ZIELMARKTANALYSE Altersgerechtes und Barrierefreies Wohnen in den Niederlanden - iXPOS

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ZIELMARKTANALYSE

Altersgerechtes und Barrierefreies Wohnen in den
Niederlanden
ZIELMARKTANALYSE Altersgerechtes und Barrierefreies Wohnen in den Niederlanden - iXPOS
Impressum
Herausgeber
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
11019 Berlin
www.bmwi.de

Text und Redaktion
Julian Fitz
Felix Kramer
Joana Kaus
Deutsch-Niederländische Handelskammer
Nassauplein 30
2585 EC Den Haag
                                                                    Das Bundesministerium für Wirtschaft und
                                                                    Energie ist mit dem audit berufundfamilie®
Gestaltung und Produktion
                                                                    für seine familienfreundliche Personalpolitik
Deutsch-Niederländische Handelskammer
                                                                    ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von
Nassauplein 30
                                                                    der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative
2585 EC Den Haag
                                                                    der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.

Stand
April 2015

Bildnachweis
BilderBox

Die Studie wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms für das Projekt
altersgerechtes und barrierefreies Wohnen in den
Niederlanden erstellt und aufgrund eines Beschlusses des
Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie gefördert.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich
geschützt. Die Zielmarktanalyse steht der Germany Trade &
Invest GmbH sowie geeigneten Dritten zur unentgeltlichen
Verwertung zur Verfügung.
Sämtliche Inhalte wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach
bestem Wissen erstellt. Der Herausgeber übernimmt keine
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Nichtnutzung der dargebotenen Informationen unmittelbar oder
mittelbar verursacht werden, haftet der Herausgeber nicht,
sofern ihm nicht nachweislich vorsätzliches oder grob
fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann.

1
ZIELMARKTANALYSE Altersgerechtes und Barrierefreies Wohnen in den Niederlanden - iXPOS
Inhalt
1     Einleitung                                                                                                                                                       4
2     Niederlande Allgemein                                                                                                                                            5
2.1           Länderprofil .............................................................................................................................................5
2.1.1         Staatsoberhaupt & Regierung ..................................................................................................................5
2.1.2         Parlament & Parteien ...............................................................................................................................5
2.2           Wirtschaftsstandort Niederlande ..............................................................................................................6
2.2.1         Wirtschaftsstruktur Niederlande ..............................................................................................................6
2.2.2         Wirtschaftsentwicklung ...........................................................................................................................6
2.2.3         Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland .................................................................................................7
2.3           Wohlstand und Konsumverhalten in den Niederlanden ...........................................................................7
2.3.1         Regionales Wohlstandsgefälle .................................................................................................................7
2.3.2         Konsumverhalten .....................................................................................................................................8
2.3.3         Haushalte und Vermögen .........................................................................................................................9
3     Der niederländische Bau- und Wohnungsmarkt                                                                                                                     12
3.1           Der niederländische Bausektor ..............................................................................................................12
3.2           Der niederländische Wohnungsmarkt ....................................................................................................12
3.3           Das niederländische Recht zum Bau- und Wohnungsmarkt ..................................................................14
4     Demografischer Wandel                                                                                                                                          16
4.1           Ursachen des demografischen Wandels .................................................................................................16
4.2           Demografie und Geografie.....................................................................................................................17
4.3           Der Einfluss der Demografie auf den Wohnungsmarkt .........................................................................17
5     Wissenswertes über niederländische Senioren                                                                                                                    20
5.1           Umzugsverhalten älterer Menschen .......................................................................................................20
5.2           Krankheiten und körperliche Einschränkungen .....................................................................................20
5.2.1         Körperliche Einschränkungen bei Senioren ...........................................................................................20
5.2.2         Chronische Krankheiten bei Senioren ....................................................................................................22
5.2.3         Psychische Erkrankungen ......................................................................................................................22
5.2.4         Akute Erkrankungen ..............................................................................................................................22
5.2.5         Das soziale Umfeld älterer Menschen....................................................................................................22
5.3           Sicherheitsgefühl bei Senioren ...............................................................................................................23
5.4           Senioren und die Verwendung von neuen Technologien.......................................................................24

2
6     Marktpotenziale                                                                                                                                             25
6.1          Aktuelle Projekte....................................................................................................................................25
6.2          Potenziale für deutsche Unternehmen ....................................................................................................26
6.3          Förderungen ...........................................................................................................................................27
6.4          Stärken-Schwächen-Analyse..................................................................................................................28
6.4.1        SWOT-Analyse der Niederlande allgemein ...........................................................................................28
6.4.2        SWOT-Analyse der niederländischen Branche altersgerechtes und barrierefreies Wohnen .................28
6.5          Konkurrenzsituation in den Niederlanden .............................................................................................29
6.5.1        Installation von barrierefreien Badezimmer ...........................................................................................29
6.5.2        Produkte für barrierefreie Badezimmer .................................................................................................30
6.5.3        Hausautomatisierung ..............................................................................................................................30
6.5.4        Barrierefreie Türen .................................................................................................................................31
6.5.5        Treppen- und Plattformlifte....................................................................................................................31
6.5.6        Barrierefreie Möbel ................................................................................................................................31
6.5.7        Fitnessapparaturen für Senioren .............................................................................................................31
7     Anlage Marktakteure                                                                                                                                         32
8     Anlage: Informationsportale und Medien                                                                                                                      77
9     Abbildungsverzeichnis                                                                                                                                       82
10 Quellenverzeichnis                                                                                                                                             83

3
1 Einleitung
Auch in den Niederlanden schreitet der demografische Wandel seit einigen Jahren voran. 2060 wird bereits ein Viertel der
niederländischen Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein, dennoch gibt es immer noch zu wenig altersgerechte und barrierefreie
Wohnungen. In den kommenden Jahren wird diese Gruppe weiter deutlich wachsen. Während sich die deutsche Gesellschaft
inklusive der Unternehmen bereits auf den demografischen Wandel vorbereitet hat, wird dieses Thema in der niederländischen Politik
erst seit kurzer Zeit diskutiert. Daher haben deutsche Unternehmen bereits viel Erfahrung beim Umbau bzw. Neubau von
altersgerechten und barrierefreien Wohnungen und können diese auf dem niederländischen Markt hervorragend einbringen.

Die vorliegende Zielmarktanalyse „altersgerechtes und barrierefreies Wohnen in den Niederlanden“ ist ein Teil des durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten BMWi-Markterschließungsprogramms. Das
Markterschließungsprogramm ermöglicht deutschen Unternehmen den Geschäftspartnerschaftsaufbau mit
niederländischen Unternehmen. Um die Exportbemühungen adäquat zu unterstützen, werden den teilnehmenden
Unternehmen in der Zielmarktanalyse alle wichtigen Marktdaten und Rahmenbedingungen dargelegt.

Diese Zielmarktanalyse gewährt zunächst einen allgemeinen Einblick in den niederländischen Markt. Hier werden die
niederländische Politik, die niederländische Wirtschaftslage und das niederländische Konsumverhalten kurz erläutert. Anschließend
folgen Informationen zum niederländischen Bau- und Wohnungsmarkt. Dabei wird in Kürze auf die Krise eingegangen, die
verantwortlich für sinkende Wohnungspreise war. Im darauffolgenden Kapitel wird auf die durchschnittliche Miete und
Wohnungsgröße sowie die derzeitigen Veränderungen im Bau- und Wohnungsmarkt eingegangen. In der Zielmarktanalyse werden
relevante Daten über den demografischen Wandel in den Niederlanden dargestellt. Insbesondere wird darauf eingegangen, wie
schnell der demografische Wandel sich in den Niederlanden bereits vollzogen hat und wie er sich zukünftig weiterentwickelt.
Weiterer Themenschwerpunkt der Zielmarktanalyse ist die Ursachenanalyse des demografischen Wandels, die sich u.a. damit befasst,
in welchen niederländischen Regionen der Wandel am stärksten zu spüren ist und zukünftig sein wird. Zudem werden wissenswerte
Informationen über niederländische Senioren erläutert. Es wird ein Einblick in das Umzugsverhalten älterer Menschen vermittelt und
die daraus resultierenden Folgen für den Wohnungsmarkt dargestellt. Anschließend wird analysiert mit welchen körperlichen
Einschränkungen Senioren ab welchem Alter rechnen müssen, welche Einschränkungen am häufigsten vorkommen und welche
Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können. Ein weiterer Abschnitt beschreibt die Technologieaffinität niederländischer
Senioren und zeigt die daraus entstehenden Folgen für Unternehmen auf. Abschließend werden die Marktpotenziale für (deutsche)
Unternehmen aufgezeigt.

Im Kapitel Marktpotenziale werden die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen im Bereich altersgerechten und barrierefreien
Wohnen in den Niederlanden erörtert. In Form einer SWOT-Analyse, welche die Niederlande und die Branche umfasst, werden die
Chancen und Stärken aber auch die Risiken und Schwächen für deutsche KMU herausgearbeitet.

Die Zielmarktanalyse wird abgeschlossen mit einer Übersicht der wichtigsten niederländischen Marktakteure im Bereich
altersgerechtes und barrierefreies Wohnen.

4
2 Niederlande Allgemein1
2.1        Länderprofil
2.1.1        Staatsoberhaupt & Regierung
Seit dem 30. April 2013 ist König Willem–Alexander Staatsoberhaupt der Niederlande. Er übernahm das Amt seiner Mutter Beatrix
(Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Beatrix der Niederlande), die exakt 33 Jahre lang amtierte. Willem-Alexander hat zusammen mit
seiner Frau Máxima, die künftig den Titel „Königin“ tragen wird, drei Töchter: Catharina-Amalia, Alexia und Ariane.

Durch eine aktuelle Gesetzesänderung hat der König in den Niederlanden keine staatstragenden Funktionen mehr. Bislang gehörte es
zu den Aufgaben des Königs /der Königin aktiv bei der Regierungsbildung mitzuwirken, künftig wird das Amt jedoch nur noch eine
repräsentative Funktion haben.

Mit dem Amtsantritt des Königs entfällt der bisherige „Koninginnedag“, der Königinnentag. Er wurde 2014 durch einen Königstag
ersetzt, der alljährlich am 27. April (am Geburtstag Willem-Alexanders), und nicht wie zuvor am 30. April, stattfindet.

Marc Rutte von der liberal-konservativen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) wurde am 12. September 2012 zum
zweiten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt. Das Kabinett der Niederlande besteht aus 13 Ministern und 7 Staatssekretären. Die
VVD stellt 7 Minister und die PvdA (Sozialdemokraten) 6. Dafür stellt die VVD nur 3 Staatssekretäre und die PvdA im Gegensatz 4.

2.1.2        Parlament & Parteien
Das Parlament (Staten-Generaal, Generalstände) besteht aus zwei Kammern. Die Wahl der 150 Mitglieder der Zweiten Kammer
(Tweede Kamer) findet im Normalfall alle vier Jahre statt. Diese Kammer ist das Parlament im eigentlichen Sinne, als
Volksvertretung und Kontrolle der Regierung.
Die Erste Kammer (Eerste Kamer), auch Senat genannt, setzt sich aus 75 Vertretern der Provinzparlamente zusammen, die ebenfalls
alle vier Jahre gewählt werden. Die Arbeit der Ersten Kammer besteht vor allem in der Begutachtung von Gesetzen, welche die
Zweite Kammer erarbeitet hat; unter Umständen kann die Erste Kammer ein Gesetz durch ein Veto blockieren, dies ist jedoch äußerst
selten der Fall.

Seit den Wahlen von 2012 befinden sich im Parlament Vertreter der folgenden Parteien:
      Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) (liberal-konservativ)
      Partei der Arbeit (PvdA) (sozialdemokratisch)
      Partei für die Freiheit (PvV) (rechtspopulistisch)
      Christlich-Demokratischer Apell (CDA) (christdemokratisch)
      Sozialistische Partei (SP) (linkspopulistisch)
      Democraten 66 (D66) (sozial-liberal)
      Grüne Linke (GL) (ökologisch und sozialistisch)
      Christen Union (CU) (calvinistisch-sozial)
      Politisch-Reformierte Partei (SGP) (konservativ und orthodox-calvinistisch)
      Partei für die Tiere (PvdD) (Partei für Tierrechte)
         50Plus (Partei die Interessen der Älteren vertritt)

Im Vergleich zu Deutschland sind wesentlich mehr Parteien im Parlament vertreten, da man mit theoretisch nur 0,67 % der Stimmen
bereits ein Mandat gewinnen kann. Gruppierungen, die in Deutschland eher Flügel einer Volkspartei blieben, gründen in den
Niederlanden viel eher eine neue Partei.
Die traditionellen Volksparteien sind die Christdemokraten CDA und die Sozialdemokraten PvdA. In der Vergangenheit stellten
diese Parteien den Ministerpräsidenten. Die VVD stellte 2010 zum ersten Mal den Ministerpräsidenten.

1
    Interne Publikationen der Deutsch-Niederländischen Handelskammer

5
2.2     Wirtschaftsstandort Niederlande
Die geografische Lage der Niederlande und ihre traditionell enge Anbindung an die europäischen und interkontinentalen Märkte
bieten erhebliche Vorteile. In Rotterdam befindet sich der viertgrößte Hafen der Welt (nach Singapur, Shanghai und
Ningbo/Zhoushan) mit einem Güterumschlag von 440 Mio. Tonnen im Jahr 2013. Auch der Flughafen Schiphol in Amsterdam zählt
zu den weltweit größten. 2013 war er mit einem Frachtaufkommen von ca. 1,5 Mio. Tonnen und 50 Mio. Passagieren der
viertwichtigste Flughafen in Europa. Damit sind die Voraussetzungen der Randstad (westniederländischer Ballungsraum, umfasst die
Städte Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht einschließlich der jeweils gut entwickelten Randgemeinden) als Motor für die
niederländische Wirtschaft denkbar gut.

Hinzu kommen eine leistungsfähige Infrastruktur, unternehmerfreundliche Genehmigungsverfahren und günstige rechtliche
Rahmenbedingungen, vor allem bezüglich der Steuergesetzgebung für ausländische Unternehmen. Darüber hinaus punkten die
Niederlande mit einer herausragenden Logistik, kostengünstigen gewerblichen Immobilien und hochqualifizierten, mehrsprachigen
und flexiblen Arbeitskräften. 2

2.2.1     Wirtschaftsstruktur Niederlande
Aufgrund der Ressourcenknappheit und des starken Bevölkerungswachstums der letzten hundert Jahre wurde der Export/Import von
Gütern und Dienstleistungen zur treibenden Kraft der niederländischen Wirtschaft. Mit einem Anteil von fast 62 % bildet der
Dienstleistungssektor, der zudem fast vier Fünftel aller Erwerbstätigen beschäftigt, den wichtigsten Bereich, gefolgt von der Industrie
mit rund 18 % dem Staat mit 11 %, und schließlich der Landwirtschaft und Fischerei mit einem Anteil von etwas über 2 % am BIP.
(Die Differenz zu 100 ergibt sich daraus, dass Staatsangestellte nahezu ausschließlich eine Untergruppe der Dienstleistung bilden).

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Niederlande (bruto binnenlands product, BBP) lag 2014 bei 654 Mrd. Euro. 2013 lag dieses noch
bei 642,8 Mrd. Euro. Damit scheint die Rezession der Jahre 2012 und 2013 überwunden zu sein. Die Prognose für 2015 sieht ein
Wachstum von 14 Mrd. Euro im Vergleich zum Jahr 2014 vor.3

Der Export ist für die niederländische Wirtschaft immer wichtig gewesen. Das Land weist traditionell einen Außenhandelsüberschuss
auf, 2013 von 46,7 Mrd Euro. Auch das Ausfuhrvolumen nahm, bis auf ein Nullwachstum im Jahr 2013 in den letzten Jahren stetig
zu. Der Wert aller Exporte betrug 2013 laut GTaI (Germany Trade & Invest) 433,1 Mrd. Euro. 4
Die Importe schrumpften hingegen 2013 um 0,8% auf 386,4 Mrd. Euro. Die vorläufige Schätzung des CPB (Centraal Planbureau) für
2014 sieht aber wieder ein Importwachstum von 2,25% und für 2015 wird eine Zunahme um 4,25% prognostiziert. 5
Reexporte zuvor importierter Waren spielen mit einem Anteil von mehr als 50 % am Export eine sehr wichtige Rolle für den
niederländischen Außenhandel. Sie begründen auch die Position der Niederlande in den Top 10 der Welthandelsnationen. 6

2.2.2     Wirtschaftsentwicklung
Die niederländische Wirtschaft konnte sich 2014 aus der Rezession befreien und wuchs um etwa 0,75%. Im ersten Quartal 2014 war
jedoch mit -0,5% im Vergleich zum Vorjahresquartal ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Für 2015 geht das CPB von einem
Wirtschaftswachstum von 1,25% und Eurostat von 1,3% aus. 7

Das Scheitern des Kabinetts Rutte I hinterließ ein Machtvakuum und schwächte das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik.
Infolgedessen schwächte sich das einsetzende Wirtschaftswachstum 2013 ab und die niederländische Zentralbank sah sich
gezwungen ihre Wachstumsprognose deutlich nach unten zu korrigieren. Das konsolidierte Wirtschaftswachstum belief sich somit
2013 auf -0,7% statt der vorausgesagten 0,6%. Das vom Parlament durchgesetzten Sparpaket mit einem Umfang von 16 Milliarden

2
  Interne Publikationen der Deutsch-Niederländischen Handelskammer
3
  CPB (2014)
4
  GTaI (2014)
5
  CPB (2014)
6
  GTaI (2014)
7
  CPB (2014), Eurostat (2014b)

6
Euro war einer der Gründe für diesen Rückgang, ermöglichte es aber nach einer Neuverschuldung von 4% des BIP 2012 in den
Jahren 2013 und 2014 die EU-Defizitgrenze von 3 % einzuhalten.8
Ursache dieser Wirtschaftsentwicklung soll hauptsächlich der Export sein. Die Rezession in weiten Teilen Europas hat einen
erheblichen Einfluss auf die niederländische Konjunktur: rund 60 % der Exporte gehen üblicherweise an die Eurozone. Hinzu
kommen die geringen Einkommenszuwächse der vergangenen Jahre sowie die Schwäche des Immobilienmarkts.

Das niederländische CPB geht aber bis 2017 von einem leichten jährlichen Wachstum von 1,3%, der dauerhaften Einhaltung der
Defizitgrenze mit 1,8% Neuverschuldung jährlich und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von ihrem Höchststand 2013 (8,3%)9 auf
5,25% aus.10

2.2.3      Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
Das Handelsvolumen zwischen den Niederlanden und Deutschland lag in 2013 bei 160,3 Mrd. Euro. Die vermeintlich kleinen
Niederlande stehen damit im bilateralen Außenhandel hinter Frankreich an zweiter Stelle der deutschen Partnerländer. Das bilaterale
Handelsvolum gehört zu den weltweit größten. Gründe dafür sind nicht zuletzt die geographische Nähe und die Größe des deutschen
Marktes.

Deutschland ist schon seit Jahren mit Abstand der größte Handelspartner der Niederlande, sowohl im Import als auch im Export. Die
wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland haben dementsprechend einen großen Einfluss auf die Niederlande. Der
niederländische Export reagiert schnell auf Konjunkturschwankungen im Nachbarland.

Als Importland für Deutschland liegen die Niederlande mit einem Wert von 89,2 Mrd. Euro (2013; 14,4%) vor China (74,9 Mrd.
Euro; 12,1%) auf Platz eins. Die Niederlande nehmen auf der Rangliste der wichtigsten Exportländer Deutschlands im Jahr 2013 den
vierten Platz ein. Laut Statistischem Bundesamt exportierte Deutschland Güter im Wert von rund 71 Mrd. Euro in das westliche
Nachbarland. Mit einem Gesamtumsatz von 159,6 Mrd. Euro nahmen die Niederlande nach Frankreich Platz zwei ein, bei den
Exporten lagen nur Frankreich (100 Mrd. Euro), die Vereinigten Staaten (89,3 Mrd. Euro) und das Vereinigte Königreich (75,5 Mrd.
Euro) weiter vorne.

Die wichtigsten niederländischen Erzeugnisse auf dem deutschen Markt sind Kokerei- und Erdölerzeugnisse, chemische und
elektrotechnische Erzeugnisse, Erdöl und Erdgas, Maschinen, Metalle sowie Landwirtschaftsprodukte. Aus Deutschland werden vor
allem pharmazeutische Erzeugnisse, chemische Produkte, Nahrungsmittel sowie Maschinen, Autos und Autoteile, IT-Produkte,
Metalle sowie Kunststoff- und Gummiwaren importiert.11

2.3      Wohlstand und Konsumverhalten in den Niederlanden
Aus einer Veröffentlichung des europäischen Statistikbüros Eurostat geht hervor, dass die Niederlande zu einem der wohlhabendsten
Länder der Europäischen Union gehören. 2014 hatten die Niederlande innerhalb der EU das fünftgrößte Bruttoinlandsprodukt pro
Einwohner. Mit ungefähr 35.900 € liegt das Bruttoinlandsprodukt der Niederlande pro Einwohner gut 20% über dem Durchschnitt
der Eurozone und fast 30% über dem EU-Schnitt. Laut Eurostat waren die die Konsumausgaben der niederländischen Bevölkerung
seit 2011 leicht rückläufig. 2013 lagen sie mit etwa 22.500 € gleichauf mit Deutschland.12 Diese Durchschnittswerte dürfen jedoch
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den Niederlanden Wohlstandsunterschiede gibt. In den folgenden Absätzen wird aufgezeigt,
wo diese Wohlstandsunterschiede liegen, in welcher Altersgruppe sie am stärksten ausgeprägt sind und wofür das meiste Geld
ausgegeben wird.

2.3.1      Regionales Wohlstandsgefälle
Bloemendaal, Rozendaal und Laren sind die niederländischen Gemeinden, die über die höchsten Haushaltsvermögen verfügen. Mehr
als die Hälfte aller Haushalte in diesen Gemeinden gehören zu den wohlhabendsten Haushalten der Niederlande. Zusammen mit
Abcoude, Blaricum, Naarden, Heemstede, Wassenaar, Westvoorne und Oegstgeest stellen sie die Top 10 der wohlhabendsten

8
  CPB (2014)
9
  CPB (2014)
10
  CPB (2015)
11
  Statistisches Bundesamt (2015)
12
   Eurostat (2014a)

7
Gemeinden der Niederlande. Lediglich die Gemeinde Rozendaal befindet sich nicht im Westen des Landes. Mehr als 35% aller
Haushalte im Westen gehören zur Gruppe mit dem höchsten Wohlstandsniveau. Damit liegt dieser Wert mehr als das Doppelte über
dem Durchschnittswert des Landes.13

In der folgenden Abbildung 1 sind die niederländischen Gemeinden mit dem höchsten und mit dem niedrigsten Wohlstandsniveau
abgebildet. Zudem wird deutlich, wie viel Prozent der Haushalte in den einzelnen Gemeinden zu den Wohlhabenden gezählt werden.

Abbildung 1 Wohlstandsniveau in niederländischen Gemeinden14

Wohlhabendste              Anteil mit
Gemeinden                  höchstem
                           Wohlstandsniveau
Bloemendaal                36,5%
Rozendaal                  36,0%
Wassenaar                  35,2%
Blaricum                   34,4%
Laren                      34,0%
Naarden                    32,4%
Heemstede                  32,3%
Oegstgeest                 31,2%
De Bilt                    29,6%
Muiden                     29,5%

Ärmste                     Anteil mit
Gemeinden                  niedrigstem
                           Wohlstandsniveau
Pekela                     19,7%
Stadskanaal                20,5%
Achtkarspelen              20,6%
Kerkrade                   20,7%
Hoogezand-                 20,8%
Sappemeer
Oldambt                    20,8%
Heerlen                    20,9%
Vlagtwedde                 20,9%
Brunssum                   21,0%
Vaals                      21,0%

2.3.2      Konsumverhalten
In den Niederlanden entwickelte sich der Konsum in den vergangenen 10 Jahren so schwach wie in kaum einem anderen
europäischen Land. Schon zwischen 2009- 2012 entwickelte sich im Vergleich zu anderen EU-Ländern der Konsum besonders
schwach. Laut Eurostat sind die Konsumausgaben seit 2011 sogar rückläufig (2011: -1%; 2012: -1,4%; 2013: -1,6%).15 Laut einer
aktuellen Erhebung der niederländischen ABN Amro Bank hat sich der private Konsum jedoch 2014 mit einem Nullwachstum
zumindest stabilisiert. Für 2015 und 2016 geht die Prognose von einer leichten Zunahme um 1,1% bzw. 1,5% aus.16

13
   CBS (2013c)
14
   CBS (2013c) (Seite 36-37)
15
   Eurostat (2014a)
16
   ABN Amro (2015)

8
Laut CBS verzeichneten die nachhaltigen Produkte 2014 den stärksten Zuwachs (2,5%), gefolgt von Dienstleistungen (0,7%).
Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel blieben gegenüber 2013 unverändert, sonstige Konsumausgaben (u. a. Wohnung, Energie)
sanken um über 4%.17 Die Ausgaben für Gesundheit und Pflege konnten entgegen dem allgemeinen Trend über die letzten zehn Jahre
stetig. Fast die Hälfte aller Ausgaben entfallen auf die Sektoren Krankenhäuser und Kliniken sowie Altenpflege. 18

Gründe für die gesunkene Konsumfreudigkeit der Niederländer sehen Experten vor allem in der Eurokrise, der Schwäche des
Immobilienmarktes und den sinkenden Reallöhnen. Darüber hinaus ist das Verbrauchervertrauen insgesamt seit Beginn der Krise
deutlich gesunken, hat sich aber laut CBS 2014 wieder leicht erholt.

Abbildung 2: Ausgaben im Gesundheits- und Pflegesektor19

In Abbildung 2 sind die Ausgaben für einzelne Gesundheits- und Pflegesektoren und deren Entwicklung näher aufgelistet. Durch die
stetige Zunahme der über 65-Jährigen ist davon auszugehen, dass die Ausgaben für die medizinische Versorgung auch in Zukunft
weiterhin steigen werden. 20

2.3.3      Haushalte und Vermögen
Derzeit wird in den Niederlanden von ungefähr 7,5 Millionen Haushalte ausgegangen, welche über ein durchschnittliches
Einkommen von 35.000 € verfügen (D: 36.700 €). Im Gegensatz zu der Bundesrepublik sind die Haushalte aber im Durchschnitt
etwas größer (NL: 2,2; D: 2,0).21 Die Einkommens- und Vermögensungleichheit ist im europäischen Vergleich niedrig. 22 Ein Zehntel

17
   CBS (2014d)
18
   CBS (2014e) S. 20
19
   CBS (2014e), in Mrd. €
20
   Diewitz, Marte (GTaI) (2014)
21
   CPB (2014)
Gemiddeld Inkomen (2014)
BPB (2013)
22
   CBS (2014f):

9
dieser Haushalte hat ein Einkommen von mehr als 37.300 €. Eine ungefähr gleichgroße Gruppe verfügt über ein Vermögen von mehr
als 400.000 €. Teilweise zählen dabei dieselben Haushalte zu beiden Gruppen. Insgesamt zählen die Niederlande 270.000 Haushalte,
die sowohl über ein hohes Einkommen als auch über ein hohes Vermögen verfügen; dies sind ca. 3,7 % aller Haushalte.

Die Einkommens- und Vermögenshöhe variiert pro Lebensphase, wobei die Gruppe der 50 bis 65-Jährigen die höchsten
durchschnittlichen verfügbaren Einkommen hat. Sie verfügen zwar über leicht geringere Einkommen als 40 bis 50-Jährige, haben
aber durchschnittlich größere Vermögen. Eine eigene Immobilie (mit geringer oder ohne Hypothekenschuld) und Ersparnisse stellen
dabei die wichtigsten Quellen des Vermögens. In der Gruppe der über-65-Jährigen leben etwa 10 % auf dem Niveau der
Altersgrundsicherung (AOW)23 und etwa 55 % verfügen über ein Einkommen von 1000 € oder mehr pro Monat über die
Grundsicherung hinaus.

Vor allem Paare ohne (zu Hause lebende) Kinder sind gut situiert. Sie gehören in ihren jeweiligen Altersgruppen stets zu den
wohlhabendsten Haushalten. Zu der Gruppe mit dem kleinsten Vermögen gehören vor allem alleinstehende Eltern mit zu Hause
lebenden Kindern.

Das Bildungsniveau hat einen großen Einfluss auf das Vermögen. Je höher die Bildung, desto höher ist das Vermögen pro Haushalt
im Durchschnitt. 24

23
     Je nach persönlichen Lebensumständen beträgt die Altersgrundsicherung (AOW-uitkeering) zwischen 765,95 € und 1.506,55 € pro Monat. SVB (2015)
24
     CBS (2014c)

10
Abbildung 3: Einkommen nach Altersgruppe und Geschlecht25

25
     In 1.000 €, CBS (2014c), Seite 46

11
3 Der niederländische Bau- und
  Wohnungsmarkt
3.1        Der niederländische Bausektor
Wegen der umgesetzten Sparmaßnahmen des Kabinetts Rutte verzeichnete die niederländische Baubranche bis 2013 einen starken
Umsatzrückgang. Laut aktueller Erhebungen der ABN Amro Bank hat die Bauaktivität 2014 wieder zugenommen und wird in naher
Zukunft wieder stärker wachsen als der volkswirtschaftliche Durchschnitt. Nach einer Zunahme von 2% 2014 sollen also 2015 und
2016 Umsatzsteigerungen von 2% und 3,5% folgen.

Abbildung 4: Umsatzübersicht und –prognose des niederländischen Bausektors26

 Sektor                      2013         2014           2015            2016

 Baubranche insgesamt        -4,4         2              2               3,5
 Wohnungsbau                 -7           1              3,5             6,5
 Gewerbebau                  -3,5         3              2               2
 Infrastrukturbau            -4,5         1,5            0,5             1,5

In den letzten drei Jahren wurden in den Niederlanden ungefähr 181.000 Wohnungen gebaut, jährlich kamen somit 60.000 neue
Wohnungen hinzu. Im Vergleich zu den Jahren zuvor ist dies vergleichsweise wenig. In der Periode von 2000 bis 2009 wurden knapp
72.000 Neubauwohnungen pro Jahr gebaut. Zwischen 1986 und 2000 waren es sogar 95.000 Neubauten jährlich. Trotz dieser
Abnahme wächst der Wohnungsbestand in den Niederlanden mit 45.000 Objekte oder 0,6 % pro Jahr. Durch die steigende Anzahl
von Haushalten werden mehr Wohnungen nachgefragt.

In den letzten Jahren nahm in den Niederlanden vor allem die Anzahl der Neubauten von Mehrfamilienhäusern zu. Während in der
Periode von 1994 bis 2009 die meisten Neubauwohnungen Einfamilienhäuser waren, ist das Verhältnis zwischen Mehrfamilien- und
Einfamilienhäusern seitdem nahezu ausgeglichen. Zudem ist die Abnahme von Einfamilienhäusern mit 4 Zimmern besonders
auffällig. Dies wird auf kleinere Haushalte und geringere Kaufkraft zurückgeführt. Die Abnahme der Haushaltsgröße (s. Kapitel 3.2)
ist auch durch den demografischen Wandel bedingt. Demnach steigt die Nachfrage nach kleineren Wohnungen, welche besser zu den
Bedürfnissen und Anforderungen vieler älterer Niederländer passen.

Grundsätzlich haben äußere, gesamtwirtschaftliche Umstände einen großen Einfluss auf den Wohnungsbau. Aufgrund des
Wohlstandswachstums, den Haushalte in den 90er Jahren erlebten, stieg beispielsweise die Nachfrage nach Neubauwohnungen im
teureren Kaufsegment an. Zudem konnten durch eine gesetzliche Neuregelung auch die Einkommen beider Partner bei der
Berechnung der maximalen Hypothek von Banken berücksichtigt werden. Im Umkehrschluss hat der wirtschaftliche Abschwung der
jüngeren Vergangenheit die Nachfrage nach hochpreisigem Wohnraum verringert. Es bleibt aber festzuhalten, dass der Tiefpunkt des
Bausektors insgesamt aber auch der Wohnungsbaubranche seit 2014 überwunden scheint.

3.2        Der niederländische Wohnungsmarkt
Die Niederlande zählen rund 16,9 Millionen Einwohner mit ungefähr 7,5 Millionen Haushalten. Bis 2025 sollen jährlich etwa 50.000
Haushalte dazu kommen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in den Niederlanden sinkt wegen des demografischen Wandels und
veränderter Partnerschaftsverhältnisse bereits seit Jahren. Wegen des demografischen Wandels gibt es deutlich mehr Witwen und
Witwer, die nach dem Todesfall des Partners üblicherweise alleine wohnen. Auf der anderen Seite ziehen Paare später zusammen und

26
     ABN Amro (2014), in %

12
lassen sich auch häufiger wieder scheiden.27 Dieser Trend ist für den niederländischen Wohnungsmarkt von entscheidender
Bedeutung, da die Anforderungen an Wohnungen mit geringer Haushaltsgröße andere sind als bei größeren Haushalten. Das
Einkommen von Alleinwohnenden ist häufig geringer, wodurch die Nachfrage nach Kaufwohnungen sinkt.

Derzeit besteht der niederländische Wohnungsmarkt aus 43,1% Mietwohnungen und 56,2% Eigentumswohnungen. Traditionell stieg
der Anteil der Eigentumswohnungen stetig an.28 Seit 2009 ist das Verhältnis aber stabil, was auf die Krise des Immobilienmarktes
oder eine generelle Saturierung im Bereich der Kaufwohnungen zurückgeführt werden kann. Durch die Krise kam es in den
Niederlanden zu einer durchschnittlichen Preisabnahme der Kaufwohnungen in Höhe von 9%. Gegenüber dem Rekordjahr 2007
nahm die Anzahl der Häuserkäufe bis 2013 um 50% ab. Daraus resultierte ein Vertrauensverlust der Bevölkerung in den
Wohnungsmarkt.29 Es werden nicht nur weniger neue Kaufwohnungen gebaut, sondern auch der Verkauf von Mietwohnungen ist
zurückgegangen.

Abbildung 5: Eigentumsverhältnisse im niederländischen Wohnungsmarkt 30

 Wohnungstyp                                               Anzahl          %

 Wohnungen insgesamt                                       7.266.295       100
 Eigentumswohnungen                                        4.083.808       56,2
 Mietwohnungen                                             3.130.363       43,1
 Davon im Besitz von Wohnungsbaugesellschaften             2.236.587       30,8
 Ungeklärte Eigentumsverhältnisse                          52.124          0,7

Trotzdem ist derzeit die Nachfrage nach Mietwohnungen größer als das Angebot. Bei Mehrfamilienwohnungen ist der Unterschied
am größten. Der Angebotsmangel ist im Vergleich zum Jahr 2009 in fast allen Bereichen gestiegen. Vor allem in Großstädten wie
Amsterdam (76%), Rotterdam(64%) oder Groningen (58%) ist der Anteil der Mietwohnungen sowie die Nachfrage danach besonders
hoch.31

Die Durchschnittsmiete in den Niederlanden ist abhängig von der jeweiligen Gemeinde. In Städten, in denen die Nachfrage größer als
das Angebot ist, sind die Mietpreise wesentlich höher als in Städten, in denen die Nachfrage geringer als das Angebot ist. Die teuerste
Stadt in den Niederlanden ist Amsterdam. Dort wird eine Durchschnittsmiete von 1.150 Euro pro Monat und ca. 15 Euro pro
Quadratmeter bezahlt. Die geringste Durchschnittsmiete wird in Tilburg bezahlt. Die Durchschnittsmiete beträgt dort weniger als 500
Euro pro Monat. In den Niederlanden beträgt der durchschnittliche Mietpreis für eine Wohnung zur Zeit 750 Euro. Die jährlichen
Preisschwankungen betragen in etwa 1 bis 3 Prozent. Die jeweiligen Mietpreise unterscheiden sich aber je nach Provinz teilweise
sehr stark.

27
   CBS (2013b)
28
   Abf Research (2012)
29
   Pas, Leo van de (2012)
30
   CBS (2014b)
31
   Abf Research (2012)

13
Abbildung 6: Mietpreise pro Quadratmeter nach Provinz32

Die Preise für Kaufwohnungen bzw. -häuser sind in den letzten Jahren stark gesunken. Der Durchschnittskaufpreis in den
Niederlanden liegt zurzeit bei 240.000 Euro. Bei Kaufwohnungen bzw. Häusern spielt die Lage eine sehr wichtige Rolle. In der
Gemeinde Blaricum stehen die teuersten Kaufobjekte der Niederlande. Der Durchschnittspreis beträgt dort 788.000 Euro. In der
Gemeinde Pekela (Groningen) stehen die günstigsten Kaufobjekte der Niederlande. Für durchschnittlich 132.000 Euro kann man
derzeit dort ein Haus kaufen.33 Die jährlichen Preisschwankungen in diesem Segment können bis zu 10 Prozent betragen.

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Haushalte mit einem hohen Einkommen einen schnelleren Übergang vom
Mieten zum Kaufen vollziehen als Haushalte mit geringen Einkommen. Rund 66% der mietenden Haushalte befinden sich in den
niedrigsten zwei Einkommensklassen. In dem Mietsektor sind sehr häufig Alleinstehende und alleinerziehende Eltern zu finden, die
häufig zu den Geringverdienern zählen. Im Mietsektor trifft man vor allem junge (bis 30 Jahre) und ältere Menschen (ab 65 Jahre) an.
In den letzten Jahren nahm vor allem die Anzahl der Mieter mit über 75 Jahren stark zu.
Für mittlere Einkommensgruppen wird es spürbar schwieriger, aus einer Mietwohnung in eine Kaufwohnung zu ziehen, da Banken
immer höhere Anforderungen für die Vergabe von Krediten stellen. Personen mit demselben Einkommen und derselben Sicherheit
bekommen einen viel kleineren Kredit im Vergleich zu vorherigen Jahren.34

3.3      Das niederländische Recht zum Bau- und Wohnungsmarkt
Verschiedene Gesetze in den Niederlanden verfolgen das Ziel, Bauprozesse zu regeln und sicherzustellen. Deutschen Unternehmen
wird empfohlen, sich über die speziellen Verordnungen in ihrem Tätigkeitsbereich vorab zu informieren. In diesem Abschnitt werden
die wichtigsten Regeln kurz erläutert.

32
   Abf Research (2012), S. 26
33
   GemiddeldGezien (2015a)
GemiddeldGezien (2015b)
34
  Abf Research (2012)

14
Das niederländische Baurecht beinhaltet folgende Regelungen:

        das Architektengesetz (nl: Architectenrecht), in dem alle Rechte und Pflichten des Architekten verankert sind.

        das Auftragnehmerrecht (nl: Aannemingsrecht), das alle Rechte und Pflichten vom Auftragnehmer beinhaltet.

        den Bauerlass (nl: Bouwbesluit), der aus einer Ansammlung von bautechnischen Vorschriften besteht. Der Bauerlass
         beinhaltet Regeln zum Umbau von Wohnungen sowie Vorschriften mit den Schwerpunkten Sicherheit, Gesundheit,
         Benutzbarkeit, Energiesparmaßnahmen und Umwelt.

        die Bauordnung (nl: Bouwverordening), in der neben den technischen Anforderungen sowohl Regeln für die Anwendung
         von Brandschutzeinrichtungen als Bedingungen für Baugenehmigungen verankert sind.

        das Wohnungsgesetz (nl: Woningwet), welches das Bewohnen schlechter Wohnungen vermeiden soll und den Bau von
         angemessenen Wohnräumen fördern soll.

Um im Vorfeld der Geschäftsanbahnungsreise nähere Informationen zum niederländischen Recht zu erhalten, kontaktieren Sie bitte
folgende Partner:

Deutsch-Niederländische Handelskammer
Nassauplein 30
2585 EC Den Haag

Sonja van Sloten
E: s.vansloten@dnhk.org
T: +31 (0) 70 3114 106

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15
4 Demografischer Wandel
Wie in vielen westeuropäischen Ländern findet auch in den Niederlanden bereits seit einigen Jahren ein demografischer Wandel statt.
Die Anzahl der Menschen über 65 nimmt in den Niederlanden bereits seit 50 Jahren zu. 2013 gehörten etwa 16% der
niederländischen Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppe an, wovon wiederum 25 % dieser Menschen 80 Jahre oder älter waren.
Laut Prognosen wird die Anzahl der über-65-Jährigen von heute etwa 2,7 Millionen bis 2041 auf 4,7 Millionen ansteigen (ca. 25 %
der Bevölkerung) und dann bis 2060 ungefähr stabil bleiben. Die Gruppe der über-80-Jährigen wird mit rund 2 Millionen ab 2050
ihren Höhepunkt erreichen.35

Abbildung 7: Anzahl der Personen über 65 und 80 (in Millionen)

4.1        Ursachen des demografischen Wandels
Die Ursachen für den Demografischen Wandel in den Niederlanden sind vielfältig. Wie in anderen europäischen Ländern kam es
auch in den Niederlanden nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Geburtenwelle. In den 60er und 70er Jahren sank die Geburtenrate
wieder. Die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er werden 2040 größtenteils verstorben sein, daher wird sich
der Wert dann stabilisieren. In den letzten 10 Jahren ist darüber hinaus die Geburtenrate ebenfalls weiter gesunken.

Abbildung 8: Anzahl der Geburten36

 Kategorie                         1950         1960   1970   1980   1990    2009     2010      2011      2012      2013

 Lebendgeburten insgesamt 229.718 239.128 238912 181.294 197.965 184.915 184.397 180.060 175.959 171.341
 Kinder pro Frau            3,097   3,122 2,572    1,602   1,617    1,79   1,796   1,759   1,723   1,679

35
     Nationaal Kompas Volksgezondheid (2014c)
36
     CBS (2014a)

16
Der Anstieg der Lebenserwartung ist ein weiterer Grund für den demografischen Wandel der Gesellschaft. Er ist auf die verbesserte
medizinische Versorgung, den hohen Hygienestandards und eine ausgewogene Ernährung zurückzuführen. Derzeit liegt die
Lebenserwartung bei der Geburt von Jungen bzw. Mädchen bei 79,1 bzw. 82,8 Jahren. Die verbleibende Lebenserwartung der heute
über-65-Jährigen beläuft sich auf durchschnittlich 18,3 Jahre für Männer und 21,2 Jahre für Frauen. Auf Basis der Sterberaten des
Jahres 2012 ist zu erwarten, dass 72 % der derzeit geborenen Mädchen und 59 % der Jungen ein Alter von über 80 Jahren erreichen
wird. In den letzten 50 Jahren ist die Lebenserwartung bei sowohl Frauen und Männer um 7,4 Jahren gestiegen.37

4.2     Demografie und Geografie
In naher Zukunft werden alle niederländische Gemeinden sich mit der Herausforderung einer stets älter werdenden Bevölkerung
auseinandersetzen müssen. Im Folgenden werden regionale Unterschiede dargestellt.

Heutzutage leben 2,7 Millionen Menschen im Alter von 65 Jahren oder mehr in den Niederlanden. Dies entspricht 16 % der
Gesamtbevölkerung.38 Betrachtet man den Anteil der Älteren in den einzelnen Gemeinden, ist deren hohe Anzahl in der Provinz
Zeeland besonders auffällig. 2013 hatte die Provinz mit einem Anteil von 20 % die meisten Einwohner in diesem Alter. In den
Provinzen Limburg und Drenthe ist der Prozentsatz der Älteren ebenfalls überdurchschnittlich. In Zukunft wird sich dieser Trend
noch verstärken und auch zunehmend die eher ländlichen Provinzen Groningen und Friesland betreffen. In vielen Gemeinden wird
der Anteil der über-65-Jährigen an der Bevölkerung schon 2040 über 30% betragen. 39

Laut dem Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (D: Landesanstalt für Volksgesundheit und Umwelt) liegen die
Unterschiede vor allem an der Zu- und Abwanderung jüngerer Einwohner. Während einige Provinzen für die jüngeren Generationen
besonders unattraktiv sind, sind andere Provinzen, beispielsweise in der Randstad aufgrund der besseren Arbeitsmöglichkeiten sehr
gefragt. Der Wegzug der jüngeren Einwohner aus unattraktiven Provinzen sorgt in diesen Regionen für einen besonders hohen Anteil
älterer Einwohner. In anderen Regionen kommt es hingegen durch die Zuwanderung junger Einwohner aus dem In- und Ausland zu
einem abnehmenden Anteil von Älteren. Exemplarisch ist der Trend in der Provinz Flevoland zu beobachten. Diese Region ist bei
jüngeren Menschen sehr beliebt und weist damit den geringsten Anteil älterer Einwohner (ca. 11-14%) auf.

Die Großstädte der Niederlande werden auch weiterhin viele junge Menschen anziehen. Dennoch soll laut dem CBS die Anzahl der
älteren Einwohner in den Ballungsgebieten Amsterdam, Rotterdam, Utrecht und Den Haag (heute 11%, 14,5%, 10%, 13,3%) bis
2040 auf 17,6%, 20,8%, 14,6% bzw. 19,1% ansteigen. Dies entspricht in etwa dem Landesdurschnitt (15-20%).40 In der Provinz
Flevoland wird ein nahezu gleichbleibendes Verhältnis zwischen älteren und jungen Menschen prognostiziert. Experten schätzen,
dass die Anzahl der über-65-Jährigen in Amsterdam, der größten Stadt des Landes, bis 2040 um rund 70.000 steigen wird. Das hat
zur Folge, dass rund 158 000 Amsterdamer 65 Jahre oder älter sein werden. 41

4.3     Der Einfluss der Demografie auf den Wohnungsmarkt
Aus Erhebungen der niederländischen Regierung geht hervor, dass über 80 % der niederländischen Senioren weiterhin selbstständig
wohnen möchten.42 Dies führt zu einer steigenden Nachfrage nach altersgerechten und barrierefreien Wohnungen. Um diese
Nachfrage decken zu können, müssen nicht nur neue barrierefreie Wohnungen gebaut, sondern auch bestehende Wohnungen
altersgerecht umgebaut werden.

In den letzten Jahren hat sich in den Niederlanden bereits einiges im Bereich der altersgerechten und barrierefreien Wohnungen
verändert. Aus dem Bericht „Monitor investeren voor de toekomst 2014“ (D: Monitor investieren für die Zukunft 2014) wird
ersichtlich, dass derzeit etwa 370.000 altersgerechte oder barrierefreie Wohnungen in den Niederlanden existieren (davon etwa
205.000 spezifisch für Senioren gebaut). Bis 2021 wird der Bedarf deutlich schneller steigen als das Angebot. Das Forschungsinstitut
abf geht für diesen Zeitraum von einer Fehlmenge von altersgerechten und barrierefreien Neu- und Umbauten von etwa 40.000

37
   Nationaal Kompas Volksgezondheid (2014d)
38
   Nationaal Kompas Volksgezondheid (2014b)
39
   Zorgatlas (2014)
40
   CBS (2013a)
41
  CBS (2013a)
42
   Rijksoverheid (2015a)

17
Wohnungen aus.43 In Abbildung 9 ist die Anzahl senioren- und behindertengerechter Wohnungen in den einzelnen Provinzen im Jahr
2014 dargestellt. Zudem ist die Anzahl der bis 2021 fehlenden Wohnungen abgebildet. In fast allen Provinzen werden also zu wenige
neue Wohnungen dieser Art entstehen um mit der Nachfrage mithalten zu können. Einzig die Stadt Amsterdam und der
Regierungsbezirk Midden-IJssel werden die Nachfrage bedienen können. Am höchsten ist der Bedarf in den Städten Rotterdam und
Utrecht sowie in den Provinzen Nord-Brabant, Nord- und Südholland mit der Ausnahme Amsterdam.

Unter Berücksichtigung der immer älter werdenden Gesellschaft ist es zwingend erforderlich, dass der niederländische
Wohnungsmarkt zukünftig altersgerecht und barrierefrei gestaltet wird. Landesweit gesehen geht das abf-Institut daher von einem
nicht gedeckten Bedarf von mehr als 4.400 Wohnungen pro Jahr aus.

Bei umzugswilligen Senioren spielen vor allem gesundheitliche Gründe eine Rolle. Deshalb ist es wichtig, die Wohnungen an die
Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen. Die Mobilität ist eine der wichtigsten Einschränkungen, mit denen ältere Menschen zu
kämpfen haben. Aber auch der Verlust der Sehkraft sowie Hörschwierigkeiten führen im Alter häufig zu Problemen. Für den
Wohnungsmarkt bedeutet dies, dass vor allem Wohnungen gesucht werden, die die genannten Einschränkungen (zumindest teilweise)
beheben. Daher werden aufgrund der eingeschränkten Mobilität Hauslifte, barrierefreie Badezimmer, barrierefreie Küchen,
rutschfeste Böden und Türautomaten nachgefragt werden.

43
     Abf Research (2014)

18
Abbildung 9: Bestand und ungedeckter Bedarf im Bereich altersgerechte und barrierefreie Wohnungen 44

44
     In 1.000, Abf Research (2014), S. 10

19
5 Wissenswertes über niederländische Senioren
5.1        Umzugsverhalten älterer Menschen
Ältere Menschen ziehen im Vergleich zu jüngeren Menschen nicht gerne in eine andere Wohnung um. In einer Studie des Planbureau
voor de Leefomgeving (D: Planungsbehörde für den Lebensraum) aus dem Jahr 2012 gaben mehr als 85% der Niederländer über 65
an, innerhalb der nächsten zwei Jahre unter keinen Umständen umziehen zu wollen. Von den Niederländern, die 85 Jahre oder älter
waren, waren es sogar 90%. Durchschnittlich gaben nur 14% der Seniorenhaushalte an, eventuell innerhalb der folgenden zwei
Jahren umziehen zu wollen. Die Umzugsbereitschaft bei der Altersgruppe der 20-Jährigen hingegen liegt bei über 50%.

Meist sind finanzielle Gründe für die abnehmende Umzugsbereitschaft verantwortlich. Häufig leben Senioren bereits in Wohnungen,
die ihren maximalen finanziellen Mitteln entsprechen. Während jüngere Menschen mit steigendem Einkommen häufig in größere
oder teurere Wohnungen umziehen, die ihren Wünschen besser entsprechen, bevorzugen ältere Menschen den Verbleib in der
bestehenden Wohnung. Die Studie des Planbureau voor de Leefomgeving bestätigt diese Erkenntnis. In der Altersgruppe 75 oder
älter haben 94% angegeben, mit ihrer Wohnung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. In der Altersgruppe der 55-Jährigen und jünger
geben 87 % an, zufrieden mit ihrer Wohnung zu sein. Das Ergebnis der Zufriedenheitsumfrage ist bemerkenswert, da der Großteil
älterer Menschen nicht in altersgerechten Wohnungen lebt.

Die Anzahl der umzugswilligen Senioren nennt vor allem die schlechter werdende Gesundheit als Beweggrund. Hier lassen sich die
niederländischen Senioren in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe zieht vorsorglich in eine andere Wohnung, die in der Regel
kleiner und barrierefrei ist. Zu dieser Gruppe gehören ca. ein Drittel aller Senioren.

Die zweite Gruppe der niederländischen Senioren zieht erst um sobald sie nicht mehr in der Lage sind selbstständig in ihrer Wohnung
zu leben. Das größte Bedürfnis der Menschen ist, in der Nähe der Familienangehörigen zu wohnen. Diese Gruppe der Senioren ist
bereit, in ein Altersheim oder in eine Seniorenwohnung mit der Option betreutes Wohnen zu ziehen. Zwei Drittel der über-75-
Jährigen, die in eine andere Wohnung umgezogen sind, hatten diesen Umzug nicht geplant. Bei den Jüngeren entspricht dieser Anteil
weniger als einem Drittel.45

5.2        Krankheiten und körperliche Einschränkungen
5.2.1       Körperliche Einschränkungen bei Senioren
Im Alter von 75 Jahren nimmt das Risiko körperlicher Einschränkungen zu. Trotz des erhöhten Krankheitsrisikos gibt der Großteil
aller alleinwohnenden Senioren an, sich gesund zu fühlen. In der Altersgruppe der 65 bis 74-Jährigen fühlen sich 70 % der Männer
und 63% der Frauen gesund. In der Altersgruppe der über-75- Jährigen fallen die Werte auf 63% (Männer) und 50% (Frauen).

45
     PBL (2013)

20
Abbildung 10: Körperliche Einschränkung älterer Männer und Frauen 46

In der Abbildung 10 aus der POLS-Umfrage (Permanent Onderzoek Leefsituatie, D: Permanente Recherche zur Lebensqualität ) sind
körperliche Einschränkungen männlicher und weiblicher Senioren in dem Bereichen Hören, Sehen, Mobilität und ADL47 graphisch
dargestellt. Diese Langzeitstudie fand zwischen 2000 und 2009 statt. Da die durchschnittliche Frau über 65 aufgrund der höheren
Lebenserwartung älter ist als der durchschnittliche Mann über 65, müssen sie häufiger mit körperlichen Einschränkungen leben. Eine
Ausnahme bei diesem Trend stellt das Hören dar. Der größte Unterschied bei körperlichen Einschränkungen zwischen Männern und
Frauen liegt in der Mobilität. Laut der Umfrage fühlen sich 14% der Männer und 32% der Frauen dieser Altersgruppe in ihrer
Mobilität eingeschränkt.

Eine weitere Erkenntnis der Umfrage ist, dass körperliche Einschränkungen mit höherem Alter zunehmend vorkommen. In
Abbildung 11 sind die körperlichen Einschränkungen niederländischer Senioren nach Altersgruppen grafisch aufbereitet.

Abbildung 11: Körperliche Einschränkungen eingeteilt in Alterskategorien48

Ab dem 75. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit körperlicher Einschränkungen in erheblichem Maße. Ab dem 80. Lebensjahr
lebt der Großteil der Senioren mit einer oder mehreren körperlichen Einschränkungen.

Darüber hinaus scheint ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und körperlichen Einschränkungen zu bestehen. Dabei gilt
der Grundsatz, je höher das Bildungsniveau, desto weniger körperliche Einschränkungen im Alter. Allerdings ist dieser Trend nicht
auf das Hören anwendbar.

Die Anzahl der Senioren mit körperlichen Einschränkungen ist durch die prozentuale Zunahme dieser Gruppe an der
Gesamtbevölkerung gestiegen. Jedoch ist der Prozentsatz der Personen, welche mit körperlichen Einschränkungen leben, in ihrer
jeweiligen Altersgruppe seit den 1990er Jahren stabil geblieben.

46
     SCP (2009)
47
     Algemene dagelijkse levensverrichtingen (Allgemeine Aktivitäten des täglichen Lebens)
48
     SCP (2009)

21
5.2.2        Chronische Krankheiten bei Senioren
Chronische Erkrankungen sind in allen Altersklassen vorzufinden. Dennoch kommen chronische Erkrankungen Studien zufolge bei
Senioren verhältnismäßig häufig vor. Ungefähr die Hälfte aller Senioren in den Niederlanden leidet unter einer oder mehreren
chronischen Erkrankungen. Bis zum Alter von 55 Jahren leiden weniger als 5% an mehreren chronischen Erkrankungen. Bei den 65-
bis 74-Jährigen hat bereits ein Fünftel der Personen mehr als eine chronische Erkrankung. Bei den über-75-Jährigen leidet bereits ein
Drittel unter mehreren chronischen Erkrankungen.

Sehschwäche ist, gefolgt von koronaren Herzerkrankungen, Arthrose und Diabetes Mellitus, die am häufigsten vorkommende
Erkrankung. Seniorinnen leiden häufiger an Sehschwäche, Arthrose und Diabetes Mellitus, Senioren hingegen sind häufiger
schwerhörig und erleiden häufiger Herzerkrankungen.

5.2.3        Psychische Erkrankungen
Laut hausärztlichen Statistiken sind kognitive Störungen (Demenz) und Gefühlsstörungen (Depression) die am häufigsten
vorkommenden psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen. Das Risiko einer geistigen Erkrankung nimmt mit zunehmendem
Alter stark zu. Während in der Gruppe der 65 bis 74-Jährigen nur 2,2 % unter einer solchen Beeinträchtigung leiden, steigt der Wert
für 75 bis 84-Jährige auf 5,9 % und für über-85-Jährige sogar auf 13,4 %.49 Die Anzahl der Senioren mit Demenz, die am häufigsten
auftretende geistige Erkrankung, nimmt mit dem Alter stark zu. Das Niederländische Gesundheitsministerium geht derzeit von
insgesamt 65.000 Demenzkranken aus, wobei es auch eingesteht, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegen könnte – je nach
Definition der Krankheit bei bis zu 260.000. Pro Jahr kommen etwa 12.700 neue anerkannte Fälle hinzu, die Anzahl der
Demenzkranken insgesamt nimmt aber aufgrund zahlreicher Sterbefälle in dieser Gruppe nur sehr langsam zu. Das schnelle
Wachstum der Anzahl der als Dement eingestuften Personen seit Mitte der 80er Jahre ist im Wesentlichen durch die frühere und
bessere Erkennung der Krankheit zu erklären.

Insgesamt nehmen 82% der Demenzkranken in den Niederlanden mindestens eine Form von Pflege in Ansprach. 53 % der
Erkrankten nutzen die Möglichkeit der häuslichen Pflege, 18 % besuchen mindestens einmal wöchentlich eine Tagespflege oder
sonstige Senioreneinrichtung (inkl. Kirchen- u. Gemeindezentren für Senioren). Es ist das erklärte Ziel des Gesundheitsministeriums
die Pflege Demenzkranker so weit wie möglich zu Hause stattfinden zu lassen. Der wichtigste Ansprechpartner müsse immer der
jeweilige Hausarzt bleiben.50

5.2.4        Akute Erkrankungen
Jährlich gibt es ungefähr 224.000 neue Fälle von Senioren mit Nacken- und Rückenschmerzen. Die Anzahl der Unfallverletzungen
liegt vergleichbar hoch. Die Verletzungsursache ist dabei zumeist ein Sturz, der bei älteren Menschen oftmals (teilweise mehrere)
Knochenbrüche zur Folge haben kann. In der Altersgruppe der über 55-Jährigen kommt es nach einem Sturz häufig zur Hüftfraktur.
In 80% der tödlich endenden Unfälle war ein Sturz die Ursache. Bei den über-75-Jährigen werden sogar mehr als 90 % der tödlichen
Unfälle durch einen Sturz verursacht.

Allgemein haben Senioren ein erhöhtes Risiko an einer Infektion zu erkranken sowie an einer Infektionskrankheit zu sterben. Das
niederländische Gesundheitsministerium schätzt, dass Senioren doppelt so häufig an Infektionskrankheiten leiden wie der
Bevölkerungsdurchschnitt und ein dreifaches Sterberisiko bei solchen Krankheiten befürchten müssen. Die am häufigsten
vorkommenden Infektionskrankheiten bei über-65-Jährigen sind Blasen- und Nierenentzündungen, Entzündungen der Atemwege und
die oftmals besonders gefährlich verlaufende Lungenentzündung. Häufig treten auch mehrere Infektionen zeitgleich oder in kurzer
Abfolge auf, was wiederum ein erhöhtes Sterberisiko zur Folge hat. 51

5.2.5        Das soziale Umfeld älterer Menschen
Das soziale Umfeld besteht aus verschiedenen Aspekten wie beispielsweise der unmittelbaren Nachbarschaft, dem Sport- oder
Hobbyverein, der Familie und Freunden. Wenn das soziale Umfeld Unterstützung bietet, kann dies einen positiven Effekt auf die

49
     RIVM (2011), Seite 29
50
     Nationaal Kompas Volksgezondheid (2014a)
51
     RIVM (2011)

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