Bilder von Fremden Was unsere Kinder aus Schulbüchern über Migranten lernen sollen Thomas Höhne, Thomas Kunz Frank-Olaf Radtke
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Bilder von Fremden Was unsere Kinder aus Schulbüchern über Migranten lernen sollen Thomas Höhne, Thomas Kunz Frank-Olaf Radtke Redaktion Michaela Kugler Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 2005
Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft Reihe Monographien im Auftrag des Dekanats des Fachbereichs Erziehungswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität herausgegeben von Frank-Olaf Radtke © Fachbereich Erziehungswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 2005 Hergestellt: Books on Demand GmbH Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-9809008-6-X
Inhaltsverzeichnis Teil I Vorwort 9 Anstelle einer Einleitung: 1 Der postnationale Staat, seine Schule und seine Schulbücher (Frank-Olaf Radtke) 1.1 Das Nationale im Schulbuch 11 1.2 Erziehung als nationale Vergemeinschaftung 14 1.3 Schule in der post-nationalen Konstellation 16 1.4 Interkulturelle Erziehung im Schulbuch 20 2 Schulbücher als Medium des Diskurses über Migranten 2.1 Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung (Thomas Höhne) 25 2.2 Der theoretische Rahmen der thematischen Diskursanalyse (tDA) (Thomas Höhne) 28 2.3 Methode und Ablauf der thematischen Diskursanalyse (tDA) (Thomas Höhne) 33 2.4 Korpusbestimmung – Probleme und Lösungen (Thomas Kunz) 45 Erste Eingrenzungen: thematisch, zeitlich, fach- und länderspezifisch 47; Weitere Eingrenzungen: Revision und weitere Verfeinerung aufgrund diskursformspezifischer Besonderheiten 50; Die Virtuelle Schülerbiographie 55 2.5 Von Modell-Schülern und Ko-Lesern (Thomas Kunz) 60 3 Migranten in hessischen und bayerischen Lehrplänen (Thomas Höhne) 3.1 Theoretisch-methodische Vorbemerkung 65 3.2 Hessische Lehrpläne 70 Lehrpläne für die Grundschule 70; Lehrpläne für die Sekundarstufe I 79; Zwischenresümee 89
3.3 Bayerische Lehrpläne 91 Lehrpläne für die Grundschule 91; Lehrpläne für die Sekundarstufe I 96; Zwischenresümee 100 3.4 Exemplarischer Vergleich und Resümee 101 4 Analyse hessischer Sachkunde- und Sozialkundebücher Vorbemerkung 107 4.1 Schülerbiographie 1: 1981-1989 110 Buch 1 (Thomas Kunz) 111; Buch 2 (Thomas Höhne) 145; Buch 3 (Thomas Höhne) 162; Buch 4 (Thomas Kunz) 180; Buch 5 (Thomas Höhne) 194 4.2 Schülerbiographie 2: 1982-1990 210 Buch 1 (Thomas Kunz) 211 4.3 Schülerbiographie 3: 1983-1991 220 Buch 5 (Thomas Höhne) 220 4.4 Schülerbiographie 4: 1984-1992 239 Buch 3 (Thomas Kunz) 240; Buch 4 (Thomas Kunz) 263 4.5 Schülerbiographie 5: 1985-1993 304 Buch 2 (Thomas Höhne) 305 4.6 Schülerbiographie 6: 1986-1994 316 Buch 1 (Thomas Höhne) 317; Buch 2 (Thomas Höhne) 324; Buch 3 (Thomas Höhne) 345 4.7 Schülerbiographie 7: 1987-1995 356 Buch 5 (Thomas Höhne) 357 4.8 Schülerbiographie 8: 1988-1996 377 Buch 1 (Thomas Kunz) 378; Buch 4 (Thomas Kunz) 405 4.9 Resümee und Synopsen (Thomas Höhne, Thomas Kunz) 414
Teil II 5 Analyse bayerischer Sachkunde- und Sozialkundebücher (Thomas Höhne) 5.1 Theoretisch-methodische Vorbemerkung 427 5.2 Bayerische Heimat- und Sachkundebücher für die Grundschule 429 Buch 1 430; Buch 2 442; Buch 3 451; Buch 4 457; Buch 5 463; Buch 6 469; Buch 7 476; Buch 8 483; Buch 9 488 5.3 Bayerische Sozialkundebücher für die Sekundarstufe I 496 Buch 1 498; Buch 2 500; Buch 3 506; Buch 4 510; Buch 5 512; Buch 6 514; Buch 7 518 5.4 Resümee 522 6 Zwischen zwei Stühlen. Zur Karriere einer Metapher 525 (Thomas Kunz) 6.1 Zwischen zwei Stühlen – zwischen 1980 und 2000 526 6.2 Das Schul-Buch als Stuhl-Buch 530 TatSache Politik 2 (1997) – „Ausländerkinder zwischen 2 Stühlen” 530; Anstöße 1 (1995) – „Zwischen zwei Welten” 534; Anstöße 2 (1995) – „Zwischen 2 Stühlen“ 539; Das IGL-Buch 1 (1995) – „Zwischen zwei Stühlen” 542; TERRA (1993) – „Ausländerkinder zwischen 2 Stühlen” 545; Zeitlupe Nr. 17 (1985) – „Ausländerkinder zwischen 2 Stühlen” 549; Schülerwettbewerb (1980) – „Veranschaulicht eine besondere Schwierigkeit durch Bilder...” 551 6.3 Tut Kindermund Wahrheit kund? Und wenn ja: wessen? 553 7 Migranten in Massenmedien (Thomas Höhne) 7.1 Medienwissen und Schulbuchwissen 555 7.2 Kumulative Effekte medial konstruierter Wirklichkeiten 558 7.3 Zum Begriff der medialen Vorstrukturierung 562 7.4 Untersuchungen zu Migranten in den Medien 563 7.5 Migrationsdiskurse in Medien und Schulbüchern 580 7.6 Resümee 589
8 Endresümee 591 (Thomas Höhne) Literaturverzeichnis Lehrpläne 613 Hessische Schulbücher 614 Bayerische Schulbücher 616 Sekundärliteratur 619 Abbildungsverzeichnis 629
Vorwort Gegenstand der hier vorgelegten Untersuchung ist die Analyse von Schulbü- chern. Die Beschäftigung mit dem, was im Sozialkundebuch steht, ist weni- ger trivial, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Dem nicht erziehungs- wissenschaftlich interessierten Leser mag es wenig interessant erscheinen, sich in die pädagogische Provinz zu verlaufen – man diskutiert öffentlich allenfalls über Herausforderungen an das Bildungssystem und die großen Linien der Bildungspolitik. Dagegen scheinen Schulbücher doch – entweder aus der Erinnerung an die eigene Schulzeit, oder aus der Erfahrung mit der Schule der eigen Kinder oder Enkel – ein allgemein bekanntes und dazu noch ein eher unbedeutendes, intellektuell kaum herausforderndes oder gar überra- schendes, eher ein etwas verstaubtes Medium zu sein – eben etwas für Kin- der. Wenn aber eine – nun in der Tat pädagogisch interessierte Mutter in einem neuen Sachkundebuch ihrer Tochter, das für die dritte Grundschulklas- se in der „multikulturellen“ Stadt Frankfurt gemacht ist, Formulierungen und Abbildungen zum politisch umstrittenen Thema Migration entdeckt, die ihr die Haare zu Berge stehen lassen, wird deutlich, daß es sich zwar um vertrau- te Alltäglichkeiten handelt, diese aber nicht ohne gesellschaftspolitische und pädagogische Brisanz sind. Man bewegt sich offenbar auch auf den Seiten eines Sachkundebuches für die Sechs- bis Zehnjährigen auf umkämpftem Terrain und kann die Schulbücher nicht nur den Ministerien, den Verlagen und Autoren überlassen. Sie verdienen die Aufmerksamkeit einer republika- nischen Öffentlichkeit. Die aufgebrachte Mutter steckte eine Kopie der Schulbuchseite befreun- deten Erziehungswissenschaftlern zu, die das Fundstück in einem Seminar, das dem Thema Erziehung und Migration galt, zum Gegenstand der Diskus- sion machten. Das erwachende Interesse verdichtete sich zum Entdeckungs- zusammenhang einer wissenschaftlichen Studie, als Thomas Höhne mich von seiner Idee überzeugte, Schulbücher im allgemeinen, die Behandlung der Migrationsthematik im besonderen einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Sein originelles Motiv war – in Abgrenzung von der bis dahin vorliegenden Schulbuchforschung – kein didaktisches, auch kein ideologie- kritisches, sondern ein medientheoretisches Interesse. Thomas Höhne interes- sierte sich für die Frage, welche Rolle das Schulbuch als ein Medium des öffentlichen Diskurses neben den anderen Medien spielt, in denen ausgehan- delt wird, wie die soziale Wirklichkeit zu sehen und über sie zu reden ist. Am Beispiel des Themas Migration und der für seine Beschreibung gebräuchli- chen Diskursfiguren sollte geklärt werden, wie die semantische Tradition entsteht und fortgeschrieben wird, mit der auch in modernen, demokratisch verfaßten Gemeinwesen die soziale Ordnung von Etablierten und Außensei- tern, dem Eigenen und dem Fremden diskursiv stabilisiert wird. 9
„Das ‚Fremde’ und das ‚Eigene’ – Probleme und Möglichkeiten interkul- turellen Verstehens“ lautete der Titel einer Förderinitiative der Volkswagen- stiftung, in deren Rahmen das Forschungsvorhaben von 1998 bis 2000 unter dem Titel „Bilder von Fremden. Formen der Migrantendarstellung als der ‚anderen Kultur’ in deutschen Schulbüchern von 1980-1995“ großzügig ge- fördert wurde. Thomas Höhne und Thomas Kunz, der als weiterer „Diskurs- analytiker“ für das Projekt angeworben werden konnte, haben ein komplexes Forschungsdesign entworfen und Schicht um Schicht abgearbeitet. Zusam- men mit der schon länger vorliegenden Dissertation von Thomas Höhne mit dem Titel: „Schulbuchwissen – Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches“ (Bd. 2 in dieser Reihe) erscheinen nun in einem weiteren Band 3 die empirischen Belege für die Fruchtbarkeit einer wissens- und me- dientheoretischen Herangehensweise an die Untersuchung von Schulbüchern. Die beiden Bände 2 und 3 der Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissen- schaft bilden zusammen ein Kompendium, mit dem in der Schulbuchfor- schung Neuland betreten worden ist. Zugleich soll ein Beitrag zur erzie- hungswissenschaftlichen Migrationsforschung geleistet und ein deutlicher Impuls für die Diskussion um die Interkulturelle Pädagogik gegeben werden, der auf empirischer Evidenz beruht. Ein derart aufwendiges Buchprojekt ist nicht ohne die Hilfe von Kolle- gen und von vielen erfahrenen Mitarbeiterinnen zu realisieren. Sehr hilfreich war die Kooperation mit dem Georg-Eckert-Institut für Internationale Schul- buchforschung, namentlich mit Georg Stöber, dem wir wichtige Anregungen verdanken. Zu danken ist Michaela Kugler, welche die verschiedenen Analy- sen und Interpretationen – verfaßt von zwei Autoren, die sich durch Tempe- rament und ihre disziplinäre Herkunft unterscheiden und unter Bedingungen wachsender Konkurrenz im Wissenschaftsbetrieb darauf Wert legen, daß ihre Autorenschaft kenntlich bleibt – geduldig redigiert und zu stimmigen Kapi- teln zusammengefügt hat. Jimena Martini hat die mühsame Arbeit der techni- schen Einfügung der vielen Schulbuchseiten und Bilder erledigt, während Birgit Fischer mit dankenswerter Umsicht und Erfahrung die endgültige Einrichtung des Manuskriptes und seine Vorbereitung für den Druck besorg- te. Ihnen allen habe ich ebenso wie den Projektmitarbeitern, die noch lange nach dem Ablauf der Finanzierung an der Fertigstellung der Bände Anteil nahmen, herzlich zu danken. Frankfurt am Main, im Dezember 2005 F.O.R 10
Kapitel 1 Anstelle einer Einleitung Der postnationale Staat, seine Schule und seine Schulbücher 1.1 Das Nationale im Schulbuch „What did you learn in school today, dear little boy of mine?“ – auf den ein- schmeichelnd wiederholten Refrain eines Protest-Songs antworten, einfach gereimt, Strophen von scheinbar zeitloser Gültigkeit: „I learned that Wa- shington never told a lie, I learned that soldiers seldom die, (...) that’s, what the teacher said to me, (...); oder: I learned that justice never ends, I learned that wars are not so bad, (...) that’s what I learned in school today...“ und so weiter, und so weiter. Das Spottlied über die Ideologie der (amerikanischen) Schule stammt aus der Opposition gegen den Krieg in Vietnam, den die USA von 1964 – 1975 mit wachsender Intensität und überlegener Zerstörungskraft führten und – in einer David-Goliath-Konstellation – am Ende doch verloren. Es wurde in der nordamerikanischen, anti-autoritären Jugendbewegung ge- sungen, hätte aber auch den 2. Irakkrieg des Jahres 2003 aus alt-europäischer Sicht kommentieren können. Die Frage danach, was kleine Jungs täglich in der Schule lernen, ist nicht trivial und nicht nur in Zeiten des Krieges brisant. Schon was unsere Kinder, Mädchen und Jungen, in der Schule lernen sollen, ist immer wieder Gegen- stand aufgeregter Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, die Inhalte von Richtlinien und Lehrplänen zu bestimmen. Schulbücher sind der Ort, an dem die Kompromisse der Selbstverständigung, derer es in demokratisch verfaßten Gemeinwesen regelmäßig bedarf, nachträglich festgeschrieben werden. Sie sind von doppeltem erziehungswissenschaftlichem Interesse, weil sie nicht nur ein pädagogisches Medium sind, das im Unterricht zur Instruktion und Erziehung verwendet wird; sie fungieren auch als ein bedeut- sames Medium des öffentlichen Diskurses, in dem über die aktuellen Aufga- ben der Erziehung befunden wird, die sich dem Gemeinwesen als Folge des sozialen Wandels stellen. Im Verbund mit den großen Publikums- und nun den interaktiven, „neuen“ Medien sind Schulbücher ein weiteres, häufig unterschätztes Medium der politischen Diskussion in einer massenmedial hergestellten Öffentlichkeit (vgl. Höhne 2003a), in dem die Pluralität der Meinungen zu einem vorläufigen Konsens gebündelt wird. Die hier vorgelegte Studie greift ein besonders signifikantes Thema auf, das soziale Problem der „Migration“, das für moderne Sozialstaaten im 20. 11
Jahrhundert zu einer bislang unbewältigten Herausforderung geworden ist. Indem die Modellierung des Themas „Migration“ exemplarisch in Schulbü- chern zweier deutscher Bundesländer, Bayern und Hessen, die zu den Län- dern gehören, welche die meisten Zuwanderer aufgenommen haben, empi- risch untersucht wird, führt die Studie den Leser nicht nur in die „pädagogi- sche Provinz“, sondern in ein Diskursfeld, auf dem die Grundbestände natio- nalen Denkens zu besichtigen sind. Wenn die Einsicht gilt, daß Zustand und Ausrichtung eines Gemeinwesens zuverlässig abgelesen werden können an der Art und Weise, wie mit Minderheiten und „Fremden“ im eigenen Zustän- digkeitsbereich umgegangen wird, dann sind Schulbücher, in denen der nachwachsenden Generation nahegebracht werden soll, wie über ein Problem zu denken und zu reden sei, ein besonders aussagekräftiger Indikator. Curricula oder ein verbindlicher Kanon des Lernstoffes müssen regelmä- ßig an die sich verändernde Welt angepaßt werden, zumindest wird das an- dauernd gefordert. In solchen Debatten schreibt ein Gemeinwesen sein Selbstkonzept fort. So wurde beispielsweise der für die jüngere bundesdeut- sche Schulgeschichte schon legendäre Streit um die Hessischen Rahmenricht- linien für Gesellschaftslehre der Sekundarstufe I 1972 wie ein neu aufgeleg- ter Kulturkampf um gesellschaftspolitische Grundüberzeugungen inszeniert. Es war das Jahr, in dem der gerade gewählte sozialdemokratische Bundes- kanzler Willy Brandt seine Regierungserklärung unter das Motto stellte: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Die hessischen Bildungsreformer planten von nun an das neue Schulfach Gesellschaftslehre, einem Vermächtnis Theo- dor Adornos und Max Horkheimers folgend, im Geiste der Kritischen Theo- rie der Frankfurter Schule der Soziologie als politische Bildung zu betreiben; die Schüler sollten – ganz in der Tradition der Aufklärung – nicht mehr, aber auch nicht weniger als „die Befähigung zur Selbst- und Mitbestimmung“ erwerben. In einem solchen Konflikt um Erziehungsprogramme und Richtlinien – also um die politischen Erwartungen an den Unterricht, nicht um seine päd- agogische Realität – wird hoch politisch um die Legitimität der sozialen Ordnung und um die Inhalte der Loyalität der künftigen Staatsbürger gestrit- ten. Über den bundesdeutschen Fall hinaus ist ein allgemeines Muster zu erkennen: Gesellschaftspolitisch bedeutsame Themen können in der Öffent- lichkeit mit durchschlagender Wirkung zu bildungspolitischen Kontroversen modelliert und dann mit viel Emotionen „auf den Schulhöfen“ ausgefochten werden, wie Hannah Arendt bitter ironisch mit Blick auf eine Auseinander- setzung bemerkt hat, die um die Abschaffung der Rassensegregation in den Südstaaten der USA der 1950er Jahre geführt werden mußte. Die Auseinan- dersetzung, die eigentlich in den Parlamenten und nicht vor den Schultoren hätte ausgetragen werden müssen, kann erbitterte Wahlkämpfe antreiben oder, wie seinerzeit 1957 in Little Rock, Arkansas/USA, bis knapp an den Rand eines Bürgerkrieges führen. Damals mußte der amerikanische Präsident 12
die bewaffnete Nationalgarde gegen aufgebrachte weiße Eltern einsetzen, um einer Entscheidung des obersten Gerichtes Geltung und schwarzen Kindern Zutritt zu den Schulen der Weißen zu verschaffen. Erziehungsfragen werden schnell zu Schicksalsfragen der Nation. Weil es bei der Gestaltung des Curriculums, zumal des Geschichts- oder des Sozialkundeunterrichts, um Überzeugungen des jeweiligen nationalen Selbstverständnisses geht, können Konflikte über die Inhalte von Lehrbü- chern sogar die internationalen Beziehungen zwischen Staaten beeinträchti- gen. Erst jüngst im Jahre 2005 wurden Schulbuchinhalte zum Anlaß für eine manifeste Krise im japanisch-chinesischen Verhältnis genommen, als die Regierung in Peking Proteste gegen eine einseitige Darstellung der Geschich- te des 2. Weltkrieges in japanischen Schulbüchern, die sich in mehreren chi- nesischen Städten zu gewalttätigen Übergriffen auf japanische Einrichtungen steigerten, nicht unterband, sondern regierungsamtlich sogar noch Verständ- nis für die aufgeputschte Menge zeigte. Kurz zuvor war es zu einer Verstimmung im türkisch-deutschen Verhält- nis gekommen: Die türkische Regierung hatte darauf gedrängt, eine ihr un- liebsame Darstellung von Ereignissen aus der Gründungsgeschichte der Tür- kei, die außerhalb der Türkei als Völkermord an den Armeniern behandelt werden, aus einem Geschichtsbuch des Landes Brandenburg zu entfernen, was vom zuständigen Kultusministerium auch zugesagt worden war. Diese Revisionsentscheidung war dann aber Anlaß für ein bundesweites Rumoren in den Feuilletons der großen Zeitungen, die sich gegen die Einflußnahme auf deutsche Lehrpläne von außen wandten und nationale Souveränität in der Geschichts- und Gedächtnispolitik anmahnten. Auch deren bevorzugtes Feld ist die öffentliche Erziehung. Die bereits gedruckten und verteilten Arbeits- materialien mußten wieder eingestampft und in einer überarbeiteten Fassung den gültigen geschichtspolitischen Lesarten des kulturellen Gedächtnisses in Deutschland angepaßt werden. Ein Bewußtsein davon, daß Schulbuchinhalte ganz eng an das nationale Selbstverständnis eines Gemeinwesens gebunden sind, daß in den Schulbü- chern ideologische Darstellungen zumal der Geschichte dominieren, welche die Jugend dazu erziehen sollen, dem eigenen Vaterland und seiner „Sache“, etwa territorialen Ansprüchen gegenüber seinen Nachbarstaaten, bedingungs- los, notfalls auch im Krieg zu dienen, zeigt sich nicht nur in dem eingangs zitierten Protestlied. Nach dem 2. Weltkrieg wurden, kaum waren die Trüm- mer beiseite geräumt, bi-nationale Schulbuchkommissionen eingesetzt, die etwa in der gemeinsamen Arbeit von Experten aus (der Bundesrepublik) Deutschland und Frankreich oder aus Polen zur ideologischen Abrüstung beitragen sollten. Es galt die Inhalte der Geschichts- und Geographiebücher der verschiedenen Schulstufen zu überprüfen; der Anspruch war, sich auf eine transnational gültige Geschichtsdarstellung bzw. eine angemessene landeskundliche Beschreibung der Lebenssituation im jeweiligen Nachbar- 13
land zu einigen. Gefragt war „Objektivität“, also die „richtige“, „den Frieden fördernde Darstellung“ und der Abbau von Vorurteilen zur Begründung an- gemessener Urteile. Keine leichte Aufgabe in einer Welt, die als System von Nationalstaaten organisiert ist. In der Bundesrepublik Deutschland hat das Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braun- schweig in diesem auch außenpolitisch bedeutsamen Feld, das der Vertrau- ensbildung in zwischenstaatlichen Beziehungen dient, zumal in der Zeit des Kalten Krieges einige öffentliche Aufmerksamkeit erzielt. 1.2 Erziehung als nationale Vergemeinschaftung Schule und Nationalstaat stehen historisch in einem engen Verhältnis der wechselseitigen Hervorbringung. Überall auf der Welt ist der moderne Na- tionalstaat ohne die öffentliche Schule nicht vorstellbar, wie umgekehrt die Schulpflicht, aber auch das Recht auf Bildung für alle Kinder den National- staat voraussetzen, der bislang allein vermag, öffentliche Erziehung flächen- deckend zu garantieren. Das Programm der allgemeinen Erziehung der gan- zen Bevölkerung, nicht nur einzelner Funktionseliten, bietet der öffentlichen Diskussion genau jene Kristallisationspunkte, an denen sich die gesellschaft- lichen Interessen zumal in Zeiten, die als Krise oder Umbruch erlebt werden, symbolisch artikulieren können. Am klarsten hat Johann Gottlieb Fichte in seinen „Reden an die Deutsche Nation“ im Jahre 1808 die Erwartungen formuliert, welche eine Politik, die auf die Begründung eines Nationalstaates zielt, an öffentliche Erziehung richtet. Er entwarf die Idee einer neuen, nationalen Erziehung, die funktional für politische Zwecke eingesetzt werden sollte. Zwei Jahre nach der Nieder- lage Preußens gegen Napoleon, als das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen endgültig zerschlagen und die fremd bestimmte Ordnung der deut- schen Kleinstaaten bis auf weiteres festgeschrieben schien, fordert der Philo- soph aus Jena: „Sollte eine so gesunkene Nation dennoch sich retten können, so müßte dies durch ein ganz neues, bisher noch niemals gebrauchtes Mittel, vermittels der Erschaffung einer ganz neuen Ordnung der Dinge, geschehen“ (Fichte 1916, S. 19). Das „neue Glied..., welches in die Zeit eingefügt werden müßte, damit an ihm die gesunkene Nation sich aufrichte zu einem neuen Leben“ (ebd.), ist die Erziehung des ganzen Volkes: „mit Einem Worte, eine gänzliche Veränderung des bisherigen Erziehungswesens ist es, was ich, als das einzige Mittel, die deutsche Nation im Dasein zu erhalten, in Vorschlag bringe“ (ebd.: 21). Keine geringe Erwartung an öffentliche Erziehung! Es soll in Fichtes Sicht eine allgemeine Erziehung sein, die sich nicht nur an die gebildeten Stände richtet, sondern welche „die große Mehrzahl“, „das Volk“ mit erfaßt: „Wir wollen durch die neue Erziehung die Deutschen zu einer Gesamtheit bilden, die in allen ihren einzelnen Gliedern getrieben und belebt 14
sei durch dieselbe Eine Angelegenheit“ (ebd.: 23); dabei soll „keineswegs Volkserziehung, sondern eigentümliche deutsche Nationalerziehung“ entste- hen (ebd.: 24), die einzuführen und – gegebenenfalls gegen den Willen der Eltern – durchzusetzen der Staat sich zur Aufgabe zu machen habe. Fichte begründete mit seinen Reden an die Nation ein Verständnis von Erziehung für die „Eine Angelegenheit“, das lange in der preußischen und auch der Schulpolitik des späteren Deutschen Reiches nachhallen sollte. Erziehung dient der Nationwerdung, in der die Bevölkerung zu einem Volk geformt wird, das sich gemeinsamen Zielen verpflichtet weiß und für deren Realisierung auch zu Opfern bereit ist. Aus vielen Einzelnen soll ein kollek- tiver Akteur geformt werden. In Ermangelung eines politischen Programms, das von allen mitgetragen werden könnte, wurde in Deutschland die Sprache zum prominenten Merkmal der Vergemeinschaftung erkoren. Sprache wurde das Medium der Bestimmung des Eigenen und der Abgrenzung gegen die anderen, „die Welschen“. Gemeinschaft bildete sich gegen den äußeren Feind. Noch heute klingt in der pädagogischen Überhöhung des von der Germanistik gespeisten Deutschunterrichts und der besonderen Bedeutung der Deutschnote in den Gymnasien Fichtes Mystifizierung der deutschen Sprache als Wurzel der nationalen Gemeinschaft nach. Fichtes Ideen zur Nationalerziehung sind ein frühes Beispiel für struktur- funktionalistisches Denken, das die Diskussion über öffentliche Erziehung bis heute begleitet. Erziehung wird gedacht, ihre Einrichtung wird gefordert als Instrument zur Lösung von Problemen, denen hohe politische, ökonomi- sche oder soziale Bedeutung zugemessen wird. Bei Fichte war es die nationa- le Mobilisierung der Bevölkerung gegen die französische Okkupation und Napoleons Hegemonie in Europa; später wird öffentliche Erziehung in Preu- ßen aufgerufen werden, um die bestehende soziale und politische Ordnung zu gewährleisten; sie wird gefordert werden, um den neuen Anforderungen an die Sozialisation und Qualifikation im Prozeß der Industrialisierung zu genü- gen, aber auch, um die Reproduktion der Hierarchie sozialer Klassen über das meritokratische Prinzip zu legitimieren. Eine genauere historische Analyse der Entstehung moderner Erziehungs- systeme würde zeigen, daß sich Schulen und Hochschulen aus eigener Logik entwickelten und sich eigensinnig verhalten: In manchen Regionen der Welt entstanden sie lange vor der industriellen Revolution als säkulares Gegenge- wicht zur Kirche; häufig ist der Protest gegen die soziale Ordnung in Schulen und Universitäten formuliert worden, haben Lehrer, Studenten und Schüler bei Revolten gegen die bestehende Ordnung eine führende Rolle gespielt; regelmäßig ist die Leistungsfähigkeit der Schulen für Qualifikationserforder- nisse der Wirtschaft begründet in Zweifel gezogen worden, regelmäßig müs- sen Versuche der strikten Indienstnahme der Erziehung für externe politische Zwecke unternommen werden, ebenso häufig wurden sie abgewehrt. 15
Was bleibt, ist eine unübersehbar enge Verbindung der Schule mit dem modernen Nationalstaat, zu dessen Merkmalen neben dem Militär, der Justiz und der Polizei offenbar, wie Michel Foucault (1978) formuliert hat, als ein weiteres „Dispositiv der Macht“ ein flächendeckendes Schulsystem gehört, das Teil moderner Regierungstechnik ist. Nach diesem Muster jedenfalls hat sich das Modell des Nationalstaates über die ganze Welt verbreitet und gilt bis heute als alternativlos. Der Nationalstaat betrachtet die Schule als Agen- tur für die Sozialisation seiner Mitglieder, die als Gesellschafts- und Staats- bürger in das nationale Selbstverständnis eingewiesen werden, damit der Staat, seine Institutionen und Organisationen, aber auch die Institutionen und Organisationen der anderen Funktionssysteme der Gesellschaft, mit von Generation zu Generation wechselndem Personal fortbestehen können. Die Schule wird als ein Ort angesehen, an dem die normativen Voraussetzungen vermittelt und die psychischen Dispositionen geschaffen werden, welche ein Gemeinwesen braucht, um seine Fortsetzbarkeit zu sichern. Genau unter diesem Gesichtspunkt müssen Schulbücher und ihre Leistungen analysiert werden. 1.3 Schule in der post-nationalen Konstellation Mit dem Nationalstaat, in dessen Konzeption die Unterscheidungen von Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft aufgehoben sind, entstand des Problem nationaler Minderheiten. Wo die Bevölkerung, die auf einem Territorium lebt, zu einem Volk formiert wird oder sich als „Nation“ wiedererkennt, stellt sich unabweisbar die Frage, wer zum „Wir“ der nationalen Gemeinschaft gehört. Es können Unterscheidungen entlang sprachlicher, religiöser, ethni- scher, rassischer Merkmale getroffen werden, mit denen eine Grenze zu den- jenigen gezogen wird, die nicht dazugehören (sollen), aber auf dem von der Nation beanspruchten und verwalteten Gebiet leben. Zugleich muß geklärt werden, wie das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheiten geregelt werden soll und welche Anrechte den Angehörigen der Minderheiten bezo- gen auf den Staat, aber auch die anderen Funktionssysteme der Gesellschaft, etwa die Erziehung, gewährt werden sollen. Neben Konflikten um die Frage der Staatsbürgerschaft, die dann besonders schwierig zu lösen ist, wenn die Vorstellung sich durchgesetzt hat, der Staat gehöre dem Volk (ethnos) und nicht der Bevölkerung (demos), ist ein bevorzugtes Feld der Auseinanderset- zung um Minderheitenrechte die Sprach- und wiederum die Schulpolitik. Weil in meritokratisch organisierten Gemeinwesen der Zugang zur Schule und der erfolgreiche Abschluß einer Schulausbildung die Inklusionschancen in alle anderen Funktionssysteme der Gesellschaft bestimmt, wird in der Schule, wo die Standardschriftsprache einer Nation durchgesetzt werden soll, um die Verbindlichkeit der Unterrichtssprache und um Rolle und Bedeutung 16
der Minderheitensprachen gerungen. Mit der Anerkennung einer Sprache als Schul- und Amtssprache wird symbolisch über den politischen und sozialen Status einer Minderheit entschieden. Deshalb können solche Konflikte schnell in offene Gewalt umschlagen – beispielsweise hat der Kosovo-Krieg der Jahre 1998/1999 als Schulkonflikt begonnen. Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 und endgültig nach dem Dreißigjährigen Krieg im Westfälischen Frieden von 1648 wurde in Europa mit der Säkularisierung ein Modus des Umgangs mit Religionsstreitigkeiten gefunden, der weitere dreihundert Jahre später, nach dem blutigen 20. Jahr- hundert der Weltkriege, die im Namen von Nationalstaaten geführt wurden, als Modell auch auf die Beilegung zivilreligiöser, ideologischer Streitigkeiten übertragen wurde. Eingerichtet wurden Regime der Toleranz (Walzer 1997), die mit der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft auch einen be- grenzten Pluralismus von Werten und Normen, Lebensweisen und Überzeu- gungen zuließen. Allerdings bleibt das Verhältnis von Mehrheit und Minder- heiten auch in einer solchen Konstellation prekär, weil die Grenzen der Tole- ranz, die nichts weiter als Duldung bis auf weiteres bedeutet, einseitig von der Mehrheit bestimmt und gekündigt werden können. Also mußte immer erneut die Frage aufgeworfen und beantwortet werden, wer zum „Wir“ der Gemeinschaft gehören, als Mitglied anerkannt werden und das Recht haben sollte, auch in der Öffentlichkeit seine Stimme zu erheben. Auch diese Frage, wie die Grenzen des die Gemeinschaft konstituierenden „Wir“ gezogen wer- den, ragt in die Schulpolitik hinein und wird in didaktischen Festlegungen und der methodischen Aufbereitung der Inhalte bis in den Unterricht und seine Schulbücher übersetzt. Die Frage, mit der die hier präsentierte Untersuchung beginnt, lautet des- halb: Wie reagiert die Schule auf die post-nationale Konstellation (Habermas 1998), in der die Nationalstaaten die Souveränität über ihr Territorium des- halb verlieren, weil die funktionale Differenzierung, prominent in der Wirt- schaft, der Wissenschaft, der Medizin, der Kunst oder dem Sport, längst weltgesellschaftliche Strukturen ausgebildet hat? Zu den Veränderungen, die mit der gewollten oder ungewollten Globalisierung/Mondialisierung einher gehen, gehören u. a. unabweisbar transnationale Wanderungsbewegungen von Menschen, die individuell ihre Chancen für ein besseres Leben da su- chen, wo sie geboten werden. Solche grenzüberschreitenden Wanderungen sind mit der modernen Transport- und Medientechnologie ein Teil der Struk- tur der Weltgesellschaft geworden, der nicht wieder verschwinden wird. Eine Folge ist, daß sich die im 19. Jahrhundert geschaffene enge Kopplung von Volk und Staat wieder zu lockern beginnt und nationale Politik, nationales Recht, nationale Wohlfahrtssicherung, Administration und Schule als über- kommene lokale Segmentation der (Welt-)Gesellschaft entlang tradierter Grenzen erkennbar werden – die aus der Sicht der Funktionssysteme dys- funktional werden und deshalb immer schwieriger zu behaupten sind. 17
Im Erziehungssystem führt die „Globalisierung“ der Waren-, Dienstlei- stungs- und Arbeitsmärkte zur regelmäßigen Anwesenheit von Kindern „mit Migrationshintergrund“, wie die korrekte Formel jetzt lautet, deren Eltern aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Perspektiven zugewan- dert sind. Was hier interessiert, ist die Frage, welche Rolle der Schule in einer Situation zukommt, in welcher der Nationalstaat als Wohlfahrtsstaat seine Aufgaben angesichts eines andauernden und vielgestaltigen Migrationspro- zesses zwischen Abwehr und Inklusion, Anerkennung von Differenz und Durchsetzung von normativen Grundsätzen des Zusammenlebens neu bestimmen muß. Am Beispiel der Schulbücher kann untersucht werden, wie das Schulsystem mit den Veränderungen in seiner Umwelt umgeht, wie es die Irritationen aufnimmt und intern bearbeitet. Die Schule reagiert auf Herausforderungen aus ihrer Umwelt zunächst programmatisch. Das gilt auch für das Problem der Migration und der aus unterschiedlicher Herkunft resultierenden Komposition der Bevölkerung. In den klassischen Einwanderungsländern Nordamerikas, die sich aus Siedler- bzw. Kolonistenstaaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Magne- ten für Einwanderer aus der ganzen Welt entwickelt haben, wurde als Reakti- on auf Forderungen der Minderheiten auf soziale Anerkennung mit dem Programm des Multikulturalismus reagiert. Als „weiße“ Immigranten aus Europa parallel zu der Emanzipationsbewegung der rassisch diskriminierten „schwarzen“, ehemaligen Sklavenbevölkerung damit begannen, nicht nur soziale, sondern kulturelle Rechte zu beanspruchen, wurde in den 1970er Jahren in den Schulen das Konzept der „Multicultural Education“ entwickelt. Mit Erziehung sollte die Bevölkerung auf das Leben in einem Gemeinwesen vorbereitet werden, das zunehmend wahrgenommen wurde, als sei es durch einen Pluralismus von kulturellen und religiösen Werten gekennzeichnet und durch ethnische Vielfalt geprägt. Die Schule sollte über dieses pädagogische Programm aus ihrer gerade in den USA universalistischen, an der Garantie allgemeiner Menschenrechte orientierten Tradition gelöst werden, die jedem Zuwanderer als Bürger gleich welcher Herkunft den Beitritt zu einem politi- schen Bekenntnis erlaubte, dem in der Declaration of Independence von 1776 festgeschriebenen american creed. Vom „weißen“ Ethnozentrismus befreit und inhaltlich gründlich reformiert sollten die Schule und ihr Curricu- lum auf eine Situation eingestellt werden, die durch ethno-kulturellen Plura- lismus, wenn kritisch formuliert wurde, durch eine tiefgehende ethnische Polarisierung und einen sich ausbreitenden Rassismus gekennzeichnet sei. Ziele der Erziehung sind dann der tolerante Umgang mit Differenz, der sich vor allem an einer Revitalisierung partikularer ethnischer Vergemeinschaf- tungen bewähren sollte. Ethnizität, verstanden als das Anrecht auf partikulare Vergemeinschaf- tung innerhalb des Nationalstaates entlang geglaubter Gemeinsamkeiten der Herkunft, der Sprache oder der „Kultur“, wird im Programm der multikultu- 18
rellen Pädagogik von den Erziehungseinrichtungen als sozial bedeutsame (Selbst-)Beschreibung von Bevölkerungsgruppen valorisiert; an die Stelle der assimilatorischen Vorstellung von der Einwanderungsgesellschaft als einem melting pot (e pluribus unum), in dem Einwanderer zu Amerikanern umge- schmolzen werden, soll nun der Schule die Aufgabe obliegen, die Beziehun- gen zwischen fortbestehenden ethnischen Gruppen auf der Basis wechselsei- tiger Anerkennung neu zu organisieren. Besonders in den USA hat sich dar- aus in den 1980er Jahren im Bildungsbereich ein Konzept der ethnic studies entwickelt, mit denen versucht werden sollte, die kulturellen Leistungen der verschiedenen, ansässigen und zugewanderten „Minderheitengruppen“ zu rekonstruieren und als gleichwertige Elemente in das Nationale Curriculum zu integrieren, das auf diese Weise von seiner tradierten Zentrierung um die „weiße“ Mehrheitskultur befreit werden sollte. Debatten um diese Programmvariante, die zwischen Eltern, Schulbehör- den, Schulbuch- und Curriculumkommissionen, Politikern und Wissenschaft- lern in den Medien mit großer Heftigkeit ausgetragen wurden, sind Teil der metaphorisch als culture wars beschriebenen Auseinandersetzungen, die in den USA in den 1980er Jahren um das nationale Selbstverständnis geführt wurden und bis heute nicht endgültig beruhigt sind. Die Kontroverse konzen- trierte sich auf genau die Frage, ob die westliche, christlich-jüdische Traditi- on, die sich dominant in der englischen Sprache, dem repräsentativen politi- schen System, einer liberalen politischen Kultur und schließlich einem Rechtssystem fortsetzt, das individuelle Freiheiten betont und garantiert, weiter die Richtschnur für das Wissen und die Werte sein soll, die an die Kinder weitergegeben werden in der Absicht, sie in die Normen des Ge- meinwesens einzusozialisieren, oder ob der angestrebte cult of ethnicity zu einer Fragmentierung, Re-Segregation und schließlich Tribalisierung des amerikanischen Lebens führen werde, wie prominent die Kritiker um den Historiker Arthur Schlesinger Jr. (1992) befürchteten. In Deutschland blieb die mit Verspätung geführte Kontroverse der 1990er Jahre um die „multikulturelle Gesellschaft“ (Frank 1995) in der brei- teren politischen Öffentlichkeit eine Episode, die einen Nachhall am Beginn des neuen Jahrtausends in einer kurzen Debatte um die „deutsche Leitkultur“ und ihre Rolle in der Erziehung fand. In der „pädagogischen Provinz“ gab es die Forderung, das Programm der „multikulturellen Erziehung“ als Alternati- ve zur bislang verfolgten „Ausländerpädagogik“ zu adaptieren. Seine Über- nahme in die Rahmenrichtlinien und Lehrpläne der verschiedenen Schulstu- fen geschah, geschuldet dem bundesdeutschen Bildungsföderalismus, in den verschiedenen Bundesländern mehr oder weniger lautlos und auf ganz unter- schiedliche Weise, oder es wurde ignoriert oder abgelehnt – ohne daß es zu großer öffentlicher Aufregung oder gar einem neuen „Kulturkampf“ gekom- men wäre, wie seinerzeit bei der Einführung der Rahmenrichtlinie Gesell- schaftslehre in Hessen. 19
Eine besonders in Deutschland bevorzugte Adaption des „Multikultura- lismus“ und der „multikulturellen Erziehung“ löst sich von der amerikani- schen Fokussierung auf die Anerkennung ethnischer Differenz und betont den Wert der Toleranz. Zur Toleranz gegenüber den „Anderen“ sollen, so erklärt sich die begriffliche Verschiebung von „Multi-“ zu „Interkulturelle Pädagogik“ in Deutschland, von klein auf alle Kinder erzogen werden – auch in Schulen, die keine oder wenige Kinder mit Migrationshintergrund aufge- nommen haben. Es handelt sich also nicht um ein Mittel, die Bildungssituati- on von Migrantenkindern, gemessen an ihrer Bildungsbeteiligung, durch die „Feier“ ihrer „Kultur“ zu verbessern, sondern um ein allgemeines Programm der staatsbürgerlichen Erziehung zur Tugend der Duldung gegenüber unver- meidlichen kulturellen Unterschieden. In einer hohen pädagogischen Aspira- tion wird eine harmonische Gesellschaft der kulturellen Vielfalt angestrebt, in der individuelle Ängste, Unsicherheiten, Vorurteile und diskriminierende Verhaltensweisen durch Steigerung der Sensibilität und die Fähigkeit zu wechselseitiger Perspektivenübernahme vermindert und schließlich abgebaut wären. 1.4 Interkulturelle Erziehung im Schulbuch Pädagogische Programme, die auf soziale Probleme reagieren, formulieren Absichten und setzen Ziele, die nicht mit den Effekten gleichzusetzen sind, die beim Versuch ihrer praktischen Umsetzung tatsächlich erreicht werden. Das Programm der „Interkulturellen Erziehung“, das sich der politischen wie pädagogisch-praktischen Herausforderung durch Zuwanderung stellen, Vor- urteile gegenüber den „Fremden“ abbauen und zu Toleranz erziehen will, kann einerseits bezogen auf seine Prämissen und Zielsetzungen analysiert und kritisiert werden. Das ist häufig geschehen und hat etwa zu der Befürch- tung der ungewollten Ethnisierung sozialer Verhältnisse oder zu deren ver- kürzender Pädagogisierung Anlaß gegeben (vgl. Diehm/Radtke 1999, Kap. V). Das Programm kann aber in einem weiteren Schritt auch darauf hin un- tersucht werden, wie die Ziele operationalisiert, didaktisch und methodisch aufbereitet werden und dann, geprüft von einer Schulbuchkommission und zugelassen von einem Kultusministerium, als Unterrichtsvorlage im Schul- buch erscheinen. Hier lag ein Desiderat erziehungswissenschaftlicher For- schung, auf welches die vorliegende Studie reagiert hat. Wenn man die gute Absicht nicht schon für ihre Realisierung, aber auch die Befürchtung nicht schon für das Eintreten des Befürchteten nehmen will, braucht man empiri- sche Evidenz. Gegenstand der Untersuchung ist die Thematisierung von Migranten bzw. Minderheiten und der empfohlene Umgang mit ihnen und ihren Problemen in Schulbüchern der Primar- und Sekundarstufe der allge- 20
meinbildenden Schulen unter der Fragestellung: Was sollen die Kinder aus- weislich der Richtlinien und Schulbücher in unseren Schulen über Migration, Migranten und Minderheiten lernen? Und weiter: Was können die Schüler im Laufe ihrer Schulzeit über dieses Thema und seine Behandlung in der Schule erfahren? Welche Bilder oder welches Wissen über die Zugewanderten und ihre Probleme versuchen die Schulbücher zu vermitteln? Die Beantwortung der Frage, was man täglich, Woche für Woche, Schul- jahr für Schuljahr, aber auch im Verlauf einer ganzen Schulzeit in der Schule ausweislich des Wissensangebotes der Schulbücher über ein Thema wie Migration und Migranten lernen kann, ist sicher nicht ohne Bedeutung für die künftige Gestaltung des Materials, mit dem man die Sozialisation kommen- der Generationen der Schüler beeinflussen will. Stellt man sich die Interakti- on im Unterricht als soziales System vor, so ist das auf der Schulbuchseite ausgebreitete Material ein in-put, man kann auch sagen: eine programmati- sche Rahmung, die Erwartungen formuliert und Fragen aufwirft, die in der Interaktion des Unterrichts nach eigenen Gesichtspunkten verarbeitet werden. Entlang der Gütekriterien des Programms, die in begleitenden Lehrerhandbü- chern expliziert werden und auch den Lehrer mit dem „gültigen“ Wissen versorgen, können die Antworten der Schüler vom Lehrer als „richtig“ oder „falsch“, als den Erwartungen „angemessen“ oder „unangemessen“, als „ge- wollt“ oder „ungewollt“ bewertet werden. Die pädagogische Erfahrung weiß allerdings unter dem Titel „heimlicher Lehrplan“, daß zwischen den deklarierten Zielen der öffentlichen Erziehung und den tatsächlich im Unterricht vermittelten Botschaften eine kaum zu überbrückende, vielleicht gewollte, häufig auch in Kauf genommene Diskre- panz besteht. Es wäre nicht überraschend, wenn eine solche Diskrepanz gera- de auch bei der Erziehung zu mehr Toleranz gegenüber den „Fremden“ zu beobachten wäre, die weder Freund noch Feind, aber, da im Klassenzimmer anwesend, doch zu tolerieren sind. Individuen wie Gemeinschaften kennen verschiedene Formen des Um- gangs mit denen, die sie als die „Fremden“ markieren. Immer wieder ist be- hauptet worden, es sei der Unterschied, der beunruhige und Menschen zu aversivem oder feindlichem Verhalten veranlasse (vgl. Memmi 1992). Was da als anthropologische Konstante behauptet wird, bleibt allerdings die Ant- wort schuldig auf die Frage, welcher Unterschied jeweils in welchem Kon- text und bei welcher Gelegenheit zum Anlaß der Beunruhigung genommen wird und vor allem: wie er zuvor sozial bedeutsam gemacht wurde. Offen bleibt auch, wann und aus welchem Anlaß Organisationen, die ihrer eigenen Rationalität folgen, einen Unterschied machen. Logisch sind zumindest drei Formen denkbar, wie individuell und orga- nisatorisch mit der Irritation durch das „Fremde“ umgegangen werden kann. Die möglichen Verhaltensweisen sind zwischen den Polen Fremdenfeind- lichkeit (Xenophobie) und Fremdenfreundlichkeit (Xenophilie) angesiedelt, 21
die sich im Umgang als negative oder positive Diskriminierung zeigen; da- zwischen liegen Formen des Ignorierens, der Nicht-Wahrnehmung von Diffe- renz oder der De-Thematisierung. Empirisch finden sich in öffentlichen Me- dien sowohl die Form der Dämonisierung, aus der Bedrohungsängste erwa- chen, als auch die Haltung der positiven Verklärung und Idealisierung, die Probleme negiert; aber auch die Leugnung von Differenz folgt der Phantasie, die Unterschiede, wenn nicht unter Kontrolle, so doch zum Verschwinden bringen zu können. Bleibt neben der Empathie noch das Mitleid, welches die „Fremden“ zu Objekten des Mitgefühls oder der Hilfe macht. Als fortge- schritten gilt das Lachen über die Probleme im Umgang mit den Fremden, welche die Unsicherheit in Komik auflöst (vgl. für den Spielfilm Hickethier 1995). In der Pädagogik, wo es um die Erziehung zu sozial erwünschten Formen des Umgangs mit Differenz geht, aber auch darum, im Erziehungssystem selbst Formen des angemessenen Umgangs mit „Kindern mit Migrationshin- tergrund“ zu finden, erstreckt sich das Spektrum der Umgangsweisen von „ignorierender Toleranz“ unter der Maxime der „Gleichbehandlung“ aller bis hin zu „positiver Diskriminierung“ einzelner in fördernder Absicht (vgl. Czock/Radtke 1984). In der pädagogischen Reflexion hat die Suche nach lebbaren Formen der „Anerkennung“ und des „Respekts“ begonnen, die Möglichkeiten reichen wiederum von Nichtbeachtung der Differenz, Gleich- gültigkeit und Duldung, über positive Diskriminierung und Quotierung bis zu Anerkennung und der Bezeugung von Respekt (vgl. Diehm 2000, 2004). Erkennbar sind alle möglichen Haltungen gegenüber den „Fremden“ mit Ambiguität und Ambivalenz belastet, die schnell in Dilemmata und Parado- xien münden können. Alle Haltungen können mehr oder weniger bewußt und reflektiert eingenommen werden. Welches Verhältnis man individuell zu den Fremden eingeht, hängt offenbar ab von sozialisatorisch erworbenen Disposi- tionen, normativen Orientierungen und sozialen Gelegenheiten. Welche Hal- tung Organisationen oder Publikumsmedien einnehmen, entscheidet sich im Lichte der eigenen Probleme, die bewältigt werden sollen, aber auch an den im öffentlichen Diskurs gültig gemachten Sicht- und Redeweisen. Die Aufgabe von Schulbuchautoren, die auf die Veränderungen in der Umwelt des Erziehungssystems reagieren wollen und dies im Rahmen des bereits formulierten Programms der Interkulturellen Pädagogik versuchen, besteht nun darin, die Schüler auf sozial adäquate Formen des Umgangs mit den „Fremden“ auszurichten bzw. sozial unerwünschte Formen moralisch auszugrenzen. Dazu können sie in ihrer Darstellung selbst eine der normativ als erwünscht geltenden Optionen wählen, geraten dann angesichts der Am- bivalenzen und Ambiguitäten aber vor die Frage, welche Verhaltensweise kommt dem angemessenen und moralisch zu rechtfertigenden Umgang am nächsten? Für die pädagogische Aufbereitung kaum zu bewältigen ist bei dieser Strategie das Darstellungsparadox: Die Darstellung des „Fremden“, 22
des kulturell anderen, muß die Unterscheidung nach Haut- oder Haarfarbe, Physiognomie oder Mentalität erst aufrufen, um dann vor ihrem Gebrauch zu warnen. Oder: Nationale oder ethnische Stereotype müssen wiederholt wer- den, bevor man sie als solche kennzeichnen und moralisch ablehnen kann. Damit aber werden sie aktualisiert und bleiben im Umlauf. Als Alternative bliebe den Schulbuchautoren nur die sekundäre Thematisierung der verschie- denen Optionen an Beispielen aus der Praxis von Individuen, Organisationen oder den Medien und die Beurteilung der Folgen der jeweiligen Verhaltens- weise für alle Beteiligten. Die hier vorgelegte Studie hat die Frage empirisch gestellt, wie die Schulbücher sich zum Programm der Interkulturellen Erziehung stellen, wie sie mit der Aufgabe der Operationalisierung des Programms umgehen und wie sie den Erziehungsanspruch programmatisch, didaktisch und methodisch einlösen. Die Fragestellung zielt auf die De-Konstruktion des Migranten- diskurses in Schulbüchern. Dieser wird zu den entsprechenden thematischen Diskursen in Beziehung gesetzt, wie sie sich in „amtlichen“ Dokumenten, also den jeweils gültigen Lehrplänen bzw. Richtlinien einerseits, aber auch in Publikumsmedien andererseits, zeigen. Im Fokus des Interesses stand die offene Frage, wie das Thematisierungs- bzw. Darstellungsparadox in Schul- büchern aufgelöst wird, auf welche Seite des Paradoxes sich die Autoren schlagen. Aus der jeweils gefundenen Lösung, die als Unterrichtseinheit präsentiert und in das Schulbuch aufgenommen wird, ergibt sich – im Fall der Verwendung durch die Lehrerin – eine Rahmung der Interaktion im Klas- senzimmer, die in der pädagogischen Kommunikation als Erwartung verar- beitet werden muß. Die Untersuchung der Schulbücher beginnt, nach der Skizzierung der Untersuchungsdesigns im Kapitel 2, im Kapitel 3 mit einer diskurstheoretisch angeleiteten Analyse der hessischen und bayrischen Lehrpläne für die Grund- schule und die Sekundarstufe I, die sich in ihrer Rezeption des Programms Interkultureller Pädagogik unterscheiden, in denen aber die Lehrziele formu- liert sind, die wiederum den Schulbuchkommissionen die Kriterien für die Genehmigung und Zulassung eines Buches vorgeben. Daran schließt sich in Kapitel 4 eine systematische Untersuchung der Darstellung von Migranten in den hessischen Schulbüchern an, die im Untersuchungszeitraum am meisten verbreitet waren. Es werden virtuelle Schülerbiographien konstruiert, die angeben, was die Schüler gelernt haben könnten, wenn sie in den ersten zehn Jahren ihrer Schulzeit mit genau diesen meistverbreiteten Büchern unterrich- tet worden wären. Kontrastierend dazu werden im Kapitel 5 exemplarisch bayrische Schulbücher darauf untersucht, ob und wie sie sich von den hessi- schen Büchern unterscheiden. Kapitel 6 greift, quer zu der Analyse einzelner Schulbuchseiten bzw. des Ländervergleichs, eine prominente Metapher auf, die Rede vom Sitzen „zwischen zwei Stühlen“, deren Karriere im pädagogi- schen Diskurs über Migranten in diachroner Perspektive verfolgt wird. In 23
Kapitel 7 werden die Publikumsmedien in den Blick genommen; untersucht wird, wie sie das Thema Migration behandeln und wie sich die massenme- diale Behandlung zu den thematischen Diskursen in Richtlinien und Schul- büchern verhält. Kapitel 8 schließlich faßt die Befunde der Studie zu einem Resümee zusammen. Eine Studie, die versucht, die diskursive Modellierung des Problems des Umgangs eines Gemeinwesens mit den „Fremden“ in thematisch einschlägi- gen Unterrichtseinheiten bzw. anhand von Kapiteln aus Schulbüchern zu de- konstruieren, kann nicht die Frage beantworten, was unsere Kinder tatsäch- lich in der Schule lernen, wenn sie mit Hilfe des Materials unterrichtet wer- den. Dazu müßte die unterrichtliche Interaktion, in der die Vermittlung des Wissens von der Aneignung des Wissensangebotes durch die Schüler streng unterschieden werden muß (vgl. Kade 1997), eingehend untersucht werden – das ist nicht ganz leicht und bleibt einer späteren Studie vorbehalten. Wenn man jedoch eine Schülerbiographie als eine Abfolge von vielen, unkoordi- nierten Einzelereignissen auffaßt, die zwar intentional erzeugt, letztlich aber doch eher als Sozialisation denn als Erziehung zu kennzeichnen wären, dann gibt die Abfolge der Schulbücher, denen ein Schüler im Laufe seiner Schul- zeit ausgesetzt wird, und die darin enthaltenen Bilder von „Fremden“ und normativen Erwartungen an das Verhalten ihnen gegenüber einen Hinweis darauf, was man im Verbund der anderen Publikumsmedien zu diesem The- ma lernen kann. Mit dem gesicherten Wissen darüber könnte man immerhin versuchen, das Problem der Interkulturellen Erziehung genauer zu beschrei- ben, um auf diese Weise zu einer verbesserten curricularen Rahmung zu gelangen. 24
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