Big Manni Themenabend - MITTWOCH, 1. MAI 2019 - SWR
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DasErste.de Themenabend Big Manni Fernsehfilm mit anschließender Dokumentation MITTWOCH, 1. MAI 2019 20:15 Uhr
Ein Themenabend übers Betrügen und Sich-Betrügen-Lassen BIG MANNI SWR, ARD Degeto FERNSEHFILM AM MITTWOCH, 1. MAI 2019, 20:15 UHR BIG MANNI – BIG MONEY SWR DOKUMENTATION AM MITTWOCH, 1. MAI 2019, 21:45 UHR INHALTSVERZEICHNIS INHALT UND PRESSENOTIZ 4 BESETZUNG, STAB 6 REGISSEUR NIKI STEIN IM INTERVIEW 9 DIE AUTOREN JOHANNES BETZ UND JÜRGEN RENNECKE IM INTERVIEW 11 INTERVIEW MIT HANS-JOCHEN WAGNER 13 INTERVIEW MIT FELIX EITNER 15 INTERVIEW MIT NINA GNÄDIG 17 INTERVIEW MIT ROBERT SCHUPP 19 BIG MANNI – BIG MONEY 21 HINTERGRUND 25
INHALT UND PRESSENOTIZ Ettlingen, Mitte der 1980er Jahre. Manfred Brenner, als von Brenners hochrangingen Gönnern ausgebremst. Hersteller von Fassadenfarbe ein regional erfolgreicher Einzig Kommissar Bärlach, ein früherer Klassenkamerad, Unternehmer, hat gerade ein kleines Tief. Aber mit seiner lässt nicht locker und sucht nach Beweisen für Manfred neu gegründeten Firma Flowtex, davon ist Brenner über- Brenners Scheingeschäfte. zeugt, wird er den großen Durchbruch schaffen. Neu- artige Horizontalbohrsysteme sollen den Bau von Versor- Angelehnt an den realen Aufstieg und Fall der Firma gungsleitungen im Untergrund revolutionieren. Doch Flowtex erzählt der Fernsehfilm »Big Manni« von einem der große Erfolg bleibt länger als erwartet aus. Manfred der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nach- Brenner spielt auf Zeit – und es klappt. Er arbeitet mit kriegsgeschichte. Über vier Milliarden DM betrug der Bohrsystemen und Aufträgen, die gar nicht existieren, Schaden, als Firmenchef Manfred Schmider im Jahr 2000 häuft Kredit auf Kredit und Leasingvertrag auf Leasing- verhaftet wurde. In ihrem komödiantischen Fernsehfilm vertrag. Er setzt Charme und Überzeugungskraft ein, und sezieren Regisseur Niki Stein und die Autoren Johannes lange Zeit bemerkt niemand, dass Brenner mit wenigen Betz und Jürgen Rennecke mit viel Spaß an der Real- Helfern und vielen gefälschten Unterlagen ein betrüge- satire, wie Banker und Politiker sich von dem Unterneh- risches Firmenkonsortium aufbaut. Inzwischen führt er mer täuschen lassen, weil sie begierig danach sind, das ein Leben auf großem Fuß. Beziehungen zu regionalen ganz große Finanz-Rad zu drehen. Hans-Jochen Wagner Politikern werden gepflegt, Banken, Leasinggesellschaf- steht als Manfred Brenner im Mittelpunkt der Geschichte, ten und Wirtschaftsprüfer hofieren ihn. Vorbehalte von auf die im Anschluss die Dokumentation »Big Manni – Big Finanzbeamten und Wirtschaftskriminalisten werden Money« folgt. 4
BESETZUNG BIG MANNI STAB Manfred Brenner Hans-Jochen Wagner Regie Niki Stein Irene Brenner Nina Gnädig Buch Johannes Betz Markus Brenner Ben Braun Jürgen Rennecke Armin Pfortner Jürgen Hartmann Kamera Michael Schreitel Thomas Bärlach Felix Eitner Schnitt Corina Dietz-Heyne Stoschek Robert Schupp Musik Jacki Engelken Stüberle Ferdinand Grözinger Szenenbild Joachim Schäfer Felicia Brandt Natalia Belitski Kostümbild Susanne Fiedler Rüdiger Rettinger Patrick von Blume Casting Nina Haun Böhnisch Christian Heller Susanne Koller Marl David Liske Producer Uwe Franke Emil Brenner Jürgen Haug Produzentin Sabine Tettenborn Klara Brenner Cornelia Faß Redaktion Michael Schmidl, SWR König Bernd Gnann Christine Strobl, ARD Degeto Schubert Max Ruhbaum u. v. a. »Big Manni« ist eine Produktion der Polyphon Pictures im Auftrag von SWR und ARD Degeto für Das Erste. Gedreht wurde Juni/Juli 2016 in Karlsruhe und Umgebung. 6
REGISSEUR NIKI STEIN IM INTERVIEW »Big Manni« ist die Geschichte eines Hochstaplers, dem Das heißt nicht, dass ich die ernste, absolut empörende es gelang, Geldgeber und Politiker hinter sich zu bringen Seite daran leugnen wollte. Aber mir schien die Form und damit eine gigantische Luftnummer hochzuziehen. der Komödie die geeignetste, um diesen irrwitzigen Spa- Was hat Sie denn an dem Projekt vor allem gereizt? gat zwischen Selbstüberschätzung und bauernschlauer Hochstapler sind immer reizvolle Figuren in einem Menschenkenntnis der Hauptfigur darzustellen. Drama. Das weiß man spätestens seit Thomas Manns Dabei darf man natürlich nie den Fehler machen, eine »Felix Krull«. Und sie haben großartige Vertreter in der Komödie nicht bierernst zu inszenieren und auch ihre Filmgeschichte, an denen man sich messen muss. Charaktere absolut ernst zu nehmen. Gibt man dem Affen Zucker oder verliert man sich im Manierismus, Ist der Fall paradigmatisch für die Verfassung der Bundes- wird es albern. republik dieser Zeit? Sind wir in der Zeit nach der Banken- krise desillusionierter? Gab es die Gefahr, wegen der absurden Seite des Falles zu Die Ereignisse um »Flowtex« waren sicher von dem unge- verniedlichend zu werden? heuren Optimismus beflügelt, der mit der deutschen Wie gesagt: Eine gute Komödie muss immer knapp an Einigung einherging. Überall wurde gebaut, ein ganzes der Tragödie vorbeischrammen. Und der Film hat ja sehr Land renoviert, ob immer zu Recht, sei einmal dahin- ernste Momente, wenn beispielsweise Big Manni gegen- gestellt. Der eigentliche Treibstoff, der Betrügern ihre über seiner Familie sein Versagen einräumen muss. »Opfer« zuspült, nämlich die Gier, versiegt freilich nie! Die eigentlichen Opfer kommen freilich nicht vor. Das sind nämlich wir alle, der Staat, die Steuerzahler, die letzt- »Big Manni« hat nicht die Tonlage eines historischen lich die Zeche gezahlt haben. Die schauen jetzt hoffent- Fernsehfilms, sondern arbeitet durchaus die komische lich zahlreich »Big Manni« und das nächste mal denen Seite des Geschehens heraus. Mit welchem Blick, welcher etwas besser auf die Finger, die den eigenen Größen- Intention sind Sie an die Umsetzung herangegangen? wahn mit Hilfe des »big money« ausleben wollen. Ich fand den Stoff von vornherein unglaublich komisch. à 9
Manfred Brenner hat ein paar Mitwisser, die ganze Flow- Pracht haben wir einfach nirgendwo vergleichbar tex-Nummer ist aber vor allem eine große Ego-Show. War gefunden. es deshalb naheliegend, den Film aus seiner Perspektive zu erzählen, samt Off-Kommentar? Sahen Sie die Gefahr, »Big Manni« ist ein personenreicher Film, der allerdings ihn dadurch indirekt ein wenig zu heroisieren? von einer Hauptfigur beherrscht wird. Was bedeutet das Es ist ja nicht so, dass unser Big Manni im Film von für die Schauspielführung, wie kriegt man es hin, dass Anfang an betrügen will. Er glaubt an sich, hat eine alle zu ihrem Recht kommen? Vision. Das ist ja schon mal toll. Visionäre sind ja seit Ach, wissen Sie, alle Figuren haben ja etwas: Der kleine Helmut Schmidts Spruch, wer Visionen hat, sollte zum und der große Banker, die die Gier blind macht; der Poli- Arzt gehen, etwas verpönt in unserem Land. Aber Big tiker, der glaubt, Big Manni für seine Interessen nutzen Manni kann auch den Hals nicht voll kriegen, er ist ein zu können und am Ende relativ glimpflich davonkommt; eitler Selbstdarsteller. Das verschweigt der Film nicht. seine Ehefrau, die lieber wegschaut statt nachzufragen. Und der wunderbare Hans-Jochen Wagner zeigt diesen Und nicht zuletzt der Kommissar, der das aufdeckt und Big Manni in all seinen Facetten. von dem man den Eindruck nicht los wird, dass sein besonderer Einsatz auch eine persönliche Komponente Haben Sie mit dem realen Manfred Schmider zusammen- hat. gearbeitet? Man muss die Fguren sehr trennscharf beschreiben Ich habe mich einmal mit ihm getroffen und einen Tag können als Regisseur. Den Rest macht dieses großartige lang unterhalten: Ein sehr netter, einnehmender Mann: Ensemble von alleine. Ich hätte ihm jeden Gebrauchtwagen abgekauft. War es sehr schwierig, einen Darsteller für »Big Manni« Inwieweit konnten – und wollten – Sie mit Originalmo- zu finden? tiven arbeiten? Nein, weil für mich nur Hans-Jochen Wagner in Frage Tatsächlich haben wir in »Big Mannis« Versailles gedreht, kam und er direkt zugesagt hat. – Aber auch bei den einem Anwesen auf dem Turmberg über Karlsruhe. anderen Rollen haben wir nicht lange gesucht, die wun- Das war mir sehr wichtig und hat die Produktion am derbare Casterin Nina Haun und ich. Wichtig war uns, Ende eine Stange Geld gekostet, weil dort wieder ein dass alle Dialekt sprechen. Dieses verbrüdernd Provin- sehr geschäftstüchtiger Herr sitzt. Aber diese protzende zielle ist ja der Nährboden für den Betrug. 10
DIE AUTOREN JOHANNES BETZ UND JÜRGEN RENNECKE IM INTERVIEW Die Flowtex-Affäre war einer der größten Wirtschaftsskan- Schmiders kriminelle Karriere erst ermöglicht. Der Witz dale der deutschen Nachkriegsgeschichte, Geld wurde ver- ist ja: Je mehr die Affäre eskalierte, desto mehr weckte nichtet, Beteiligte wurden verurteilt – oder auch nicht –, sie die kriminelle Energie der Politiker, der Beamten, der Vertrauen erschüttert und es gab auch nicht wenige Banker. Wir behaupten: die muss latent schon vorhan- absurde Momente. Mit welcher Intention sind Sie beide den gewesen sein. Da reicht manchmal schon die Bereit- denn an die Geschichte herangegangen? Welche Punkte schaft, das Offensichtliche zu ignorieren. waren Ihnen besonders wichtig? Die 90er Jahre, nach dem Zusammenbruch des Kommu- Uns ging es um Differenzierung. Die bisherige Berichter- nismus und der Wiedervereinigung, waren dafür der stattung über die Flowtex-Affäre zeichnet sich durch Einsei- ideale Nährboden. Der Finanzsektor begann sich immer tigkeit aus und setzte auf die Verteufelung des Haupttäters. unkontrollierter aufzublähen, Schneeballsysteme wur- Als »Narrativ« wäre das für uns nicht interessant. Wir haben den plötzlich seriöse Geschäftsmodelle. Insofern ist die also nicht nur Bücher gelesen und Akten gewälzt, sondern Flowtex-Affäre paradigmatisch: Sie verdichtet schlag- mit Manfred Schmider mehrere Tage gesprochen und aus lichtartig die Vorgeschichte zum globalen Bankencrash diesen Interviews wertvolle Einblicke gewonnen: über sei- 2008. nen Charakter, seine Perspektive, seine Beweggründe. Und Einmal sagt unsere Hauptfigur: »Die Leute glauben wir haben begriffen, dass gestandene Journalisten nicht nicht, was sie sehen. Sie sehen, was sie glauben.« Inso- wenige sachliche Falschinformationen in die Welt getragen fern ist das auch eine Geschichte über die Kraft des haben, zum Beispiel über seine familiäre Herkunft. magischen Denkens. Wieviel Realität steckt im Film, wie stark haben Sie zuge- Wie hat diese Einschätzung die Struktur des Drehbuchs spitzt? Wie wichtig war Ihnen, das satirische Potential der beeinflusst? Geschichte zum Vorschein zu bringen? Wir trafen früh die Entscheidung, den Film weitest- Wenn man diese komplexe Story in 90 Minuten unter- gehend aus Manfred Schmiders Perspektive zu erzählen. bringen muss, kommt man ohne Verdichtung und Seine Entscheidungen strukturieren die Geschichte. Er Zuspitzung nicht aus. Das satirische Potential ergibt sich reitet das Monster in dem Irrglauben, es irgendwann allein durch die Sachlage und wurde durch die Regie zähmen zu können. behutsam verstärkt. Aber natürlich ist unsere Haupt- figur ein satirischer Charakter im wahrsten Sinn, ein Haben Sie eine bestimmte Reaktion beim Publikum im Satyr: ein genusssüchtiger Dämon, der seine Umwelt Blick? in Versuchung führt. Und die ist nur allzu bereit dazu. Nein. Natürlich hat es uns Spaß gemacht, das Gesamt- bild der Flowtex-Affäre um die Perspektive des Hauptak- Sie haben sich intensiv mit der Affäre beschäftigt. War teurs zu erweitern. Aber die »Moral von der Geschicht’« das eine besondere Konstellation oder sehen Sie sie als ist so offensichtlich, da braucht es keine Oberlehrer-Atti- paradigmatisch an? Haben die Umstände es einer Per- tüde. Wir wollen unterhalten, faszinieren. Das Publikum sönlichkeit wie Manfred Schmider leicht gemacht? soll seinen Spaß haben. Das macht man als Drehbuch- Das System aus Finanzwelt und Politik in seiner Selbst autor am besten, indem man seine Figuren respektiert. überschätzung, Eitelkeit und Erfolgsbesoffenheit hat 11
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INTERVIEW MIT HANS-JOCHEN WAGNER Wie ist Manfred Brenner zu dem geworden, der er wurde. Offensichtlich hat sein zur Schau getragener Reichtum Was denken Sie? auch dazu geführt, dass in vielen in seiner Nähe, nicht Ich denke, bei ihm hat sich, wie bei uns allen, in der Kind- zuletzt bei den Banken, eine große Gier geweckt wurde. heit und der frühen Jugend ein tiefes Bedürfnis, eine Alle wollten teilhaben an diesem Wunder und auch die verzweifelte Sehnsucht nach etwas entwickelt, was ihm Taschen füllen. Und wenn eine Bank erst einmal einige damals gefehlt hat oder vorenthalten wurde. Zuwen- Millionen investiert hat, dann glaubt sie auch verzwei- dung, Anerkennung, Macht und sicher so etwas wie felt an den Erfolg, alles andere wäre ja eine Katastrophe. Selbstwert. Wir alle versuchen, dieses ursprünglich kind- Da wird dann verkrampft »positiv thinking« betrieben. liche Mangelgefühl zu stillen, lebenslang, mit allen Mit- Wie heißt es so schön: Wenn dir die Bank 50.000 leiht, teln. Und Brenner hat es mit Erfolg und Geld versucht. gehörst du der Bank, wenn sie dir 50 Millionen leiht, gehört die Bank dir. Welche Faszination ging von der Person Schmider aus, dass so viele Menschen auf ihn hereingefallen sind? Sie haben im Raum Karlsruhe gedreht. Sind Sie dabei Ich bin ihm persönlich nicht begegnet, aber er muss auf Menschen begegnet, die sich noch an Manfred Schmider jeden Fall ein sehr einnehmender, überzeugender und erinnerten und von ihm erzählten? auch manipulativer Charakter sein. Sonst wären nicht Ich wurde immer wieder von Menschen auf der Straße so viele mächtige Menschen mit auf seinen »Geisterzug« angesprochen und speziell in Baden-Baden hatte fast gesprungen, teilweise auch gegen besseres Wissen. jeder im entsprechenden Alter seine eigene Manfred- Schmider-Anekdote. Das war sehr unterhaltsam. Sie Wie konnte es ihm gelingen, den Schwindel so lange auf- liebten und sie hassten ihn und am Ende waren doch rechtzuerhalten, und wie hat er es geschafft, alle von sei- alle immer recht froh, dass er schließlich erwischt wurde. nem Vorhaben zu überzeugen? 13
FELIX EITNER ALS THOMAS BÄRLACH 14
INTERVIEW MIT FELIX EITNER Sie spielen eine Figur, die gar nicht so viel Raum ein- dem Arbeitermilieu kam. Geld und Beziehungen halfen nimmt, auch nicht in einer hervorgehobenen Position ist, Manni über so manche Leistungsklippe hinweg. Das gab aber entscheidende Wendungen auslöst. Wie sehen Sie es bei Thomas nicht. Und das wurmte ihn damals. Und Thomas Bärlachs Rolle und Wirkung in dem Geschehen? wurmt ihn noch heute. Da steckt ein Stachel tief in seiner Kriminalhauptkommissar Thomas Bärlach ist ein auf- Seele. Daraus entwickelte sich schon früh jener untrügli- rechter, ehrlicher Mann, der sich nur seinem Gewissen che Gerechtigkeitssinn, der ihn später zur Polizei führte. verpflichtet fühlt. Mit dieser Haltung, seinem gesunden Aber daraus abzuleiten, dass seine Kompromisslosigkeit Menschenverstand und seinem ermittlerischen Instinkt bis hin zur Verbissenheit bei den Flowtex-Ermittlungen tritt er dem Flowtex-Fall gegenüber. Er ist ein Außenste- nur aus persönlichen Gründen gegenüber Manni Bren- hender der Flowtex-Welt, er gehört nicht dazu. Das gibt ner erfolgen, greift zu kurz. Diese persönliche Geschichte dem Zuschauer die Möglichkeit, sich mit ihm zu iden- befeuert nur noch mehr seine Motivation, Ungerechtig- tifizieren, denn dem Zuschauer ist diese Welt auch erst keit zu bekämpfen. mal fremd. Bärlach ist einer, der sich nicht kaufen lässt. Im Gegensatz zu allen anderen Beteiligten. Geld, Macht, Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas eignet dem Film einflussreiche Beziehungen interessieren ihn nicht. Ein etwas Komödiantisches. Wie kann dieses Zusammenspiel Idealist, der sich einem ganzen System von Korruption gelingen? und Vetterleswirtschaft alleine entgegenstellt. So einer Durch die Zuspitzung von Situationen bis zum Absur- macht Hoffnung, finde ich. Zu sehen, dass so ein Kleiner den kann Komik entstehen. Das ist der Verdienst der so ein großes Räderwerk zum Stillstand bringen kann. Er Autoren, die das System von Macht, Machthörigkeit ist der Sand im Getriebe. Da er allen Widrigkeiten zum und Machtmissbrauch offenlegen. Wie da zum Beispiel Trotz weiterermittelt – selbst dann noch, als es ihm sein auf dem Golfplatz Anweisungen von ganz oben immer Vorgesetzter verbietet – wird er zum Außenseiter und weiter nach unten weitergegeben werden, und jeder es wird einsam um ihn. Das ist der Preis, den er zahlen der Beteiligten für sich einen ganz persönlichen Vorteil muss. daraus zieht – wie da Politik und Wirtschaft zusam- men mauscheln – und das Ganze gepaart mit dieser Wieso wollte Thomas Bärlach die Ermittlungen gegen badisch-schwäbischen Provinzhaftigkeit – jeder hält sich Brenner nicht ruhen lassen, obwohl ihm niemand ein bisschen für einen kleinen König – das ist schon sehr glaubte? amüsant. Wie das dann umgesetzt ist, das ist natürlich Mit Manfred Brenner verbindet ihn die gemein- die »Schuld« unseres Regisseurs. Großes Lob an ihn. Und same Schulzeit. Schon früh musste Thomas erfah- natürlich die meiner wunderbaren Schauspielkollegen. ren, dass für Manni, der aus betuchten Verhältnissen Die spielen diese Selbstherrlichkeit einfach göttlich. Ich stammte, andere Regeln galten als für ihn, der aus muss immer wieder brutal lachen. 15
NINA GNÄDIG ALS IRENE BRENNER 16
INTERVIEW MIT NINA GNÄDIG Was haben Sie gedacht, als Ihnen die Rolle angeboten musste ich mich natürlich entscheiden. Und habe ver- wurde? Waren Sie mit dem Flowtex-Skandal vertraut? sucht, das so weit wie möglich vom Prozess abgekoppelt Ich war sehr gespannt auf das Buch. Ich bin in Baden- zu tun und meine Figur Frau Brenner entwickelt. Württemberg aufgewachsen, und auch wenn ich zum Zeitpunkt des Strafverfahrens im Ausland studiert habe, Wie hat es Manni geschafft – auch seiner Frau gegen- so reichten die Nachrichten darüber bis nach Paris. Mir über – die Fassade so lange aufrechtzuerhalten? Was war also die Aufgabe und die Verantwortung durchaus glauben Sie? bewusst – und auch das Ausmaß des Skandals. Ein Sprichwort sagt »Die Menschheit will betrogen sein, darum sei sie betrogen.« Irene bemerkt irgendwann, dass etwas mit der Firma Und hinzu kommt, dass Herr Schmider von ganz unter- ihres Mannes nicht stimmt und sie ahnt, was Manni schiedlichen Seiten als ausgesprochen charismatischer treibt. Wieso schaut sie trotzdem weiter zu und steht Mann beschrieben wurde, übrigens auch aus der Bevöl- hinter ihm? kerung in Baden-Baden selbst. Überhaupt, während Leider habe ich Frau Schmider nicht persönlich kennen- unseres Drehs vor Ort, gab es immer wieder Menschen, gelernt, dann könnte ich Ihnen diese Frage wahrheitsge- die meine Kollegen und mich ansprachen, um uns von mäß beantworten. ihren Begegnungen mit den Schmiders zu erzählen. Als Die Interpretationsmöglichkeiten fächern sich da in läge darin eine Bitte zur Wahrheitsfindung. Oder zumin- sämtliche Spektralfarben auf. Um sie spielen zu können, dest zur Meinungsbildung. 17
ROBERT SCHUPP ALS STOSCHEK 18
INTERVIEW MIT ROBERT SCHUPP Der Landesbanker Stoschek befördert die Brenner-Welle Dialekt ist ja sozusagen wie eine Muttersprache innerhalb mit, hinter viel guter Laune und verstecktem Ehrgeiz. Was der Muttersprache. Da kommt man automatisch ganz machte die Rolle reizvoll für Sie? nah zu sich selbst und zu einer besonderen Authentizität. Da ist zum einen die hanebüchene Geschichte, wie ein Es war dann aber doch erstaunlich, wie viele echte Bade- einzelner Betrüger alle um den Finger wickelt und sein ner gefunden werden konnten, um diese genuin badische Umfeld sich geradezu lustvoll einseifen lässt. Eine Parabel Geschichte zu erzählen. Da, wo von schwäbisch sozialisier- auf die menschliche Gutgläubigkeit und die Bereitschaft, ten Kollegen ausgeholfen wurde, haben wir Badener ein das zu glauben, was man glauben will: Exemplarisch dar- paar Überstunden im Dialektunterricht gemacht. Das hat gestellt anhand der Banker, die das große Geschäft wittern im Großen und Ganzen recht gut geklappt, man hat sich und am Renommee des vermeintlichen Vorzeigeunter- auf beiden Seiten Mühe gegeben. nehmers teilhaben wollen. Das birgt natürlich jede Menge Es ist ja auch nicht einfach, etwas zu imitieren, was doch komisches Potential und ist dadurch per se reizvoll. so nah am eigenen liegt. Badisch und schwäbisch gehören Und dann ist es natürlich auch ein Heimatfilm: Das heißt, ja als alemannische Dialekte zur gleichen Sprachfamilie. südwestdeutsches Unternehmertum, die »wir können Interessant war auch, dass die Badener unter sich natür- alles, außer hochdeutsch«-Gemeinde wird persifliert lich wieder verschiedene Unterarten des Dialektes pfle- anhand eines schwarzen Schafes von der Größe eines gen. Schon ein Freiburger wie ich und ein Markgräfler ver- Elefanten. Der Betrüger wird hofiert, sobald er großspu- wenden ja durchaus unterschiedliche Lautgebilde. Oben rig genug auftritt. Er greift Milliardenkredite ab und die im Schwarzwald ist es wieder anders. Wir haben uns dann vielen anständigen kleinen und mittleren Unternehmer, auf eine Art »Gesamtbadisch« geeinigt, sonst hätten wir der Mittelstand, der unsere Region auszeichnet, hat das auch die Schwaben noch mehr als nötig verunsichert... Nachsehen. Diese Mechanismen und auch die Vetterles- wirtschaft aufzuzeigen, finde ich wichtig und notwendig. Manni sagt in dem Film »Die Leute glauben nicht was sie sehen, sie sehen, was sie glauben.« Was ist da dran? Sie sind echter Badener, der Dialekt war Ihnen vertraut. Ja, so ist es. Sie sehen, was sie glauben. Und sie glau- Wie steht es mit den anderen, haben die ihre Dialektsa- ben, was sie glauben wollen. Deswegen gibt’s ja auch che gut gemacht? keinen Klimawandel und keine Umweltverschmutzung, Natürlich, im eigenen Heimatdialekt zu spielen ist immer Fessenheim ist ein sicherer Atom-Reaktor, Deutschland besonders reizvoll. Zumal es nicht so oft vorkommt. Ich exportiert seine Waffen nur an lupenreine Demokra- setze den Dialekt daher gerne auch mal in Rollen ein, die ten … und Manfred Schmider war ein ehrenwerter nicht von vorneherein so geschrieben sind, zum Beispiel Vorzeigeunternehmer. im Berliner Tatort oder bei »Weissensee«. 19
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BIG MANNI – BIG MONEY DIE WAHRE GESCHICHTE EINES MILLIARDENBETRUGS Die Dokumentation von Martina Treuter, Stefan Tiyavorabun und Cordelia Marsch 21
MANFRED SCHMIDER 22
Manfred Schmider hat mit seiner Firma Flowtex über Manni – Big Money« Rede und Antwort zu stehen. Er vier Milliarden Mark erschwindelt. Einer der größten blickt darin zurück in einer Mischung aus Schuldbe- Fälle von Wirtschaftskriminalität in der deutschen wusstsein und Ungläubigkeit darüber, wie leicht das Geschichte. Banken und Leasinggesellschaften bezahl- alles ging. Schicht um Schicht wird deutlich, wie ein- ten dem badischen Vorzeigeunternehmer jahrelang fach es war, mit einem Gemenge aus Hochstapelei, Täu- Geld für Maschinen, die es gar nicht gab. Der »Scheich schungsmanövern und krimineller Energie ein pompö- von Karlsruhe« lebte im Luxus, sammelte Ferienvillen, ses Lügengebäude zu errichten. Am Ende hatten alle den flog die zehn Kilometer zur Arbeit am liebsten mit dem Schaden – und die Schadenfreude. Die Aufarbeitung des Hubschrauber. Die über 3000 Tunnelbohrmaschinen, die sogenannten Flowtex-Skandals ist eine Reise in die Welt angeblich auf Baustellen rund um den Globus im Einsatz von skrupellosen Emporkömmlingen, gierigen Bankern, waren, existierten größtenteils nur auf dem Papier. Und eitlen Politikern und versagenden Kontrollen. alle ließen sich von »Big Manni« blenden. Wie konnte das geschehen? Hätten Politik und Finanz- Wie schaffte es Manfred Schmider, Politiker, Banker und behörden mit einer genaueren Prüfung den Milliar- Finanzbeamte an Dinge glauben zu lassen, die es gar denbetrug schon früher stoppen können? Etlichen nicht gab? Was trieb ihn an und woraus speiste er seine Ermittlungsverfahren und einem Untersuchungsaus- kriminelle Phantasie und Energie? Glaubte er selbst an schuss gelang es nicht, die ganze Wahrheit ans Licht zu das »Harry-Potter-Phänomen der halluzinatorischen bringen. Bis heute sind mehrstellige Millionenbeträge Wunscherfüllung«, das ein Psychiater diagnostizierte? verschwunden. Im Jahr 2000 wurde Manfred Schmider Nachdem Manfred Schmider alle Strafen abgesessen verurteilt, jahrelang saß er im Gefängnis. Heute lebt er und sein altes Leben hinter sich gebracht hat, war er auf Mallorca. bereit, Martina Treuter für die Dokumentation »Big Autoren Martina Treuter, Stefan Tiyavorabun, Cordelia Marsch Kamera Tim Hägele, David Rösch Ton Wolfgang Steiner, Christian Eickhoff Schnitt Verene Hahn Sprecherin Hansi Jochmann Produktion Edith Zeller, Jochen Dickbertel Redaktion Hans-Michael Kassel Eine Produktion des Südwestrundfunks 23
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HINTERGRUND 1986 gründete Manfred Schmider gemeinsam mit sei- ausgelöst durch spanische und portugiesische Geld- nem Geschäftspartner Klaus Kleiser in Ettlingen die wäschefahnder, die mit Karlsruher Finanzbeamten, por- Firma Flowtex, die neuartige Horizontalbohrsysteme tugiesischen Behörden und dem Bundeskriminalamt in zum minimalinvasiven Verlegen von Versorgungsleitun- Wiesbaden zusammenarbeiteten. Im Februar 2000 kam gen verkaufen sollte. Die europäischen Vertriebsrechte es zum Showdown. Manfred Schmider wurde in seiner hatten sie in den USA erworben. Der Plan war durchaus Firma verhaftet und in ganz Deutschland wurden bei erfolgversprechend, die technischen Voraussetzungen in Banken und Leasinggesellschaften Konten eingefroren Deutschland aber andere als in den USA. Die Aufträge für und Akten beschlagnahmt. Angeklagt wurden zunächst die zu vermietenden Maschinen blieben aus. Als Liquidi- Schmider, Mitgeschäftsführer Klaus Kleiser, Angelika tätsengpässe entstanden, begann die Flowtex mit nicht Neumann als Geschäftsführerin der Leasingtochter KSK existierenden Bohrsystemen zu jonglieren. Mit Kredi- sowie der ehemalige Finanzchef Karl Schmitz. In weite- ten wurden immer neue Bohrsysteme finanziert, die die ren Ermittlungsverfahren kam es zu über 40 Anklagen. Unterfirma KSK an Leasinggesellschaften verkaufte und die Flowtex dem Anschein nach leaste. Um die Leasin- 2001 wurde vor dem Landgericht in Mannheim das graten zahlen zu können, wurde das Schneeballsystem Verfahren gegen die Hauptangeklagten eröffnet. Alle immer weiter ausgebaut. Statt der laut den Geschäfts- vier legten Geständnisse ab. Manfred Schmider wurd unterlagen finanzierten über 3000 Bohrsysteme gab es zu 12 Jahren (nach einem Revisionsprozess auf 11 Jahre in Wirklichkeit nur knapp 270. und sechs Monate reduziert) Gefängnis verurteilt, Klaus Kleiser zu neuneinhalb und Angelika Neumann zu siebe- Manfred Schmider lebte mit seiner Frau und zwei Kin- neinhalb Jahren. Im Jahr darauf erhielt Matthias Schmi- dern auf großem Fuß, mit Anwesen in Karlsruhe, etli- der, Geschäftsführer von zum FlowTex-Komplex gehö- chen weiteren Villen und Häusern auf der ganzen Welt. renden Scheinfirmen, eine Haftstrafe von sechs Jahren Er pflegte Beziehungen zu Politik und Finanzwelt, war und neun Monaten. Insgesamt wurden 123 Ermittlungs- großzügiger Sponsor des badischen Kulturlebens. Mit verfahren durchgeführt und 110 Beschuldigte verurteilt. Unterstützung von Regionalpolitikern engagierte sich Der Gesamtschaden wurde vom Landgericht auf über Schmider im Umbau der brachliegenden ehemaligen zwei Milliarden Euro beziffert. Manfred Schmider kam kanadischen Nato-Airbase in Rheinmünster-Söllingen, 2007 nach achteinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung wo 1996 wurde der Betrieb als Flughafen Karlsruhe- frei und lebt heute auf Mallorca. Baden-Baden aufgenommen wurde. Manfred Schmi- der war Hauptanteilseigner und hatte selbst mehrere Der Landtag von Baden-Württemberg setzte 2002 einen Flugzeuge und einen Hubschrauber auf dem Gelände Untersuchungsausschuss ein, der über drei Jahre arbei- stehen. tet. Im Umkreis dessen trat der baden-württember- gische Wirtschaftsminister Walter Döring nach einer 1996 gingen anonyme Anzeigen gegen Flowtex wegen Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage zurück, der Nichtexistenz von Bohrsystemen ein. Vorermittlun- auch Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck gab gen wurden eingeleitet, im Jahr darauf jedoch eingestellt. ihr Amt auf. 1999 wurden neue Untersuchungen aufgenommen, 25
Impressum Pressekontakt Herausgeber Südwestrundfunk Südwestrundfunk ⁄ Presse und PR Annette Gilcher Tel. 07221 929 24016 Redaktion: Annette Gilcher E-Mail: annette.gilcher@SWR.de Bildkommunikation: Thorsten Hein Fotos: Benoît Linder Grabner Beeck Kommunikation GbR Grafik-Design: SWR Design 2018 ⁄ Andrea Metzger und Rolf Grabner Jutta Haderer T: 030 - 30 30 630 E-Mail: rg@gb-kommunikation.com DasErste.de www.ard-foto.de
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