Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen

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Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
                                                         94. Jahrgang | November 2021

                                  Medizin 4.0
                                   5. Niedersächsischer
                               Digitalgipfel Gesundheit

Kammerversammlung           Honorar                      Politik
Bericht der                 KVN-Honorar-                 Die Gesetzmaschine –
Ärzteversorgung             abrechnung                   Gesundheitsminister
über 2020                   2. Quartal 2021              Jens Spahn
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Zielgruppengenau und treffsicher.

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Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Editorial

                         Klimaschonend durch
                         Digitalisierung
                                                                                              Liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                                                                              sehr geehrte Damen und Herren,

                                                                                             die Corona-Pandemie hat zu einem ungeheuren
Fotos: C. Wyrwa, H. Preller

                                                                                             Digitalisierungsschub in vielen Bereichen der Ge-
                                                                                             sellschaft geführt. Als Ärztinnen und Ärzte haben
                                                                                             viele von uns erlebt, dass psychotherapeutische
                                                                                             Sitzungen via Bildschirm besser waren, als Pa-
                                                                                             tientinnen und Patienten gar nicht zu sehen. Auch
                                                                                             haben wir den kollegialen Austausch per Video-
                                          konferenz und Telekonsil schätzen gelernt. Fortbildungen, die wir als Ärztekammer Niedersachsen
                                          nach dem Ausbruch von COVID-19 live übertragen oder auch als Aufzeichnung zur Verfügung
                                          gestellt haben, sind auf eine enorme Nachfrage unter den Mitgliedern gestoßen. Nicht zuletzt
                                          erreichte der Live-Talk „Zur Sache Corona“, den wir regelmäßig mit dem Infektiologen Professor Dr.
                                          med. Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover sowie weiteren Expertinnen und
                                          Experten aus der Ärztekammer gesendet haben, ein richtig großes Publikum.

                                          Daher wollen wir uns nach anderthalb Jahren Pandemie auf dem 5. Niedersächsischen Digitalgipfel
                                          Gesundheit am 24. November 2021 in Hannover der Frage widmen, was die Digitalisierung auf
                                          Dauer für das Gesundheitssystem bedeutet. Welche Lehren ziehen wir im Hinblick auf den Öffentlichen
                                          Gesundheitsdienst (ÖGD) oder auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten für die
                                          medizinische Aus- und Fortbildung aus der Krise?

                                          Wir sollten das Thema allerdings noch aus einem anderen Blickwinkel sehen: Gerade erst haben wir
                                          gemeinsam mit einer Delegation der Ärztekammer Niedersachsen am Deutschen Ärztetag in Berlin
                                          zum Schwerpunktthema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ teilgenommen und uns als ÄKN-
                                          Vorstand zudem dafür ausgesprochen, uns auch als Ärztekammer Niedersachsen auf den Weg zur
                                          Nachhaltigkeit zu begeben.

                                          Um dieses Ziel zu erreichen, kann uns die Digitalisierung eine große, wertvolle Hilfe sein: Als nieder-
                                          sächsische Ärztekammer arbeiten wir bereits mit Hochdruck daran, Prozesse zu digitalisieren und
                                          planen zum Beispiel, papierlos in das neue Ärztehaus in Hannover umzuziehen. Aber auch andere
                                          Maßnahmen gilt es aus ökologischen Gründen zu ergreifen: Durch digitale Meetings lässt sich etwa
                                          ein Teil der Fahrten zu Gremien und Ausschüssen einsparen. Auf dem Deutschen Ärztetag wurden
                                          bereits viele Anträge, das Gesundheitswesen umweltfreundlicher zu gestalten, mit großen Mehrheiten
                                          beschlossen. Auch wir wollen und müssen durch aktives Handeln den Weg zu einem nachhaltigen
                                          Klimaschutz beschreiten.

                                          Mit kollegialen Grüßen

                                          Dr. med. Martina Wenker                              Dr. med. Marion Charlotte Renneberg
                                          Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen            Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

                              11 | 2021                                                                                                                    3
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
8
Über Kernforderungen an die Gesundheits-
                                                                               12
                                               Die Kammerversammlung beschließt auf Vor-
                                                                                                                               18
                                                                                            Über die Vorteile von Online-Seminaren und
politik nach der Wahl sprach auf der Kammer-   schlag der Ärzteversorgung Niedersachsen     viele andere Themen spricht Professor Dr. med.
versammlung der Ärztekammer Niedersach-        die Erhöhung der Renten und Anwartschaften   Lorenz Trümper, neues Vorstandsmitglied der
sen Präsidentin Dr. med. Martina Wenker.       zum 1. Januar 2022.                          Universitätsmedizin Göttingen, im Interview.

ÄKN
Politik
8 Zwischen Klimakrise und Pandemie 4. Sitzung der Kam-
   merversammlung der Ärztekammer Niedersachsen in
                                                                      Bezirksstellen
                                                                      22 „Akutfälle müssen zeitgerecht versorgt werden!“ Grußwort
                                                                         von Professor Dr. med. Klaus-Dieter Kossow, Vorsitzender
   der 19. Wahlperiode in Celle zu prioritären Forderungen               der Bezirksstelle Verden
   an die Politik sowie zu Klimaschutz und der COVID-                 23 Ärztin und Lehrerin mit Leib und Seele Nachruf für Dr.
   19-Impfkampagne.                                                      med. Claudia Kampmann, stellvertretende Vorsitzende
11 Folgen der Pandemie für die Jugend Ärztekammer-Vor-                   der ÄKN-Bezirksstelle Verden
   standsmitglied Dr. med. Thomas Buck berichtet über                 23 Mehr MFA-Auszubildende 2021 in Verden
   Strategien zur Unterstützung von Kindern und Jugend-               24 Impfaktion für ausländische Studierende Dr. med. Thomas
   lichen und zur Therapie von Long-COVID bei Kindern.                   Buck und sein Praxisteam impften an der Leibniz Uni-
                                                                         versität in Hannover.
Ärzteversorgung                                                       24 Team der Bezirksstelle Braunschweig verabschiedet Dr.
12 Bewährtes Risikomanagement Berichte unter anderem                     med. Marianne Pellegrini.
   zu Renditen und zur Nachhaltigkeitsstrategie: Außerdem
   beschließt die Kammerversammlung die Erhöhung der                  MFA
   Renten und Anwartschaften zum 1. Januar 2022 um                    25 Hilfe statt Ausbildungsabbruch Berufseinsteiger und
   0,5 Prozent.                                                          -innen mit Problemen rund um die Ausbildung können
                                                                         verschiedene Förderangebote wie Ausbildungsbegleitete
Digitalisierung                                                          Hilfen (abH) erhalten.
14 Das digitalisierte Gesundheitssystem Neue Technologien,
   Robotik und der Einsatz von Algorithmen und Künstlicher            Patientensicherheit
   Intelligenz verändern das Gesundheitssystem. Um diese              26 Aus positiven Ereignissen lernen: Systeme gelten als
   Themen wird es beim 5. Niedersächsischer Digitalgipfel                sicher, wenn möglichst wenig schief geht. Deshalb liegt
   Gesundheit am 24. November in Hannover gehen.                         der Fokus im Risikomanagement zu selten auf dem,
                                                                         was gut und positiv gelaufen ist.
Hochschulen
18 „Wir müssen Ärztinnen und Ärzte besser verteilen!“
   Professor Dr. med. Lorenz Trümper, neues Vorstands-
                                                                                                                                             Fotos: H. Krückeberg, UMG/kimmel

   mitglied der Universitätsmedizin Göttingen, berichtet
   im Interview über den Neubau, Kooperationen über die
   Sektorengrenzen hinweg und den Vorteil von Online-
   Fortbildungen.

4                                                                                                        niedersächsisches ärzteblatt
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Fotos: pixelio; U. Köster

                                                             33
                            Fallzahlen und Honorare erreichen fast wie-
                                                                                                               48
                                                                           Medizin im Tandem: Mentee-Projekt des Land-
                                                                                                                                                                  54
                                                                                                                                Kommunikation für Psychotherapeuten:
                            der Vor-Corona-Niveau - in manchen Berei-      kreises Gifhorn begeistert junge Medizinerinnen      KBV-Serie zu neuen TI-Anwendungen in Pra-
                            chen allerdings verzögert. Über die „Schutz-   und Mediziner frühzeitig für die Hausarzttätigkeit   xen - weitere Digitalisierungsschritte auch für
                            schirm“- Regelung erfolgt ein Ausgleich.       - und holt so ärztlichen Nachwuchs in die Region.    Psychotherapeuten.

                            KVN
                            Honorar & Verträge
                            33 Ergebnisse der Honorarabrechnung 2/2021 Honorar-
                               zuwachs im Vergleich zum Corona-Vorjahresquartal
                                                                                                      Praxis & Versorgung
                                                                                                      48 Medizin im Tandem Mentee-Projekt des Landkreises
                                                                                                         Gifhorn begeistert junge Mediziner frühzeitig für die
                                                                                                         Hausarzttätigkeit
                            Politik & Verbände                                                        50 Neuerscheinungen
                            42 Auffrischimpfungen gegen Corona laufen an Es müssen                    45 Kein Kinderkram Steuertipp: Wie können Kosten für
                               mindestens sechs Monate zwischen der Grundimmuni-                         Kinder steuerlich geltend gemacht werden?
                               sierung und der Booster-Impfung liegen
                            56 Die Gesetzmaschine Der Digitalisierungsfan Jens Spahn                  Telemedizin & Digitales
                               hat als Gesundheitsminister viele Ärztinnen und Ärzte                  54 Kommunikation für Psychotherapeuten KBV-Serie zu
                               verschreckt                                                               neuen TI-Anwendungen in Praxen
                            58 Aus anderen KVen
                                                                                                      Nach Redaktionsschluss
                            Arzneimittel & Verordnung                                                 75 Notfall Triage-Praxis startet in Norder Klinik
                            44 Antibiotika ohne Wechselwirkungen ATIS informiert:
                               Antibiotische Therapie einer schweren Exazerbation der
                               chronischen Bronchitis

                            Selbstverwaltung
                            46 Interview mit Dr. Wolfram Nagel, Vorsitzender der Kreis-
                               ärzteschaft in Esens Man muss im Auge behalten, wofür
                               man angetreten ist

                                                                                                                                  Standards
                                                                                                                                  3     Editorial
                                                                                                                                  6     Aktuell
                                                                                                                                  28    ÄKN-Mitteilungen
                                                                                                                                  59    KVN-Mitteilungen
                                                                                                                                  64    Veranstaltungen
                                                                                                                                  68    Rubrikenanzeigen
                                                                                                                                  75    Impressum

                            11 | 2021                                                                                                                                        5
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Aktuell

MHH-Studie entwickelt Referenzwerte für
Lymphozyten im Blut
Die Lymphozyten im Blut eines Men-
schen geben Aufschluss über seinen
aktuellen Gesundheitszustand sowie
angeborene oder erworbene Immun-
defizite. Die Zusammensetzung im Blut
lässt sich mit Hilfe modernster Durch-
flusszytometrie genau bestimmen. Was
bislang jedoch fehlte, waren Referenz-
bereiche, um die Messergebnisse richtig
einzuordnen. Jetzt hat ein Forschungs-
team um Dr. med. Christian Schultze-
Florey von der Klinik für Hämatologie,
Hämostaseologie, Onkologie und
Stammzelltransplantation und Dr. rer.
nat. Ivan Odak aus dem Institut für Im-
                                           Dr. med. Christian Schultze-Florey (l.) und Dr. rer. nat. Ivan Odak haben neue Normwerte für
munologie der Medizinischen Hoch-
                                           Lymphozyten im Blut ermittelt.
schule Hannover neue Normwerte er-
arbeitet, die helfen sollen, Kranke von    dieser Werte ließen sich künftig die              ferenzwerte vor, die weltweit die Di-
Gesunden sicher zu unterscheiden.          bei Patientinnen und Patienten erho-              agnostik von Erkrankungen des Blutes
„Die neuen Normwerte unterscheiden         benen Befunde genau einordnen und                 und des Immunsystems unterstützen
nicht nur nach Geschlecht, sondern         exakte Diagnosen stellen, ergänzt                 können.“ Die Studie wurde im renom-
auch nach den sinnvollen biologischen      Schultze-Florey: „Mit unserer Studie              mierten Fachjournal „Leukemia“ ver-
Altersklassen“, berichtet Odak. Anhand     liegen jetzt standardisiert erhobene Re-          öffentlicht.                    r red

Einmaliges Hepatitis-Screening                                                               Erstes Doc’s Arts Festival
neuer Bestandteil des „Check-ups“                                                            im Sommer 2022 in Goslar

Versicherte ab 35 Jahren können sich       Medikamenten wirksam verhindern.                  Das für 2020 geplante erste Doc’s Arts
einem Beschluss des Gemeinsamen            Die Deutsche Gesellschaft für Gastro-             Festival wurde aufgrund der Corona-
Bundesausschusses (G-BA) zufolge jetzt     enterologie, Verdauungs- und Stoff-               Pandemie auf das Jahr 2022 verschoben.
einmalig auf die Viruserkrankungen         wechselkrankheiten (DGVS) e.V. hat                Das Mitmach-Festival für Ärztinnen,
Hepatitis B und Hepatitis C testen las-    sich lange für ein solches Screening              Ärzte und in medizinischen Berufen
sen. Das Screening-Angebot ist neuer       stark gemacht und begrüßt nun den                 Tätige wird in der Zeit vom 16. bis
Bestandteil des sogenannten Check-         Beginn der Tests in der breiten Bevöl-            19. Juni 2022 unter Einhaltung der Hy-
ups, das alle 3 Jahre angeboten wird.      kerung. „Oft wird eine Infektion mit              gieneregeln und Teilnehmerhöchstzah-
Die Tests können übergangsweise auch       Hepatitis-Viren erst bemerkt, wenn sich           len in Goslar stattfinden. Die Teilnahme
separat durchgeführt werden, falls der     bereits Spätfolgen wie eine Leberzir-             ist als Einzelperson oder Ensemble, als
letzte Check-up weniger als 3 Jahre        rhose oder Leberkrebs entwickelt ha-              Fast-Profi oder Freizeitmusiker sowie
zurückliegt. Da beide Infektionen häufig    ben“, sagt Professor Dr. med. Frank               mit oder ohne Vorkenntnisse möglich.
zunächst symptomlos verlaufen und          Lammert, Vorstand für Krankenversor-              In verschiedenen Workshops für Or-
lange Zeit unbemerkt bleiben, können       gung der Medizinischen Hochschule                 chester, Chor, Rock/Pop, Bigband/Jazz-
sie unwissentlich weitergegeben wer-       Hannover und Präsident der DGVS.                  ensemble oder Drum Circle erarbeiten
                                                                                                                                          Foto: Karin Kaiser / MHH

den. Das Screening ist somit wichtig,      Diese Folgeerkrankungen seien dann                die Teilnehmenden unter professioneller
um die Verbreitung von Hepatitis-Viren     nur noch schwer zu therapieren. Welt-             Leitung gemeinsam Musikwerke. Die
zu begrenzen. Spätfolgen einer unbe-       weit stirbt Schätzungen der Weltgesund-           Ergebnisse der Workshop-Arbeit werden
handelten chronischen Hepatitis lassen     heitsorganisation (WHO) zufolge alle              in einem öffentlichen Konzert präsen-
sich durch eine Therapie mit antiviralen   30 Sekunden ein Mensch daran.                     tiert. Weitere Informationen unter:
                                                                            r wbg            www.docs-arts.de.                  r red
6                                                                                                          niedersächsisches ärzteblatt
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Aktuell

                                                                                    Digitaler Fragebogen Idana
nora soll retten                                                                    für die Praxis wird voll-
                                                                                    automatisch

nora ist die neue offizielle Notruf-      Nach dem Absenden des Notrufs ist         Die SaaS-Lösung Idana hat eine neue Funk-
App der Bundesländer. Hilfesuchende       der Hilfesuchende über eine Chat-         tion - „Idana IQ". Damit können Arztpra-
erreichen mit ihr Polizei, Feuerwehr      Funktion direkt mit der Leitstelle ver-   xen ihren Patienten nach der Terminver-
und Rettungsdienst im Notfall schnell,    bunden und kann weitere Auskünfte         gabe automatisiert einen Link oder QR-
einfach und sicher. Überall in Deutsch-   geben oder Fragen stellen. Die Not-       Code zukommen lassen per Mail oder
land. nora ermöglicht es auch Men-        ruf-App ist eine zusätzliche Möglich-     SMS, der zu einem Fragebogen führt.
schen, die die Notruf-Nummern 110         keit, Polizei, Feuerwehr und Rettungs-    Nachdem die Patientinnen und Patienten
und 112 nicht anrufen können, selbst-     dienst zu erreichen. Man kann aber        ein paar Fragen beantwortet haben, sucht
ständig einen Notruf abzusetzen, ist      auch weiterhin die 110 oder die 112       „Idana IQ“ automatisch die passenden
daher besonders hilfreich für Men-        anrufen oder ein Notruf-Fax senden.       Fragebögen für die Anamnese und For-
schen mit Sprach- und Hörbehin-                                                     mulare zur Anmeldung in der Praxis aus.
derungen. Dank der Standortbestim-        Leistungsumfang im Überblick:             Diese starten direkt im Anschluss und
mung finden die Einsatzkräfte Betrof-     • Notruf ohne Sprechen                    die Ergebnisse werden nahtlos in die
fene über einen nora App-Notruf auch      • Standortbestimmung                      Praxissoftware angebunden. Eine MFA
dann, wenn sie selber nicht genau         • Kommunikation mit der Leitstelle        braucht nicht mehr in den Prozess ein-
wissen, wo sie sind. In wenigen Schrit-      via Chat                               gebunden werden. Die cloudbasierte
ten lässt sich ein Notruf absetzen.       • Stiller Notruf für Situationen, in      Softwarelösung ermöglicht damit ein ef-
Dabei wird der Standort des Hilfe-           denen man sich bedroht fühlt           fizienteres, kontakt- und papierloses Pa-
suchenden über sein Mobilgerät er-        • Demo-Modus zum Ausprobieren             tientenmanagement. Idana wurde im
mittelt und zusammen mit dem Notruf          eines App-Notrufs                      Rahmen der KBV-Leuchtturmprojekte im
an die zuständige Leitstelle gesendet.    • Registrierung nur mit Mobil-Num-        niedersächsischen ärzteblatt ausführlich
Der Ort lässt sich manuell ändern,           mer und Namen                          vorgestellt.                        r ös
falls er nicht richtig erfasst wurde      • zweisprachig deutsch und eng-
oder der Notfall an einem anderen            lisch                                  BDI mit neuem Vorstand
Ort passiert ist. Welche Hilfe benötigt   • verschlüsselte Kommunikation und
wird, wird über maxial für aufeinan-         höchster Datenschutzstandard           Im Berufsverband Deutscher Internis-
derfolgende Fragen ermittelt, die durch                                   r ös      tinnen und Internisten ist bei seiner
einfaches Tippen auf Auswahlfelder                                                  Mitgliederversammlung am 9. Oktober
beantwortet werden. So erhalten die                                                 2021 der Vorstand des Landesverban-
Einsatzkräfte alle wichtigen Informa-     a   Mehr unter https://www.nora-not-      des Niedersachsen durch eine Nach-
tionen in wenigen Sekunden.                   ruf.de/de-as/startseite               wahl des stellvertretenden Vorsitzenden
                                                                                    ergänzt worden. Er hat nun die fol-
                                                                                    gende personelle Zusammensetzung:
                                                                                    Vorsitzender:
                                                                                    Dr. Thomas Schmidt, Göttingen.
                                                                                    Stellvertretender Vorsitzender:
                                                                                    Prof.Dr. Andreas Franke, Hannover.
                                                                                    Beisitzer:
                                                                                    Dr. Werner Bode, Celle.
                                                                                    Dr. Andreas Buck, Hannover.
                                                                                    Dr. Ludwig Grau, Oldenburg.
                                                                                    Ehrenvorsitzender/Fortbildungsbeauftragter:
                                                                                    Dr. Wolf-Dieter Kirsten, Hannover.
                                                                                    In einer zeitnahen Vorstandssitzung wer-
                                                                                    den die einzelnen Ressorts als Aufga-
                                                                                    benbereiche neu vergeben und die ent-
                                                                                    sprechenden Ansprechpartner für spe-
                                                                                    zielle Fragestellungen benannt. r ös

10 | 2021                                                                                                                     7
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Unter der Wahrung von Abstand und der Einhaltung der Hygienemaßnahmen tagte das Ärzteparlament – hier Vorstand, Geschäftsführung und
Organisationsteam – in den Räumen der Congress Union Celle.

Zwischen Klimakrise und Impfkampagne
4. Sitzung der Kammerversammlung in der 19. Wahlperiode in Celle unter anderem zu
prioritären Forderungen an die Politik / Bericht zur Lage von Präsidentin Dr. med. Martina
Wenker über die Bedeutung des Klimaschutzes und der COVID-19-Impfkampagne

„An den Fragen der Gesundheitsversorgung wird keine Ko-         dritten Forderung stimmte Wenker die Delegierten auf das
alitionsverhandlung scheitern“, räumte Dr. med. Martina         zentrale Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ des
Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, am           125. Deutschen Ärztetags am 1. und 2. November 2021 in
29. September zu Beginn der 4. Sitzung der Kammerver-           Berlin ein. Die Klimakrise mache krank, erläuterte die
sammlung der 19. Wahlperiode ein. Die Delegiertenver-           Ärztin: Schon jetzt gingen gesundheitliche Gefahren von
sammlung der Ärztekammer                                                                              Extremwetterereignissen wie
Niedersachsen (ÄKN) in den                                                                            Hitze, Dürreepisoden, Wald-
Räumen der Congress Union „Die Klimakrise macht krank, deshalb ist                                    bränden, Unwettern, Über-
Celle, die sich schwerpunkt- es wichtig, das Gesundheitswesen auf die                                 flutungen und Stürmen aus.
mäßig den Anliegen der Ärz- Folgen der Erderwärmung vorzubereiten.“ Negative Folgen für die Be-
                                                                             Dr. med. Martina Wenker,
teversorgung Niedersachsen                                                                            völkerung zeitigten auch die
                                                          Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen
widmete, stand noch stark                                                                             vermehrte Schadstoffbelas-
unter dem Eindruck der Bun-                                                                           tung der Luft, die ganzjährige
destagswahl einige Tage zuvor. Die Ärztekammerpräsidentin       Allergenexposition, die stärkere UV-Bestrahlung und die
nahm das zum Anlass, in ihrem „Bericht zur Lage“ der Bun-       zunehmende Ausbreitung der Erreger von Infektionskrank-
despolitik für die anstehenden Koalitionsverhandlungen          heiten. Deshalb ist es laut Wenker wichtig, das Gesund-
drei „prioritäre Kernforderungen für ein gesundheitspoliti-     heitswesen auf die Folgen der Erderwärmung vorzubereiten.
sches Sofortprogramm“ mit auf den Weg zu geben. Unter
dem ersten Stichwort „Patient vor Profit“ drang Wenker da-      „ÄKN auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“
rauf, den Einfluss von Fremdkapitalgebern auf die medizi-
nische Versorgung zu begrenzen: „Die Entwicklung, den           „Dieser Sommer hat uns gezeigt, dass der Klimawandel kei-
Gesundheitssektor als Markt zu sehen, mit dem Geld ver-         ne düstere Prognose ist: Die Klimakrise ist da“, folgerte die
dient wird, muss uns Ärztinnen und Ärzte beunruhigen.“          Präsidentin und zitierte aus der Berufsordnung, dass es Auf-
                                                                gabe der Ärztinnen und Ärzte sei, am Erhalt der natürlichen
                                                                                                                                       Fotos: H. Krückeberg

Die zweite Forderung der Ärztekammerpräsidentin galt            Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die
dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD): „Applaus              Gesundheit der Menschen mitzuwirken. Daher habe der
reicht nicht“, mahnte Wenker, der ÖGD müsse krisen-, zu-        Vorstand der niedersächsischen Ärztekammer in der aktu-
kunfts- und pandemiesicher ausgebaut werden. Mit ihrer          ellen Wahlperiode erneut den Arbeitskreis „Prävention und

8                                                                                                      niedersächsisches ärzteblatt
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Politik

Umwelt“ eingerichtet und damit beauftragt, sich des Themas
„Klimaschutz und Umweltschutz sind Gesundheitsschutz“
anzunehmen und sich mit dem Projekt „ÄKN auf dem Weg
zur Nachhaltigkeit“ zu befassen.

„Klimaneutrale Ärztekammern bis 2030“

Darüber hinaus unterstützt der ÄKN-Landesvorstand der
Ärztekammerpräsidentin zufolge den Vorstoß des Bundes-
ärztekammervorstands, der die Initiative „Klimaneutrale
Ärztekammern bis 2030“ ins Leben gerufen hat: „Nicht nur
fordern, sondern vor allem Handeln ist das Gebot der Stun-
de! Um heute und in Zukunft der Vorbildfunktion gerecht
zu werden, wollen die Ärztekammern durch eigenes Han-
deln zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele beitragen.
Es ist das angestrebte Ziel aller Ärztekammern, bis zum Jahr
2030 klimaneutral zu sein.“

Aggressives Verhalten und
Gewaltandrohungen

Im zweiten Teil ihres „Berichts zur Lage“ ging Wenker auf      Von den Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der
                                                               Menschen handelte unter anderem der Bericht zur Lage von
den Stand der Impfkampagne gegen COVID-19 und die
                                                               Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker.
Frage ein: Wie gehen wir mit der großen Gruppe der Un-
geimpften um? Die Ärztekammerpräsidentin betrachtet das
Impfen als „Bürgerpflicht“. Im Hinblick auf die Anzahl der     häufiger ausgesetzt sind: „Morddrohungen und Angriffe
vollständig geimpften Menschen in Deutschland von nur          sind aufs Schärfste zu verurteilen“, machte Wenker ihre Po-
knapp 70 Prozent Ende September betonte sie abermals:          sition klar. Öffentliche Hass- und Gewaltbekundungen ge-
„Impfen ist der einzige Weg aus der Pandemie.“                 gen Ärztinnen und Ärzte sowie deren Mitarbeitende seien
                                                               durch nichts zu rechtfertigen.
Angesichts des raueren Tons rund um die COVID-19-Imp-
fungen und der auftretenden Konfrontationen mit Impfgeg-       Vizepräsidentin Dr. med. Marion Charlotte Renneberg be-
nern befassten sich Wenker und in der sich später anschlie-    richtete, als sie im Verlauf der Kammerversammlung die
ßenden Aussprache auch die Delegierten der Kammerver-          Moderation der Aussprache übernahm, von eigenen Erfah-
sammlung mit dem aggressiven Verhalten und den Gewalt-         rungen mit aggressivem Patientenverhalten. Interessierten
androhungen, denen sowohl Ärztinnen und Ärzte in Klinik        empfahl die in Peine niedergelassene Hausärztin und Vor-
und Praxis wie auch das medizinische Fachpersonal immer        sitzende der Bezirksstelle Braunschweig daher die von der

                                                                                                                            Anzeige

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11 | 2021                                                                                                                        9
Medizin 4.0 5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit - Ärztekammer Niedersachsen
Politik

Ärztekammer herausgegebene Broschüre mit dem Titel
„Übergriffe gegen Praxisteams – vorbeugen und abwen-
den!“. Der Ratgeber, der auf der Webseite www.aekn.de
heruntergeladen oder bestellt werden kann, richtet sich so-
wohl an Ärztinnen und Ärzte als auch an Medizinisches As-
sistenzpersonal und die Teams in Praxen und Kliniken.

Impfskeptiker als globale Bedrohung

Beleidigungen und Drohungen, die impfende Ärztinnen
und Ärzte gemeinsam mit ihren Teams ertragen müssen,
kritisierten auch einige Mitglieder der Kammerversammlung.
In der Debatte zu Wort meldete sich neben anderen Dr.
med. Marc Hanefeld, niedergelassener Facharzt für Allge-
meinmedizin in Bremervörde und seit dieser Wahlperiode
neu im Ärzteparlament. Hanefeld erinnerte daran, dass die
Weltgesundheitsorganisation WHO Impfskeptiker als glo-
bale Bedrohung klassifiziert habe. Ein konsequentes Vorge-
hen gegen die wenigen, aber vorhandenen Coronaleugner                Aggressives Verhalten und Drohungen gegen Ärztinnen und Ärzte
                                                                     sowie Praxis- und Klinikteams kritisierten ÄKN-Vizepräsidentin
unter den Ärztinnen und Ärzten wünschte sich zudem Uwe
                                                                     Dr. med. Marion Charlotte Renneberg und Kammerversammlungs-
Lange, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Oldenburg:                  delegierte während der Debatte.
„Wenn sie gegen die Berufsordnung verstoßen, müssen wir
als Ärztekammer tätig werden!“
                                                                     arzt für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Bramsche: „Ich
Für ein abwägendes Verhalten gegenüber jenen Eltern, die             hatte zum Beispiel eine 75-jährige, ungeimpfte Patientin,
zunächst beim Impfangebot noch zögerten, sprach sich da-             die sich dann aber impfen ließ, um ihren vorerkrankten
gegen der in Nordenham niedergelassene Kinder- und Ju-               Partner zu schützen.“ Für die Coronaleugner innerhalb der
gendarzt Dr. med. Tilman Kaethner aus: „Sonst gehen sie              Ärzteschaft hatte Nowicki genauso wenig Verständnis wie
nach Hause oder woanders hin – und die Kinder und Ju-                auch andere Mitglieder der Kammerversammlung und warb
gendlichen werden nicht versorgt oder schlechter versorgt.“          vielmehr dafür, das Gespräch zu suchen: „An diesem Fall
Eine ähnliche, aufklärende Vorgehensweise schilderte gegen           sieht man, dass eine vernünftige Aufklärung Erfolg haben
Ende der Debatte auch Dr. med. Alexander Nowicki, Fach-              kann.“                                r Inge Wünnenberg

In der Aussprache tauschten sich die Kammerversammlungsmitglieder wie hier Uwe Lange aus Oldenburg über die aktuellen Themen aus.

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Politik

„Wir müssen die Jugend beschützen“
Der Pädiater Dr. med. Thomas Buck schilderte in der Kammerversammlung die Situation
von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie und stellte das strukturierte
Versorgungsmodell für pädiatrische Patienten mit Long-COVID in Niedersachsen vor.

„Kinder und Jugendliche sind in der
ersten Zeit der Pandemie – ausgehend
von den Erfahrungen mit Influenza-
Ausbrüchen – fälschlich als Viren-
schleudern abgestempelt worden“, er-
innerte Dr. med. Thomas Buck: Über
die aktuelle Situation der Kinder und
Jugendlichen fast anderthalb Jahre
nach Beginn der Pandemie sprach das
Mitglied des ÄKN-Landesvorstands
und Obmann der Kinder- und Jugend-
ärzte im Bezirk Hannover während
der Kammerversammlung in seinem
Part des „Berichts zur Lage“.

„Fast jedes dritte Kind entwickelte un-
ter der Pandemie psychische Auffäl-
ligkeiten“, schilderte der niedergelas-
sene Kinder- und Jugendarzt und Vor-      Dr. med. Thomas Buck referierte über die Situation von Kindern und Jugendlichen während
                                          der Pandemie und stellte ein Versorgungsmodell für pädiatrische Patienten mit Long-COVID vor.
sitzende der ÄKN-Bezirksstelle Han-
nover unter anderem die Ergebnisse
der bundesweiten COPSY-Studie am          Pandemiefolgen für Kinder und Ju-               nisterium erfolgreich um Unterstützung
Universitätsklinikum Hamburg-Eppen-       gendliche einberufen hat, unterstützte          für die Einrichtung einer pädiatrischen
dorf (UKE). Gegenstand der Untersu-       explizit die Position dieses Gremiums           Long-COVID-Versorgung und für die
chung waren die Auswirkungen der          auf einer Pressekonferenz Anfang Ok-            Erforschung der langanhaltenden Be-
COVID-19-Pandemie auf die psy-            tober: „Es ist an der Zeit, dass wir uns        schwerden bei Kindern und Jugendli-
chische Gesundheit von Kindern und        als Gesellschaft gegenüber Kindern              chen geworben: Gemeinsam mit Pri-
Jugendlichen, die laut Buck vielfach      und Jugendlichen solidarisch zeigen“,           vatdozent Dr. med. Martin Wetzke von
depressive Symptome und Angststö-         sagte Thümler und kritisierte: „Erwach-         der Klinik für Pädiatrische Pneumolo-
rungen oder psychosomatische Be-          sene, die aktiv eine Impfung verwei-            gie, Allergologie und Neonatologie der
schwerden wie Niedergeschlagenheit,       gern, handeln unverantwortlich. Sie             Medizinischen Hochschule Hannover
Kopf- und Bauchschmerzen gezeigt          setzen Kinder und Jugendliche weiter            (MHH) und Professor Dr. med. Uwe
hätten.                                   Gefahren aus.“                                  Tegtbur vom MHH-Institut für Sport-
                                                                                          medizin hat Buck ein „strukturiertes
Gremium zu den                            Die Generationengerechtigkeit ist               Versorgungsmodell für pädiatrische Pa-
Pandemiefolgen für Kinder                 auch Buck, der tagtäglich die negati-           tientinnen und Patienten mit Long-
und Jugendliche                           ven Auswirkungen der Pandemie auf               COVID in Niedersachsen“ ins Leben
                                          seine jungen Patientinnen und Patien-           gerufen. Dazu gehören eine interdis-
Der Kinderarzt und Bezirksstellenvor-     ten erlebt, ein zentrales Anliegen: „Wir        ziplinäre Anlaufstelle für pädiatrische
sitzende hat im Laufe der Pandemie        müssen die Kinder und Jugendlichen              Patienten mit Long-COVID, die Ent-
sowohl die Mitglieder der „Initiative     beschützen, denn sie haben die Älte-            wicklung eines sporttherapeutischen In-
                                                                                                                                          Foto: H. Krückeberg

Niedersächsischer Ethikrat“ als auch      ren und Kranken auch beschützt“, sag-           terventionsprogramms mit der anschlie-
die niedersächsische Sozialministerin     te der Arzt und erhielt dafür Applaus           ßenden Dissemination in alle Sektoren
Daniela Behrens über die Opfer der        von den Kammerversammlungsdele-                 der niedersächsischen Patientenversor-
Jugend unterrichtet. Wissenschaftsmi-     gierten. Gemäß der Maxime „Erken-               gung sowie die Ausbildung von Kom-
nister Björn Thümler, der einen Kreis     nen – Verstehen – Behandeln“ hat                petenz auf der Seite der Betroffenen.
aus Expertinnen und Experten zu den       Buck außerdem im Wissenschaftsmi-                                  r Inge Wünnenberg
11 | 2021                                                                                                                           11
Ärzteversorgung

Risikomanagement der Ärzteversorgung
Niedersachsen hat sich bewährt
Bericht aus dem Versorgungswerk über das Geschäftsjahr 2020 / Wahl eines Teils der
Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat / Kammerversammlung beschließt Erhöhung der
Renten und Anwartschaften zum 1. Januar 2022 um 0,5 Prozent.

Das Risikomanagement und die Nachhaltigkeitsstrategie               Anschließend ging Pommer auf das Risikomanagementsys-
der Ärzteversorgung Niedersachsen, die Auswirkungen der             tem des Versorgungswerks ein. Dieses habe sich während
Corona-Pandemie auf die Kapitalmärkte und die Bundes-               der Turbulenzen an den Aktienmärkten 2020 bewährt und
tagswahl: Dies waren einige der Themen, die in diesem Jahr          das Versorgungswerk gut durch die Krise gebracht. Auch
in den Vorträgen auf der Kammerversammlung am 29. Sep-              die Nachhaltigkeitsstrategie der Ärzteversorgung Nieder-
tember 2021 von den Verantwortlichen der Ärzteversorgung            sachsen war ein wichtiges Thema in seinem Vortrag. Ihre
Niedersachsen aufgegriffen wurden.                                  Schwerpunkte sind neben ausgewählten Ausschlusskriterien
                                                                    insbesondere der Dialog mit Unternehmen und deren Be-
Zunächst stellte der Vorsitzende des Vorstands, Dr. med.            einflussung zu nachhaltigerem Handeln, unter anderem
Gerd Pommer, die zentralen Punkte des Geschäftsberichts             durch Stimmrechtsausübung. „Grundsätzlich werden in al-
2020 vor: Die Anzahl der Mitglieder des Versorgungswerks            len derzeitigen Kapitalanlagen der Ärzteversorgung die ge-
stieg effektiv um 1.085 auf 38.805. Die Beitragseinnahmen           setzten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt“, fasste Pom-
beliefen sich auf gut 464 Millionen Euro. Die Zahl der Ren-         mer zusammen. Er berichtete darüber hinaus, dass für die
tenempfänger lag zum Ende des Geschäftsjahrs 2020 bei               Immobilien der Ärzteversorgung Niedersachsen extern ein
13.581. Mit etwa 442 Millionen Euro hatten auch die Auf-            ESG-Scoring entwickelt wurde.
wendungen für Versorgungsleistungen sowie Rückkäufe
und Überleitungen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen.              Anknüpfend an den Vortrag des Vorstandsvorsitzenden
Der Saldo aus Beitragseinnahmen und Versorgungsleistun-             Pommer erklärte der Finanzsachverständige Dirk Dreis-
gen ist somit weiterhin positiv.                                    kämper: „Ihr Versorgungswerk steht hinsichtlich der Reser-

                              12,35 %
                                                                               0,32 %
                              Witwen-/Witwer-/
                                                                               Waisenrenten
                              Lebenspartnerrenten
                                                                                                      2,50 %
                                                                                                      Sonstige Leistungen
     1,51 %
     Berufsunfähigkeitsrenten

                                             83,32 %
                                                                                                                                    Grafiken: ÄVN

                                             Altersrenten

Die Versorgungsleistungen der Ärzteversorgung Niedersachsen zum 31. Dezember 2020 im Überblick

12                                                                                                   niedersächsisches ärzteblatt
Ärzteversorgung

 Kapitalanlagenrendite in %

    6
                                                  5,28
                                      5,05
                         4,80
    5
             4,19                                              4,09
                                                                                        4,05
    4                                                                       3,69                              3,68       3,55
                         4,24         4,19        4,29
             3,65                                                                                     2,94
    3                                                          3,21         3,33
                                                                                        3,33                  3,29       3,10

    2
                                                                                                      2,13
                    Bruttorendite
    1
                    Nettorendite

    0
            2011        2012         2013        2014         2015         2016        2017           2018   2019       2020

Die von der Ärzteversorgung Niedersachsen erzielte Netto- und Bruttorendite der Jahre 2011 bis 2020

vesituation heute besser da denn je.“ Anschließend erläu-              verblieb im Geschäftsjahr 2020 ein Überschuss in Höhe
terte er die Strategie der Ärzteversorgung Niedersachsen               von rund 152 Millionen Euro. Dieser wurde verwendet, um
zur Erwirtschaftung rechnungszinsfähiger Renditen in Zeiten            die Rücklage sowie die Rückstellung für künftige Leistungs-
niedriger Zinsen: Neben zunehmenden Investitionen in Im-               verbesserungen zu erhöhen. Vorstand und Aufsichtsrat
mobilien gehörten dazu auch Investitionen in Alternative               schlugen den Mitgliedern der Kammerversammlung eine
Investments wie Private Equity, Private Debt und Infrastruk-           Anhebung der Anwartschaften und der laufenden Renten
tur.                                                                   von jeweils 0,5 Prozent zum 1. Januar 2022 vor. Die Mit-
                                                                       glieder der Kammerversammlung stimmten dem Vorschlag
Der Vorsitzende des Aufsichtsrats Dr. med. Franz Bernhard              zu. Die Genehmigung durch die Versicherungsaufsicht
M. Ensink, MBA griff in seinem Vortrag zunächst die Aus-               steht noch aus.
sagen zum Thema Rente in den Wahlprogrammen der Bun-
destagsparteien auf. Hinsichtlich des Wahlergebnisses                  In diesem Jahr wurde ein Teil der Mitglieder des Vorstands
schloss er: „Das Wahlergebnis lässt vermuten, dass wir uns             und des Aufsichtsrats der Ärzteversorgung Niedersachsen
auf langwierige Koalitionsverhandlungen einstellen müs-                gewählt. Im Vorstand betraf dies die Positionen des stellver-
sen.“ Im Anschluss informierte er über das Urteil im Klage-            tretenden Vorsitzenden, eines ärztlichen Mitglieds sowie
verfahren der Ärzteversorgung Niedersachsen gegen das Fi-              der drei Sachverständigen. Der stellvertretende Vorsitzende
nanzamt Hannover wegen Umsatzsteuer: Das Gericht hat                   Dr. med. Günter Meyer, das ärztliche Mitglied Dr. med.
entschieden, dass die Tätigkeit im Vorstand nicht als Unter-           Raffael-Sebastian Boragk sowie die drei Sachverständigen
nehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbracht wird.                  Professor Dr. phil. nat. Klaus Heubeck, Dirk Dreiskämper
Diese Entscheidung hatte auch Auswirkungen auf das Ge-                 und Godehard Vogt wurden in ihren Ämtern bestätigt. Im
setzgebungsverfahren zur Änderung des Kammergesetzes                   Aufsichtsrat standen die Positionen des stellvertretenden
für die Heilberufe (HKG): Die im Entwurf vorgesehene Re-               Vorsitzenden sowie zweier ärztlicher Mitglieder zur Wahl.
gelung, dass die Erstattung der Umsatzsteuer auf die Ent-              Der stellvertretende Vorsitzende Dr. med. Frank Thalacker
schädigung ehrenamtlicher Tätigkeit unzulässig sei, ist ent-           sowie die beiden ärztlichen Mitglieder Mareike Grebe und
fallen.                                                                Dr. med. Wolfgang Koß wurden ebenfalls in ihren Ämtern
                                                                       bestätigt.
Der Versicherungsmathematiker des Versorgungswerks Pro-
fessor Dr. phil. nat. Klaus Heubeck berichtete schließlich                Kirsten Gutjahr
über die versicherungsmathematische Bilanz zum 31. De-                    Andreas Körner
zember 2020. Nach Dotierung der Deckungsrückstellung                      Geschäftsführung Ärzteversorgung Niedersachsen

11 | 2021                                                                                                                        13
Digitalisierung

Nachholbedarf für die breite Öffentlichkeit
Bessere Versorgung und viel Mehrwert durch Künstliche Intelligenz und Algorithmen:
Wie Expertinnen und Experten aus Medizin und Ethik die neuen digitalen Technologien
einschätzen und welche Hürden sie für die Einführung in den ärztlichen Alltag sehen.

Schneller, besser, sicherer? Viele Bereiche des Lebens haben
in den vergangenen zwanzig Jahren im Rahmen der zuneh-
menden Digitalisierung einen enormen technischen Fort-
schritt erfahren. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie
hat diese Entwicklung noch beschleunigt und viele Arbeits-
prozesse zusätzlich digitalisiert: Videokonferenzen, Tele-
konsile und Telemedizin gewannen auch im ärztlichen All-
tag zunehmend an Bedeutung. Wenn schon kein persönli-
cher Kontakt möglich war, wollte man das Gegenüber am
anderen Ende der Leitung doch wenigstens sehen. Gleich-
wohl wirft der Einsatz der digitalen Technologien immer
noch viele Fragen auf: In welchem Maße sollte ein Roboter
bei Operationen eingebunden werden? Oder: Wie zuver-
lässig unterstützen ein Algorithmus oder eine sogenannte              Professorin Dr. med. Dr. phil.   Professorin Dr. rer. nat.
                                                                      Sabine Salloch                   Silke Schicktanz
Künstliche Intelligenz (KI) Diagnosen?

Künstliche Intelligenz im Klinikeinsatz
                                                                      sorgung von Patientinnen und Patienten zugeschrieben
Während eine Webseite noch lange nicht für jede Praxis                wird, offenbaren Analysen und Untersuchungen auch immer
selbstverständlich ist, wird andernorts bereits auf die Me-           wieder, wie fragil diese Verfahren noch sind.
thoden der Künstlichen Intelligenz gesetzt, wenn es darum
geht, Hautkrebs, Arrhythmien im EKG, monogenetische                   Lernfähige Algorithmen im Einsatz bei
Erbkrankheiten oder auch seltene Erkrankungen zu diag-                der Diagnose von Hautkrebs
nostizieren. Doch obwohl diesen neuen Technologien ein
enormes Potenzial zu einer weiteren Verbesserung der Ver-             Eine Studie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankun-
                                                                      gen (NCT) Heidelberg hat etwa Anfang 2021 gezeigt, wie
                                                                      anfällig die lernfähigen Algorithmen sind, die in der Regel
                                                                      bereits gut auf der Basis von Fotografien schwarzen Haut-
                                                                      krebs von gutartigen Muttermalen unterscheiden können.
                                                                      Wurden von den Forschenden zum Beispiel relativ unauf-
                                                                      fällige Veränderungen an den Aufnahmen vorgenommen,
                                                                      also zum Beispiel der Aufnahmewinkel leicht verändert,
                                                                                                                                       Fotos: DLR / BMBF, MHH, UMG / Vincent Leifer, European Journal of Cancer

                                                                      wirkte sich das auf die Sicherheit der automatisierten Diag-
                                                                      nose aus. „Die KI wird den Blick des erfahrenen Hautarztes
                                                                      nie völlig ersetzen können“, folgerte die Forschergruppe
                                                                      aus ihren Ergebnissen.

                                                                      „Entscheidungsunterstützung ärztlicher
                                                                      Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“

                                                                      Zu dem gleichen Ergebnis kamen auch die Mitglieder der
                                                                      „Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze
                                                                      in der Medizin und ihren Grenzgebieten“ (Zentrale Ethik-
                                                                      kommission) bei der Bundesärztekammer, die im Juli dieses
                                                                      Jahres ihre Stellungnahme zur „Entscheidungsunterstützung
Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) revolutionieren die   ärztlicher Tätigkeit durch Künstliche Intelligenz“ veröffent-
medizinische Forschung und Versorgung.                                licht hat. Eine Arbeitsgruppe der Ethikkommission, der auch

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Digitalisierung

                                                                                             Bei den Fotopaaren dieser
                                                                                             Testreihe mit Bildern aus dem
                                                                                             klinischen Alltag, die Hautläsionen
                                                                                             zeigen, stimmten die Diagnose-
                                                                                             vorhersagen der Künstlichen
                                                                                             Intelligenz nicht überein.

Professorin Dr. med. Dr. phil. Sabine Salloch von der Me-      kennt die 13-seitige Stellungnahme zwar die Möglichkeiten
dizinischen Hochschule Hannover angehörte, hatte sich          einer effektiveren Datenverarbeitung durch die KI an, fordert
mit dem Einsatz sogenannter „Clinical Decision Support         aber dennoch explizit: „Die Verantwortung und Rechen-
Systems“ (CDSS) befasst. Ziel war es, die ethischen, recht-    schaftspflicht für Diagnose, Indikationsstellung und Therapie
lichen und sozialen Herausforderungen zu beleuchten, die       obliegt stets den Ärzt:innen und darf nicht an ein CDSS-Sys-
der Einsatz von CDSS im Klinikalltag mit sich bringt. So er-   tem abgetreten werden.“
                                                                                                                        Anzeige

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Digitalisierung

Verbessern KI-Systeme die Versorgung                                  Inhärente Unwägbarkeiten schreibt die Wissenschaftlerin
von Patientinnen und Patienten?                                       darüber hinaus den Systemen selbst zu: „Es kann zum Bei-
                                                                      spiel zu Verzerrungen im Datenmaterial kommen, wenn
Für Salloch, seit 2020 Leiterin des MHH-Instituts für Ethik,          Menschengruppen unterrepräsentiert sind“, warnt Salloch.
Geschichte und Philosophie der Medizin, wäre für die Zu-              Diese Gruppen von Patientinnen und Patienten erhielten
kunft vor allem die bislang zu wenig erfolgte Validierung             dann eventuell keine optimale Empfehlung durch den Al-
der Systeme wichtig: „Das ist aus meiner Sicht ein wichtiges          gorithmus, weil er aufgrund des eingespeisten Materials da-
Desiderat, mit randomisierten kontrollierten Studien zu un-           für nicht hinreichend qualifiziert sei.
tersuchen, ob sie wirklich dazu beitragen, dass sich Diag-
nostik und Behandlung verbessern.“ Dem Part der Patien-          Das Gesundheitssystem von morgen
tinnen und Patienten misst die Wissenschaftlerin beim Ein-
satz der CDSS ebenfalls eine große Bedeutung zu: „Sie kön-       Für Professorin Dr. rer. nat. Silke Schicktanz von der Uni-
nen zum Beispiel ablehnen, dass eines der KI-Systeme bei         versitätsmedizin Göttingen (UMG) stehen aktuell ebenfalls
ihrer Diagnose und Therapie genutzt wird“, betont Salloch        in einer Veranstaltungsreihe zum „Gesundheitssystem von
und hinterfragt zugleich, ob andererseits Ärztinnen und          morgen“ die Bürgerinnen und Bürger und ihr Verhältnis zu
Ärzte dazu verpflichtet wer-                                                                           den digitalen Technologien
den können, die KI-basierten                                                                           im Mittelpunkt. Schicktanz,
Systeme einzusetzen oder            „Die Frage ist, ob wir die Chance der                              die mit einem Team am In-
ob sie sich entscheiden kön-        Mitgestaltung nutzen.“                                             stitut für Ethik und Geschich-
                                                            Professorin Dr. rer. nat. Silke Schicktanz
nen, auf ihre Nutzung zu                                                                               te der Medizin an der UMG
                                                              Universitätsmedizin Göttingen (UMG)
verzichten. Dabei bringt Sal-                                                                          unter dem Stichwort „Zu-
loch zufolge in diesem Zu-                                                                             kunftsdiskurs“ ein Online-
sammenhang gerade die Interaktion zwischen Ärztinnen             Beteiligungs-Projekt gestartet hat, attestiert Deutschland
und Ärzten auf der einen sowie Patientinnen und Patienten        und seiner Bevölkerung Nachholbedarf auf dem Feld der
auf der anderen Seite viele Herausforderungen mit sich:          Digitalisierung: „Die breite Öffentlichkeit und auch die Pa-
Müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten       tientinnen und Patienten sind eigentlich in diesen Prozess
zum Beispiel darüber aufklären, falls bei der Diagnose KI        noch lange nicht ausreichend eingebunden.“ Deshalb sei
zum Einsatz kommt?                                               es für sie aus Sicht der angewandten Ethik sehr wichtig, nun
                                                                 so früh wie möglich interessierte Bürgerinnen und Bürger
                                                                 mit hineinzunehmen in solche Diskussionen, begründete
                                                                 Schicktanz ihre vom Niedersächsischen Ministerium für
                                                                 Wissenschaft und Kultur aus Mitteln des Niedersächsischen
                                                                 Vorab geförderte Initiative.

                                                                      Themen wie „Künstliche Intelligenz und ihre Diagnosen“,
                                                                      die Rolle von Algorithmen in der digitalen Gesundheitsver-
                                                                      sorgung oder die Gefahren der Diskriminierung durch KI in
                                                                      der Medizin werden im Mittelpunkt der nächsten Veranstal-
                                                                      tungen des Projekts stehen. Denn Schicktanz sieht ebenfalls
                                                                      sowohl Chancen als auch Risiken bei der Digitalisierung:
                                                                      „Ich glaube nicht, dass sie per se alles verbessert. Ich glaube,
                                                                      es liegt jetzt an uns, diesen Prozess mitzugestalten“, fordert
                                                                      die Wissenschaftlerin und ermuntert auch Skeptiker, Stellung
                                                                      zu beziehen, um Probleme, die vielleicht sonst übersehen
                                                                      würden, frühzeitig zu benennen. „Die Entscheider im Ge-
                                                                      sundheitswesen – Politik oder eben die Ärzteschaft selbst –
                                                                      sollten herausgefordert werden, Lösungen anzubieten“, ist
                                                                                                                                         Fotos: AOK-Mediendienst

                                                                      Schicktanz überzeugt. „Die Digitalisierung wird kommen“,
                                                                      lautet ihre Botschaft etwa an Ärztinnen und Ärzte: „Die
                                                                      Frage ist, ob wir die Chance der Mitgestaltung nutzen. Die
                                                                      Corona-Krise hat ja auch gezeigt, dass die Digitalisierung in
                                                                      bestimmten Settings ein echter Gewinn war – das darf man
Die Corona-Pandemie hat zu einem Schub für die Telemedizin geführt.   nicht unterschätzen.“                      r Inge Wünnenberg
16                                                                                                       niedersächsisches ärzteblatt
Digitalisierung

5. Niedersächsischer Digitalgipfel Gesundheit
Booster oder Kollaps für das Gesundheitswesen? Fachtagung über Fortschritt, Neuerungen
und Herausforderungen rund um die Digitalisierung

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht große                     Teil statt und werden nicht gestreamt. Teilnehmende vor Ort
Fortschritte: Gerade während der Corona-Pandemie ist                      haben die Möglichkeit, fünf Fortbildungspunkte zu erhalten.
deutlich geworden, wie wichtig eine funktionierende digitale
Infrastruktur ist, um telemedizinische, internetbasierte An-              Gemäß der Frage, „Digitalisierung: Booster oder Kollaps für
wendungen und Kommunikationsplattformen störungsfrei                      das öffentliche Gesundheitswesen?“, wird der diesjährige
nutzen zu können. Auch Teile der Bevölkerung wünschen                     Digitalgipfel neben den vielen Chancen auch die Risiken
sich eine vermehrte Einbindung digitaler Lösungen in den                  beim Einsatz telemedizinischer Anwendungen oder anderer
ärztlichen Behandlungsalltag. Darüber hinaus profitiert die               technischer Neuerungen im Hinblick auf die Datensicher-
Aus- und Fortbildung mehr und mehr von den neuen tech-                    heit thematisieren. Nach der Eröffnung durch Ärztekam-
nischen Möglichkeiten wie den Einsatz von Virtual Reality.                merpräsidentin Dr. med. Martina Wenker und den HsH-
Serious-Gaming-Formate bieten zum Beispiel die Gelegen-                   Präsidenten Professor Dr. rer. nat. Joseph von Helden stehen
heit, den Alltag in einer Notaufnahme in einem Spiel nach-                unter anderem Vorträge und Beiträge von Univ.-Prof. Dr.
zustellen, eine digitale Praxis zu führen oder auf einer chi-             Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel (Ge-
rurgischen Trainingsplattform virtuelle Eingriffe vorzuneh-               schäftsführender Direktor des Instituts für Medizinmanage-
men. Andererseits ist während der Pandemie ebenso deut-                   ment und Gesundheitswissenschaften der Universität Bay-
lich geworden, wie viel Nachholbedarf es auf dem Gebiet                   reuth), dem Präsidenten des Niedersächsischen Landesge-
des digitalen Fortschritts an vielen Stellen des Gesundheits-             sundheitsamts Dr. med. Fabian Feil, Staatssekretär Stefan
systems noch gibt.                                                        Muhle (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Digitalisie-
                                                                          rung), dem HsH-Vizepräsidenten Prof. Dr. iur. Fabian
Die Frage, wie die Digitalisierung das Gesundheitswesen                   Schmieder, der stellvertretenden Vorsitzenden der ÄKN-
voranbringt, greift der 5. Niedersächsische Digitalgipfel Ge-             Bezirksstelle Osnabrück Dr. med. Karin Bremer und Dr. rer.
sundheit, der von der Ärztekammer Hannover gemeinsam                      nat. Guillermo Carbonell (HsH) auf dem Programm.
mit der Hochschule Hannover (HsH) veranstaltet wird, am
24. November 2021 auf. Die Fachtagung wird in Präsenz im                  Anmeldungen zum Digitalgipfel und zu den Fachforen sind
Design Center der Hochschule Hannover (Expo Plaza 2) in                   über die Homepage www.digitalgipfel-gesundheit.de mög-
der Zeit zwischen 13 und 18 Uhr durchgeführt, aber auch                   lich. Fragen an die Experten können vorab unter der E-Mail-
live über die Website digitalgipfel-gesundheit.de übertragen.             Adresse kommunikation@aekn.de eingereicht werden.
Die vier Fachforen finden im Anschluss an den öffentlichen                                                           r Oliver Busse
                                                                                                                                Anzeige

Qualitätskonferenz:
Onkologische Versorgungsrealität Niedersachsen
Neue Veranstaltungsreihe als Gemeinschaftsprojekt des Klinischen Krebsregisters Niedersachsen (KKN),
des Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N) sowie kooperierender Onkologischer Zentren des Landes
Bei jeder Veranstaltung wird eine Tumorentität aus einem der folgenden Bereiche vorgestellt:
- Tumoren der Verdauungsorgane
- Urologische Onkologie
- Gynäkologische Onkologie
- Weitere Tumoren (z. B. Melanom, Lunge, Systemische Erkrankungen)
Auftakt am 01.12.2021 am UniversitätsKrebszentrum der Universitätsmedizin Göttingen zu dem Thema Harnblasenkarzinom
Auskunft & Anmeldung
Je nach aktueller Situation findet die Veranstaltung online oder als Hybrid-Veranstaltung statt.
Weitere Informationen zum Format und zur Anmeldung finden Sie unter
www.kk-n.de/auswertungen/qualitaetskonferenzen/.
Die Anmeldung ist auch per Telefon oder E-Mail über das KKN möglich.
Telefon: 0511 277897-71 oder -72, E-Mail: rueckmeldung@kk-n.de
Die Veranstaltung ist von der Ärztekammer Niedersachsen
mit 2 Fortbildungspunkten zertifiziert. Die Teilnahme ist kostenfrei.          Anmeldung hier

11 | 2021                                                                                                                           17
Hochschulen

„Wir bilden viele Ärztinnen und Ärzte aus:
Wir müssen sie besser verteilen!“
Interview mit Professor Dr. med. Lorenz Trümper: Das neue Vorstandsmitglied der
Universitätsmedizin Göttingen berichtet über Kooperationen über die Sektorengrenzen
hinweg und plädiert dafür, Online-Fortbildungen weiterzuentwickeln und zu nutzen.

Über den Neubau der Universitätsmedizin Göttingen
(UMG), die Digitalisierung des Gesundheitswesens, den
aktuellen Entwurf für eine neue Approbationsordnung,
während der Pandemie entstandene Kooperationen und
weitere Themen sprach das niedersächsische ärzteblatt
mit dem neuen UMG-Vorstandsmitglied Professor Dr.
med. Lorenz Trümper. Der 63-jährige Onkologe trat das
Amt zum 1. Mai 2021 an und ist für das Ressort Kranken-
versorgung zuständig.

Herr Professor Trümper, was macht der Neubau?

Wir sind jetzt so weit, dass es losgeht. Konkret planen wir
aktuell die Baustufe I. Das betrifft 60 bis 65 Prozent unserer
Betten, die neuen OPs und die Notaufnahme. Vor allem die
Notaufnahme muss dringend erneuert werden, um all den
Anforderungen gerecht zu werden, die heute von der Be-
völkerung an eine Notaufnahme gestellt werden.                   Neu im Vorstand der Universitätsmedizin Göttingen:
                                                                 Professor Dr. med. Lorenz Trümper

Gilt es auch, veränderte Workflows beim Neubau zu be-
rücksichtigen?                                                   heiten und ihre besonderen Bedürfnisse konzipierten Ge-
                                                                 bäude sehen anders aus als die der Regel- oder Grundver-
Das ist in der Tat der Grund, warum wir das Klinikum, das        sorgung.
gar nicht so alt ist und über eine gute Bausubstanz verfügt,
neu bauen müssen: weil es von den Abläufen her nicht             Was wird noch anders werden? Wird die Versorgung der
mehr zeitgemäß ist. Für uns als Maximalversorger stehen          Bevölkerung ambulanter?
dabei die Bedürfnisse der Bevölkerung im Vordergrund.
Also Fragen wie: Was sind die Krankheiten, um die wir uns        Die Medizin – wie zum Beispiel die Onkologie – ist heute
kümmern müssen? Oder: Wie wird sich die Gesundheits-             in weiten Teilen ambulant. Wir behandeln heute Krebser-
versorgung entwickeln? Auf dieser Basis haben wir die An-        krankungen ambulant, die wir vor rund 20 Jahren noch
forderungen an uns als Maximalversorger und für unsere           durchgehend stationär behandelt haben. Das ist für den
Rolle in Südniedersachsen ermittelt und den Neubau kon-          Heilungserfolg gut, aber es bedarf vollkommen anderer
zipiert.                                                         räumlicher Strukturen, als wir sie bisher haben. Deshalb
                                                                 wird auch das System mit den strikten Sektorengrenzen
Was steht beim nächsten Bauabschnitt an?                         zwischen ambulanter und stationärer Versorgung meiner
                                                                 Auffassung nach in den nächsten Jahren zu einem großen
Erst einmal das neue Eltern-Kind-Zentrum. Auch dieser            Problem für unser Gesundheitswesen werden. Die getrennte
Komplex wird anders aussehen, als man vor 30 Jahren ge-          sektorale Versorgung führt zu Doppelvorhaltung und zu
baut hätte: Wir integrieren die gesamte ambulante Behand-        Konkurrenzen, für die wir weder das Geld noch genügend
lung. Außerdem wird alles von der humangenetischen Be-           Fachkräfte haben.
ratung bis zur sozialpädiatrischen Betreuung unter einem
                                                                                                                                    Foto: UMG/fskimmel

Dach sein. Dabei planen wir ein, dass wir in den Fächern,        Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für die UMG?
in denen seltene Krankheiten behandelt werden, weiterhin
eine Alleinversorger-Rolle haben werden. Die für die Ver-        Aktuell führen wir eine elektronische Patientenakte ein. Wir
sorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Krank-       wollen mit unserer in Frühjahr vorgestellten Digitalisie-

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Hochschulen

Professor Dr. med. Lorenz Trümper ist                           Bringt dieses Konzept neue Aufgaben mit sich?
seit Mai Vorstandsmitglied der UMG
                                                                Wir können unsere Rolle als Maximalversorger inzwischen
ZUR PERSON                                                      gut definieren: Einem aktuellen Papier des Wissenschaftsrats
Zum 1. Mai 2021 hat Professor Dr. med. Lorenz Trümper           zufolge sind wir für Beratung, Kompetenz, Wissensvermitt-
sein neues Amt als Vorstand Krankenversorgung der Uni-          lung, aber auch Strukturierung zuständig. Während der
versitätsmedizin Göttingen angetreten. An der Medizini-         Pandemie haben wir zum Beispiel auf freiwilliger Basis ein
schen Fakultät und der Universitätsmedizin Göttingen, wo        Netzwerk der südniedersächsischen Kliniken aufgebaut.
er seit November 2000 die Klinik für Hämatologie und Me-        Dieses Netzwerk wird es weiterhin geben, damit wir uns
dizinische Onkologie als Direktor leitete, arbeitete er in      untereinander absprechen und die Vorschläge der Enquete-
verschiedenen Gremien mit. Trümper war unter anderem            kommission umsetzen können.
Mitglied des Fakultätsrats, des Senats, zahlreicher Beru-
fungskommissionen und hatte seit 2015 bis zum Wechsel           Stößt die Kooperation über die Sektorengrenzen hinweg
in den UMG-Vorstand das Amt des Studiendekans inne.             auf Schwierigkeiten?
Darüber hinaus war Trümper Gründungsdirektor des Uni-
versitäts-Krebszentrums (G-CCC) der UMG sowie Grün-             Es geht darum, dass eine Patientin oder ein Patient bei Er-
dungspräsident der German Lymphoma Alliance GLA e.V.            krankungen, die einer besonderen Kompetenz bedürfen,
Außerdem amtiert der 63-Jährige noch bis Ende 2021 als          diese Kompetenz auch abrufen kann. Dabei gilt es klar zu
Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesell-           entscheiden, wer des Maximalversorgers bedarf und wer
schaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie               nicht. Das macht aber die Sektorengrenze schwierig. Die
(DGHO). Als Arzt und Wissenschaftler lag der Arbeits-           Patientin oder der Patient müssen quasi aus dem niederge-
schwerpunkt des Onkologen in der klinischen und trans-          lassenen Bereich in den universitären Bereich und zurück.
lationalen Erforschung Maligner Lymphome.                       Wir sind jedoch an der niedergelassenen Regelversorgung
                                                                als Maximalversorger, der weder über Kassensitze noch
                                                                über ein MVZ verfügt, bisher nicht beteiligt. Wir wollen uns
rungsstrategie das Krankenhaus in wenigen Jahren vollstän-      besser mit den Niedergelassenen vernetzen, stoßen dabei
dig papierlos betreiben. Aber nicht nur als Versorgungs-        aber an strukturelle Grenzen.
krankenhaus, sondern auch als Universitätsklinik. Deshalb
gilt es, eine elektronische Krankenakte zu konstruieren, bei    Wären diese Kooperationen ein Konzept gegen den Ärz-
der ich die Patientendaten – natürlich anonymisiert – für die   temangel?
Versorgungsforschung vorhalte. Die Forschung soll am Ende
ermöglichen, Gesundheitsversorgung besser zu planen. Das        Ich bin der Meinung, dass wir eigentlich keinen Mangel an
hat ebenfalls Einfluss auf die Baustruktur. Wenn Sie alle       Pflegekräften oder Ärztinnen und Ärzten in Deutschland
Prozesse digitalisieren können, planen Sie Wege und Vor-        haben dürften. Ich kann das erläutern: Wir haben in den
haltestrukturen anders.                                         Krankenhäusern etwa ein Pflegeverhältnis von sieben zu
                                                                eins. In anderen Ländern ist das Pflegeverhältnis deutlich
Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten?                besser. Wenn Sie sich aber die Zahlen ansehen, wie viele
                                                                beruflich Pflegende und wie viele Menschen es hierzulande
Aus meiner Sicht ist es unsere Rolle, dafür zu sorgen, dass     gibt, steht Deutschland überhaupt nicht schlecht da. Das
die Grundversorgung in Südniedersachsen optimal ist – un-       heißt, wir haben nicht wenig Pflegende pro Einwohner im
abhängig davon, wo die Patientin oder der Patient in dieser     Beruf, sondern wir haben im Vergleich zu anderen Ländern
Region wohnen. Jeder soll die bestmögliche Gesundheits-         eine andere Verteilung gewählt. Wenn Sie die Arztzahlen
versorgung bekommen. Das bedeutet nicht, dass alle an der       betrachten – also Arzt pro Einwohner – steht Deutschland
Uniklinik behandelt werden. Das bedeutet aber, dass wir         auch keineswegs schlecht da. Unser Kernproblem – und
Beratungs-, Versorgungs- und Vernetzungsstrukturen vor-         das wird auch von der Enquetekommission so gesehen – ist
halten müssen, die allen die Sicherheit gibt, etwa bei einer    eine suboptimale Verteilung und eine unzureichende Be-
ernsthaften Krebserkrankung, die Kompetenz des Maximal-         darfsplanung.
versorgers nutzen zu können. Gleichzeitig soll die Behand-
lung, soweit es geht, durch Ärztinnen und Ärzte vor Ort ge-     Wie könnte Nachwuchs für Hausarztpraxen gewonnen
staltet werden. Diese Vernetzung ist auch ein Anliegen der      werden?
Enquetekommission des niedersächsischen Landtags zur
„Sicherstellung der ambulanten und stationären medizini-        Für die Verteilung der Hausärztinnen und -ärzte gibt es
schen Versorgung in Niedersachsen“.                             hierzulande keine übergeordnete Bedarfssteuerung. Ich

11 | 2021                                                                                                                19
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