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Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Familie und Jugend Geschichte des Kindergartens in Bayern Von der Bewahranstalt zur modernen Bildungseinrichtung
Vorwort der Bayerische Bildungs- und Erziehungs- plan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung aus dem Jahr 2005 unterstreicht die hohe Bedeutung früh- kindlicher Bildung für den Prozess des lebenslangen Lernens und des kindlichen Spiels als pädagogisches Prinzip. Die zweite Konstante lässt sich mit „Ver- einbarkeit von Familie und Erwerbstä- tigkeit“ überschreiben. In der Zeit der Kindertageseinrichtungen sind ein Spie- Frühindustrialisierung mussten auch gel ihrer Zeit: Dies gilt von den ersten Mütter erstmals zum Lebensunterhalt Anfängen – den sog. Kleinkinderbewahr- der Familien mit bezahlter Arbeit beitra- anstalten in den 30er Jahren des 19. gen. Ihre Kinder wurden in so genannten Jahrhunderts – bis hin zu den Kinderta- Kinderbewahranstalten beaufsichtigt. In geseinrichtungen als Bildungseinrich- den 50er und 60er Jahren des 20. Jahr- tungen nach dem Bayerischen Kinderbil- hunderts ließ die zunehmende Erwerbs- dungs- und -betreuungsgesetz unserer tätigkeit von Frauen die Nachfrage an Tage. Dabei fällt auf, dass sich drei Kindergartenplätzen stark ansteigen. In Konstanten wie ein roter Faden durch die Deutschland sind heute 64 Prozent aller Geschichte des Kindergartens ziehen: Mütter erwerbstätig. In Bayern liegt So wurden die Kindergärten in Bayern dieser Wert sogar bei 68 Prozent. stets – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung – als Einrichtungen zur Eine weitere Konstante ist schließlich das Bildung und Erziehung der Kinder vor hohe Engagement der freien Wohlfahrts- der Einschulung angesehen und deutlich pflege, das auf dem Subsidiaritätsprinzip zum Unterricht in der Schule abgegrenzt. basiert und zu einer bunten Vielfalt der Schon König Ludwig I. von Bayern be- Kindergärten beigetragen hat. Der freien tonte zur Errichtung der ersten so genann- Wohlfahrt, aber auch den bayerischen ten „Kleinkinderschule“ in München: Städten und Gemeinden, den pädago- „Die Sache finde ich gut, nur soll in dieser gischen Kräften sowie engagierten Eltern Schule noch gar kein Unterricht, sondern ist es zu verdanken, dass in einer fast bloß Erziehung zur Frömmigkeit, zur zweihundertjährigen Entwicklung die Kin- Reinlichkeit etc. sein, auch keine Arbeit, dergärten zu einem anerkannten und von sondern jugendlicher Frohsinn (...).“ Auch mehr als 99 Prozent der Kinder angenom- 4
menen Bildungsangebot geworden sind. den Einblick in die heutige Kindergarten- Die bayerischen Kindergärten können landschaft und einen kleinen Ausblick über in ihrer wechselvollen Geschichte auf mögliche Weiterentwicklungen zu geben. viele Höhepunkte zurückschauen: Die von König Ludwig I. 1839 genehmigten „Bestimmungen, die die Einrichtungen von Kinderbewahranstalten betreffen“ waren mit ihrer Anerkennung der Kinder- Christa Stewens gärten als eigenständige Einrichtung für Bayerische Staatsministerin Vorschulkinder ebenso ein Meilenstein für Arbeit und Sozialordnung, wie das Bayerische Kindergartengesetz Familie und Frauen von 1972, das den Bildungs- und Erzie- hungsauftrag der Kindergärten erstmals in aller Deutlichkeit hervorhebt. Ich bin überzeugt, dass auch das Bayerische Kin- derbildungs- und -betreuungsgesetz von 2005 und der im gleichen Jahr veröffent- lichte Bayerische Bildungs- und Erzie- hungsplan mit den normativen Bildungs- und Erziehungszielen rückblickend als ein weiterer großer Schritt in der Ent- wicklung aller Kindertageseinrichtungen zu Bildungseinrichtungen angesehen werden. Unser Ansatz ist, die bildsamste Zeit der Kinder zu ihrer optimalen För- derung zu nutzen. Ob dies gelingt, hängt maßgeblich davon ab, dass alle päda- gogischen Kräfte in den Kindertages- einrichtungen auch weiterhin mit voller Kraft und Liebe ihrer Berufung nachge- hen. Ihnen allen gebührt hierfür mein aufrichtiger Dank. Ziel dieser Broschüre ist es, die Ausstel- lung „Geschichte des Kindergartens in Bayern“ informativ zu begleiten sowie 5
Inhaltsverzeichnis Anfänge der öffentlichen 8 Kleinkindererziehung in Bayern Erste kommunale 10 Bewahranstalten in Bayern Die „Allgemeinen Bestimmungen“ 12 von 1839 und 1910 Friedrich Fröbel 14 und der Kindergarten Der Münchener 16 Kindergartenverein Die Diskussion der Erziehungs- 18 und Bildungsziele im 19. Jahrhundert Zeit der Weimarer Republik: 20 Von der Reichsschulkonferenz 1920 bis 1933 Der Kindergarten unter 22 dem Nationalsozialismus Der Wiederaufbau 24 in der Nachkriegszeit Die Vorschulreform um 1970 25 Neue Anforderungen 28 seit den 90er Jahren Die Ausbildung der Erzieherinnen 30 6
Trägerschaft und Finanzierung 32 Statistische Entwicklung 34 in Bayern Kindergarten und Schule 36 Das Bayerische Kinderbildungs- 38 und -betreuungsgesetz von 2005 Der Bildungs- und 40 Erziehungsplan 2005 Weiterführende Literatur 42 7
Die Anfänge der Außer-Haus-Betreuung Anfänge der öffentlichen oder Winkelschulen. Auch reguläre Ele- Kleinkindererziehung in mentarschulen wurden von Kleinkindern Bayern zusammen mit den älteren Geschwistern besucht. Im Ursulinenkloster zu Straubing ist bereits 1782 eine Vorbereitungsschule Kleinkinderschulen bekannt, die 80 Mädchen betreute. König Ludwig I. von Bayern genehmigte am 4. August 1833 die Einrichtung einer Kleinkinderschule in München. Die Sache „In der ... Vorbereithungs-Schul [sind] sei gut, so schrieb er, nur solle in dieser Mägdlein von 4 und 5 Jahren, die nur Schule noch kein Unterricht vorherrschen. aufgenommen werden, damit sie ... vom Keine Arbeit, sondern jugendlicher Froh- schädlichen Herumlaufen auf den Gassen, sinn sollte im Vordergrund stehen. und von der schlechten Zucht der Kindes Mägden bey zeiten weg genohmen, zur Liebe zum Lernen angemuthet, und zu „Der Erteilung eines eigentlichen Unter- den folgenden Schul-Klassen hergerichtet richts haben sich die Pfleger und Aufseher werden.“ … gänzlich und strenge zu enthalten … Straubing, 1782 (siehe auch Seite 9 oben) und wenn es unbenommen bleiben mag, (die Kinder) im Zusammensetzen und Vergleichen von Buchstaben und Zahlen zu Um die Mitte der 20er Jahre des 19. üben, so hat dieses doch in der Absicht zu Jahrhunderts wurden erstmals die Auf- geschehen, das Auffassungs- und Anschau- gaben und die gesellschaftspolitische ungsvermögen zu wecken, Sinn und Urteil Wirksamkeit einer „Kleinkinderschule“ zu schärfen, an geregelte Geistestätigkeit systematisch diskutiert. Diese Diskus- und ruhiges Aufmerken zu gewöhnen sion wurde in Deutschland entscheidend und auf diesem Wege die Kleinen auf angestoßen durch Samuel Wilderspins die Benutzung der öffentlichen Schulen Handbuch „Über die frühzeitige Erzie- vorzubereiten.“ hung der Kinder und die englischen Allgemeine Bestimmungen 1839 Klein-Kinder-Schulen“. Unter dem Einfluss dieses Werkes schien Das königliche Wohlwollen hat maßgeb- die Errichtung derartiger Anstalten ein lich zum raschen Ausbau der Einrichtun- Heilmittel gegen die offenkundig wer- gen in Bayern beigetragen. Eine außer- denden Probleme der Zeit. häusliche Betreuung von Kleinkindern im nichtschulpflichtigen Alter gab es bereits in Städten in Form von Warte-, Strick- 8
In der Frühindustrialisierung nahm die Armut in breiten Kreisen der Bevölkerung zu. Mehr und mehr mussten Frauen und auch Mütter zum Lebensunterhalt mit be- zahlter Arbeit beitragen. Die unbeaufsich- tigten Kinder drohten zu verwahrlosen. Durch Beaufsichtigung und Bewahrung Samuel Wilderspins Buch sollten sie vor körperlicher und sittlicher „Über die frühzeitige Erziehung der Kinder Verwahrlosung geschützt und ihren und die englischen Klein-Kinder-Schulen“ Raum in Wilderspins Kleinkinderschule, England Müttern die Erwerbstätigkeit ermöglicht In Bayern empfahl die Regierung werden. Die Kinder wurden zu fügsamen 1832 und 1837 die Einrichtung von Mitgliedern der Gesellschaft und für ein Kleinkinderschulen. Leben in Armut erzogen. Erziehung zu Ge- horsam, Fleiß, Reinlichkeit, Pünktlichkeit Die ersten Einrichtungen sind nach- und Gottesfurcht standen im Mittelpunkt weisbar 1831 in Nürnberg, 1832 in Ans- der Arbeit in den Kleinkinderschulen. bach, Burgfarnbach, Nürnberg, 1834 in Augsburg, Bayreuth, München (2), 1835 in Augsburg (2), 1836 in Nürnberg, „Die Achtung, die man ihnen von Kindes- Schweinfurt, Würzburg, 1837 in Fürth, beinen an für die bestehenden gesellschaft- München, Aschaffenburg, Hof, Coburg, lichen Verhältnisse einflößt; die ... unausge- 1839 in Bamberg. setzte Subordination ... unter der sie stehen ... sind ebenso viele Schutzwehren gegen Unzufriedenheit und Ungenügsamkeit“ Aus Wilderspin, 1826 9
Unterricht, Arbeit und Spiel Erste kommunale Bewahranstalten in Bayern Die ersten kommunalen Anstalten Bayerns Neben einem Überblick über die räum- wurden in Augsburg 1834 gegründet und lichen und organisatorischen Notwen- von Johann Georg Wirth (1807 – 1851) digkeiten erläuterte Wirth didaktische geleitet. Beeinflusst von praktischen Erfah- Überlegungen zur Differenzierung der Be- rungen, veröffentlichte er 1838 ein erstes schäftigungen, die er als Unterricht, Arbeit deutsches Handbuch zur Pädagogik der und Spiel verstanden wissen wollte. Bewahranstalten. Zusätzlich bezog er Feste aus dem Jahres- ablauf in die Arbeit mit ein sowie persön- Weitere Schriften, darunter ein „Mütter- liche Ereignisse der Kinder. Geburtstage, buch“ und eine Bestandsaufnahme der Krankheits- und Sterbefälle in der Familie ersten Einrichtungen in Deutschland, wurden mit den Kindern besprochen. Das erschienen 1840. pädagogische Konzept Wirths, welches auch die konkrete Betrachtung kindlicher Lebensbedürfnisse und das Spiel in den Mittelpunkt stellte, unterschied sich grundlegend von den bisherigen Auffas- sungen von Verwahrung und schulischen Unterrichtsplänen und war vergleichs- weise modern. Lieder aus der Bewahranstalt 10
Ein Bauspiel im Ratgeber für Mütter Raum in Wilderspins Kleinkinderschule, England „Aus ihren Spielsachen, die den Kleinen Wirth erkannte erstmals das Rollenspiel überlassen werden, bilden sie eine Welt, als eine eigene Welt des Kindes, die es zu in der sie als die wichtigsten Bewohner respektieren galt. erscheinen. … Ihre ganze Tätigkeit ist eine Übertragung dessen, was sie im wirklichen Seine Ausführungen über die Bewahran- Leben gesehen, gehört, erfahren haben, in stalten hatten besonderen Einfluss auf die ihre eigene Welt. Hier soll nun alles vorge- Struktur der Bewahranstalten der „Armen hen, wovon sie sich einen Begriff verschafft Schulschwestern“. Um 1900 wurden 98 haben. Auch die Bewahranstalten mögen von insgesamt 577 bayerischen Einrich- nicht störend auf das kindliche Verlangen, tungen von den „Armen Schulschwes- spielen zu wollen, einwirken, sondern den tern“ geleitet. Sinn für das Spielen noch mehr beleben, sogar die sämtlichen Übungen mehr spie- lender als ernster Natur erscheinen lassen.“ Johann Georg Wirth, 1838 11
Erste gesetzliche Regelungen Die „Allgemeinen Bestim- mungen“ von 1839 und 1910 Mit den „Allgemeinen Bestimmungen“ § 1 „Die Kleinkinderbewahranstalten sind, über die Errichtung und Beaufsichtigung in so lange nicht anders verfügt wer- der Kleinkinderbewahranstalten unter den wird, als Privatinstitute zu betrach- König Ludwig I. schuf Bayern 1839 als ten und als solche den bestehenden erstes Land gesetzliche Regelungen für Vorschriften gemäß zu behandeln. Es die Kinderbetreuung. ist jedoch zur Bildung einer solchen Anstalt die obrigkeitliche Bewilligung Diese Bestimmungen galten 70 Jahre erforderlich. unverändert und wurden erst 1910 not- Ihre Einrichtung und Erhaltung ist dürftig an die veränderten Verhältnisse allenthalben zu befördern, wo sich angepasst. das Bedürfnis für sie kund gibt, wo die erforderlichen Mittel dazu aufgebracht Die Richtlinien von 1910 sahen als neue werden können, und wo sich gegen Aufgabe die Gesundheitserziehung vor den Inhalt der zur Genehmigung und regelten eine verbesserte Raum- vorzulegenden Statuten etwas Wesent- und Gruppengröße. liches nicht erinnern läßt. § 2. Die erwähnten Anstalten sollen keinen anderen Zweck haben, als den kleinen, für die öffentlichen Schulen noch nicht reifen Kindern Aufenthalt und Pflege in der Art angedeihen zu las- sen, wie solche von verständigen und gewissenhaften Eltern zu gedeihlicher Entwicklung geistiger und leiblicher Kräfte für dieses zarte Jugendalter gewährt zu werden pflegen. Auf diese ihre Bestimmung sind sie allenthalben zu beschränken, und es ist daher auch nicht zu gestatten, daß ihnen der noch hie und da übliche Name einer Kleinkinderschule beigelegt oder, daß den dabei beschäftigten Personen der Titel eines Lehrers oder einer Lehrerin verliehen werde …“ 12
Der § 4 macht deutlich, welche Funktion § 4 „Da bei Weitem der größere Teil der der öffentlichen Kleinkindererziehung als in diese Anstalt aufgenommenen einer Armenerziehung zugedacht war. Kinder armen Eltern angehört, und für einen Stand erzogen werden soll, wel- cher vorzugsweise einen gesunden, kräftigen und gewandten Körper, Lust und Liebe zu anstrengender Arbeit und möglichste Beschränkung seiner Bedürfnisse zu seinem künftigen Einkommen und zu seinem äußeren Lebensglücke nötig hat: so muß in den Kleinkinderbewahranstalten alles sorgfältig vermieden werden, was nachteilig auf den Gesundheitszu- stand einwirkt (wie dieses nament- lich durch überheizte Lokalitäten geschieht), die Pfleglinge schwächt und verweichlicht, den Hang zum Wohlleben hervorruft und Bedürfnisse erzeugt, die in späteren Lebensjahren nicht mehr befriedigt werden können, und im Entbehrungsfalle leicht eine Quelle der Unzufriedenheit und des Unfriedens eröffnen dürften.“ 13
Der Vater des Kindergartens Friedrich Fröbel und der Kindergarten Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782 – 1852) gilt als Vater des Kindergartens. Für Fröbel war Kindererziehung ein gemeinsames Werk von Familie und Kindergarten. Fröbel prägte den Begriff Kindergarten. Der Begriff drückt Fröbels romantische Vorstellung frühkindlicher Erziehung aus. Er sah die Hauptaufgabe Friedrich W. A. Fröbel, 1839 des Kindergartens in der „allseitigen Pflege des Kinderlebens“, der Sinnes- schulung, der Ausbildung des Verstan- „Das ,Ganze der entwickelnd erziehen- des, der motorischen Förderung, der den Spielgaben‘ war eine Folge von altbe- Persönlichkeitsentwicklung und der kannten und einigen neuen Spielzeugen, Vorbereitung auf die Schule. zurückgeführt auf eine mathematische Ordnung: Regelmäßige Körper (Kugel, Würfel, Kristallformen) – Flächen (Legeta- „Der Mensch ist ihm [Fröbel] ein gött- feln, Papierquadrat) – Linien (Papierstreifen, liches Gewächs und der Erzieher der Gärt- Holzstäbchen, Wollfaden) – Punkte (alles ner, der ihm Licht und Nahrung verschafft, Einzelne wie Steinchen, Früchte, Sandkorn). das Wesentliche aber seinen Lebenskräf- Im Zerteilen und Zusammenfügen ergaben ten überlässt. Aus dieser Weltanschauung sich die üblichen Kinderspiele und Formen heraus stellt Fröbel die Selbsttätigkeit und des schmückenden Hausfleißes (Perlenfä- besonders den natürlichen Darstellungs- deln, Weben, Falten, Faltschnitt usw.). Diese trieb in den Mittelpunkt der Erziehung.“ Aufstellung war weniger eine methodische Albert Reble Anleitung zur gelenkten Durchführung lehrender Spiele als eine didaktische Besin- nung, die den Erwachsenen die Bedeutung Fröbel entdeckte im Kinderspiel die des kindlichen Spielens aufdecken sollte; spezifische Aneignungsweise des Kindes: ihnen sollte das Gesetz der unter den Hän- Es „erahnt“ die Welt. Er entwickelte 1836 den entstehenden ornamentalen ,schönen seine „Spielgaben“ und „Beschäftigungs– Gestalten‘, dem das Kind ahnend folgte, zur oder Bildungsmittel“, das so genannte klaren Erkenntnis gebracht werden.“ Fröbelmaterial. Das Kind sollte damit in Erika Hoffmann seiner „Allseitigkeit“ angeregt werden. 14
Was zuerst für das Spiel von Mutter und „In allem, was das Kind tut, zeigt es Kind gedacht war, weitete er 1840 in der sich als ein nach Bewusstsein strebendes Idee der Spielpflege auch auf die öffent- Wesen. Es ist Aufgabe der Kindergärten, das liche Kleinkindererziehung aus. Kind zu einem solchen selbstbewussten Wesen zu erheben, das sich klar wird über des Menschen innerstes Wesen, über die Natur und sein Verhältnis zu Andern.“ Friedrich Fröbel Spiele im Kindergarten „Kinderspiel ist keineswegs ein nich- Fröbel forderte einen Kindergarten als tiges, gehalt- und fruchtloses Zeitvertreiben notwendige Vorstufe zur Schule. Im … nicht ein zufälliges ungeordnetes Leben Zentrum seiner Überlegungen stand die und Bewegen … keineswegs ein Nicht- Bildung eines jeden Kindes, unabhängig lernen, sondern vielmehr ein ununterbro- von dessen sozialem Stand. Friedrich Frö- chenes Lernen, aber am, um und im Leben bels Konzept des Kindergartens und seine selbst. Das Gelernte geht hier sogleich wie- Bildungstheorie der frühen Kindheit fin- der ins Leben über … damit unterscheidet den noch heute weltweit Aufmerksamkeit sich dieses Lernen von dem in der Schule.“ und Anerkennung. Das Wort Kindergarten Friedrich Fröbel wurde in viele Sprachen übernommen. Spiel mit Ball, Kugel und Würfel 15
Geburtsstunde der Münchener Fachakademie Der Münchener Kindergartenverein Im Jahr 1868 wurde in München der Lorenz Illing, der erste Direktor des „Kindergartenverein“ ins Leben gerufen, Kindergärtnerinnenseminars, hob den der in seinen Einrichtungen die pädago- allgemeinen Bildungsanspruch des Frö- gischen Ansätze von Fröbel umsetzte. belschen Kindergartens hervor. Er betonte Die Kindergärten erhielten von der Stadt die Notwendigkeit einer allgemeinen Ein- München neben finanziellen Zuwen- führung der Kindergärten. Für alle Kinder dungen auch Räume in regulären Schul- sollten die gleichen Entwicklungs- und bauten zur Verfügung gestellt. Erfahrungsmöglichkeiten gegeben sein. Nach zehn Jahren existierten sechs Kindergärten sowie ein Kindergärtnerin- nenseminar, das heute als Fachakademie für Sozialpädagogik unter Trägerschaft der Stadt München weiterbesteht. Ankunft im Kindergarten Kinder helfen mit 16
Eine Weiterentwicklung der Kindergarten- pädagogik wurde von Albert Hermann, dem zweiten Direktor des Kindergärtnerin- nenseminars in München, vorgeschlagen: Er forderte ein familienähnliches Grup- pensystem von sechs bis acht Kindern Aus dem Seminarkindergarten Bogenhausen (statt der bis dahin üblichen Gruppen- größe von 40 bis 50 Kindern und mehr) und die Einrichtung von Betätigungs- räumen für Kinder mit Ausstattung zum Experimentieren, z. B. überdachte Hofräume mit Gelegenheit zum freien Bau- und Sandspiel, eine Waschküche und eine Küche. Tafelbild für eine Erzählung 17
Pädagogischer Richtungsstreit Die Diskussion der Erziehungs- und Bildungs- ziele im 19. Jahrhundert In Deutschland kam es Mitte des 19. Die Vertreter der Fröbelpädagogik argu- Jahrhunderts zu heftigen Auseinan- mentierten, dass der Kindergarten jedem dersetzungen zwischen Anhängern Kind als eine Bildungsmöglichkeit neben der Fröbelpädagogik und Vertretern der Familie offen stehen sollte. Sie plä- der pädagogischen Grundsätze der dierten für den Kindergarten als erste Kinderbewahranstalten. Stufe des allgemeinen Bildungssystems. Diese Forderung setzte sich jedoch nicht Vertreter konfessioneller Kleinkinder- durch, blieb aber bis heute virulent. schulen und Kinderbewahranstalten betonten ein konservatives Familienbild In der konfessionellen Kleinkinderbetreu- mit strenger Rollenverteilung zwischen ung gewannen die Spielgaben Fröbels Mann und Frau. Mütterliche Erwerbsar- und die innere Differenzierung in der beit konnte nur als Notarbeit akzeptiert Kindergartenarbeit an Bedeutung. Ein werden. Man glaubte, deren unmittel- Streitpunkt blieb jedoch: Der Selbstent- bare Folge sei eine Verwahrlosung der faltung des Kindes bei Fröbel stand ein Kinder. Die Lösung der sozialen Pro- theologischer Ansatz mit der Betonung bleme wurde in der Rückkehr zur alten, der Erbsünden- und Gnadenlehre ge- gottgegebenen Familienform gesehen: genüber. Die Unterschiede wurden nie die Mutter in ihrer naturgegebenen ausdiskutiert. Der Streit ist mit der Zeit Aufgabe als ausschließliche Erzieherin gewissermaßen eingeschlafen. der Kinder. So wurden Kleinkinderanstalten bzw. Kinderbewahranstalten lange als not- wendige Einrichtungen zur „Ersatzerzie- hung“ gesehen, ihre prinzipielle Exis- tenzberechtigung jedoch bestritten. 18
Das gemeinsame Spiel, um 1850 19
Der Kindergarten als Wohlfahrtseinrichtung Zeit der Weimarer Republik: Von der Reichsschulkonferenz 1920 bis 1933 Die nach der neuen Reichsverfassung Entsprechend den Beratungs- und von 1919 notwendig gewordene Neu- Abstimmungsergebnissen wurde für orientierung des gesamten Schulwesens das Kindergartenwesen eine reichsein- wurde auf der so genannten Reichsschul- heitliche gesetzliche Regelung erstmalig konferenz 1920 beraten. Dem Ausschuss 1922 im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz „Kindergarten“ kam dabei die Aufgabe (RJWG) getroffen. Danach war als be- zu, die Stellung des Kindergartens im dingte Pflichtaufgabe der neu zu schaf- System des Bildungswesens zu klären. fenden Jugendämter bestimmt, für die Ein Leitsatz der Diskussion lautete: „Als „Wohlfahrt der Kleinkinder“ (§ 4 RJWG) Überleitung zur Schule sind für Kinder Sorge zu tragen unter vorrangiger Träger- vom vollendeten dritten Lebensjahr an schaft der freien Wohlfahrtsverbände. öffentliche Kindergärten einzurichten; Diese Zuordnung des Kindergartens zur der Besuch darf nur für solche Kinder Jugendwohlfahrt bedeutete eine Absage verbindlich sein, bei denen eine geord- an den Gedanken der Vorschulpflichtig- nete häusliche Erziehung nicht vorhan- keit, die bis in unsere Tage Gültigkeit den ist.“ behalten hat. Einrichtungen der öffent- lichen Kleinkindererziehung blieben somit Argumente gegen die Aufnahme des ein Angebot der Jugendpflege und Fa- Kindergartens in das Schulwesen waren: milienhilfe. „Man betonte wohl, dass der Kindergarten einen für die Schule grund- ■ keine Verlängerung der Schulpflicht legenden Bildungsauftrag habe, aber nur ■ kein Eingriff in das Recht der Eltern für die Kinder, deren Elternhaus ihn nicht erfüllen könne. Man forderte auch, die Grundschule solle mit ihren Methoden an die des Kindergartens anschließen.“ (Erika Hoffmann) 20
Gruppenbild um 1900 1. Recht und Pflicht der Erziehung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter liegt grundsätzlich bei der Familie. 3. Für Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten schicken wollen, muss die Möglichkeit dazu geboten werden. Eine Verpflichtung zum Besuch des Kindergartens ist abzulehnen. Aus den „Leitsätzen“ des Ausschusses „Kindergarten“ 21
Ideologie statt Pädagogik Der Kindergarten unter dem Nationalsozialismus Nach 1933 gab es zunächst keine Be- sollten durch eine künstliche und einträchtigung der Kindergärten durch politisch gewollte Verknappung der die neuen Machthaber, da die Parteior- Zuschüsse zur Aufgabe ihrer Arbeit ganisationen der NSDAP sich nicht um gebracht werden. Die konfessionellen den Bereich der öffentlichen Kleinkinder- Trägerverbände erhoben energischen erziehung kümmerten. Nach der Verein- Einspruch gegen dieses Vorgehen. Den barung des Reichskonkordates von 1933 beiden großen Kirchen gelang es, durch mit der Katholischen Kirche schien der zähe Verhandlungen den Bestand an Bestand der Einrichtungen in katholischer Einrichtungen weitgehend zu bewahren. und analog in evangelischer Trägerschaft So konnte die NSV nur ein Drittel der gesichert zu sein. konfessionellen Kindergärten überneh- men. Auch die Elternschaft hat sich mit Ab 1935/36 wurde versucht, alle Ein- der Übernahme von Einrichtungen durch richtungen in freier Trägerschaft der die NSV nicht abfinden wollen und in Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt einigen Fällen auch eine Rückgabe an (NSV) zu unterstellen. Ziel der „Gleich- die konfessionellen Träger erzwungen. schaltung“ war die Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie bereits in der frühkindlichen Erziehung. Träger- „Die Nationalsozialistische Volkswohl- verbände, wie z. B. die AWO, wurden fahrt sieht die Kindertagesstätte als eine aufgelöst, konfessionelle Kindergärten ihrer bedeutendsten Einrichtungen an, in denen die Ziele ... an einer ... besonders beeinflussbaren Altersstufe verwirklicht werden müssen.“ Reichsamtsleiter Althaus, 1942 Kinder beobachten Soldaten bei einer Übung 22
Dennoch sollte die religiöse Erziehung be- Gemälde als Wandschmuck wählten, auf hindert werden. Zu erheblichen Unruhen denen christliche Motive wie Kreuzstöcke kam es 1941, als in Bayern von Gauleiter o. ä. zu sehen waren. Letztendlich war es Wagner ein sogenannter Kruzifixerlass den Protesten der Bevölkerung zu verdan- verfügt wurde, welcher die Verwendung ken, dass der Erlass aufgehoben wurde. von kirchlichem Bilderschmuck und Soldatenspiele Kruzifixen in öffentlichen Schulgebäuden Mit dem Einfluss der nationalsozialisti- untersagte. Einige Kindergärtnerinnen schen Ideologie veränderte sich auch die unterliefen diesen Erlass, indem sie Arbeit im Kindergarten. Blindes Gefolg- schaftsdenken und Gehorsam statt indi- vidualisierender Erziehung standen im Vordergrund. Die Bildungsförderung der Kinder wurde zur nachrangigen Aufgabe, Hauptziele der Förderung wurden Gesund- heitserziehung, Gymnastik und Sport. Das Thema Krieg drang auch in die Kin- dergärten. Der Luftkrieg verwischte die Grenzen zwischen Heimat und Front. Die unmittelbare Erfahrung von Tod und Zer- störung beeinflusste das Spiel der Kinder. Im Rollenspiel wird die Bombennacht „im Keller“ verarbeitet 23
Nach 1945 bis zur Vorschulreform Der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit Unmittelbar nach Kriegsende haben die kirchlich-konfessionellen und die wie- der neu gegründeten freien Träger ihre Arbeit im Kindergartenbereich wieder aufgenommen. Der Kindergarten wurde als eine Not-Betreuungseinrichtung für solche Kinder gesehen, deren Familien- situation einen Ersatz für Erziehungsauf- gaben der Familie erforderte: Betreuung, Verköstigung, Förderung etc. Ein Engagement in diesem Bereich blieb in das Ermessen der freien Wohl- fahrtsverbände gestellt, die aber beim Wiederaufbau des zerstörten Kindergar- Versorgung der Kinder in der Nachkriegszeit tenwesens nur mit geringer finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand rechnen konnten. Große Kinder- gruppen von über 60 Kindern waren Folge des Personalmangels. Frauen und Mädchen ohne besondere Ausbildung halfen in den Kindergärten aus. Die Notsituation forderte die Kindergärtne- rinnen bis an die Grenzen ihrer Belast- barkeit. Eine pädagogische Förderung der Kinder konnte in den überfüllten Kindergärten kaum stattfinden. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern in den 50er und 60er Jahren ließ die Nachfrage nach Kin- dergartenplätzen ansteigen. Vereinzelt wurde die Forderung erhoben: Jedem Zerstörter Kindergarten 1945 Kind seinen Kindergarten! 24
Die Vorschulreform um 1970 Mit dem „Sputnikschock“ 1957 begann nicht nur ein wirtschaftlich-technolo- gischer Wettkampf der Weltmächte. Man erkannte, dass Bildung eine große Rolle Der Sputnik spielt. Eine Neuorientierung des gesam- über Bayern ten (Aus-)Bildungssystems, ausgelöst Vorbereitung auf die Schule von wirtschaftlichen und bildungspo- „Zur Begabung begaben“ wurde zum litischen Zielsetzungen, sollte zu einer Stichwort einer Frühpädagogik, die die besseren Vorbereitung der Kinder auf Verwahrpädagogik des Kindergartens die Erfordernisse in einer modernen, durch eine spezifische Vorschulerzie- technisierten Welt führen. In dieser Bil- hung abzulösen versuchte. Nach dem dungsreform geriet der herkömmliche Strukturplan für das Bildungswesen Kindergarten in den Verruf, eine bloße Ver- von 1970 sollte der Kindergarten zum wahranstalt zu sein und wegen fehlender Elementarbereich des Bildungswesens Strategien zur Begabungsförderung die ausgebaut werden. Kinder künstlich dumm zu halten. Zugespitzt hieß es, dass die Kinder in der Familie, im Kindergarten und in der Schule kulturell vernachlässigt würden, weil sie nicht entwicklungsgemäße Anre- gungsangebote erhielten. 25
Die Vorschulreform um 1970 „Die pädagogischen Leitgedanken für neue Vorschulerziehung betonte Lernauf- den Kindergarten haben sich gewandelt. gaben für die Kinder, Vorschulmappen Aus der ,Aufbewahrungsidee‘ wurde die und Erstlesen wurden eingeführt. Idee einer behüteten Kinderheimat neben der Familie und schließlich einer Stätte für Ein weiterer curricularer Entwurf war Reifen und Lernen in einem von Erwachse- der Situationsansatz, der in verschie- nen pädagogisch geleiteten Zusammenle- denen Bundesländern erprobt wurde. Er ben mit Gleichaltrigen im Auftrag der Eltern. erhob den Anspruch, die Einseitigkeiten Neu ist, dass sich heute, aufgrund einer früherer Ansätze überwinden zu können. neuen Einschätzung der Lernfähigkeit des Merkmale des Situationsansatzes sind Kindes, der pädagogische Ansatz der För- vor allem der Bezug zu den Lebenssitua- derung schwerpunkthaft vom Reifevorgang tionen der Kinder, das Lernen in Erfah- auf das Lernen verlagert hat. So bekommen rungszusammenhängen und in altersge- Lernaktivitäten ein größeres Gewicht, die mischten Gruppen, die Mitwirkung von auch Kindern mehr Freude machen.“ Eltern an der pädagogischen Arbeit und Strukturplan für das Bildungswesen 1970 eine engere Verbindung von Kindergar- ten und Gemeinwesen. In diesem Cur- riculumentwurf sollten Kompetenz und Eine Vielzahl von unterschiedlichen curri- Selbständigkeit der Kinder als höchste cularen Entwürfen zur Vorschulerziehung Ziele an soziale Verantwortung gebun- im Kindergarten wurde veröffentlicht und den werden, das einseitige Training beeinflusste die Praxis. Ihnen allen war einzelner Funktionen wurde abgelehnt. gemeinsam, dass sie die Phase der frühen Kindheit effektiver zur Bildung nutzen wollten: Frühes Lesenlernen galt als Schlüsselkompetenz. Wissenschaftsorientierte Ansätze emp- fahlen geschlossene Grundlernpro- gramme, die nach dem System der Wis- senschaften eingeteilt wurden, so etwa für die Disziplinen Sprache, Mathematik, Naturwissenschaft. Funktionsorientierte Ansätze stellten darauf ab, dass das Kind spezielle Fähigkeiten, Qualifikationen und Verhaltensweisen erwerben sollte. Diese beiden pädagogischen Ansätze führten zu einer Verschulung des Kindergartens. Die 26
Lernspiele in der Vorschulreform Im Rahmen des neu entdeckten Interesses Erfahrungen und Ergebnisse aus dem für Fragen der Vorschulerziehung wurde bayerischen Modellversuch bildeten die der Übergang in die Schule thematisiert. Grundlage für die Empfehlungen zum In Bayern und anderen Bundesländern „Übergang vom Kindergarten zur Grund- wurden Modellversuche durchgeführt. schule“ von 1973. Eine Optimierung der Übergangspraxis in personellen, didaktisch-methodischen und organisatorischen Fragen wurde angestrebt. 27
Hin zu mehr pädagogischer Qualität Neue Anforderungen seit den 90er Jahren Seit 1990 wurden über 120.000 neue Auf die rückläufigen Kinderzahlen reagier- Plätze in Bayern bereitgestellt. Nachdem ten die Kindergartenträger mit der Alters- damit der Kindergartenausbau großteils öffnung ihrer Einrichtungen. Zunehmend bewältigt war, wurde zunehmend disku- werden Kinder unter drei Jahren und tiert, wie sich die Qualität der Kindergär- Schüler in Kindergärten aufgenommen, ten steigern lasse. diese entwickeln sich weiter zu Häusern für Kinder. Instrumente zur Einschätzung der päda- gogischen Qualität wurden erprobt Die unterdurchschnittlichen Ergebnisse und brachten als Ergebnis, dass in den deutscher Schüler bei der internationalen Kindergärten in Deutschland erhebliche Schulleistungsvergleichsstudie PISA 2001 Entwicklungspotentiale nicht genügend hat die Qualitätsdebatte noch intensiviert wahrgenommen wurden. und zusätzlich die Erkenntnis bekräftigt, die Anstrengungen im Elementarbereich Danach wurde bundesweit versucht, mit zu verstärken. einer Vielzahl von Projekten den Rück- stand aufzuholen: Auf Bundesebene beteiligte sich Bayern an der Nationalen Qualitätsinitiative und entwickelte ein Selbstevaluationskonzept zur Feststellung der Trägerqualität. Um mittelbar die Qualität in den Einrich- tungen besser steuern zu können, wurde eine kindbezogene Förderung modellhaft erprobt und schließlich flächendeckend eingeführt. Die individuelle Entwicklung steht im Vordergrund 28
Die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Das Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) Familie und Erwerbstätigkeit und gesell- in München entwickelte im Anschluss an schaftliche Änderungen haben zu einem die internationale Diskussion zur Bedeu- erheblich höheren Bedarf der Kinderbe- tung frühkindlicher Bildung den Baye - treuung bei Kleinkindern und Schülern rischen Bildungs- und Erziehungsplan für geführt. Das Gesamtkonzept Kinder- Kinder bis zur Einschulung. Großzügige Neubauten der 90er Jahre betreuung der Staatsregierung trug dem Rechnung. Seit 2002 werden auch Krippen staatlich gefördert, der Ausbau der Angebote für Schüler wurde ausge- weitet. Seit Inkrafttreten des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) im Jahr 2005 fördert der Frei- staat Bayern alle bedarfsnotwendigen Kinderbetreuungsformen einschließlich der Tagespflege. 29
Von der Wartfrau zur staatlich anerkannten Erzieherin Die Ausbildung Zeichnen, Handarbeitsunterricht, Musik der Erzieherinnen und Turnen. Diese Fächer wurden ergänzt durch eine praktische Ausbildung in der ... bis zum Ende des Ersten Weltkrieges angeschlossenen Bewahranstalt sowie Die Zielbeschränkung der Bewahran- durch eine hauswirtschaftliche Ausbil- stalten, Kinder der ärmeren Schichten dung. Auf protestantischer Seite wurde zu erziehen, erforderte zunächst keine der erste Ausbildungsgang für Diakonis- besondere Ausbildung der Wartfrauen. sen 1854 in Neuendettelsau bei Ansbach Die Anleitung der Kinder zu „Reinlichkeit gegründet; diese Ausbildung verstand und Gehorsam“ und die „Gewöhnung sich vor allem als praktische Anleitung für an einen frommen Sinn“ wurden vom die religiöse Erbauung der Kinder. jeweiligen Trägerverein durch Aufsichts- damen überwacht. Das erste spezifische Kindergärtnerin- nenseminar in Bayern, das auf den Ideen Friedrich Fröbels gründete, wurde 1870 in „Es genügt vielmehr vollständig, wenn München als private Anstalt eingerichtet. dergleichen Leute das gegründete Zeugnis Das Münchener Seminar war zunächst eines frommen Sinnes, eines unbeschol- als einjähriger, ab 1911 als zweijähriger tenen Rufes und eines tadellosen Wandels Kursus ausgestaltet, der ein breites Fä- für sich haben.“ cherspektrum unter anderem mit Deutsch Allgemeine Bestimmungen, 1839 (einschließlich Literatur), Rechnen, Geschichte, Geografie, Naturkunde und methodischen Unterricht in weiblichen Erst die Entwicklung eigener Ausbildungs- Handarbeiten, Erziehungskunde und Kin- gänge auf der Basis der Fröbelschen dergartenpädagogik umfasste. Bis 1904 Kindergartenpädagogik sowie innerhalb wurden im Münchener Seminar 678 Kin- klösterlicher Kongregationen brachte eine dergärtnerinnen ausgebildet. Die heutige Ablösung von dieser Praxis. städtische Fachakademie für Sozialpäda- gogik geht auf dieses Seminar zurück. Auf katholischer Seite wurde der erste Ausbildungsgang in Bayern Anfang der Am Ende des Ersten Weltkrieges bestan- 40er Jahre des 19. Jahrhunderts in Mün- den sieben Ausbildungsstätten in Mün- chen von den „Armen Schulschwestern chen, Mallersdorf, Nördlingen, Würzburg, von Unserer Lieben Frau“ eingerichtet Dillingen, Haag und Bamberg in katho- und im Laufe der Zeit zu einem einjäh- lischer Trägerschaft und zwei Ausbildungs- rigen Kursus ausgebaut. 1881 umfasste stätten in Neuendettelsau und Augsburg der Lehrplan neben der pädagogischen in evangelischer Trägerschaft. Unterweisung Sprach- und Sachunterricht, 30
... unter dem Nationalsozialismus … die heutige Situation Die Kindergärtnerinnenausbildung wurde Eine wesentliche Änderung in der Ausbil- 1937 und 1942 nach der faschistischen dung erbrachte zu Beginn der Vorschulre- Weltanschauung neu geordnet. Die Zu- form ein Beschluss der Kultusministerkon- lassungsvoraussetzungen wurden abge- ferenz von 1967. Danach sollten in allen senkt, es genügte ein Volksschulabschluss. Bundesländern eine zweijährige theore- Die nationalsozialistische Volkswohlfahrt tische Ausbildung und ein Berufsanerken- übernahm die Ausbildungsstätten aus nungsjahr zur staatlich anerkannten kommunaler oder freier Trägerschaft. Das Erzieherin (bzw. Erzieher) führen, die in Ausbildung pädagogischer Fachkräfte – damals und heute Verbot, neue Schülerinnen aufzunehmen, unterschiedlichen sozialpädagogischen führte zur Schließung der konfessionellen Einsatzfeldern arbeiten konnte. Ausbildungsstätten. Die Ausbildung zur Erzieherin setzt einen Die sozialpädagogische Berufsausbildung mittleren Schulabschluss sowie eine ab- wurde ersetzt durch eine Volksgemein- geschlossene Berufsausbildung voraus. schaftserziehung. Eine gründliche, wissen- Diese kann vor allem durch ein zweijäh- schaftlich orientierte Ausbildung wurde riges „Sozialpädagogisches Seminar“ als spezialistisch, intellektuell und fach- erworben werden, bei dem eine prak- egoistisch verurteilt. Die Kindergärtnerin tische Ausbildung im Kindergarten und wurde nicht ausgebildet, sondern erzogen eine fachtheoretische Ausbildung an der zu einer „nationalsozialistischen deut- Fachakademie für Sozialpädagogik wie im schen Volksmütterlichkeit“. Humanitäre, dualen Berufsbildungssystem kombiniert liberale oder konfessionelle Ansätze in der wird. Nach diesem Sozialpädagogischen Kindergartenarbeit wurden ausgeblendet, Seminar können die Absolventen als stattdessen durchdrang die nationalsozia- Kinderpflegerinnen arbeiten oder ihre listische Ideologie alle Fächer. Ausbildung zwei Jahre lang an einer der 39 Bayerischen Fachakademien für Sozial- pädagogik fortsetzen. 31
Organisation der Einrichtungen Trägerschaft und Finanzierung In der Regel wurden Kleinkinderbewahr- und ihnen die Betriebsträgerschaft über- anstalten im 19. Jahrhundert als Vereine tragen. Damit ließ sich das Problem der oder Stiftungen durch wohltätige Bürger Personalkontinuität leichter lösen. Or- oder durch die Kirchen ins Leben gerufen. densschwestern schienen den Trägerverei- Da die Vereine eine Genehmigung benötig- nen auch die Gewähr einer beispielhaften ten, war dadurch auch eine Kontrollmög- Übereinstimmung von Lebensführung lichkeit für die Regierung gegeben. und Erziehungszielen zu bieten: Um 1900 Staatliche Behörden drängten mehrfach waren rund 80 % aller Einrichtungen in auf die Einrichtung von Bewahranstalten. konfessioneller Trägerschaft. Die Kommunen verhielten sich aber in der Regel zögerlich. Sie fürchteten neue Der Rückgang der Ordensfrauen in den Kosten und wollten die Aufgabe der freien letzten 50 Jahren führte zum Einsatz von bürgerlichen Wohltätigkeit überlassen. weltlichen Mitarbeitern auch bei den Lediglich in Augsburg kam es 1834 zu konfessionellen Trägern, die heute noch einer kommunalen Gründung unter der rund 56 % aller Einrichtungen in Bayern verantwortlichen Leitung des Lehrers Jo- betreiben. hann Georg Wirth. Die Einrichtung wurde schnell von der Bevölkerung akzeptiert, so dass binnen eines Jahres zwei weitere Kindergärten % Kindergärten Anstalten ihren Betrieb aufnahmen. Bayern insgesamt 6.005 100,0 (2005) Ein Rechtsanspruch auf staatliche Förde- rung bestand im 19. Jahrhundert noch Kommunale Träger 1.875 31,2 nicht, dieser wurde erstmalig im Bay- Träger in der 2.422 40,3 erischen Kindergartengesetz von 1972 katholischen Kirche formuliert. Es kam daher häufig zu Vereins- Evangelische Kirche / 959 15,9 auflösungen, insbesondere in wirtschaft- Diakonie lich schwierigen Zeiten. In vielen Fällen Paritätischer 22 0,4 Wohlfahrtsverband wurde die Trägerschaft der Einrichtungen von der Kommune oder von Kirchenstif- Arbeiterwohlfahrt 173 2,8 tungen übernommen. Die überwiegende Bayerisches Rotes 66 1,0 Mehrzahl der Kinderbetreuungsein- Kreuz richtungen in Bayern war konfessionell Sonstige Träger 488 8,1 orientiert. Auch die bürgerlichen Träger- vereine hatten meist Betreuungsverträge (nach: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung) mit Ordensgemeinschaften geschlossen 32
Die Trägervielfalt im Bereich des Kinder- einem Grundbetrag, einem Faktor für die gartens beruht auch auf der Entscheidung zeitliche Betreuungsdauer sowie Gewich- der Reichsschulkonferenz von 1920: Kom- tungsfaktoren, die dem unterschiedlichen munale Einrichtungen werden erst dann erzieherischen und pflegerischen Aufwand gegründet, wenn kein freier Träger diese für ein Kind Rechnung tragen. Aufgabe übernimmt. Mit der Unterschied- lichkeit der Träger wird ein plurales Mit der Fachberaterin im Gespräch Kindergartenangebot geschaffen, das den Bedürfnissen der Eltern entgegenkommt. Die Spitzenverbände der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege bieten ihren Mitgliedseinrichtungen Trägerberatungen, Fachberatung und Fortbildungen für die Träger und das pädagogische Personal an. Die Träger haben seit dem Bayerischen Kindergartengesetz von 1972 einen ge- setzlichen Anspruch auf finanzielle Förde- rung und damit Planungssicherheit. Seit dem Inkrafttreten des Bayerischen Kinder- bildungs- und -betreuungsgesetzes zum 1.8.2005 werden die Zuschüsse als kind- Team-Fortbildung bezogene Förderung gewährt. Danach er- in der Einrichtung rechnet sich der Förderbetrag je Kind aus 33
Immer mehr neue Plätze entstehen Statistische Entwicklung in Bayern Aus kleinen Anfängen mit einem gerin- Der Ausbau verlief in den einzelnen gen Angebot an Plätzen entwickelte sich bayerischen Regierungsbezirken sehr der Kindergarten zu einer flächendecken- unterschiedlich, wie ein Vergleich der den Einrichtung für alle Kinder. Platzzahlen zeigt: Zahl der Zahl der Plätze je 100 Zahl der Plätze je 100 Kinder im Jahr Kindergärten Plätze Kinder Alter von 3 bis unter 6 Jahren 1833/34 8 515 Regierungsbezirk 1884 2005 1871 227 21.678 7 Oberbayern 10,67 95,20 1909/10 773 68.872 14 Niederbayern 3,08 94,60 Von 1918 bis 1945 keine gesicherten Daten verfügbar Oberpfalz 2,64 98,40 1946 1.391 84.933 24 Oberfranken 3,44 105,10 1950 1.827 117.747 32 Mittelfranken 8,41 104,80 1960 2.313 149.021 34 Unterfranken 10,32 111,10 1970 3.121 188.911 36 Schwaben 8,80 96,40 1980 3.771 212.606 71 1990 4.280 250.791 82 2000 5.857 368.504 93 2005 6.005 386.822 99 34
Erst die Finanzierungssicherheit, die mit dem Bayerischen Kindergartengesetz von 1972 für die freien Träger erreicht wurde, führte zu einem zügigen Ausbau der Einrichtungen, der in den 90er Jah- ren noch beschleunigt wurde. Plätze mit Mittagsverpflegung Inzwischen hat Bayern eine faktische Voll- versorgung für die Kinder im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung. Die in- folge der zurückgehenden Geburtenzahlen freiwerdenden Kindergartenplätze werden von ca. 1/3 der Kindergärten inzwischen genutzt, um auch Kinder unter drei Jahren und Schulkinder aufzunehmen. ... es geht aufwärts! 35
Harmonischer Übergang Kindergarten und Schule Auf den Kindergarten folgt die Schule: „Die Schule verlangt von den aus dem Dieser einfache Satz verdeckt das schwie- Kindergarten ihr zugeführten Kindern rige Verhältnis der beiden Institutionen, z. B., daß sie sich willig und gern in den das erst heute unter dem Begriff der Kreis ihrer Mitschüler einordnen, „anschlussfähigen Bildung“ eine neue Bewertung erlangt. ■ daß die Kinder mit Aufmerksamkeit und Interesse den kindlichen Gesprächen, Vor 1800 wurden kleine und schulpflich- Unterhaltungen und Erzählungen des tige Kinder zusammen in Warte-, Winkel- Lehrers folgen, und Nebenschulen und auch in regulären ■ daß die Kinder senkrechte, waagrechte niederen Schulen beaufsichtigt. Da die und schiefe Striche leidlich schreiben Lehrer auf das Schulgeld der Kinder ange- können, wiesen waren, konnten sie die jüngeren ■ daß die Kinder die hauptsächlichsten nicht zurückweisen. Diese Altersmischung, Richtungen, Bewegungen, Tätigkeiten die einen störungsfreien Unterricht ver- und Gegenstände ihrer Umgebung rich- hinderte, wurde mit dem Ausbau des tig benennen können …, Schulwesens bereinigt. Neue Schulverord- ■ daß die Kinder die Zahlen Eins, Zwei nungen seit ca. 1820/25 bestimmten, dass und Drei genau von einander unter- die Schule nur von schulpflichtigen Kin- scheiden und zehn Dinge präzise dern besucht werden darf. Die jüngeren abzählen können … Kinder sollten in den neuen Bewahranstal- ten betreut werden. Auch in Bayern wurde Der Kindergarten verfehlt mit den Allgemeinen Bestimmungen aber z. B. seinen Zweck, von 1839 die Trennung von Kindergärten und Schule vollzogen. Der übliche Name ■ wenn er Unterrichtsgegenstände der „Kleinkinderschule“ wurde verboten, der Schule, wie Schreiben, Lesen, Rechnen, Name „Bewahranstalt“ vorgeschrieben, Anschauungs- und Naturgeschichts- um jede Ähnlichkeit mit der Schule zu ver- unterricht mit aufnimmt, meiden. Eine fruchtbare Zusammenarbeit ■ wenn er die Spiele und Beschäftigungen beider Institutionen fand nicht statt. in Spielerei überleitet, ■ wenn in ihm die Spiele und Beschäfti- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- gungen mechanisch betrieben werden“ derts wiesen insbesondere Vertreter der Fröbelpädagogik auf die von Fröbel „Kindergarten – Bewahranstalt und Ele- gewollte Verbindung von Schule und mentarklasse“, hrsg. unter Mitwirkung Kindergarten hin. des Deutschen Fröbelvereins 1866 36
In der Weimarer Republik wurde auf der gesetz (BayKiBiG) geregelt. Damit wird Reichsschulkonferenz 1920 über die Struk- ein konstruktives Miteinander von Schule tur des gesamten Bildungswesens bera- und Kindergarten im Interesse der Kinder ten. Der Ausschuss „Kindergarten“ verab- selbstverständlich. Der Bildungs- und schiedete Leitlinien, die das geschichtlich Erziehungsplan für Kinder bis zur Einschu- gewachsene Verhältnis von Schule und lung und der Grundschullehrplan wurden Kindergarten insofern zementierten, aufeinander abgestimmt. „Schule“-Spiel als jede Verbindung zur Schule abgelehnt „Die Kinder für die Schule aufnahme- und die Kindergartensache zur Aufgabe fähig zu machen und die Schule aufnahme- der Jugendwohlfahrt erklärt wurde. Damit fähig zu machen für die Kinder – dies ist ein wurde der Kindergarten der Aufsicht der aufeinander bezogener Prozess und eine Sozialministerien und nicht der Schulmi- gemeinsame Aufgabe. Aufgabe der Tages- nisterien unterstellt. einrichtung ist es, die Kinder langfristig und angemessen auf den Übergang vorzuberei- Bayern entschied sich 1972 für einen ten. … Aufgabe der Schule ist es, Lehrplan Sonderweg: Das Bayerische Kindergar- und Unterricht so differenziert und flexibel tengesetz (BayKiG) wurde nicht als Aus- auszugestalten, dass unter Berücksichti- führungsgesetz zum Bundesjugendwohl- gung der individuellen Unterschiede jedem fahrtsgesetz (1990 abgelöst durch SGB VIII) Kind die bestmögliche Unterstützung zuteil erlassen, sondern als ein eigenständiges werden kann.“ Bildungsgesetz verankert. Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan von 2005 Heute wird die Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule im Bayeri- schen Kinderbildungs- und -betreuungs- 37
Aktuelle Gesetzgebung Das Bayerische Kinderbil- dungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) von 2005 Gut 30 Jahre nach dem Erlass des Bay- auch die Krippe, den Hort und Häuser erischen Kindergartengesetzes von für Kinder sowie die Tagespflege ein, 1972 wird mit dem neuen Bayerischen während das alte Gesetz nur den Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz Kindergarten in den Blick genommen von 2005 eine umfassende Reform der hatte. Mit einer örtlichen Bedarfspla- Kinder tageseinrichtungen durchgeführt, nung wird der Ausbau der Kinderta- die auf die veränderten Familienstruk- geseinrichtungen auf die Bedürfnisse turen und die zurückgehenden Kinder- der Eltern und ihrer Kinder vor Ort zahlen eingeht sowie die Grundlage für abgestimmt. ein bedarfsgerechtes und qualitätsorien- tiertes Angebot an Kindertageseinrich- ■ Mehr Rechtssicherheit: Auch Krippen, tungen und Angeboten der Tagespflege Horte und Häuser für Kinder erhalten für Kinder aller Altersgruppen schafft. einen gesetzlichen Förderanspruch, wie ihn die Kindergärten schon seit 1972 Wichtig sind folgende Neuerungen durch haben. das BayKiBiG: ■ Mehr Fördergerechtigkeit: Die Finanzie- ■ Mehr Bildung für Kinder: Die frühe rung durch das Land und die Kommu- Kindheit ist nach den Ergebnissen nen wird von einer gruppenbezogenen der modernen Hirnforschung eine auf eine kindbezogene Förderung Zeit großer Lernfähigkeit. Deswegen umgestellt. Dabei wird bei der Förde- schreibt das BayKiBiG und die dazu rung genauer differenziert, wie lange erlassene Verordnung vor, dass ge- die Kinder die Kindertageseinrichtung förderte Kindertageseinrichtungen besuchen und welcher Bildungs- und verbindliche, präzise umschriebene Erziehungsaufwand für das Kind Bildungs- und Erziehungsziele um- notwendig ist, um den individuellen zusetzen haben. Deren Einhaltung Bildungsbedürfnissen der Kinder bes- ist Voraussetzung für eine staatliche ser entsprechen zu können. Mitfinanzierung. ■ Mehr Flexibilität: Das BayKiBiG bezieht alle Formen der Kindertageseinrich- tungen, also neben dem Kindergarten 38
Hortkinder bei ■ Mehr Integration: Kinder mit und ohne den Hausaufgaben Behinderung können voneinander lernen. Die integrative Bildung und Erziehung von Kindern wird deswegen Ein Platz für jedes Kind, nicht nur auf der Bilderleiste „Kindertageseinrichtungen bieten jedem vom BayKiBiG besonders gefördert. einzelnen Kind vielfältige und entwicklungs- Für jedes behinderte Kind wird über angemessene Bildungs- und Erfahrungs- einen so genannten Gewichtungsfaktor möglichkeiten, um beste Bildungs- und die 4,5-fache Förderung gegenüber Entwicklungschancen zu gewährleisten, nicht behinderten Kindern gewährt. Entwicklungsrisiken frühzeitig entgegenzu- Dadurch kann eine intensive Betreuung wirken sowie zur Integration zu befähigen.“ dieser Kinder durch pädagogisches BayKiBiG, Art. 10 Abs. 1 Personal erreicht werden. Kinder mit Migrationshintergrund werden vor allem durch eine besondere Sprachför- derung bei ihrer Integration unterstützt. ■ Mehr Bildungs- und Erziehungspart- nerschaft: Die Zusammenarbeit der pädagogischen Teams mit den Eltern wird gestärkt. 39
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