Bilinguales Lernen am allgemein bildenden Gymnasium

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Bilinguales Lernen am allgemein bildenden Gymnasium
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allgemein bildenden Gymnasium
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        „Das Abibac war früher für mich einfach ein Doppeldiplom. Mittlerweile sehe
        ich es als eine Erfahrung, eine Bereicherung und eine Reise. Ich entwickelte
        ein tiefes Verständnis für die französische Kultur und lernte den Austausch
        zwischen unterschiedlichen Ländern immer mehr zu schätzen. In einer glo-
        balisierten Welt ist Verständnis für andere Kulturen bzw. Interkulturalität
        unentbehrlich. Für die Zukunft von Europa ist eine feste deutsch-französische
        Beziehung unentbehrlich.“

                                  Vera Yakupova, Abibac-Absolventin des Jahrgangs 2018,

                                                           Kepler-Gymnasium Tübingen

                                   „Was als Fremdsprachenförderung begann,
                                   wurde zu ganzheitlicher Bildung, welche ein
                                   modernes Gymnasium heute leisten muss.“

                                                           Martin Rausch, Schulleiter

                                                   Max-Planck-Gymnasium Böblingen

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Ministerin                                                                 4

I. Bilinguales Lernen an Gymnasien: Förderung der Mehrsprachigkeit                     6

II.   Bilinguales Lernen deutsch-französisch                                           9
1.    Das Abibac: ein Modell für die Zukunft                                           9
2.    Blick in den Unterricht 1: Bilingualer Geschichtsunterricht – die
      deutsche Wiedervereinigung und die Perspektive Frankreichs                      10
3.    Blick in den Unterricht 2: „Quel avenir pour l’Europe?“ – Europa
      neu denken im bilingualen Gemeinschaftskundeunterricht                          13
4.    Förderung der interkulturellen Kompetenz durch „Drittortbegegnungen“            18
5.    Das Abibac: Viel mehr als zwei Diplome – eine Schulleiterin berichtet           19

III. Bilinguales Lernen deutsch-englisch                                              20
1.    English across the curriculum and across cultures                               20
2.    Propädeutik: Vorbereitung ist nicht alles, aber wichtig! – Der bilinguale
      Vorkurs in Klasse 6                                                             24
3.    Blick in den Unterricht 3: „Sweatshops: Schwitzen für billige T-Shirts” –
      Ein Rollenspiel im bilingualen Geographieunterricht in Klasse 8                 26
4.    Blick in den Unterricht 4: Einsatz digitaler Medien im Geographieunterricht     28
5.    Blick in den Unterricht 5: „The Pacific Ring of Fire” – handlungsorientierter
      Geographieunterricht in Klasse 10                                               29
6.    Blick in den Unterricht 6: Bilingualer Geschichtsunterricht –
      Historical conversations                                                        31
7.    Biologie bilingual: Vorbereitung auf ein naturwissenschaftliches Studium        34
8.    Der bilinguale Seminarkurs: Twenty years of success                             36
9.    Bilinguale Inseln: Bilinguale Sprachförderung in Modulen                        39

IV.   Bilinguales Lernen deutsch-italienisch
      Das AbiStat: ein Beitrag zur Stärkung Europas                                   42

V.    Schulprofil und bilingualer Unterricht                                          44

VI. Die Zusatzausbildung „bilingualer Unterricht” zur
    Sicherung der Qualität und Nachhaltigkeit des bilingualen Lehrens                 46

VII. Auswahlbibliographie zum bilingualen Unterricht und zu CLIL                      48

Impressum                                                                             50

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                      ,,Kennst du viele Sprachen – hast

                      du viele Schlüssel für ein Schloss.“
                                                                              (Voltaire)

        Vorwort der Ministerin
        Liebe Leserin, lieber Leser,

        ein vorrangiges Ziel der Bildungspolitik des Landes Baden-Württemberg ist der Erwerb von
        Schlüsselqualifikationen, die es unseren Schülerinnen und Schülern ermöglichen, Türen zu öff-
        nen. Dies sind Türen zu den verschiedenen Wissensräumen, aber auch Türen hinein in andere
        Kulturräume.
        Am Gymnasium lernen alle Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Fremdsprachen. Ziel
        des modernen Fremdsprachenunterrichts ist es, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich
        in der Fremdsprache sicher zu bewegen und sich dabei zunehmend flüssig und differenziert
        auszudrücken. lm Zeitalter weltweiter Mobilität wird bilinguales Denken und Kommunizieren
        fast zur Selbstverständlichkeit. Neben dem traditionellen Fremdsprachenunterricht ist deshalb
        bilinguales Lehren und Lernen seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im gymnasialen Bildungs-
        angebot.
        Beim bilingualen deutsch-französischen Lehren und Lernen ist Baden-Württemberg als Nach-
        barland Frankreichs Vorreiter. Der erste bilinguale deutsch-französische Zug in Deutschland
        wurde im Jahr 1969 am Hegau-Gymnasium in Singen eingerichtet. Heute können Schülerinnen
        und Schüler an knapp 20 Gymnasien das deutsche Abitur und das französische Baccalauréat,
        das sogenannte ,,Abibac“, erwerben; am Deutsch-Französischen Gymnasium in Freiburg sogar
        das „deutsch-französische Abitur“. Baden-Württemberg ist das Bundesland mit der höchsten
        Zahl an Gymnasien, die einen bilingualen deutsch-französischen Zug anbieten. Diese Schulen
        sind in besonderem Maße der Völkerverständigung und der Förderung des Französischen als
        unserer Partnersprache verpflichtet.
        Seit 1992 werden auch bilinguale deutsch-englische Abteilungen an den Gymnasien einge-
        richtet. Erstes Gymnasium war dabei das Königin-Olga-Stift in Stuttgart. Heute können Schü-
        lerinnen und Schüler an knapp 100 Gymnasien in Baden-Württemberg einen bilingualen
        deutsch-englischen Zug besuchen und an gut der Hälfte dieser Gymnasien das Zertifikat ,,ln-

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ternationales Abitur Baden-Württemberg“ erwerben, indem sie die schriftliche Abiturprüfung
in Biologie, Geschichte oder Geographie auf Englisch ablegen.
Bilinguale deutsch-englische Abteilungen und das ,,lnternationale Abitur Baden-Württemberg“
sind wichtige Bausteine der allgemeinen Studierfähigkeit unserer Abiturientinnen und Abi-
turienten, da Englisch als Kommunikations- und Fachsprache für eine steigende Zahl von
Studiengängen und Praktika vorausgesetzt wird. Daher ist das bilinguale Lehren und Lernen
deutsch-englisch nicht auf besondere Gymnasien beschränkt, sondern grundsätzlich an jedem
Gymnasium möglich. Bilinguale Module und Sequenzen sollten in allen Klassenstufen und in
allen Fächern, besonders aber in den Sachfächern, zur Selbstverständlichkeit werden.
Eine weitere Besonderheit in Baden-Württemberg ist seit über einem Jahrzehnt der bilinguale
deutsch-italienische Zug am Königin-Katharina-Stift in Stuttgart, ein gemeinsames Projekt des
Landes und des italienischen Staates. Schülerinnen und Schüler dieses bilingualen Zuges kön-
nen mit einer Prüfung den Doppelabschluss ,,AbiStat“, das deutsche Abitur und die italieni-
sche Maturità, gleichzeitig erwerben.
Mit unserer Broschüre ,,Bilinguales Lernen am allgemein bildenden Gymnasium“ möchten
wir Schulen und Lehrkräfte durch die Bereitstellung von lnformationen unterstützen, weitere
Schulen zur Einrichtung eines bilingualen Zuges ermutigen und die fachliche Weiterentwick-
lung fördern, indem Lehrkräfte ihre Klassenzimmertüren öffnen und aktuelle Umsetzungside-
en zur Nachahmung präsentieren.
lch danke den Autorinnen und Autoren dieser Broschüre sowie allen Lehrkräften, die an Gym-
nasien bilingual lehren, für ihre geleistete Arbeit und wünsche ihnen bei dieser wichtigen
Aufgabe weiterhin viel Freude und Erfolg.

Herzliche Grüße

                                              Dr. Susanne Eisenmann
                                              Ministerin für Kultus, Jugend und Sport
                                              des Landes Baden-Wüfttemberg

                                                                                                5
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        Förderung der Mehrsprachigkeit:
        Never start stopping, never stop starting

        Fremdsprachliche Förderung im                     tungsbezogene Entwicklungspotenzial eines
        Kontext des Bildungsplans 2016                    Menschen bezeichnet. Leistung kann sich aus
        Praktika oder Studienaufenthalte im Ausland,      Potenzialen entwickeln; sie entwickelt sich
        international ausgerichtete Studiengänge im       aber nicht von selbst, sondern es bedarf un-
        eigenen Land oder online in Verbindung mit        ter anderem der gezielten Förderung von Po-
        der ganzen Welt – Das Leben unserer Schüle-       tenzialen, damit aus ihnen Kompetenzen und
        rinnen und Schülern wird immer internationa-      letztlich Leistungen entstehen können.
        ler. Daraus ergeben sich viele Möglichkeiten,
        aber auch zunehmend die Notwendigkeit,            In den bilingualen Zügen findet sich der
        sich sicher in der Fremde und in der Begeg-       Raum für diese gezielte Förderung durch die
        nung mit dem Fremden zu bewegen. Gefähr-          erhöhte Wochenstundenzahl im fremdsprach-
        lich wäre nun, sich darauf zu verlassen, dass     lichen Unterricht und in der Anwendung der
        die Heranwachsenden auch ganz automatisch         Fremdsprache in den bilingualen Sachfächern.
        die Kompetenzen erwerben, die sie im ange-        Der bilinguale Unterricht intensiviert das im
        messenen Umgang mit dem Fremden benö-             Sprachunterricht angelegte fremdsprachliche
        tigen.                                            Lernen und weitet es auf Sachfächer aus, die
        Dieser Kompetenzerwerb liegt unter anderem        sonst auf Deutsch unterrichtet werden. In den
        in der Verantwortung des Fremdsprachenun-         bilingualen Sachfächern lernen Schülerinnen
        terrichts. Gemäß Bildungsplan 2016 soll sozio-    und Schüler die Fremdsprache fachspezi-
        kulturelles Wissen im Zusammenspiel mit in-       fisch anzuwenden, sie erarbeiten die Inhalte
        terkultureller und funktionaler kommunikati-      und Problemstellungen des Sachfachs in der
        ver Kompetenz die Schülerinnen und Schüler        Fremdsprache und erschließen sich aus einem
        in die Lage versetzen, Auslandsaufenthalte        erweiterten Blickwinkel neue Felder interkul-
        und internationale Begegnungen im Rahmen          turellen Verstehens. Sie erwerben die Kom-
        von Ausbildung, Studium und Beruf sowie im        petenz, besonders fachspezifische Fragen in
        Privatleben erfolgreich zu bewältigen.            Gesellschaft, Politik, Geschichte, Wirtschaft,
                                                          Kultur und den Naturwissenschaften sprach-
        Förderung der Mehrsprachigkeit                    lich und fachlich angemessen zu erörtern, und
        durch bilinguale Züge                             dies (fast) wie in der Muttersprache, differen-
        Dem Erwerb der obengenannten Kompeten-            ziert, sicher und fließend. Bilinguales, anwen-
        zen verpflichtet sich der bilinguale Unterricht   dungsorientiertes Lernen eröffnet unseren
        als Instrument der Förderung sprachbegabter       Schülerinnen und Schülern den Weg zu einer
        Schülerinnen und Schüler in ganz besonde-         annähernden Zweisprachigkeit. Bestenfalls
        rem Maße. Aber auch er darf sich nicht ein-       wird so die Fremdsprache irgendwann nicht
        fach auf die Potenziale der Schülerinnen und      mehr als Fremd- sondern als eigene Sprache
        Schüler verlassen; der Annahme, dass sich Be-     empfunden und angewandt.
        gabungen „von allein“ durchsetzen, liegt ein
        verbreitetes Missverständnis zugrunde: Poten-
        zial bzw. Begabung und Leistung sind nicht
        dasselbe. Mit Begabung ist allgemein das leis-

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Förderung der Mehrsprachigkeit in der             ten. Beides wird an Schulen oftmals in Form
neuen gymnasialen Oberstufe                       einer Arbeitsgemeinschaft angeboten. Seit
In der neuen Oberstufe wird eine verstärkte       dem Schuljahr 2017/2018 können Schülerin-
Förderung der Mehrsprachigkeit angestrebt         nen und Schüler der 10. Klassen im Rahmen
durch die Differenzierung in Leistungs- und       des Pilotprojektes „DELF scolaire B1“ das
Basisfächer, sodass die Schülerinnen und          DELF-Diplom für die Niveaustufe B1 sogar
Schüler künftig mehrere Sprachen als Basis-       im Rahmen ihres regulären Französischunter-
und Leistungsfächer kombinieren können.           richts ablegen.
Auch im bilingualen Bereich wird dadurch
mehr Flexibilität erreicht, dass die Schülerin-   Stärkung des Schulprofils durch die
nen und Schüler beispielsweise das bilinguale     Einrichtung eines bilingualen Zuges
Sachfach mit einem Basisfach in der Fremd-        Eine bilinguale Abteilung ist für ein Gymna-
sprache kombinieren und somit leichter die        sium mehr als ein Zusatzangebot für einige
Möglichkeit haben, noch eine Fremdsprache         Schülerinnen und Schüler. Eine bilinguale
weiterzuführen.                                   Abteilung prägt das gesamte Schulleben, alle
Schülerinnen und Schüler, die den bilingua-       am Schulleben Beteiligten tragen diese inter-
len Zug deutsch-englisch besucht haben und        nationale, weltoffene Ausrichtung mit. Schu-
in der Kursstufe weiterführen, haben dabei        len, die einen bilingualen Zug einrichten,
die Möglichkeit, das „bilinguale Zertifikat“      werden der Verantwortung der Völkerverstän-
oder das „Internationale Abitur Baden-Würt-       digung und Weltoffenheit in ganz besonderer
temberg“ zu erwerben.                             Weise gerecht.

Förderung der Mehrsprachigkeit
durch Wettbewerbe, Projekte und
Sprachprüfungen                                        „Mein Fazit bis heute ist,
Um Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg              dass neue Sprachen lernen
hin zu einer Zwei- oder Mehrsprachigkeit zu            immer eine Bereicherung
unterstützen, braucht es Impulse über den              ist. Man versteht andere
Unterricht hinaus. Schulen können dabei                Kulturen besser und lernt
ihren Schülerinnen und Schüler in vieler-              anders zu denken. Eng-
lei Hinsicht Angebote machen, sei es durch             lisch ist heutzutage uner-
Schüleraustauschmaßnahmen oder durch die               lässlich. Es ist nicht nur
Motivation zur Teilnahme an Wettbewerben,              eine Sprache von vielen,
beispielsweise am seit vielen Jahren stattfin-         sondern fast ein univer-
denden „Bundeswettbewerb Fremdsprachen“                selles Verständigungsmittel, zumindest im akademi-
oder an Debating-Wettbewerben.                         schen und wirtschaftlichen Bereich.“
Rückmeldung und Sprachnachweise können                                          Anna Bell, Abiturjahrgang 2009,
Schülerinnen und Schüler durch Sprachzer-                                 Nikolaus-Kistner-Gymnasium Mosbach
tifikate wie beispielsweise das „Cambridge
Certificate“ oder das „DELF-Diplom“ erhal-

                                                                                                  7
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        Dadurch, dass Schulen ihre Schülerinnen und     Never start stopping, never stop starting: Die bilingua-
        Schüler zur Teilnahme an Angeboten im auße-     len Züge und das bilinguale Lernen müssen
        runterrichtlichen Bereich motivieren, stärken   sich kontinuierlich weiterentwickeln. Die
        die Schulen ihr Schulprofil. Bilinguale Gym-    Autorinnen und Autoren öffnen für die Le-
        nasien, die sich in besonderer Weise einer      serinnen und Leser dieser Broschüre ihre
        europäischen Bildung und der Bereitschaft,      Schul- und Klassenzimmertüren und zeigen,
        sich angesichts der zunehmenden globalen        wie diese Weiterentwicklung beispielsweise
        Vernetzung mit den Fragestellungen anderer      durch den Einsatz digitaler Medien, im Aus-
        Nationen auseinanderzusetzen, verpflichten,     probieren neuer Methoden oder durch das
        erhalten die besondere Auszeichnung „Part-      Verlassen der gewohnten Unterrichtsstruktur
        nerschule für Europa“.                          gelingen kann.

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Bilinguales Lernen deutsch - französisch
1. Das Abibac: ein Modell für die Zukunft

                                                             und somit neben der bi-kulturel-
                                                             len Kompetenz auch die Euro-
                                                             pafähigkeit und Orientierung in
                                                             einem sich weltweit öffnenden
                                                             Handlungsfeld fördert.

                                                             Im Rahmen der deutsch-franzö-
                                                             sischen Beziehungen trägt er zur
Die Sprache des Nachbarn                                     Förderung der Partnerschaft dieser
Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Charles         beiden Kernländer Europas bei und löst so-
de Gaulle und Konrad Adenauer den Vertrag          mit die durch zahlreiche deutsch-französische
über die deutsch-französische Zusammenar-          Abkommen erwachsenen Anstöße zur grenz-
beit. Neben dem Kernstück dieses Vertrages,        überschreitenden Zusammenarbeit ein.
die gemeinsame Diskussion von außen- und
verteidigungspolitischen Strategiefragen, um-      Das Abibac: ein Prüfungszeitraum –
fasst das Schriftstück auch Vereinbarungen auf     zwei Diplome
dem Gebiet der Erziehungs- und Jugendfra-          Einen ganz zentralen Aspekt dieser Zusam-
gen, insbesondere des Jugendaustausches, der       menarbeit repräsentiert der 1994 geschlos-
Gleichwertigkeit der Diplome und somit auch        sene Staatsvertrag zwischen Frankreich und
der Sprachförderung.                               Deutschland, der es Schülerinnen und Schü-
Heute, mehr als 50 Jahre nach Unterzeichnung       lern beider Länder ermöglicht, gleichzeitig
des Elysées-Vertrages, ist es wichtiger denn je,   und in einem Prüfungszeitraum das soge-
in der Sprache unseres Nachbarn und Partners       nannte Abibac, das deutsche Abitur und das
Frankreich kommunizieren zu können.                französische Baccalauréat, abzulegen. In Ba-
                                                   den-Württemberg haben Gymnasiastinnen
Chancen des bilingualen Französisch-               und Gymnasiasten seit 1994 die Möglichkeit,
unterrichts                                        diesen doppelten Schulabschluss anzustreben,
Ziel des modernen Französischunterrichts           der ihnen sehr gute Zugangsmöglichkeiten zu
ist es aber nicht nur, sich zunehmend siche-       bi- und tri-nationalen Studiengängen an mitt-
rer in der Sprache des unmittelbaren Nach-         lerweile mehr als 180 Partnerhochschulen der
barn zu bewegen, sondern ebenso Wissen             deutsch-französischen Hochschule, insbeson-
über fremde Denk- und Handlungsmuster              dere in den Bereichen Jura, Wirtschaftswis-
zu erwerben und so deren kulturelle und ge-        senschaften und Ingenieurwesen, bietet.
gebenenfalls auch historische Bedingtheit zu
verstehen. Der bilinguale Französischunter-        Strukturmodell      an   Gymnasien       mit
richt bietet hierfür besonders gute Voraus-        deutsch-französischen Abteilungen
setzungen, da er sich vertieft mit Geographie,     Auch wenn die durch deutsch-französische
Geschichte, Landeskunde und politischen            Vorgaben gelenkte Vorbereitung auf den
Systemen des Partnerlandes beschäftigt             Doppelerwerb der deutschen Allgemeinen

                                                                                                   9
Bilinguales Lernen am allgemein bildenden Gymnasium
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               Hochschulreife und des französischen Bac-        Komplexität der in der Partnersprache erar-
               calauréat offiziell erst in Klasse 10 beginnt,   beiteten Themen und Sachverhalte altersge-
               werden die Schülerinnen und Schüler an den       mäß erhöht werden.
               Abibac-Gymnasien in der Regel bereits von        In Klasse 10 werden dann alle drei genannten
               Beginn der Sekundarstufe an in einem bilin-      Sachfächer in französischer Sprache unterrich-
               gualen Zug schrittweise an diese abschließen-    tet (Geographie eine Stunde, Geschichte drei
               de dreijährige Phase herangeführt.               Stunden, Gemeinschaftskunde zwei Stunden).
               In den Klassen 5 und 6 erfolgt ein um zwei       In den Jahrgangsstufen 1 und 2 belegen Schü-
               Stunden verstärkter Französischunterricht, um    lerinnen und Schüler des Abibac-Profils Fran-
               so auf den bilingualen Sachfachunterricht vor-   zösisch, ein Schwerpunkt der Arbeit besteht in
               zubereiten. Ab Klasse 7 erfolgt der Unterricht   der umfassenden Auseinandersetzung mit der
               in jeweils einem anderen gesellschaftswissen-    französischen Literaturgeschichte. Geschichte
               schaftlichen Schwerpunktbereich grundsätz-       bilingual wird als fünfstündiges Leistungsfach
               lich bilingual (in Klasse 7 in Geographie, in    oder dreistündiges Basisfach, Geographie und
               Klasse 8 in Geschichte und in Klasse 9 in        Gemeinschaftskunde im Wechsel dreistündig
               Gemeinschaftskunde), wobei der Anteil des        bilingual unterrichtet.
               Französischen als Arbeitssprache und die         Die Überprüfung der mündlichen Kompeten-
                                                                zen wird im Abibac in der seit dem Abitur
                                                                2014 verpflichtenden Kommunikationsprü-
                                                                fung in Anwesenheit eines französischen Prü-
                                                                fungsbeauftragten durchgeführt.
    „Mir persönlich hat das Abibac viel gebracht, nicht
    nur, dass es meine Leidenschaft für Frankreich und
    die Sprache gestärkt hat, es hat auch meine wei-
    teren Zukunftsentscheidungen beeinflusst. Nach
                                                                2. Blick in den Unterricht 1
                                       meinem Abitur            Bilingualer Geschichtsunterricht – die
                                       habe ich ein             deutsche Wiedervereinigung und die
                                       Diakonisches Jahr        Perspektive Frankreichs
                                       in Frankreich ge-
                                       macht. Dort habe         Wenn Schülerinnen und Schüler mit immer
                                       ich ein Jahr lang        mehr Selbstsicherheit und immer größerer
                                       mit körperlich           Sprachkompetenz die französische Sprache
                                       und geistig behin-       verwenden, um Problemstellungen der Ge-
                                       derten Menschen          schichte zu erörtern und zu diskutieren,
                                       gearbeitet und           wird Französisch auf „natürliche“ Weise zur
                                       mich vor allem in        Arbeitssprache im problemorientierten Ge-
                                       den Freizeitange-        schichtsunterricht, der eine möglichst authen-
                                       boten engagiert.“        tische, anwendungsbezogene Kommunikati-
                                                                on über die historischen Inhalte ermöglicht.
        Josephine Hecht, Abibac-Absolventin des Jahrgangs       Dass der bilinguale Geschichtsunterricht die
                           2016, Kepler-Gymnasium Tübingen      sprachliche Kompetenz der Schülerinnen und

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                                                 zösischen Zeitschrift „Le Figaro Magazine“
                                                 vom September 1990, auf dem ein Foto von
                                                 François Mitterrand und Helmut Kohl zu
                                                 sehen ist, auf dem der deutsche Kanzler im
                                                 Vergleich zum französischen président noch grö-
                                                 ßer und kräftiger erscheint, als dies ohnehin
                                                 der Fall war. Die Botschaft dieser Darstellung
                                                 wird verstärkt durch das fettgedruckte deut-
                                                 sche Wort „ACHTUNG“ und der darunter
                                                 stehenden Schlagzeile „la France face à la
                                                 grande Allemagne“ („Frankreich angesichts
                                                 des großen Deutschlands“). Dieses Cover
                                                 steht exemplarisch für viele andere Beispie-
                                                 le in den französischen Medien, die zur Zeit
                                                 der Wiedervereinigung mit dem Bild eines
                                                 erstarkenden Deutschlands und im Gegenzug
                                                 dazu eines vor allem wirtschaftlich schwä-
                                                 cher werdenden Frankreichs kokettierte.
                                                 Die Schülerinnen und Schüler analysieren
                                                 das Cover nach der geübten methodischen
                                                 Vorgehensweise (Beschreibung – Interpre-
Schüler stärkt, liegt auf der Hand. Wo nun ge-   tation – Herausstellen der Aussageabsicht)
nau der Mehrwert bezüglich der historischen      und formulieren die Meinung des Verfassers
Kompetenz liegt, soll exemplarisch anhand        zu der deutschen Einigung. Sie aktivieren
einer Doppelstunde in der Jahrgangsstufe 2       außerdem ihr bisher erworbenes Wissen zu
aufgezeigt werden, in der die deutsche Wie-      den deutsch-französischen Beziehungen des
dervereinigung und die Reaktion Frankreichs      19. und 20. Jahrhunderts und können daraus
auf dieses Ereignis behandelt werden.            Gründe für die französische Angst vor einem
Drei Ebenen lassen sich bestimmen, die das       wiedervereinten Deutschland ableiten. Die
Thema für den bilingualen Geschichtsunter-       bereits erworbenen Kenntnisse um die Bezie-
richt relevant machen: erstens geht es um ein    hungen zwischen den beiden Ländern erleich-
wichtiges Ereignis der Geschichte im eigenen     tern den Schülerinnen und Schülern, sich in
Land, zweitens um die unmittelbare Sicht des     die Perspektive Frankreichs hineinzuversetzen
französischen Nachbarn auf dieses Ereignis,      und sie können somit die möglichen Vorbe-
eine Sicht, die durch die (deutsch-) französi-   halte Frankreichs gegenüber eines „großen“
sche Geschichte geprägt ist. Eine dritte Ebene   Deutschlands nachvollziehen und äußern.
kommt hinzu, wenn man die Beziehungsge-          Das Fremdverstehen und die Alteritätserfah-
schichte zwischen den beiden Ländern sowie       rung werden somit gefördert.
die europäische Ebene betrachtet.
Der Einstieg ins Thema erfolgt über das Ti-
telblatt der wöchentlich erscheinenden fran-

                                                                                                   11
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                                                                    Für die Erarbeitung des Themas werden drei
                                                                    Gruppen gebildet, die sich anhand unter-
                                                                    schiedlicher Materialien mit verschiedenen
                                                                    Resonanzen der französischen Gesellschaft
    „Das Abibac hat in mir die Lust geweckt, neue                   beschäftigen. Die erste Gruppe arbeitet die
    Sprachen, Kulturen und Menschen kennenzuler-                    Perspektive der Regierung, vor allem die Hal-
    nen. Es hat mir die Augen und Ohren dafür geöff-                tung François Mitterrands zu der deutschen
    net, wie wichtig es ist,                                        Einheit anhand eines Sekundärtextes und ei-
    neuen Situationen und                                           ner Rede des französischen Präsidenten, he-
    unbekannten Personen                                            raus. Die zweite Gruppe beschäftigt sich mit
    offen und unvorein-                                             der französischen Medienlandschaft anhand
    genommen und ohne                                               eines Sekundärtextes sowie eines Zeitungsar-
    Vorurteile entgegenzu-                                          tikels. Denn auch wenn die Schlagzeilen und
    treten und sich dabei                                           Cover der Zeitungen meist eine ablehnende
    positiv überraschen zu                                          Haltung gegenüber der Wiedervereinigung
    lassen - eine Eigenschaft,                                      vermuten lassen, wird in vielen Artikeln doch
    die ich in meinem Medi-                                         eine differenziertere, positivere Sichtweise be-
    zinstudium schätze und                                          züglich der deutschen Einheit gezeigt, als auf
    in meinem späteren Beruf                                        den ersten Blick zu erwarten wäre. Die drit-
    als Arzt jeden Tag brauchen werde. Ich würde mich               te Gruppe beschäftigt sich mit der Resonanz
    jederzeit wieder für das Abibac entscheiden!“                   der französischen Bevölkerung anhand eines
                                                                    Aufsatzes, der die verschiedenen Umfragen,
         Nils Nüssle, Abibac-Absolvent des Jahrgangs 2012,          die in der Zeitspanne von 1989/1990 gemacht
                                  Kepler-Gymnasium Tübingen         wurden, zusammenfasst. Hier ist festzustellen,
                                                                    dass ein großer Teil der Franzosen gegenüber
                                                                    der Wiedervereinigung positiv gestimmt war
               Mit der Problemstellung („La perspective des         und dass manche den Wunsch der DDR-Bür-
               Français face à la réunification allemande –         ger nach der Einheit mit dem Streben nach
               s‘agit-il d‘un refus général en France? Et quelles   Freiheit und Selbstbestimmung, den Errun-
               en sont les causes?“) soll hinterfragt werden,       genschaften der Französischen Revolution,
               ob alle Franzosen die deutsche Wiedervereini-        begründen.
               gung, wie auf der Titelseite gesehen, ablehn-        Das Verwenden von Originalquellen und
               ten oder ob es auch Befürworter für diese gab.       Texten aus Frankreich sorgt dafür, dass die
               Die Argumente der Befürwortung und der               Schüler die französische Perspektive auf eine
               Ablehnung spielen in der Stunde ebenso eine          authentische Art und Weise erfahren können,
               Rolle wie die mögliche Entwicklung dieser            was zusätzlich zum Fremdverstehen beiträgt.
               Haltung kurz nach dem Mauerfall bis hin zum          Nach Präsentation der Ergebnisse wird eine
               Einigungsvertrag. Ziel der Stunde ist es, ein        Podiumsdiskussion mit dem Thema „la voisine
               differenziertes Bild der Reaktion Frankreichs        réunifiée – une chance ou une malchance pour la France
               auf das Ereignis zu erhalten, im Sinne der im        et l'Europe?“ („der wiedervereinigte Nachbar –
               Geschichtsunterricht zu fördernden Multiper-         Glück oder Unglück für Frankreich und Eu-
               spektivität.                                         ropa?“) durchgeführt. Die Schüler erhalten

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Rollenkarten und schlüpfen in verschiedene                               3. Blick in den Unterricht 2
Rollen, wie beispielsweise die der Medien,
                                                                         Quel avenir pour l’Europe? – Europa
der Bevölkerung oder der Regierung. Diese
                                                                         neu denken im bilingualen Gemein-
Methode soll die Kontroversität des Themas
                                                                         schaftskundeunterricht
hervorheben und den verschiedenen Meinun-
gen innerhalb Frankreichs gerecht werden.
Die Schülerinnen und Schüler lernen somit,                               „Alors je le dis à tous les dirigeants d’Europe, quel-
sich mit verschiedenen Meinungen sprachlich                              les que soient nos difficultés, quels que soient les sou-
wie inhaltlich auseinanderzusetzen.                                      bresauts, nous n’avons qu’une responsabilité, celle
Das Stärken der Multiperspektivität, der Kon-                            à laquelle notre jeunesse nous oblige, celle pour les
troversität und des Fremdverstehens ist vor al-                          générations qui viennent, celle de gagner leur gra-
lem in heutiger Zeit äußerst wichtig, um nicht                           titude, sinon nous mériterons leur mépris.“ 1
nur die Perspektive des eigenen Landes auf ein                           (Emmanuel Macron, Initiative pour l‘Europe. Rede
Ereignis oder Thema zu haben, sondern auch                               vom 26. September 2017)
die Sichtweisen anderer Länder zu berücksich-
tigen und von diesen zu lernen, damit ein ge-                            Mit eindringlichen Worten appellierte der
meinsames, stabiles Europa, in dem durch die                             französische Staatspräsident Emmanuel
Geschichte gewachsene verschiedene Ansich-                               Macron am 26. September 2017 an die poli-
ten und Haltungen aufeinandertreffen, auch                               tischen Entscheidungsträgerinnen und -träger
in Zukunft bestehen kann. In diesem Sinne                                der Europäischen Union und ihrer Mitglied-
fördert der bilinguale Unterricht die Europa-                            staaten. Seine Vorschläge zur Schaffung einer
fähigkeit und bringt aufgeschlossene, weltof-                            „effizienteren“, „solidarischeren“ und „demo-
fene Bürger hervor.                                                      kratischeren“ EU, die Macron an diesem Tag

¹ Eigene Übersetzung: Vor welchen Schwierigkeiten wir auch stehen, ganz gleich was uns erschüttern mag, wir haben nur eine Verantwortung:
Jene, zu der uns unsere junge Generation verpflichtet; jene, die wir auch gegenüber den künftigen Generationen tragen, auf dass wir ihre Dank-
barkeit gewinnen und es nicht verdienen, von ihnen verachtet zu werden.
(Emmanuel Macron, Initiative pour l‘Europe. Rede vom 26. September 2017)
URL: http://www.elysee.fr/assets/Initiative-pour-lEurope-une-Europe-souveraine-unie-et-democratique- Emmanuel-Macron.pdf
[letzter Zugriff: 03.09.2018].

                                                                                                                                                 13
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    „Im Studium der Informatik stelle ich fest,                                   Beispiele aus der Vorbereitung der Schülerin-
    dass meine Englischkenntnisse weit über dem                                   nen und Schüler auf ihre persönliche „Initiati-
    Durchschnitt meiner Kommilitonen liegen. Ich                                  ve pour l‘Europe“ dargestellt werden.
    profitiere jeden Tag davon, wenn ich englische                                Wie bereits durch das Eingangszitat deutlich
    Fachliteratur lese.“                                                          wurde, hat im bilingualen Gemeinschaftskun-
                                                                                  deunterricht das Aufgreifen aktueller, politi-
                           Joshua Gleitze, Abiturjahrgang 2013,                   scher Debatten(beiträge) in der Fremdsprache
                                     Mörike-Gymnasium Esslingen                   einen besonders hohen Stellenwert. Aus-
                                                                                  schlaggebend dafür ist die Annahme, dass das
                                                                                  zweisprachige Erschließen politischer Kontro-
            unter der Überschrift „Initiative pour l‘Euro-                        versen die Entwicklung eines ‚interkulturellen
            pe“ an der Université Paris-Sorbonne präsen-                          Spürsinns‘ fördert, der die Schülerinnen und
            tierte, prägen seither die Debatte über die                           Schüler dazu befähigt, sich in die politische
            Zukunft der europäischen Zusammenarbeit.                              Perspektive eines fremdsprachlichen Gegen-
            Quel avenir pour l‘Europe? In welchem Europa                          übers einzufühlen und die gesellschaftlichen
            wollen wir leben? Diese Frage beschäftigte                            bzw. kulturellen Bedingungsfaktoren fremder
            im Herbst 2017 auch die Schülerinnen und                              (wie auch eigener!) politischer Positionen zu
            Schüler einer zehnten Klasse im Fach Ge-                              reflektieren. Die hierzu erforderlichen fach-
            meinschaftskunde bilingual am Tübinger                                und sprachbezogenen Kompetenzen werden
            Kepler-Gymnasium. Die Auswahl der Stun-                               dabei sukzessive aufgebaut und erweitert. Im
            denthemen und Unterrichtsmaterialien folgte                           Hinblick auf die Struktur der Unterrichts-
            hierbei der Zielsetzung, die jungen Menschen,                         einheit zur Zukunft Europas wird dies zum
            ausgehend von einer Reflexion eigener Wert-                           Beispiel darin deutlich, dass die Schülerin-
            vorstellungen und europapolitischen Erwar-                            nen und Schüler keineswegs unvorbereitet
            tungen, zur gemeinsamen Gestaltung konkre-                            mit Macrons Vorschlägen zur Reform der EU
            ter ‚Wunschszenarien‘ für die EU im Jahr 2025                         konfrontiert wurden. Vielmehr waren einige
            zu befähigen2. Die eingangs zitierten Worte                           der von ihm benannten „Schwierigkeiten“
            des französischen Präsidenten begegneten                              der Europäischen Union (wie etwa das Rin-
            ihnen in diesem Zusammenhang ebenfalls,                               gen um eine faire Verteilung von Flüchtlingen
            selbstverständlich auf Französisch und im Ori-                        oder die fehlende Bürgernähe) bereits in den
            ginalton.                                                             vorausgegangenen Unterrichtsstunden auf-
            Wie genau man sich dieses Unterrichtsmodell                           geworfen, analysiert und diskutiert worden.
            in der Praxis vorzustellen hat und welchen                            In Erweiterung dazu sensibilisierte Macrons
            Mehrwert der zweisprachige Gemeinschafts-                             Rede die Schülerinnen und Schüler jedoch
            kundeunterricht gegenüber einer einsprachi-                           auch für das – aus seiner Sicht – besorgniser-
            gen Auseinandersetzung mit politischen Fra-                           regende soziale Ungleichgewicht innerhalb
            gestellungen bietet, soll nun anhand einiger                          der EU, ein vielschichtiges Problemfeld, das

            2 Es handelt sich hierbei um jenen Zeithorizont, den auch die EU-Kommission unter der Führung von Jean-Claude Juncker für das Weiß-
            buch zur Zukunft Europas gewählt hat.
            URL: https://ec.europa.eu/commission/ sites/beta-political/files/weissbuch_zur_zukunft_europas_de.pdf [letzter Zugriff : 03.09.2018].

       14
5

die jungen Menschen in der darauffolgenden           um eine kultursensible Einordnung und
Unterrichtsstunde exemplarisch am Beispiel           Bewertung macron-kritischer Stimmen aus
der Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit           Deutschland: Exemplarisch lässt sich hier
in Europa erschließen konnten.                       zum Beispiel die Position gegenüberstellen,
Die wichtigste Funktion fremdsprachlicher            dass der Geldtransfer von finanzstarken in
(sowie eigensprachlicher) Texte im bilingu-          finanzschwächere EU-Staaten Europa nicht
alen Gemeinschaftskundeunterricht ist und
bleibt allerdings das Durchleuchten und Pro-               „Wenn ich heute als Unternehmensberaterin auf
blematisieren politischer Handlungsmöglich-                meine Schulzeit zurückblicke, war der bilinguale
keiten vor dem Hintergrund der deutschen,                  Zug womöglich eine der besten Entscheidungen,
der französischen und gegebenenfalls auch ei-              die ich getroffen habe.“
ner (gesamt)europäischen Perspektive. Wenn
beispielsweise der französische Präsident in                                      Suzan Erbil, Abiturjahrgang 2009,

seiner Rede für ein eigenes EU-Budget zur Fi-                                         Mörike-Gymnasium Esslingen

nanzierung öffentlicher Investitionen in wirt-
schaftlich angeschlagenen EU-Staaten eintritt,       stärken würde. Das „Denken in Alternati-
so sensibilisiert dies nicht zuletzt auch – sofern   ven“ als Leitidee politischer Bildung wird
man seiner Argumentation Beachtung schenkt           somit im Rahmen des bilingualen Gemein-
– für das nach wie vor virulente Problem der         schaftskundeunterrichts zu einem „Denken
(Jugend)Arbeitslosigkeit. Der auf diese Weise        UND Reflektieren von Alternativen im
gewonnene Einblick in die fremdsprachliche           Spiegel der fremdsprachlichen Kultur und
Lebenswelt als Rahmenbedingung (europa)po-           Gesellschaft“ erweitert.
litischer Interessenskonflikte, ermöglicht den       Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass
Schülerinnen und Schülern sodann wieder-             das Einnehmen einer interkulturell verglei-

                                                                                                   15
4

         chenden Vogelperspektive zu einer höheren           politischer Inhalte in der Fremdsprache über-
         Akzeptanz konkurrierender Ansichten und             fordert sein könnten. Es trifft nämlich nicht
         Weltbilder führt und konstruktiv-lösungsori-        zu, dass sich junge Menschen im bilingualen
         entiertes Handeln in politischen Konfliktsitu-      Gemeinschaftskundeunterricht ausschließ-
         ationen fördert. Im Fall der durch den Brexit       lich mit dem – schon in der Muttersprache
         angeheizten Diskussion über die Zukunft der         schülerfernen – Sprachstil fremdsprachlicher
         EU, wurden derartige Bemühungen um eine             Politiker, Wissenschaftler und Journalisten
         Versachlichung europapolitischer Zukunftsde-        zu kämpfen haben. Stattdessen erfolgt die
         batten vor allem von EU-Kommissionspräsi-           Erarbeitung einer zum Verständnis derartiger
         dent Jean-Claude Juncker vorangetrieben. In         Texte erforderlichen Fachsprache stets aus
         dessen Weißbuch zur Zukunft der EU stellt           dem alltagssprachlichen Artikulationsvermö-
         Juncker fünf Szenarien vor, innerhalb derer         gen der Schülerinnen und Schüler heraus. Der
         sich viele der aktuell diskutierten Standpunk-      fremdsprachliche Zugang zu den Fachinhal-
         te und Reformvorschläge verorten lassen (sie-       ten und das muttersprachliche Vorwissen der
         he Schaubild). Die Juncker-Szenarien boten          jungen Menschen ergänzen und stützen sich
         sich daher auch im Rahmen der hier beschrie-        hierbei wechselseitig. Des Weiteren werden
         benen Unterrichtseinheit als ein zentraler          bildsprachliche Elemente – wie zum Beispiel
         Orientierungspunkt an, der die Schülerinnen         die in unterschiedlichen Größen abgebilde-
         und Schülern dazu befähigen sollte, den aktu-       te EU-Flagge oder ein Videomitschnitt, der
         ellen Stand der EU-Reformdebatte zu überbli-        auch die Körpersprache des französischen Prä-
         cken und die eigene Vision innerhalb des von        sidenten während dessen Europarede zeigt –
         Juncker präsentierten Kontinuums zwischen           bewusst zur Unterstützung des Sprachlernpro-
         „weniger“ (faire moins), „weiter wie bisher“ (pas   zesses eingesetzt. Aus dem alltagssprachlichen
         de changement) und “mehr EU“ (faire plus) zu ver-   „faire moins“ entwickelt sich auf diese Weise
         orten.                                              im Verlauf der Unterrichtseinheit ein mit kon-
         Im Übrigen kann vor dem Hintergrund dieses          kreten Vorstellungen zur Funktionsweise und
         – durchaus anspruchsvollen – Erwartungsho-          Geschichte des europäischen Binnenmarktes
         rizontes nicht zuletzt auch der vielfach geheg-     angereichertes „rien d‘autre que le marché
         ten Sorge begegnet werden, wonach die Schü-         unique“. Aus „faire plus“ wird demgegenüber
         lerinnen und Schüler von der Erschließung           ein – unter anderem mit den Reformvorschlä-

    16
5

gen des französischen Präsidenten verknüpf-                              Schüler urteils- und handlungsfähig machen
tes „faire beaucoup plus ensemble“.                                      und zum interkulturellen Brückenschlag be-
Die Fremdsprache im bilingualen Unterricht                               fähigen soll: (Selbst)kritisch, konstruktiv und
ist somit zunächst einmal nichts anderes als                             voller Neugier für die Lebenswelt und den po-
„ein Werkzeug, das man gebraucht, wäh-                                   litischen Standpunkt des Anderen.
rend man es noch schmiedet“3. Diese – aus
der Feder des Physikdidaktikers Josef Leisen
stammende – Metapher von der Sprache als
einem gemeinschaftlich zu formenden Werk-
zeug, bringt dabei nicht zuletzt auch die Über-                                   „Tatsächlich habe ich im Abibac nicht nur eine wun-
zeugung zum Ausdruck, dass sich das (Fach-)                                       dervolle Sprache ausführlich lernen können. Wenn
Sprachenlernen im Unterricht niemals darauf                                       ich auf die Zeit zurückblicke, denke ich an die Bü-
beschränken sollte, (Fach-)Begriffe lediglich                                     cher, an die Autoren und an ihre Geschichten und
mit hochtrabenden Definitionen zu versehen                                                                  gleichzeitig auch an unsere
oder (auf die bilinguale Unterrichtssituation                                                               Diskussionen im Unter-
übertragen) unreflektiert in eine deutsch-fran-                                                             richt, die mich mitgeformt
zösische Vokabelgleichung zu zwängen. Statt-                                                                haben, der Mensch zu
dessen kommt es Leisen zufolge darauf an,                                                                   sein, der ich jetzt bin. Ich
die Fachsprache im Unterricht gemeinsam                                                                     studiere Schauspiel an der
mit den Schülerinnen und Schülern, unter                                                                    „Hochschule für Musik,
Aktivierung ihres individuellen Sprach- und                                                                 Theater und Medien“ in
Vorstellungsvermögens, zu erarbeiten bezie-                                                                 Hannover. Das konkrete
hungsweise zu ‚schärfen‘ und mit schüler-                                                                   Bewusstsein eine andere
nahen Inhalten zu verknüpfen. Ebendies ist                                                                  Sprache beherrschen zu
nicht zuletzt auch ein zentrales Merkmal des                                                                können – also nicht nur
bilingualen Unterrichtsmodells.                                                                             die Benutzung, sondern
Gleichzeitig sollte jedoch auch anhand der                                        das Gefühl und die Kultur dahinter -, hilft andere
Praxisbeispiele aus der Einheit „Quel avenir                                      Perspektiven einzunehmen, nachzufühlen und zu
pour l‘Europe?“ deutlich geworden sein, dass                                      verstehen. Das hilft mir wahrscheinlich sogar täglich
bilinguales Lernen mehr ist als Erdkunde-,                                        in der Uni, bei Texten, Proben, aber auch im Alltäg-
Geschichts- oder – in diesem Fall – Gemein-                                       lichen.“
schaftskundeunterricht „im Gewand einer                                                                                       Nicolas Sidiropulos, Abibac-

anderen Sprache“4. Denn letztere ist und                                                                                 Absolvent des Jahrgangs 2018,

bleibt – auch im bilingualen Unterricht – ‚nur‘                                                                              Kepler-Gymnasium Tübingen

das Werkzeug, welches die Schülerinnen und

3 Vgl. Josef Leisen, „Muss ich jetzt auch noch Sprache unterrichten? Sprache und Physikunterricht.“, erschienen in: Unterricht Physik 3
(2005), S. 4-9, Zitat: S.4.
4 Das Zitat entstammt dem Artikel „The Bilingual Triangle. Überlegungen zu einer Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts“ von
Wolfgang Hallet, einem der profiliertesten Didaktiker des bilingualen Unterrichts. (Erscheinungsort des Artikels: Praxis des neusprachlichen
Unterrichts 2 (1998), S. 115-125, Zitat: S. 117).

                                                                                                                                               17
4

         4. Förderung der interkulturellen Kompetenz
         durch Drittortbegegnungen

                                                           zusammengesetzt werden sollen und welches
                                                           Stück man zur Aufführung bringen möchte.
                                                           Die beiden Gruppen treffen sich dann „am
                                                           dritten Ort“ und treten von Anfang an in eine
                                                           „echte“, weil an einem Produkt interessierte,
                                                           Kommunikation. Sie unterstützen sich gegen-
                                                           seitig, entwickeln Strategien des Textlernens,
                                                           helfen sich bei sprachlichen Schwierigkeiten
                                                           und arbeiten gemeinsam. Beide Sprachen sind
                                                           so von Anfang an präsent, die Spracharbeit
                                                           wird als solche zum Thema.
                                                           Im Anschluss an die Probenwoche wird das
                                                           Stück in beiden Partnerschulen aufgeführt.
                                                           Es ist für die Teilnehmerinnen und Teilneh-
                                                           mer eine intensive interkulturelle Erfahrung.
                                                           Das Theaterstück wird auf Deutsch und auf
                                                           Französisch aufgeführt, sodass man es auf je-
                                                           den Fall in beiden Ländern verstehen kann.
                                                           Zu den Aufführungen kann man Eltern, Ge-
                                                           schwister, Mitschülerinnen und -schüler,
                                                           Französisch- bzw. Deutschkurse ortsansässiger
                                                           Institutionen einladen.
         Eine französische und eine deutsche Schüler-      Denkbar ist die Festschreibung des bilingu-
         gruppe begegnen sich an einem Ort, der für        alen Theaterprojekts im Schulcurriculum als
         beide Seiten neu ist und führen ein gemeinsa-     Begegnungsmöglichkeit mit der französischen
         mes Projekt durch – so steht die interkulturel-   Partnerschule.
         le Kompetenz im Vordergrund
         und beide Partner entdecken
         gemeinsam etwas Neues.
         Sport-, Kunst- und Theaterpro-
         jekte eignen sich besonders gut
         für Drittortbegegnungen. Die
         gemeinsame Arbeit ist sowohl
         prozess- als auch produktori-
         entiert und entspricht so in ho-
         hem Maße den Anforderungen
         der Bildungsstandards.
         Für die Theater-Drittortbegeg-
         nung sprechen die französischen
         und die deutschen Lehrkräfte
         im Vorfeld ab, wie die Gruppen

    18
5

5. Das Abibac: viel mehr als zwei Diplome – eine Schulleiterin
berichtet

Seit dem Schuljahr 2002/2003 bietet das Kep-     päischen Idee geschult, gleichzeitig eine kri-
ler-Gymnasium Tübingen den zweisprachigen        tischreflektierende Haltung, die eigene Kultur
Zug ‚Bilingual-Französisch’ an, der im Abibac    zu hinterfragen, und eine Neugierde für den
mündet und den Schülerinnen und Schülern         anderen Blick auf das Geschehen geweckt.
vielfältige Zukunftsmöglichkeiten eröffnet.      Die Schülerinnen und Schüler im Abibac-
Als Schulleiterin möchte ich kurz umreißen,      Zug bringen eine große Arbeitsbereitschaft
inwiefern dieses Profil einen Mehrwert für       mit, denn sie haben, verteilt auf die Klassen
unsere Schule darstellt, denn sicher: dieses     5-10, zwischen 10-15 Stunden mehr in ihrer
Profil muss zusätzlich verwaltet und gepflegt    Kontingentstundentafel. Absolvieren sie dann
werden, es verlangt von allen Beteiligten gro-   auch noch den Oberstufenparcours, werden
ßen Einsatz und stete Verbindungen mit dem       sie nicht nur mit beiden Hochschulreifen be-
Nachbarland, der Partnerschule und anderen       lohnt, sondern haben zusätzlich eine beson-
Kooperationspartnern.                            dere Visitenkarte, eine feine Referenz für ihre
Das bilinguale Profil bietet dafür den Schüle-   Bewerbungen. Eine Fülle von attraktiven Job-
rinnen und Schülern auch etwas Besonderes.       angeboten wartet auf sie.
Sie werden nicht nur durch mehr Sprachun-        Abibacler zeichnen sich durch eine hohe Leis-
terricht gefördert, sondern erhalten zusätzli-   tungsbereitschaft und ein großes Interesse am
chen Sachfachunterricht in französischer Spra-   Mehrsprachenerwerb aus. Sie sind offen, en-
che. Darüber hinaus bekommen die jungen          gagiert und verkörpern in besonderem Maße
Menschen hier auch noch den anderen Blick,       unsere Idee vom allgemein bildenden Gymna-
nämlich den des europäischen Nachbarn, auf       sium. Sie stehen für ein pluralistisches, demo-
unseren europäischen Kontext, seine Sicht        kratisches und aufgeklärtes Europa.
oder Interpretation von Geschichte, Kultur,                        Ulrike Schönthal, Schulleiterin am
politischen Fragen, geopolitischen Interes-                            Kepler-Gymnasium Tübingen
sen, etc.- diese Mehrstimmigkeit ist extrem
bereichernd und erweitert den Horizont des                                  „Für meinen weiteren Werde-
heranwachsenden EU-Bürgers, weil sie ihm                                    gang hat mich das Abibac darin
anbietet, verschiedene Perspektiven aus den                                 bestärkt ein deutsch-franzö-
Medien, Quellen, Literaturen zu rezipieren,                                 sisches Studium anzustreben.
zu analysieren und in sein Weltwissen zu inte-                              Dank der sprachlichen Kennt-
grieren. Gleichzeitig lernt er auch die Metho-                              nisse fiel mir der französische
de und Tradition des Arbeitens des französi-                                Teil meines Maschinenbau-Stu-
schen Nachbarn kennen, was für ihn ebenfalls                                diums, mit der Fachrichtung
äußerst befruchtend sein kann:                                              Energietechnik, deutlich
„Durch den bilingualen Unterricht habe ich                                  leichter. Außerdem stellt das
während meiner Schullaufbahn gelernt, diffe-     deutsch-französische Abitur einen Pluspunkt im Lebens-
renziert und analytisch zu denken, was mich      lauf dar und ist ein sehr guter Ausgangspunkt für eine
auch in den anderen Fächern weitergebracht       deutsch-französische Karriere in allen Bereichen.“
hat.“ (Abibac-Absolvent 2018).
Im Abibac-Zug werden eine Offenheit, ein                                     Sebastian Ohneseit, Abibac-Absolvent
Interesse und eine Bereitschaft an der euro-                                 2018 am Kepler-Gymnasium Tübingen

                                                                                                        19
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                 Bilinguales Lernen deutsch – englisch
                 1. English across the curriculum and across cultures

                 Der aus der Karibik stammende Dichter und       Eine weitere Sprache als seine Mutter-
                 Literaturnobelpreisträger Sir Derek Walcott     sprach(en) flüssig zu beherrschen, ist zum ei-
                 bemerkte einmal: „The English language is       nen eine große persönliche wie auch kulturelle
                 nobody’s special property. It is the property   Bereicherung. Sprache ist immer Kulturträger.
                 of the imagination: it is the property of the   Sie ist das lebendige kulturelle Gedächtnis all
                 language itself.“ Mit etwa 400 Millionen Mut-   derer, die sie sprechen und sprachen. Englisch
                 tersprachlern und geschätzten 700 Millionen     ermöglicht zudem Kontakte weltweit. Aber
                 nicht-muttersprachlichen Englischsprechern      natürlich bietet eine hohe Sprachkompetenz
                 über die ganze Welt verteilt ist diese Sprache  in Englisch auch viele Vorteile für die weitere
                                                                 Bildungs- und Berufskarriere. Nach acht oder
                                                                 neun Jahren auf einem Gymnasium mit bi-
    „Der bilinguale Unterricht ist für unsere Schule             lingualem Zug Englisch auf dem Niveau von
    zentraler und wesentlicher Teil der Begabtenförde-           C1 nach dem „Gemeinsamen Europäischen
    rung. Die Ergebnisse sowohl im Abitur als auch bei           Referenzrahmen für Sprachen (GER)“ – d.h.
    VERA 8 zeigen, dass hier Schülerinnen und Schüler            Englisch auf CALP-Level (Cognitive Academic
    teilnehmen, die nicht nur in Englisch hervorragende Language Proficiency) – verstehen und anwen-
    Ergebnisse liefern, sondern durch die Bank in allen          den zu können, ist der sprachliche Schlüssel
    Fächern.“                                                    zu Wissenschaft und Wirtschaft, die beide
                                    Andreas Greis, Schulleiter, sowohl im internationalen als auch zusehends

                           Eugen-Bolz-Gymnasium, Rottenburg im nationalen Rahmen auf Englisch kommu-
                                                                 nizieren. Vor allem in den Naturwissenschaf-
              mit ihren unzähligen verschiedenen regiona- ten wird auch an deutschen Universitäten auf
              len, sozialen und kulturellen Varietäten in den Englisch publiziert und in international zu-
              letzten hundert Jahren zu einer globalen Spra- sammengesetzten Studierendengruppen und
              che geworden, die deutlich mehr ist als nur
              British English oder American English. Sie hat ein
              Eigenleben entwickelt und weltweit wird sie              „Der bilinguale Unterricht schärft den
              von Menschen verwendet, geteilt und kreativ              Blick. Da die Themen in der Fremd-
              an immer neue Kommunikationsbedürfnisse                  sprache behandelt werden, müssen
              angepasst. Im bilingualen Unterricht Englisch            sich die Schülerinnen und Schüler
              werden die Schülerinnen und Schüler zur                  intensiver damit befassen. Dies führt
              aktiven Teilhabe an dieser globalen English              dazu, dass sie den Stoff oft besser und
              community befähigt – und dies auf deutlich in-           nachhaltiger beherrschen.
              tensivere Weise, als es im regulären zeitlichen
                                                                           Roland Götzinger, Schulleiter, Eduard-
              und inhaltlichen Rahmen, der dem Fremd-
                                                                      Mörike-Gymnasium, Neuenstadt am Kocher
              sprachenunterricht Englisch gesetzt ist, mög-
              lich ist.

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5

Forschungsteams sich auf Englisch verständigt.

Um Schülerinnen und Schüler in Baden-
Württemberg noch besser auf die englisch-
sprachige Welt und eine englischsprachige
Zukunft vorzubereiten, wird in diesem Bun-
desland seit 1992 bilingualer Unterricht auf
Englisch entwickelt, erprobt, praktiziert und
weiterverbessert. Was zunächst eine Pionier-
unternehmung einiger weniger Gymnasien                                         „Mir hat der bilinguale
war, hat sich inzwischen zur einer ‚Breitendis-                 Unterricht vor allem geholfen, die englische
                                                                Sprache spontan und angstfrei anzuwenden.“

     „Im Bili-Zug erlebt man von Anfang                                               Tobias van Lier, Abitur 2018,
     an, dass Englisch eine faszinierende                                        Gymnasium Korntal-Münchingen
     Sprache ist und dass man sie leichter
     perfektioniert, wenn man die Voka-
     beln immer gut mitlernt und in seiner         dem bilingualen Sachfachunterricht zugedach-
     Freizeit Englisch spricht. Das inspi-         ten Extrastundenzahl unterrichtet werden:
     riert uns auch sehr, da es uns Spaß           Bereits in den Klassenstufen 5 und 6 werden
     macht, etwas zu lernen, was auch sehr         die Kinder durch einen verstärkten Englisch-
     wichtig für unsere Zukunft ist.“              unterricht auf den Beginn des bilingualen
          Aslihan Kilickaya, Schülerin Klasse 8,   Sachfachunterrichts vorbereitet. Da lernen
              Gymnasium Korntal-Münchingen         die Schülerinnen und Schüler in Erweiterung
                                                   zum Lehrbuch eine bunte Themenvielfalt
                                                   oft spielerisch und multimedial auf Englisch
ziplin‘ entwickelt. In den Schulen, unter den      kennen – und natürlich den dazugehörenden
Lehrkräften, in der Lehrerausbildung und in        Wortschatz. Für die Kinder wird so Englisch
der Lehrerfortbildung ist eine bilinguale Lern-    ein fester Bestandteil ihrer alltäglichen Lern-
und Lehrkultur entstanden, die eine solide         umgebung. In Klassenstufe 6 oder 7 beginnt
methodische und didaktische Basis für den          im Fach Geographie mit einer Zusatzstun-
Lernerfolg der bilingualen Schülerinnen und        de der bilinguale Sachfachunterricht. In den
Schüler bildet. Viele Gymnasien bieten im          kommenden Klassenstufen folgen dann die
Lande bilingualen Unterricht im Rahmen von         Fächer Geschichte und Biologie und an man-
fest eingerichteten deutsch-englischen Abtei-      chen Schulen auch Gemeinschaftskunde
lungen an. Sie folgen dem vom Ministerium          sowie Wirtschaft/Berufs- und Studienorien-
für Kultus, Jugend und Sport vorgegebenen          tierung. Auch in Physik und Chemie kann
Strukturmodell, das ausweist, in welchen Klas-     bilingualer Unterricht stattfinden. Darüber
senstufen, welche Fächer, mit welcher speziell     hinaus kann auch lediglich zeitweise in jedem

                                                                                                     21
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                Sachfach ein bilinguales Modul unterrichtet
                werden. Bereichert wird diese bilinguale Pa-
                lette an vielen Schulen durch Zusatzangebote
                wie debating oder eine englische Theatergrup-
                pe, durch Schüleraustauschaktionen, durch
                Fremdsprachenwettbewerbe und vieles mehr.
                Nach mehr als 25 Jahren bilingualer Praxis ist
                es auch möglich, eine erste Bilanz zu ziehen.
                Empirische Studien zum bilingualen Unter-
                richt allgemein haben in Bezug auf sprachli-
                che Aspekte ergeben, dass kontinuierlich bi-
                lingual beschulte Schülerinnen und Schüler
                eine höhere Sprachkompetenz im Englischen
                erwerben als nicht-bilinguale Vergleichsschü-
                ler. Ferner erreichen Schülerinnen und Schü-      der sachfachlichen Kompetenzen Ergebnisse,
                ler bilingualer Lerngruppen auch im Bereich       die denen nicht-bilingualer Vergleichsgrup-
                                                                  pen entsprechen oder diese auch übertreffen
                                                                  können. Die Sorge, das sachfachliche Lernen
                                                                  leide durch Englisch als Unterrichtssprache,
    „Durch das Internationale                                     kann daher als widerlegt gelten.
    Abitur und den intensi-
    ven Gebrauch von Eng-                                         Über ein rein sprachliches Verstehen hinaus
    lisch im Unterricht kann                                      fördert der bilinguale Unterricht durch seinen
    ich mich nun bei meiner                                       verstärkten Fokus auf Englisch und durch den
    FSJ-Stelle an der Universi-                                   reichhaltigen Einsatz unzähliger authentischer
    tät fließend und ohne da-                                     Medien aus englischsprachigen Ländern zum
    rüber nachzudenken, wie                                       Wachsen von kulturellem Wissen und viel-
    ich etwas sage, mit den                                       leicht auch eines ersten etwas tiefer gehenden
    internationalen Studen-                                       kulturellen Verständnisses beizutragen. Durch
    ten, die ich im Rahmen                                        den Rückbezug des in der anderen Kultur Er-
    meiner Stelle betreue, unterhalten und ihnen helfen.          fahrenen auf die eigene Lebenswelt und durch
    Ich bin überzeugt, dass mir das „Internationale               vielfältige Situationen, in denen Schülerinnen
    Abitur Baden-Württemberg“ im Bewerbungsge-                    und Schüler sprachliche und kulturelle Mittler
    spräch für diese Stelle geholfen hat, einen sehr posi-        zwischen der eigenen und einer englischspra-
    tiven Eindruck zu hinterlassen.“                              chigen Kultur sind, festigen die Jugendlichen
                                Melanie Schindler, Abitur 2018,   ihre interkulturellen Kompetenzen, werden
                              Gymnasium Korntal-Münchingen        dadurch hoffentlich sowohl zu toleranten Teil-

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