BRSO EÖTVÖS VIZIN BRAUN EÖTVÖS - SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Donnerstag 29.4.2021 Herkulessaal 20.30 - 21.30 Uhr
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SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Donnerstag 29.4.2021 Herkulessaal 20.30 – 21.30 Uhr BRSO EÖTVÖS VIZIN BRAUN EÖTVÖS 1 29.4.2021 20 / 21 Herkulessaal Programm
MITWIRKENDE PROGRAMM PÉTER EÖTVÖS PÉTER EÖTVÖS Leitung »Senza sangue« Oper in einem Akt für zwei Sänger und Orchester VIKTORIA VIZIN nach der gleichnamigen Novelle von Alessandro Baricco Mezzosopran (La Donna – Nina) Libretto von Mari Mezei RUSSELL BRAUN Konzertante Aufführung in italienischer Sprache Bariton (L’Uomo – Pedro) Reduzierte Orchesterfassung von Gregory Vajda SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS KONZERT-ÜBERTRAGUNG IN SURROUND im Radioprogramm BR-KLASSIK Donnerstag, 29.4.2021 20.05 Uhr Kristin Amme im Gespräch mit Péter Eötvös 20.30 Uhr Live-Übertragung von Péter Eötvös’ Senza sangue; im Anschluss Béla Bartóks Herzog Blaubarts Burg in der Aufzeichnung von 18.00 Uhr ON DEMAND Das Konzert ist in Kürze auf www.br-klassik.de als Audio abrufbar. 2 3 Mitwirkende Programm
ALESSANDRO BARICCO »SENZA SANGUE«, NOVELLE IN ZWEI TEILEN Inhaltsangabe Teil I [von Péter Eötvös nicht vertont] Der Bürgerkrieg ist offiziell beendet. Dennoch tauchen vier bewaffnete Männer auf einem Bauernhof auf, in dem der Arzt Manuel Roca mit seinen Kindern untergekommen ist. Nichts Gutes ahnend, kann Roca seine Tochter Nina noch in einem Erdkeller verstecken und befiehlt ihr, sich dort so lange still zu verhalten, bis die Männer wieder verschwunden sind. Auch seinen kleinen Sohn fordert er auf, sich im Stall zu verbergen. Der Anführer der Bewaffneten will den Arzt wegen seiner Foltermethoden im Krankenhaus während des Bürgerkriegs zur Rechenschaft ziehen. Gewalt gebiert Gewalt, daher schießt er Roca zunächst ins Knie. Als dessen Sohn mit einem Ge- wehr im Anschlag seinem Vater zu Hilfe kommen will, wird er sofort erschos- Vor dem Café – Szenenfoto aus der Oper Senza sangue von Péter Eötvös in der Insze- sen, kurz darauf töten die Männer auch Roca. Da sie wissen, dass er eine nierung von Dmitri Tchernikov an der Hamburgischen Staatsoper (2016) Tochter hat, durchkämmen sie das Haus nach ihr. Der Jüngste der Gruppe, der Tito genannt wird, aber Pedro heißt, entdeckt Nina im Erdkeller, ihre Blicke treffen sich. Es ist ihm unmöglich, sie zu erschießen. Der junge Mann Graf bei einem Autounfall unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, schließt den Keller, ohne den anderen von der Begegnung zu berichten, die wurde Nina von der Verwandtschaft in eine Heilanstalt eingeliefert, aus der inzwischen das Haus in Brand gesteckt haben. Pedro ist von diesem Vanda- sie aber wieder flüchten konnte. Kurz darauf wurde der dritte Mörder er- lismus entsetzt und über die möglichen Folgen für das Mädchen bedrückt. schossen. Er wird von den anderen massiv bedrängt, den Hof zu verlassen. Nina überlebt. Nun sitzt sie in einem Café mit Pedro, der zum Ende des Gesprächs be- fürchtet, von Nina – wie die anderen drei – getötet zu werden. Überra- Teil II schenderweise überredet sie ihn, mir ihr in ein Hotel zu gehen. Sie habe Viele Jahre sind seit diesem Massaker vergangen. Nina, bereits ergraut, ist seinen Blick in der Erdhöhle nie vergessen und wünsche sich, mit ihm zu auf der Suche nach Pedro, dem letzten noch lebenden Täter, und findet ihn schlafen. »Dann dachte sie, so unbegreiflich das Leben auch ist, dass wir es als Losverkäufer in einem Kiosk. Sie verstrickt ihn in ein Gespräch. In Rück- wahrscheinlich mit dem einen Wunsch durchschreiten, zu der Hölle zurück- blicken aus beider Perspektiven werden in einer Art erzählerischem Puzzle zukehren, die uns hervorgebracht hat, um Seite an Seite zu weilen mit dem, die vergangenen Jahre und damit das Leben Ninas rekonstruiert. der uns einmal aus dieser Hölle gerettet hat. […] Eine ewige Hölle, iden- Nina wurde damals zunächst in ein Waisenhaus gebracht. Ein Apotheker tisch mit jener, aus der wir kommen. Doch auf einmal gütig. Und ohne Blut.« nahm sie als Tochter in sein Haus auf, aber nur um sich an dem Mädchen zu vergehen. Als einer der Mörder wenige Jahre nach der Tat vergiftet wurde, Renate Ulm brachte man den Apotheker damit in Verbindung, aber auch das Mädchen Nina. Später verlor der Apotheker haushoch beim Glücksspiel gegen einen Adligen, der Nina als Auslöse verlangte. Der Graf, ebenfalls einer der Täter, nahm Nina noch am selben Abend auf seine Fazenda. Er sollte sie als Zeugin des Massakers töten, doch er heiratete sie und bekam mit ihr drei Kinder. Zu- dem beruhigte er seine Mitwisser und behauptete, Nina sei stumm. Als der 4 5 Inhaltsangabe Inhaltsangabe »Senza sangue« »Senza sangue«
AUGENBLICK ÜBER DEM ABGRUND Zu Péter Eötvös’ Oper Senza sangue (Ohne Blut) Rafael Rennicke Die Opernmusik ist reich Entstehungszeit an klingenden Augenbli- 2014/2015, rev. 2016; reduzierte Fassung 2019 cken. In Péter Eötvös’ Einakter Senza sangue wird Widmung ein Blickkontakt zwischen einem zwölfjährigen »Invocation to Henri Mädchen und einem sieben Jahre älteren jungen Dutilleux« Uraufführung (konzertant) Mann zum entscheidenden Auslöser einer drama- 1. Mai 2015 in Köln mit tischen Geschichte. Möglicherweise ist dieser Au- Anne Sofie von Otter, genblick in den ersten Takten der Partitur sogar aus- Russell Braun und dem New York Philharmonic komponiert: Einem leisen, gedämpft angestimmten Orchestra unter der Leitung Ton h in den Streichern folgt, ebenso zart und von Alan Gilbert zerbrechlich, der Sprung hinauf zum Ton d – als Uraufführung (szenisch) 15. Mai 2016 in Avignon wär’s ein Augenaufschlag. Wie gebannt bleibt der mit Albane Carrère, Nina und Pedro im Café – Szenenfoto aus der Oper Senza sangue von Péter Eötvös Ton d in den Violinen und Kontrabässen liegen, Romain Bockler und dem an der Hamburgischen Staatsoper (2016) während die Violoncelli die Tonfolge immer und Orchestre Régional Avignon-Provence unter immer wieder spielen. Als könnten sie den Zau- der Leitung von Péter Stadt, begegnen sie sich wieder. Welche Folgen wird die zweite Begegnung ber dieses Augenblicks nicht fassen. Blinzelnde Eötvös für die beiden mittlerweile gealterten Menschen haben? Verwunderung. Deutsche Erstaufführung (szenisch) 6. November 2016 an der Hier setzt Szene 1 von Eötvös’ Oper ein. Ihr liegt der zweite Teil der No- Der Blickkontakt ereignet sich in einem Haus, in Hamburgischen Staatsoper velle Senza sangue (2012) von Alessandro Baricco zugrunde, mit der der dem soeben ein Blutbad stattgefunden hat. Der unter der Leitung von Komponist einen langgehegten Wunsch endlich in die Tat umsetzen konnte: Péter Eötvös junge Mann, Soldat in einem Bürgerkrieg, nahm an Geburtsdatum des dem Operneinakter Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók ein Stück der Erschießung des Vaters des Mädchens teil. Da- Komponisten vorausgehen zu lassen, das mit diesem auf vielfältige Weise korrespondiert. nach findet er sie in ihrem Versteck. Ihre Blicke 2. Januar 1944 in »Ich habe Bartóks Oper das erste Mal als Zwölfjähriger in Budapest gehört, Székelyudvarhely / treffen sich. Und er schießt nicht. Blinzelnde Ver- Rumänien direkt vor der Ungarischen Revolution 1956«, erzählt Eötvös. »Meine Mut- wunderung. Dann ein Sprung in der Geschichte ter hatte mich mitgenommen. Der Abend hat mich umgehauen. Das war ein und auch in Eötvös’ Musik. Scheint sie sich in den Schlüsselerlebnis in meinem Leben. Ich habe das Werk seitdem unzählige ersten Takten der rein instrumental gehaltenen In- Male dirigiert.« Doch sei er als Dirigent selten glücklich gewesen mit den troduktion dieses Augenblicks zu erinnern, so re- Korrespondenzstücken, die Bartóks Oper bei Inszenierungen an die Seite kapituliert sie in der Folge jene Jahre, die seit die- gestellt wurden. Sein Ziel sei darum gewesen, einen Einakter zu schreiben, sem Moment vergingen: Die Frau, die bei dem der ganz bewusst zu Herzog Blaubarts Burg hinführen sollte. blutigen Angriff ihre ganze Familie verloren hatte, ist immer noch traumatisiert und begann nun Senza sangue löst diesen Anspruch in mehrfacher Hinsicht ein. Unverkenn- ihrerseits, die einstigen Mörder reihum zu töten – bar ist die Nähe zur klanglichen Atmosphäre der Bartók-Oper. Eötvös, den bis auf den Mann, der sie damals verschont hatte. mit seinem ungarischen Landsmann dieselbe musikalische »Muttersprache« Jetzt, 50 Jahre später, an einem kleinen Kiosk einer verbindet, greift nicht nur auf die nahezu identische Orchesterbesetzung 6 7 Péter Eötvös Péter Eötvös »Senza sangue« »Senza sangue«
Nina und Pedro in der Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse – Szenenfoto aus der Oper Alessandro Baricco Senza sangue von Péter Eötvös an der Hamburgischen Staatsoper (2016) von Herzog Blaubarts Burg zurück (allein auf die Orgel wird verzichtet). Er Bis es jedoch soweit ist und im Epilog des Werks gar Glockengeläut zu verneh- schöpft auch aus jenem Arsenal an schillernden und schaurigen Klängen, men sein wird, komponiert Eötvös das musikalische Protokoll der so emo- das Bartók zur Darstellung seines Dramas mit der Akribie und Genialität tionalen wie gleichzeitig aufs Genaueste berechneten Wiederbegegnung von eines Seelenmalers bestückt hatte. Wie Bartók kennt auch Eötvös die Magie Mann und Frau. »Die beiden gealterten Protagonisten haben sich ihr gan- raunender Bässe, über denen sich flirrende, fast unwirkliche Gegenwelten zes Leben lang auf dieses Treffen vorbereitet«, erläutert der Komponist. auftun. Nervöse, dicht gefächerte Streichertremoli in höchsten Lagen ma- »Deshalb ist jeder einzelne gesprochene Satz voller Spannung, und die chen düstere Abgründe sichtbar, in die mal die signifikante messerscharfe Beziehung der beiden ändert sich laufend – eine weitere Ähnlichkeit mit Bartók’sche Rhythmik, mal nervös gezackte Melodielinien wie Blitze hin- Herzog Blaubarts Burg.« Musikalische Abbilder dieser dramaturgischen einfahren. Konstellationen sind bei Eötvös sieben Szenen – eine bewusste Referenz an die sieben Türen in Bartóks Werk –, die sich in enormer Pointiertheit als Die Abgründe, von denen Eötvös’ Orchester spricht, sind wie bei Bartók in sich geschlossene Charakterstücke von jeweils ganz eigener Klangsprache die Beziehungs-Abgründe zwischen den beiden Protagonisten – einer als und Atmosphäre zu erkennen geben. Bartóks antiromantischer »Muskel- Mezzosopran besetzten Frau (»La Donna«) und einem als Bassbariton be- und Knochenstil« ragt dabei immer wieder als stilbildendes Modell aus dem setzten Mann (»L’Uomo«). Ihr einstiger Blickkontakt hat beide 50 Jahre lang Orchestersatz hervor, den Eötvös selbst mit der Ästhetik eines Schwarzweiß- verfolgt und nicht ruhen lassen, einander zu suchen. Doch sind die Rollen Films in Verbindung gebracht hat, mit »scharfen Kontrasten und Schattie- anders verteilt als bei Bartók. Während es in Herzog Blaubarts Burg Judith rungen von Schwarz, Grau und Weiß«. ist, die es drängt, herauszufinden, wer Blaubart ist, und seine Vergangenheit erforscht, ist es in Senza sangue der Mann, der die Frau analysiert und ihren Zum besonderen Reiz des Werks trägt gleichwohl bei, dass die von Eötvös Absichten auf den Grund gehen möchte. Als sie ihn an jenem Kiosk an- bewusst gewählten Anklänge an Bartóks Klangwelt von mehr als nur flüchti- spricht und dann in ein nahegelegenes Café einlädt, folgt er ihr mit der un- gen Anspielungen an den italienischen Verismo ergänzt, mitunter konter- ausgesprochenen Ahnung, sie werde nun auch ihn, den letzten der einstigen kariert werden. Das mediterrane, kraftvoll-emotionale Italienisch der litera- Mörder, töten. Doch wird ihre Begegnung, wie schon die erste, ohne Blut- rischen Vorlage, das Eötvös weitgehend wörtlich übernimmt, hat hier zwei- vergießen ausgehen, »senza sangue« … fellos ausgestrahlt auf das Singstimmen-Melos. In seinen emphatischen Mo- 8 9 Péter Eötvös Péter Eötvös »Senza sangue« »Senza sangue«
einer anderen Quinte, der absteigenden Quinte es-as, singen, bevor die Frau ihren Namen wiederholt, jetzt auf die Töne f-c des Mannes. Das Orchester bekräftigt dieses Intervall leise – wie ein Klangsiegel der Reinheit und der Versöhnung mit den Geistern der Vergangenheit. So verwandelt sich am Ende dieser Oper die traumatische Vergangenheit der beiden Protagonisten in etwas gemeinsames Neues. Ist es Versöhnung? Liebe gar? Glockengeläut imaginiert die Vereinigung von Frau und Mann. Gleichwohl ist Eötvös’ musikalischer Epilog ein düster beleuchtetes Tableau. In den Schlusstakten werden vier Töne wie ein Denkmal in die Partitur ge- meißelt: a-gis-h-g – signalhaft in den Trompeten und als lang verklingender Akkord in den Hörnern und den Holzbläsern. Es ist just das Vierton-Motiv, auf das »La Donna« in Szene 3 die Worte »senza sangue« gesungen hatte: »ohne Blut«. Derart als Bedeutungsträger entschlüsselt, lässt es in seiner charakteristischen Engschrittigkeit zugleich auch an die »Blut«-Motivik der Nina und Pedro – Szenenfoto aus der Oper Senza sangue von Péter Eötvös an der Oper Herzog Blaubarts Burg denken, in die es bruchlos überleitet. Und der Hamburgischen Staatsoper (2016) Ausgang dieses Stücks ist bekannt. menten lässt es an den Lyrismus eines Leoncavallo oder Mascagni denken – etwa dann, wenn »La Donna« in Szene 3 in weitgespannten, sinnenver- führenden Melismen von der Unverständlichkeit des Lebens singt: Man scheine immer wieder in die Hölle zurückkehren zu wollen, aus der man einst kam. Dazu schwingt sich eine Solovioline in helle Höhen auf, und zu ihr gesellt sich in den Blechbläsern ein weiteres Singen – vom Komponisten mit der Vortragsanweisung »wie ein Choral« bezeichnet. Nach der hochdramatischen, klimaxartigen Szene 6, in der Mann und Frau die Ereignisse von damals in der Erinnerung noch einmal lebendig werden lassen, nimmt das Werk in Szene 7 eine überraschende Wendung. Denn keineswegs ist die Frau, wie der Mann vermutet, von Rache getrieben. Sie beteuert ihm vielmehr, ihn, dem sie ihr Überleben verdankt, in friedlicher Absicht aufgesucht zu haben. Sie sei gekommen, um erneut gerettet zu werden: »Er, der uns einmal rettete, kann dies immer wieder tun.« Den Blick, der ihr Leben verändert hat, wolle sie noch einmal spüren. Auch der Nina und Pedro im Hotel – Szenenfoto aus der Oper Senza sangue von Péter Eötvös Mann bekennt jetzt, dass er damals, als er sie in ihrem Versteck erblickt an der Hamburgischen Staatsoper (2016) hatte, einen merkwürdigen Frieden verspürt habe, einen Frieden, den er später nie wieder gefunden habe. Die Frau schlägt ihm vor, mit ihr in ein Hotel zu gehen; er brauche keine Angst zu haben. Zum ersten Mal nennt er seinen richtigen Namen: »Pedro Cantos«. Er singt das auf die Töne der reinen Quinte f-c. Dann sagt sie, dass sie »Nina« heiße. Eötvös lässt die beiden Silben zunächst auf die Töne 10 11 Péter Eötvös Péter Eötvös »Senza sangue« »Senza sangue«
VIKTORIA VIZIN Die ungarische Mezzosopranistin Viktoria Vizin studierte am Franz-Liszt- Konservatorium in Szeged. Sie war Preisträgerin bei verschiedenen Wett- bewerben wie in Cluj-Napoca / Rumänien (1996), in Budapest (1997) und beim Belvedere Singing Competition in Wien (2000). Seit ihrem Debüt an der Wiener Staatsoper 1999 ist Viktoria Vizin weltweit gefragt, so wird sie an der Metropolitan Opera in New York und an der Lyric Opera in Chicago ebenso engagiert wie an der Ungarischen Staatsoper in Budapest und am Royal Opera House Covent Garden in London. Zu ihrer wichtigsten Rolle gehört Bizets Carmen, die sie bereits 100 Mal als leidenschaftliche, freiheits- liebende Frau verkörpert hat, gefolgt von Bartóks Judith in Herzog Blau- barts Burg. Durch Viktoria Vizin erhält diese Partie in ungarischer Sprache besondere Authentizität. In dem heutigen Konzert singt Viktoria Vizin neben Bartóks Judith auch die Nina in Péter Eötvös’ Operneinakter Senza sangue nach der Novelle von Alessandro Baricco. Mit ihr entstand letztes Jahr die CD-Aufnahme dieser Oper. Viktoria Vizins Repertoire umfasst viele bedeutende Mezzosopran-Partien von der Alten bis hin zur zeitgenössischen Musik. Dazu zählen Nerone in Monteverdis L’incoronazione di Poppea, Phèdre in Rameaus Hypolite et Aricie, Dejanira in Händels Hercules, Donna Elvira in Mozarts Don Gio- vanni und in letzter Zeit Preziosilla in Verdis La forza del destino, in Wag- ners Ring-Tetralogie Floßhilde, Erste Norne, Schwertleite und Waltraute so- wie Charlotte in Massenets Werther und die Titelrolle in Puccinis Tosca. Aber auch in Lehárs Operette Die lustige Witwe überzeugte sie als begehrenswerte Hanna Glawari. Neben ihren Bühnenverpflichtungen ist Viktoria Vizin in der letzten Zeit vermehrt auch als Konzertsängerin aufgetreten, so in Beethovens Neunter Symphonie und in Händels Messiah. Eine Besonderheit in Viktoria Vizins Lauf bahn ist ihr Bühnendebüt in dem Theaterstück Carmen Disruption von Simon Stephens, in dem sie eine weltweit gefeierte Carmen-Darstellerin interpretiert, die kaum mehr zwischen ihrer Person und ihrer Rolle unter- scheiden kann. Zu ihrem vielseitigen künstlerischen Profil gehört auch ihre Leidenschaft für den Jazz. Bei einschlägigen Jazz-Festivals war sie zuletzt mit der Bohém Ragtime Jazz Band zu hören. Mit den beiden Rollen – Nina und Judith – gibt Viktoria Vizin ihr Debüt beim BRSO. 12 13 Biographie Biographie Viktoria Vizin Viktoria Vizin
RUSSELL BRAUN Seit fast 30 Jahren steht der kanadische Bariton Russell Braun auf den großen Bühnen der Welt – geschätzt für seine leuchtende Stimme, die über »kraft- vollste Attacken ebenso verfügt wie über die sanftesten, gedecktesten Töne«, so die Tageszeitung Toronto Star. Seine Engagements führen ihn u. a. an die Metropolitan Opera in New York, die Lyric Opera in Chicago, die Ca- nadian Opera Company, an das Royal Opera House Covent Garden in Lon- don, die Opéra de Paris, die Wiener Staatsoper, die Mailänder Scala, zum Glyndebourne Festival und zu den Salzburger Festspielen. Dabei gestaltet er alle großen Rollen seines Fachs: Mozarts Figaro, Graf Almaviva, Don Giovanni und Papageno, Tschaikowskys Eugen Onegin, Brittens Billy Budd, Debussys Pelléas, Fürst Andrej in Prokofjews Krieg und Frieden, Graf Luna in Verdis Il trovatore, Ford in Falstaff, Lescaut in Puccinis Manon Lescaut und Olivier in Strauss’ Capriccio, um nur einige zu nennen. Eine besondere Affinität hat Russell Braun zu zeitgenössischen Werken. Hier zählen Rollen wie Zhou Enlai in John Adams’ Nixon in China, Pentheus in Henzes Die Bassariden, der Troubadour Jaufré Rudel in Kaija Saariahos L’amour de loin, L’Uomo in Péter Eötvös’ Senza sangue sowie Brett Deans Knocking at the Hellgate zu seinem Repertoire. In der Spielzeit 2016/2017 verkörperte er im Rahmen der Feierlichkeiten zu Kanadas 150-jährigem Bestehen die Titelpartie in der Neuproduktion von Harry Somers’ Louis Riel an der Ca- nadian Opera Company in Toronto und Ottawa. Auch als Konzert- und Liedsänger ist Russell Braun weltweit gefragt. Höhe- punkte der jüngeren Zeit waren Aufführungen von Mahlers Achter Sym- phonie mit dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester und dem Orchestre symphonique de Montréal, Brittens War Requiem mit dem Royal Scottish National Orchestra bei den BBC Proms, Saariahos Cinque reflets de L’amour de loin mit dem SWR Symphonieorchester unter Péter Eötvös, Faurés Re- quiem mit dem Concertgebouworkest Amsterdam und Vaughan Williams’ A Sea Symphony mit dem Toronto Symphony Orchestra. Das breite künst- lerische Spektrum des Baritons spiegelt sich nicht zuletzt in seiner Disko- graphie wieder: Mahlers Lied von der Erde in der Kammermusik-Fassung von Arnold Schönberg erhielt eine Grammy-Nominierung, das Album Mozart – Arie e Duetti sowie Händels Apollo e Dafne wurden mit einem Juno Award geehrt. 2012 wirkte Russell Braun an der Weltersteinspielung der Oper Le Vaisseau Fantôme von Pierre-Louis Dietsch mit Les Musiciens du Louvre Grenoble unter Mark Minkowski mit. Auf DVD liegen Opernmit- schnitte u. a. von den Salzburger Festspielen (Roméo et Juliette, Die Bassa- riden) und von der New Yorker Met (Nixon in China, Capriccio) vor. Beim BRSO ist Russell Braun in dieser Woche erstmals zu Gast. 14 15 Biographie Biographie Russell Braun Russell Braun
MARISS JANSONS 5 CD 900157 PORTRAIT SYMPHONIEORCHESTER DES Die von BR-KLASSIK zum 75. Geburtstag des Maestros neu veröffentlichte CD- BAYERISCHEN RUNDFUNKS Edition bietet einen repräsentativen Querschnitt jenes Repertoires, für welches der Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Mit der Saison 2023/2024 wird das Symphonieorchester des Bayerischen immer wieder und in besonderem Maße aufgrund seiner hervorragenden inter- Rundfunks seinen neuen Chefdirigenten begrüßen können, der in der Zwi- pretatorischen Qualitäten gefeiert wird. schenzeit auch mehrfach am Pult stehen wird: Sir Simon Rattle. Er ist als Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sechster Chefdirigent in der Reihe bedeutender Orchesterleiter nach Eugen MARISS JANSONS Jochum, Rafael Kubelík, Sir Colin Davis, Lorin Maazel und Mariss Jansons eine Dirigentenpersönlichkeit von großer Offenheit für neue künstlerische Wege. Das BRSO entwickelte sich schon bald nach seiner Gründung 1949 zu einem international renommierten Klangkörper. Neben dem klassisch-romantischen Repertoire gehört im Rahmen der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegrün- deten musica viva die Pflege der zeitgenössischen Musik zu den zentralen Aufgaben des Orchesters. Viele namhafte Gastdirigenten wie Leonard Bern- SERGEJ RACHMANINOW stein, Georg Solti, Carlo Maria Giulini und Wolfgang Sawallisch haben das Orchester geprägt. Heute sind Herbert Blomstedt, Franz Welser-Möst, Daniel DIE GLOCKEN – CD 900154 Harding, Yannick Nézet-Séguin und Andris Nelsons wichtige Partner. Tourneen SYMPHONISCHE TÄNZE führen das Orchester durch Europa, nach Asien sowie nach Nord- und Süd- amerika. Von 2004 bis 2019 hatte das BRSO eine Residenz beim Lucerne Easter Die beiden Meisterwerke, die Rachmaninow als seine besten Kompositionen Festival. Zahlreiche Auszeichnungen dokumentieren den festen Platz des verstand, wurden in Münchner Konzerten im Herkulessaal der Residenz BRSO unter den internationalen Spitzenorchestern. Anfang 2019 wurden aufgezeichnet – herausragende Interpretationen von wesentlichen Kompositionen die Gastkonzerte in Japan unter der Leitung von Zubin Mehta von japa- des symphonischen Repertoires des frühen 20. Jahrhunderts unter der Leitung nischen Musikkritikern auf Platz 1 der »10 Top-Konzerte 2018« gewählt. von Mariss Jansons. 2020 setzte die Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik die CD © Peter Meisel Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Schostakowitschs Zehnter unter Mariss Jansons auf die Bestenliste 1/2020. MARISS JANSONS 17 Biographie BRSO br-klassik.de/label Erhältlich im Handel und im BRshop: br-shop.de
PÉTER EÖTVÖS Als Komponist ebenso wie als Dirigent und Lehrer ist Péter Eötvös eine der prägenden Künstlerpersönlichkeiten der Neuen Musik. 1944 im sieben- bürgischen Székelyudvarhely geboren, wurde er mit 14 Jahren von Zoltán Kodály an die Musikakademie in Budapest aufgenommen, wo er bis 1965 Kom- position und Klavier studierte. Anschließend kam er mit einem DAAD- Stipendium nach Köln, setzte hier seine Kompositionsstudien bei Bernd Alois Zimmermann fort und absolvierte ein Dirigierstudium. Von 1968 bis 1976 war er Pianist und Schlagzeuger im Ensemble von Karlheinz Stockhausen, von 1971 bis 1979 arbeitete er am Studio für elektronische Musik des WDR. 1978 wurde Péter Eötvös von Pierre Boulez eingeladen, das Einweihungskonzert des Ircam in Paris zu leiten, und folgte Boulez dann als Musikalischer Leiter des Ensemble intercontemporain, mit dem er zwischen 1979 und 1991 über 200 Kompositionen zur Uraufführung brachte. Auch am Pult der großen Sym- phonieorchester und Opernhäuser konnte Péter Eötvös seine Dirigentenkar- riere seit den frühen 1980er Jahren immer weiter ausbauen. Er war Erster bzw. Ständiger Gastdirigent des BBC Symphony Orchestra, des Budapest Festival Orchestra, der Göteborger Symphoniker, des Radio-Sinfonieorches- ters Stuttgart des SWR und des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien. Re- gelmäßige Einladungen erhält er u. a. vom Concertgebouworkest Amsterdam, den Berliner und den Wiener Philharmonikern, dem Cleveland Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra, der Mailänder Scala, dem Royal Opera House Covent Garden in London und dem Théâtre du Châtelet in Paris. Péter Eötvös’ eigene Kompositionen werden weltweit von allen bedeutenden Ensembles und Institutionen aufgeführt. Einen durchschlagenden Erfolg feierte er 1998 mit der Premiere seiner Oper Tri Sestri nach Anton Tschechow an der Opéra de Lyon. Seither hat Péter Eötvös mit vielen weiteren Opern Musikthea- tergeschichte geschrieben. Immer wieder findet auch sein politisches und soziales Engagement Niederschlag in seinem Schaffen: Das Orchesterstück Alle vittime senza nome, das Oratorium balbulum sowie die Opern Der goldene Drache oder Angels in America etwa sind Schlüsselwerke seiner Auseinandersetzung mit den existenziellen Themen der Gegenwart. Ein wichtiges Anliegen ist Péter Eötvös auch die Förderung des musikalischen Nachwuchses. 1991 gründete er in Budapest das International Eötvös Insti- tute und 2004 die Péter Eötvös Contemporary Music Foundation für junge DirigentInnen und KomponistInnen. Er war lange Zeit Professor an den Hochschulen in Karlsruhe und Köln, daneben gibt er sein Wissen in Meister- kursen und Seminaren weiter. Péter Eötvös ist Träger zahlreicher Auszeich- nungen und Ehrungen. Dem BRSO ist er seit vielen Jahren durch regelmä- ßige Auftritte im Rahmen der musica viva eng verbunden. 18 19 Biographie Biographie Péter Eötvös Péter Eötvös
SYMPHONIEORCHESTER DES LASSEN SIE UNS BAYERISCHEN RUNDFUNKS FREUNDE WERDEN! SIR SIMON RATTLE Designierter Chefdirigent ULRICH HAUSCHILD Orchestermanager (Nikolaus Pont in Elternzeit) Bayerischer Rundfunk TEXTNACHWEIS Inhaltsangabe: Renate Ulm; Rafael Rennicke: Originalbeitrag für dieses Heft; Biographien: Renate Ulm (Vizin); Vera Baur (Braun; Eötvös); Archiv des Bayerischen Rundfunks (BRSO). Rundfunkplatz 1 BILDNACHWEIS 80335 München © Staatsoper Hamburg, Senza sangue Telefon: (089) 59 00 34 111 (2016), Fotos: Monika Rittershaus mit freundlicher Genehmigung (sämtliche IMPRESSUM Szenenfotos); viktoriavizin.com (Vizin); Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk © Johannes Ifkovits (Braun); © Astrid Programmbereich BR-KLASSIK Ackermann (BRSO); © Marco Borggreve Publikationen Symphonieorchester (Eötvös); Archiv des Bayerischen und Chor des Bayerischen Rundfunks Rundfunks. REDAKTION AUFFÜHRUNGSMATERIAL Dr. Renate Ulm (verantwortlich) © Schott Music International, Mainz Dr. Vera Baur (Eötvös) GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT Bureau Mirko Borsche UMSETZUNG Antonia Schwarz, München Freunde sind wichtig im Leben eines jeden von uns. Kontakt: Diese Überlegung machten sich musikbegeisterte Freunde des Symphonieorchesters und engagierte Menschen zu eigen und gründeten des Bayerischen Rundfunks e. V. den gemeinnützigen Verein »Freunde des Sympho- Geschäftsstelle: Ingrid Demel, Sabine Hauser nieorchesters des Bayerischen Rundfunks e. V.«. c/o Labor Becker und Kollegen Seine heute 1.400 Mitglieder fördern die herausra- Führichstraße 70 gende künstlerische Arbeit des Symphonieorchesters 81671 München und seiner Akademie nach Kräften. Der Verein trägt Telefon: 089 49 34 31 dazu bei, den Ruf dieses weltweit berühmten Orche- Fax: 089 450 91 75 60 sters weiterhin zu mehren. Mit der finanziellen Un- E-Mail: fso@freunde-brso.de terstützung der »Freunde« werden Instrumente finan- www.freunde-brso.de ziert, Kompositionsaufträge erteilt, Kammermusik- kurse abgehalten und jungen Talenten in der Akade- * Rechtsverbindliche Ansprüche bestehen jeweils nicht mie eine erstklassige Ausbildung an ihren Instrumen- ten ermöglicht. Den »Freunde«-Mitgliedern werden br so.de zahlreiche attraktive Vergünstigungen angeboten, von exklusiven Besuchen ausgewählter Proben über be- vorzugte Kartenbestellungen bis hin zu Reisen des Orchesters zu Sonderkonditionen.* Helfen Sie mit als Freund und lassen Sie sich in die Welt der klassischen Musik entführen!
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