BIOMETHAN IN FRANKREICH - Zielmarktanalyse 2016 mit Profilen der Marktakteure www.german-energy-solutions.de - Erneuerbare-Energien.de
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BIOMETHAN IN FRANKREICH Zielmarktanalyse 2016 mit Profilen der Marktakteure www.german-energy-solutions.de
Impressum Herausgeber Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer 18 rue Balard 75015 Paris Tel.: +33 (0)1 40 58 35 35 Fax: +33 (0)1 45 75 47 39 E-Mail: ahk@francoallemand.com Internet: www.francoallemand.com Stand Mai 2016 Druck AHK Frankreich Gestaltung und Produktion AHK Frankreich Kontaktperson Wally Lindermeir, wlindermeir@francoallemand.com Redaktion Wally Lindermeir Marie-Luise Schaller Anne Fetzer Titelbild © RWE International SE Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Herausgebers. Sämtliche Inhalte wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Für Schäden ma- terieller oder immaterieller Art, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen un- mittelbar oder mittelbar verursacht werden, haftet der Herausgeber nicht, sofern ihm nicht nachweislich vorsätzli- ches oder grob fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann. 2
Inhalt Tabellenverzeichnis 5 Abbildungsverzeichnis 6 Abkürzungen 7 1. Zusammenfassung 9 2. Länderprofil Frankreich 10 2.1 Kurzer Überblick 10 2.1.1 Geographische Lage und staatliche Organisation 10 2.1.2 Regierung, Parlament und Parteien 11 2.1.3 Bevölkerung und demographische Struktur 11 2.2 Wirtschaftsstandort Frankreich 12 2.2.1 Wirtschaftsstruktur 12 2.2.2 Wirtschaftsentwicklung 13 2.2.3 Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland 14 2.2.4 Investitionsklima und -förderung 16 2.2.5 Steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen 18 3. Energiemarkt 23 3.1 Energieerzeugung und -verbrauch in Frankreich 23 3.2 Erneuerbare Energien 27 3.3 Gasinfrastruktur 30 3.3.1 Transportnetz 31 3.3.2 Verteilnetz 31 3.3.3 Gasspeicher 31 3.3.4 Erdgastankstellen 32 3.3.5 Smart Grids 32 3.4 Energiepreise 33 3.4.1 Ölpreis 33 3.4.2 Gaspreis 34 3.4.3 Strompreis 35 3.5 Energiepolitik 36 3.5.1 Konservative Energiequellen 36 3.5.2 Erneuerbare Energien 36 3.5.3 Nationale Akteure und Entwicklungen im Bereich Biogas/Biomethan 39 3.5.4 Fördermechanismen Biogas und Biomethan 39 4. Biogas- und Biomethanbranche 42 3
4.1 Anlagenbestand Biogas 42 4.2 Bisherige Branchenerfahrungen 47 4.3 Die Entwicklung der Biomethanbranche in Europa 48 4.4 Biomethan in Frankreich 50 4.4.1 Anlagenbestand 50 4.4.2 Ausbaupotenziale 53 4.4.3 Biomethanziele und Netzausbauplanung 54 5. Rahmenbedingungen des Marktes 55 5.1 Marktakteure 55 5.1.1 Markt für landwirtschaftliche Biogasanlagen 57 5.1.2 Markt für industrielle Anlagen 57 5.2 Forschung und Entwicklung 58 5.3 Hersteller von Anlagen und Komponenten 59 5.4 Zertifizierungen und Qualifikationen 59 5.5 Vertriebskanäle 59 5.6 Öffentliche Ausschreibungen 60 6. Marktchancen und -risiken 60 6.1 Analyse der Nachfrage 60 6.1.1 Profil der Abnehmer 60 6.1.2 Bedarfsanalyse 61 6.1.3 Anreize und Hürden für die Beschaffung von Biogas-/Biomethananlagen 61 6.2 Aktuelle Projekte 61 6.2.1 Projekte der Landwirtschaft 61 6.2.2 Projekte in Industrie, Kommunen und Gebietskörperschaften 62 6.3 Markterschließungsaktivitäten 62 6.3.1 Marketing 62 6.3.2 Vertrieb 63 6.3.3 Interkulturelle Aspekte im deutsch-französischen Geschäftsumfeld 63 7. Schlussbetrachtung 66 8. Verzeichnisse 67 8.1 Administrative Instanzen und politische Stellen 67 8.2 Standortagenturen, Beauftragte für Auslandsinvestitionen 70 8.3 Portale mit Informationen zu öffentlichen Ausschreibungen 74 8.4 Potenzielle Investoren 74 8.5 Potenzielle Partner 75 8.6 Messen und Fachzeitschriften 85 9. Quellenverzeichnis 93 4
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Bruttoinlandsprodukt nominal und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Frankreich ............................ 12 Tab. 2: Reale Veränderungen der Investitionen in Frankreich. ......................................................................... 16 Tab. 3: SWOT-Analyse Frankreich. ..................................................................................................................... 17 Tab. 4: Einkommenssteuersätze 2015 ................................................................................................................ 20 Tab. 5: Endenergieverbräuche 2014 nach Sektoren .......................................................................................... 24 Tab. 6: Erneuerbare Energien in Frankreich: Aktueller Ausbauzustand und Entwicklungsperspektiven für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energiequellen .................................................................................... 29 Tab. 7: Bisheriger Tarif (gilt vorerst noch für Neuanlagen) .............................................................................. 40 Tab. 8: Tariferhöhung für Bestandsanlagen ....................................................................................................... 40 Tab. 9: Geplanter Tarif für Neuanlagen (wird seit längerem erwartet) ............................................................ 40 Tab. 10: Statistik der Biogasanlagen, die zur Stromerzeugung eingesetzt werden, Stand 4. Quartal 2015 .... 44 Tab. 11: Bestand an Biomethananlagen, die bis Ende September 2015 ans Erdgasnetz angeschlossen waren .............................................................................................................................................................................. 52 5
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Frankreichs Regionen nach Gebietsreform............................................................................................ 10 Abb. 2: Alterspyramide Frankreich ...................................................................................................................... 12 Abb. 3: Wirtschaftswachstum in Frankreich ....................................................................................................... 13 Abb. 4: Außenhandel und Direktinvestitionen zwischen Frankreich und Deutschland (in Mrd. Euro).......... 15 Abb. 5: Französische Energiebilanz für 2014 ..................................................................................................... 23 Abb. 6: Entwicklung und Zusammensetzung der Primärenergie und Anteil der Erneuerbaren in 2014 ....... 26 Abb. 7: Französische Energiebilanz der erneuerbaren Energien für 2014 ....................................................... 27 Abb. 8: Anlagenkapazitäten der erneuerbaren Energien in Frankreich Stand 31.12.2015 .............................. 28 Abb. 9: Energieerzeugung aus Biomasse in Frankreich Stand 31.12.2015 ....................................................... 28 Abb. 10: Haupttransportnetz und regionale Transportnetze ............................................................................ 30 Abb. 11: Verteilnetze ............................................................................................................................................ 32 Abb. 12: Aktuelle Ölpreisentwicklung ................................................................................................................. 33 Abb. 13: Vergleich der Gaspreise in Europa – Industrie und Haushalte, 2. Hj. 2014 ...................................... 34 Abb. 14: Vergleich der Strompreise in Europa – Industrie und Haushalte, 2. Hj. 2014 .................................. 35 Abb. 15: Übersicht über die wichtigsten öffentlichen Akteure .......................................................................... 38 Abb. 16: Einspeisetarife für Biomethan .............................................................................................................. 42 Abb. 17: Biogasanlagen in Frankreich, Karte der in den Departements installierten elektrischen Leistung . 45 Abb. 18: Substratmix landwirtschaftlicher Biogasanlagen ................................................................................ 46 Abb. 19: Anzahl der Biogasaufbereitungsanlagen in europäischen Ländern ................................................... 49 Abb. 20: Stand der Technik der Biogas-Aufbereitungstechnologien ................................................................ 50 Abb. 21: Verteilung der installierten Einspeisekapazität auf die unterschiedlichen Anlagekategorien ........... 51 Abb. 22: Durchschnittliche Einspeisekapazität je Anlagenkategorie ................................................................. 51 Abb. 23: Verteilung der Biomethaneinspeiseanlagen ........................................................................................ 53 Abb. 24: Ergebnisse einer Studie zur Abschätzung des Potenzials für die Biomethanproduktion bei 2 Szenarien der Rohstoffmengen ........................................................................................................................... 53 Abb. 25: Projekttypen für die beiden Anschlussnetze........................................................................................ 54 Abb. 26: Regionale Verteilung der Anzahlen an bearbeiteten und bis Ende 2016 anzuschließenden Einspeiseanlagen (Stand Anfang 2015) .............................................................................................................. 55 Abb. 27: Projektträger und Akteure der Wertschöpfungskette ......................................................................... 56 6
Abkürzungen Abkürzung Französisch Deutsch AAMF Association des Agriculteurs Métha- Verein der Biogas produzierenden Land- niseurs de France wirte Frankreichs ADEME Agence de l’Environnement et de la Umwelt- und Energieagentur Maîtrise de l’Energie AILE Association d’Initiatives Locales pour Lokale Interessenvereinigung im Bereich l’Énergie et l’environnement Umwelt und Energie ASTEE Association Scientifique et Technique Wissenschaftlich-technischer Verein für pour l’Eau et l’Environnement Wasser und Umwelt ATEE – Club Bio- Association Technique Energie En- Fachvereinigung Technik Energie und gaz vironnement – Club Biogaz Umwelt – Sparte Biogas BIP Produit Intérieur Brut Bruttoinlandsprodukt CRE Commission de régulation de l'éner- Energieregulierungskommission gie DFBEW Office Franco-allemand de la transi- Deutsch-französisches Büro für die Ener- tion énergétique (OFATE) giewende (bis April 2016 … für erneuer- bare Energien) DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum DGEC Direction Générale de l'Énergie et du Generaldirektion für Energie und Klima Climat DGPE Direction générale de la performance Generaldirektion für wirtschaftliche Leis- économique et environnementale des tungsfähigkeit und Umweltschutz der Un- entreprises ternehmen DGPR Direction générale de la prévention Generaldirektion für Risikoprävention des risques DREAL Directions Régionales de l’Environne- Regionaldirektionen für Umwelt, Gebiets- ment, de l’Aménagement et du Loge- entwicklung und Wohnen ment DRIEE Direction Régionale et Interdéparte- Regionale und interdepartementale Direk- mentale de l’Environnement et de tion für Umwelt und Energie der Ile de l’Énergie d’Île-de-France France DROM Départements et Régions d’Outre- Übersee-Regionen und –Departements Mer EDF Électricité de France Staatliche französische Elektrizitätsgesell- schaft ELD Entreprises Locales de Distribution Lokale Vertriebsunternehmen FP2E Fédération Professionnelle des Entre- Wasser- und Abwasservereinigung prises de l’Eau FNADE Fédération Nationale des Activités de Nationale Abfall- und Umweltvereinigung la Dépollution et de l’Environnement FNCCR Fédération nationale des collectivités Nationale Vereinigung der Kollektive und concédantes et régies Regiebetriebe GDF Gaz de France Französischer Erdgaskonzern GRDF Gaz Réseau de France Französischer Gasverteilnetzbetreiber GRTgaz Gaz Réseau de Transport de France Französischer Gastransportnetzbetreiber 7
Abkürzung Französisch Deutsch INSEE Institut national de la statistique et Nationales Institut für Statistik und Wirt- des études économiques schaftsstudien KKS Standard de Pouvoir d’Achat Kaufkraftstandard kWh Kilowattheure Kilowattstunde m² Mètre carré Quadratmeter MEEM Ministère de l’Environnement, de Ministerium für Umwelt, Energie und l’Énergie et de la Mer Meeresangelegenheiten Mt ÖE Mégatonne d’équivalent pétrole Megatonne Öleinheiten MWh Mégawattheure Megawattstunde OECD Organisation de coopération et de dé- Organisation für wirtschaftliche Zusam- veloppement économiques menarbeit und Entwicklung PNA Plan d’action national en faveur des Französischer Klimaplan zur Förderung énergies renouvelables der erneuerbaren Energien PTZ Prêt à taux zéro Zinsloses Darlehen RAEE Agence régionale de l'énergie Regionale Energie- und Umweltagentur et de l'environnement en Rhône-Al- Rhône-Alpes pes RTE Réseau de transport d'électricité Französischer Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität S3REnR Schémas Régionaux de Raccorde- Regionale Pläne zum Anschluss erneuer- ment au Réseau des Energies Renou- barer Energien an das Netz velables SER Syndicat des énergies renouvelables Verband der Erneuerbaren Energien SPEGNN Syndicat professionnel des entrepri- Verband der öffentlichen Gasversorger ses gazières municipales et assimilées TIGF Transport Infrastructures Gaz France Französischer Gastransportnetzbetreiber TWh Térawattheure Terrawattstunde WTO Organisation Mondiale du Commerce Welthandelsorganisation 8
1. Zusammenfassung Zwischen Frankreich und Deutschland besteht aufgrund von Handel, Investitionen und einer starken Prä- senz von Unternehmen aus dem jeweiligen Nachbarland eine enge wirtschaftliche Verflechtung und Zusam- menarbeit. Biomethan nimmt innerhalb der Energiewende Frankreichs eine wichtige Stellung ein. Auch wenn derzeit der Anteil in der Energiebilanz sehr niedrig ist (rd. 0,2% in 2014), so beinhalten die Ausbau- pläne des Energieministeriums wie der Fachorganisationen ADEME und ATEE Club Biogaz ehrgeizige Ziele. Daher können deutsche Anbieter durch eine verstärkte Aktivität in Frankreich auf gute Möglichkeiten treffen, an dem aufstrebenden Markt teilzuhaben. Die Biogastechnologie wird in Frankreich noch als Schwellentechnologie angesehen, deren Anwendungs- reife es weiter zu verbessern gilt. In den französischen Planungen wird der Biomethannutzung eine starke Bedeutung zugewiesen, um die Vorteile hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft, der Netzstabilisierung und der Versorgungssicherheit besser auszuschöpfen. Der Bestand liegt bei 416 Anlagen in der Stromerzeugung und 17 Anlagen mit der Aufbereitung zu Biomethan sowie Einspeisung ins Erdgasnetz (Stand Ende 2015). Bis 2030 sollen nach Angaben des Energieministeriums wie der ADEME 10% des Erdgases im Netz aus Biome- than bestehen. Die Biomethaneinspeisung soll dabei auf 30 TWh gesteigert werden. Rund 200 Biomethanprojekte werden zurzeit entwickelt. Die Anlagen sind vor allem im Bereich der land- wirtschaftlichen Gemeinschaftsanlagen, aber auch bei den modernen Verwertungszentren der Gebietskör- perschaften angesiedelt. Im Bereich der Nutzung als Kraftstoff gibt es zahlreiche Vorhaben, auch wenn das Netz der Erdgastankstellen noch sehr schwach entwickelt ist. Während für die Anlagen in der Agrarwirt- schaft neben den landwirtschaftlichen Bauherren vor allem Projektentwickler und Planungsbüros anzuspre- chen sind, muss in den Anlagen mit eher industrieller Ausrichtung auch der Kontakt zu den größeren Unter- nehmen der Energiedienstleister gesucht werden. Geographisch gibt es eine gewisse Vorhabenskonzentra- tion in der Nordhälfte Frankreichs. Für die Entwicklung auf dem französischen Markt erweisen sich die deutschen Kompetenzen und Erfahrun- gen als sehr nützlich, wenn die Angebote an die französischen Besonderheiten angepasst werden: Zum ei- nen ist eine für die heterogenen Substratzusammensetzungen geeignete Technologie mit entsprechenden Referenzen wichtig. Darüber hinaus ist erfolgsentscheidend, dass Ausschreibungs- und Angebotsunterlagen auf Französisch sowie eine gesicherte Servicestruktur im Land gegeben sind. Daher kann der Markteinstieg über einen französischen Partner sinnvoll sein. Eine Gründung einer französischen Niederlassung mit fran- zösischem Fachpersonal ist ebenfalls eine Möglichkeit, die bereits bei einigen deutschstämmigen Unterneh- men zum Erfolg führte. Die verschiedenen Fachveranstaltungen in Frankreich bieten eine gute Gelegenheit zur Vorstellung und zum Austausch mit den französischen Marktakteuren. Insbesondere durch die Konferenzen des deutsch- französischen Büros für erneuerbare Energien hat sich bereits ein gutes Netzwerk unter Fachleuten gebil- det. Insgesamt ergeben sich also recht gute Erfolgsaussichten, die mit einer geeigneten Strategie auszu- bauen sind. Sind auch die bisherigen Projektabläufe eher schleppend zu nennen, so könnten mit deutscher Technologie die Genehmigungs- und Finanzierungsprozesse etwas beschleunigt werden. 9
2. Länderprofil Frankreich 2.1 Kurzer Überblick 2.1.1 Geographische Lage und staatliche Organisation Frankreich ist die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und gehört neben Deutschland und Großbritannien zu den wichtigsten Industrieländern Europas. Mit einer Fläche von 643.801 km² und insgesamt 66,6 Mio. Einwohnern (2016) ist Frankreich einer der größten Mitgliedsstaaten und Gründungsmitglied der Europäi- schen Union (EU).1 2 Die Verwaltung Frankreichs ist traditionell zentralstaatlich organisiert. Erst durch die Dezentralisierungsgesetze von 1982/83 wurden weitreichende fiskalische und administrative Rechte an lo- kal gewählte Vertreter abgegeben und eine Vielzahl von Zuständigkeiten auf wirtschaftlichem und kulturel- lem Gebiet zwischen dem französischen Staat und den Gebietskörperschaften aufgeteilt. Seit dem 28. März 2013 ist Frankreichs Organisation, laut Artikel 1 der Verfassung, offiziell dezentral. Die französische Nationalversammlung hat am 17. Dezember 2014 das Gesetz zur Gebietsreform loi relatif à la délimitation des régions verabschiedet, das die Zustän- digkeiten der Gebietskörperschaften neu ordnet. Dabei wurden die bisher 22 Regi- onen Frankreichs auf 13 reduziert und so- mit die Landkarte neu geordnet. In den sechs neu zusammengeschlossenen Regi- onen wurden bisher provisorische Haupt- städte bestimmt, welche bis spätestens 1. Oktober 2016 nach Zustimmung der Regi- onalräte endgültig festgelegt werden.3 Die Gebietsreform gilt als wichtiger Schritt auf der Reformagenda zur Moder- nisierung Frankreichs, denn die Regionen erhalten erweiterte Zuständigkeiten und Mittel, um wachstumsfördernde Wirt- schaftsstrategien umzusetzen. In diesem Zusammenhang sollen sie allein für Wirt- schaftsförderung, Fortbildung und Be- schäftigung zuständig sein. Die Neuglie- derung der Regionen verändert die Archi- Abb. 1: Frankreichs Regionen nach Gebietsreform tektur der französischen Republik ent- scheidend. So verspricht sich die Regierung von Quelle: MEEM,2015 der Reform Effizienzgewinne, klarere Zustän- digkeiten und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit Quelle: MEEM. im europäischen Kontext.4 der Regionen Quelle: MEEM. Quelle: MEEM. 1 Statistisches Bundesamt (Destatis), Basistabelle Bruttoinlandsprodukt, 2015. 2 Institut national de la statistique et des études économiques Quelle: (Insee),MEEM. Population totale par sexe et âge au 1er janvier 2016 France, 2015. 3 Französische Botschaft, Gebietsreform: Festlegung der Hauptstädte der Regionen, 2015. 4 Französische Botschaft, Reformagenda: Frankreich reduziertQuelle: MEEM. Zahl der Regionen, 2015. Quelle: MEEM. 10 Quelle: MEEM.
Zum französischen Staatsgebiet gehören außer dem Mutterland auf dem europäischen Kontinent mehrere Überseegebiete, die France d’Outre-Mer, mit einer Fläche von 88.969 km2. Diese befinden sich im Atlanti- schen, Indischen und Pazifischen Ozean und auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Die Gebiete teilen sich in Überseedepartements (Départements et Régions d’Outre-Mer, DROM) und in Überseegebietskör- perschaften (Collectivités d’Outre-Mer, COM) auf. Die fünf DROM, Guadeloupe, Martinique, Französisch- Guyana, Mayotte und La Réunion, unterstehen vollständig dem französischen Recht und sind Teil der EU. Im Gegensatz dazu haben die COM, Saint-Barthélemy, Saint-Martin, Saint-Pierre und Miquelon, Franzö- sisch-Polynesien, Wallis und Fortuna, Neukaledonien und die Französischen Süd- und Antarktisgebiete, einen sehr unterschiedlichen rechtlichen Status. Sie genießen eine weitgehende Autonomie und das franzö- sische Gesetz findet nur unter bestimmten Bedingungen Anwendung.5 2.1.2 Regierung, Parlament und Parteien Nach der Verfassung der Fünften Republik vom 4. Oktober 1958 ist Frankreich ein laizistischer Staat mit einer parlamentarischen Präsidialdemokratie mit zwei Kammern. Das politische System der Fünften Re- publik wird besonders durch die zentrale Rolle des Präsidenten bestimmt, da er direkt durch das Volk ge- wählt und unmittelbar legitimiert wird. Die Amtszeit des Präsidenten entspricht der Länge des Mandats der Nationalversammlung und beträgt fünf Jahre. Zudem ist der französische Präsident das Staatsoberhaupt und Hüter der Verfassung. Als oberster Chef der Exekutive führt er den Ministerrat und vertritt Frankreich auf internationaler Ebene. Seit dem 15. Mai 2012 ist François Hollande von der Parti Socialiste Präsident der Republik. Die französische Exekutive zeichnet sich durch ihre doppelköpfige Struktur aus. Neben dem Präsidenten werden dem Premierminister ebenfalls umfangreiche Kompetenzen durch die Verfassung übertragen. Am 1. April 2014 hat Manuel Valls das Amt des Premierministers übernommen. Das französische Parlament ist in zwei Kammern unterteilt, die Nationalversammlung und den Senat. Durch ein reines Mehrheitswahlrecht, das in der Regel zu klaren Mehrheiten führt, wird die Nationalversammlung auf fünf Jahre gewählt. 6 Die Mitglieder des Senats werden alle drei Jahre zur Hälfte neu bestimmt und indirekt durch die Repräsentan- ten der Gebietskörperschaften gewählt.7 Die politischen Parteien ordnen sich traditionell dem Lager der „Linken“ oder der (bürgerlichen) „Rechten“ zu. Dabei ist das französische Wahlrecht der ausschlaggebende Faktor, der das bipolare Parteiensystem der fünften Republik begünstigt. Aktuell haben die Parti Socialiste (PS) und die Linkszentristen die Regierungs- mehrheit. Die UMP (seit 2015 Les Républicains) verlor die letzte Parlamentswahl und ist nun stärkste Op- positionskraft in der Nationalversammlung. Daneben existiert eine Vielzahl mittlerer und kleiner Parteien. Der rechtspopulistische Front national (FN) ist mit zwei Abgeordneten in der Nationalversammlung und seit den Senatswahlen im September 2014 zum ersten Mal in ihrer Geschichte auch in der Zweiten Kammer vertreten. Bei der Europawahl 2014 wurde der FN mit 24,86% die französische Partei mit den meisten Wäh- lerstimmen.8 2.1.3 Bevölkerung und demographische Struktur Während in Deutschland seit 1972 Jahr für Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden, die Bevölke- rung lange Zeit nur aufgrund von Zuwanderung gewachsen ist und seit 2003 sogar schrumpft, steigt die Einwohnerzahl Frankreichs kontinuierlich an. Im Jahr 2015 stieg die Einwohnerzahl um 0,4% auf 66,6 Mio. Menschen, wovon ca. 2,1 Mio. in den Überseegebieten leben. Frankreich hat somit die zweithöchste Ein- wohnerzahl in der Europäischen Union. Der größte Ballungsraum befindet sich in der Region Île-de-France, wo mehr als 12 Mio. Menschen leben. Der natürliche Bevölkerungssaldo (Differenz zwischen Geburten und 5 Ministèredes Outre-Mer, Les Collectivités, 2016. 6 Auswärtiges Amt, Länderinformation Frankreich: Innenpolitik, 2015. 7 Französische Botschaft, Senat: die 2. Kammer des Parlaments, 2014. 8 Europäisches Parlament, Ergebnisse der Europawahl 2014, 2014. 11
Todesfällen) war mit 200.000 Menschen im Jahr 2015 ähnlich hoch wie in den Vorjahren.9 Ein der- art hohes Bevölkerungswachstum ist in Europa e- her unüblich. In den meisten EU-Ländern bekom- men Frauen im Durchschnitt deutlich weniger als zwei Kinder. Nicht so in Frankreich: hier bekamen Frauen die letzten Jahre im Schnitt exakt zwei Kinder. Gründe hierfür sind vor allem in der akti- ven französischen Familienpolitik zu finden, die sich schon früh darum bemühte, Frauen die Mög- lichkeit zu geben, Berufsleben und Familie mitei- nander zu vereinbaren. Der Anteil der 0 bis 14-jäh- rigen Kinder an der Gesamtbevölkerung ist in Frankreich mit 18,7% um mehr als fünf Prozent- punkte höher als in Deutschland (13,1%).10 Insge- samt ist die Lebenserwartung mit 82 Jahren (2015) um zwei Jahre höher als der OECD-Durch- schnitt.11 Abb. 2: Alterspyramide Frankreich Quelle: Insee, 2016 Die Bevölkerung Frankreichs wächst neben den Geburtenüberschüssen auch durch die Zuwande- rung, welche knapp ein Viertel des Bevölkerungswachstums Abb. 1: Wirtschaftswachstum in Frankreich, ausmacht. Nichtsdestotrotz altert wie in allen Industriestaaten2015 auch die französische Quelle: GTAI. Bevölkerung im Durchschnitt. Abb. 2: Wirtschaftswachstum in Frankreich, 2.2 Wirtschaftsstandort 2015 Frankreich 2.2.1 Wirtschaftsstruktur Abb. 3: Wirtschaftswachstum in Frankreich, 2015 Frankreich ist die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem BIP von 2.175 Mrd. EUR (vorläufige Quelle: GTAI. Zahl für 2015). Es ist außerdem die drittgrößte Handelsnation in Westeuropa, nach Deutschland und den Abb. 4: Mit Niederlanden. Wirtschaftswachstum seinen über 66 Mio. inEinwohnern Frankreich, ist Frankreich der zweitgrößte Verbrauchermarkt Euro- pas. Neben seiner2015 Mitgliedschaft Quelle: GTAI. in der Europäischen Union zählt es zu den acht größten Industrieländern (G8) der Welt und gehört der Welthandelsorganisation (WTO) und der Organisation für wirtschaftliche Zu- Abb. 5: und sammenarbeit Wirtschaftswachstum Entwicklung (OECD) in Frankreich, an. 2015 Im letzten Jahrzehnt vollzog sich innerhalb der französischen Volkswirtschaft ein Strukturwandel zu mehr Abb. 6: Wirtschaftswachstum Dienstleistungen, während die Industriein Frankreich, an Gewicht verloren hat. Um den damit einhergehenden Einbußen 2015 im Industriesektor entgegen zu wirken, werden neben den traditionell starken Branchen, wie dem Automo- bil- und Flugzeugbau, vor allem moderne Hochtechnologien gefördert. Abb. 7: Wirtschaftswachstum in Frankreich, Indikator 2015 2014 2015 (vorläufige 2016 (Prognose) Vergleich Deutschland Zahlen) 2015 Abb. 8: Wirtschaftswachstum BIP (nominal, Mrd. EUR) 2.132 in Frankreich, 2.175 2.225 2.904 2015Quelle: GTAI. BIP pro Kopf (EUR) 32.227 32.700 33.286 37.099 Bevölkerung (Mio.) 66,1 66,4 66,6 81,5 Abb. 9: Wirtschaftswachstum in Frankreich, 2015Quelle: GTAI. Tab. 1: Bruttoinlandsprodukt nominal und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Frankreich Quelle: Insee, Statistisches Bundesamt Abb. 10: Wirtschaftswachstum in Frankreich, 2015 9 Institutnational de la statistique et des études économiques (INSEE), Evolution de la population, 2015. 10 Germany Trade Abb. 11: and Invest (GTAI), Wirtschaftsdaten Wirtschaftswachstum kompakt - Frankreich, 2015. in Frankreich, 11 Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), OECD Better Life Index, 2016. 2015Quelle: GTAI. Abb. 12: Wirtschaftswachstum in Frankreich, 12 2015Quelle: GTAI.
Betrachtet man die französische Wirtschaft in ihrer regionalen Struktur, fällt auf, dass es ein starkes Gefälle zwischen dem Großraum Paris und dem restlichen Frankreich gibt. Des Weiteren gibt es zum Teil aber auch signifikante Unterschiede zwischen den anderen Regionen. Aufgrund der industriellen Ballungsräume im Norden und Osten, sind die Wirtschaftskraft und das Einkommensniveau dort stärker konzentriert, wäh- rend diese im Westen und Südwesten punktuell verteilt sind. Die Île-de-France ist die Region mit dem höchsten BIP pro Einwohner. Dies erklärt sich vor allem durch die Konzentration der Wirtschaftskraft und Großunternehmen in der Hauptstadt. In der Metropole Paris wer- den die mit Abstand höchsten Gehälter gezahlt, gleichzeitig liegen die Mieten oder Preise für Güter und Dienstleistungen weit über dem Landesdurchschnitt.12 Das verfügbare Einkommen (Summe, die Bürger nach Abzug von Steuern und Abgaben für Konsum und zum Sparen übrig haben) lag 2014 für die Île-de- France trotz höherer Lebenshaltungskosten deutlich über dem gesamtfranzösischen Durchschnitt von 24.283 EUR pro Kopf.13 Auf den nächsten Rängen folgen Departements mit dynamischen Großstädten wie Lyon, Marseille, Bordeaux, Toulouse oder Nantes. Paris ist die größte Wirtschaftsmetropole des Landes, aber auch außerhalb der Hauptstadt bestehen große Wirtschaftszentren. Durch den staatlichen Aufbau gefördert sind seit 2004 vielerorts sog. pôles de compéti- tivité, also Hightech-Cluster, entstanden. Durch die Bündelung von Unternehmen, Forschungs- und Bil- dungseinrichtungen, sollen Synergien und gemeinsame Projekte gefördert werden. Ziel ist es, den Anteil der Industrieproduktion am BIP zu erhöhen, was in einem internationalen Kontext nur durch eine gesteigerte Qualität und mehr Innovationen zu erreichen ist. 2014 zählten zu den 71 französischen Kompetenzzentren 7.500 Unternehmen mit 740.000 Beschäftigten. 2.2.2 Wirtschaftsentwicklung Frankreichs Wirtschaft ist im Vergleich zu den krisengeschüttelten Ländern des Mittelmeerraumes weniger stark von der Verschuldungskrise betroffen, entwickelt sich aber momentan zurückhaltend. Gründe hierfür sind die starke wirtschaftliche Verflechtung mit dem Süden Europas, gepaart mit einer nachlassenden inter- nationalen Wettbewerbsfähigkeit und einer steigen- den Verschuldung. Nach einem Einbruch um 3,1% infolge der Auswirkungen der internationalen Fi- nanzkrise 2009 stieg das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2010 und 2013 moderat an. Nach einem nur leichten Plus von 0,2% in 2014, war für 2015 ein Wachstum von 1,1% zu verzeichnen und für 2016 werden 1,3 bis 1,4% prognostiziert. Das geringe Re- formtempo bei gleichzeitig niedrigem Wirtschafts- wachstum verhindert eine rasche Verbesserung bei Abb. 3: Wirtschaftswachstum in Frankreich den dringlichen wirtschaftlichen Problemen im Be- reich der Arbeitslosigkeit und des Haushaltsdefizits. Quelle: GTAI, 2015 Die Arbeitslosenquote stieg seit 2009 kontinuier- lich an und erreichte Anfang 2016 Rekordwerte von 10,5%. Präsident Hollande, der die Bekämpfung der Abb. 13: Wirtschaftswachstum in Frank- Arbeitslosigkeit als eines der Hauptziele seiner Amtszeit erklärt hat, kündigte im Januar 2016 staatliche Zu- reich, 2015Quelle: GTAI. schüsse von 2 Mio. EUR für Jobs im Niedriglohnsektor sowie umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen an, um dieses Ziel zu erreichen. Für einen deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit erscheint das berechnete Abb. 14: Wirtschaftswachstum in Frank- Wachstumstempo jedoch zu schwach und die Erwartungen auf eine Trendwende in der Arbeitslosenquote reich, 2015 bleiben zurückhaltend. Abb. 15: Wirtschaftswachstum in Frank- Der amtierende Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat 2015 mit dem Gesetz zur Förderung von Aktivi- reich, 2015Quelle: GTAI. tät, Wachstum und wirtschaftlicher Chancengleichheit (Loi Macron) weitreichende Wirtschaftsreformen auf den Weg gebracht. Das Loi Macron enthält eine Fülle von unterschiedlichen Bestimmungen, die die Abb. 16: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015Quelle: GTAI. 12 Germany Trade and Invest (GTAI), Kaufkraft und Konsumverhalten, August 2015. 13 Eurostat, Reales verfügbares Einkommen der Haushalte (Verbrauchskonzept) pro Kopf, 2015. Abb. 17: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015 13 Abb. 18: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015
französische Wirtschaft ankurbeln sollen. Zu den Reformbemühungen zählen arbeitsrechtliche Veränderun- gen, die eine Lockerung der Sozialauswahl, mehr verkaufsoffene Sonntage, die Liberalisierung von Rechts- berufen sowie eine Reform der Arbeitsgerichte betreffen.14 Die wahrscheinlich letzte Reform der aktuellen Amtszeit von Präsident Hollande wird die Arbeitsrechtsre- form, zu der Arbeitsministerin Myriam El Khomri entsprechende Vorschläge vorgestellt hat. Ziel ist es, das Arbeitsrecht Frankreichs mit der Realität der Unternehmen in Einklang zu bringen. Um Unternehmen zu mehr Neueinstellungen zu ermutigen und somit mehr Arbeitsplätze zu schaffen, will das Loi El Khomri die 35-Stunden-Woche lockern, betriebsbedingte Entlassungen erleichtern sowie Abfindungen selbst im Falle ungerechtfertigter Kündigungen begrenzen. Doch der Gesetzesvorschlag ist sehr umstritten: Den Arbeitge- berverbänden kommen die Neuregelungen sehr entgegen, Gewerkschaften und Teile der regierenden sozia- listischen Partei kritisieren sie scharf und sehen darin die Zerstörung des Sozialstaats. Da unklar war, ob im Parlament eine Mehrheit für die Reform erreicht würde, hat die Regierung im Mai 2016 das Gesetz per Dek- ret durch das Parlament gebracht. Dadurch wurde eine Abstimmung der Abgeordneten umgangen. Die aktuelle Konjunkturflaute und die Rekordarbeitslosigkeit wirken sich auf die Steuereinnahmen und da- mit auf den Staatshaushalt aus. Die Neuverschuldung lag 2015 bei 3,8% des BIP und die Gesamtverschul- dung erreichte 2015 einen neuen Höchststand von geschätzten 2,11 Billionen EUR, was rund 97% des BIP entsprechen.15 Wegen zusätzlicher Ausgaben für die innere Sicherheit und den Kampf gegen den Terroris- mus wird Frankreich die erlaubte Defizitgrenze im Maastrichter Vertrag von 3,0% voraussichtlich erst 2018 wieder unterschreiten.16 Denn erst wenn sich das Wirtschaftswachstum wie prognostiziert etwas erholt, wird die Gesamtverschuldung wieder etwas sinken. Die Inflationsrate lag 2015 wie auch in Deutschland bei durchschnittlich 0,1%, für 2016 wird eine geringe Zunahme der Inflation auf 0,9% erwartet.17 Mit einem Plus von 1,7% hat sich die Kaufkraft der französischen Haushalte 2015 so stark erhöht wie seit 2007 nicht mehr. Finanziellen Spielraum erhielten die Konsumenten aus Einkommenssteigerungen, wäh- rend die gesunkenen Energiepreise die Umschichtung zu anderen Ausgabekategorien ermöglichten. Die Prognosen gehen für das Gesamtjahr von einer Zunahme der Konsumausgaben in Größenordnung des Kaufkraftzuwachses aus. Die Sparquote bleibt mit 15,2% konstant. Umfrageergebnissen des GTAI zufolge ist die Zuversicht der Konsumenten auf das höchste Niveau seit Ein- bruch der Krise von 2009 gestiegen. Angesichts steigender Aufwendungen für Steuern, Gesundheit und Wohnen verzichten die französischen Konsumenten am ehesten auf punktuelle Ausgaben für Kleidung, Freizeit oder Urlaub. Der öffentliche Konsum, zu wesentlichen Teilen die Personalkosten der öffentlichen Unternehmen und Verwaltung, stieg 2015 mit 1,1% bis 1,4% wieder etwas stärker an als 2014 (+0,8%). Die Staatsquote beträgt rund 57% des BIP.18 2.2.3 Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland Die politischen und auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland sind eng verflochten und von gegenseitiger Bedeutung. Laut der vom Statistischen Bundesamt im Februar 2016 ver- öffentlichten Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland war Frank- reich 2015 mit Ausfuhren im Gesamtwert von 103 Mrd. EUR das zweitwichtigste Abnehmerland deutscher Waren nach den USA.19 Zwischen Deutschland und Frankreich wurden insgesamt Waren im Wert von 170 Mrd. EUR gehandelt. Deutschland blieb auch 2015 mit einem Anteil von 17,1% an den Einfuhren und 16,0% an den Exporten der wichtigste Handelspartner Frankreichs.20 Frankreichs Handelsbilanzdefizit gegenüber 14 Germany Trade and Invest (GTAI), Frankreich: "Loi Macron" soll Wirtschaft ankurbeln, Februar 2015. 15 Statista, Staatverschuldung von Frankreich bis 2015, 2016. 16 Tagesschau, Daten zur Eurokrise - Wie geht es Europas Staaten?, 2015. 17 Germany Trade and Invest (GTAI), Wirtschaftsdaten kompakt - Frankreich, 2015. 18 Germany Trade & Invest (GTAI), Wirtschaftstrends Jahreswechsel 2015/16 – Frankreich, 2015. 19 Statistisches Bundesamt (Destatis), Außenhandel - Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland, 2016. 20 Direction générale des douanes et droits indirects (DGDDI), Le chiffre du commerce extérieur – Année 2015, 2016. 14
Deutschland vergrößerte sich von -14,692 Mrd. EUR (2014) auf -15,614 Mrd. EUR (2015). Die Importe welt- weit stiegen 2015 um 1,2% auf 501 Mrd. EUR, während die Ausfuhren einen etwas deutlicheren Anstieg von 4,3% (455 Mrd. EUR) verzeichneten.21 In diesem Zusammenhang sank das Handelsbilanzdefizit von -58,3 Mrd. EUR (2014) auf -45,7 Mrd. EUR (2015).22 Insbesondere stiegen die Ausfuhren von Luft- und Raum- fahrtechnik (+11,4%), wobei der Verkauf von Airbus mehr als die Hälfte der Branche ausmacht und 2015 ein Rekordniveau mit knapp 29 Mrd. EUR erreichte. Auch die Lieferungen von Kfz (+8,7%) sowie Informati- onstechnologie und Unterhaltungselektronik (+7,9%) konnten einen klaren Anstieg verzeichnen. 23 Einen Abschwung hingegen erfuhren die Energieerzeugnisse (-17,3%), die zwar volumenmäßig leicht zunahmen, deren Wert durch den weiter gesunkenen Ölpreis aber abnahm. Abb. 4: Außenhandel und Direktinvestitionen zwischen Frankreich und Deutschland (in Mrd. Euro) Quelle: BDI, 2015 ZwischenAbb. 25: Wirtschaftswachstum Frankreich und Deutschlandin Frank-aufgrund von Handel, Investitionen und einer starken Prä- besteht reich, 2015 senz von Unternehmen ausQuelle: GTAI. dem jeweiligen Nachbarland eine enge wirtschaftliche Verflechtung und Zusam- menarbeit. Die Grundlage dafür bildet der Élysée-Vertrag, der Vertrag über die deutsch-französische Zu- Abb. 26:der sammenarbeit, Wirtschaftswachstum in Frank-und Charles de Gaulle unterzeichnet wurde. Das Abkommen 1963 von Konrad Adenauer reich, 2015 sieht regelmäßige Konsultationen und Gipfeltreffen vor und setzt zugleich die Schwerpunkte für die Zusam- menarbeit beider Staaten. Auf europäischer Ebene gilt das deutsch-französische Tandem als der Motor der Abb. 27: europäischen Wirtschaftswachstum in Frank- Integration. reich, 2015Quelle: GTAI. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich beide Länder grundsätzlich in ihren Auffassungen zur Wirtschafts- und Abb. 28: Wirtschaftswachstum Haushaltspolitik. in Frank- angenommen, dass die staatliche Regierung ein breites In Frankreich wird traditionell reich, 2015 Quelle: GTAI. wirtschaftspolitisches Instrumentarium zur Verfügung hat, um Wettbewerbsziele zu erreichen. Im Gegen- satz dazu ist in Deutschland die Auffassung weit verbreitet, dass der Staat lediglich den Rahmen für wirt- Abb. Handeln schaftliches 29: Wirtschaftswachstum in Frank- und Marktmechanismen vorgibt, wobei die wirtschaftlichen Prozesse von unabhängi- gen Institutionenreich, 2015 werden sollen. Beide Länder machen ungefähr 40% der Wirtschaftsleistung überwacht der EU aus und stellen deshalb den Kern des europäischen Wirtschaftsraumes dar. Abb. 30: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015 21 Ebd. Abb. 31: Wirtschaftswachstum in Frank- 22 Direction générale des douanes et droits indirects (DGDDI), Aperçu du commerce extérieur de la France en 2015, 2015. reich, 23 Direction générale 2015 et droits indirects (DGDDI), Le chiffre du commerce extérieur – Année 2015, 2016. des douanes Abb. 32: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015Quelle: GTAI. 15 Abb. 33: Wirtschaftswachstum in Frank- reich, 2015Quelle: GTAI.
Frankreich bleibt für deutsche Unternehmen ein attraktiver Standort. Die deutsch-französischen Handels- beziehungen sind geprägt von 3.200 deutschen Unternehmen, die in Frankreich mit über 300.000 Beschäf- tigten präsent sind. Laut einer aktuellen Studie von Business France gibt es zudem 141 deutsche Investiti- onsprojekte mit 3.087 geschaffenen Arbeitsplätzen. Diese Zahl wird lediglich von den USA übertroffen (186 Investitionsprojekte; 5.384 Arbeitsplätze). Die größten deutschen Arbeitgeber in Frankreich sind Lidl mit 20.000-25.000 Beschäftigten, Allianz SE, die Bertelsmann Stiftung und die Deutsche Post AG mit jeweils 10.000-15.000 Beschäftigten, Thyssen Krupp mit 7.000-8.000 Beschäftigten, Siemens mit 7.000 Beschäf- tigten24 und Bosch mit 7.700 Beschäftigten25. Unter den Herkunftsländern von Foreign Direct Investment (FDI) in Frankreich stehen die USA und Deutschland an der Spitze, mit einigem Abstand gefolgt von Italien, dem Vereinigten Königreich und Japan. Das hohe deutsche Engagement mit 15% der Projekte und 11% der geschaffenen Arbeitsplätze 2015 unter- streicht die Bedeutung Frankreichs als wichtigem Wirtschaftspartner. Überdurchschnittlich stark vertreten waren deutsche Unternehmen 2015 in den Bereichen Automobil mit 37% aller FDI-Projekte der Branche, Energie- und Umwelttechnik (30%) und Logistik (27%). Regional zeigte sich eine Konzentration der insge- samt 141 Projekte auf die Regionen Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine (36), Ile-de-France (34) und Au- vergne-Rhone-Alpes (21). 26 2.2.4 Investitionsklima und -förderung Durch die Freizügigkeit innerhalb der EU sind Direktinvestitionen in Frankreich einfach zu handhaben. Durch die aktuellen makroökonomischen Rahmenbedingungen wie das nur langsam sinkende Haushaltsde- fizit und die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit von über 10% bleibt die Investitionslaune aber gedämpft. Für Investoren dennoch interessant sind die Größe des Marktes, das Potenzial in den technologischen Branchen der Luft- und Raumfahrttechnik, der Pharmazeutik und in anderen Wirtschaftszweigen sowie die niedrigen und vorhersehbaren Energiepreise. Auch das Infrastrukturnetz ist mit guten Fernstraßen und einem Bahn- hochgeschwindigkeitsnetz auf hohem Niveau ausgebaut. Der Einfluss der Gewerkschaften und die im inter- nationalen Vergleich hohe Besteuerung von Unternehmen und Privatpersonen sind als Kritikpunkte zu nen- nen. Sektor 2014 2015 Insgesamt -1,2 0,0 Unternehmen 2,0 2,0 Private Haushalte -5,3 -2,8 Öffentliche Hand -6,9 -3,0 Tab. 2: Reale Veränderungen der Investitionen in Frankreich Quelle: GTAI Im französischen Investitionsgeschehen sind die privaten Unternehmen der treibende Faktor. Mit einer rea- len Steigerung von 2,0% sowohl 2014 als auch 2015 konnten sie den gesamtwirtschaftlichen Rückgang der Investitionen in den letzten Jahren abmildern. Dabei sanken die Investitionsausgaben des öffentlichen Sek- tors und der privaten Haushalte 2015 deutlich langsamer als 2014, so dass im abgelaufenen Jahr unter dem Strich Stagnation, aber insgesamt keine Abnahme mehr steht.27 Frankreich ist weltweit eines der Länder mit den höchsten ausländischen Direktinvestitionen. Im Jahr 2014 lag es mit 606 Mrd. EUR eingehenden Direktinvestitionen auf dem siebten Platz nach den USA, China und dem Vereinigten Königreich, Singapur, Brasilien und Deutschland. 24 BusinessFrance, Rapport sur l’Internalisation de l‘économie française, 2015. 25 Bosch, Bosch enregistre des ventes stables en France, 2015. 26 Germany Trade and Invest (GTAI), Investitionsklima und -risiken - Frankreich, 2016. 27 Germany Trade and Invest (GTAI), Investitionsklima und -risiken - Frankreich, 2016. 16
Die französischen Direktinvestitionen im Ausland in Höhe von 1.228 Mrd. EUR platzierten Frankreich welt- weit auf dem fünften Platz. Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise verzeichnet Frankreich jedoch einen star- ken Rückgang der französischen Direktinvestitionsflüsse ins Ausland. 28 29 Der „Doing Business Report 2016“ der Weltbank gilt als Indikator für die Einfachheit der regulatorischen Gegebenheiten bezüglich einer lokalen Unternehmung in einem Land. Frankreich wird aktuell auf Platz 27 aufgeführt, was eine Verbesserung um vier Plätze gegenüber 2015 bedeutet. Verschiedene Themen hinsicht- lich der Hürden für eine unternehmerische Tätigkeit werden dabei untersucht, wie beispielsweise die benö- tigte Anzahl der Tage für eine Unternehmensneugründung, der Zugang zu Elektrizität und zu Krediten, die Komplexität des Steuersystems oder die Vertragssicherheit. So zeigt Frankreich relativ klare Strukturen für Baugenehmigungen sowie Preissicherheit und Transparenz in der Stromversorgung. Deutschland wird ak- tuell an 15. Stelle aufgeführt.30 Um Investoren und Unternehmen, die nach Frankreich exportieren wollen, eine Entscheidungshilfe zu bie- ten, wird eine sog. SWOT-Analyse durchgeführt, die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken des Standorts Frankreich darstellen soll. Strengths (Stärken) Weaknesses (Schwächen) Hohe Produktionskosten Großer Markt mit wachsender Bevölkerung Geringe Flexibilität des Arbeitsmarktes Gezielte Förderung von Schlüsselbranchen Geringe Exportstärke von KMU Qualifizierte Arbeitskräfte Niedrige Erwerbsbeteiligung junger Gute Infrastruktur und alter Menschen Relativ geringe Energiekosten Geringe Reformbereitschaft Opportunities (Chancen) Threats (Risiken) Innovationen in Hochtechnologien Hohes Haushaltsdefizit Stärkung des Mittelstandes Steigende Staatsverschuldung Größerer Wettbewerb im Dienstleistungssek- Wachsende Arbeitslosigkeit tor Soziale Konflikte Flexibilisierung der Arbeitsmarktregelungen Veralten des Produktionsapparates Konsolidierung des öffentlichen Haushalts Tab. 3: SWOT-Analyse Frankreich. Quelle: GTAI Der französische Staat nimmt eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung ein. Er fördert entweder durch eine gezielte Beteiligung an Unternehmen, durch stützende oder flankierende Eingriffe oder durch ge- zielte politische Maßnahmen. Die Staatsquote (Anteil der öffentlichen Ausgaben am BIP) liegt mit rund 57% des Bruttoinlandsproduktes deutlich über dem EU-Durchschnitt. Die wirtschaftsfördernden Maßnahmen sind zahlreich: Steuervorteile, Subventionen, zinsgünstige Darlehen oder günstige Versicherungen. Zentrales Instrument in der Investitionsförderung Frankreichs sind Steuervergünstigungen, die sowohl für in- als auch ausländische Unternehmen gelten.31 In der steuerlichen Förderung von Forschungsinvestitionen steht Frankreich unter den OECD-Ländern an der Spitze. Das System der Steuergutschriften für F&E-Investitionen (Crédit d'Impôt Recherche, CIR) 28 Ministère des Finances et des Comptes publics, Investissements directs étrangers (IDE) en France : principaux constats, Au- gust 2014. 29 Business France, Tableau de bord de l’attractivité de la France, 2015. 30 World Bank Group, Doing Business 2016, 2015. 31 Germany Trade and Invest (GTAI), Nationale Investitionsförderung – Frankreich, 2015. 17
wurde 2008 reformiert und auf ausländische Unternehmen ausgeweitet sowie das Verfahren vereinfacht. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wurde diese Steuergutschrift 2013 erhöht. Dieser Steueranreiz hat die Attraktivität Frankreichs auch als Investitionsstandort für ausländische Unternehmen bedeutend verbessert. Holdinggesellschaften genießen seit 2007 eine Freistellung von langfristigen Veräußerungsge- winnen aus Wertpapieren, was im Einklang mit den meisten OECD-Ländern steht. Konzernzentralen profi- tieren von einem speziellen System der Steuerkonsolidierung sowie der Steuerbefreiung auf die von Toch- tergesellschaften bezogenen Dividenden. Frankreichs Körperschaftssteuersatz bleibt mit 33,33% einer der höchsten in Europa, für Einkommen aus immateriellem Vermögen gilt der ermäßigte Satz von 15%. Weitere Reformen zugunsten der Unternehmen sind angekündigt.32 Zuständig für die nationale Investitionsförderung ist die interministerielle Behörde für Raumordnung und Wettbewerb (Délégation interministérielle à l'aménagement du territoire et à l'attractivité régionale, DA- TAR). Der wichtigste Investitionsanreiz der DATAR ist die Raumordnungsprämie PAT (Prime d’aménage- ment du territoire), die vom französischen Staat gewährt wird, wenn das Unternehmen einen bestimmten Umsatz nachweisen kann und bereit ist, in bestimmter Höhe zu investieren. Weitere Bedingung ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze binnen eines bestimmten Zeitraums. Die Anwerbung ausländischer Unternehmen obliegt Business France, das dem französischen Außenminis- terium und Wirtschaftsministerium unterstellt ist. Interessierte Investoren sollten diese Einrichtung kon- taktieren, um ein komplettes Bild über den Umfang der zahlreichen Fördermaßnahmen zu gewinnen und ein geeignetes Förderpaket zu schnüren. Neben den nationalen Stellen besitzen auch verschiedene Städte und Regionen eigene Investitionsförder- stellen, die Unternehmen beraten und über Anreize informieren – wie etwa die Agence Régionale de Déve- loppement Paris für den Großraum Paris oder für Lyon die Agence de Développement Économique de la Région Lyonnaise. Jeder Regionalrat (Conseil régional) darf zudem eigene regionale Schemata für finanzi- elle Direkthilfen an Unternehmen entwickeln. Details liefern die jeweiligen Webseiten. Daneben fließt die Förderung auf regionaler Ebene überwiegend in die in Kapitel 2.3.1 erwähnten Pôles de compétitivité. Diese Kompetenzzentren konzentrieren Unternehmen, private und öffentliche Investoren so- wie Forschungs- und Bildungseinrichtungen in einem geographisch abgegrenzten Raum mit dem Ziel, Sy- nergien freizusetzen und marktfähige Innovationen voranzutreiben. Abgewickelt wird die Unterstützung für die F&E-Projekte über einen speziellen interministeriellen Fonds (Fonds unique interministeriél, FUI), der auch ausländischen Unternehmen offensteht. Von den 71 Kompetenzzentren für zukunftsträchtige Bran- chen gibt es 18 mit internationaler Ausrichtung. Zusätzlich zu dem auch ausländischen Firmen offenstehen- den FUI stellte das französische Industrieministerium im September 2013 das neue Programmpaket La nouvelle France industrielle vor. Durch die Definition von 34 Zukunftsindustrien aus den Hauptfeldern Energiewende, Transport, Gesundheit und Digitalisierung sollen Prioritäten gesetzt und vorhandene Stär- ken der französischen Unternehmens- und Forschungslandschaft aufgenommen und gesteigert werden. 33 34 2.2.5 Steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen Die Normen des französischen Rechtsstaates sind kontinentaleuropäisch geprägt. Zu den Rechtsquellen zählen Verfassung (constitution), Gesetz (loi), Verordnung (règlement-décret, arrêté), Gewohnheitsrecht und Handelsbrauch, Völkerrecht und Rechtsprechung. Im journal officiel (https://www.journal-offi- ciel.gouv.fr/) werden alle Gesetze und Verordnungen veröffentlicht. Wesentliche Gesetze sind in den Ge- setzbüchern codes zusammengefasst und unter http://www.legifrance.gouv.fr/ einsehbar. Für die vorlie- gende Zielmarktanalyse sind insbesondere die im Folgenden beschriebenen Rechtsfelder von Bedeutung: 32 Germany Trade and Invest (GTAI), Nationale Investitionsförderung – Frankreich, 2015. 33 Invest in France Agency (IFA), Warum Frankreich?, 2014. 34 Germany Trade & Invest (GTAI), Wirtschaftstrends. Jahreswechsel 2013/2014 - Frankreich, November 2013. 18
Vertriebsrecht Das Handelsvertreterrecht ist im Code de commerce in den Artikeln L134-1 ff. geregelt. Ein Handelsvertre- ter (agent commercial) ist als Gewerbetreibender damit beauftragt, im Namen und in Rechnung eines Un- ternehmens Kauf-, Miet- und Dienstleistungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen, ohne dies im Rah- men eines Dienstvertrags zu tun. Da „Dienstvertrag“ im französischen Recht synonym zu „Arbeitsvertrag“ verwendet wird, ist die Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten gegenüber dem Dienstherrn ver- pflichtend. Die Entlohnung des Handelsvertreters hat dem ortsüblichen Niveau und der Branche des Auf- traggebers zu entsprechen und erfolgt in der Regel in Form einer Provision. Bei Vertragsbeendigung hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf „ausgleichende Entschädigung als Ersatz für entstandene Nachteile“ unter der Voraussetzung, dass nicht der Handelsvertreter die Beendigung des Vertrages durch schweres Verschulden verursacht hat. Für die Höhe des Ausgleichsanspruchs nimmt die französische Rechtsprechung zwei Bruttojahresprovisionen als Richtwert. Eine andere spezifischere französische Variante ist der Voyageur, représentant, placier (VRP), der Ver- triebsmittler. Ein VRP ist gemäß der gesetzlichen Definition in Rechnung eines oder mehrerer Arbeitgeber tätig. Er übt seine Vertretertätigkeit ausschließlich und ständig aus und schließt keinerlei Handelsgeschäfte in eigener Rechnung ab. Durch Vereinbarungen ist der VRP bezüglich der Art der Dienstleistungen oder der zum Verkauf oder zum Kauf angebotenen Waren, des Bezirks, in dem der Vertreter seine Tätigkeit ausübt oder der Kundenkategorien, die er zu besuchen hat, sowie des Vergütungssatzes an seine Arbeitgeber ge- bunden. Im Unterschied zum agent commercial ist der Vertriebsmittler nicht weisungsgebunden, wenn- gleich er in Rechnung seines „Arbeitgebers“ handelt. Deshalb ist der Unterschied zum Handelsvertreter häufig schwer auszumachen. In diesem Zusammenhang wird dann die Abgrenzung deutlich, wenn eine Per- son neben ihrer Vertretertätigkeit zugleich als Händler aktiv ist, denn ein Vertriebsmittler schließt eben keine Geschäfte in eigener Rechnung ab, während ein Handelsvertreter nicht schlechter gestellt ist, wenn er Geschäfte auf eigene Rechnung macht. Eine weitere Form ist der Vertragshändler concessionaire, der ein unabhängiger Kaufmann ist und in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt.35 Investitionsrecht Grundsätzlich besteht in Frankreich Investitionsfreiheit, wobei bestimmte ausländische Investitionen einer Genehmigung (autorisation préalable) oder vorheriger Meldung bedürfen. Dies ist der Fall, wenn es sich um Projekte im Bereich nationaler Verteidigung, Waffen, Sprengstoffe, reglementierte Tätigkeiten privater Sicherheitsdienste oder wenn eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung möglich ist, handelt. Au- ßerdem ist danach zu entscheiden, ob der Ursprung der Investition in einem Mitgliedsland der EU oder in einem Drittland liegt. Hier ist zu erwähnen, dass die Liste der genehmigungspflichtigen Investitionen mit Ursprung in einem Drittland länger ist, als diejenige, deren Ursprung in einem EU-Mitgliedsstaat liegt. Wie schon im Unterkapitel 2.3.5 erklärt sind die wirtschaftsfördernden Maßnahmen in Frankreich zahlreich, denn es gibt Steuervorteile, Subventionen, zinsgünstige Darlehen oder prämiengünstige Versicherungen sowie die Raumordnungsprämie PAT. Darüber hinaus hat Frankreich eine Reihe von sog. Investitions- schutzabkommen geschlossen, um französische Investoren vor wirtschaftlichen und politischen Risiken ins- besondere in Entwicklungs- und Schwellenländern zu schützen. Diese und weitere weltweite Abkommen derartiger Natur sind auf der Internetseite der UNCTAD unter http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA online einsehbar.36 Gesellschaftsrecht Gewerblich tätige Gesellschaften müssen sich in das französische Handelsregister registre national du com- merce et des sociétés eintragen lassen. Das französische Gesellschaftsrecht unterscheidet im Bereich der Ka- pitalgesellschaften in die folgenden Typen: S.A. société anonyme, S.A.S. société par actions simplifiée und S.A.R.L. société à responsabilité limitée. 35 Germany Trade and Invest (GTAI), Recht kompakt – Frankreich, Februar 2015. 36 Germany Trade and Invest (GTAI), Recht kompakt – Frankreich, Februar 2015. 19
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