Onkologie als Direktor leitete, arbeitete er in untereinander absprechen und die Vorschläge der Enquete- verschiedenen Gremien mit. Trümper war unter anderem kommission umsetzen können. Mitglied des Fakultätsrats, des Senats, zahlreicher Beru- fungskommissionen und hatte seit 2015 bis zum Wechsel Stößt die Kooperation über die Sektorengrenzen hinweg in den UMG-Vorstand das Amt des Studiendekans inne. auf Schwierigkeiten? Darüber hinaus war Trümper Gründungsdirektor des Uni- versitäts-Krebszentrums (G-CCC) der UMG sowie Grün- Es geht darum, dass eine Patientin oder ein Patient bei Er- dungspräsident der German Lymphoma Alliance GLA e.V. krankungen, die einer besonderen Kompetenz bedürfen, Außerdem amtiert der 63-Jährige noch bis Ende 2021 als diese Kompetenz auch abrufen kann. Dabei gilt es klar zu Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesell- entscheiden, wer des Maximalversorgers bedarf und wer schaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie nicht. Das macht aber die Sektorengrenze schwierig. Die (DGHO). Als Arzt und Wissenschaftler lag der Arbeits- Patientin oder der Patient müssen quasi aus dem niederge- schwerpunkt des Onkologen in der klinischen und trans- lassenen Bereich in den universitären Bereich und zurück. lationalen Erforschung Maligner Lymphome. Wir sind jedoch an der niedergelassenen Regelversorgung als Maximalversorger, der weder über Kassensitze noch über ein MVZ verfügt, bisher nicht beteiligt. Wir wollen uns rungsstrategie das Krankenhaus in wenigen Jahren vollstän- besser mit den Niedergelassenen vernetzen, stoßen dabei dig papierlos betreiben. Aber nicht nur als Versorgungs- aber an strukturelle Grenzen. krankenhaus, sondern auch als Universitätsklinik. Deshalb gilt es, eine elektronische Krankenakte zu konstruieren, bei Wären diese Kooperationen ein Konzept gegen den Ärz- der ich die Patientendaten – natürlich anonymisiert – für die temangel? Versorgungsforschung vorhalte. Die Forschung soll am Ende ermöglichen, Gesundheitsversorgung besser zu planen. Das Ich bin der Meinung, dass wir eigentlich keinen Mangel an hat ebenfalls Einfluss auf die Baustruktur. Wenn Sie alle Pflegekräften oder Ärztinnen und Ärzten in Deutschland Prozesse digitalisieren können, planen Sie Wege und Vor- haben dürften. Ich kann das erläutern: Wir haben in den haltestrukturen anders. Krankenhäusern etwa ein Pflegeverhältnis von sieben zu eins. In anderen Ländern ist das Pflegeverhältnis deutlich Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten? besser. Wenn Sie sich aber die Zahlen ansehen, wie viele beruflich Pflegende und wie viele Menschen es hierzulande Aus meiner Sicht ist es unsere Rolle, dafür zu sorgen, dass gibt, steht Deutschland überhaupt nicht schlecht da. Das die Grundversorgung in Südniedersachsen optimal ist – un- heißt, wir haben nicht wenig Pflegende pro Einwohner im abhängig davon, wo die Patientin oder der Patient in dieser Beruf, sondern wir haben im Vergleich zu anderen Ländern Region wohnen. Jeder soll die bestmögliche Gesundheits- eine andere Verteilung gewählt. Wenn Sie die Arztzahlen versorgung bekommen. Das bedeutet nicht, dass alle an der betrachten – also Arzt pro Einwohner – steht Deutschland Uniklinik behandelt werden. Das bedeutet aber, dass wir auch keineswegs schlecht da. Unser Kernproblem – und Beratungs-, Versorgungs- und Vernetzungsstrukturen vor- das wird auch von der Enquetekommission so gesehen – ist halten müssen, die allen die Sicherheit gibt, etwa bei einer eine suboptimale Verteilung und eine unzureichende Be- ernsthaften Krebserkrankung, die Kompetenz des Maximal- darfsplanung. versorgers nutzen zu können. Gleichzeitig soll die Behand- lung, soweit es geht, durch Ärztinnen und Ärzte vor Ort ge- Wie könnte Nachwuchs für Hausarztpraxen gewonnen staltet werden. Diese Vernetzung ist auch ein Anliegen der werden? Enquetekommission des niedersächsischen Landtags zur „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizini- Für die Verteilung der Hausärztinnen und -ärzte gibt es schen Versorgung in Niedersachsen“. hierzulande keine übergeordnete Bedarfssteuerung. Ich 11 | 2021 19
Sie können auch lesen