Bps-magaz n - 20J - Martini-Klinik

 
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Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V.

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                                                  ®

                                      Ausgabe 1/2020

   Dilemma:
   Früherkennung
   von Prostatakrebs

20 mit Sonderseiten zum Jubiläum u
    JAHRE
Bps-magaz n - 20J - Martini-Klinik
Diagnose und Therapie

Perineale und transrektale Prostatabiopsie
Von Jan Lukas Hohenhorst & PD Dr. med. Lars Budäus, Martini-Klinik am UKE

Nach den aktuellen Angaben des Robert Koch-             Biopsieverfahren eine
Instituts (2013) wird in Deutschland bei 65.000         invasive und kompli-
Männern pro Jahr ein Prostatakarzinom neu diag-         kationsbegleitende
nostiziert. Das macht etwa ein Viertel aller Krebs-     Prozedur darstellt, ist
erkrankungen bei Männern aus und ist somit die          eine endgültige Dia-
häufigste Krebsart bei Männern. Durch eine Früh-        gnosesicherung eines
erkennungsuntersuchung mit einer Bestimmung             Pros tatakar zinoms
des prostataspezifischen Antigen-Spiegels im Blut       nur durch die Ge-          Jan Lukas Hohenhorst
(PSA-Test) und ergänzender rektaler Tastuntersu-        webeuntersuchung
chung beim Urologen kann der Großteil der Pro-          möglich.
statakarzinome bereits in einem frühen Stadium
entdeckt werden, was sehr gute Heilungsaussich-         Der Standard –
ten bietet.                                             transrektale Ultra-
                                                        schall (TRUS)-ge-
PSA-Test und Biopsie                                    steuerte Biopsie
Das PSA ist ein Eiweiß, das nur in der Prostata         Die       Prostatabiop-
hergestellt wird. Ein erhöhter PSA-Wert kann zwar       sie stellt eine der am
auf das Vorliegen eines Prostatakrebses hindeuten,      häufigsten durchge-
aber auch bei einer gutartigen Prostatavergröße-        führten Prozeduren
rung (BPH), einer Entzündung der Prostata (Prosta-      in der Urologie dar
titis) oder nach einer unmittelbaren Stimulation der    und wird europa-
Prostata, beispielsweise nach Geschlechtsverkehr,       weit jährlich ca. eine Dr. Lars Budäus
rektaler Manipulation oder Radsport, vorkommen.         Million Mal durchge-
Diese unspezifische PSA-Erhöhung im Blut hat zur        führt. Überwiegend
Folge, dass nur bei einem Viertel der Männer mit        nutzen die Urologen dabei den „transrektalen“ Zu-
erhöhtem PSA-Wert in der anschließenden Biopsie         gang durch den Enddarm (Abb. 1). Es gibt jedoch
Krebs festgestellt wird. Trotzdem empfiehlt die S3-     einen weiteren Zugang für die Biopsie, den „pe-
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft der Urologie       rinealen“ Zugangsweg durch den Damm-Bereich
weiterführende Untersuchungen, um die Diagno-           zwischen Hodensack und Anus (Perineum) (Abb. 2).
se zu sichern oder den Verdacht aus dem Weg zu            Aufgrund der unkomplizierten ambulanten
räumen.                                                 Durchführung ist die transrektale Ultraschall
   Für den Beweis, dass ein Prostatakarzinom vor-       (TRUS)-gesteuerte Prostatabiopsie seit langem ein
liegt, bedarf es des Nachweises von Krebszellen         Goldstandard. Hierfür wird die Ultraschallsonde
in der Gewebeprobe. Bei der Biopsie der Prostata        mit dem Führungskanal, durch den sich die Biopsie­
werden kleine Gewebeproben mit einer Hohlnadel          nadel in den Zielbereich vorschieben lässt, in das
aus der Prostata entnommen und von Pathologen           Rektum (Enddarm) eingeführt. Die Biopsie wird Ul-
mikroskopisch untersucht. Unter bestimmten Um-          traschall-gesteuert unter einer lokalen Betäubung
ständen kann ein bildgebendes Verfahren, wie eine       der Prostata vorgenommen. Um Proben aus allen
multiparametrische MRT-Untersuchung der Prosta-         relevanten Arealen der Prostata zu gewinnen, wer-
ta, zusätzlich eingesetzt werden, jedoch ersetzt dies   den in der Regel 10 bis 14 Proben nach einem
keinesfalls die Gewebeuntersuchung. Obwohl das          festgelegten Schema entnommen. Im Fall einer

                                                                                  BPS-Magazin 1/2020      ǀ 17
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Abb. 1. Transrektale Biopsie                                     Abb. 2. Zugangswege zur Prostata

Sättigungsbiopsie wird die Anzahl dem Prostatavo-                empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Urologie
lumen angepasst und somit deutlich größer sein.                  und die Europäische Gesellschaft für Urologie seit
Die begleitende Einnahme eines Antibiotikums ist                 langem eine antibiotische Prophylaxe für die trans-
zur Infektionsprophylaxe zwingend erforderlich. Zu               rektale Prostatastanzbiopsie. Dadurch litt weniger
den möglichen Komplikationen nach der Biopsie                    als 1 % der Patienten an einer klinisch relevanten
zählen häufig Blutungen und Schmerzen, gele-                     Infektion und gravierende Komplikationen wie
gentlich auch akuter Harnverhalt oder Infektionen                Sepsis kamen noch seltener vor.
trotz der prophylaktischen Antibiose.                               Jedoch wird aktuell eine deutlich höhere Infek-
                                                                 tionsrate nach einer TRUS-gesteuerten Prosta-
Steigende Infektionsrate nach TRUS-Biopsie                       tabiopsie (vgl. Tab. 1) beobachtet. Gegenwärtig
Um das Infektionsrisiko durch die keimbesiedelte                 entwickeln bis zu 10 % der Patienten trotz Antibio-
Einstichstelle im Enddarmbereich zu reduzieren,                  tikaprophylaxe eine fieberhafte Infektion, darunter

                                                     transrektal                perineal
 Durchführung                                        einfach/ambulant           aufwändig
 Stationärer Aufenthalt nach Biopsie                 nicht erforderlich         häufig zur Überwachung empfoh-
                                                                                len
 Anästhesie                                          lokale Betäubung der Pro- Kurznarkose (sog. Allgemeinnar-
                                                     stata                      kose), lokal nur bedingt möglich
 Antibiose                                           erforderlich (vor und nach nicht zwingend erforderlich
                                                     der Biopsie für 3-5 Tage)
 Komplikationen
              Fieberhafte Infektionen                aktuell steigend (3-8%)      unter 1%
                               Sepsis                1%                           0.2%
                  Peranale Blutungen                 häufig                       keine
 Anteriore Tumoren                                   schwer zu erfassen           leicht zu erfassen
 Kompatibilität mit US/MRT-Fusion                    Ja                           Ja
Tab. 1. Transrektale vs. perineale Prostatabiopsie

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2,8 % der Patienten eine Sepsis (Blutvergiftung),       ten Fall zu einer lebensbedrohlichen Sepsis führen
die lebensbedrohlich sein kann.                         kann. Durch zunehmende Antibiotikaresistenzen
   Ein derart hohes Infektionsrisiko scheint vor al-    gegen häufig angewendete Antibiotika (u. a. Flu-
lem auf das zunehmende Auftreten von antibioti-         orchinolone) scheint dieses Risiko in den letzten
karesistenten Bakterien im Darm zurückzuführen          Jahren weiter zu steigen.
zu sein, insbesondere von Fluorchinolon-resisten-          Das Infektionsrisiko ist bei der perinealen Biopsie
ten Keimen. In den Vereinigten Staaten wird der         deutlich verringert, da die Darmschleimhaut hier-
Resistenz etwa die Hälfte aller schweren Biopsie-       bei nicht perforiert wird. Die Prostatagewebepro-
induzierten Infektionen                                                              ben werden unter einer
zugeschrieben.               Kurzfassung                                             sterilen Abdeckung über
   Um die potenziellen       Das perineale Prostatabiopsieverfahren nimmt            den Damm entnommen.
Risikopatienten vor dem      in Zusammenschau mit den aktuell steigenden             Dabei ermöglicht ein
Eingriff zu erkennen,        Infektionsraten durch antibiotikaresistente Keime       Template (Raster) eine
können die Risikofak-        in der Routine-Untersuchung immer mehr an               zielgenaue      Punktion
toren, wie vergangene        Bedeutung zu. Insbesondere für Patienten mit er-        nach   Schema  oder zuvor
Prostatabiopsien oder        höhten Infektrisiken sowie dem Verdacht auf an-         festgestellten verdächti-
Harnwegsinfekte, mithil-     teriore Tumoren stellt die perineale Biopsie das        gen Arealen (s. Abb. 2).
fe von Risikofragebögen      optimale Verfahren dar, trotz der aufwändigeren         Dieses Verfahren erfolgt
abgefragt werden. Auch       Vorbereitungen und Prozedur.                            unter einer Kurznarkose
durch einen Abstrich aus                                                             (Allgemeinnarkose) über
dem Rektum lassen sich                                                               ca. 30 bis 45 Minuten.
die resistenten Keime im Darm vor der geplanten         Die Probenzahl variiert mit der Größe der Prostata,
Biopsie identifizieren, sodass eine gezielte Antibi-    typisch sind es 14 bis 24 Stanzen. Eine Antibioti-
ose zur größtmöglichen Abschirmung vor schwer-          kaprophylaxe ist bei der perinealen Biopsie nicht
wiegenden infektiösen Komplikationen veranlasst         zwingend notwendig, jedoch wird oft ein stationä-
werden kann.                                            rer Aufenthalt nach der Biopsie aufgrund des Nar-
   Diese Strategien werden derzeit in unterschied-      koseverfahrens empfohlen.
lichen prospektiven Studien untersucht und haben           Ein zusätzlicher Vorteil der perinealen Biopsie ist
sich teilweise als wirksam erwiesen. Jedoch ist der     die höhere Detektionsrate der anterioren Tumoren
Aufwand sehr hoch, sodass eine routinemäßige            durch die bessere Erreichbarkeit der vorderen Pros-
Umsetzung in vielen Fällen an der Praktikabilität       tataregion, die mit dem transrektalen Zugang häufig
und den Kosten scheitert.                               schwer zu erzielen ist. Dies kann je nach Verfügbar-
                                                        keit mittels sonographisch gesteuerter MRT-Fusi-
Perineale Biopsie – ein altbewährtes Ver-               onsbiopsie noch erweitert werden, um eine bessere
fahren mit geringerem Infektionsrisiko                  Detektion zu erreichen. Dabei wird ein MRT-Daten-
Der historisch ältere Zugangsweg zur Prostata ist       satz der Prostata in den Sonographen (Ultraschall)
eigentlich der perineale Zugang über den Damm-          eingespielt, welcher dann nach Schichtabgleich und
Bereich, sowohl beim diagnostischen als auch            Koregistrierung simultan mit der Echtzeitsonogra-
beim therapeutischen Ansatz. Jedoch hat sich in         phie mitbewegt werden kann. So können Informati-
den letzten Jahrzehnten der transrektale Zugangs-       onen über suspekte Areale aus den zwei Verfahren
weg bei der Biopsie als Goldstandard durchge-           während der Biopsie kombiniert genutzt werden
setzt, weil die TRUS-gesteuerte Biopsie durch den       und eine deutlich präzisere Diagnostik als konven-
geringeren technischen Aufwand weniger kompli-          tionelle Ultraschallverfahren ermöglichen. Die kürz-
ziert und schneller in der Ambulanz durchführbar        lich im New England Journal of Medicine publizierte
ist. Jedoch bleibt die Biopsie-induzierte Infektion     Precision-Studie, in der die Standardbiopsie und die
weiterhin als größte Komplikation, die im schlimms-     Fusionsbiopsie verglichen wurden, zeigte, dass kli-

                                                                                BPS-Magazin 1/2020       ǀ 19
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nisch signifikante Tumore (38 % vs. 26 %) mittels        einer belastenden Vollnarkose (wenn auch kurz)
Fusionsbiopsie besser detektiert wurden.                 resultiert dabei auch häufig in einem stationären
                                                         Aufenthalt nach dem Eingriff zur Beobachtung.
Perineale Biopsie – für welche Patienten ge-               Seit kurzem wird daher versucht, die Narkose für
eignet?                                                  die perineale Biopsie so zu gestalten, dass die Pa-
Die perineale Prostatabiopsie ist das optimale Ver-      tienten sich nach dem Eingriff schnell erholen und
fahren für Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko       nach einer gewissen Überwachungsphase und an-
oder nach einer Operation oder Bestrahlung am            ästhesiologischen Kontrolle am selben Tag wieder
Enddarmbereich, durch die eine Heilung nach ei-          entlassen werden können. Ähnliche Entwicklun-
ner transrektalen Biopsie verzögert sein kann.           gen sind in mehreren Studien zu beobachten, und
  Wenn rezidivierende Harnwegsinfekte in der Ana-        zwar, dass die perineale Biopsie unter einer loka-
mnese bekannt sind oder ein prä-bioptischer Rek-         len Betäubung der Prostata durchgeführt werden
talabstrich Resistenzen gegen häufig angewende-          kann, um eine belastende Vollnarkose und damit
te Antibiotika (Fluorchinolone) ergeben hat, sollte      einhergehende Komplikationen und Aufwand zu
besser das perineale Verfahren in Erwägung gezo-         vermeiden. Dieser Ansatz wird derzeit evaluiert
gen werden. Weil die perineale Prostatabiopsie in        und als potenzielle Alternative zur konventionellen
der Regel unter Kurznarkose stattfindet, stellt diese    Allgemeinnarkose für das perineale Verfahren be-
ebenfalls ein alternatives Verfahren für Patienten mit   trachtet. Hierbei wurden zwar ein leicht erhöhtes
besonders erhöhtem Schmerzempfinden oder Biop-           Schmerzempfinden und daraus resultierte Kreis-
sie-assoziiertem Trauma durch frühere Eingriffe dar.     lauf-relevante Ereignisse nach der Biopsie beob-
  Im Übrigen ist der perineale Zugang auch beim          achtet, diese traten jedoch lediglich vereinzelt auf.
Verdacht auf anteriore Tumoren für die Detektion           Neulich bewerten Kum und Kollegen darüber hi-
vorteilhafter, insbesondere wenn die Biopsie durch       naus sogar eine freihändige (ohne Raster) perine-
erweiterte Bildgebungsverfahren ergänzt durchge-         ale Prostatabiopsie als alternatives Verfahren, um
führt werden kann, wie z. B. die oben erwähnte           die steigende Infektionsrate nach der Biopsie zu
US/MRT-Fusion.                                           senken und dabei die gesamte Prozedur zu verein-
                                                         fachen und zu kürzen.
Perineale Biopsie ist besonders für diese
Patienten zu empfehlen:                                  Zusammenfassung
 • Patienten mit positivem Rektalabstrich oder           Das perineale Prostatabiopsieverfahren nimmt in
     postbioptischer Infektion in der Anamnese,          Zusammenschau mit den aktuell steigenden Infek-
 • beim Verdacht auf einen anterioren Tumor in           tionsraten durch antibiotikaresistente Keime in der
     der Bildgebung,                                     Routine-Untersuchung immer mehr an Bedeutung
 • die am Enddarm voroperiert oder bestrahlt             zu. Insbesondere für Patienten mit erhöhten Infekt-
     worden sind, wodurch eine Heilung nach              risiken sowie dem Verdacht auf anteriore Tumoren
     transrektaler Biopsie verzögert sein kann,          stellt die perineale Biopsie das optimale Verfahren
 • Patienten mit erhöhtem Schmerzempfinden               dar, trotz der aufwändigeren Vorbereitungen und
     oder Angstzuständen.                                Prozedur. Der Einsatz der erweiterten Bildgebung,
                                                         wie mpMRT der Prostata, und der darauf basieren-
Limitationen, aktuelle und zukünftige                    den perinealen Fusionsbiopsie wird in Zukunft eine
Bestrebungen                                             größere Rolle bei einer präzisen Diagnose spielen,
Obwohl die perineale Biopsie mit deutlich geringe-       insbesondere, wenn das Narkoseverfahren opti-
ren Infektions- und Blutungsrisiken ein komplikati-      miert werden und sowohl die Kosten als auch die
onsarmes Verfahren darstellt, erfordert diese höhe-      Dauer des Krankenhausaufenthaltes entsprechend
ren technischen und anästhesiologischen Aufwand          gekürzt werden können.
als das transrektale Verfahren. Die Notwendigkeit          Literaturverzeichnis liegt bei den Autoren.

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