IST FRANKREICH EIN SANIERUNGSFALL ODER DEUTSCHLAND? - November 2018 Gustav A. Horn, Sebastian Watzka - Hans-Böckler-Stiftung

 
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POLICY BRIEF
IMK Policy Brief, November 2018

IST FRANKREICH EIN SANIERUNGSFALL
ODER DEUTSCHLAND?
Gustav A. Horn, Sebastian Watzka
WICHTIGE ENTSCHEIDUNGEN                              sische Wirtschaft die Finanzmarktkrise weitaus
STEHEN AUS                                           schlechter bewältigt als die deutsche. Gleichzei-
                                                     tig fällt aber besonders im deutsch-französischen
Kurz nach der Bundestagswahl im September            Vergleich auch auf, wie gering die Lohnsteigerun-
2017 hat der französische Präsident Macron weit-     gen in Deutschland zu Beginn der Währungsunion
reichende Reformvorschläge für die EU als Gan-       tatsächlich waren und erst seit der Finanzmarkt-
zes, aber auch für sein eigenes Land gemacht         krise aufholen. Dies spiegelte sich seinerzeit in
(Macron 2017). Sein Ansatz spiegelt eine doppel-     einer entsprechend schwachen Binnennachfrage
te Sichtweise wider, die davon ausgeht, dass ei-     in Deutschland wieder. Seit der Finanzmarktkrise
nerseits Frankreich als nationale Volkswirtschaft    hat sich das geändert. Insofern liegt es auch im
einen erheblichen Reformbedarf hat und ande-         Interesse der deutschen Regierung, diese binnen­
rerseits viele ökonomische Probleme nur noch         wirtschaftlich nunmehr dynamischere Position
in einem europäischen Kontext lösbar sind. In-       außenwirtschaftlich ab­­­­zusichern.
sofern ruhen die Vorschläge des französischen
Präsidenten auf zwei Säulen, einer nationalen
und einer europäischen. Während die nationalen
Maßnahmen angesichts der Mehrheitsverhält-           WACHSTUM: DIE VERLOREN
nisse im französischen Parlament von ihm relativ     GEGANGENE SYNCHRONITÄT
leicht umgesetzt werden könnten, ist er bei den
europäischen Vorschlägen vor allem auf die Un-       Zuweilen wird der Eindruck vermittelt, Frankreich
terstützung Deutschlands angewiesen. Diese ist       habe Deutschland als „kranker Mann“ Europas
bisher allerdings noch sehr zögerlich.               abgelöst und sei nur noch durch „marktorien-
    Zwar gelang im Rahmen der deutsch-franzö-        tierte Strukturreformen“, damit sind angebots-
sischen Regierungskonsultationen mit der Mese-       seitige institutionelle Veränderungen gemeint,
berger Erklärung eine Einigung, jedoch ist diese     auf einen nachhaltigen Kurs für Wachstum und
vor dem Hintergrund der französischen Vorstel-       Beschäftigung zu bringen (SVR 2016, Ziffer 428).
lungen eher als Minimallösung für zukünftige         Das eigentliche Bild ist allerdings deutlich kom-
Reformen des Euroraums zu verstehen. Insbe-          plexer und soll im Folgenden differenzierter be-
sondere blockiert die Bundesregierung weiterhin      trachtet werden. Schaut man auf das Wachstum
jeglichen substanziellen Fortschritt bei der Ver-    des BIP, ergibt sich eine überraschende Überein-
vollständigung der Bankenunion durch eine ge-        stimmung. Seit Beginn der Währungsunion hat
                                                     76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik
meinsame Einlagensicherung. Die Unterstützung        das BIP in Deutschland und Frankreich bis heute
Deutschlands bei den ambitionierten Reformvor-
schlägen Macrons ist daher eher als halbherzig             BIP-Entwicklung seit Beginn der Währungsunion
                                                                                                  Abbildung 1
zu bewerten, der große Wurf blieb bislang aus.                                     01.01.1999=100
    Die so entstandene Atempause im europä-
ischen Reformprozess sollte genutzt werden,                                        in Währungsunion
                                                     BIP-Entwicklung seit Beginn der  %
um eine Bestandsaufnahme über wirtschaftli-          01.01.1999=100
che Tendenzen sowohl in Frankreich als auch          140
in Deutschland seit Beginn der Währungsunion
                                                     135
vorzunehmen, um daraus Schlussfolgerungen für
                                                     130
einen Reformprozess im Sinne beider Länder zu
gewinnen. Im Rahmen eines Zyklenvergleichs           125
sollen zudem Gemeinsamkeiten und Unterschie-         120
de in den Reaktionen auf jüngste Krisen heraus-
                                                     115
gearbeitet werden.
    Bei dieser Analyse wird die Bedeutsamkeit vor    110

allem zweier Phasen deutlich. Zum einen hat die      105
lange Phase der Stagnation mit der einhergehen-

                                                     – – –
                                                     100
den Lohnzurückhaltung in Deutschland zu Beginn          1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
des vergangenen Jahrzehnts tiefe Spuren mit
                                                            Deutschland                Frankreich     Euroraum
Blick auf die relative Wettbewerbsfähigkeit beider
Länder hinterlassen. Zum zweiten hat die franzö-     schwarzEurostat;
                                                     Quellen: = Euroraum
                                                                      Macrobond.
                                                     orange = Deutschland
                                                     rot = Frankreich
IMK Policy Brief November 2018   Seite 2
gleich stark zugenommen. Es gibt also keinen ge-                             (Phase 1). Ab 2005 bis zum Beginn der Finanz-
nerellen Wachstumsrückstand der französischen                                marktkrise glichen sich die Wachstumsraten mit
Wirtschaft gegenüber der deutschen. Allerdings                               leichten Vorteilen für Deutschland wieder an. In
ist anzumerken, dass beide Volkswirtschaften                                 der Finanzmarktkrise bis 2009 brach das Wachs-
hinter dem Euroraum zurückbleiben (Abbildung 1).                             tum in Deutschland wesentlich stärker ein als in
      Das insgesamt gleiche Wachstum ist freilich                            Frankreich. Seither (Phase 2) wächst die deut-
in jeweils unterschiedlichen Phasen entstanden.                              sche Wirtschaft hingegen spürbar stärker und
Vereinfacht lassen sich zwei Phasen unterschei-                              konnte ihren früheren Wachstumsrückstand in-
den: die Phase von Beginn der Währungsunion                                  zwischen vollständig aufholen. Wenn also von ei-
bis zum Beginn der Finanzkrise, und die noch an-                             ner Krise in Frankreich und der starken Wirtschaft
dauernde Phase seit der Finanzkrise. Nach einem                              in Deutschland die Rede ist, dann muss sich dies
Gleichlauf       zu Beginn der Währungsunion fiel die
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
                                                                             auf die Zeit seit der Finanzmarktkrise beziehen.
deutsche Wirtschaft in den Jahren 2001 bis 2005                                  Die Bedeutsamkeit der Finanzmarktkrise für
deutlich sichtbar hinter die französische zurück                             die Wachstumsdifferenzen zeigt sich besonders
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
                                                                             markant in einem expliziten Vergleich der bei-
        BIP-Entwicklung vor und nach der Finanzkrise                         den Pfade vor und nach der Finanzmarktkrise.
                                                               Abbildung 2
                                                                             Vor der Finanzmarktkrise hatte Frankreich einen
        BIP-Entwicklung vor und nach der Finanzkrise                         Wachstumsvorsprung gegenüber Deutschland,
a) Nach der Finanzkrise (seit 01.04.2009)
BIP-Entwicklung vor und nach der Finanzkrise                                 wobei Deutschland zum Schluss etwas aufholte.
                                                                             In der Krise fiel Deutschland wieder weit zurück.
a) Nach der Finanzkrise (seit 01.04.2009)
a)
125 nach der Finanzkrise (seit 01.04.2009)                                   Aber seither ist das Wachstum in Deutschland
    01.04.2009=100
                                                                             merklich kräftiger (Abbildung 2).
120
125                                                                              Dies bestätigt sich auch bei einem Vergleich
                                                                             der jüngsten Aufschwungsphasen.  1 Im jüngs-
115
120                                                                          ten Aufschwung seit 2013 wuchs die deutsche
                                                                             Wirtschaft spürbar stärker als die französische.
110
115                                                                          Insbesondere gelang aber die Erholung unmit-
                                                                             telbar nach der Finanzmarktkrise in Deutschland
105
110                                                                          erheblich schneller und kräftiger. Vor gut einem
                                                                             Jahrzehnt unterschieden sich die Aufschwünge
100
105
      1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37                    in beiden Ländern noch kaum (Abbildung 3).
                                                                                 Bei alldem darf allerdings nicht vergessen
100
      1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
                                                                             werden, dass die Wohlstandsentwicklung, die
                                                                             sich anhand des BIP pro Kopf messen lässt, we-
                                                                             gen der unterschiedlichen Demographie insge-
Vorvor
b)  derder
        Finanzkrise (01.01.1999
           Finanzkrise          - 01.01.2008)
                       (01.01.1999  - 01.01.2008)
   01.01.1999=100                                                            samt deutlich zugunsten Deutschlands verlief.
                                                                             Bei insgesamt gleichem Wachstum, aber höhe-
Vor der Finanzkrise (01.01.1999 - 01.01.2008)
125                                                                          rem Bevölkerungszuwachs in Frankreich ist dies
                                                                             leicht erklärlich. In den 2000er Jahren lag jedoch
120
125                                                                          die Pro-Kopf-Entwicklung in Frankreich trotz hö-
                                                                             herem Bevölkerungswachstum über der deut-
115
120                                                                          schen. Seit dem Aufschwung 2005 – unterbro-
                                                                             chen von der Finanzmarktkrise – hat sich dieser
110
115                                                                          Trend jedoch in markanter Form gedreht. Es ist
                                                                             eine immer größer werdende Lücke zugunsten
105
110                                                                          Deutschlands entstanden. Somit ist seit der Fi-
                                                                             nanzmarktkrise ein zunehmendes gesamtwirt-

–                                             –
100
105                                                                          schaftliches Wohlstandsgefälle zwischen beiden
      1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
                                                                             Ländern entstanden (Abbildung 4).
100    Deutschland                 Frankreich
      1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
                 Deutschland
                 Frankreich
Quellen: Eurostat; Macrobond.
Quelle: Macrobond.                                                            1 Zur Methodik siehe Horn et al. 2017.
                 Deutschland
                 Frankreich
Quelle: Macrobond.
IMK Policy Brief November 2018   Seite 3
76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik
                                                                             Abbildung 3                                                                   Abbildung 4
                                                                                            Entwicklung des Lebensstandards seit Beginn der
76,571 mm
76,571 mm == 3-spaltig
             3-spaltig -- 22 Grafiken
                             Grafiken && 3-spaltig
                                         3-spaltig untereinander
                                                   untereinander                            Währungsunion
BIP-Entwicklung in den letzten drei Aufschwüngen                                           Entwicklung des Lebensstandards
      BIP-Entwicklung in den letzten drei Aufschwüngen                                      (rebasiert 1999=100)
                                                                                           seit Beginn der Währungsunion
a) seit 01.04.2013                                                                         1999=100
 a)01.04.2013=100
    Seit 01.04.2013

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                                                                                           130
110
                                                                                           125
108
                                                                                           120
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                                                                                           115

104                                                                                        110

102
102                                                                                        105

                                                                                           –                                              –
100                                                                                        100
100
                                                                                              1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019
      11       33      55       77      99      11
                                                11       13
                                                         13        15
                                                                   15   17
                                                                        17     19
                                                                               19    21
                                                                                     21
                                                                                                   Deutschland                                Frankreich
b) 01.04. 2009 - 01.10.2011
 b) 01.04.
 b) 01.04. 2009
           2009 -- 01.10.2011
                   01.10.2011                                                              Quellen: OECD ; BIP pro Kopf in Deutschland
                                                                                                           Macrobond.
   01.04.2009=100
                                                                                                           BIP pro Kopf in Frankreich
112
112
                                                                                           Quelle: Macrobond.

110
                                                                                                Aus dieser Darstellung folgt, dass beide
                                                                                           Volkswirtschaften mit ähnlicher Dynamik in die
108                                                                                        Währungsunion gestartet sind. Mit der Wäh-
                                                                                           rungsunion ist die Synchronität der Wirtschafts-
106
106
                                                                                           entwicklung allerdings verloren gegangen. Erst
104                                                                                        fiel Deutschland zurück und seit der Finanzkrise
                                                                                           Frankreich. Zwar ist das Wachstumsergebnis
102                                                                                        bislang insgesamt gleich, aber extrapoliert man
                                                                                           die Unterschiede in der jüngsten Dynamik in die
100
      1        3       5        7       9       11       13        15   17
                                                                        17     19
                                                                               19    21
                                                                                     21    Zukunft, zeigt sich ein gravierendes Potenzial
                                                                                           für Spannungen zwischen den beiden stärksten
c) 01.04.2003 - 01.01.2008                                                                 Volkswirtschaften der Währungsunion. Es besteht
 c) 01.04.2003
 c) 01.04.2003 -- 01.01.2008
                  01.01.2008
   01.04.2003=100                                                                          also wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf.
112

110
110

108
108
                                                                                           ARBEITSLOSIGKEIT AUF
                                                                                           UNTERSCHIEDLICHEN PFADEN
106
106
                                                                                           Der gravierendste Aspekt der Asynchronität zeigt
104
104
                                                                                           sich in den zuletzt stark divergierenden Arbeits-
102
102                                                                                        markttendenzen. Die schlechte Performance der
                                                                                           französischen Wirtschaft seit der Finanzmarktkri-

–                                                –
100
100
      11       33      55       77      99      11       13        15   17     19    21
                                                                                           se spiegelt sich in den Entwicklungen der Arbeits-
                                                11       13        15   17     19    21
                                                                                           losenquoten wieder. Bis zur Finanzmarktkrise
           Deutschland
               Deutschland
               Deutschland
                                                           Frankreich                      war die Arbeitslosenquote in Frankreich niedriger
               Deutschland
               Frankreich
               Frankreich                                                                  als in Deutschland. Seither ist es umgekehrt, und
               Frankreich
Quellen: Eurostat; Macrobond.                                                              der Abstand zugunsten Deutschlands nimmt Jahr
Quelle: Macrobond.
Quelle:
Quelle: Macrobond.
        Macrobond.
                                                                                           für Jahr zu. Es ist diese aus französischer Sicht

IMK Policy Brief November 2018   Seite 4
76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik

                                                              Entwicklung der ArbeitslosenquotenAbbildung
                                                                                                 seit 5
beunruhigende Tendenz, die die Sichtweise eines
Sanierungsfalls Frankreich begründet (Abbildung 5).                 Beginn der Währungsunion
     Eingesetzt hatte dieser Prozess aber bereits      Entwicklung der Arbeitslosenquoten
                                                       seit Beginn der Währungsunion
vor der Finanzmarktkrise seit 2005 als die Ar-
                                                       in %
beitslosenquote in Deutschland ihren Höhepunkt
                                                        12
erreichte. Beide Volkswirtschaften hatten sei-
nerzeit wie oben gezeigt einen durchaus kräfti-         10
gen und insgesamt ähnlich starken Aufschwung
bis zur Finanzmarktkrise. Gleichwohl ging in              8

Deutschland die Arbeitslosenquote deutlich stär-
                                                          6
ker zurück als in Frankreich. Bemerkenswert ist,
dass das Arbeitsvolumen, also die Zahl der ge-            4
leisteten Arbeitsstunden, wie weiter unten erläu-
                                                          2
tert wird, in Frankreich damals etwas kräftiger
gestiegen ist als in Deutschland (Abbildung 8a). Die

                                                       –                                               –
                                                          0
Arbeitsproduktivität pro Stunde entwickelte sich           1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018
hingegen in Deutschland etwas dynamischer (Ab-
bildung 6). Beides reicht jedoch bei weitem nicht                Deutschland
                                                                    Deutschland                            Frankreich

aus, die starke Divergenz in der Arbeitslosigkeit                  Frankreich
                                                       Quellen: Eurostat; Macrobond.
zu erklären.
                                                        76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik
     Folglich müssen institutionelle Veränderun-       Quellen:Eurostat; Macrobond.
gen am Arbeitsmarkt maßgeblich gewesen sein.
                                                                                                                        Abbildung 6
Und genau dies war in Deutschland ja mit der                Arbeitsproduktivität und Reallohnentwicklung
Agenda 2010 der Fall. Schon relativ bald nach In-
krafttreten der Agenda war klar, dass statistische     Arbeitsproduktivität und Reallohnentwicklung
Effekte wie die Korrektur von Doppelzählungen          jeweils pro Stunde      jeweils pro Stunde
                                                       1999=100
und aber auch der erhöhte Druck auf Arbeitslo-          1999 = 100
se im Hinblick auf Anrechenbarkeiten von Ver-           130
mögen zu der raschen und von der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung weitgehend unab-
                                                        120
hängigen Reduzierung der Arbeitslosenquote in
Deutschland beigetragen haben (Horn und Lo­
geay 2007). Spätere Untersuchungen bestätigten          110

die ersten Eindrücke in systematischer Weise
(Klinger und Weber 2016; Stops 2015). Damit er-         100
klärt sich die Divergenz zwischen dem deutschen
und dem französischen Arbeitsmarkt im Hin-

                                                       –
                                                          90
blick auf Arbeitslosigkeit in dieser Phase wohl in          1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
                                                        A
recht starkem Ausmaß durch Anfangseffekte der
Agenda 2010.                                                     Reallohn Deutschland
                                                                 Reallohn Frankreich
     Vor allem seit der Finanzmarktkrise hält der                Arbeitsproduktivität Deutschland
                                                                             Reallohn   Deutschland
Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland so-                 Arbeitsproduktivität Frankreich
                                                                              Arbeitsproduktivität Deutschland
wohl absolut als auch insbesondere in Relation zu      Quellen: EZB ; Macrobond.
                                                                              Reallohn Frankreich
Frankreich in beeindruckender Weise an. Wäh-                                  Arbeitsproduktivität Frankreich
rend die Arbeitslosigkeit in Frankreich bis zuletzt
noch über dem Niveau von vor der Finanzmarkt-          Null-Tarif. Im Gegenteil: Die Agenda-Reformen
krise lag, strebt die deutsche Wirtschaft allmählich   des Arbeitsmarkts tragen noch immer dazu bei,
auf einen Zustand der Vollbeschäftigung zu. Damit      dass etliche Indikatoren der Arbeitsmarktperfor-
hat sich mittlerweile eine sehr markante Lücke in      mance für Deutschland schlecht ausfallen. So
der Arbeitsmarktperformance zugunsten Deutsch-         waren die realen Stundenlöhne in Deutschland
lands und zum Nachteil Frankreichs aufgetan.           2010 gerade mal auf dem Niveau von 1999, wäh-
     Andererseits kamen die guten Entwicklungen        rend dieselben Löhne in Frankreich bei gleicher
der Arbeitslosenquoten in Deutschland nicht zum        Produktivitätsentwicklung um 13 % gewachsen

IMK Policy Brief November 2018   Seite 5
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander

                                                                Abbildung 7
                                                                              BESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG:
                                Armutsrisikoquoten                            GELEISTETE ARBEITSSTUNDEN
Armutsrisikoquoten Armutsrisikoquoten
in %               a) Von Erwerbstätigen                                      VERSUS ANZAHL AN BESCHÄFTIGTEN
                              a) Von Erwerbstätigen
a) von Erwerbstätigen                                                         Die bemerkenswert divergente Tendenz auf dem
  10                                                                          Arbeitsmarkt seit der Finanzmarktkrise in zwei
 10
                                                                              doch so eng verflochtenen Volkswirtschaften ist
   9                                                                          erklärungsbedürftig. Anders als in der Zeit von
  9
                                                                              2005 bis 2007 können hierfür Arbeitsmarktrefor-
   8                                                                          men nicht maßgeblich sein. Denn es gab in dieser
  8
                                                                              Zeit in beiden Ländern keine nennenswerten Ar-
   7                                                                          beitsmarktreformen. Der Verweis auf eine durch
  7
                                                                              die Agenda 2010 merklich abgesenkte NAIRU
   6                                                                          überzeugt für diesen Zeitraum nicht. Denn die
  6
                                                                              Lohnzuwächse in Deutschland haben sich in die-
   5                                                                          sem Zeitraum im Vergleich zu vorher und zu den
  5 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
                                                                              übrigen Euroländern merklich beschleunigt. Es
   2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
                                                                              ist derzeit Gegenstand zahlreicher Forschungen,
                                 b) Von Arbeitslosen                          mit welcher NAIRU dies vereinbar ist oder ob die-
b) von Arbeitslosen              b) Von Arbeitslosen                          se Zusammenhänge durch die Krisen strukturell
                                                                              verändert wurden.
 80
80                                                                                 Das Bild des schwachen französischen Ar-
 70                                                                           beitsmarkts ändert sich zudem bei einem genau-
70                                                                            eren Blick auf die Beschäftigungsentwicklung.
 60                                                                           Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, die ein
60                                                                            Maß für das gesamte Beschäftigungsvolumen
 50                                                                           darstellt, ist in Deutschland seit Beginn der Wäh-
50                                                                            rungsunion sogar weniger stark gestiegen als in
 40                                                                           Frankreich (Abbildung 8a). Dies gilt in deutlichem
40                                                                            Ausmaß bis 2009, also zum Tiefpunkt der Finanz-

–                                              –
 30                                                                           marktkrise, in der die geleisteten Arbeitsstunden
   2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
30                                                                            in Deutschland wegen des erheblich stärkeren
  2006 Deutschland
        2007 2008 2009 2010 2011 2012Frankreich
                                       2013 2014 2015 2016                    konjunkturellen Einbruchs dramatischer zurück-
                Deutschland                                                   gingen als in Frankreich. Seither ist der Vorsprung
              Frankreich
Quellen: Eurostat; Macrobond.                                                 Frankreichs jedoch wieder etwas zusammenge-
             Deutschland
              Frankreich
 Quellen: Eurostat; Macrobond.                                                schmolzen. Die höheren Wachstumsimpulse in
                                                                              Deutschland seit dieser Zeit haben ihre positiven
Quellen: Eurostat; Macrobond.
waren (Abbildung 6). Die Agenda-Reformen und                                  Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen, ohne aller-
speziell die Einführung des Arbeitslosengeld 2                                dings dass das Niveau der insgesamt geleisteten
(HARTZ IV) führten auch dazu, dass das Armuts-                                Arbeitsstunden in Deutschland bislang über das
risiko unter arbeitslosen Menschen in Deutsch-                                französische gestiegen wäre.
land derzeit bei 70 % liegt. Das Risiko, als ar-                                   Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die
beitsloser Mensch zu verarmen ist damit unter                                 Zahl der Beschäftigten als Maßstab nimmt. Diese
allen EU-Ländern in Deutschland am höchsten.                                  ist in Frankreich seit Beginn der Währungsunion
Und nicht nur das, auch unter den Erwerbstäti-                                um rund 14 % gestiegen, in Deutschland hinge-
gen ist das Armutsrisiko in Deutschland inzwi-                                gen um etwas mehr als 15 % (Abbildung 8b). Der
schen höher als in Frankreich (Abbildung 7). Die                              Verlauf entspricht dem im zeitlichen Vergleich
Agenda-Reformen waren insofern auch mitver-                                   der beiden Volkswirtschaften gängigen Muster:
antwortlich dafür, dass sich in Deutschland ein                               Nach anfänglicher Synchronität fällt Deutschland
neues Prekariat bilden konnte, das – arbeitslos                               zurück, beginnend 2005 und verstärkt seit der
oder nicht – von fortschreitendem Wohlstand                                   Finanzmarktkrise hat sich der Trend dann aber
ausgeschlossen bleibt.                                                        spürbar gedreht.

IMK Policy Brief November 2018   Seite 6
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
 76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
                                                                      Abbildung 8   76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander                 Abbildung 9

                                                                                     76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander

Beschäftigung       Beschäftigung
                     Beschäftigung                                                   Beschäftigung
                                                                                    Beschäftigung
                                                                                    76,571 mm = 3-spaltig(Personen)(Personen)
                                                                                                          - 2 Grafiken                   indrei
                                                                                                                         in denuntereinander
                                                                                                                       & 3-spaltig letzten  den   letzten drei
                                                                                                                                                Aufschwüngen
             a)
              a) Anzahlan
                Anzahl angearbeiteten
                          gearbeitetenStunden
                                      Stunden                                        Beschäftigung Aufschwüngen
                                                                                                   (Personen) in den letzten drei
a) Anzahl an gearbeiteten Stunden
                                                                                     Beschäftigung (Personen)
                                                                                    a) seit 01.04.2013
                                                                                                       Aufschwüngen    in den
                                                                                                                     letzten drei
   01.01.1999=100                                                                      01.04.2013=100   a) seit 01.04.2013
                                                                                                   Aufschwüngen
110                                                                                 107                                a) seit 01.04.2013
 110
                                                                                    107
                                                                                    106                                a) seit 01.04.2013
105                                                                                 107
                                                                                    106
                                                                                    105
 105
                                                                                    106
                                                                                    105
                                                                                    104

100                                                                                 105
                                                                                    104
                                                                                    103
 100
                                                                                    104
                                                                                    103
                                                                                    102

 95                                                                                 103
                                                                                    102
                                                                                    101
  95
                                                                                    102
                                                                                    101
                                                                                    100

 90                                                                                 101
                                                                                    100
                                                                                     99
  90
   1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018                                 1       3        5       7       9      11       13       15      17    19    21
    1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018                          100
                                                                                     99
                                                                                           1       3       5       7       9      11      13        15      17    19    21
            b)
             b)Anzahl
               Anzahlananbeschäftigten
                          beschäftigtenPersonen
                                       Personen
                                                                                     99
b) Anzahl an beschäftigten Personen                                                       1 2009
                                                                                    b) 01.04.       5 b) 01.04.2009
                                                                                               3 - 01.10.2011
                                                                                                         7    9    11- 01.10.2011
                                                                                                                          13   15                           17    19    21
   01.01.1999=100                                                                   10301.04.2009=100 b) 01.04.2009 - 01.10.2011
                                                                                    103                        b) 01.04.2009 - 01.10.2011
120
 120
                                                                                    103
                                                                                    102
115
 115                                                                                102
110
 110                                                                                102
                                                                                    101
105                                                                                 101
 105
                                                                                    101
100                                                                                 100
 100
                                                                                    100
 95
  95                                                                                100
                                                                                     99

–                                               –
 90
  90                                                                                 99 1         3        5       7       9      11       13       15      17    19    21
   1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018
    1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018                              1          3       5       7       9      11      13        15      17    19    21
                                                                                     99
                                                                                        1        3
         Deutschland                                     Frankreich
                                                                                     c) 01.04.2003    - 501.01.2008
                                                                                                              7   9               11      13        15      17    19    21

Quellen: EZB ; Macrobond.
          Deutschland                                                                  c)01.04.2003
                                                                                    c)105 01.04.2003- 01.01.2008
                                                                                                      - 01.01.2008
           Deutschland
          Frankreich                                                                     01.04.2003=100
           Frankreich                                                                c)
                                                                                     105  01.04.2003 - 01.01.2008
* 01.01.1999 = 100
 * 01.01.1999 = 100                                                                 104
                                                                                    105
      Aus
Quellen:       diesen
                 Befunden ergeben sich zwangs-
         EZB; Macrobond.                                                            104
Quellen: EZB; Macrobond.
                                                                                    103
läufig Schlussfolgerungen für die durchschnittli-                                   104
                                                                                    103
che Arbeitszeit pro Kopf. Sie ist in Deutschland                                    102
                                                                                    103
merklich niedriger als in Frankreich. Schließlich                                   102
wird ein geringeres Arbeitsvolumen mit einer                                        101
                                                                                    102
                                                                                    101
höheren Beschäftigtenzahl realisiert. Dabei ist
                                                                                    100
in Deutschland ein nahezu stetig abnehmender                                        101
                                                                                    100
Trend zu beobachten. Dagegen ist in Frankreich                                       99
                                                                                    100
erst seit 2013 ein Rückgang ähnlicher Größenord-                                     99 1         3        5       7       9      11      13        15      17    19    21

                                                                                    –                                               –
                                                                                        1         3        5       7       9      11      13        15      17    19    21
nung zu verzeichnen. Diese Tendenzen sind Aus-                                       99
druck der relativ hohen Bedeutung von Teilzeit-                                         1          3     5
                                                                                                Deutschland    7           9      11      13        15      17    19    21
                                                                                                Deutschland
                                                                                                Frankreich
arbeit in Deutschland. Diese wird vor allem von                                               Deutschland
                                                                                                Frankreich
                                                                                     Quellen: EZB; Macrobond.
                                                                                                                                               Frankreich
Frauen freiwillig oder unfreiwillig gewählt. Mit                                                Deutschland
                                                                                     Quellen: EZB; Macrobond.
                                                                                                Frankreich
Blick auf die Beschäftigtenzahlen verstärkt der                                     Quellen:  EZB ;Macrobond.
                                                                                     Quellen: EZB;  Macrobond.
Trend zur Teilzeit den Vorsprung Deutschlands.

IMK Policy Brief November 2018   Seite 7
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
                                                                                     76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander                         76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
76,571 mm = 3-spaltig - 2 Grafiken & 3-spaltig untereinander
                                                                      Abbildung 10                                     Überschrift                  Abbildung 11
                                                                                                                       Überschrift
                                                                                                                       Überschrift
  Beschäftigung
Beschäftigung     (Personen)
              (Personen)      vornach
                         vor und  und nach  der Finanzkrise
  Beschäftigung   (Personen)  vor und der
                                      nachFinanzkrise
                                             der Finanzkrise                         Demographische Entwicklung und Arbeitsmarkt
                                                                                                     a) Bevölkerungsentwicklung
                                                                                                              a) Bevölkerungsentwicklung
             a) nach der Finanzkrise   (seit 01.04.2009)                                               a) Bevölkerungsentwicklung
             a) nach der(seit
a) nach der Finanzkrise   Finanzkrise  (seit 01.04.2009)
                              01.04.2009)                                            a) Bevölkerungsentwicklung
   01.04.2009=100                                                                     110
                                                                                        1999=100
                                                                                     110
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                                                                                     105
106                                                                                  100
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                                                                                     100
104                                                                                  100
104
                                                                                       95
102                                                                                    95
102                                                                                    95
100                                                                                    90
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                                                                                       901999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
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 98 1       4      7     10     13    16     19     22     25   28    31   34   37       1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
    1       4      7     10     13    16     19     22     25   28    31   34   37
                                                                                                          b) Arbeitskräftepotenzial
b) vor derb)Finanzkrise
              vor der Finanzkrise
                        (01.01.1999(01.01.1999
                                     - 01.01.2008)- 01.01.2008)                                           b) Arbeitskräftepotenzial
                                                                                     b) Arbeitskräftepotenzial
         b) vor der Finanzkrise (01.01.1999 - 01.01.2008)                                                 b) Arbeitskräftepotenzial
   01.01.1999=100                                                                      1999=100
                                                                                     112
110                                                                                  112
110                                                                                  110
                                                                                     112
                                                                                     110
108                                                                                  108
                                                                                     110
108                                                                                  108
                                                                                     106
                                                                                     108
106
106                                                                                  106
                                                                                     104
                                                                                     106
104                                                                                  104
104                                                                                  104
                                                                                     102
102                                                                                  102
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                                                                                     100
102
                                                                                     100
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–                                             –
100                                                                                   981999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
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    1      4     7 10           13    16     19     22      25 28     31   34   37
        Deutschland                                      Frankreich                  c)c)Partizipations-
                                                                                          Partizipations-und
                                                                                                          undBeschäftigungsquoten
                                                                                                              Beschäftigungsquoten
            Deutschland                                                               c)inPartizipations-
                                                                                           %              und Beschäftigungsquoten
Quellen: EZBDeutschland
            Frankreich
             ; Macrobond.                                                            c) Partizipations- und Beschäftigungsquoten
            Frankreich
 Quellen: EZB; Macrobond.                                                            85
Quellen: EZB; Macrobond.                                                             85
                                                                                     83
                                                                                     85
                                                                                     83
                                                                                     81
Der Arbeitsmarkt absorbiert hier offenkundig                                         83
                                                                                     81
                                                                                     79
stärker, und dies erklärt, warum der Beschäftig-                                     81
                                                                                     79
                                                                                     77
                                                                                     79
tenzuwachs in Deutschland höher war.                                                 77
                                                                                     75
                                                                                     77
    In dieses Gesamtbild fügen sich die konjunk-                                     75
                                                                                     73
                                                                                     75
turellen Beschäftigungsreaktionen während der                                        73
                                                                                     71
                                                                                     73
jüngsten Aufschwungsphasen. Noch vor gut ei-                                         71
                                                                                     69
                                                                                     71
nem Jahrzehnt (ab 2003) stieg die Zahl der Be-                                       69
                                                                                     67
                                                                                     69
schäftigten in Frankreich während des damaligen                                      67
                                                                                     65

                                                                                     –
                                                                                     67
Aufschwungs genauso stark wie in Deutschland                                         651999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
                                                                                     65 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
(4 %). Aber bereits in der kurzen Erholungsphase                                        1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
nach der Finanzmarktkrise stieg das Beschäfti-                                             Deutschland Partizipationsquote
                                                                                           Frankreich Partizipationsquote
gungsniveau in Deutschland dann etwas stärker                                              Deutschland Beschäftigungsquote
(2 % versus 1 %). Diese Trendwende setzte sich im                                          Frankreich Beschäftigungsquote
jüngsten Aufschwung fort, in dem die Beschäf-
tigung in Deutschland erneut spürbar stärker                                         Quellen: OECD ; Macrobond.
zunahm (Abbildung 9). Insgesamt lässt sich damit

IMK Policy Brief November 2018   Seite 8
76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik

                                                                        Reales BIP und inländische Nachfrage
                                                                                                           Abbildung 12
eine markant divergierende Beschäftigtenent-
wicklung vor und nach der Finanzmarktkrise in
den beiden Ländern feststellen (Abbildung 10).    Reales BIP und inländische Nachfrage
                                                  1999=100
     Dabei muss noch berücksichtigt werden,
dass die demographischen Verhältnisse beider 140
Länder durchaus unterschiedlich waren. Bis 2011
nahm zwar die Gesamtbevölkerung in Frankreich 130
zu, während sie in Deutschland rückläufig war.
Allerdings übertrug sich dieser divergierende Ef-
                                                  120
fekt nicht im selben Ausmaß auf das Erwerbs­
personenpotenzial.  2 Trotzdem bedeutet die im
Vergleich zu Deutschland stärker zunehmende 110
Zahl der Erwerbsbevölkerung, dass die Absorp-
tionserfordernisse an den französischen Arbeits-

                                                         –
                                                  100
markt stärker zugenommen haben als für den            1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
deutschen Arbeitsmarkt. Seit 2011 haben sich die-
se Tendenzen jedoch wieder verändert. Während             inländische Nachfrage Deutschland
                                                          inländische Nachfrage Frankreich
in Frankreich das Arbeitsangebot fast stagniert, Quellen: BIP Eurostat;
                                                               DeutschlandMacrobond.
nimmt es in Deutschland nun kräftig zu (Abbildung         BIP Frankreich
                                                  Fußnote: 01.01.1999 = 100
11). Vor diesem Hintergrund wäre vor 2011 eine
                                                               BIP Deutschland
tendenziell höhere Arbeitslosigkeit in Frankreich Quellen: Eurostat;
                                                               BIP Frankreich
                                                                     Macrobond.
als in Deutschland wenig überraschend, während     76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik
                                                               inländische Nachfrage Deutschland
seit 2011 der umgekehrte Fall plausibler wäre.                 inländische Nachfrage Frankreich
                                                                     Exportentwicklung seit Beginn der
                                                                                                   Abbildung 13
                                                                             Währungsunion
DER BALANCIERTE AUFSCHWUNG                               Exportentwicklung seit Beginn der Währungsunion
                                                         01.01.1999=100
Im vorigen Jahrzehnt, mit Auswirkungen teil­weise        300
bis heute, war in der deutschen Wirtschafts­politik
das einseitige Narrativ dominierend, Deutschland
                                                         250
sei eine kleine offene Volkswirtschaft, die im glo-
balen Standortwettbewerb allein mit überlege-
nen Angebotsbedingungen gesamtwirtschaftlich             200
er­folg­reich sein könne. Diese Sichtweise wurde
vor allem vom Sachverständigenrat und Hans-
                                                         150
Werner Sinn propagiert (SVR 2002; Sinn 2003).
In der Logik einer solchen Erzählung ist gesamt-

                                                         –                                              –
wirtschaftlicher Erfolg im Kern stark an die Ex-         100
                                                               1999 2001 1003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018
porte gekoppelt. Sie allein dienen als Ausweis
des Erfolgs im globalen Standortwettbewerb.                       Deutschland                               Frankreich
                                                                 Deutschland
Folglich musste die heimische Wirtschaftspolitik
vor allem wettbewerbsfähig sein und Exporterfol-                  Frankreich
                                                         Quellen: Eurostat; Macrobond.
                                                          * 01.01.1999 = 100
ge erzeugen. Eine florierende Binnennachfrage –
basierend auf einkommens­starken Verbrauchern             Quellen: Eurostat; Macrobond.
und innovativen Unternehmern – fehlte im neo-            ist das Ergebnis mit Blick auf Binnennachfrage
liberalen Dogma der deutschen wirtschaftspoli-           und Ausfuhren letztlich nicht überraschend (Ab-
tischen Beratungen um die Jahrtausendwende               bildungen 12 und 13).
vollends. In Frankreich war diese Sichtweise bei              Seit Beginn des vorigen Jahrzehnts, und le-
weitem nicht so prägend (Piketty 2017). Insofern         diglich durch die Finanzmarktkrise unterbrochen,
                                                         haben die Ausfuhren der deutschen Wirtschaft
                                                         immer stärker zugenommen als jene Frankreichs
 2 Jeweils gemessen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren
                                                         (Abbildung 13). Das heißt, angesichts des in etwa

IMK Policy Brief November 2018   Seite 9
gleichen Wachstums insgesamt, war Deutsch-             im vorigen Jahrzehnt deutlich ab. Zeitweise wa-
land immer stärker von der Auslandskonjunktur          ren die Löhne pro Stunde sogar leicht rückläu-
abhängig, was auch den wesentlich stärkeren            fig. Dies war das Ergebnis nicht nur der Arbeits-
Einbruch während der Finanzmarktkrise verur-           marktreformen jener Zeit, sondern des schon län-
sacht hat. Umgekehrt erklärt das auch den stärke-      ger anhaltenden Drucks auf den Lohnbildungs-
ren Impuls mit der globalen Erholung nach dieser       prozess (Dustmann et al. 2014). Er war gleichsam
Krise. Dies kann als ein globaler Nachfrageeffekt      wirtschaftspolitischer Ausdruck des seinerzeit
gesehen werden, der der deutschen Wirtschaft           vorherrschenden Narrativs einer mangelhaften
                                                        76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik
vor allem wegen ihres hohen Anteils an Investi-        deutschen Wettbewerbsfähigkeit, deren Wieder-
tionsgütern während des globalen Aufschwungs
zugute kam (Horn und Lindner 2016). Mit Blick                                                                           Abbildung 14
auf den Vergleich zur französischen Wirtschaft                                     Nominale Stundenlöhne
wäre dies ein unproblematisches Ergebnis, in           Nominale Stundenlöhne01.01.1999 = 100
dem lediglich eine unterschiedliche Wirtschafts-       01.01.1999=100
struktur zum Ausdruck käme, die für die beiden
                                                       170
Volkswirtschaften je nach globaler Wirtschafts­
lage Vor- und Nachteile hätte.                         160
     Die hohen Exporte bei gleichzeitig prägnant
                                                       150
schwacher Binnennachfrage sind auch das Er-
gebnis einer Angebotspolitik, die auf dem oben         140

geschilderten Narrativ beruht. Diese war keines-       130
wegs neutral mit Blick auf die französische Wirt-
                                                       120
schaftslage, sondern hat ihr geschadet. Das gilt
bis zur Finanzmarktkrise. Danach ist ein Bruch         110
mit dieser wirtschaftspolitischen Strategie vollzo-

                                                       –                                              –
                                                       100
gen worden, der sich für Deutschland sehr posi-           1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018
tiv ausgewirkt hat, ohne aber Frankreich bisher
hinreichend zu nutzen.                                       Deutschland
                                                                Deutschland                               Frankreich
                                                       Frankreich
     Im Kern lassen sich zwei Gründe für die relativ
positive Beschäftigungstendenz seit der Finanz-        Quellen: EZB ; Macrobond.
marktkrise in Deutschland erkennen. Der erste          Quellen: EZB; Macrobond.
ist, dass Deutschland den Konjunktureinbruch im        76,571 mm = 3-spaltig / 1 Grafik & 3-spaltik

Gefolge der Finanzmarktkrise durch stabilisieren-
de Maßnahmen vor allem auf dem Arbeitsmarkt
                                                                                                                        Abbildung 15
wesentlich besser bewältigte als Frankreich. Der                                    Lohnstückkosten
zweite Grund ist ein seit der Finanzmarktkrise
binnen- und außenwirtschaftlich balancierterer         Lohnstückkosten                        1999=100
                                                       1999=100
Aufschwung, bei dem anders als in den voran-
gegangenen Aufschwüngen auch dem privaten              150
Konsum eine entscheidende Rolle zukommt und
eben nicht nur den Exporten.                           140

     Es geht dabei um die preisliche Wettbewerbs-
                                                       130
fähigkeit, die in einem engen Zusammenhang mit
den Lohnstückkosten, also dem Verhältnis von           120
Entlohnung zur Produktivität, steht. Im Mittel-
                                                       110
punkt steht dabei zunächst die Lohnentwicklung
in beiden Ländern. Hier zeigen sich bedeutsame         100
Unterschiede. Etwa zwei Jahre nach Beginn der

                                                       –                                              –
Währungsunion haben sich die deutsche und die           90
                                                          1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017
französische Lohnentwicklung voneinander ab-
gekoppelt (Abbildung 14). Während in Frankreich                Deutschland                                Frankreich
                                                                  Deutschland
die Lohn­ entwicklung einem stetigen Aufwärts-                 Euroraum                                   EZB-Ziel von 2 % p.a.
                                                                    Frankreich
pfad folgte, schwächte sie sich in Deutschland                    EZB-Ziel
                                                       Quellen: Eurostat;   von 2% p.a.
                                                                          Macrobond.
                                                                    Euroraum

IMK Policy Brief November 2018   Seite 10              Quellen: Eurostat; Macrobond.
gewinnung merkliche Lohnkostensenkungen er-                                  beschrieben, ist dies wegen der beschäftigungs-
 forderlich mache.                                                            mindernden Schwäche der Binnennachfrage
 Diese Strategie erschien aus deutscher Sicht zu-                             keine Erfolgsgeschichte; schon gar nicht aus
 nächst erfolgreich. Denn die Produktivitätsent-                              der Sicht des Euroraums als Ganzes und speziell
 wicklung war in beiden Ländern bis Mitte des                                 Frankreichs. Für Frankreich war es eine schwe-
 vorigen Jahrzehnts nicht sehr unterschiedlich. Im                            re Hypothek (Horn et al. 2005). Schließlich ist
 Aufschwung unmittelbar vor der Finanzmarkt-                                  dies eine Strategie realer Abwertung innerhalb
 krise zeigte die französische Wirtschaft jedoch                              des Euroraums. Das ist kein Problem, wenn es
 Schwächen. Seitdem erhöht sich die Produk-                                   zuvor eine Überbewertung gegeben hätte, die
 tivität in Frankreich deutlich langsamer als in                              korrigiert werden musste. Ist dies aber nicht
 Deutschland, wo sie in nahezu unvermindertem                                 der Fall, sind Friktionen eines destabilisierenden
 Tempo weiter steigt (Abbildung 6).                                           Abwertungswettlaufs innerhalb des gemein-
         Mit dieser Kombination aus schwacher Lohn-                           samen Währungsraums unvermeidlich. Dieser
 und trendmäßiger Produktivitätsentwicklung in                                wird von vielen sogar als existenzbedrohend für
 Deutschland sowie trendmäßiger Lohn- und re-                                 die gemeinsame Währung angesehen. Auf die-
 lativ schwächerer Produktivitätsentwicklung in                               se Problematik ist an vielen Stellen in den ver-
 Frankreich war offenkundig, dass die deutsche                                gangenen Jahren hingewiesen worden (Eichen-
 Wirtschaft einen im Vergleich zu Frankreich merk-                            green 2010; Storm und Nastepaad 2014; Stiglitz
 lich niedrigeren Lohnstückkostenpfad eingeschla-                             2016). Diese Untersuchungen basieren auf der
 gen hatte. Auch im Vergleich zum Euroraum als                                Prämisse, dass es einer solchen Korrektur im
 Ganzes blieb Deutschland mit Blick auf die Kos-                              Falle Deutschlands nicht oder höchstens in ei-
 tenbelastung durch Löhne bis zur Finanzmarktkri-                             nem deutlich geringerem Umfang bedurft hät-
 se weit zurück (Abbildung 15). Dies schlug sich dann                         te. Hierfür spricht in der Tat vieles. So war das
 in einer entsprechend niedrigeren Inflation nieder.                          Leistungsbilanzdefizit Deutschlands zu Beginn
 Mit anderen Worten, Deutschland gewann an                                    der Währungsunion von der Größenordnung her
 preislicher Wettbewerbsfähigkeit; in der Folge wa-                           nicht bedenklich, insbesondere wenn man die
 ren die Exporte Deutschlands entsprechend stark
Breite: 157,15 mm = 6-spaltig - 1 Grafik & 6-spaltig
                                                                              nachfolgenden quantitativ und qualitativ weit-
 und die Binnennachfrage entsprechend schwach.                                aus erheblicheren Leistungsbilanzüberschüsse
Leistungsbilanzsalden
         Anders als vielfach        der Länder    im im Euroraum
                                                      öffentlichen Diskurs    betrachtet (Abbildung 16).
in Mrd. EUR                                                                                                             Abbildung 16

 Leistungsbilanzsalden der Länder im Euroraum
 in Mrd. EUR

   500

                                                                                                                 Irland
   400                                                                                                           Italien
                                                                                                                 Portugal
                                                                                                                 Spanien
                                                                                                                 Österreich
   300                                                                                                           Belgien

   200
                                                                                                                 Deutschland

   100
                                                                                                                 Niederlande
     0
                                                                                                                 Griechenland
                                                                                                                 Frankreich
  -100
Quelle:
  -200
Quellen: Macrobond (AMECO); Berechnungen des IMK (Datenstand 13.03.2018).
  -300
      1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

 Quellen: Macrobond (AMECO ); Berechnungen des IMK (Datenstand 13.03.2018).

 IMK Policy Brief November 2018   Seite 11
Gleichzeitig zeigen weder die Inflations- noch   die Einkommensentwicklung relativ stabil. Dies
die Lohnstückkostentwicklungen in Deutschland         wiederum führte, anders als es während dieses
ein Kosten- und damit ein Wettbewerbsproblem          Zeitraums in anderen Volkswirtschaften zu be-
an. Vor diesem Hintergrund war die reale Abwer-       obachten war, zu einer vergleichsweise stabilen
tung verfehlt. Auch der Rückgriff auf frühere, tat-   Konsumentwicklung.
sächlich erhebliche Kostensteigerungen im Um-              Mit der als Stabilisierungspolitik erfolgreichen
feld der deutschen Wiedervereinigung ist nicht        Stimulanz des Konsums richtete sich, ohne dass
hilfreich. Denn die Währungsumstellung von DM         dies in nennenswertem Umfang Gegenstand öf-
zu Euro hat diesen seinerzeit durchaus vorhande-      fentlicher Diskurse war, die Wirtschaftspolitik in
nen Kostendifferenzen Rechnung getragen, was          Deutschland neu aus. Stand im vorigen Jahrzehnt
auch in dem einsetzenden Abbau des Leistungs-         im Mittelpunkt der Bemühungen, durch Druck
bilanzdefizits zum Ausdruck kam. Bereits 2001         auf die Löhne mittels Arbeitsmarktreformen die
war die Leistungsbilanz Deutschlands wieder           preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und
ausgeglichen. Das einzig verbleibende Argument        damit die Exporte zu steigern, rückte nunmehr
der Befürworter einer realen Abwertungsstrate-        das Ziel einer kräftigeren Binnennachfrage in
gie war die seinerzeit absolute und auch im Ver-      den Vordergrund. Aus dieser Warte erscheinen
gleich nicht zuletzt zu Frankreich hohe Arbeitslo-    Lohnsteigerungen nicht mehr als Bedrohung
sigkeit in Deutschland.                               wirtschaftlicher Aktivität, sondern als deren Trei-
                                                      ber. Mit höheren Reallöhnen erweitern sich die
                                                      Konsum­  möglichkeiten der privaten Haushalte.
                                                      Dies führt zu einer verstärkten Binnennachfrage
DER HEIMLICHE PARADIGMENWECHSEL                       mit höherer Beschäftigung und höheren Einnah-
IN DEUTSCHLAND UND DER                                men des Staates. Diese Effekte sind nicht nur das
                                                      Produkt theoretischer Überlegungen, sondern
ÖFFENTLICHE IN FRANKREICH                             lassen sich in Deutschland seit 2011 Jahr für Jahr
Seit der Finanzmarktkrise, und insbesondere in        beobachten. Dieser Tugendkreislauf wirkt, so
der Phase der unmittelbaren Erholung, entwickel-      lange wie die Lohnsteigerungen die preisliche
te sich ein merklicher Vorsprung der deutschen        Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden, was in
Wirtschaft. Dies ist insofern bemerkenswert, als      Deutschland derzeit erkennbar nicht der Fall ist.
während der Finanzmarktkrise die Produktivi-               Dieser Strategiewechsel ist, wie auch die mit
tät in Deutschland drastisch eingebrochen war,        den zuvor dominierenden neoliberalen Vorstel-
während sie in Frankreich vergleichsweise wenig       lungen unvereinbarenden Stabilisierungsmaß-
abnahm. Hier zeigt sich eine wesentliche Beson-       nahmen, nie Gegenstand eines nennenswerten
derheit der deutschen Wirtschaft im Vergleich zur     öffentlichen wirtschaftspolitischen Diskurses in
französischen. Es geht um externe versus interne      Deutschland gewesen. Er vollzog sich gleichsam
Flexibilität. Unter ersterer versteht man die Mög-    unterhalb des Radars öffentlicher Aufmerksam-
lichkeit, rasch durch Entlassungen von Arbeits-       keit. Das erklärt, warum in öffentlichen Debatten
kräften auf konjunkturelle Krisen reagieren zu        immer noch das Narrativ des Beschäftigungs-
können. Letztere hingegen bezeichnet die rasche       wachstums dank der schöpfenden Kraft der neo-
Verkürzung von Arbeitszeiten in Schwächepha-          liberalen Arbeitsmarktreformen dominiert, ob-
sen. Ersteres verlagert die Krisenfolgen auf den      wohl es mit der aktuellen wirtschaftspolitischen
externen Arbeitsmarkt (Horn et al. 2013). Letzte-     Realität nur noch wenig zu tun hat.
res belässt sie intern im Unternehmen. Im Ergeb-           Dieser Teil des öffentlichen Diskurses wird
nis wird im ersten Fall die Produktivitätsentwick-    aber sehr wohl in Frankreich wahrgenommen.
lung nur wenig belastet, während sie im zweiten       Daher werden die Arbeitsmarktreformen in
stark unter Druck gerät.                              Deutschland vielfach als ein Vorbild für Frank-
    Was unter dem Blickwinkel der Produktivität       reich gesehen, um den gleichen Wachstumspfad
als Belastung erscheint, ist aus der Perspektive      wie die deutsche Volkswirtschaft zu erreichen
der Beschäftigungsentwicklung ein klarer Vorteil.     (DIW 2017, FAZ 2017). In Frankreich hat sich hie-
Dies hat mit der konjunkturellen Stabilisierungs-     rüber eine kontroverse öffentliche Debatte entfal-
wirkung einer derartigen Flexibilität zu tun. Trotz   tet. Und in der Tat könnte eine Veränderung der
des massiven Einbruchs der Produktion blieb           Machtbalance am Arbeitsmarkt, die zu Lasten der
die Beschäftigung erhalten. Damit blieb auch          Gewerkschaften geht, zu merklich schwächeren

IMK Policy Brief November 2018   Seite 12
Lohnzuwächsen führen. Dies ist nicht nur, wie                    in Frankreich die Macht­balance auf dem Arbeits-
oben gezeigt, überflüssig, sondern auch schäd-                   markt erhalten. Sinnvoll wäre es, wenn auf dem
lich. Denn auf diese Weise würden die Löhne in                   französischen Arbeitsmarkt die interne Flexibilität
Deutschland und in der übrigen Währungsunion                     in Gestalt variablerer Arbeitszeiten gestärkt wer-
erneut unter Druck geraten. Es bestünde die Ge-                  den könnte. Dies würde helfen, die Absorbtions-
fahr weiterer interner Abwertungsrunden, die am                  fähigkeit des Arbeitsmarktes zu steigern.
Ende die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und                          In Deutschland sollte hingegen der eingeschla­
damit Wachstum, Beschäftigung und Preisstabi-                    gene Weg konsequent fortgesetzt werden. Insbe-
lität im ganzen Euro­raum belasten würden. Die-                  sondere gilt es, durch expansive Fiskal- und Lohn-
se Gefahr kann aber gebannt werden, wenn die                     politik den Inflationspfad zurück auf die Ziellinie
gesamtwirtschaftlichen Vorstellungen des franzö-                 der EZB zu bringen. Erst wenn dies gelungen ist,
sischen Präsidenten für die Währungsunion um-                    sollte wieder ein ruhigeres Tempo bei Löhnen und
gesetzt werden und seine Arbeitsmarktreformen                    Staatsausgaben angestrebt werden.

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IMK Policy Brief November 2018   Seite 13
Impressum

Herausgeber
Hans-Böckler-Stiftung, Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf, Deutschland
Telefon +49 211 7778-312, imk@boeckler.de, www.imk-boeckler.de

Autoren
Prof. Dr. Gustav A. Horn, gustav-horn@boeckler.de
PD Dr. Sebastian Watzka, sebastian-watzka@boeckler.de

Der IMK Policy Brief ist als unregelmäßig erscheinende Online-Publikation erhältlich über
http://www.boeckler.de/imk_5036.htm

ISSN 2365-2098

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