Brain Script - warum Kunden kaufen

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Brain Script –
warum Kunden kaufen
                                                                                         Dr. Hans-Georg Häusel
Schönen guten Tag,                           wichtig ist: Aus der Sicht des Kunden und
                                                                                         Gruppe Nymphenburg
meine Damen und Herren.                      genauer noch aus Sicht des Kundenge-
                                             hirns zu arbeiten. Wir haben zwei große
Ich möchte nahtlos anschließen an das,       Forschungsbereiche: Das sind einmal
was Herr Professor Bolz gesagt hat. Er       consumer insights, wesentlich getriggert
hat viel über Gefühle gesprochen und         durch die Hirnforschung sowie shopper
ich möchte jetzt den Blick verändern, die    insights, wesentlich getriggert durch
Welt aus Sicht des Gehirns betrachten.       die Beobachtung des Kunden am POS
Ich lade Sie zu einer kleinen Reise in den   – wie dreht er sich, wie kauft er, wohin
Kopf und das Gehirn Ihrer Kunden ein.        schaut er. Hier setzen wir beispielsweise
Damit kommen wir automatisch darauf,         neuere 3D-Verfahren ein, mit denen man
was in Ihrem eigenen Kopf passiert und       Geschäfte und Präsentationen simulie-
nachmittags noch als kleine Zugabe auch      ren kann und beobachtet, wie der Kunde
darauf, was im Kopf Ihres Partners oder      funktioniert, wo er stehen bleibt, wo er
Ihrer Partnerin passiert. Damit Sie nicht    hingeht und beispielsweise auch, wie er
sagen können, der Tag war völlig nutzlos.    vor einem Regal reagiert: Wo genau geht
Bevor wir anfangen ein paar Sätze zu         der Blick hin, wo muss die Ware optimal
mir: Wo komme ich eigentlich her, was        präsentiert werden in diesem ganzen
mache ich? Ich habe eine zweigeteilte,       Bereich.
fast schizophrene Existenz. Auf der einen
Seite bin ich Unternehmensberater, ich       Der zweite wichtige Bereich ist die Hirn-
bin aber auch sehr intensiv in der Wis-      forschung.
senschaft und zwar in der Hirnforschung      Es gibt ja heute – Stichwort Neuromarke-
tätig. Dabei geht es um die Übertragung      ting – die Möglichkeit, mit so genannten
all der Erkenntnisse aus der heutigen        Computertomografen, kurz Hirnscan-
Hirnforschung, meinen eigenen Studien        nern, wirklich ins Geheimste des Kunden
und meiner Promotion am Max-Planck-          hinein zu schauen. Man hofft, den ge-
Institut in München auf das Manage-          heimen Buybutton zu finden, also einen
ment. Mit dem Ziel, Ihnen beim Verständ-     Knopf, auf den Sie nur drücken müssen
nis dessen zu helfen, was Sie in Ihrer       und dann kauft der Kunde, ohne dass
täglichen Praxis erleben.                    Sie sich besonders anstrengen müssen.
                                             Leider gibt es diesen Knopf nicht. Wir
Was machen wir in der Gruppe Nym-            müssen uns weiter anstrengen. Aus der
phenburg? Wir haben eine relativ             Hirnforschung sind einige Instrumente
einfache Philosophie. Wir begleiten Pro-     entstanden, auf die ich jetzt aber nicht
duktmarken von der Entstehung im Kopf,       weiter eingehen möchte. Der Werbeblock
im Gehirn bis zum Handel, dem POS und        ist zu Ende, ich möchte jetzt direkt ins
dem Einkaufskorb des Kunden und un-          Kundenhirn hinein gehen.
tersuchen dabei auch Prozesse zwischen       Wir haben von Professor Bolz gerade
Handel und Hersteller. Was uns ganz          schon etwas über Heuristiken gehört,


mit denen es sich das Gehirn einfacher       Uns interessiert aber jetzt etwas ganz
macht. So ist es tatsächlich. Wenn ich Sie   anderes. Wir haben schon sehr viel über
frage: „Sagen Sie mal, wie viel Prozent      Emotionen gehört. Jetzt interessiert uns,
Ihrer Entscheidungen haben Sie heu-          wie die Emotionssysteme in unserem
te ganz bewusst und ganz vernünftig          Gehirn tatsächlich aussehen. Was treibt
getroffen?“, dann werden die meisten         uns eigentlich an? Schauen wir mal ins
von Ihnen sagen: „Heute überhaupt kein       Gehirn hinein. Wir haben zunächst ein-
Problem, erstens bin in Schwabe oder         mal unsere Grundbedürfnisse wie Schlaf,
Badener, damit bin ich von Hause aus         Nahrung und Sexualität. Ob die Sexua-
vernünftig. Bewusst ist mir das, was ich     lität ein Grundbedürfnis ist, das muss
mache, auch weitgehend, also waren           jeder für sich selber entscheiden.
eigentlich alle Entscheidungen bewusst       Aber jetzt ganz wichtig: Es gibt weiter
und vernünftig“. Leider sagt die Hirnfor-    drei große Programme, die uns antrei-
schung: Das ist eine Illusion. 70 bis 80 %   ben. Es gibt ein großes Balancepro-
unserer Entscheidungen fallen unbe-          gramm in unserem Kopf. Es ist zuständig
wusst. Dann werden Sie sagen: „Ist auch      für Sicherheit, Stabilität; es gibt uns
kein Problem, ich habe mit den verblei-      vor, nichts zu verändern. Wir haben ein
benden 20 bis 30 % noch genug zu tun.“       zweites großes Programm in unserem
Aber auch die verbleibenden 20 bis 30 %      Kopf, das ist das Dominanzprogramm.
sind keinesfalls so frei, wie wir glauben,   Das sagt: „Schau, dass Du nach vorne
sondern bewegen sich ganz strikt im          kommst, dass Du nach oben kommst,
Rahmen eines Emotionssystems, - und          verdränge Deine Konkurrenz, achte auf
hier schließe ich an den Vortrag von         die Autonomie, lasse Dir nicht reinre-
Professor Bolz an - das sich im Laufe der    den.“ Und wir haben ein drittes span-
Evolution entwickelt hat. Jetzt werden       nendes Programm in unserem Kopf,
Sie wieder sagen: „Evolution, das hat        das sogenannte Stimulanzprogramm.
etwas mit Biologie zu tun. Wir Menschen      Das ist zuständig für das Neue, für die
sind doch Kulturwesen, unsere Kinder         Abwechslung, für die Überraschung,
spielen mit Barbie-Puppen, wir gehen zu      für die Belohnung. Hinter all diesen
McDonalds zum Essen, lesen die Bücher        Programmen stehen immer bestimmte
von Dieter Bohlen, das müsste sich doch      Hirnbereiche. Das darf man sich aber
kulturell irgendwo niedergeschlagen          natürlich nicht so vorstellen, als ob es ei-
haben, also auch in unseren Genen.“          nen grünen, roten oder gelben Knödel in
Dann lassen Sie uns doch einfach mal         unserem Kopf gibt, das läuft quer durch
überlegen, wo wir Menschen eigentlich        unseren ganzen Kopf hindurch. Und ganz
herkommen. Vor sieben Millionen Jahren       wichtig: Es sind auch immer bestimmte
haben wir uns vom Kollegen Schim-            Neurotransmitter und Hormone mit den
pansen getrennt, sind aus dem Urwald         Programmen verbunden. Das Balance-
hinaus marschiert, aufrecht gegangen,        programm beispielsweise sehr stark mit
haben Haare verloren, die einen ein          dem Angsthormon Cortisol, das Domi-
bisschen mehr, die anderen ein bisschen      nanzprogramm mit dem Testosteron, das
weniger, und nach sieben Millionen Jah-      Stimulanzprogramm mit dem Bewe-
ren getrennter Entwicklung, was glauben      gungs- und Neugier-Neurotransmitter
Sie, wie viel Prozent gemeinsame Gene        Dopamin.
wir noch mit den Schimpansen haben?
Es sind 98,8 Prozent. Wenn Sie nachher       Sehr spannend ist auch das Kräftever-
auf der deutschen Autobahn wieder            hältnis, diese Knödel sind nicht ganz zu-
nach Hause fahren, wird Ihnen das auch       fällig so. Wir haben nämlich in unserem
gleich wieder bewusst werden. Damit es       Kopf zwei expansive Programme: Das
noch ein bisschen deutlicher wird: Auch      Dominanzprogramm treibt nach vorne,
diese kleine Maus in der Ecke hat zu 92      das Stimulanzprogramm sucht nach Neu-
Prozent die gleichen Gene wie wir. Wenn      em, beides ist mit hohem Risiko verbun-
man sich diese genetische Nähe ab und        den. Als Gegengewicht dazu haben wir
zu vor Augen führt, werden natürlich         das Balanceprogramm mit der Botschaft:
auch sehr viele politische Entschei-         „Halt ihr beiden, wir tun am besten gar
dungen sofort transparent. Es wird sofort    nichts, dann gehen wir auch kein Risiko
klar und deutlich, warum wir uns so ent-     ein“. Im Laufe der Evolution haben sich
scheiden, wie wir uns entscheiden.           aber noch einige andere Module in


unserem Gehirn festgesetzt, weil sie uns    Wie wirkt es sich im Handel aus? Es
einfach helfen, uns besser anzupassen.      ist unser Wunsch nach Easy Shopping,
                                            nach sicherem Einkaufen. Ich möchte
Wir haben zwei große Sozialmodule in        bequeme, breite Parkplätze haben, damit
unserem Gehirn, die „Fürsorge- und Bin-     ich keine Angst vor einem kapitalen
dungsmodule“, die uns sagen: „Ich achte     Schaden haben muss, weil ich gerade
auf den anderen, ich bin in einer Grup-     einem Porsche die Tür eingedrückt habe.
pe drin, ich fühle mich wohl in dieser      Ich möchte mich orientieren können,
Gruppe, es gibt mir Sicherheit.“ Das ist    wenn ich in den Verkaufsraum komme.
sehr stark von Oxitozin gesteuert. Dann     Denn sich nicht orientieren zu können,
etwas weiter „Spielen und Raufen“. Wenn     löst Angst aus. Dann, soll das Geschäft
Sie sich fragen, wie sich das in der Welt   in der Nähe und bequem zu erreichen
bemerkbar macht: Denken Sie einfach an      sein. Weiter möchte ich keine zu große
die Bundesliga, an die Fußballweltmei-      Auswahl. Zuviel Komplexität macht mir
sterschaft.                                 Angst, ich möchte eher eine geringe Aus-
                                            wahl haben. Übersichtlichkeit, Qualität
Und nun, liebe Händler, aufgepasst: Das     und Frische der Ware sind wichtig, denn
letzte Modul „Jagd und Beute“ ist das       ich möchte keine Angst haben, etwas
Gehirn der Schnäppchenjäger. Es gibt        Falsches einzukaufen. Freundlichkeit, die
nur drei Dinge, die ein Gehirn dauerhaft    Sozialmodule, sind wichtig, und der Preis
lahmlegen können, das ist Narkose, Hyp-     sollte ein Dauerniedrigpreis sein, denn
nose und Schnäppchen – da oben sitzt        ich möchte nicht permanent rechnen
der Auslöser. Jetzt wird es aber wieder     müssen.
ganz spannend: In einer Untersuchung        Alles so einfach wie möglich, das ist das
wurden Konsumenten im Hirnscanner           Balanceprogramm.
dabei beobachtet, was sich im Gehirn
verändert, wenn man ihnen Schnäppchen       Das Dominanzprogramm erfordert etwas
anbietet. Und es hat sich gezeigt, dass     anderes: Zwei Dinge sind wichtig, näm-
dieses Ausschalten des Gehirns tatsäch-     lich VIP-Status und Effizienz. Ich möchte
lich funktioniert. Es passiert Folgendes    mich durchsetzen. Auf der einen Seite
im Gehirn: Dieser gelbe Knopf, das ist      möchte ich schnell einkaufen, bitte kein
der Lustkern, der Haben-wollen-Kern in      Hindernis, so schnell wie möglich. Ich
unserem Gehirn. Wenn der ein Schnäpp-       möchte gleich wieder die Welt erobern
chen sieht, schreit er „Hurra, ich will’s   und nicht meine ganze Zeit auf der
haben!“ Der blaue Kern schaltet unser       Handelsfläche verbringen. Ich möchte
Großhirn ein, das dafür zuständig ist,      eine Auswahl haben, damit ich keine
nachzudenken, die Entscheidungen ir-        weiten Wege gehen muss, sondern alles
gendwie zu rechtfertigen. Der gelbe Kern    auf einmal bekomme. Und ich möchte
schaltet jedoch den blauen Kern aus, wir    natürlich – das ist die Exklusivität – auch
greifen zu. Wenn man die Konsumenten        das Gefühl haben, VIP-Kunde zu sein.
fragt: „Sag mal, fällst Du auf Schnäpp-     Bleibt noch das dritte Programm, das
chen rein?“ ist die Antwort „Ich doch       Stimulanzprogramm. Es wünscht sich
nicht, ich bin ein vernünftiger Mensch“.    Experiental Shopping, es möchte die
Wenn sie aber unbeobachtet sind und         Welt erleben. Ich möchte durch die
man hält ihnen ein Schnäppchen hin          Warenpräsentation, die Gerüche, die
– schnapp, schon gekauft. So sieht es       ganze Wareninszenierung überrascht
also im Gehirn tatsächlich aus.             werden. Ich möchte ein Erlebnis haben,
                                            ein Frischeerlebnis, Atmosphäre. Ich
Jetzt werden Sie fragen, was diese          möchte eine große Auswahl haben, aber
Programme Dominanz, Stimulanz und           diesmal nicht aus Sinn der Effizienz, son-
Balance mit Ihnen, mit Handel zu tun        dern weil ich entdecken möchte, suchen,
haben. Folgendes: Wir können damit be-      schauen, was dahinter steckt und ich
stimmte Bedürfnisse der Menschen und        möchte – Tchibo lässt grüssen - immer
Ansprüche an den Handel ableiten. Wir       neue, interessante, spannende Artikel zu
beginnen mit dem Balanceprogramm.           einem guten Preis. Damit wird dieser Ha-
Das Balanceprogramm wünscht sich            ben-wollen-Knödel angesprochen, den
Sicherheit und Stabilität.                  wir vorhin gesehen haben. Jetzt werden
                                            Sie sagen, da stecken ja Widersprüche


drin. Das Balanceprogramm verlangt ge-       nalität und Logik. Wenn Sie eine Dreijah-
ringe Auswahl, das Stimulanzprogramm         resplanung machen, ist es hoch emotio-
und Dominanzprogramm dagegen große           nal – warum? Sie wollen nämlich die Welt
Auswahl, was mache ich jetzt als Handel?     kontrollieren und vorhersagen. Das hat
Darauf kommen wir gleich zurück.             nichts mit Rationalität zu tun. Ratio, das
                                             haben wir vorher gehört, ist auch nicht
Damit wir den Konsumenten richtig            das Gegenteil von Emotion.
verstehen, müssen wir noch ein bisschen
weitergehen. Jetzt kommt die kompli-         Jetzt geht es weiter: Machtstatus, Elite.
zierteste Grafik des ganzen Vortrags. Die    Hier kommt ein bisschen Power rein,
brauchen wir aber nachher, um wirklich       nämlich Impulsivität, Rebellion, dann
zu verstehen was abläuft.                    Extravaganz. Nun geht es ins Chaos über:
Was sehen wir? Zunächst eine ganz            Kreativität, Individualismus. Wunsch
wichtige Erkenntnis: Die weibliche           nach Status ist etwas anderes als
und die männliche Sexualität wird im         Wunsch nach Individualismus. Wunsch
Gehirn an sehr unterschiedlichen Stellen     nach Status heißt, ich möchte besser
verarbeitet. Es gibt jedoch eine kleine      sein als alle anderen, Wunsch nach Indi-
Überschneidung, die von großer Bedeu-        vidualismus, ich möchte anders sein. Da-
tung ist. Gäbe es die nicht, gäbe es uns     hinter stehen andere Emotionssysteme.
auch nicht.                                  Dann zu Humor, Phantasie, Genuss. Und
Die drei Programme Dominanz, Stimu-          jetzt merkt man, es wird so richtig warm
lanz und Balance sind immer zeitgleich       ums Herz: Sinnlichkeit, Geselligkeit,
aktiv, deshalb gibt es Mischungen. Die       Vertrauen, die schöne warme Soße der
schauen wir uns jetzt genauer an.            Geborgenheit, der Regression, die ist da
                                             unten. Dieses Gehirn hat interessante
Zunächst die Mischung zwischen Do-           Spannungsfelder.
minanz und Stimulanz: Das Dominanz-          Wir haben auf einer Seite die Kräfte der
programm sagt, ich möchte zeigen, was        Veränderung, des Abenteuers: Ich reiße
ich für ein Mords-Kerle bin, wie man in      die Welt aus den Angeln. Die Gegenkraft
Schwaben sagt, wie stark ich bin. Das        ist das Balanceprogramm: tue nichts.
Stimulanzprogramm sagt, sieh dabei zu,       Wir haben auf dieser Seite die Kräfte
dass Du auch etwas erlebst, das ist der      des Egoismus: Ich setze mich durch, ich
Urgedanke des Abenteuers.                    verdränge meine Konkurrenz. Das geht
Dann Stimulanz und Balance. Das Sti-         aber nicht lange, dann bekommen wir
mulanzprogramm sagt, suche aktiv nach        schon wieder die Botschaft aus dem
dem Neuen. Das Balanceprogramm ist           Gewissen: Achte auf den anderen, sei
auch das des Nichtstuns, der Bequem-         ganz lieb. Friss ein bisschen Kreide,
lichkeit. Es sagt: „Du, das mit dem Neuen    damit du erträglich und nicht immer so
ist schon recht, aber guck mal, ob es        eine Ein-Mann-Konfliktzone bist. Auf der
nicht auch aus dem Fernsehsessel he-         anderen Seite steht das Stimulanzpro-
raus geht“. Das ist der passive Genuss.      gramm: Ich möchte alle Genüsse dieser
Schließlich Balance und Dominanz.            Welt, ich möchte essen, trinken usw.
Balance sagt: „Lass die Welt stabil“, das    – was es an Genüssen gibt, überlasse ich
Dominanzprogramm sagt aber: „Ach-            Ihnen. Aber das dauert auch nicht lange,
te darauf, dass Du die Macht darüber         dann kommt schon wieder das schlechte
behältst“. Das ist das, was wir heute als    Gewissen: Gehe ins Reformhaus, geh in
Kontrolle bezeichnen.                        die Apotheke, kauf einen Magentee oder
                                             lebe gar asketisch - simplify your life. Das
Jetzt wird es spannend. Wir sprechen         ist die Logik, in der wir uns bewegen.
häufig von wertorientiertem Marketing.
Werte haben auf dieser Landkarte natür-      Jetzt werden Sie sagen: „Alles sehr inte-
lich einen ganz festen Platz. Unten sitzen   ressant, aber warum kaufen wir eigent-
Werte wie Qualität, Tradition, Verläss-      lich Produkte?“ Produkte haben immer
lichkeit. Man spürt es im Bauch, die Welt    einen emotionalen Wert. Das schauen wir
ist ein ganz stabiles Konstrukt. Dann        uns an: Hier sitzen die ganzen Produkte.
– ganz wichtig – eine Welt, die wir in der   Zahnbürste steht bei Gesundheit, Roman
restlichen Kultur gerne als Rationalität     erzählt Liebesgeschichten, TV ist zur
bezeichnen, Präzision, Effizienz, Funktio-   Unterhaltung da, ein Genussmittel. Mode


ist sexuell getrieben, Snowboard hat         wir auch. Mitten in der Wüste werden
was mit Abenteuer zu tun, Automobil hat      Unterwasser-Taschenlampen angebo-
etwas mit Autonomie zu tun: Ich muss         ten, aber ein bisschen billiger – dann
nicht mehr in meinem Heimatort bleiben,      greifen wir zu. Dann den Preiskauf als
sondern kann auch in den Urlaub fahren.      Ausdruck von Cleverness und Selbst-
Und die Bohrmaschine erhöht meine            effizienz: Dadurch, dass ich einen guten
Effizienz, macht mich ein Stück stärker.     Preis erziele, es überall erzähle und
So sieht es also in der Welt aus, deshalb    zu hören bekomme: „Du bist’n Hund!“.
kaufen wir.                                  Denken Sie an Media-Markt „Ich bin doch
                                             nicht blöd“ – genau dieses Sparmotiv.
Jetzt kommt gleich die nächste Frage:        Dann der Preiskauf als Erlebnisverzicht.
Ist Geld etwas Rationales?                   Ich möchte gar nicht die bunten schönen
Wenn ich Ihnen 20.000 Euro geben wür-        Sachen haben, mir reicht die nackte,
de, einfach so – kann nicht passieren, ich   pure Funktion. Kein schöner Anzug, ein
bin Schwabe, aber man kann es theore-        Kartoffelsack tut’s auch. Der wärmt auch
tisch durchspielen – was geschieht? Es       im Winter. Und schließlich der Preis als
dauert nicht lange, dann entstehen in        Komplexitätsreduktion. Wenn Sie vor
Ihrem Gehirn bestimmte Bilder, was Sie       einer Riesenauswahl von Produkten
mit diesem Geld alles machen können.         stehen, die sich in gar nichts mehr
Der eine sagt „endlich eine neue Freun-      unterscheiden, selbst die Packung sieht
din“, der nächste sagt „neues Auto“, der     ähnlich aus - wonach entscheiden Sie?
nächste sagt „sozialer Wohnungsbau“          Nur nach dem Preis, das ist das einzige,
und wieder einer sagt „endlich mal           was übrig bleibt. Komplexität reduzieren
schön und sich satt essen“. Was dahinter     und Sparsamkeit als pure Existenzsiche-
steckt, ist relativ klar: Bauen, schönes     rung nach dem Motto „Ich bin sparsam,
Haus, da geht es um Geborgenheit und         man weiß nie, was kommt in dieser Welt,
ein bisschen Stimulanz. Das Auto hat         also spare ich ein bisschen.“. So sieht es
was mit Autonomie zu tun, die neue Frau      mit dem Preis aus.
mit Sexualität, und das Essen hat etwas
mit Genuss zu tun. An Geld haben wir         Jetzt müssen wir ein bisschen weiterge-
deshalb eine so große Freude, weil es        hen. Wir haben schon viel von Emotionen
uns hilft, alle unsere Wünsche, unsere       gehört. Jetzt wollen wir wissen, was
Emotionen auszuleben.                        eigentlich genau in unserem Oberstüb-
                                             chen abläuft. Dazu zeige ich Ihnen kurz,
Und nun kommt etwas ganz Wichtiges:          was in den letzten 10 bis 15 Jahren in
Gibt es dabei ein Preissparmotiv? Nein.      der Hirnforschung passiert ist. Man kann
Unser Gehirn hat nämlich eine ganz           unser Gehirn ganz grob in Teilzonen
einfache Rationalität: Ein Maximum an        einteilen. Oben das Großhirn, dann das
positiven Emotionen, ein Minimum an          sogenannte limbische System, unten
negativen Emotionen und das zu einem         das Stammhirn. Bis vor einigen Jahren
Minimum an Aufwand. Das ist die einzige      war man auch in der Hirnforschung der
Rationalität, die unser Gehirn wirklich      festen Überzeugung, dass der Mensch
kennt. Deswegen gibt es auch verschie-       ein vernünftiges, fast gottgleiches Wesen
dene Preissparmotive. Die schauen wir        ist. Man hat gesagt, wenn das Gehirn so
uns jetzt mal an.                            aufgeteilt ist, dann müsste da oben die
                                             Vernunft sitzen. Die Vernunft regiert.
Wir haben das Motiv, mit wenig Geld          Dann hat man gesagt, Emotionen hat der
möglichst viel Erlebnisse zu bekommen.       Mensch auch mal, die sitzen dann hier.
Ich möchte in Urlaub fahren, möchte et-      Und je weiter man nach unten kommt,
was Neues zum Anziehen kaufen, möchte        desto niederer die Instinkte. Fußball-
abends ins Kino gehen und möchte auch        weltmeisterschaft, die sitzt da unten. So
noch ein bisschen Benzin für mein Auto       hat man sich das ungefähr vorgestellt.
haben, um eine Spaßreise zu machen.          Wäre natürlich toll gewesen. Der Mensch
Wie bekomme ich das alles gleichzeitig?      als Krone der Schöpfung, manche sagen
Wenn ich zusehe, dass ich es überall ein     auch als Dornenkrone. Leider gab es
bisschen billiger bekomme. Das ist das       ein kleines Problem – so funktioniert
hedonistische Sparmotiv. Dann gibt es        es nicht. Es gab drei große, eigentlich
den Preiskauf aus Jagdtrieb. Das kennen      zeitgleiche Entwicklungsrichtungen in


Amerika und in Deutschland, die zu einer    denken, wissen wir nicht. Wir haben auf
Revolution im Denken geführt haben. In      das, was im Unterbewussten bewertet
Deutschland waren vor allem Professor       wird, einen relativ geringen Einfluss.
Roth in Bremen und ich dafür verant-        Wir selber haben aber das Gefühl, das
wortlich. Damals haben wir festgestellt,    Steuer fest in der Hand zu haben. Wir
dass wir die Welt völlig neu denken         Hirnforscher sprechen heute von Benut-
müssen. Wie wir vorhin von Professor        zerillusion: Unser Bewusstsein gleicht
Bolz gehört haben, ist es inzwischen        einem Regierungssprecher, der Entschei-
Standard, dass es nicht eine einzige Ent-   dungen verkündet, an denen er erstens
scheidung gibt, die nicht emotional ist.    nicht beteiligt war und dessen wahre
Damals erschien es wie ein Anschlag auf     Entscheidungsgründe ihm zweitens
die Menschheit, zu sagen: „Ohne Emo-        nicht zugänglich sind. Das ist heute die
tion können wir gar nicht entscheiden.“     gängige These.
Wenn Sie sagen, ich möchte Marktführer
werden, dann lässt das Dominanzsystem       So einfach funktioniert es also: Zuerst
grüßen; wenn Sie sagen, ich möchte          kommt die Emotion. Die Emotion ent-
mich mit völlig neuen Sortimenten oder      scheidet, ohne dass wir es merken. Erst
neuen Kundengruppen auseinanderset-         dann kommt es im Bewusstsein an. Wenn
zen, dann steht das Stimulanzsystem         man heute den Kern der Hirnforschung
dahinter; und wenn Sie die Kosten Ihre      zusammenfasst, kann man es auf einen
hochfliegenden Pläne Ihrem Control-         einfachen Satz reduzieren: Alles, was
ler zeigen, und der sagt: „Du hast ´ne      keine Emotionen auslöst, ist für unser
Macke, das können wir uns gar nicht         Gehirn wertlos.
leisten.“ dann ist das Balancesystem im     Und weil wir wissen, dass Geld einen
Einsatz.                                    emotionalen Wert hat, bekommen Sie
                                            das Geld Ihres Kunden nur, wenn Sie auf
Wie funktioniert es nun wirklich in un-     der anderen Seite mehr Emotionen bie-
serem Gehirn?                               ten, wenn Ihr Kunde sagt: „Na ja, dieses
Da ist das limbische System, nach wie       bisschen Emotion in Form von Geld tau-
vor das zentrale Emotionsverarbei-          sche ich jetzt gegen diese Emotion,
tungszentrum in unserem Gehirn. Heute       nämlich gegen diese Ware, gegen dieses
zählen übrigens auch große Bereiche des     Angebot“.
Großhirns zum limbischen System, weil       Wie das dann funktioniert, wie emotio-
man weiß, dass das hochemotional ist.       naler Wert entsteht, möchte ich Ihnen
Dabei ist Folgendes besonders span-         kurz zeigen: Wenn Sie eine Tasse Kaffee
nend: Bevor wir und Ihr Kunde etwas         trinken, Rohstoff 1 Cent pro Tasse, ist
ins Bewusstsein bekommen, durchläuft        damit noch keine große Emotion verbun-
jeder Außenreiz, seien es Ihre Produkte,    den. Jetzt machen sie eine Marke daraus,
Ihr Verkaufsraum oder – es sind ja viele    dann kostet das Ganze 7 Cent pro Tasse.
Banker da – auch Ihre Angebote zunächst     Wir haben vorher von Professor Bolz
das limbische System. Das limbische         den Begriff Spiritualität gehört: Wenn
System bewertet alle Dinge. Es bewertet     Sie nun diesem Produkt eine Geschichte
jeden Reiz: Gibst du mir neue, span-        mitgeben, es mit einem tollen Service
nende Impulse (lustvolle Seite) oder        und multisensual inszenieren wie zum
langweilst du mich tödlich (Dominanz)?      Beispiel bei Starbucks, dann kostet
Machst du mich stärker? Bringst du mich     dieses Tässchen Kaffee plötzlich 3 Euro.
nach oben? Gibst du mir Macht und           Schauen Sie sich diese Wertsteigerung
Kraft oder drückst du mich nieder und       an, darum geht es. Das heißt also; mehr
schränkst mich ein? Oder Balance: Gibst     Wert entsteht durch mehr Emotion.
du mir Sicherheit? Gibst du mir Gebor-      Wie die Emotionen aussehen, dass wis-
genheit oder löst du bei mir Stress aus?    sen wir ja jetzt.
Und erst wenn diese Bewertung zu Ende
ist, bekommen wir und der Kunde das         Wir haben aber noch ein kleines Pro-
Ganze erstens in Form von Emotionen,        blem: Das Gehirn arbeitet eigentlich
aber auch in Form von Kognition in unser    am liebsten unbewusst. Es möchte Ihr
Gehirn hinein gestellt. Zum Beispiel,       Bewusstsein gar nicht so stark informie-
gefällt es mir bei dem Händler oder ich     ren, sondern lieber alleine entscheiden.
finde etwas sehr schön. Warum wir das       Warum? Weil jede Art von komplexer


Entscheidung, von intensivem Nach-           verändert hat. Das heißt also, ihr Gehirn
denken das Wichtigste kostet, was wir        arbeitet nach einer ganz eigenen Logik.
haben: Energie. Denn Denken kostet           Ich möchte Ihnen noch einige einfache
ein ungeheures Maß an Energie. Die           Dinge zeigen, die aus Sicht der Hirnfor-
Energiebilanz sieht wie folgt aus: Unser     schung wichtig für die POS-Gestaltung
Gehirn hat 2 % des Körpergewichts,           sind. Unser Gehirn versucht, Energie
verbraucht aber, wenn es unter Volllast      zu sparen. Der wichtigste Energiespar-
arbeitet, ca. 20 % unserer gesamten          modus ist in einer neuen Situation
Energie. Energiesparen ist nicht erst        zunächst, möglichst schnell Schubladen
seit der Ölkrise ein Thema. Und jetzt die    anzulegen. Dabei zählt der erste Ein-
Frage an Sie: Wenn Sie Hausmeister in        druck, weil das Anlegen von Schubladen
Ihrem eigenen Körper wären, welchen          sehr viel Energie kostet. Man versucht
Teil würden Sie als erstes abschalten?       also, möglichst schnell einfache Ent-
Bei dieser Energiebilanz natürlich das       scheidungsregeln zu erstellen und bleibt
Gehirn. Und das ist ganz wichtig auch        dann sehr lange dabei, bevor das Gehirn
für die Marktforschung: Der Kunde hat        von neuem arbeitet und umdenkt.
oft gar keinen Einblick, was tatsächlich     Aus diesem Grund steht im Lebensmit-
abläuft.                                     telhandel die Obst- und Gemüseabtei-
                                             lung im Vordergrund. Unser Gehirn stellt
Unser Gehirn trifft Entscheidungen auf-      aus diesem ersten Eindruck eine Hypo-
grund von Dingen, die uns nicht zugäng-      these für das gesamte Geschäft auf. Und
lich sind. Warum? Ich zeige Ihnen ein        wenn vorne Frische erlebt wird, sagt das
einfaches Beispiel dafür. Sie gehen nach     Gehirn: Alles andere, was jetzt kommt, ist
diesem anstrengenden Tag heute Abend         auch frisch - auch wenn es nur verrostete
zu Luigi zum Essen. Um 18:30 Uhr sind        Dosen sind.
Sie dort und er sagt: „Schön, dass Sie
da sind, Doctore, bisschen früh dran, ist    Ein weiteres Thema ist, wie sich die Kun-
aber klasse, weil Sie jetzt noch alle Mög-   den im Verkaufsraum bewegen.
lichkeiten haben, sich einen Sitzplatz       Auch dazu ein kleiner Blick in die Hirnfor-
auszuwählen.“ Welchen Tisch werden Sie       schung. 70% aller Kunden haben einen
mit größter Wahrscheinlichkeit aussu-        leichten Rechtsdrall. Woher kommt das?
chen? Das kann ich Ihnen genau sagen,        Das kommt daher, dass wir kontralateral
es sind die Tische in den Ecken. Das alte    verscheitelt sind, d. h., die linke Gehirn-
Höhlenprogramm lässt grüßen, weil            hälfte ist für die rechte Körperhälfte
nämlich unsere Vorfahren schon gelernt       zuständig und umgekehrt. In der linken
haben, dass sie in den Ecken ihrer Höh-      Gehirnhälfte befindet sich aber etwas
len nicht so leicht von einem Bären oder     mehr von unserem Bewegungshormon
Tiger gefressen werden können. Deshalb       Dopamin und deshalb orientieren uns
steuern wir auch heute noch dort hin und     immer ein bisschen stärker nach rechts.
fühlen uns ganz wohl.
                                             Oder die Wegeführung. Wir gehen in ei-
Heuristik – wir haben es vorhin auch         nen Verkaufsraum. Wir spüren gar nicht,
von Professor Bolz gehört – ist nichts       warum wir laufen, wie wir laufen, deshalb
anderes, als der Wunsch unseres              kann man durch die Wegeführung vieles
Gehirns, Energie zu sparen. Möglichst        verändern. Man kann die Durchblutung
schnell zu Entscheidungen zu kommen,         eines Geschäftes dramatisch steigern
die einigermaßen richtig sind, auch          oder dramatisch senken, ohne dass der
wenn sie völlig unlogisch sind. Ich gebe     Kunde darüber sprechen kann. Er sagt
Ihnen ein weiteres Beispiel dafür. Diese     nur: „ Ich fühle mich irgendwie freier da
Flasche Chanel kostet 120 € und wenn         drin.“ Was genau passiert ist, weiß er
Sie zu Douglas gehen und das in dieser       gar nicht. Beispielsweise haben wir zwei
Umgebung kaufen, sagt sich die Kun-          Drogeriemärkte umgestellt und dadurch
din, das kostet zwar viel Geld, aber das     die kaufarmen Zonen stark reduziert.
bin ich mir wert. Wir lassen das Produkt     Denn die meisten Kunden haben gar kei-
gleich, verändern nur sanft die Umge-        nen Einkaufszettel und kaufen deshalb
bung in Richtung Ramschladen. Geben          nur, wenn sie das auch sehen, was sie
Sie jetzt immer noch 120 € aus? Maximal      brauchen.
noch 20 €, obwohl sich das Produkt nicht


Das nächste Thema sind die Gänge. Wir       te Emotionsexplosion. Die einzelnen
haben eine natürliche Angst vor allem,      Wahrnehmungskanäle werden nicht auf-
was uns einengt. Wenn die Gänge dann        addiert, sondern multiplizieren sich zu
noch hoch sind, gehen wir nicht rein. Und   einer vielfach stärkeren Wirkung, wenn
der Händler wundert sich, warum diese       ich auf allen Kanälen das Gleiche sende.
Riesenauswahl nicht verkauft wird.          Das bedeutet für die Inszenierung eines
Ganz wichtig: Es gibt in unserem Gehirn     Handelsunternehmens, sich wirklich alle
nicht einen buybutton, den man drücken      Botschaften anzuschauen und zu prü-
kann und dann kauft der Kunde unab-         fen, ob diese die gleichen Botschaften
hängig vom Umfeld. Marketing von heute      aussenden. Wenn Sie einen teuren
und morgen heißt, die tausend kleinen       Ladenbau haben, aber es ist Schmutz in
Kunden-Touchpoints entlang des gesam-       den Ecken, sagt unser Gehirn: Das passt
ten Verkaufsprozesses zu emotionalisie-     nicht zusammen, das lasse ich lieber – es
ren, besser zu machen. Unser Gehirn hat     kommt nicht zu dieser Wahrnehmungs-
eine brutale Art zu rechnen, ohne dass es   und Emotionsexplosion.
ins Bewusstsein kommt. Und davon wird
unsere Entscheidung beeinflusst.            Ein weiterer wichtiger Aspekt: Unser
                                            Gehirn fasst am Ende jedes Prozesses
Ein Beispiel aus einer Apotheke:            alles noch einmal zusammen. Auch der
Der Apotheker hatte zwar die größte         letzte Eindruck ist wichtig, um alles vor-
Auswahl am ganzen Ort, aber die Waren-      her Erlebte für die Zukunft als komplette
präsentation war ein Chaos. Wir haben       Erfahrung zu speichern. Meistens ist der
das nur ein bisschen umgeordnet, und        letzte Eindruck, den wir haben, die Kas-
gleich ist der Umsatz um 500% gestei-       se. Da muss ich mein Geld abgeben und
gert. Weil wir einige wichtige Wahr-        meistens sitzen auch noch mürrische
nehmungsgesetze unseres Gehirns mit         Kassiererinnen dahinter. Was passiert?
eingebaut haben. Verkaufsräume haben        Das Angst- und Stresshormon Cortisol
eine Grundlogik, die in unserem Gehirn      geht nach oben, das passiert übrigens
als Programm darüber gespeichert ist,       auch bei Wartezeiten. Ein Beispiel aus
wie ich bestimmte Abläufe erwarte. Zum      der Praxis ist der Buchhändler Gondrom,
Beispiel im Lebensmittelmarkt. Was          der jetzt leider an Thalia verkauft hat.
ist der wichtigste Tagesablauf, den wir     Der hat sich wirklich mit den Kunden
gelernt haben? Nichts ist so wichtig wie    beschäftigt und überlegt, was mache ich
das Essen. So strukturieren wir den Tag.    an der Kasse: Wartezeiten kann ich nicht
Wir freuen uns auf das Frühstück, dann      immer verhindern, aber ich möchte ein
kommt das Mittagessen, das Abend-           Gefühl der Leichtigkeit erreichen. Was
essen, dann kommt das Tier und dann         hat er hinter die Kassen montiert? Aqua-
kommt die Drogerie. So erleben wir          rien, da schwimmen die Fischchen rum
einen Supermarkt. Ein Supermarkt ist        und die Kunden gucken den Fischchen
harmonisch, löst keinen Stress aus, denn    zu, sind ganz entspannt. Das ist wirklich
unter Stress kaufen wir nicht.              gutes Kundenmanagement, wenn man
Denken Sie auch an die Geschäftsein-        auf das Gehirn des Kunden an den rich-
richtung, die so genannte Multisensorik     tigen Stellen tippt.
Ihres Geschäftes. Die Wahrnehmung
Ihres Geschäfts wird geprägt durch          Das wichtigste Signal für unser Gehirn ist
das Licht, durch die Einrichtung, durch     übrigens das menschliche Gesicht. Das
Formen und Farben, vor allem aber auch      bedeutet für Sie, ganz stark auf die Iden-
durch den Geruch und die Musik, die da      tifikation Ihrer Mitarbeiter mit Ihrem Ge-
dahinter sind. Das ist sehr spannend.       schäft zu achten. Ihre Mitarbeiter können
Wenn es mir gelingt, meine Verkaufs-        nur dann positiv kommunizieren, wenn
räume so zu inszenieren, dass auf allen     sie von Ihrer Idee, von Ihrem Geschäft,
Wahrnehmungskanälen die gleiche             von Ihren Produkten überzeugt sind, weil
Botschaft vermittelt wird - zum Beispiel    Sie das in Körpersprache umsetzen.
habe ich eine schöne sanfte Oberflä-        Wir haben uns jetzt einmal angesehen,
che, es riecht sanft nach Lavendel, ich     wie unser Gehirn grundsätzlich funktio-
höre eine schöne sanfte Musik - dann        niert. Nun kommt die nächste wichtige
sagt unser Gehirn, das hat eine hohe        Frage. Funktioniert es bei allen gleich
Relevanz und es gibt eine so genann-        oder gibt es möglicherweise Unter-


schiede? Im Marketing fragt man sich, ob      etwas anderes haben.
es noch so etwas wie Zielgruppen gibt.        Für Sie besonders spannend dürfte es
Man kann diese Frage auch so stellen:         sein, wo die Gehirnschwerpunkte durch-
Sind die Nutzer dieser beiden Produkte        schnittlich liegen. Wir haben gemeinsam
die gleichen?                                 mit dem Burda-Verlag 20.000 Konsu-
Wir ahnen schon, das sind sie bestimmt        menten in Deutschland untersucht, um
nicht ganz. Was ist der Grund dafür? Es       Einkaufsentscheidungen besser zu ver-
ist relativ einfach – es sind wieder unsere   stehen. Wir haben in Deutschland 32%
Emotionssysteme, die über Produktprä-         Harmoniser. Harmoniser sind Menschen,
ferenzen entscheiden. Alle Menschen ha-       die am liebsten zu Hause sind, denen es
ben die gleichen Emotionssysteme, aber        gut geht, wenn es ihrer Familie, Hund,
nicht in der gleichen Ausprägung. Der         Katze und den Gartenzwergen gut geht.
liebe Gott gibt uns eine Voreinstellung       Harmoniser sind ein bisschen wie eine
mit, 50% sind angeboren, die anderen          Meerschweinchenkultur, alle haben sich
50% sind durch Erziehung, Kultur, Miss-       ganz lieb, keiner bewegt sich. Das ist
erfolg und auch durch Bildung ein Stück       die Harmoniewelt. Dann die Genießer
weit beeinflussbar. Spannend dabei ist,       mit rund 13%. Genießer sind Menschen,
dass die meisten Menschen eine Art            die offen für Genüsse sind, aber nicht
emotionalen Schwerpunkt haben. Das            aktiv danach suchen. Sie lassen die Welt
Emotionssystem kippt immer ein biss-          ganz offen auf sich zukommen, sind sehr
chen in eine Richtung. Nur die wenigsten      tolerant, haben eine grundsätzlich offene
Menschen sind sich in allem gleich. So        Einstellung.
hätten es die Philosophen gern, das ist       Rund 11% sind Hedonisten – immer auf
aber nicht der Fall.                          der Suche nach dem Neuen, nach Dopa-
                                              min. Das kleine Problem dabei: Wenn Sie
Wir sehen die Welt immer durch die Brille     immer auf der Suche nach dem Neuen
unserer Emotionssysteme. Die Emoti-           sind, machen Sie das Alte nicht fertig. Es
onssysteme sind wie ein unsichtbarer          entsteht Chaos. Es folgen die Abenteurer
Filter und Antreiber unserer Wahrneh-         mit nur 3 % – von links Dopamin, von
mung. Größeres Balancesystem – das            rechts Testosteron, das ist so, als ob Sie
bedeutet für diesen Konsumenten, dass         Dynamit und Glyzerin zusammenrühren.
sein Gehirn immer nach Sicherheit sucht       Abenteurer sind immer risikobereit, lie-
und versucht, Unsicherheit zu vermeiden       ben Extremsportarten mit hohem Risiko,
– ohne dass er es merkt. Das sind die         sind Pioniere. Sie wissen, was mit denen
Imperative des Systems dieses Kunden.         passiert: Die werden meistens von den
Gehen wir mit diesem Konsumenten zum          Indianern erschossen.
Autokauf. Er steht vor einem Auto. Was        Weiter mit den Performern, rund 6%. Sie
glauben Sie, wird er den Autoverkäufer        sind Menschen, die ein klares Ziel haben,
fragen? Er wird nach den Airbags fragen,      nämlich Karriere. Meistens kommen sie
wie das Auto im Test abgeschnitten hat,       schon mit Krawatte auf die Welt und
ob mein Hund auf der Rückbank auch            betrachten auch schon das Gitter ihres
sicher sitzt und so weiter. Wir lassen        Laufstalls als Karriereleiter. Relatives
das Auto stehen, holen uns jetzt aber         klares und deutliches Ziel: Ich möchte
einen anderen Konsumenten dazu. Zum           nach oben kommen.
Beispiel einen Menschen, der im Domi-         Nun die Disziplinierten mit 10%, das
nanzsystem etwas stärker ist, man kann        Gegenteil von den Hedonisten: Sie brau-
auch sagen, dessen Gehirn in Testoste-        chen für alles in dieser Welt eine Regel,
ron schwimmt. Glauben Sie, dass er die        alles muss geordnet sein. Auch der
gleichen Fragen stellt? Natürlich nicht.      Stuhlgang. Jeden Morgen um 7:03 Uhr.
Er will wissen, wie die Beschleunigung        Auch am Sonntag, damit nichts durchei-
ist, wie viel PS der Wagen hat, schaut        nander kommt.
sich den Auspuff als Penisersatz an. Nun      Und schließlich die Traditionalisten, mit
ein Konsument, der auf der Suche nach         24 % die zweitgrößte Gruppe. Während
Stimulanz ist: Auch er fragt ganz anders.     die Abenteurer und die Hedonisten in
Was ist neu an diesem Auto? Wenn es in        der Zukunft leben, leben sie in der Ver-
einem matten Schwarz designt ist, fragt       gangenheit. Sie sagen, die neue Welt ist
er, ob es dieses Auto auch in pink gibt?      das Schlimmste was mir passieren kann.
Denn er möchte auffallen, er möchte           Früher war alles besser.


Jetzt betrachten wir die Empirie – wie       die Disziplinierten, während die anderen
unterscheiden sich diese Gruppen im          relativ schnell und häufig wechseln. Das
Einkaufsverhalten? Schauen wir uns           muss uns auch klar sein.
beispielsweise den Modeverkauf an. Wer
ist für Mode besonders affin, interes-       Es gibt aber nicht nur deutliche Unter-
siert sich für neueste Modetrends? Die       schiede in den Gehirnen der Kunden-
Hedonisten, die Abenteurer. Die Aben-        gruppen, sondern auch Männern und
teurer sind dreimal so modeaffin wie die     Frauen. Im Durchschnitt ist es so, dass
Disziplinierten. Die kaufen keine Mode       das Balance-Programm bei Frauen und
sondern sagen sich, die nächste Mode         das Dominanz-Programm bei Männern
kommt in 30 Jahren wieder, da bin ich        ein bisschen stärker, das Stimulanz-Pro-
aktuell mit dabei.                           gramm bei beiden etwa gleich ist.
Sie werden fragen, ob es denn auch           Es gibt immer wieder Menschen, die
etwas gibt, was die Disziplinierten gerne    sagen, es ist nicht die Biologie, es ist
kaufen? Ja, das gibt es – zum Beispiel       alles kulturell. Natürlich hat die Kultur
Gartengeräte. Weil sie im Garten ihre        einen großen Einfluss. Unser Gehirn ist
Welt ordnen können. Sie können den           ein lernfähiges Instrument. Aber, damit
Schnecken sagen: „Hallo Jungs, in diese      das auch klar ist: Unser Gehirn hat sich
Richtung wird gefressen. Morgen früh         seit 60.000 Jahren nicht mehr verändert.
meldet ihr euch und damit ist die Sache      Es ist nichts mehr passiert. Sehnsüch-
gegessen.“                                   tig warten wir auf ein neues Release.
                                             Und es gibt biologisch gesehen über
Die Hedonisten betrachten den Gar-           200 Unterschiede im Gehirn. Dazu ein
ten dagegen als Freiheitsberaubung.          paar Zahlen, die uns ein bisschen zum
Draußen ist die Welt und da lasse ich        Nachdenken anregen sollten: Für 95 %
mich nicht auf 200 m² einsperren. Es gibt    aller Verbrechen und Kriege sind Männer
deutliche Unterschiede. Wer kauft gerne      verantwortlich, sie besetzen 95 % der
teure Sachen? Teuer heißt: neu oder          Toppositionen, 96 % aller Nobelpreis-
exklusiv. Das sind die Hedonisten, die       träger und 90 % der Porschefahrer sind
Abenteurer und die Performer, während        Männer. Spätestens jetzt kommt manche
die Sparsamen, die Traditionalisten, die     Frau auf die Idee und sagt: Wenn die
Harmoniser und die Disziplinierten höch-     Kerle so viel Spaß haben, mache ich eine
stens für Qualität bezahlen würden. Bei      Geschlechtsumwandlung, ich möchte da
Qualität muss man sich immer fragen:         auch mitmachen. Vorsicht, der liebe Gott
Welche Warengruppe ist für wen interes-      ist sehr gerecht. Für so viel Spaß gibt es
sant. Beispielsweise Unterhaltungselek-      Punktabzug. Männer sterben nämlich
tronik, MP3-Player, IPods und so weiter.     fünf Jahre früher. Das ist übrigens auch
Das interessiert wieder die Hedonisten,      der Grund, warum die Frauen ein biss-
die Abenteurer und die Performer, die        chen mehr reden, sie müssen mit ihrem
dann auch Wert auf Qualität legen.           Mann alles besprechen, solange er noch
Dem völlig technikfremden Harmoniser         lebt.
dagegen ist es völlig egal, was drin ist,
Hauptsache es funktioniert.                  Schauen wir uns an, was im Gehirn
                                             tatsächlich passiert. Die Sexualhormone
Eine spannende Frage: Gibt es auch Be-       wirken sich nicht nur im Unterleib aus,
reiche und Produkte, wo der Abenteurer       sondern verändern auch unser Gehirn
keine Qualität erwartet? Ja – bei Lebens-    nachhaltig. Wir beginnen wieder bei
mitteln, der isst alles. Der Harmoniser,     der Spezies Mann. Im Alter von drei
der Genießer und der Performer sind          Monaten wird während der Schwan-
diejenigen, die die besseren Lebensmit-      gerschaft das männliche Gehirn vom
tel kaufen. Den anderen können sie auch      Sexual- und Dominanzhormon Testoste-
das Gammelfleisch füttern, das merken        ron überschwemmt und damit verändert
die gar nicht. Sattwerden ist das zentrale   sich dessen Struktur: Das Sexual- und
Thema. Wir sehen große Unterschiede.         Aggressionszentrum wächst auf die dop-
                                             pelte Größe. Das führt dazu, dass Frauen
Ganz wichtig auch die Frage nach den         zweimal am Tag sexuelle Gedanken
treuesten Kunden: Das sind natürlich         haben, Männer aber alle 52 Sekunden.
die Traditionalisten, die Harmoniser und     Nun braucht dieser Teil des Gehirns ein

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bisschen Platz. Auf welche Kosten geht      weibliche Gehirn ist hormonell eher auf
das? Wir haben im Gehirn auch Module,       Geborgenheit und Fürsorge ausgerichtet
die für soziale Empathie, für Kommuni-      und hat damit Vorlieben für bestimmte
kation und Kontaktfähigkeit zuständig       Produkte wie Mode, Kosmetik, Wellness,
sind. Es gibt in der Psychiatrie eine       Psyche, Esoterik, Wohnen, Familie. Das
Krankheit, die heißt Autismus. Autisten     männliche Gehirn wird von Testosterol
sind Menschen, die völlig unfähig sind,     geprägt und damit liegt das Interesse
mit anderen einen Kontakt aufzuneh-         mehr auf Sportgeräten, Maschinen, Au-
men. Und hier merken wir, was passiert:     tos, Computer, Technik.
85 % der Autisten sind Männer, nur          Das lässt sich auch mit drastischen empi-
15 % sind Frauen. Daher auch der be-        rischen Zahlen belegen.
rühmte Spruch zwischen Frauen: Spricht      Zum Beispiel sollten sich ein Mann und
er schon oder hoffst Du noch?               eine Frau im gleichen Geschäft ein paar
                                            Hosen kaufen. Der Mann braucht dazu 6
Jetzt zu den Frauen: Was passiert im        Minuten, die Frau über 3 Stunden.
weiblichen Gehirn? Da kommt das Östro-
gen. Auch das Östrogen verändert das        Jetzt wird es spannend: Wir haben
Gehirn: Das Kommunikationszentrum           solche Forschungen auch gemacht und
wächst auf die doppelte Größe. Männer       in meinen Büchern publiziert. SternTV,
sprechen 125 Worte, Frauen 250 Worte        das Redaktionsteam von Günter Jauch,
pro Minute.                                 wollte das zunächst nicht glauben und
                                            hat ein eigenes Experiment gemacht.
Warum betone ich das so stark? Weil         Drei Paare haben jeweils 100 Euro be-
über 70 % des frei verfügbaren Ein-         kommen, sollten ein paar Hosen kaufen
kommens von Frauen entschieden wird,        und wurden heimlich mit einem GPS-
aber 80 % der Marketingkampagnen            Sender ausgerüstet:
von Männern gemacht werden und das
unter der Voraussetzung, dass die Frauen    Das Ergebnis:
genau wie sie denken. Das tun Sie aber      Beim ersten Paar hat der Mann einen
nicht.                                      Laden besucht, die Frau 5. Beim zweiten
                                            Paar war der Mann in zwei Läden, die
Was noch viel wichtiger ist: Auch die       Frau in 8, beim dritten der Mann in drei,
Sensibilität der Wahrnehmung ist bei        die Frau in 13.
Frauen um ca. 10 bis 20 % höher als bei     Diese Frau wurde zum Schluss gefragt,
Männern. Weibliche Gehirne entdecken        ob Sie nach 13 Geschäften jetzt die rich-
Dinge, wenn das männliche Gehirn noch       tige Jeans gefunden hat und glücklich
längst im Winterschlaf verharrt. Frauen     ist. Die Antwort: „Von wegen glücklich,
verfügen über eine ganz andere Art von      die Jeans tausche ich morgen wieder
Sensibilität. Dazu wieder einige Bei-       um.“
spiele aus der Hirnforschung. So wird der   Eine ganz andere Art. Denken Sie darü-
gleiche Geruch von einem männlichen         ber nach, ich mache das natürlich ein
und einem weiblichen Gehirn an ganz         bisschen unterhaltsam, aber ich meine
anderen Stellen und wesentlich inten-       es wirklich ernst. Wir müssen lernen, das
siver verarbeitet. Auch wie wir uns in      genauer zu adressieren, wenn wir Kun-
einem Verkaufsraum bewegen, wie wir         den wirklich faszinieren wollen.
bestimmte Waren anschauen, ist völlig
unterschiedlich. Der Blickverlauf von       Soviel zum Thema Männer und Frauen.
Männern und Frauen ist ebenfalls            Wir haben noch ein anderes wichtiges
anders.                                     Thema, das Alter. Wir gehen auf eine
                                            alternde Gesellschaft zu. Natürlich gibt
Wenn eine Frau ein Regal betrachtet, hat    es viele Menschen, die sagen, die Alten
sie alles erfasst. Männer übersehen viel    von heute sind bis 70 Tarzan. Ich bin
mehr. Wir wissen aus unserer großen         heute auch schon 55 und möchte Ihnen
Handelserfahrung, dass Sie Sortimente       ganz klar und deutlich sagen: Natürlich
für Männer mit großen Klötzen präsen-       ist unsere Generation ein bisschen vi-
tieren müssen, dann funktioniert es.        taler als unsere Vorläufer, durch bessere
Damit werden auch Einkaufspräferenzen       Ernährung, durch bessere Gesundheit.
für bestimmte Produkte erklärbar: Das       Aber es gibt im Gehirn ein Gesetz der

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Veränderung, das sich nicht so einfach          dem Alter ab. Gleichzeitig steigt das
umdrehen lässt und darüber möchte ich           Angsthormon – Cortisol – stark an. Unser
nun sprechen.                                   Wunsch nach Sicherheit nimmt drama-
                                                tisch zu. Das heißt: Händler, die ältere
Zunächst einmal braucht unser Gehirn            Leute ansprechen, sollten sich die easy-
ca. 20 Jahre, bis es fertig ist. Erst nach 20   shoppping-Philosophie sehr intensiv
Jahren ist unser vorderer Kortex fertig,        ansehen. Und alles tun, um Stress abzu-
dieses Gehirnzentrum, das für langfri-          bauen, Service-Prozesse zu verbessern,
stiges Denken, langfristige Entschei-           Sicherheit zu gewährleisten – damit wird
dungen, auch für Belohnungsaufschub             man zum großen Gewinner von heute
zuständig ist. Ein Beispiel dafür: Wenn         und morgen.
Sie einem Jugendlichen sagen: „Wenn             So verändern sich dann die Werte. Das
Du jetzt nicht lernst, wirst Du nicht Vor-      Interesse an neuen Produkten sinkt
standsvorsitzender.“ Dann sagt er: „Das         – der Garten ist mein Hobby. Natürlich,
ist mir egal, ich spiel lieber mit meiner       denn der Wunsch nach Sicherheit steigt.
Playstation.“ Mit etwa 25 Jahren ist            Genauso das Interesse an Gesundheits-
unser Gehirn auf Höchstleistungsniveau.         fragen – das ist das Balanceprogramm,
Dann passiert etwas Trauriges. Es macht         das wird wichtiger. Spannend ist gerade
sich auch sofort wieder auf den Rück-           zwischen 50 und 59, dass sich die ex-
marsch. Es schrumpft nämlich. Jedes             pansiven und die Angsthormone treffen.
Jahr um etwa ein halbes Prozent, vor            Ich bin noch durchaus genussfähig in
allem im vorderen Kortex.                       diesem Bereich, aber ich möchte den
Was Sie hier sehen, ist das Gehirn eines        versicherten Genuss, achte gerade da-
75-Jährigen. Das weiße ist Wasser.              rauf, was im Essen drin ist. Ab 65 Jahren
Wasser hat ein kleines Problem. Was-            kommt ein stärkerer Rückzug, damit
ser denkt nicht. Deshalb brauchen wir           verändert sich viel. Natürlich nicht bei
älteren länger, um bestimmte Dinge              allen. Menschen, die aktiv sind, Men-
wahrzunehmen, gerade in komplexen               schen, die Sport treiben, können die
Handelslandschaften mit komplexen Pro-          Kurve ein bisschen weiter nach vorne
dukten. Das ist nicht dramatisch. Ich bin       ziehen. Menschen, die schon mit 40 vor
jetzt 55. Aber ich kann Ihnen sagen, ich        dem Fernseher verblöden, ziehen natür-
bin längst nicht mehr so fit im Denken,         lich in die andere Richtung. Das ist klar
wie ich es als 25-Jähriger war. Obwohl          – unser Gehirn ist ein Muskel, den man
ich viel denke und mein Gehirn trainiert        trainieren kann.
wird. Ältere Leute brauchen etwas länger,
um komplexe Dinge zu verstehen. Aus             Ich komme zum letzten Punkt: Wir haben
diesem Grund haben ältere Leute auch            schon viel über Marken gesprochen - was
Angst vor technischen Produkten. Geben          machen Marken eigentlich im Gehirn?
Sie mal einen MP3-Player einem 15-Jäh-          Mein Kollege aus der Hirnforschung,
rigen in die Hand und einem 60-Jährigen         Professor Kenning von der Uni Münster,
und schauen Sie sich die Reaktionen an.         demnächst in Friedrichshafen, hat einen
Dann wird deutlich, von was ich da spre-        ganz spannenden Versuch gemacht. Er
che. Das heißt, wenn wir ältere Kunden          hat Menschen im Kernspintomografen,
ansprechen wollen – und das müssen wir,         im Hirnscanner mit zwei Marken kon-
denn ältere Kunden haben meist Geld             froniert: einer Marke, die sie kennen und
– dann müssen wir die Angst reduzieren.         selber benutzen, zu der sie eine hohe
Wir müssen ihnen Zeit geben. Wir müs-           Markenaffinität haben und einer anderen
sen uns ganz massiv darauf einstellen,          Marke, die sie nicht kennen und auch
was da wirklich passiert.                       nicht benutzen, zu der sie eine geringe
Ein zweiter Aspekt ist ebenfalls wichtig        Markenaffinität haben.
für das Einkaufen: Auch unsere Emoti-
onssysteme verändern sich, weil sich die        Dann ist folgendes passiert - und das ist
Hormonstruktur im Gehirn verändert.             sehr interessant. Bei hoher Markenaffi-
Das Testosteron und das Östrogen wird           nität, wenn ein Konsument ein Produkt
weniger. Damit nimmt unser Wunsch               oder eine Marke sieht, die er kennt, sagt
nach Macht und Status mit dem Alter             das Gehirn: „Ich brauche mich gar nicht
immer weiter ab. Auch das Dopamin,              mehr lange damit zu beschäftigen, ich
unser Wunsch nach neuem, nimmt mit              brauche nicht darüber nachzudenken.“

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Sofort schaltet das vordere Großhirn          beispiel dazu was es wirklich heißt, sich
herunter. Die rote Markierung heißt nicht     stringent entsprechend dem Gehirn des
mehr Aktivität, sondern weniger. Das          Kunden zu positionieren. Der Schuh-
heißt bezogen auf das Thema Energie-          händler Reno, Platz Nr. 2 in Deutschland,
bilanz, ich schalte auf Automatik. Das        hatte über viele Jahre extrem große
Gehirn denkt nicht mehr darüber nach,         Probleme. Kein Wunder, denn Marke,
ich kann mich auf meine unbewussten           Imagewerbung, Produktwerbung und
Verarbeitungen verlassen. Erster Teil.        das Shop-Erlebnis haben einfach nicht
                                              zusammengepasst.
Was aber noch spannender ist, ist der an-
dere Bereich. Gleichzeitig werden – ohne      Wir haben uns genau angesehen, wer für
dass es uns bewusst ist – alle emotio-        diese Marke – preiswert, aber trotzdem
nalen Erfahrungen aktiviert, die wir mit      Qualität – die richtige Zielgruppe ist und
der Marke verbinden. Und wir wissen ja:       haben dann konsequent darauf gesetzt.
Emotionen entscheiden. Wir können also        Neue Werbestrategie „Reno – die behalte
sagen: Bekanntheitsgrad entlastet und         ich gleich an“. Sicherheit geben, das
Emotionen entscheiden.                        Harmoniestreben ansprechen. Natür-
                                              lich schon Modetrend, aber nicht die
Was bedeutet das? Wie entsteht Be-            ganz laute Mode. Die kaufen die Jungen
kanntheitsgrad? Indem man immer das           irgendwo anders. Sondern auch Familien
gleiche wiederholt. Und nun zu den            ansprechen. Mütter, die sagen, ich kaufe
Emotionen. Das ist auch ganz spannend.        was für meine Kinder. Trends, durchaus
Man muss wissen, welche Emotionen             ein bisschen modisch, aber nicht schrill.
man auslöst. Zum Beispiel im Bierbe-          Und ganz wichtig: auch etwas für die Kin-
reich. Sie alle kennen verschiedene           der zu tun. Reno war dann der Erste, der
Biere, Sie spüren, es sind unterschied-       Kindermessungen gemacht, die Schuhe
liche Emotionen, die angesprochen             nach den Kindern aufgebaut hat und
werden. Das eine zielt mehr auf Tradition,    auch die Geschäfte neu gestaltet hat.
das andere mehr auf Freiheit. Glauben         Reno ist inzwischen extrem erfolgreich,
Sie, dass sie die gleichen Konsumenten        auch in der Rendite. Es lohnt sich also,
ansprechen? Natürlich nicht. Wir suchen       das Ganze konsequent zu machen,
immer die Produkte und Marken aus, die
zu uns passen. Der Becks-Trinker ist zum      Ich möchte Ihnen noch einen kleinen
Beispiel eher der Expansive, Radeberger       Ratschlag mitgeben: Für alles gibt es
zielt eher auf die Traditionalisten.          ein gutes Buch. Es gibt immer Händler,
                                              die die Konjunktur so dramatisch sehen,
Jetzt werden Sie fragen: „Gilt das für        dass Sie keine Hoffnung mehr haben.
den Handel auch?“ Natürlich, auch             Dann empfehle ich die Bibel. Wenn Sie
Handelsunternehmen müssen sich als            sagen, ich möchte ein bisschen mehr
Marke betrachten. Hier sehen Sie, wo          Spaß im Leben haben: Dafür gibt es auch
die unterschiedlichen Marken im Gehirn        ein gutes Buch, das Kamasutra.
sitzen: dm – hier bin ich Mensch, hier        Wenn Sie aber wirklich wissen wollen,
kauf ich ein. IKEA – lebst Du schon oder      was im Kopf Ihres Kunden vorgeht, gibt
wohnt Du noch. Saturn – Geiz ist geil,        es nur ein einziges Buch, das Ihnen das
ganz aggressiv ganz laut – denken Sie an      gut erklärt. Das ist natürlich von mir. Es
das Testosteron bei jungen Männern und        heißt Brain Script und es ist Marketing-
auch ALDI hat einen festen Platz in un-       Besteller Nr. 1 in Deutschland.
serem Gehirn. Das sind die Saturn-Käu-
fer, das sind die Aldi-Käufer, das sind die   Herzlichen Dank.
dm-Käufer und das sind die IKEA-Käufer.
Völlig andere Typen.
Natürlich kaufen alle auch in ande-
ren Geschäften, aber nicht in gleicher
Wahrscheinlichkeit. Je nachdem, welche
Signale Sie ausstrahlen, bekommen Sie
auch die entsprechenden Kunden. Also
hier aufpassen.
Zum Schluss noch ein kleines Praxis-

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