Bezahlbares Wohnen in Bayern Was kann der Freistaat tun? - bulwiengesa
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bulwiengesa STUDIE Bezahlbares Wohnen in Bayern Was kann der Freistaat tun? Quelle: pixabay bulwiengesa AG – Nymphenburger Straße 5 – 80335 München – Tel. +49 89 23 23 76-0 – Fax +49 89 23 23 76-76
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Inhaltsverzeichnis Inhalt Studienergebnisse ................................................................................1 Anlass und Aufgabenstellung der Studie...........................................5 Definitionen und Grundlagen .............................................................6 Regionale Disparitäten in Bayern .....................................................13 Akteure am Immobilienmarkt...........................................................21 Förderkulissen und Maßnahmen in Bayern....................................23 Best-Practices in Deutschland...........................................................27 Best-Practice Hamburg ......................................................................28 Best-Practice Potsdam (Brandenburg).............................................29 Best-Practice Rheinland-Pfalz ...........................................................30 Experteninterviews.............................................................................31 Handlungsempfehlungen..................................................................34 Anhang.................................................................................................41 Kontakt.................................................................................................48 bulwiengesa AG • Berlin • Essen • Frankfurt am Main • Hamburg • München Nymphenburger Straße 5 Tel. +49 89 23 23 76-0 HypoVereinsbank München Vorstand: Hauptsitz: Berlin 80335 München Fax +49 89 23 23 76-76 BIC: HYVEDEMMXXX Ralf-Peter Koschny (Sprecher), Charlottenburg HRB 95407 B www.bulwiengesa.de info@bulwiengesa.de IBAN: DE17 7002 0270 4410 4330 58 Thomas Voßkamp, Sven Carstensen Rechtsform: AG Vorsitzender des Aufsichtsrats: USt-ID: DE 164508347 Bernhard H. Hansen
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Studienergebnisse » Bezahlbares Wohnen als die soziale Frage unserer Zeit » Treiber auf dem Wohnungsmarkt unterstreichen die regionale Disparität im Freistaat In Bayern ist der Mangel an Bezahlbarem Wohnen groß. Stei- gende Mieten, begrenztes Angebot an Wohnraum oder lange Mietpreisbelastung: Soziodemografische und -ökonomische Genehmigungsprozesse bei Bauvorhaben erhöhen den Druck Rahmenbedingungen charakterisieren die angespannte Woh- auf den angespannten Wohnungsmarkt im Freistaat immens. nungsmarktlage in Bayern. Die regionale Ungleichheit im Für die Beantwortung der Frage, wie Bezahlbares Wohnen für Bezahlbarem Wohnen zeigt sich vor allem in den Regionen Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen ermög- mit unterschiedlich hohen Mietpreisbelastungen. In den 16 licht werden kann, ist ein zielgerichtetes und politisch enga- Stadt- und Landkreisen, in denen die Mietbelastung an der giertes Handeln notwendig. Es bedarf für die Trendwende auf Grenze bzw. deutlich über dem leistbaren Niveau von 33 % dem bayerischen Wohnimmobilienmarkt eines Maßnahmen- liegt, leben rd. 4,03 Mio. Menschen, das entspricht 2,26 Mio. katalogs, damit angemessener Wohnraum für die gesamte Haushalten. Gemessen an der der Gesamtzahl der Haushalte Bevölkerung zur Verfügung stehen kann. Die von der Bay- im Freistaat entspricht dies einem Anteil von 34 %. ernSPD Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Studie setzt bei In diesen Stadt- und Landkreisen ist die Versorgung mit dieser Problematik an und untersucht die Frage „Bezahlbares angemessenem Wohnraum besonders herausfordernd. Unter Wohnen in Bayern – Was kann der Freistaat tun?“ der Prämisse, dass laut Verband der bayerischen Wohnungs- unternehmen ca. 60 % aller Haushalte einen Anspruch auf eine bezahlbare Wohnung haben, entspricht dies in den genannten Wohnungsmärkten ca. 1,3 Mio. Haushalten bzw. rd. 20 % anteilig an den Haushalten Bayerns. Mietpreisbelastung und angespannte Wohnungsmärkte 2021, Anteil Warmmiete Bestand am monatlichen Haushalts- nettoeinkommen, Regionaldaten auf Landkreisebene unter 24 % 24 bis unter 26 % 26 bis unter 28 % 28 bis unter 30 % 30 bis unter 33 % 33 % und mehr ━ umrandete Gemeinden (schwarz) = angespannte Wohnungsmärkte © bulwiengesa AG, RIWIS, Datengrundlage: IS24, Michael Bauer Research GmbH; Hinweis: Zur tatsächlichen Abschätzung der Mietpreisbelastung ist es wichtig, die regionale Einkommensstruktur mit in Betracht zu ziehen. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 1
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Landflucht: Die Abwanderung bestimmter Bevölkerungsgrup- Die Ausweitung des Angebots für Bezahlbares Wohnen für die pen aus strukturschwachen Regionen hin zu gewachsenen nachfrageberechtigte Einkommensschicht hat somit oberste Wirtschaftsregionen und die Folgen des demografischen Wan- Priorität und ist sozial notwendig. dels führen zu Regionen mit Verlusträumen. Der hohen Nach- frage nach Wohnraum im prosperierenden Süden Bayerns Wohnungsbau: Projektentwicklungen im Geschosswohnungs- kann man indes kaum gerecht werden. Die Bereitstellung von bau finden vordergründig in München und umliegenden angemessenem Wohnraum und einer gut funktionierenden Landkreisen statt. Der Fokus im Wohnungsneubau liegt in den Infrastruktur muss für gleichwertige Lebensverhältnisse im Städten und Räumen Südbayerns. Dies wirkt sich negativ auf ländlichen Raum zwingend gegeben sein, um Abwanderungen ländliche Regionen aus, da Maßnahmen für den geförderten entgegenzuwirken. Wohnungsbau und der Erhalt sowie Ausbau der Infrastruktur häufig nicht marktrelevant sind. Aufgrund dieser immobilien- Einkommensstrukturen: Das Ungleichverhältnis von Angebot wirtschaftlichen Divergenz werden die Nachfrage und der und Nachfrage von Wohnraum insbesondere in Großstädten Mangel an Bezahlbarem Wohnen in städtischen Räumen verstärkt die Schere zwischen „Arm und Reich“: Gut verdie- immer gravierender. Neben der Verbesserung der Infrastruk- nende Haushalte mit ≥5.000 Euro monatlichem Nettoeinkom- tur müssen geeignete Fördermaßnahmen für einen angemes- men sind gegen Preissteigerungen im Wohnungsmarkt wider- senen Wohnraum im ländlichen Raum sorgen. standsfähiger als Niedrigverdiener mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ≤2.200 Euro. Haushalte mit Bedarf an gefördertem Wohnen leiden stärker unter den steigenden Mietpreisen. Wohnungsneubau 2018-2021, Anteil fertiggestellter Wohnungen in Mehrfamilienhäusern an Gesamt (Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser) unter 32,1 % 32,1 bis unter 45,8 % 45,8 bis unter 58,7 % 58,7 bis unter 75,1 % 75,1 % und mehr © bulwiengesa AG, RIWIS © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 2
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa » Vor allem privatwirtschaftliche und kommunale » Experteninterviews unterstreichen Notwendigkeit Unternehmen schaffen Wohnraum in Bayern einer auf die regionalen Bedarfe ausgerichteten Woh- nungspolitik in Bayern Die derzeitige Situation und regionale Heterogenität am Wohnimmobilienmarkt Bayern lässt sich in der Verteilung der Expertengespräche mit Vertretern der sieben Regierungsbe- Top-10-Bestandsentwickler für Wohnen nach Akteursgruppen zirke einschließlich der Städte München, Augsburg und Nürn- (Aufteilung nach privatwirtschaftlichen Unternehmen, kom- berg geben weitere Aufschlüsse zu wohnungspolitischen munalen/öffentlichen Trägern, Genossenschaften und kirchli- Problemen und Lösungsansätzen zum Thema Bezahlbares chen Trägern) deutlich erkennen. Privatwirtschaftliche Unter- Wohnen. Die Expertengespräche unterstreichen, dass die nehmen realisieren mit 53 % die meisten wohnungswirt- Problematik des bezahlbaren Wohnraums bayernweit vorhan- schaftlichen Projektentwicklungen, gefolgt von kommunalen den, aber unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Die Forderun- Trägern mit 40 %. Hierbei werden die meisten Wohnbaupro- gen bestehen in der verstärkten Handlung auf kommunaler jekte zentriert in München, gefolgt von Nürnberg und Augs- Ebene, der engeren Zusammenarbeit mit dem Freistaat und burg, realisiert. der intensiveren Auseinandersetzung mit regionalen Dispari- täten zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Hierzu gehören u. a. Forderungen wie die vermehrte Handhabe von » Staatliche Wohnungsbaugesellschaften im Freistaat KommWFP, Vorkaufsrechte der Städte, die Entbürokratisie- mit sehr unterschiedlicher Performance rung und Verschlankung von Genehmigungsverfahren, die Bereitstellung von preisgünstigen Grundstücken und die Ein- In Bayern sind drei staatliche Gesellschaften (Stadibau, Sied- setzung von Wohnraumlotsen oder die Einführung eines Leer- lungswerk Nürnberg, BayernHeim) für die Erhaltung und standkatasters. Schaffung von Bezahlbarem Wohnen zuständig. Von der Sta- dibau werden aktuell ca. 8.500 Wohneinheiten angeboten und beim Siedlungswerk sind rd. 8.400 Wohneinheiten in der Ver- » Maßnahmenvorschläge zur Schaffung von Bezahlba- waltung. Die im Juli 2018 neu gegründete BayernHeim GmbH rem Wohnen im Freistaat soll mit einem Startkapital von 500 Mio. Euro ein Angebot an Bezahlbarem Wohnen für alle Haushalte in ganz Bayern Der Mangel an Bezahlbaren Wohnen ist durch regionale Dis- schaffen. Die Erreichung des gesetzten Ziels von 10.000 neu paritäten bedingt. Unter Berücksichtigung der wohnungs- geschaffenen Wohnungen bis 2025 wird derzeit klar verfehlt. marktrelevanten Rahmenbedingungen und der vorhandenen Nach Angaben des Bauministeriums sind aktuell lediglich 234 Förderinstrumente in Bayern lassen sich zur Schaffung von angekaufte Wohneinheiten im Bestand und 522 Wohnungen in bezahlbarem Wohnraum folgende Handlungsempfehlungen Bau (Stand Februar 2022), dies entspricht weniger als 10 % ableiten, die sich für den gesamten Freistaat Bayern anwen- des für 2025 angepeilten Ziels. den lassen: © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 3
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa 1. Fördergeld muss zielgerichtet fließen Ausgangssituation: In Bayern fördert der Staat nicht nach Bedarf, sondern überall gleich. Dies führt dazu, dass in Gegen- den mit hohen Mieten die Fördersummen zu niedrig sind. Maßnahmenvorschläge: Anpassung der Förderkulisse an die regionalen Ausgangsstrukturen und Bedarfe a) Festlegung unterschiedlicher Einkommens- und Fördermietstufen je nach regionalem Bedarf b) Einführung eines Bayerischen Wohngelds c) Anpassung der Förderzuschüsse an die regionalen Baukosten 2. Finanzielle Anreize für den Wohnungsbau schaffen Ausgangssituation: Es lohnt sich für Investoren und Grundstückseigentümer, baureifes Land brachliegen zu lassen. Maßnahmenvorschläge: Einführung von unterstützenden und lenkenden Maßnahmen, die eine aktive Bodenpolitik gerade für Kommunen und das gemeinwohlorientierte Bauen (Genossenschaften) ermöglichen. a) Einführung einer Baulandsteuer (Grundsteuer C) für brachliegende Flächen b) Fachliche und finanzielle Unterstützung bei der Etablierung von Flächenkatastern, um baureife Grundstücke zu identifizieren und zu priorisieren c) Einrichtung eines Bodenfonds zur finanziellen Unterstützung der Kommunen beim Erwerb von Flä- chen für kommunalen Wohnungsbau und Bodenbevorratung 3. Regionale Wohnraumlotsen sollen Kommunen unterstützen Ausgangssituation: Die personelle und fachliche Kompetenz zur Wohnungsmarktsteuerung ist gerade in kleineren Kom- munen stark eingeschränkt. Maßnahmenvorschläge: Einführung von regionalen Wohnraumlotsen mit einem ganzheitlichen Ansatz a) Etablierung von Beratungsstellen für Eigentümer, Kommunen und Bauwirtschaft als gemeinsames Netzwerk zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum b) Aktive Ansprache von Grundstückseigentümern und deren fachliche Beratung c) Beratung beim Einsatz von Fördermitteln und Ausschreibungen 4. Mehr Wohnungsangebote für Menschen mit mittlerem Einkommen schaffen Ausgangssituation: Viele Menschen können sich Bezahlbares Wohnen nicht mehr leisten. Die Förderprogramme und Wohnberechtigungsscheine greifen nicht bei mittleren Einkommen. Maßnahmenvorschläge: Die Angebotserweiterung im Wohnungsbau ist auch für Menschen mit mittlerem Einkommen notwendig. a) Ankaufsunterstützung von Grundstücken für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen b) Vorkaufsrechte für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen bzw. preislimitiertes Vorkaufs- recht zur konsequenten Bodenbevorratung einführen c) Gesetzliche Regelung zur verbilligten Veräußerung landeseigener Grundstücke für Zwecke des Gemeinwohls schaffen 5. Baugenehmigungsverfahren und Bauvorschriften sollen dereguliert werden Ausgangssituation: Es kommt zu Verzögerungen in Genehmigungsverfahren aufgrund der Komplexität ordnungsrechtli- cher Vorschriften. Maßnahmenvorschläge: Durch Vereinfachung von Baugenehmigungsverfahren und Reduzierung von Bauvorschriften kann schnell ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden. a) Geförderten Wohnungsbau in allen Regierungsbezirken, unabhängig von regionalen und kommuna- len Gegebenheiten, nach gleichen Maßstäben in der Ausgestaltung und baulichen Ausstattung durchführen (Fokus auf „Gebäudeklasse E“ und modulares Bauen) b) Schnellstmögliche bayernweite einheitliche Umsetzung der digitalen Bauakte zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren c) Anforderungen bei Modernisierungen reduzieren Quelle: bulwiengesa; Auszug der Maßnahmenvorschläge © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 4
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Anlass und Aufgabenstellung der Studie » Wohnraum im Freistaat als soziale Frage » Aufgabenstellung Die Politik steht seit geraumer Zeit unter Druck, Maßnahmen Die unabhängige bulwiengesa AG wurde von der SPD Land- gegen den angespannten Wohnungsmarkt in Bayern zu tagsfraktion mit der Erstellung einer Studie zum Thema unternehmen. Probleme wie steigende Mieten in den Groß- „Bezahlbares Wohnen in Bayern – Was kann der Freistaat städten und Ballungsräumen bei gleichzeitig begrenztem tun?“ beauftragt. Angebot von Wohnraum und fehlenden Grundstücken sowie zeitintensiven Baugenehmigungsverfahren erhöhen den Ziel der Studie ist es, Handlungsempfehlungen zum Erhalt Druck auf die soziale Frage der Zeit: Wie ist der Erhalt und die und vor allem zur Neuerrichtung von Bezahlbarem Wohnen Schaffung von Bezahlbarem Wohnen möglich? für die Landespolitik in Bayern zu erarbeiten. In den Hand- lungsempfehlungen werden diejenigen Instrumente definiert, Aktuell schwierige Bedingungen, wie geopolitische Krisen mit denen landespolitisch für ein größeres Angebot an bezahl- (z. B. Ukraine-Krieg), Lieferengpässe und Kostensteigerung baren Wohnungen für die verschiedenen Einkommensgruppen bei Baumaterialien, steigende Energiepreise, Zinsanstieg oder gesorgt werden kann. Zur empirischen Belegung der Empfeh- die steigende Inflation erschweren den Fortbestand und die lungen werden die soziodemografisch, sozioökonomisch und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. immobilienwirtschaftlich wichtigsten Kennzahlen für den Freistaat herausgearbeitet. Ambitionierte Ziele wie die Errichtung von 10.000 bezahlbaren Wohnungen bis 2025 in Bayern werden mit der in 2018 Die kompakte Darstellung derzeitiger ausgewählter Förderku- gegründeten staatlichen Gesellschaft BayernHeim nach der- lissen im Freistaat Bayern gibt einen Überblick über die För- zeitigem Stand im erheblichen Maße verfehlt. derlandschaft. Die Darstellung dient als Einführung in die Thematik des geförderten Wohnens im Freistaat und als Basis Zudem wird sich der Wohnungsbedarf in wirtschaftlich star- für die finale Ableitung der Empfehlungen. Mit der Darstel- ken Regionen trotz aktueller Suburbanisierungstendenzen lung von Best-Practice-Beispielen soll die Effektivität von weiter erhöhen, da in Städten und Ballungsräumen Haus- Förderprogrammen zur Schaffung von Bezahlbarem Wohnen haltszuwächse zu erwarten sind. in ausgewählten Bundesländern bzw. Städten vorgestellt wer- den. Anhand geführter Experteninterviews mit Vertretern aus Die Bekämpfung von Wohnungsmangel und Mietpreisanstieg allen Regierungsbezirken sowie den Städten München, Nürn- ist eine soziale Herausforderung. Nur mit Hilfe einer Kombi- berg und Augsburg werden praxisnahe Instrumente als Maß- nation aus einem Bündel an Maßnahmen wird die derzeitige nahmen zur zukünftigen Ausgestaltung des landespolitischen Situation auf dem bayerischen Wohnungsmarkt entschärft Angebots an bezahlbarem Wohnraum erarbeitet. Ausgehend und auf längere Sicht regional ausgegliedert werden können. von den relevanten Nachfrage- und Angebotsstrukturen, der vorhandenen Förderkulisse in Bayern sowie der aus den Expertengesprächen gewonnenen Erkenntnisse werden Hand- lungsempfehlungen für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für den Freistaat Bayern abgeleitet. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 5
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Definitionen und Grundlagen » Verfassungsauftrag Auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind ver- schiedene Maßnahmen zum Schutz der Mieter vorgesehen: Wohnen ist ein Grundbedürfnis und zugleich Recht eines jeden Menschen im Freistaat. Bedingt durch die extreme • Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB): Begrenzung der zuläs- Mietpreisentwicklung und den Angebotsmangel an sigen Anfangsmiete auf höchstens 110 % über der ortsübli- erschwinglichem Wohnraum bei gleichzeitig hoher Nachfrage, chen Vergleichsmiete. befinden sich im bundesweiten Vergleich die meisten Kom- • Abgesenkte Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB): Senkung munen mit angespannten Wohnungsmärkten in Bayern. der Mieterhöhungen von 20 % auf 15 %. • Kündigungssperrfrist (§ 577a Abs. 2 BGB): In Fällen von Nach Artikel 106, Absatz 1 und 2 der bayerischen Verfassung Umwandlungen vermieteter Wohnungen in Wohnungs- lautet der Verfassungsauftrag in Bayern: eigentum von drei auf bis zu zehn Jahre. 1 Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemes- Die neue Mieterschutzverordnung trat ab 1. Januar 2022 in sene Wohnung. Kraft und gilt vorerst bis Ende 2025. 2 Die Förderung des Baus billiger Volkswohnungen ist Auf- gabe des Staats und der Gemeinden. » Bezahlbares Wohnen Geplante Angebotsausweitungen durch Neubauaktivitäten oder die Einführung der Mietpreisbremse sind geeignete Mit- Nach dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung tel für die Schaffung bzw. den Erhalt von mehr bezahlbarem und Bauwesen gibt es keine einheitliche Definition für Wohnraum. Für die Gewährleistung und Zielerreichung eines „Bezahlbares Wohnen“. Aufgrund der regionalen Unter- erschwinglichen Mietwohnungsmarkts bedarf es seitens des schiede hinsichtlich der Wohn- und Baukosten, der Woh- Landesgesetzgebers jedoch effizienterer Maßnahmen, die den nungsnachfrage sowie des Einkommens kann bundesweit kein Verfassungsauftrag vollumfänglich erfüllen können. einheitlicher Maßstab vorgegeben werden. Zudem sollten laut Bundesministerium bei der Beurteilung der Bezahlbarkeit nicht nur die Wohnkosten berücksichtigt werden. Wichtige » Angespannte Wohnungsmärkte in Bayern Faktoren wie das verfügbare Einkommen müssen ebenfalls in die Bewertung zu Bezahlbarem Wohnen mit einfließen. Dem Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölk- allgemeinen Verständnis nach ist unter „Bezahlbarkeit von erung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen Wohnraum“ gemeint, dass sich alle Einkommensklassen besonders gefährdet ist, werden als angespannte Wohnungs- Wohnen leisten können. Primär ist der Bereich des bezahlba- märkte eingeordnet. Angebot und Nachfrage sind in Schieflage ren Mietwohnungsmarkts vom Einkommen des jeweiligen geraten und eine hohe Mietpreisentwicklung ist die Folge. Haushalts abhängig. Auf Grundlage wissenschaftlich basierter Definitionen aus Im bundesweiten Vergleich gibt es in Bayern die meisten Politik, Immobilienwirtschaft, der deutschen und europäi- angespannten Wohnungsmärkte: Von den derzeit 2.056 Städ- schen Statistikämter und der Bundes- und Forschungsinsti- ten, Märkten und Gemeinden in Bayern werden 208 (10,1 %) tute ist die Definition von Bezahlbarem Wohnen wie folgt: als angespannte Wohnungsmärkte bewertet (Bayerische Staatskanzlei, Begründung der Verordnung vom 14. Dezember „Bezahlbares Wohnen ist die zumutbare Verhältnismäßig- 2021). keit zwischen Wohnkosten und Haushaltsnettoeinkommen. Die Wohnkostenbelastung (Bruttowarmmiete) des in einer In § 201a Baugesetzbuch (BauGB) sind die Voraussetzungen gemeinsamen Wohnung lebenden Haushalts sollte dauer- für einen angespannten Wohnungsmarkt festgelegt. Der haft nicht 33 % des Einkommens überschreiten.“ Wohnimmobilienmarkt ist als besonders gefährdet einzuord- nen, wenn Unter Wohnkosten ist die Warmmiete inkl. der Betriebskosten 1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten (Nebenkosten) zu verstehen. Zu Betriebskosten gehören Posi- Durchschnitt, tionen wie u. a. Wasser, Aufzug, Müllbeseitigung, Garten- 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den pflege, Strom oder Versicherungen. Aufgrund der Zunahme bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, der sogenannten „zweiten Miete“ durch stark ansteigende 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautä- Energiekosten (insbesondere Heiz- und Stromkosten) wird tigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, Wohnen immer teurer. So wird nach OECD und EU-SILC bei 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht. Verrechnung des Energiewerts sogar von bis zu 40 % Wohn- © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 6
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa kostenbelastung ausgegangen. Das Haushaltsnettoeinkommen Das durch bulwiengesa gerechnete Praxisbeispiel eines sollte nach Abzug der Wohnkosten (Warmmiete) noch einen Singlehaushalts in München und Bayreuth zeigt, dass die gewissen verbleibenden Betrag zur Lebensführung aufweisen. Mietbelastung zur Lebensführung regional unterschiedlich Die Berechnung basiert hierbei auf den Grundlagen des hoch ausgeprägt ist. So liegt exemplarisch die Wohnkostenbe- Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG). Das Rechenbeispiel lastung in Bayreuth bei 30,5 % und in München bereits bei der Friedrich-Ebert-Stiftung veranschaulicht den verbleiben- einer überdurchschnittlichen Belastung von 36,4 %. Um eine den Betrag zur Lebensführung auf Grundlage der Mietbelas- tatsächlich leistbare Mietbelastung von max. 33 % zu erzielen, tungsgrenze von 33 % im Folgenden. müsste die Miete in München signifikant gesenkt werden. Rechenbeispiel: Praxisbeispiel Mieten: München vs. Bayreuth Verbleibender Betrag zur Lebensführung Single-Haushalt, 45 qm Wohnfläche, Bestandsmiete Durchschnitt Orientierung am Wohnraumförderungsgesetz München Bayreuth Haushaltsgröße Ø Verfügbares jährli- 31.860 Euro 21.990 Euro (Personen) 1 2 3 4 ches Einkommen je WoFG 12.000 18.000 22.100 26.200 Einwohner 2020 Einkommensgrenze Ø Kaltmiete 2021 18,00 Euro/qm 8,90 Euro/qm (jährlich, netto, Euro) Nebenkosten 3,50 Euro/qm 3,50 Euro/qm Mietbelastungsgrenze 33 % 33 % 33 % 33 % Warmmiete (inkl. NK) 21,50 Euro/qm 12,40 Euro/qm Warmmiete 3.960 5.940 7.293 8.646 Wohnungsgröße 45 qm 45 qm (jährlich, Euro) Warmmiete (jährlich) 11.610 Euro 6.696 Euro Restbetrag 8.040 12.060 14.807 17.554 Warmmiete (monatlich) 968 Euro 558 Euro (jährlich, Euro) Restbetrag (jährlich) 20.250 Euro 15.294 Euro Verbleibender Betrag 670 1.005 1.234 1.463 Verbleibender Betrag 1.688 Euro 1.275 Euro zur Lebensführung zur Lebensführung (monatlich, Euro) (monatlich) Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Wohnungspolitisches Konzept der Landeshauptstadt Potsdam Mietbelastung (Warm- 36,4 % 30,5 % miete zu Einkommen) Tatsächlich maximal leistbare Mietbelastung zur Individuelle Kriterien einer angemessenen Wohnung hin- Lebensführung: sichtlich der Lage, Größe sowie Bevölkerungsgruppe (z. B. Maximal leistbare 15,97 Euro/qm 9,94 Euro/qm Senioren) und des individuellen Verhaltens (z. B. Heizverhal- Kaltmiete 2021 ten) bleiben hierbei ungeachtet. Mit Einführung des in 2007 verabschiedeten Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes Maximal leistbare 19,47 Euro/qm 13,44 Euro/qm (BayWoFG) haben laut Verband bayerischer Wohnungsunter- Warmmiete nehmen in Bayern rd. 60 % der Haushalte mit der höchst- Warmmiete (jährlich) 10.514 Euro 7.257 Euro möglichen Einkommensgrenze (BayWoFG Art. 11: Einkom- Warmmiete (monatlich) 876 Euro 605 Euro mensgrenzen) einen Anspruch auf bezahlbare Wohnungen. In Restbetrag (jährlich) 21.346 Euro 14.733 Euro 2018 fand eine Erhöhung der Einkommensgrenzen für geför- Verbleibender Betrag 1.779 Euro 1.228 Euro derte Wohnungen statt, damit mehr Haushalten Fördermaß- zur Lebensführung nahmen zur Verfügung stehen. (monatlich) Mietbelastung 33 % 33 % Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa » Berechnung der Wohnkostenbelastung und Ableitung des leistbaren Wohnraums In Städten wie Bayreuth ist Wohnen rein rechnerisch noch Nach Anwendung der Methode wird die Mietbelastungsquote leistbar. Es muss jedoch die Frage gestellt und beantwortet eines Haushalts als Anteil der Bruttowarmmiete am Haus- werden, mit welchen Mitteln bzw. Maßnahmen Wohnungs- haltsnettoeinkommen definiert. märkte mit hohen Mietbelastungen wie in München bezahl- barer gemacht werden können. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 7
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Regionale Unterschiede zur Mietbelastung eines Familien- haushalts zeigt folgendes Rechenbeispiel. Hier wird ersicht- lich, dass für einen 3-Personen-Haushalt eine frei-finanzierte Neubauwohnung (75 qm) mit einer überdurchschnittlichen Mietpreisbelastung von 35,6 % nicht leistbar ist. In Bayreuth ist die Leistbarkeit einer 3-Zimmer-Wohnung für eine Familie mit 30,7 % Mietbelastung an der Grenze des Bezahlbaren Wohnens. Praxisbeispiel Mieten: München vs. Bayreuth 3-Personen-Haushalt: 2 Erwachsene + 1 Kind, 75 qm Wohnfläche (3-Zimmer-Wohnung), Miete Erstbezug Durchschnitt München Bayreuth Ø Verfügbares jährli- 63.720 Euro 43.980 Euro ches Einkommen 2020 (Doppelverdiener) Ø Kaltmiete 2021 20,70 Euro/qm 10,50 Euro/qm Nebenkosten* 4,50 Euro/qm 4,50 Euro/qm Warmmiete (inkl. NK) 25,20 Euro/qm 15,00 Euro/qm Wohnungsgröße 75 qm 75 qm Warmmiete (jährlich) 22.680 Euro 13.500 Euro Warmmiete (monatlich) 1.890 Euro 1.125 Euro Restbetrag (jährlich) 41.040 Euro 30.480 Euro Verbleibender Betrag 3.420 Euro 2.540 Euro zur Lebensführung (monatlich) Mietbelastung (Warm- 35,6 % 30,7 % miete zu Einkommen) Tatsächlich maximal leistbare Mietbelastung zur Lebensführung: Maximal leistbare 18,86 Euro/qm 11,63 Euro/qm Kaltmiete 2021 Maximal leistbare 23,36 Euro/qm 16,13 Euro/qm Warmmiete Warmmiete (jährlich) 21.028 Euro 14.513 Euro Warmmiete (monatlich) 1.752 Euro 1.209 Euro Restbetrag (jährlich) 42.692 Euro 29.467 Euro Verbleibender Betrag 3.558 Euro 2.456 Euro zur Lebensführung (monatlich) Mietbelastung 33 % 33 % Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa; * Höhere Nebenkosten im Vergleich zum Single-Haushalt aufgrund des veränderten Nutzungsverhaltens bei Mehrpersonenhaushalten Im Praxisbeispiel München müsste die Kaltmiete (Euro/qm) stark reduziert werden, damit sich ein Paar mit Kind ange- messenen Wohnraum in einem Neubauprojekt leisten könnte. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 8
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa » Starke Belastung der Mittelschicht bei der Mietzah- durchschnittlichen Marktmieten zuzüglich 3,50 Euro/qm lungsbelastung Nebenkosten gesetzt. In München kann sich beispielsweise ein durchschnittlicher Haushalt der unteren Mittelschicht eine Die Forderung nach der Bereitstellung von mehr Wohnungen etwa 54 qm große Wohnung leisten, die obere Mittelschicht mit Wohnberechtigungsscheinen (WBS) wird lauter. Doch kann sich bereits eine doppelt so große Wohnung mit 109 qm Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln leisten. In Augsburg reicht eine bezahlbare Wohnung von 56 (IW Köln) haben ergeben, dass hierbei der Anteil der Fehlbele- qm bis 112 qm. gung bei ca. 54 % liegt. Fehlbelegungsabgaben wurden in 2008 in Bayern abgeschafft, sodass der Auszug von gut ver- dienenden Mietern nicht verpflichtend ist und eben diese Mietzahlungsbelastung der Mittelschicht Miete 2021, Einkommen/Haushaltsgröße 2020 Wohnungen am Markt für die nachfrageberechtigte Ziel- gruppe nicht verfügbar sind. Lediglich in Hessen, im Saarland München Nürnberg Augsburg Schwein- und in Teilen von Rheinland-Pfalz sind Ausgleichszahlungen furt für Sozialwohnungen zu leisten. Ø Verfügbares Euro 31.859 23.511 21.173 22.615 Neben dem Angebot an Sozialwohnungen, für dessen Bele- Einkommen p. a. gung ein Wohnberechtigungsschein notwendig ist, ist die Euro 2.655 1.959 1.764 1.885 pro Kopf* Unterstützung für die Mittelschicht als Großteil der Bevölke- p. m. rung zunehmend gefordert. Die Forderung, preisgedämpfte Ø Haushalts- 1,72 Pers. 1,83 1,80 1,95 Wohnungen auch für die Mittelschicht anzubieten, soll daher größe nachfolgend überprüft werden. Denn eine starke Mittelschicht Verfügbares Einkommen pro Ø-Haushalt untere Euro 3.996 3.137 2.779 3.216 ist Basis für eine stabile Gesellschaft und Wirtschaft. Die Mit- Mittelschicht p. m. telschicht gilt nach der Bertelsmann-Stiftung als die Bevölke- mittlere Euro 5.708 4.482 3.970 4.594 rungsgruppe, deren verfügbares Einkommen zwischen 75 und Mittelschicht p. m. 200 % des nationalen Medians liegt. Eine weitere Unterschei- obere Euro 7.991 6.274 5.558 6.431 dung erfolgt in die untere Mittelschicht (75 bis 100 % des Mittelschicht p. m. Medians), mittlere Mittelschicht (100 bis 150 % des Medians) Mietbelastung pro Ø-Haushalt und obere Mittelschicht (150 bis 200 % des Medians). Diese untere Euro 1.319 1.035 917 1.061 Gruppen werden nach dem Durchschnitt ihres Medians abge- Mittelschicht p. m. bildet, um die leistbare Warmmiete im Neubau in den Städten mittlere Euro 1.884 1.479 1.310 1.516 und Mittelschichtsgruppen abzuleiten: Mittelschicht p. m. obere Euro 2.637 2.071 1.834 2.122 • Untere Mittelschicht: 87,5 % des Ø-Einkommens Mittelschicht p. m. • Mittlere Mittelschicht: 125,o % des Ø-Einkommens Mietbelastungs- 33 % 33 % 33 % 33 % • Obere Mittelschicht: 175,0 % des Ø-Einkommens grenze Ø Mietniveau Euro/ 24,30 15,90 16,40 12,90 Das Ziel der folgenden Berechnung ist, die jeweilige leistbare Erstbezug** qm Warmmiete im Neubau in den nach der immobilienwirt- Leistbare Wohnungsgröße pro Ø-Haushalt schaftlichen Klassifikation ausgewählten Städten München untere qm 54 65 56 82 (A-Stadt), Nürnberg (B-Stadt), Augsburg (C-Stadt) und Mittelschicht Schweinfurt (D-Stadt) je nach verfügbarem Einkommen mittlere qm 78 93 80 118 (netto) abzubilden. Pro Haushalt stehen beispielsweise der Mittelschicht unteren Mittelschicht in München monatlich 3.996 Euro und obere qm 109 130 112 165 der oberen Mittelschicht 7.991 Euro zur Verfügung. In Augs- Mittelschicht burg hingegen sind pro Haushalt zwischen 2.779 und 5.558 Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa; * entspricht Nettoeinkommen; ** inkl. 3,50 Euro/qm Nebenkosten; Bezug auf Neubaumieten (anstatt Bestand) , da zukünftig Euro monatlich verfügbar. Als nächstes wird die Mietbelas- die Perspektive von Neubau und dementsprechenden Neubaumieten wichtiger wird tungquote von 33 % des Einkommens angenommen. Für München ergibt sich daraus eine Zahlungsfähigkeit von monatlich 1.319 Euro (untere Mittelschicht) bis 2.637 Euro Die Berechnung der Mietzahlungsbelastung der Mittelschicht (obere Mittelschicht) für eine Mietwohnung. In Augsburg zeigt die großen regionalen Disparitäten im Freistaat Bayern. reicht die mögliche Mietbelastung von rd. 917 bis 1.834 Euro/ Die untere und mittlere Mittelschicht am freien Wohnungs- Monat pro Haushalt. Die mögliche Mietbelastung im Erstbe- markt kann sich nur eingeschränkt mit neugebauten Miet- zug nach Neubau und Sanierung wird in das Verhältnis zu den wohnungen versorgen. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 9
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Mietzahlungsbelastung der Mittelschicht Miete 2021, Einkommen/Haushaltsgröße 2020 Regierungsbezirk Unterfranken Mittelfranken Oberfranken Oberpfalz Oberbayern Niederbayern Schwaben Stadt Haßfurt Aschaf- Ans- Erlan- Hof Bam- Tir- Regens- Traun- Unter- Dingol- Lands- Kauf- Lindau fenburg bach gen berg schen- burg stein schleiß- fing hut beuren (Boden- reuth heim see) Ø Verfüg- Euro 23.334 25.036 22.508 25.916 23.122 23.982 22.758 24.245 25.361 31.871 25.492 26.353 24.723 26.201 bares Ein- p. a. kommen Euro 1.945 2.086 1.876 2.160 1.927 1.999 1.897 2.020 2.113 2.656 2.124 2.196 2.060 2.183 pro Kopf* p. m. Ø Haus- Pers. 2,18 2,02 2,01 1,81 2,04 1,80 2,09 1,61 2,08 1,94 2,17 2,19 1,78 1,90 haltsgröße Verfügbares Einkommen pro Ø-Haushalt untere Euro 3.709 3.688 3.299 3.420 3.439 3.148 3.468 2.846 3.846 4.508 4.034 4.208 3.209 3.630 Mittel- p. m. schicht mittlere Euro 5.299 5.268 4.713 4.886 4.913 4.497 4.955 4.066 5.495 6.441 5.762 6.012 4.584 5.186 Mittel- p. m. schicht obere Euro 7.418 7.375 6.598 6.841 6.879 6.295 6.936 5.693 7.693 9.017 8.067 8.416 6.418 7.260 Mittel- p. m. schicht Mietbelastung pro Ø-Haushalt untere Euro 1.224 1.217 1.089 1.129 1.135 1.039 1.145 939 1.269 1.488 1.331 1.389 1.059 1.198 Mittel- p. m. schicht mittlere Euro 1.749 1.738 1.555 1.612 1.621 1.484 1.635 1.342 1.813 2.125 1.902 1.984 1.513 1.711 Mittel- p. m. schicht obere Euro 2.448 2.434 2.177 2.257 2.270 2.077 2.289 1.879 2.539 2.976 2.662 2.777 2.118 2.396 Mittel- p. m. schicht Mietbelastungs- 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % 33 % grenze Ø Miet- Euro/ 10,40 14,20 11,00 14,10 9,30 13,20 9,30 14,40 13,20 18,50 10,80 13,70 11,40 14,90 niveau qm Bestand** Leistbare Wohnungsgröße pro Ø-Haushalt untere qm 118 86 99 80 122 79 123 65 96 80 123 101 93 80 Mittel- schicht mittlere qm 168 122 141 114 174 112 176 93 137 115 176 145 133 115 Mittel- schicht obere qm 235 171 198 160 244 157 246 130 192 161 246 203 186 161 Mittel- schicht Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa; * entspricht Nettoeinkommen, bei kreisangehörigen Städten Verwendung des Landkreiswerts; ** inkl. 3,50 Euro/qm Nebenkosten Der exemplarische Vergleich von Städten in den jeweiligen nis eines Einfamilienhauses entspricht. Am Beispiel Dingol- Regierungsbezirken des Freistaats zeigt unterschiedliche fing wird außerdem die Bedeutung einer starken regionalen leistbare Wohnungsgrößen pro Haushalt unter Zugrunde- Wirtschaftskraft (wie z. B. BMW-Werk) für die Leistbarkeit legung von durchschnittlichen Bestandsmieten. Am Beispiel von Wohnen für alle Zielgruppen sichtbar. In München hin- der Leistbarkeit in Dingolfing wird die Divergenz des hetero- gegen kann sich ein durchschnittlicher Haushalt eine Woh- genen Mietwohnungsmarkts in Bayern deutlich: In Dingolfing nung mit lediglich 54 qm trotz höheren Einkommen leisten kann sich ein Haushalt der unteren Mittelschicht rein rechne- (Siehe S. 9). risch Wohnraum von 123 qm leisten, was dem Größenverhält- © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 10
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa » Belastung der Mittelschicht bei der Mietzahlung Stellt man einen Vergleich der Mietbelastungsquote dem Wohnraumbedarf gegenüber, so müssten alle Haushaltstypen Für die Ermittlung des Wohnraumbedarfs pro Kopf wurden der unteren Mittelschicht mit einem Wohnberechtigungs- die Bestimmungen des Freistaat Bayerns für einen Wohnbe- schein in nahezu allen Städten versorgt werden. In München rechtigungsschein (WBS) als Benchmark herangezogen. Die und Augsburg wird auch die mittlere Mittelschicht bei 1-Per- Bestimmungen gelten bayernweit. Es werden somit folgende sonen-Haushalten und 4-Personen-Haushalten, zu denen allgemeingültigen Wohnflächen für die Berechnung des leist- Familien mit zwei oder mehr Kindern zu zählen sind, mit baren Wohnbedarfs herangezogen, die jedem Haushalt in gefördertem Wohnraum zu versorgen sein. Bayern zur Verfügung stehen sollten: Es ist zusammenfassend zu erkennen, dass sich vor allem • 1-Personen-Haushalt: 50 qm für 1 Person Haushalte der unteren Mittelschicht am freifinanzierten Woh- • 2-Personen-Haushalt: 33 qm für 1 Person nungsmarkt deutlich schwerer mit neugebauten Mietwoh- • 3-Personen-Haushalt: 25 qm für 1 Person nungen versorgen können, auch wenngleich durchschnittliche • 4-Personen-Haushalt: 23 qm für 1 Person Neubaumieten zur Berechnung der Leistbarkeit von Wohn- raum in Betracht gezogen werden. Teile der mittleren Mittel- schicht leiden auch bereits unter der eingeschränkten Zah- Leistbare Erstbezugswohnungen für die lungsbereitschaft von Erstbezugswohnungen. Die obere Mit- Mittelschicht telschicht hat keinen rechnerisch nachgewiesenen Bedarf in Ø-Wohnbedarf gemäß WBS ggü. Zahlungsfähigkeit der Unterstützung von leistbarem Wohnen, wohingegen die untere Mittelschicht einen hohen Bedarf aufweist. Leistbar durch … Ø Wohn- Untere Mittlere Obere Es wird ersichtlich, dass die Rahmenbedingungen des Woh- fläche pro Mittel- Mittel- Mittel- nungsmarkts – auch unter Bezugnahme der jeweiligen Ein- Person* Stadt schicht schicht schicht kommenshöhen und Größen der Haushalte – von Stadt zu 1-Person 50 qm M x x ✓ Stadt unterschiedlich sind. So ist der Bedarf an geförderten 50 qm N x ✓ ✓ Mietwohnungen im Freistaat von regionalen Gegebenheiten 50 qm A x x ✓ abhängig und unterschiedlich hoch. 50 qm SW x ✓ ✓ 2-Personen- 33 qm M x ✓ ✓ Haushalte 33 qm N ✓ ✓ ✓ 33 qm A x ✓ ✓ 33 qm SW ✓ ✓ ✓ 3-Personen- 25 qm M x ✓ ✓ Haushalte 25 qm N x ✓ ✓ 25 qm A x ✓ ✓ 25 qm SW ✓ ✓ ✓ 4-Personen- 23 qm M x x ✓ Haushalte 23 qm N x ✓ ✓ 23 qm A x x ✓ 23 qm SW x ✓ ✓ ✓ leistbar durch Haushalt x nicht leistbar durch Haushalt Quelle: bulwiengesa; * Bedarf gemäß WBS, bei einer Ø-Mietbelastung (brutto/warm) von 33 % des Ø-Nettohaushaltseinkommens, Basis sind die Ø-Erstbezugsmieten 2021 (RIWIS); M = München, N = Nürnberg, A = Augsburg, SW = Schweinfurt So sollte z. B. einem 1-Personen-Haushalt in München die- selbe Wohnfläche von 50 qm zur Verfügung stehen wie einem 1-Personen-Haushalt in Nürnberg. Haushalte mit vier Perso- nen dürfen pro Person ca. 23 qm Wohnfläche bewohnen. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 11
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Praxisbeispiel: Leistbare Wohnungsgröße nach Beruf und Wohnort Miete 2021, Einkommen 2021 Verfügbares Einkommen pro Kopf* brutto Verfügbares Verfügbares p. m. Einkommen p. m. Einkommen p. a. Eisenbahner/in Betriebsdienst, Lokführer/in und Transport 3.584 Euro 2.335 Euro 28.020 Euro Krankenschwester/-pfleger 3.840 Euro 2.471 Euro 29.652 Euro Lehrer/in Grundschulen 5.315 Euro 3.239 Euro 38.868 Euro Verkehrsüberwacher/in, Hilfspolizist/in 3.257 Euro 2.159 Euro 25.908 Euro Kaufmann/-frau Einzelhandel 2.629 Euro 1.809 Euro 21.708 Euro Leistbare Miete Miete p. m. Eisenbahner/in Betriebsdienst, Lokführer/in und Transport 771 Euro Krankenschwester/-pfleger 815 Euro Lehrer/in Grundschulen 1.069 Euro Verkehrsüberwacher/in, Hilfspolizist/in 712 Euro Kaufmann/-frau Einzelhandel 597 Euro Mietbelastungsgrenze 33 % Ø Mietniveau (p. m.) München Regensburg Haßfurt Erstbezug** 24,30 Euro/qm 16,70 Euro/qm 11,80 Euro/qm Bestand** 21,50 Euro/qm 14,40 Euro/qm 10,40 Euro/qm Leistbare Wohnungsgröße Erstbezug München Regensburg Haßfurt Eisenbahner/in Betriebsdienst, Lokführer/in und Transport 32 qm 46 qm 65 qm Krankenschwester/-pfleger 34 qm 49 qm 69 qm Lehrer/in Grundschulen 44 qm 64 qm 91 qm Verkehrsüberwacher/in, Hilfspolizist/in 29 qm 43 qm 60 qm Kaufmann/-frau Einzelhandel 25 qm 36 qm 51 qm Leistbare Wohnungsgröße Bestand München Regensburg Haßfurt Eisenbahner/in Betriebsdienst, Lokführer/in und Transport 36 qm 54 qm 74 qm Krankenschwester/-pfleger 38 qm 57 qm 78 qm Lehrer/in Grundschulen 50 qm 74 qm 103 qm Verkehrsüberwacher/in, Hilfspolizist/in 33 qm 49 qm 69 qm Kaufmann/-frau Einzelhandel 28 qm 41 qm 57 qm Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa; Bundesagentur für Arbeit – Entgeltatlas 2021 (Bayern); Gehaltsangaben beruhen auf Median; * entspricht Nettoeinkommen; ** inkl. 3,50 Euro/qm Nebenkosten; München/Regensburg: angespannte Wohnungsmärkte; Haßfurt: kein angespannter Wohnungsmarkt Eine Analyse der leistbaren Wohnungsgrößen nach unter- qm Bestand) leisten, dagegen ist in Haßfurt mit gleichem Ein- schiedlichen Berufen und Wohnorten unterstreicht die Abhän- kommen und Beruf eine doppelt so große Wohnung mit 57 qm gigkeit von Einkommen (Medianwerte) und regional hetero- im Bestand leistbar. genen Mietpreisen. Die untersuchten Städte München, Die ausgewählten Berufe bilden stellvertretend die Mitte der Regensburg und Haßfurt stehen hierbei hinsichtlich ihres Gesellschaft ab, die u. a. das Gesundheits- und Erziehungswe- unterschiedlich hohen Mietniveaus stellvertretend für ver- sen, die Sicherheits- und Verkehrsinfrastruktur und den gleichbare Städte. Auf Grundlage des je nach Berufen errech- Bedarf von Konsumgütern sicherstellen. Können sich diese neten verfügbaren Einkommens und der nach regionalen systemrelevanten Berufsgruppen, gemessen an ihrem Ein- Gegebenheiten durchschnittlichen Mieten (Bestand/Neubau) kommen, keinen angemessenen Wohnraum mehr in Städten ergeben sich sowohl in der leistbaren Wohnungsgröße im wie München leisten, so ist mittel- bis langfristig die Auf- Neubau als auch im Bestand immense regionale Disparitäten. rechterhaltung eines intakten staatlichen und sozialen Sys- So kann sich beispielsweise ein/e Kaufmann-/frau im Einzel- tems aufgrund der „Stadtflucht“ wichtiger Berufsgruppen handel in München lediglich eine 1-Zimmer-Wohnung (28 gefährdet. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 12
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Regionale Disparitäten in Bayern » Auswertung regionaler Disparitäten auf Kreisbasis detaillierten Aufschluss über die Situation in den bayerischen Landkreisen. Sie werden die für den (geförderten) Wohnungs- Anhand der Betrachtung soziodemografischer und -ökonomi- bau wichtigsten Themen behandeln: scher Strukturen auf Kreisbasis in Bayern werden die unter- Einwohnerentwicklung, Einkommensstruktur ≥5.000 Euro, schiedlichen regionalen Disparitäten und die Treiber für den Einkommensstruktur ≤2.200 Euro, Arbeitslosenquote, Wohn- Wohnungsmarkt deutlich. Die folgenden Karten geben einen geldhaushalte, Mietpreisbelastung und Wohnungsneubau. Einwohnerentwicklung 2011-2021, Veränderungsrate unter -5 % -5 bis unter 0 % 0 bis unter 5 % 5 bis unter 10 % 10 % und mehr © bulwiengesa AG, RIWIS, Statistisches Landesamt Bayern » Abwanderung aus strukturschwachen Regionen rung im Freistaat wird auch aufgrund demografischer Ände- rungstendenzen nicht nur älter, sondern auch singulärer. Die Der demografische Wandel und die Urbanisierungstendenzen Auseinandersetzung mit Fragen bzgl. der Schaffung von zeichnen sich in der Bevölkerungsentwicklung im Freistaat ab. Angebotsstrukturen und der Diskrepanz gleichwertiger Insbesondere in Oberfranken, Unterfranken, Mittelfranken Lebensverhältnisse in Bayern werden unausweichlich. Selbst und in der Oberpfalz gab es in den letzten 10 Jahren Verände- eine zunehmende Bautätigkeit in Regionen mit hohem Bevöl- rungsraten von unter -5,0 %. Ursachen liegen u.a. in der kerungswachstum bietet bei den aktuellen Miet- und Kauf- Abwanderung von Personen hin zu strukturell gewachsenen preisniveaus sowie steigenden Baukosten und Zinsen nicht Wirtschaftsregionen sowie höheren Sterberaten. Die Bevölke- automatisch eine Verbesserung der Erschwinglichkeit. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 13
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Einkommensstruktur der Haushalte 2021, Anteil monatliches Nettoeinkommen ≥5.000 Euro unter 30 % 30 bis unter 33 % 33 bis unter 37 % 37 bis unter 41 % 41 bis unter 44 % 44 % und mehr © bulwiengesa AG, RIWIS, Michael Bauer Research GmbH » Metropolregion München als Wirtschaftsmagnet Auch wenn in diesen wirtschaftlich starken Regionen gute Einkommen erwirtschaftet werden, bedeutet dies nicht, dass Der Blick auf die Einkommensverteilung der Haushalte mit hier kein bezahlbarer Wohnraum gefragt ist. über 5.000 Euro/Monat im Vergleich mit dem verfügbaren Einkommen der Haushalte mit ≤2.200 Euro/Monat verdeut- licht die Verteilung der unterschiedlichen Einkommensklassen und vor allem die regionalen Unterschiede. Während die östli- chen und nördlichen bzw. nordöstlichen Regionen vergleichs- weise wenig gutverdienende Haushalte aufweisen, profitieren vor allem die Kreise der Region München insbesondere von der hohen Wirtschaftskraft der Landeshauptstadt und der Bal- lungsräume. Der Anteil der gutverdienenden Haushalte ist hier deutlich höher als in den Randregionen. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 14
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Einkommensstruktur der Haushalte 2021, Anteil monatliches Nettoeinkommen ≤2.200 Euro unter 19 % 19 bis unter 21 % 21 bis unter 25 % 25 bis unter 27 % 27 bis unter 31 % 31 % und mehr © bulwiengesa AG, RIWIS, Michael Bauer Research GmbH » Regionale Disparitäten bei Geringverdienern In den meisten nordbayerischen Städten (u. a. Würzburg, Schweinfurt, Bayreuth) lässt sich erkennen, dass der Anteil Spiegelbildlich zur regionalen Verteilung der Einkommens- der Gutverdiener-Haushalte im regionalen Vergleich sehr verteilung von Gutverdienern werden hier einkommens- gering ist, während der Anteil der Geringverdiener-Haushalte schwächere Regionen des Freistaats dargestellt. Kreise mit im regionalen Vergleich sehr hoch ist. einem hohen Anteil an Haushalten mit einem Netto-Einkom- men ≤2.200 Euro/Monat sind im Gegensatz zu den Besserver- dienern viel anfälliger gegenüber Preissteigerungen. Zu den vulnerablen Gruppen im Wohnungsmarkt zählen vor allem Geringverdiener mit und ohne Kinder, Alleinerziehende, ältere Menschen, Studenten oder auch Menschen mit Behinderung. Hier ist davon auszugehen, dass diese Gruppen unter Preis- steigerungen leiden. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 15
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Arbeitslosenquote 2021, Anteil 4,4 % und mehr 3,4 bis unter 4,4 % 3,1 bis unter 3,4 % 2,8 bis unter 3,1 % 2,5 bis unter 2,8 % unter 2,5 % © bulwiengesa AG, RIWIS, Bundesagentur für Arbeit » Hoher Förderbedarf in Nord-Ost-Randregionen Gerade hier erscheint es wichtig, das Augenmerk auf die Ent- wicklung der Leistbarkeit von Wohnraum bzw. der grundsätz- Die Arbeitslosenverteilung in Bayern stellt die Belastung des lichen Entwicklung des Wohnimmobilienmarkts zu legen, um jeweiligen Landkreises dar. So steht die Arbeitslosenquote für in Zukunft eine funktionierende Versorgung der Bevölkerung einen hohen Förderungsbedarf, z. B. auch durch Subjektförde- zu gewährleisten. rung (Wohngeld) seitens der staatlichen Institution. Dement- sprechend kann sie als eine Art Indikator für den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bezeichnet werden. Auffallend hohe Arbeitslosenzahlen bzw. Arbeitslosenquoten sind, neben den Großstädten, vor allem in den östlichen und nordöstlichen Regionen zu finden, die seit Jahrzehnten einem Strukturwan- del unterliegen. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 16
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Wohngeldhaushalte 2021, Anteil an Gesamthaushalten unter 0,6 % 0,6 bis unter 0,7 % 0,7 bis unter 0,8 % 0,8 bis unter 1,0 % 1,0 bis unter 1,6 % 1,6 % und mehr © bulwiengesa AG, RIWIS, Statistisches Landesamt Bayern » Geringe Resistenz im Wohnungsmarkt bei Geringver- Die Kombination aus hoher Mietpreisbelastung, hohem Anteil dienern an Geringverdiener-Haushalten und geringem Anteil an Gut- verdiener-Haushalten mit >5.000 Euro/Monat weist auf eine Die regionale Verteilung der Wohngeldhaushalte bestätigt die beachtliche Anzahl an Haushalten hin, die der Mietpreisbelas- Annahme, dass vor allem Haushalte in größeren Städten, aber tung kaum standhalten können und entsprechend Unterstüt- auch in den strukturschwachen Regionen, die hier optisch zung benötigen. hervorstechen, eine geringe Resistenz gegenüber Preissteige- rungen aufweisen. In diesen Gebieten leistet der Staat ein- Die Einkommensstrukturen mit einem hohen Anteil an Gut- kommensschwachen Bürgern eine finanzielle Hilfe bei ihren verdiener-Haushalten weisen eine viel höhere Widerstandsfä- Wohnkosten in Form eines monatlichen Zuschusses zur Miete higkeit auf. oder zu den Wohnkosten von Eigentümern. Auffällig ist bei der Analyse der Verteilung von Wohngeld- haushalten, dass eine Vielzahl an Städten ohne regionalen Schwerpunkt einen Anteil von 1,6 % und mehr aufweist. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 17
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Mietpreisbelastung und angespannte Wohnungsmärkte 2021, Anteil Warmmiete Bestand am monatlichen Haushalts- nettoeinkommen, Regionaldaten auf Landkreisebene unter 24 % 24 bis unter 26 % 26 bis unter 28 % 28 bis unter 30 % 30 bis unter 33 % 33 % und mehr ━ umrandete Gemeinden (schwarz) = angespannte Wohnungsmärkte © bulwiengesa AG, RIWIS, Datengrundlage: IS24, Michael Bauer Research GmbH; Hinweis: Zur tatsächlichen Abschätzung der Mietpreisbelastung ist es wichtig, die regionale Einkommensstruktur mit in Betracht zu ziehen. » Eindeutiger Zusammenhang zwischen Mietpreis- Nord-Süd-Gefälle ist hier zu erkennen. Die Preissteigerungen belastung und angespannten Wohnungsmärkten in der Landeshauptstadt München beeinflussen so auch die Erschwinglichkeit im Umland, die sich in den „Speckgürteln“ Der Zusammenhang zwischen ausgeprägten Mietpreisbelas- widerspiegelt. So besitzt der Süden mit seinen touristisch tungen und angespannten Wohnungsmärkten wird in der ent- starken Regionen in Kombination mit der Wirtschaftskraft der sprechenden Karte dargestellt. Die berechnete Mietpreisbelas- Metropolregionen die höchsten Mietpreisbelastungen, wäh- tung beinhaltet regionale durchschnittliche Werte zu Einkom- rend der Norden Bayerns mit Ausnahme der wirtschaftlich men, Wohnungsgröße und Mietkosten. Auf diese Weise lassen stärksten Großstädte in der Relation eine geringere durch- sich modellhaft regionale Disparitäten sehr gut identifizieren. schnittliche Mietpreisbelastung hat. Sehr deutlich zu erkennen ist, dass in Südbayern die Mietbe- Bereits 16 der 96 Stadt- und Landkreise weisen eine hohe lastung sehr hoch ist: München und das Voralpenland weisen Mietpreisbelastung (brutto/warm) von 30 % und mehr auf. aufgrund der wirtschaftlichen Prosperität (z. B. Ansiedlung Dies entspricht bereits rd. 17 % aller Stadt- und Landkreise von DAX Unternehmen, renommierte Universitäten) sowie der des Freistaats. Von den 16 Regionen gibt es wiederum vier allgemein hohen Lebensqualität die höchsten Mietpreisbelas- Gebiete (Regensburg, Würzburg, Augsburg, München), die tungen und die meisten angespannten Wohnungsmärkte sich bereits über der „33-%-Grenze“ der Mietpreisbelastung (schwarz umrandete Landkreise) in Bayern auf. Ein deutliches befinden. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 18
STUDIE BEZAHLBARES WOHNEN IN BAYERN, WAS KANN DER FREISTAAT TUN? bulwiengesa Wohnungsmärkte mit Mietpreisbelastung von 30 % und mehr 2021 Stadt- und Landkreise Mietbelastung Bevölkerung Haushalte Haushalte anteilig warm* angespannter gesamt zu Bayern Wohnungsmarkt München (Stadt) 37,89 % 1.487.708 875.680 13,08 % Augsburg (Stadt) 33,83 % 296.478 165.794 2,48 % Würzburg (Stadt) 33,82 % 126.933 76.978 1,15 % Regensburg (Stadt) 33,55 % 153.542 94.995 1,42 % Miesbach (Landkreis) 31,86 % 99.978 53.813 0,80 % Passau (Stadt) 31,83 % 53.093 29.408 0,44 % Lindau (Bodensee) 31,43 % 82.330 43.328 0,65 % Fürstenfeldbruck (Landkreis) 31,15 % 218.579 113.546 1,70 % München (Landkreis) 31,14 % 349.837 181.529 2,71 % Garmisch-Partenkirchen (Landkreis) 31,00 % 88.232 47.795 0,71 % Bad Tölz-Wolfratshausen (Landkreis) 30,94 % 127.919 69.985 1,05 % Bamberg (Stadt) 30,54 % 77.749 42.911 0,64 % Dachau (Landkreis) 30,28 % 155.449 77.657 1,16 % Weilheim-Schongau (Landkreis) 30,28 % 136.642 73.262 1,09 % Nürnberg (Stadt) 30,24 % 510.632 281.031 4,20 % Kempten (Stadt) 30,05 % 69.053 39.527 0,59 % Quelle: RIWIS, Berechnungen bulwiengesa; * Anteil Warmmiete Bestand am monatlichen Haushaltsnettoeinkommen. In den 16 Stadt- und Landkreisen, in denen die Mietbelastung Aufgrund der steigenden Mietpreisentwicklung in Neubau und an der Grenze bzw. deutlich über dem leistbaren Niveau von Bestand in den letzten Jahren ist davon auszugehen, dass wei- 33 % liegt, leben rd. 4,03 Mio. Menschen, das entspricht 2,26 tere Mietpreissteigerungen zu erwarten sind. Das Einkommen Mio. Haushalte. Dies macht gemessen am Freistaat einen wird zwar ansteigen, die inflationsbedingten Mietsteigerun- Haushaltsanteil von ca. 34 % aus. gen können jedoch nicht kompensiert werden. Somit ist zu erwarten, dass der Anteil der in angespannten Wohnungs- In diesen Stadt- und Landkreisen ist die Versorgung mit märkten lebenden Haushalte mittel- bis langfristig weiter angemessenem Wohnraum besonders herausfordernd. Unter zunehmen wird. der Prämisse, dass nach dem Verband bayerischer Wohnungs- unternehmen ca. 60 % aller Haushalte einen Anspruch auf eine bezahlbare Wohnung haben, entspricht dies in den genannten Wohnungsmärkten ca. 1,3 Mio. Haushalten bzw. rd. 20 % anteilig an den Haushalten Bayerns. © bulwiengesa AG 2023 – P2207-8644 Seite 19
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