Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung

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Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
HERBST 2021

Bohren in die Urge-
schichte Hallstatts
FORSCHUNG

                             KinoSaurier –
                             Die neue Ausstellung
                             TITELSTORY

            nhm trainiert
            Astronautinnen
            PORTRAIT
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
2

         An alle,
         die eine neue
         Perspektive
         suchen.

                                                                                                                                                   © Julian Schmidt

                                                                 B E Z A H LT E A N Z E I G E

    Medieninhaber: Naturhistorisches ­Museum Wien, w. A. ö. R., Burgring 7, 1010 Wien |         Gedruckt nach der Richtlinie »Druckerzeugnisse«
    Konzept: ­Capitale Wien | Produktion: Gerin Druck GmbH, 2120 Wolkersdorf |                  des Österreichischen Umweltzeichens, Gerin Druck
    Herausgeber: Andreas Kroh & Andrea Krapf | Technische Unterstützung:                        GmbH, Wolkersdorf, UW-Nr. 756
    Josef Muhsil-Schamall | Redaktion: Stefan Eichert, ­Andreas Hantschk,
    Christoph Hörweg, Stefanie Jovanovic-Kruspel, Irina Kubadinow                               PEFC zertifiziert
                                                                                                Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig
    Link zur Offenlegung gem. §25 MedienG: www.nhm-wien.ac.at/impressum
                                                                                                bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen
                                                                                                www.pefc.at
    Titelbild: Allosaurus fragilis, Abguss des Schädels, 150 Millionen Jahre, Utah, USA,
    Foto: Alice Schumacher.

    Foto Rückseite: Christina Rittmannsperger
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
Liebe Leserin,
                                                              I N H A LT

lieber Leser,
                                                                  4
»Hätte hätte Fahrradkette…« Hätte vor                      TITELSTORY

66 Millionen Jahren nicht ein Mete-                        KinoSaurier –
                                                      Faszination Dinosaurier
orit die Erde getroffen und zu einer
Klimakata­s­trophe geführt, wären die                             8
großen Saurier nicht ausgestorben und                        PORTRAIT
                                                           NHM trainiert
Menschen hätte es nie gegeben. Sie
                                                          Astronautinnen
würden nicht hier stehen und den ers-
ten originalen europäischen Dinosaurier                           11
des NHM, Plateosaurus, bewundern und                     ZAHLENSPIELE
                                                            Dinosaurier
denken: ja, warum eigentlich werden die
Tiere ohne Federn dargestellt, obwohl                            12
sie ja eng mit den Vögeln verwandt sind?                  EINST & JETZT
Die Aussagen des gerade veröffentlich-                Zwischen Mythologie &
                                                           Wissenschaft
ten Berichtes des Weltklimarates (IPCC)               Von Sauriern und Nixen
beinhalten auch ein »hätte«. Wenn wir
nicht wollen, dass unsere Enkel*innen                            14
sagen: »Hätten unsere Vorfahren nach-                     AU S ST E L LU N G
                                                    Die neue Dauerausstellung im
haltiger gelebt, dann hätten wir nicht die                  Narrenturm
Häuser an den Küsten und Flüssen ver-
lassen, nicht vor Feuer und Dürre fliehen                        18
                                                          AU S ST E L LU N G
müssen«, dann muss jetzt etwas getan
                                                      Steinsalz bis Rauchquarz:
werden.                                                 Minerale Österreichs

Das NHM hat mit dem Österreichischen                             20
Umweltzeichen einen weiteren Schritt                       FORSCHUNG
für mehr Nachhaltigkeit getan, es wird               Neues vom Hallstätter See
nicht der letzte sein. Gehen Sie mit
uns diesen Weg, beteiligen Sie sich an
                                                                 22
                                                          V E R M I T T LU N G
den Diskursen und partizipativen For-                         DinoKino
schungsprojekten.
                                                                 23
                                                          KIDS’ CORNER
                                                    …als die Bilder laufen lernten

Katrin Vohland (Generaldirektorin)
                                                           IMPRESSUM
Markus Roboch (wirtschaftlicher ­Geschäftsführer)     gegenüberliegende Seite
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TITELSTORY

    KinoSaurier –
     Faszination
     Dinosaurier
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Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
Das Bild vom Dinosaurier ken-                                             Zum Beispiel?
  nen schon Kindergartenkinder.                                             Göhlich: Das Skelett eines Tyrannosaurus
                                                                            rex: zwei lange Beine und zwei kurze Ärm-
Es ziert ihre Socken, Hauben und
                                                                            chen. So einen T. rex aufzustellen ist von der
Zahnputzbecher. Dinos gibt es als                                           Statik her nicht einfach. Man hat also früher
 süß-saure Gummi-Nascherei, als                                             den Schwanz känguruartig als Stütze auf
  Spielzeugfigur … und als Film-                                            den Boden gelegt. Die ersten Stop-Motion-
 stars. Was uns an diesen Wesen                                             Filme zeigen den Dino immer auf diese Art.
                                                                            Mair: Oder die Langhalssaurier: die waren
 aus einer fernen Zeit so anzieht,
                                                                            früher giraffenähnlich dargestellt. Inzwi-
darüber sprachen wir mit der Mu-                                            schen weiß man, dass das nicht der Realität
seumspädagogin Agnes Mair, und                                              entspricht: So hätten sie nämlich ein mas-
der Paläontologin Ursula Göhlich:                                           sives Blutdruckproblem gehabt. Die meis-
                                                                            ten Langhalssaurier trugen ihren Hals und
    Interview: Redaktionsteam »Naturhistorisches«                           Schwanz horizontal auf Körperhöhe, so dass       5
          Fotos: Christina Rittmannsperger                                  Kopf nicht sehr viel höher als der Körper war.

                                                                            Haben die Filmemacher immer den Stand
Finden wir Dinos so spannend, weil sie für          auf der linken Seite:   der Wissenschaft beachtet?
etwas stehen, das es nicht mehr gibt? An            Agnes Mair (links)      Göhlich: Nein, das sieht man bei »Jurassic
                                                    und Ursula Göhlich
der Grenze zu Fabelwesen?                                                   Park« gut: Der erste Teil kam 1995 in die Ki-
                                                    (rechts) im Dinosaal
Mair: Die Saurier regen einfach unsere Fan-         des NHM                 nos. Ein Jahr später hat man die Überreste
tasie an. Gerade für Kinder ist bei Dinos al-                               der ersten gefiederten Saurier gefunden.
les möglich. Aber auch wir Erwachsenen                                      Beim zweiten Teil hätte man das schon be-
sind empfänglich für diese geheimnisvollen                                  rücksichtigen können. Aber bis heute hat
Wesen und drücken ein Auge zu, wenn die                                     keiner der Film-Saurier Federn. Weil sie das
»Dinomania« unserer Kinder scheinbar alle                                   Tier fluffig und niedlich machen würden,
Grenzen sprengt.                                                            nicht wild und gefährlich.
Göhlich: Irgendwie erinnern sie ja an Dra-
chen, vor allem die Flugsaurier. Warum Di-                                  Der Zirkusdompteur bei »Gertie the dino-
nosaurier so sehr faszinieren, hängt wahr-                                  saur« spielt auf die Vorstellung an, dass der
scheinlich auch mit der Größe zusammen.                                     Mensch die Krone der Schöpfung ist. Wie
Von gigantisch groß bis ganz klein.                                         spiegelt die Sicht auf Dinos den Wandel
                                                                            unseres Weltbilds wieder?
Welche Rolle spielen Filme dabei?                                           Göhlich: Früher sahen wir uns an der Spit-
Göhlich: Eine prägende. Wir zeigen in unse-                                 ze der Evolution und alles davor konnte ei-
rer Ausstellung Beispiele, die exemplarisch                                 gentlich nur »primitiv« gewesen sein. Aus-
für bestimmte Filmepochen stehen. So ent-                                   gestorbene Arten wurden als »Fehlversuche
stand etwa 1914 »Gertie the dinosaur« als Zei-                              der Natur« interpretiert.
chentrick, der ersten Möglichkeit die Tiere                                 Die Leute machten und machen sich nicht
filmisch darzustellen. Der Illustrator hat sich                             bewusst, dass die Dinosaurier mehr als 180
eine Handlung ausgedacht, in der er selbst                                  Millionen Jahre existiert haben und wir
mitspielt. Er steht verkleidet als Zirkusdirektor                           Menschen gerade einmal drei Milliönchen
vor der Leinwand und interagiert mit dem Tier.                              auf dem Buckel haben. Dinosaurier waren
Mair: Unsere Ausstellung zeigt auch, wie                                    eine enorm erfolgreiche Gruppe. Da kön-
sich das Medium Film historisch entwickelt                                  nen wir einpacken.
hat. Wie wurden die Knochen zum Leben
erweckt? Das beginnt beim Zeichentrick
und reicht bis zu Computergeneriertem. Pa-                   »Die Saurier regen
rallel dazu lässt sich vergleichen, wie sich die
Erkenntnisse der Forschung erweitert ha-
                                                              unsere Fantasie an.«
ben und Eingang in die künstlerische Um-                        Mag. Agnes Mair, Museumspädagogin
setzung fanden.
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
TITELSTORY

    Sieht man das auch im Film?
    Göhlich: Ja, in frühen Darstellungen wir-             »Dinosaurier waren eine
    ken sie ein bisschen dümmlich und plump.
    Aber in den jüngeren Filmen werden Dino-
                                                           enorm erfolgreiche Gruppe.
    saurier als durchaus intelligente Tiere dar-           Da können wir Menschen
    gestellt, die miteinander interagieren oder
    sogar strategisch vorgehen.
                                                           einpacken.«
    Mair: Dazwischen gab es eine Phase der                 Dr. Ursula Göhlich, Paläontologin
    Monsterfilme: Saurier haben auf einer In-
    sel, in der Wüste oder auf fremden Plane-
    ten überlebt. Wird ein Exemplar in die Stadt                   nämlich die Vögel. Sie haben sich im Laufe
    gebracht, zerstört es selbige in blinder Wut.                  der Zeit weiterentwickelt.
    Symbolisch für den Gegensatz von Wildnis
6   und Zivilisation.                                              Die Ausstellung »KinoSaurier« ist in Ko-
                                                                   operation mit dem Landesmuseum Han-
    Heute wissen wir, dass Evolution ganz an-                      nover entstanden. Was ist neu?
    ders funktioniert und zu jeder Zeit perfekt                    Mair: Wir haben die Ausstellung an unser
    an die Umwelt angepasste Formen hervor-                        Haus angepasst. Beispielsweise zeigen wir,
    gebracht hat. Was war also der Grund für                       wie sich die Darstellung der Saurier im Na-
    das Aussterben?                                                turhistorischen Museum über die Jahre ent-
    Göhlich: Es ist ein Zusammenspiel verschie-                    wickelt hat. Viele unserer Säle wurden ge-
    dener Faktoren. Vor 66 Millionen Jahren, am                    zielt für ihre Ausstellungsobjekte gestaltet.
    Ende der Kreidezeit, sind die letzten Dino-                    So hat im Sauriersaal der Bildhauer Rudolf
    saurier ausgestorben. Seit den 1980er Jah-                     Weyr entsprechenden Wandschmuck ge-
    ren mutmaßte man, dass ein Meteoriten-                         schaffen. Da gibt es Stuckfiguren mit Flug-
    einschlag dafür verantwortlich gewesen ist.                    und Fischsauriern (s. S. 12).
    Den Einschlagkrater in der Karibik, wo heute                   Göhlich: In der Sammlung haben wir etwa
    die Halbinsel Yucatán ist, hat man erst 1991                   50 Kleinmodelle von ausgestorbenen Tie-
    gefunden.                                                      ren aus Gips und viele Gemälde. Die wur-
    Neben anderen Tieren, wie Krokodilen,                          den damals als Auftragsarbeiten von Künst-
    Schildkröten und gewissen Säugetieren hat                      lern gemacht – auch zu Unterrichtszwecken
    eine Gruppe von Dinosauriern ja überlebt,                      an der Uni.

                                                                               Moderne Dino-
                                                                               Rekonstruktion des
                                                                               Paläoart-Künstlers
                                                                               Joschua Knüppe.
                                                                               Ein Vergleich mit
                                                                               einer älteren Dar-
                                                                               stellung eines Lang-
                                                                               halssauriers (S. 22)
                                                                               zeigt deutlich, wie
                                                                               sich die Vorstellung
                                                                               über die Kopfhal-
                                                                               tung geändert hat.
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
KinoSaurier
Mair: Diese Bilder haben wiederum Filme            Wenn Sie mehr über
beeinflusst.                                       die Dinos im Film
                                                   und den Wandel
Göhlich: Wir zeigen zum Beispiel ein Ge-
                                                   ihrer Darstellung
mälde vom Tyrannosaurus rex mit Leguan-            erfahren wollen,                            Fantasie & Forschung
Kopf und einen Cowboyfilm mit einer Sze-           besuchen Sie die
ne, wo ein Dinosaurier genauso aussieht wie        Ausstellung oder
                                                   erwerben sie unsere
auf einem der Bilder.
                                                   Broschüre.

Mit welchen Fragen beschäftigen sich Pa-
läontologen heute?
Göhlich: Dinosaurier galten ja lange als kalt-
blütige Tiere, weil sie Reptilien sind. Aber bis
so ein T. rex einmal aufgewärmt wäre, stün-
de der einen halben Tag in der Sonne und
wär’ schon halb verhungert. Verschiedens-                                                                                           7
te Faktoren deuten mittlerweile darauf hin,
                                                                                                                naturhistorisches
dass Saurier eine Art von Warmblütigkeit                                                                           museum wien

hatten.
Aktuell wird auch viel an der Körperfarbe
geforscht. Es gibt zwar Hautabdrucke und
oft ist Struktur gut erhalten. Wir wissen von
Federn und Schuppen, kleinen Pusteln, gro-
ße Platten, Stacheln und Höckern, aber bei
der Farbe wird es schwierig.                                             zuständig für alle ausgestorbenen Wirbel-
                                                                         tiere, mein Spezialgebiet sind aber fossile
Woher rührt ihre persönliche Begeiste-                                   Elefanten.
rung für Saurier?
Göhlich: Ich war gerade mit dem Paläon-                                  Was macht das Thema aus Sicht der Ver-
tologiestudium fertig, da kam 1995 der ers-                              mittlung besonders spannend?
te Teil von »Jurassic Park« ins Kino. Ich war                            Mair: Was mich bei dieser Ausstellung total
hingerissen und dachte mir: Ja genau, so ha-                             fasziniert, ist die Tricktechnik. Wie simpel,
ben die ausgeschaut! Das war damals schon                                aber handwerklich geschickt und durch-
wahnsinnig gut animiert. Jetzt habe ich ge-                              dacht diese Spezialeffekte sind. Etwa die
lernt, dass nur vier Minuten computerani-                                Minitaturstädte bei »King Kong« oder die
mierte Dinos zu sehen sind. Die meiste Zeit                              Stop-Motion-Figuren bei »Reise in die Ur-
über sieht man Modelle. Zum Beispiel, wenn                               zeit«. Wie man so Welten entstehen lassen
der T. rex ins Auto reinschaut.                                          kann – das imponiert mir. Oder wie alte Fil-
                                                                         me die neuen beeinflussen.
Und Ihre erste wissenschaftliche Begeg-                                  Göhlich: Im Film Jurassic Park sieht man
nung?                                                                    einmal in einem Labor einen Erklärfilm,
Göhlich: Ich habe mit einem Kollegen in                                  wie sie die Tiere klonen. Der einfache Zei-
einem Projekt tatsächlich einen Dinosau-                                 chentrickfilm, der dort läuft, ist ein Verweis
rier beschrieben und benannt. Ein kleiner                                auf »Gertie«. Diese Hommage sieht nur ein
Raubsaurier, der nennt sich Juravenator,                                 Filmwissenschaftler. Oder man lernt es im
der Jura-Jäger. Hier im NHM Wien bin ich                                 NHM Wien.

       »Was mich bei dieser Aus­
        stellung total fasziniert,                                           Informationen zur
                                                                             Sonder­ausstellung »KinoSaurier«
        ist die Tricktechnik.«                                               geöffnet ab 20. Oktober

          Mag. Agnes Mair, Museumspädagogin
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
PORTRAIT

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    NHM trainiert
    Astronautinnen
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
Wochenlang isoliert in einer
dunklen Höhle forschen?
Das kannte die NHM-Höh-
lenforscherin Pauline Ober-
ender schon. Jetzt half ihre
Erfahrung zwei angehen-
den Astronautinnen. Vier
Tage, sechs Menschen und
eine Flusshöhle in der Ober-
pfalz.

 Text: Redaktionsteam »Naturhistorisches«
            Fotos: Oliver Heil                                                                              9

Es ist dunkel und man ist isoliert,         Pauline Oberender       wir uns nur in virtuellen Treffen
abgeschnitten von der Außenwelt.            (Mitte) mit den an-     vorbereiten«, erklärt sie den Un-
                                            gehenden Astro-
Keinerlei Privatsphäre, kein Tag-                                   terschied. Erst drei Tage vor der
                                            nautinnen Suzanna
Nacht-Gefühl. Das kennen Astro-             Randall (links) und     Expedition lernte sie Insa Thie-
naut*innen und das wissen Höh-              Insa Thiele-Eich        le-Eich und Suzanna Randall per-
lenforscher*innen, wie Pauline              (rechts).               sönlich kennen. Die beiden wollen
Oberender. Sie wusste auch, dass                                    die ersten Frauen aus Deutschland
die Europäische Weltraumorga-                                       im Weltraum sein. Bei der ESA wa-
nisation (ESA) ihre Astronaut*in-                                   ren bisher überhaupt erst zwei
nen unter anderem in Höhlen auf                                     Frauen im Einsatz: 1996 absolvier-
ihre Weltraummissionen und die                                      te die Französin Claudie Haigneré
schwierigen Lebens- und Arbeits-                                    als Forschungskosmonautin ihren
bedingungen in einem Raumschiff                                     ersten Flug zur MIR-Station. Fünf
vorbereitet. Als ihr Forscherkol-                                   Jahre danach betrat sie als ers-
lege Oliver Heil sie kontaktier-                                    te Europäerin die Internationale
te, sagte sie spontan zu, vier Tage                                 Raumstation ISS. Die Italienerin
mit Mitgliedern der Karstgruppe                                     Samatha Cristoforetti, Rekordhal-
Mühlbach in der Mühlbachquell-                                      terin für Langzeitflüge von Frauen
höhle im bayrischen Dietfurt zu                                     im Weltall, wird im Frühjahr 2022
verbringen.                                                         sogar zum zweiten Mal als Vertre-
    Ganz neu war die Situation                                      terin Europas zur ISS aufbrechen.
für die Geografin am Naturhisto-                                    Diesmal übernimmt sie das Kom-
rischen Museum Wien ohnehin                 ­links: Astro­          mando. Und natürlich hoffen Insa
nicht. Drei Wochen lang war sie              naut*innen müssen      Thiele-Eich und Suzanna Randall
                                             viele Fähigkeiten
zum Beispiel schon in der vierttief-                                darauf, in solch ein Team berufen
                                             beherrschen – in der
sten Höhle der Welt im Kaukasus.             Höhle auch die Ein-    zu werden. Dafür heißt es erst ein-
»Aber in Corona-Zeiten konnten               seiltechnik.           mal Erfahrung sammeln.
                                                                        Zu den Vorbereitungen auf den
                                                                    Flug ins All gibt es für die ange-
                                                                    henden Astronautinnen einige
      »Die Bedingungen in der Höhle                                 Forschungsaufgaben: Gemeinsam
       sind hart. Neun Grad, dazu kommt                             mit den Wissenschaftler*innen su-
                                                                    chen sie kryogene, also durch Eis
       eine hohe Luftfeuchtigkeit.«                                 gebildete, Kalzit-Kristalle, die ent-
                                                                    standen sind, als in den Eiszeiten
        Dipl.-Geogr. Pauline Oberender
                                                                    Wasser in der Höhle gefror. Sie
Bohren in die Urge-schichte Hallstatts - KinoSaurier - Die neue Ausstellung
anspruchsvolles Programm be-
                                                                       wältigen müsse, meint Pauline
                                                                       Oberender. Das habe aber sehr gut
                                                                       funktioniert, erinnert sie sich. »In
                                                                       vertrauten, eingespielten Teams
                                                                       weiß man, wer ein Morgenmuf-
10                                                                     fel ist und wer regelmäßige Mahl-
                                                                       zeiten braucht, damit die Stim-
                                                                       mung nicht kippt«, fügt sie hinzu.
                                                                       »Aber wenn man vier Tage auf-
     nehmen Proben zur Datierung,                Die Mühlbachquell-    einander hockt, lernt man sich
     messen die Leitfähigkeit des Was-           höhle bietet ideale   rasch kennen.« Manchmal halfen
                                                 Bedingungen, um
     sers und die Temperatur. Außer-                                   dabei kleine Rituale, die sie sich
                                                 die von der Außen-
     dem wurden vor einigen Jahren in            welt abgeschnittene   ausdachten: »Am Abend haben
     einem Schlot Saurierknochen ge-             Situation bei Welt-   wir uns eine Tafel Schokolade ge-
     funden. Die saubere Dokumenta-              raummissionen zu      teilt und jede*r hat gesagt, was sie
                                                 simulieren.
     tion der Fundstelle führten nun                                   oder er an dem Tag gut fand und
     die zukünftigen Astronautin-                                      was herausfordernd oder unange-
     nen unter der Anleitung der For-                                  nehm war. Auch für mich waren
     scher*innen durch.                                                so ein offenes Gespräch und Resü-
         Die Bedingungen in der Höhle                                  mee des Tages neu. Aber es hilft,
     sind hart. Es herrscht eine Tempe-                                um sich bei der Teamarbeit besser
     ratur von neun Grad, dazu kommt                                   einschätzen zu können.«
     eine hohe Luftfeuchtigkeit. Klei-                                     Die Höhlensituation ist eine
     dung aus Merino-Wolle und was-                                    Herausforderung. Die ewige Dun-
     serdichte Spezialanzüge halten                                    kelheit strengt die Augen an. Stän-
     warm. Vom Biwakplatz, etwa ein-                                   dige hohe Konzentration wird ver-
     einhalb Stunden vom Höhlen-                                       langt. Darin ähneln sich Weltraum
     eingang entfernt, starten die täg-                                wie Flusshöhle. Dennoch möch-
     lichen Touren – schwimmend,                                       te Pauline Oberender ihre Arbeit
     kriechend und manchmal mit dem                                    nicht missen: »Es gibt nur wenige
     Schlauchboot.                                                     Institutionen, die sich mit Karst-
         Es sei eine spannende Erfah-                                  und Höhlenforschung wissen-
     rung, wenn man mit bislang un-                                    schaftlich beschäftigen. Das ist
     bekannten Menschen vier Tage                                      ein Alleinstellungsmerkmal hier
     unter die Erde gehe und dabei ein                                 am NHM Wien und für mich als
                                                                       Wissenschaftlerin wie ein Lotto-
                                                                       Sechser!«.

              »Wenn man vier Tage
               aufeinander hockt, lernt
                                                                       In ihrer Dissertation an der Uni Wien und der
                                                                       TU Wien beschäftigt sich Pauline Oberender

               man sich rasch kennen.«                                 mit Frostverwitterung als Höhlenbildungspro-
                                                                       zess. Sie untersucht, wie Frostsprengung das
                                                                       Gestein lockert, zum Herausbrechen bringt
                Dipl.-Geogr. Pauline Oberender                         und sich dadurch ein Hohlraum bildet.
ZAHLENSPIELE

         Text: Ursula B. Göhlich & Mathias Harzhauser
                Grafik: Josef Muhsil-Schamall                                 30,5            cm misst der
                                                                             längste bekannte Zahn eines
                                                                         Tyrannosaurus rex – zwei Drittel
                                                                       davon steckten im Kieferknochen.

Mit nur 39     cm
Länge von der Schnauze
                                                                          T. rex hatte bis zu 60 Zähne mit
                                                                              geriffelten Schneidekanten.
                                                                          Sie konnten mit einem einzigen
bis zur Schwanzspitze und weniger als 200 Gramm                          Bissen ca. 250 kg Fleisch aus der
war der Raubsaurier Parvicursor remotus der kleinste                         Beute reißen und bei Verlust
ausgewachsene Dinosaurier. Anchiornis huxleyi war                                            nachwachsen!
mit rund 35 cm Länge sogar noch kleiner, wird aber
von manchen Forscher*innen als Vogel gedeutet.
                                                                                                                 11

Der zweibeinig rennende
und befiederte Ornithomimus velox
konnte dank seiner langen und schlanken
Hinterbeine ziemlich schnell laufen, ähnlich
einem heutigen Strauß. Computermodelle
errechneten Spitzen­geschwindigkeiten von

60 80     bis        km/h.
Der lateinische Artname velox                                                      Drei bis zu     100     cm
bedeutet »schnell«.                                                       lange Krallen zierten die Hände des
                                                                 gefiederten Therizinosaurus cheloniformis.
                                                                  Trotz dieser furchteinflößenden Klauen war
                                                                 er vermutlich ein Pflanzenfresser. Er konnte
                                                                    sich auf seine Hinterbeine aufrichten und
Der Pflanzenfresser Giraffatitan brancai aus dem späten                  nutze seine langen Arme und Krallen
  Jura Afrikas ist mit seinen rund 22 Metern Länge zwar deutlich            wohl dazu, hochgelegene Zweige
          kürzer als Argentinosaurus, aber wegen seiner langen                                   zu erreichen.
             Vorderbeine und seines giraffenartig aufrechten Halses,
                der höchste Dinosaurier. Sein Kopf befand sich in ca.

                      13       m Höhe.

 Mit ca. 36     m Länge und 70–88 Tonnen Gewicht ist der Pflanzenfresser Argentinosaurus huinculensis
 der bis heute längste Dino­saurier. Er stammt aus der späten Kreide von Argentinien. Da jedoch nur Einzel-
           knochen, aber keine ganzen Skelette erhalten blieben, sind die Maßangaben Hochrechnungen.
EINST & JETZT

          Zwischen Mythologie &
               Wissenschaft
          Von Sauriern und Nixen
     Die Paläontologie ent-
     rätselt eigentlich Mythen
12   und Märchen der Erdge-
     schichte. Doch bei der De-
     koration des Sauriersaales
     verschwimmt die Grenze
     zwischen Mythologie und
     Wissenschaft ganz be-
     wusst. So öffnen sich Räu-
     me für noch Unbekanntes.

         Text: Stefanie Jovanovic-Kruspel
             Fotos: Alice Schumacher

     Als das Naturhistorische Museum        In künstlerischer
     Wien 1889 seine Tore öffnete, war      Freiheit stellte Weyr
                                            einen Fischsaurier
     die Paläontologie noch immer ein
                                            als einen kämpferi-
     junges Fachgebiet. Direktor Ferdi-     schen Drachen dar.
     nand von Hochstetter (1829–1884)
     richtete erstmals eine eigene Ab-
     teilung dafür ein und widmete ihr
     insgesamt fünf Schausäle.
         Der Figurenschmuck des heu-
     tigen Sauriersaales stammt vom
     österreichischen Bildhauer Ru-
     dolf Weyr (1847–1914). 1884 erhielt
     er den Auftrag für 24 Stuckfiguren,
     die die Entwicklung von Pflanzen
     und Tieren während der Erdge-
     schichte veranschaulichen sollten.
     Drei Figuren zeigen die Rekonst-
     ruktionen mesozoischer Tiere,
     also von Tieren des geologischen
     Erdmittelalters, das vor etwa 251,9    Fest im Griff der
     Millionen Jahren begann und vor        Figur im Saal 10
                                            scheint sich der
     etwa 66 Millionen Jahren ende-
                                            Flugsaurier dem
     te: einen Rhamphorhynchus, einen       Zugriff entziehen
     Plesiosaurus und einen Ichthyosau-     zu wollen.
»Weyr schuf eine
                   rus. Weyr stellte diese Kreaturen
                   als lebende und atmende Tiere dar.

 Mischung aus
                   Die Idee dazu kam aus England,
                   wo solche 3D-Rekonstruktionen

 Wissenschaft
                   bereits 30 Jahre zuvor von Benja-
                   min Waterhouse Hawkins (1807–

 und Fantasie.«
                   1894) in Kooperation mit Richard
                   Owen (1804–1892) für den Londo-
                   ner Crystal Palace geschaffen wor-
                   den waren.
                       Weyr hielt sich keineswegs
                   streng an wissenschaftliche Vor-
                   gaben. Er schuf eine Mischung aus
                   Wissenschaft und Fantasie. Die          13
                   Ichthyosaurier-Figur zeigt dies
                   eindrücklich: In den 1880er Jah-
                   ren glaubte man fälschlicherwei-
                   se, dass Skleralringe, eine ringför-
                   mige, knöcherne Verstärkung in
                   den Augenhöhlen, am lebenden
                   Tier von außen sichtbar gewesen
                   seien. Und obwohl man wusste,
                   dass der Schwanz des Ichthyosau-
                   riers eine Art Flosse besaß – die ge-
                   naue Form wurde erst 1892 durch
                   einen Fund bekannt – stellte Weyr
                   sein Exemplar mit einem spitzen
                   Echsenschwanz dar. Dadurch äh-
                   nelte es eher einem Drachen als ei-
                   nem Saurier.
                       Andere Figuren entstammen
                   gänzlich der Mythologie – vor al-
                   lem jene, die Meeresorganismen
                   darstellen, also Hybridwesen zwi-
                   schen Natur und Mensch: Meer-
                   jungfrauen, Wassermänner oder
                   so genannte »Green men«. Die-
                   se mythologischen Kreaturen be-
                   dienten nicht nur ein romantisches
                   Bedürfnis in der Kunst, sondern
                   bevölkerten auch die Fehlstellen
                   und Zwischenräume naturwis-
                   senschaftlichen Wissens. Spezi-
                   ell die Meeresmischwesen stehen
                   symbolhaft als fehlendes Binde-
                   glied für den damals noch wenig
                   erforschten Prozess, als Fische aus
                   dem Wasser kamen und zu Säuge-
                   tieren wurden. Weyr spielte damit
                   auf mythologische Weise auf die
                   Idee an, wie sich die Arten im Zuge
                   der Evolution verändern.
AU S ST E L LU N G

     Die neue Dauer-
      ausstellung im
14     Narrenturm

       Ausstellungsgestaltung
      in Zeiten einer Pandemie
Bis jetzt nur theoretisch und durch
Sammlungspräparate belegtes
Wissen um Pandemien erleben wir
nun direkt vor Ort. Seit Juli 2020 ist
die neugestaltete Dauerausstellung
der pathologisch-anatomischen
Sammlung im Narrenturm fertig.
Aber die Eröffnungsfeierlichkei-
ten mussten bereits zweimal pan-
demiebedingt verschoben werden,
am 7. September war es dann aber
endlich soweit!
                                                                                                                        15

               Text: Eduard Winter
   Fotos: Alice Schumacher & Wolfgang Reichmann

Der Begriff »pathologikós« findet sich be-        Nach mehr als              Mit mehr als 50.000 Präparaten ist die-
reits in der antiken Heilkunde beim römi-         230 Jahren ist         se pathologisch-anatomische Sammlung
                                                  eine Renovierung
schen Arzt Cornelius Celsus (25 v. Chr.–50                               eine der größten weltweit. Sie war immer auf
                                                  dringend nötig.
n. Chr.). Er bezeichnete damit eine »Per-                                dem Spitalsgelände aufgestellt. Nach der
son, die kundig im wissenschaftlichen Um-                                Schließung des Institutsmuseums 1971 wur-
gang mit Krankheit ist«. Allerdings dauerte                              den – sehr pragmatisch – die freistehenden
es bis ins 18. Jahrhundert, bis in Padua der                             Räume im benachbarten Gebäude, dem
Arzt Giovanni Battista Morgagni (1682–1771)                              Narrenturm, genutzt. Er war ursprünglich
mit seinem fünfbändigen Werk »De sedibus                                 als eine damals sogenannte »Irrenanstalt«
et causis morborum« (»Vom Sitz und den                                   konzipiert. Hier wurden erstmals psychisch
Ursachen der Krankheiten«) die pathologi-                                Kranke als Patienten behandelt.
sche Anatomie begründete. In mehr als 700                                    Seit 2012 zum NHM Wien gehörig, be-
Obduktionen zeigte er den Zusammenhang                                   gann die Generalsanierung des Gebäudes
von klinischen Symptomen und Erkenntnis-                                 und später die Neugestaltung der Schau-
sen bei der Sektion. Im Vordergrund stand                                sammlung. 2019 konnte bereits der erste
dabei die Beziehung zwischen Organen und                                 fertige Ausstellungsraum der Öffentlich-
dem Verlauf von Krankheiten.                                             keit präsentiert werden. Interessierte Besu-
    Im Zuge der Aufklärung wurde ab 1796                                 cher*innen verfolgten den Baufortschritt vor
auch in Wien eine pathologisch-anatomi-                                  Ort mit.
sche Sammlung angelegt. Diese Dokumen-
tation der Krankheiten des Menschen war
ursprünglich für Ärzte und Studenten der
Medizin gedacht. 1974 wurde die Sammlung          links: Der Narren-
aus dem universitären Betrieb ausgegliedert       turm in neuem
                                                  Gewand – frisch
                                                                            »Mit mehr als 50.000
und eine Schausammlung eingerichtet, die
auch Schüler*innen oder dem interessierten
                                                  renoviert wartet die       Präparaten ist diese
                                                  Ausstellung auf den
Laienpublikum offensteht.                         Besucheransturm.           pathologisch-anato­
                                                                             mische Sammlung
                                                                             eine der größten
                                                                             weltweit.«
Die pandemiebedingten Einschränkun-
     gen verlangten nach einer neuen Strate-
     gie für die weiteren Arbeiten an der Dauer-
     ausstellung. Das gemeinsame Ziel und die       »Pandemie-bedingt wurden
     digitalen Möglichkeiten führten zu einer
     intensiven, wenn auch ungewöhnlichen Zu-
                                                     die Vorbereitungen mit dem
     sammenarbeit: vor dem Bildschirm im Home        Kind am Schoß, der Katze
     office, mit dem Kind am Schoß, der Katze auf
     der Tastatur und einer Person vor Ort im Mu-
                                                     auf der Tastatur und einer
     seum. So wurden die Texte, die graphische       Person vor Ort ohne physi-
     und architektonische Gestaltung sowie die
     Umsetzung der interaktiven Stationen ohne
                                                     sches Treffen finalisiert.«
     physisches Treffen finalisiert.
         Zum Glück konnten die Bauarbeiten wei-
16   tergeführt werden. Einzelne historische Bo-
     denbeläge wurden erst im Frühjahr 2020
     restauriert. Die Ausstellungseinrichtungen
wurden parallel dazu Stück für Stück mon-        Mehr zum Thema
tiert. Alles war für eine große Eröffnungsfei-   erfahren sie in der
                                                 Ausstellung und der
er im Mai 2020 vorbereitet! Doch die verlän-
                                                                                           Eduard Winter, Walter Feigl & Karin Wiltschke-Schrotta

                                                                         1. Auflage
                                                 neuen Broschüre.
gerten Einschränkungen ließen dies leider                                                  Krankheitsbilder

                                                                         SAMMLUNGSFÜHRER
nicht zu.
    In der Hoffnung auf ein Abklingen der
Pandemie wurde ein neuer Termin für einen
Festakt am 3. November 2020 festgelegt.
Neuerlich machte die Pandemie diese Plä-
ne zunichte: Genau an diesem Tag begann
der zweite Lockdown. Aber aller guten Din-
ge sind drei – der dritte Termin am 7. Sep-
tember konnte eingehalten werden und die
Ausstellung über die Krankheiten des Men-
schen ohne gesundheitliches Risiko eröffnet                                                                                                         17
werden.
                                                                                                     naturhistorisches
                                                                                                     museum wien

                                                                                            DIE PATHOLOGISCH-ANATOMISCHE
                                                                                            SAMMLUNG IM NARRENTURM

                                                                                           Information und Kontakt:
                                                                                           www.nhm-wien.ac.at/narrenturm
                                                                                           Tel.: +43 1 521 77-606
                                                                                           pas@nhm-wien.ac.at
                                                                                           Eingeschränkte Öffnungszeiten:
                                                                                           Mittwoch 10–18 Uhr

                                                 Ein Blick in eine der
                                                 frisch renovierten
                                                 »Zellen« im Narren­
                                                 turm. Sie beherber­
                                                 gen nun die Aus­-
                                                 stellung der patho-
                                                 logisch-anatomi-
                                                 schen Sammlung.
AU S ST E L LU N G

     Steinsalz bis
     Rauchquarz:
18

      Minerale
     Österreichs
Das kleine Österreich ist verhält-
nismäßig reich an verschiedenen
Erzen und Mineralen. Die neu ge-
staltete Dauerausstellung zeigt die
bedeutendsten, schönsten und in-
teressantesten Mineralschätze un-
seres Landes. Vom Salzabbau, der
Goldsuche und modernen Rohstof-
fen wie Lithium oder Wolfram.

            Text: Vera M. F. Hammer
            Fotos: Alice Schumacher
                                                                                                                       19

Steine sammeln ist kein neuer Splen, son-      Die bekanntesten        aufgrund seines Mangangehaltes jenen be-
dern offenbar ein menschliches Grundbe-        Mineralien Öster-       sonders harten Stahl lieferte, der als »Nori-
                                               reichs
dürfnis. Ursprünglich ging es schließlich                              sches Eisen« begehrt war. Und das silber-
darum, ein geeignetes Material für Werk-                               haltige Fahlerz von Schwaz in Tirol verhalf
zeug und zum Feuermachen zu finden. In                                 den Fuggern und Habsburgern im Mittelal-
weiterer Folge gab es gezielten Abbau – etwa                           ter zu enormem Aufstieg.
von Steinsalz zur Konservierung von Spei-                                  Bereits der römische Gelehrte Plini-
sen. Ein Beispiel dafür ist Hallstatt. Dort                            us berichtete von Bergkristallfunden aus
bestimmt der Salzabbau schon seit mehr als                             hochalpinen Regionen. Das gezielte Mine-
7.000 Jahren das Leben der Region.                                     raliensammeln setzte jedoch erst in der Re-
    Auch für die Fähigkeit, aus bestimmten                             naissancezeit ein. Davon zeugt ein Rauch-
Erzen spezielle Metalle zu gewinnen, gibt es                           quarz aus dem Tiroler Zillertal. Es sind in
in Österreich sehr frühe Belege. So war das                            den folgenden Jahrhunderten einheimische
Bergbaugebiet Mitterberg bei Mühlbach am                               Sammler, Händler und Bergleute, die ihre
Hochkönig bereits in der Bronzezeit ein eu-                            besonderen Funde an das NHM Wien sen-
ropäisches Zentrum der Kupfergewinnung                                 den. Die geplante Ausstellung zeigt nicht
mit weit verzweigten Handelsbeziehungen.                               nur diese historischen Schätze, sondern be-
    Der komplexe geologische Aufbau Öster-                             schäftigt sich auch mit modernen Rohstof-
reichs begünstigt die Bildung unterschied-                             fen, wie Lithium, welches im Spodumen auf
licher Gesteine und der darin gebildeten                               der Koralpe vorkommt, oder Wolfram, das
Mineralen. Der Reichtum an verschieden                                 aus Scheelit im Felbertal abgebaut und ge-
Mineralen und Erzen ist für ein flächenmä-                             wonnen wird.
ßig so kleines Land wie Österreich bemer-                                  Die neu gestaltete Dauerausstellung soll
                                               ­links: Wulfenit, ein
kenswert. Die Goldgewinnung in den Ho-          typisch österrei-      den Besuchern die bedeutendsten, schöns-
hen Tauern, etwa im Gasteinertal oder in        chisches Mineral,      ten und interessantesten Mineralschät-
Rauris gab es schon in der Römerzeit. Sie       benannt nach dem       ze unseres Landes zeigen und erklären. So
                                                österreichischen
bescherte bis ins Mittelalter den Landesher-                           wird zum Beispiel eine spezielle Infostation
                                                Naturforscher Franz
ren großen Reichtum. Auch in Hüttenberg         Xaver von Wulfen       zum Thema »Geologie von Österreich« ein-
bauten bereits die Römer Eisenerz ab, das       (1728 –1805).          gerichtet. Bei einer weiteren Station kön-
                                                                       nen sich die Besucher*innen über typisch
                                                                       »österreichische« Minerale wie z.B. Wul-
»Der Reichtum an verschieden                                           fenit informieren. Und es wird es auch die
 Mineralen und Erzen ist für ein                                       Möglichkeit geben, Infos über bedeutende
                                                                       Fundpunkte und Lagerstätten abzurufen.
 flächenmäßig so kleines Land                                              Die neue Dauerausstellung kann ab
 wie Österreich bemerkenswert.«                                        17. November in den Schausälen 2 und 3 des
                                                                       NHM besichtigt werden.
FORSCHUNG

20

              Neues
                vom
     Hallstätter See
Die Entnahme von Sedi-
 mentbohrkernen in Re-
 kordlänge im Hallstätter
 See verspricht tiefe Ein-
blicke in die Entwicklung
einer der ältesten Kultur-
  landschaften der Welt.
  Ein neues Bohrsystem
    macht es möglich.

 Text: Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter &
              Michael Strasser

 Fotos: Daniel Brandner & Hans Reschreiter                                                                   21

400 Meter über dem Hallstätter               oben: Um die Boh-      folgen und die Wechselwirkungen
See liegt eine der wichtigsten ar-           rung mitten im See     zwischen Mensch und Umwelt
                                             durchführen zu
chäologischen Fundlandschaf-                                        über zumindest die vergangenen
                                             können, nutzten
ten Europas. Bereits vor mehr als            die Forscher*innen     7.000 Jahre zu analysieren.
3.500 Jahren bauten Bergleute                eine schwimmende           Die Forschungen sind für das
am Hallstätter Salzberg Steinsalz            Plattform.             Verständnis der durch Klimawan-
in nahezu industriellem Ausmaß                                      del versursachten gegenwärtigen
ab. Archäologische Funde im Um-                                     und zukünftigen Herausforderun-
feld der Bergwerke und neueste                                      gen von besonderer Bedeutung.
Forschungen deuten jedoch an,                                       Der Raum Hallstatt-Dachstein ist
dass die Präsenz des Menschen                                       eine Modellregion für die Untersu-
und wohl auch die Salzproduktion                                    chung der Auswirkungen von Um-
deutlich weiter – nämlich bis in die         »Bereits vor mehr      weltveränderung. Durch die lange,
Jungsteinzeit – zurückreicht.                                       intensive menschliche Nutzungs-
    Mit modernsten Methoden hat
                                              als 3.500 Jahren      geschichte und die außergewöhn-
nun ein Forscher*innen-Team der               bauten Bergleu-       lich gute Quellenlage kann hier die
Universität Innsbruck, des Naturhis-                                Entwicklung des Mensch-Umwelt-
torischen Museums Wien, des Geo-
                                              te am Hallstätter     systems genau erforscht werden.
forschungszentrums Potsdam und                Salzberg Steinsalz        Das Projekt wurde finanziell
der Universität Bern im Mai 2021                                    und organisatorisch durch eine
Bohrkerne mit einer Gesamtlänge
                                              in nahezu indus-      Vielzahl von weiteren Institutionen
von 92 Metern aus dem Hallstät-               triellem Ausmaß       unterstützt: Österreichische Bun-
ter See entnommen. Zweck dieser                                     desforste, Österreichische Akade-
Bohrkampagne war es, die kom-
                                              ab.«                  mie der Wissenschaften, Freunde
plette Sedimentabfolge, die sich                                    des NHM Wien, Salinen Austria AG,
seit dem Rückzug des Traun-Glet-                                    Salzwelten GmbH, Gemeinden
schers abgelagert hat, zu erbohren.                                 Hallstatt und Obertraun, Frauen-
    Wann siedelte sich der Mensch                                   hofer IEG und die Firma Uwitec.
das erste Mal im Inneren des Salz-
kammerguts an? Wann begann er,
                                             links: Damit man
hier Einfluss auf seine Umwelt zu            den Bohrkernen
nehmen? Mit diesen Fragen kann               ihre Geheimnis-        Mit finanzieller      Mitglied werden:
man sich jetzt dank dieser Bohr-             se entlocken kann,     Unterstützung der
                                             ist es notwendig,
kerne beschäftigen. Ziel ist es, die
                                             sie akribisch zu be-
Entstehung der Kulturlandschaft              schriften und peni-
Hallstatt-Dachstein nachzuver-               bel zu versiegeln.
V E R M I T T LU N G

     DinoKino – mit dem Film-
      programm »in ein Land
      vor unserer Zeit« reisen
     Kreative und spektakuläre Spezial-
     effekte erwecken Dinosaurier im
22   Film zum Leben. Das »KinoSaurier«
     Film-Programm zeigt sowohl histo­
     rische Klassiker als auch zeitgenös-
     sische Arbeiten, zwischen Fantasie
     und Forschung.
                  Text: Marija Milovanovic
                Fotos: Karel Zeman Museum &
                     Liesbeth Eeckman

         Vier Filmprogramme begleiten an zwei           Auf ihrer »Reise in        Neben dem Klassiker »Reise in die Ur-
     Tagen die »KinoSaurier« Ausstellung. Wir           die Urzeit«, einem     zeit« des tschechischen Regisseurs Karel
                                                        Film von Karel
     bewegen uns an der Schnittstelle zwischen                                 Zeman werden auch zeitgenössische Ani-
                                                        Zeman, treffen vier
     Fantasie und Forschung. Schon seit mehr als        Kinder unter ande-     mationsarbeiten wie zum Beispiel »Kitten
     100 Jahre prägen Filme unsere Vorstellung          rem auf einen Bron-    Instinct« der belgischen Regisseurin Lies-
     von Dinosauriern. »Gertie the Dinosaur«,           tosaurier.             beth Eeckman oder der humorvolle Film
     »Jurassic Park« und viele andere Filme ver-                               »How Dinosaurs Learned to Fly« des ame-
     mitteln gewollt oder ungewollt »Wissen«.                                  rikanischen Animationskünstler Munro
     Wieviel davon der Realität entspricht oder                                Ferguson auf der Leinwand im hauseigenen
     der Fantasie zuzuordnen ist, möchten wir                                  Kino zu sehen sein.
     mit den Programmen und einer Diskussi-
     on zwischen Filmschaffenden, Filmhistori-                                  DinoKino im Rahmen der Ausstellung
     ker*innen und Naturwissenschaftler*innen                                   »KinoSaurier. Faszination & Forschung«
     in einem interdisziplinären Dialog auf den                                 Sa, 30. 10. 2021 und 19. 2. 2022, ab 11 Uhr
     Grund gehen. Imaginäres und Fantastisches                                  Eintritt in das Museum: € 10 (ermäßigt)
     soll auf Realität und Fakten treffen.              In »Kitten Instinct«    zuzüglich € 5 | € 3 (Unter 19) pro Film
                                                        von Liesbeth Eeck-
         Besonders schauen wir dabei auf die Dar-                               Tickets sind im Vorverkauf erhältlich.
                                                        man begibt sich ein
     stellung von Tieren und Pflanzen in den aus-       Tyrannosaurus rex
     gewählten Filmen. Diese leistet oft subtil         auf die Suche nach
     einen wichtigen Beitrag bei der Wissensver-        einem kleinen Kätz-
                                                        chen.
     mittlung. Naturhistorischer und biologischer
     Kontext trifft hier auf die Vielfalt der Genres
     und Techniken in den ausgewählten Filmen.
     Durch spektakuläre Spezialeffekte und kre-
     ative Lösungen der Regisseur*innen werden
     Dinosaurier wieder zum Leben erweckt.
Zeichentrick-Filme haben mich schon als Kind fas-
ziniert und tun es noch heute. Waren es früher die                              DAS BRAUCHT IHR:
wunderschönen Zeichnungen, die Geschichten le-                                  — Block oder Blatt Papier und Schere
bendig werden ließen, ist es nun eher Bewunderung                               — Zeichenstifte
für die Technik, die dahintersteckt: Wo heute die
                                                                                — ein Fenster
Filme aufwändig im Computer animiert werden,
musste damals jedes Bild von Hand gezeichnet und                                — Heftklammern

koloriert werden.

Um einzelne Bilder als Bewegung
wahrzunehmen, müssen wir Men-

                                                        Kids’
schen ca. 24 Bilder pro Sekunde
sehen. Bei einem Film wie »In ei-                                                                                      23
nem Land vor unserer Zeit« mit

                                                       Corner
102 Minuten Länge sind das un-
vorstellbare 146.880 Bilder!

Wer selbst einmal einen kleinen
Film zeichnen möchte, braucht
aber gar nicht so viele Bilder:
Nehmt euch einen kleinen Block                   …als die Bilder laufen lernten
oder schneidet Zeichenpapier in
gleich große Stücke. Dann denkt                                         Text: Andrea Krapf
euch eine Geschichte aus, die ihr                                    Bilder: Alice Schumacher
zeichnen wollt! Meine Kollegin
Viola hat sich dazu unseren be-
wegten Allosaurus ausgesucht.

Und schon kann es losgehen:             Zum Schluss könnt ihr eure Zeich-     zeln wahrnehmen - Trickfilme wä-
Zeichnet das erste Bild auf ein         nungen noch farbig gestalten, be-     ren dann wesentlich aufwändiger...
Blatt! Das haltet ihr gegen eine        vor ihr sie an einer Seite zusam-
Fensterscheibe und legt ein zwei-       menheftet. Blättert mit Hilfe eures
                                                                                    Hier könnt ihr Violas 
tes darüber. Jetzt könnt ihr das Bild   Daumens die Bilder rasch durch.             Daumenkino
abpausen und dabei leicht verän-        So könnt ihr dann zum ersten Mal            herunterladen
dern. Mit jedem Blatt wird der Film     euren eigenen Film abspielen.
vollständiger. Wer nicht so gut         PS: glücklicherweise sind wir kei-          Ein 3D-Modell eines 
zeichnen kann, lässt Punkte über’s      ne Falken , denn diese können               Allosaurier-Skelettes
Papier wandern.                         bis zu 130 Bilder pro Sekunde ein-          findet ihr hier
Erleben Sie
                                                            unseren neuen
                                                              Raum für
                                                            Wissenschafts-
                                                           kommunikation.
24

                                                           Jedes
                                                       Wochenende
                                                       Dinoshow &
                                                       Science Quiz!

                   www.nhm-wien.ac.at/deck50

     Naturhistorisches, Ausgabe 3/2021
     Österreichische Post AG
     S P 20Z042008 S
     Naturhistorisches Museum, Burgring 7, 1010 Wien
     Retouren an Postfach 555, 1008 Wien
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