PROLOG JÄNNER 2015 | N 185 - Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci Interviews: Theorin, Young, Maximova Tanzdemonstrationen, Choreographische ...
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P R O L O G J Ä N N E R 2 0 1 5 | N° 185 KS Leo Nucci singt die Titelpartie in Simon Boccanegra Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci Interviews: Theorin, Young, Maximova GENERALSPONSOREN Tanzdemonstrationen, Choreographische Werke
Inhalt Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, liebes Publikum! Jänner im Blickpunkt 2 Wenn einem durchgehend eine hohe Qualität gebo- ten wird, gewöhnt man sich unter Umständen daran Wenn endlich der Hass überwunden wird KS Leo Nucci zu Simon Boccanegra 4 und vergisst zu leicht diese zu schätzen. Ich finde es daher an der Zeit, hier auch einmal die Leistungen Debüts im Jänner 7 des Staatsopernchores und ihres Direktors Thomas Lang zu würdigen: Ein derart großes Repertoire und Was will mir Salome heute sagen? Simone Young dirigiert Richard Strauss’ Meisterwerk 8 das auf diesem Niveau zu meistern – das muss erst einmal jemand nachmachen! Denken Sie nur an die Lachen, Lieben, Leiden Elena Maximova präsentiert vier Charaktere 10 jüngsten Neuproduktionen, allen voran an die wirk- lich nicht leichte Chowanschtschina, die parallel Tanzdemonstrationen | Choreographische Werke 12 zum laufenden Spielbetrieb scheinbar so ohne Schwierigkeiten einstudiert und präsentiert wurden: Das Wiener Staatsballett Halbsolistin Nina Tonoli 13 Wirklich, Hut ab! Man muss sich nur vorstellen wie viele Stücke, Stile, Inszenierungen jederzeit abrufbar Ballett: Königliche Früchte 14 sein müssen – auswendig gesungen in fünf (!) ver- Das Staatsopernorchester schiedenen Sprachen: allein im Jänner ist der Chor Fagottist Prof. Reinhard Öhlberger 16 in so unterschiedlichen Werken wie in der wiene- Serie: Wie eine Neuproduktion entsteht rischen Operette Fledermaus, in den italienischen Betriebsdirektorin Sabine Hödl-Weinberger 18 Opern Rigoletto, Simon Boccanegra, Tosca, Unsere Ensemblemitglieder Barbiere di Siviglia und Madama Butterfly, sowie Ryan Speedo Green im Portrait 20 in Mozarts Zauberflöte, in Wagners Tristan und Musik ist Kommunikation Isolde und in Tschaikowskis Pique Dame zu erleben. Iréne Theorin im Gespräch 22 Und wer einmal gesehen hat, mit welcher Begeiste- rung die einzelnen Chormitglieder bei den Proben Repertoire im Jänner 25 an szenische und musikalische Herausforderungen Kein Tenor, sonder Musiker herangehen, wird ehrfurchtsvoll staunen. Nicht zu Aleksandrs Antonenko singt Hermann, Cavaradossi 26 vergessen natürlich der unverwechselbare Klang des Am Stehplatz Staatsopernchores, der einen Teil der musikalischen Kommerzialrat Erich Suppan 27 Authentizität unseres Hauses ausmacht. Kurzum: Wir können stolz, froh und dankbar sein, so einen Chor Daten und Fakten 28 zu besitzen, der motiviert und mit vollem Einsatz an die Sache herangeht. Spielplan 30 Ihr Kartenverkauf 32 Dominique Meyer
JÄNNER im Blickpunkt ENSEMBLE / KINDEROPER OPER LIVE AT HOME KAMMERMUSIK 7., 8. Jänner Jänner 2014 Jänner 2014 Zum letzten Mal in dieser Spiel- Auch im Jänner werden ausge- Am 17. Jänner ist im Gustav Mah- zeit werden im A1 Kinderopern- suchte Vorstellungen im Rah- ler-Saal ein Konzert im Rahmen zelt auf der Dachterrasse des men von WIENER STAATSOPER der Serie Kammermusik der Hauses Aufführungen der Kinder live at home via Internet über- Wiener Philharmoniker zu hö- oper Städtchen Drumherum an- tragen: Die Zauberflöte am 4. ren. Es musizieren Kirill Ko- geboten. Das Werk basiert auf Jänner (Dirigent: Adam Fi- bantschenko (Violine), Rai- Mira Lobes gleichnamigem Kin- scher; mit: Franz-Josef Selig, mund Lissy (Violine), Bern- derbuchklassiker, das liebevoll Benjamin Bruns, Genia Küh- hard Naoki Hedenborg (Vio- und weitherzig den Gedanken meier, Íride Martínez, Mar- loncello), Gottlieb Wallisch der letztendlich positiven Kon- kus Werba), Tristan und (Klavier). Beginn: 11. Uhr. fliktlösung im Dienste aller, auch Isolde am 18. Jänner (Dirigent: und besonders der Umwelt, in Peter Schneider; mit: Peter Am 25. Jänner werden Aida Ga- den Mittelpunkt stellt. Empfoh- Seiffert, Iréne Theorin, Al- rifullina und Ryan Speedo len ab 6 Jahren. bert Dohmen, Tomasz Ko- Green in der Reihe Ensemble Die Produktion ist auch auf DVD nieczny, Petra Lang), Salome stellt sich vor zu erleben sein. und als Video on demand (www. am 23. Jänner (Dirigentin: Si- Begleitet werden die beiden Sän- staatsoperlive.com) erhältlich. mone Young; mit: KS Herwig ger am Klavier von David Aron- Pecoraro, Elisabeth Kulman, son. Catherine Naglestad, Juha Uusitalo) und Pique Dame am 28. Jänner (Dirigent: Marko Letonja; mit: Aleksandrs An- tonenko, Tómas Tómasson, Barbara Haveman, Marjana Lipovšek, Markus Eiche). 2 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
BLICKPUNKT WIENER ZYKLUS LIED.BÜHNE STAATSBALLETT 29. Jänner Jänner 2014 Seit mehreren Jahren wird in Ko- Passend zur winterlichen Jahres- operation mit der Wiener Staats- zeit begrüßt das Wiener Staats- oper im Wiener Musikverein ballett das neue Jahr mit Der (Gläsernen Saal /Magna Auditori- Nussknacker (6. nachmittags um) der Zyklus Lied.Bühne prä- und abends und 9. Jänner), dem sentiert, bei dem junge Ensem- sich Ballett-Hommage (13., 17. blemitglieder der Wiener Staats- Jänner) als Kontrapunkt an- oper Liedprogramme zum Be- schließt. sten geben und sich auf diese Auch für den Nachwuchs gibt es Weise dem Publikum mit einer viel zu tun: Tanzdemonstrati- zusätzliche Facette ihres Künst- onen (Ballettakademie, 17., lertums vorstellen. Am 29. Jänner 18., 19., 20. Jänner) und die Cho- ist die junge St. Petersburgerin reographischen Werke (Jugend- Margarita Gritskova zu hören, kompanie der Ballettakademie, die im Haus am Ring zuletzt als 21., 22., 23. Jänner), beide wer- Idamante in der Idomeneo-Neu- den im A1 Kinderopernzelt ge- produktion zu erleben war. Sie zeigt, bieten eine umfangreiche wird Werke von Schubert, Leistungsschau. Beginn ist an Brahms, Strauss, Tschaikowski, allen Spieltagen um 10.30 und Rachmaninow, Debussy, Masse- 15.30, mit Ausnahme des 18. Jän- net, Ravel, Fauré und de Falla ners (nachmittags): ACHTUNG interpretieren. Begleitet wird sie TERMINÄNDERUNG! Die Nach- von Thomas Lausmann, dem mittagsvorstellung der Tanz Studienleiter der Wiener Staats- demonstrationen am Sonntag oper. den 18. Jänner beginnt nicht wie tickets@musikverein.at im Leporello angekündigt um 15.30 sondern bereits um 14.30. Wiener Staatsoper www.wiener-staatsoper.at N° 185 3
WENN ENDLICH DER HASS ÜBERWUNDEN WIRD KS Leo Nucci, Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper und Gestalter zahlreicher einzigartiger Opern-Charaktere, singt im Jänner eine seiner liebsten Partien: den Simon Boccanegra. Zu dieser Partie nimmt der Sänger persönlich Stellung … E rstmals stand ich im Jahr 1984 als Simon Boccanegra auf der Bühne – doch kannte ich die Oper bereits aus einem anderen Blickwinkel, aus Gewerkschafter erscheinen. Sie zetteln im Namen des Volkes einen Aufstand an, um Simon Boccane- gra auf den Thron zu hieven. Pietro fragt Paolo jenem des Bösewichts Paolo, den ich unter Claudio dabei: Welchen Vorteil habe ich dabei, wenn ich so Abbado bereits zuvor gestaltet hatte; und Abbado handle? Es geht also um „oro, possanza, onore“, stand auch am Pult, als ich hier 1990 an der Staats- also „Gold, Macht, Ehre“ – das ist wirklich ganz oper erstmals einen Boccanegra sang – es handelte aktuell! Denn wie viele Politiker heute handeln und sich dabei um die letzte Aufführungsserie in der nehmen alles in Kauf, auch auf Kosten des Volkes berühmten Inszenierung von Giorgio Strehler. übrigens, wegen oder für Gold, Macht, Ehre? Man sagt dieser Oper ja oftmals nach, dass sie beim Das dramatische Potenzial dieser Oper entspringt Publikum weniger beliebt ist als andere Werke von aber vor allem dem mittleren Wort dieser Trias: Verdi: Es handelt sich dabei aber of mals eher um Macht. Es ist eine Geschichte der Macht, die man eine größere oder geringere Zuneigung seitens der zu sehen und zu hören bekommt. Schließlich ist Intendanten, denn wenn Simon Boccanegra ge- die Titelfigur Jahrzehnte lang an der Macht, es geht spielt wird, ist das Publikum eigentlich immer hin- um das Drama eines Herrschers, der weiß, dass er gerissen. So gestaltete ich diese Titelpartie vor kur- nur durch Menschen an die Spitze gekommen ist, zem an der Scala, und die Zuhörer liebten das Werk die selber gerne herrschen würden. Und dennoch einfach. Natürlich scheint es manchem Intendanten endet diese Oper versöhnlich, denn sowohl Fiesco einfacher und vor allem sicherer, das „typische“ als auch Simone gestehen am Ende ihre Schuld ein, italienische Repertoire zu spielen, wie La traviata, und Simone verzichtet um des Friedens willen auf La Bohème, weil sie sich da des Publikums sicher die Macht – sogar zugunsten seines Feindes! Sein sind. Aber wir als Kulturschaffende haben durchaus Sterben sieht er im Zusammenhang mit einer Mög- die Aufgabe, das Publikum auch auf den Geschmack lichmachung des Friedens; und das selbst in einer anderer Opern zu bringen und sie auch zu anderen Situation, in der er von jenem Mann vergiftet wird, Werken, wie etwa Simon Boccanegra zu ver der ihn ursprünglich an die Macht gebracht hat. führen… Man kann also durchaus sagen, dass es in dieser Mich fasziniert immer wieder aufs Neue die Moder- Oper um etwas Besonderes geht, um eine politi- nität und Aktualität von Verdis Simon Boccanegra sche Vision, die Verdi seinem Publikum mitteilen – im Vergleich etwa zu Ernani oder zum Trovatore. wollte. Und das heute mehr denn je! Eine Situation, ver- Dieser Zwiespalt von Hass und Vergebung, von gleichbar mit Luisa Miller oder I due Foscari. So Zorn und Hingabe wird in der Oper sogar direkt heißt es im Libretto von Simon Boccanegra nach von der Titelfigur angesprochen. Ein Detail: Bocca- Petrarca „Adria e Liguria hanno patria commune“, negra spricht etwa von Ligurien, wo der „ulivo“ also das adriatische und ligurische Meer haben das- wächst, also der Olivenbaum, der Hass aber – der Titelpartie in selbe Vaterland – und genau dieses Thema ist ja Olivenbaum ist bis heute das Symbol des Friedens Simon Boccanegra auch eine Streitfrage in der zeitgenössischen italie- – weiterbesteht. Simon Boccanegra erzählt zusam- 21., 25., 29. Jänner, nischen Politik … Oder der Prolog: Es erfolgt ein mengefasst eine Geschichte der Macht, sowie – 1. Februar Auftritt zweier Männer, Paolo und Pietro, die wie besser – noch mehr: eine Geschichte des Bruder- 4 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
OPER hasses, der Rache, und eine Geschichte der Über- windung dieser dunklen Kräfte, der Überwindung des Hasses. Aber auch Ehe und Lebensgemeinschaft sind ein Topos dieser Oper, kein Wunder, hat dieses Thema doch den Komponisten Giuseppe Verdi – ich denke da an seine „wilde“ Ehe mit Giuseppina Strepponi – sehr beschäftigt. In der Oper jedenfalls sind Maria Fiesco und Simon Boccanegra ineinander verliebt. Diese Liebe ist allerdings gegen den Willen Marias Vaters, Jacopo Fiesco, der sogar in Kauf nimmt, dass seine Tochter im eigenen Haus stirbt, nur damit sie ihren Geliebten nicht mehr sehen kann. Von dem sie übrigens sogar eine Tochter hat – Amelia. Dieses Liebesthema, wie auch die gesamte Geschichte rund um die Kindesentführung, das sind Aspekte aus der Romantik, die Verdi und seine Librettisten Francesco Maria Piave (1. Fassung) und Arrigo Boito (2. Fassung) geschickt in die Handlung verwoben haben. Ebenso entspricht es der Dramaturgie der Romantik, dass Simon Boccanegra im Vorspiel der Oper nicht von seinem Widersacher Jacopo Fiesco erfährt, dass dessen Tochter und Simones Geliebte Maria gestorben ist, sondern er es selbst grausam entdecken muss: er öffnet das Grab und entdeckt dort den Leichnam. Das dient allerdings nicht nur als Effekt, sondern Verdi wollte damit die Grausam- keit des Vaters, also Jacopo Fiescos, zeigen. Im Sin- ne der Romantik ist weiters, dass Boccanegra das Schicksal seiner Tochter nicht kennt, sondern 20 Jahre lang im Ungewissen bleibt. Abgesehen von diesen romantischen Elementen geht Verdi mit dieser Oper neue Wege der Drama- turgie, besonders in der genannten zweiten Fas- sung des Werkes, die 1882 zur erstmaligen Auffüh- rung kam. Er fügte in dieser Version die große „Scena del Consiglio“ ein, und betont damit die am Anfang erwähnte politische Dimension dieser Oper. Vor allem aber ist er ein Neuerer in musikalischer Hinsicht. Es gibt, bis auf die Arie des Tenors, keine Arien in dem herkömmlichen Sinne. Die große Sze- ne des Basses mit dem großen Rezitativ und einer X Coda ist keine Arie, sondern sie schließt unmittel- X www.wiener-staatsoper.at N° 185 5
bar an die folgende Szene an – eigentlich darf das Die erste Fassung der Oper entstand zwar relativ Publikum an dieser Stelle nicht applaudieren. Dazu knapp nach der berühmten trilogia popolare, also kommen lautmalerische Momente, sofort bei der Rigoletto, La traviata, Il trovatore, doch sehe ich Eröffnung der Oper zum Beispiel: Verdi hat hier persönlich eigentlich keine so starke Verbindung den ruhigen Wellenschlag des Ozeans komponiert. dieser drei Werke zu Boccanegra. Eventuell kann Man darf nicht vergessen, dass er von November man Jacopo Fiesco mit Giorgio Germont aus Tra- bis März in Genua, also in einer Hafenstadt lebte viata in Verbindung bringen, aber zwischen Trova- und nur von März bis November auf seinem Land- tore und Simon Boccanegra zum Beispiel sehe ich sitz in Sant’Agata. Verdi war also das Meer vertraut, überhaupt keine echte Verbindung. Ich liebe den und es liegt nahe, dass er es in die Oper, wo es Trovatore natürlich, aber es steht dann doch das doch um den früheren Piraten Boccanegra geht, theatrale Moment sehr im Vordergrund. Letztlich eingebracht hat. Oder ein anderes Beispiel: In dem auch bei La traviata. Simon Boccanegra hingegen Augenblick, in dem Simone Boccanegra sagt: „ar- sehe ich viel eher mit Don Carlo auf einer Linie, dono le fauci“ und das vergiftete Wasser ausgießt, besonders, was die Dramaturgie der Oper betrifft. hört man im Orchester das Fließen des Wassers. Übrigens auch Macbeth, in Bezug auf das Spiel mit Verdi wollte übrigens für Simon Boccanegra kein der Macht. großes Orchester, sondern vielmehr einen Klang- In puncto Gesangstechnik gibt es für die Titelfigur körper, der eher im Hintergrund steht und eben eine sehr schwere Stelle, das ist das Duett mit Ame- „ausmalend“, kolorierend agiert. Man darf übrigens lia „Figlia! … a tal nome io palpito“. Heikel ist aber nicht vergessen, dass Verdi in dieser Zeit mit der auch die Interpretation des Wortes: Verdi schrieb Musikkritik und mit Wagners Konzeption des Musik zum Text und nicht umgekehrt. Kunstwerks in Konflikt war … Eine echte Herausforderung ist die richtige Inter- KS Leo Nucci als Simon Boccanegra pretation der Titelfigur. Denn zwischen dem Prolog und dem ersten Akt vergehen mehr als 20 Jahre, und es ist wichtig, die Veränderung zu zeigen, die an ihm geschehen ist. Schließlich leidet der Mann an einem tiefen Schmerz, denn er hat nicht nur seine Geliebte verloren, sondern ist seit Jahrzehn- ten auch auf der Suche nach seiner Tochter. Dieses Schicksal ist einfach großes Theater, und diese Ge- fühle muss man als Sänger fühlen und muss sie interpretieren. Bedeutsam scheint mir in diesem Zusammenhang auch, dass Boccanegra, bis auf we- nige Stellen, vorwiegend im Piano singt. Zuletzt: Als schönste Momente in dieser an sich immer schönen Oper empfinde ich etwa den Au- genblick, in dem Boccanegra erkennt, dass er seine verloren geglaubte Tochter Amelia vor sich hat. Giuseppe Verdi notierte hier die Musik im 6/8-Takt – das machte er übrigens immer, wenn er von gro- ßer Liebe singen ließ … Leo Nucci 6 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
DEBÜTS DEBÜTS IM JÄNNER D er Tenor Jason Bridges wurde in Pennsyl- vania geboren und studierte an der Eastman School of Music in Rochester, New York sowie am Myung-Whun Chung. Zu ihren aktuellen Projekten zählen unter anderem Leonora in La forza del destino am Opernhaus in Seoul sowie die Titel- Royal Conservatoire of Scotland in Glasgow. Wei- rolle in Madama Butterfly am Teatro Verdi di ters lernte er unter anderem bei Nicolai Gedda. Salerno. An der Wiener Staatsoper debütiert Sae Bald nach seinem Studium nahm er am Atelier Kyung Rim am 26. Jänner in der Titelrolle von Lyrique, dem young artist program der Opéra Na- Madama Butterfly. tional de Paris, teil. Er sang an Opernhäusern und in Konzertsälen in Europa und in den USA. Zu seinen Rollen zählten bisher Albert Herring, Fer- O P ER N - R O L L EN D EB Ü TS rando in Così fan tutte, Pylade in Iphigénie en John Tessier (Conte d’Almaviva), Elena Maxi- Tauride, Renaud in Armide, Rinuccio in Gianni mova (Rosina) in Il barbiere di Siviglia am Schicchi, Alfredo in La traviata, Tybalt in Roméo 8. Jänner 2015 et Juliette, Des Grieux in Manon, Nemorino in L’elisir d’amore, Edgardo in Lucia di Lammer- Iréne Theorin (Isolde), Tomasz Konieczny Sae Kyung Rim moor, Lyonel in Martha, Sou-Chong im Land des (Kurwenal), Il Hong (Steuermann) in Tristan Lächelns, Cyrille in Yvonne, Princess de Bourgo- und Isolde am 10. Jänner 2015 gne. Zu den wichtigsten Dirigenten, mit denen er Norbert Ernst (Narraboth), Ryan Speedo zusammenarbeitete, zählen unter anderem Rober- Green (5. Jude) in Salome am 15. Jänner 2015 to Abbado, Seymon Bychkov, Sylvain Cambreling, Barbara Haveman (Lisa), Elena Maximova James Conlon, Hartmut Haenchen, Thomas Hen- (Polina), Marjana Lipovšek (Gräfin), Thomas gelbrock, Alexander Lazarev, Jesús López-Cobos Ebenstein (Tschekalinski), Janusz Monarcha und Carlo Rizzi. Jason Bridges debütiert an der (Narumow), Mihail Dogotari (Festordner), in Wiener Staatsoper am 15. Jänner als 1. Jude in Pique Dame am 16. Jänner 2015 Salome. Philippe Auguin (Dirigent), Aquiles Machado Die Sopranistin Sae Kyung Rim studierte an der (Pinkerton) in Madama Butterfly am 26. Jänner Hanyang University in Seoul, am Verdi Konserva- 2015 torium in Mailand sowie an der Accademia der Ambrogio Maestri (Scarpia) in Tosca am Mailänder Scala. Sie ist Preisträgerin mehrerer 31. Jänner 2015 internationaler Wettbewerbe, etwa des Vercelli Giambattista Viotti Wettbewerbs. Zu ihren frühen B AL L ET T- R O L L EN D EB Ü TS Auftritten zählen die Titelrolle in Madama But- terfly am Teatro Coccia di Novara, Fiordiligi in Eno Peci als Drosselmayer/Der Prinz in Der Così fan tutte an der Mailänder Scala, Leonora in Nussknacker am 6. Jänner (nachmittags) La forza del destino, die Titelrolle in Tosca, Ame- Liudmila Konovalova, Robert Gabdullin, lia in Un ballo in maschera, die Titelrolle in Aida, Masayu Kimoto und Richard Szabó in Études, Margherita in Arrigo Boitos Mefistofele, Madame Kiyoka Hashimoto, Anita Manolova, Nina Lidoine in Les Dialogues des Carmélites sowie Tonoli, Dumitru Taran, Alexandru Tcacen- Tosca in Seoul. Weiters trat sie beim Puccini-Fe- co und Andrey Teterin in The Second Detail stival in Torre del Lago bei einem Gala-Konzert sowie Andrey Kaydanovskiy als Engel in auf. Zu den wichtigen Dirigenten, mit denen sie Contra Clockwise Witness am 13. Jänner. zusammenarbeitete, zählen unter anderem www.wiener-staatsoper.at N° 185 7
WAS WILL MIR SALOME Simone Young dirigiert Richard Strauss’ Meisterwerk Fächern besetzen kann. Sowohl mit großformati- gen Spieltenören (die etwa auch Mime und Loge singen) als auch mit Heldentenören. Ich habe Er- fahrungen mit beiden, und beide haben ihre Vor- teile. Ich glaube, dass Strauss keine „schöne“ Stim- me im Ohr gehabt hat, vor allem, wenn man an die knalligen Dissonanzen am Ende der Oper denkt, wo es nur falsch klingen kann. Wenn es da sauber und richtig klingt, hat man etwas falsch gemacht! Allerdings gibt es einige Passagen, wie diese „Tanz für mich Salome“-Stellen, die dennoch, vom Hel- dentenor gesungen, „schön“ klingen können. Das hat auch einen Reiz. Ein Mime-geschulter Sänger bringt wiederum eine Textverständlichkeit und ei- nen bestimmten Ausdruck ein, der vor allem im zweiten Teil der Oper, wo es immer heftiger und hysterischer wird, gut zur Geltung kommt. Gibt es auch bei den anderen Figuren eine solche D as ist nervöse Musik, als hätte einer Maikäfer in der Hose! So soll sein Vater reagiert haben, nachdem er ihm Ausschnitte aus der Salome vorge- Möglichkeit der Mehrfachbesetzung? Simone Young: Zumindest die Möglichkeit einer Fehleinschätzung. Viele Sängerinnen, die noch spielt hatte, erzählte Richard Strauss am Ende seines nicht dramatisch genug sind, riskieren eine Salome. Lebens anekdotisch. Wie sieht es mit den Maikäfern Denn man wird manchmal von der ersten Szene aus Sicht der Dirigentin aus? mit dem hohen, silbrigen Klang verführt: so man- Simone Young: Naja, das ist eine typische Aussage che Sängerin denkt dann, dass sie die gesamte Par- eines Vaters, der nicht versteht, was sein Sohn will tie so hell und silbrig gestalten kann. Aber so ist es – weil dieser etwas Neues macht. Maikäfer hin oder nicht. In Wahrheit entspricht die Salome der Partie her: Salome ist eine ungemein theatralische Musik der Kaiserin in Frau ohne Schatten. Der dramati- mit einer sehr genauen Personencharakterisierung. sche Schluss zeigt genau, wie eine Salome-Stimme Zum Beispiel, weil Sie nervös gesagt haben: Hero- beschaffen sein muss. Mit anderen Worten: Man des ist ein nervöser Charakter, und das wird im braucht eine dramatische Stimme, die gleichzeitig Orchester, in der gesamten Musik sehr genau ge- auch die Leichtigkeit des Anfangs der Oper besitzt. zeigt. Salome hingegen hat von Strauss naturgemäß Das ist nicht leicht zu finden und so gibt es also in eine gänzlich andere Musik bekommen, Jochanaan jeder Generation nur wenige „echte“ Salomes … wiederum eine andere. Jeder Charakter die ihm entsprechende. Strauss hat in Salome eine Reihe von musikalischen Sprachbildverstärkungen verwendet, Harfe/Celesta Gerade bei Herodes hat man heute einen recht typi- etwa, wenn von der silbernen Schüssel die Rede ist. schen Klang in den Ohren. Hat sich das durch eine Wie präsent gestalten sie diese? Tradition so herausgebildet? Simone Young: Ich denke, diese bildhaften Motive, Simone Young: Das Interessante an Herodes ist, die Strauss verwendet, sind in Wahrheit das Leben dass man ihn heutzutage mit Sängern aus zwei der Partitur. Was wäre der Kopf des Jochanaan 8 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
OPER HEUTE SAGEN? ohne dieses unheimliche H in den Kontrabässen? Simone Young: Ich arbeite grundsätzlich immer, Oder Salomes Gesang von Liebe und Tod ohne die egal welches Stück ich dirigiere, das gesamte Werk Harmonium-Akkorde? neu durch. Nicht nur vor Serien, sondern vor jeder Aufführung. Salome ist eine jener Partituren, die Strauss hat dies auch noch weitergeführt: In Daphne ich seit mehr als 20 Jahren dirigiere, und ich kenne bringt er ein komplexes kontrapunktisches Geflecht, jeden Ton dieser Oper. Aber wenn ich die Partitur wenn es um den Baum und seine Verzweigung geht. nicht immer wieder gründlich durcharbeiten wür- Ist das bei Salome auch so? de, dann hieße das, dass sich meine Ansichten über Simone Young: Ja, das gibt es in Salome auch. Das dieses Werk in den letzten 20 Jahren nicht geändert sieht man zum Beispiel, wenn man sich anschaut, hätten. Daher muss man als Dirigentin stets das wie er mit den motivischen Elementen im zweiten Stück neu befragen. Also: Was will mir Salome Teil der Oper umgeht, wenn es immer komplexer heute sagen? wird und Herodes nicht mehr weiß, wie es weiter- gehen soll. An diesen Stellen kommt es zu einem Haben Sie so etwas wie eine Lieblingsstelle in dieser sehr dichten kontrapunktischen Geflecht aus Mo- Oper? tiven und Melodien. Salome ist bereits eine sehr Simone Young: Da gibt es einige. Lassen Sie mich reife Partitur. kurz nachdenken: Sicher die Stelle mit den beiden Nazarenern, auch die großen Ausbrüche im Salome hat ein besonders groß besetztes Orchester. Schlussgesang. Aber es gibt natürlich noch viel Als Dirigentin müssen Sie über Strecken darauf ach- mehr Momente, in ganz unterschiedlichen Katego- ten, dass die Sänger nicht übertönt werden. Gibt es rien, die mir besonders nahe stehen, wie die gru- Momente, in denen Sie dem Orchester dennoch den seligsten Momente oder die tiefsten Aussagen. Es Vortritt lassen und die Sänger etwas weniger präsent ist ja alles in Hülle und Fülle da. Salome ist eben sein dürfen? ein Meisterwerk, und das Schöne daran, dass ich es Simone Young: Es ist sicher im Sinne des Kompo- schon früh in mein Repertoire aufgenommen habe, nisten, dass man die Sänger immer hört. Aber: Wie ist, dass ich mich schon lange damit beschäftigen präsent, ist eine andere, eine eigene Frage. Wenn kann und immer neue solche Stellen für mich wir uns die großen Studioaufnahmen aus den 70er entdecke. und 80er Jahren anhören, dann merken wir, dass die Sänger künstlich in den Vordergrund gebracht Existiert ein Element in dieser Oper, das Strauss nur wurden. So sehr, dass es oftmals einfach keine rea- in Salome verwendet hat? Also der salomeische listische Klangsituation mehr gab. Strauss hat ein- Augenblick? deutig symphonisch gedacht, wie Wagner übrigens Simone Young: Ich würde sagen, dieser Akkord, auch. Manchmal sind dabei die Sängerstimmen im wenn Salome vom Geschmack der Liebe spricht. Vordergrund, manchmal sind sie ein Teil des sym- Das ist eine ganz spezielle Dissonanz. Und obwohl phonischen Klanges. Wann genau, gehört zu den Strauss später mit seiner Elektra noch weiter in Entscheidungen, die man als Dirigentin ständig eine chromatische Sprache gegangen ist als mit treffen muss. Salome, bleibt dieser Akkord einzigartig. Ich würde sagen: diese Dissonanz ist fast krank. Sie hat eine Wenn Sie sich nun einer neuen Salome-Serie nähern: unmittelbare physische Wirkung auf einen. Diesen Arbeiten Sie im Vorfeld das gesamte Stück komplett besonderen Klang kenne ich aus keiner seiner an- durch oder nehmen Sie sich nur einige Schlüssel deren Partituren. Salome stellen vor? Das Gespräch führte Oliver Láng 15., 19., 23., 27. Jänner www.wiener-staatsoper.at N° 185 9
L ACHEN, LIEBEN, LEIDEN Elena Maximova präsentiert in drei Monaten vier Charaktere an der Staatsoper S ie sangen hier im November die Marfa in Cho- wanschtschina, parallel zu den Vorstellungen fanden die Proben zur Neuproduktion von Rigo- sie kein eindimensionaler Charakter ist, sondern eine Frau, die frei ist und im Rahmen dieser Frei- heit agiert. Sie tut das, was sie will und woran ihr letto statt, in der sie die Maddalena gestalteten. Herz hängt, ohne Wenn und Aber. Und sie ist Und im Jänner folgen noch Rosina und Polina. Wie gesteuert durch ihre Leidenschaft und schaut geht sich das kräftetechnisch aus? nicht nach links oder nach rechts. Hier sehe ich Elena Maximova: Mit viel Schlaf. Das ist eines der durchaus eine Parallele zu Carmen, die sich zu- wichtigsten Dinge. Und ich bin diszipliniert und nächst für, und dann gegen Don José entscheidet. halte einen strengen Plan ein. Dazu kommt noch: Aber stets konsequent, egal, was ihr die Karten gutes Essen und eine gute Atmosphäre zu Hause. oder sonst etwas oder jemand rät. Maddalena Dann bekommt man das alles unter einen Hut. geht ebenso ihren Weg und kämpft um ihre Liebe, Abgesehen davon habe ich Maddalena, Rosina um den Herzog. Das merkt man etwa im Quartett und Polina schon oft gesungen, es sind also keine sehr stark, in dem sie versucht, die Aufmerksam- neuen Partien. keit des Herzogs die ganze Zeit auf sich zu lenken. Und wie sieht ein Vorstellungstag aus? Noch mehr Aber glaubt sie an diese Liebe in dem Sinne, dass Schlaf? der Herzog sie auch liebt? Elena Maximova: Ja, ich versuche mich möglichst Elena Maximova: Sie liebt den Herzog wirklich. zu entspannen. An solchen Tagen mache ich nicht Und glaubt, dass er sie auch liebt. Oder besser: viel, sondern ruhe mich aus und schaue mir zum Sie möchte das glauben. Obwohl sie natürlich Beispiel Filme an. spürt, dass es nicht ganz die Wahrheit sein kann, was er ihr erzählt. Die Marfa, die Sie sangen, war für Sie persönlich ein großer Erfolg. Schwingt eigentlich Wehmut mit, Marfa und Maddalena sind nicht eben heitere Par- wenn Sie sich nach mehr als zwei Monaten Proben tien. Die Rosina in Il barbiere di Siviglia hingegen und Aufführungen von einer Rolle und Produktion schon. Wie sieht es mit Ihrer komödiantischen Sei- erst einmal verabschieden? te aus? Elena Maximova: Absolut. Ich war am Ende der Elena Maximova: Ich liebe es, fröhlich zu sein Vorstellungsserie traurig, nicht nur, weil mir diese und zu lachen. Und ich liebe es, auf der Bühne fantastische Rolle so sehr ans Herz gewachsen fröhlich zu sein und andere zu erfreuen. Daher war, sondern überhaupt, weil ich die mitwirken- singe ich das buffo-Repertoire mit großer Freude. den Kollegen so geschätzt habe. Vorne voran na- Andererseits lebe ich auch meine tragische Seite türlich den Dirigenten Semyon Bychkov! Da war gerne auf der Bühne aus – und die Kombination es schon ein Vorteil, dass wir die Proben für die aus komisch und traurig, das Umschalten zwi- Rigoletto-Produktion hatten, denn das hat mich schen diesen beiden Charaktereigenschaften hat gewissermaßen aufgefangen. Und auch hier konn- für mich im Schauspielerischen einen besonderen te ich mit einer großartigen Besetzung arbeiten, Reiz. Marfa war sicherlich ein tragischer Charak- mit dem Regisseur Pierre Audi zum Beispiel, der ter, Maddalena ist allerdings nicht so düster, son- mir in der Gestaltung der Maddalena viele Mög- dern eine Art Übergang. Sie ist ein Vamp, der lichkeiten gab. Möglichkeiten in dem Sinne, dass Männer verführt, aber auch zu lieben versteht. 10 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
OPER Elena Maximova als Marfa Auch Rosina geht nach ihrem Kopf. men sehr gut geschrieben hat. Mir gefällt einfach Elena Maximova: Absolut! Sie ist aktiv und setzt alles an der Polina. ihren Willen letztendlich durch. Daher sehe ich sie auch nicht in Hinblick auf die spätere Contes- Und charakterlich? Was hat die Polina in diesem sa in Le nozze di Figaro, die passiver und viel- Punkt zu bieten? leicht sogar lethargischer ist, sondern betrachte Elena Maximova: Sie ist eine junge Frau in St. sie wirklich nur als Barbiere-Rosina. Petersburg des 19. Jahrhunderts. Das bedeutet, dass sie – gesellschaftlich gefordert – nicht offen Gesanglich liegen zwischen einer Marfa und einer zu ihren Gefühlen stehen kann, sondern alle Lei- Rosina Welten. Wie lange brauchen Sie für eine denschaft nur im Verborgenen stattfinden darf. solche Umstellung? Erst durch die Romanze, die sie singt, kann sie Elena Maximova: Ich habe etwa einen Monat vor gewisse Gefühle zumindest andeuten, Emotio- meiner ersten Rosina-Vorstellung begonnen, die nen, die sie öffentlich nicht zeigen kann. Aber Stimme wieder an die Rossini-Koloraturen zu ge- diese Romanze deutet schon an, was später in der wöhnen. Die Maddalena, die ich dazwischen ge- Oper passieren wird. Und in der Pastorale spricht sungen habe, braucht zwar auch einen anderen Polina ein Thema der Oper an: Dass die weibliche Typ, nämlich eine volle Stimme, aber da die Partie Figur nicht den reichen Mann nimmt, sondern der Maddalena nicht so lang ist, war diese Dop- den armen liebt. pelgleisigkeit möglich. Zusammenfassend: Mit welcher dieser vier Rollen Zuletzt noch die Polina in Pique Dame. Liegt Ihnen fühlen Sie sich am ehesten verwandt? diese Partie des russischen Repertoires besonders Elena Maximova: Das ist eine wirklich schwierige am Herzen? Frage … Ich versuche mich in jede dieser Partien Elena Maximova: Nicht nur besonders, sondern einzubringen, und jede dieser Bühnencharaktere ganz besonders! Ich habe zur Polina nämlich eine trägt gewisse Qualitäten von mir in sich. Zumin- spezielle Beziehung, mit dieser Partie habe ich im dest versuche ich in jeder der vier Frauen etwas Jahr 2001 debütiert. Und abgesehen davon han- zu entdecken, das ich auch in mir trage. Sie ste- delt es sich um eine meiner Lieblingspartien. Auf hen mir alle nahe, aber keine ist zu hundert Pro- Maddalena in Rigoletto diese phantastische Romanze, die Polina singt, zent Elena Maximova. Am ehesten die Polina: Da 2. Jänner freue ich mich jedes Mal, und in der Pastorale hat findet man sowohl traurige als auch fröhliche Rosina im Barbiere man als Sängerin die Möglichkeit, auch eine an- Augenblicke. 8., 12. Jänner dere Seite ihres Charakters zu zeigen. Dazu Polina in Pique Dame kommt, dass Tschaikowski diese Rolle für Stim- Das Gespräch führte Oliver Láng 16., 20., 24., 28. Jänner www.wiener-staatsoper.at N° 185 11
TANZDEMONSTRATIONEN CHOREOGRAPHISCHE WERKE Z um fünften Mal gestaltet die Ballettakademie der Wiener Staatsoper im A1 Kinderopernzelt der Wiener Staatsoper die zu einer beliebten Termine: Tanzdemonstrationen täglich von Sams tag, 17. Jänner bis Dienstag, 20. Jänner jeweils um 10.30 und um 15.30, bzw. am 18. Jänner um 14.30. Tradition gewordenen Tanzdemonstrationen, Choreographische Werke täglich von Mittwoch, in denen alle Studierenden in verschiedenen 21. Jänner bis Freitag, 23. Jänner jeweils um Fächern des Unterrichtsprogramms zu sehen sind. 10.30 und um 15.30. Die Vormittagsvorstellungen Wurde bereits 2013/2014 eine auf zwei ver der Tanzdemonstrationen bestreiten die Schü schiedene Veranstaltungen erweiterte Leistungs ler i nnen und Schüler der Oberstufe, die schau geboten, so wird dieses Konzept Nachmittagsvorstellungen sind der Unterstufe heuer nochmals ausgebaut: Im Rahmen von vorbehalten, bei den Choreographischen Werken Choreographische Werke wird es erstmals ein sind die Jugendkompanie der Ballettakademie der Gastspiel geben. Am 21. Jänner (nur an diesem Tag, Wiener Staatsoper bzw. nur am 21. Jänner auch vormittags und nachmittags) wird das Bohemia das Bohemia Ballet (als Gast) zu sehen. Ballet – die Kompanie des Tanzkonservatoriums Prag – an der Seite der Jugendkompanie der Abschließend sei noch einmal auf die TERMIN Ballettakademie der Wiener Staatsoper ein ab ÄNDERUNG hingewiesen: Die Nachmittags vor wechslungsreiches und vielgestaltiges Programm stellung der Tanzdemonstrationen am Sonntag bieten. An den übrigen Vorstellungstagen den 18. Jänner beginnt nicht wie im Leporello werden die Choreographischen Werke von der angekündigt um 15.30 sondern bereits um 14.30. Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper alleine bestritten. Oliver Peter Graber 12 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
BALLETT DAS WIENER STAATSBALLETT Halbsolistin Nina Tonoli „ Die Rolle der Clara hält große Herausforderungen bereit, nicht zuletzt an das Durchhaltevermögen“, eröffnet die junge Halbsolistin des Wiener Staatsballetts das Gespräch. Ihre erste Hauptrolle in Der Nussknacker an der Wiener Staatsoper war ein besonderes Geschenk für sie, fiel die Vorstellung doch just auf ihren Geburtstag. Das Licht der Welt erblickte Nina Tonoli in Gent (Belgien), im Alter von zehn Jahren begann ihre Ballettausbildung. Diese absolvierte sie zunächst an der Koninklijke Balletschool Antwerpen und setzte sie, unterstützt durch ein Stipendium, an der Royal Ballet School in London, welche sie mit Auszeichnung abschloss, fort. Gleich ihre allererste Audition führte sie in Wien zum Erfolg: 2012 wurde sie an das Wiener Staatsballett engagiert, 2014 avancierte sie zur Halbsolistin. „Die Direktorin der Royal Ballet School wollte mich zunächst gar nicht gehen lassen, aber dann hat alles wunderbar funktioniert“, erinnert sie sich, da sie die Stelle in Wien noch während ihres letzten Schuljahres antrat. Mit den zahlreichen Aufgaben, die beim Wiener Staatsballett auf sie zukamen, änderte sich auch ihr tänzerischer Geschmack und so hat sie neben den großen Handlungsballetten auch die Neoklassik bzw. Zeitgenössisches für sich entdeckt. Als besonders angenehm erlebte sie die Zusammenarbeit mit Thierry Malandain bei Mozart à 2, gleichwohl sie Ballette mit Handlung weiterhin bevorzugt und die „ Julia“ zu ihren Wunschrollen zählt. Mit verantwortlich dafür mag SERIE auch Prokofjews Musik sein. „Tanz kann nicht ohne Musik funktionieren“, ist Tonoli überzeugt, „die Musik gibt die notwendige Energie und reißt Dich mit bis zum Schluss.“ Die Partitur Pjotr Iljitsch Tschaikowskis wird ihr diese Unterstützung beim nächsten Nussknacker sicher nicht verwehren! Nina Tonoli in Der Nussknacker Oliver Peter Graber www.wiener-staatsoper.at N° 185 13
Trevor Hayden in Der Nussknacker 14 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
BALLETT KÖNIGLICHE FRÜCHTE J uglans regia, so die botanisch korrekte Bezeich nung der echten Walnuss, hält eine wahre Flut an wertvollen Inhaltsstoffen für Interessenten welcher in Form und Farbe aktuellen Vorstellungen entsprach. Da seine Erfindung zudem die Methode beinhaltete, die Figur im quasi „industriellen“ bereit, wissenschaftliche Studien wollen bei einem Maßstab (und nicht mehr einzeln geschnitzt von täglichen Verzehr einer bestimmten Menge sogar Hand) zu fertigen, kam sein Modell zu großer eine Verbesserung der Elastizität von Blutgefäßen Verbreitung. nachgewiesen haben. Doch wie kommt man an diese Köstlichkeit nur heran? Rabenvögel lassen Bereits 1813 war Kaiser Napoleon I. in Form einer sie gerne aus großer Höhe auf Steine fallen – eines Karikatur als Nussknacker dargestellt worden, dies der bekanntesten Beispiele für Werkzeuggebrauch mag also vielleicht eine jener Anregungen gewesen im Tierreich. Steine dürften auch am Beginn des sein, die Ernst Theodor Amadeus Hoffmann humanen Lösungsansatzes gestanden haben, ab (1776 bis 1822) zu seinem 1816 veröffentlichen 300 vor Christus sind Vorrichtungen aus Bronze Kunstmärchen Nussknacker und Mäusekönig überliefert. Selbst der große Aristoteles (384 v. Chr. inspirierte. Dieses wiederum legte die Grundlage bis 322 v. Chr.) soll sich dem Thema gewidmet für den späteren Welterfolg des Balletts. haben, die Geschichte schreibt ihm die Anregung zur ersten Anwendung des Hebelprinzips auf Häufigen Anlass zur eifrigen Diskussion unter das Problem „Nüsseknacken“ zu. Die Form des Ballettfreunden gibt der Name der Titelheldin – Nussknackers, welche die Heldin unseres Balletts, heißt sie denn nun Clara (wie in der Fassung von das vom Wiener Staatsballett in der technisch Rudolf Nurejew) oder doch Marie, Stahlbaum besonders anspruchsvollen Fassung von Rudolf oder Silberhaus? Die Antwort darauf ist ebenso Nurejew gezeigt wird, begeistert und zum Träumen einfach wie verwirrend: E. T. A. Hoffmann gab anregt, ist späteren Datums. ihr den Namen Marie Stahlbaum, deren Puppen Setzen Historiker die Entstehung figuraler Mamsell Trutchen und Mamsell Clärchen hießen. Nussknacker in der Mitte des 18. Jahrhunderts In einem darauf basierenden Werk von Alexandre an, wobei sie im Einzugsgebiet des Thüringer Dumas dem Älteren (1802 bis 1870) mit dem Walds in etwa ab 1735 beschrieben sind und auch Titel Histoire d’un casse-noisette (1844) wird die auf einer Faschingsparade in Freisingen im Jahr Hauptfigur zu Marie Silberhaus, im Ballettlibretto 1783 ein übergroßes Exemplar gesichtet wurde, von Marius Petipa und Iwan Wsewoloschski zur so geht das unmittelbare Modell des „modernen“ Clara. Detail am Rande: E. T. A. Hoffmann soll in Nussknackers auf den in Seiffen (im Erzgebirge, der Figur seiner Marie die Tochter eines Freundes heute „Spielzeugdorf “ und Kurort) geborenen portraitiert haben, die im realen Leben Clara Zimmermann und Kunsthandwerker Friedrich hieß….. Was für eine Nuss zum Knacken! Wilhelm Füchtner (1844 bis 1923) zurück. Dieser stellte um 1870 erstmals einen Nussknacker her, Oliver Peter Graber www.wiener-staatsoper.at N° 185 15
Das Staatsopernorchester Fagottist Prof. REINHARD ÖHLBERGER I m Jahr 2015 feiert Reinhard Öhlberger gleich zwei Jubiläen: zum einen vollendet er sein 40. Dienstjahr als (derzeit ältestes) Mitglied des Staats- ster auch das (höhere) eigentliche Fagott und somit gewissermaßen das „Familieninstrument“. Denn schon sein Vater Karl und sein Onkel Camillo waren opernorchesters, zum anderen wird er am 19. Jän- Fagottisten des Staatsopernorchesters beziehungs- ner zum 200. Mal im Graben bei einer Salome- weise der Wiener Philharmoniker gewesen – nichts- Vorstellung mitwirken und das berühmte, mehrere destotrotz nahm Reinhard Öhlberger sozusagen Takte umfassende Kontrafagott-Solo (nach dem erst über Umwege seine Fagott-Stelle im Orchester Fluch des Jochanaan respektive vor dem Auftritt ein: Seine frühesten musikalischen Gehversuche des Herodes) zum Besten geben. Nicht, dass Rein- unternahm er nämlich als Geiger – und erst als klar hard Öhlberger über alle seine Aufführungen ge- wurde, dass es mit diesem Instrument wohl nichts naue statistische Aufzeichnungen führen würde, werden würde, schaute er sich bei den Blasinstru- aber dem Werk mit dem längsten und markantesten menten um. Dieses Umschauen endete schließlich Kontrafagott-Solo gebührt natürlich eine gewisse doch beim Fagott, das er daraufhin mit großer Freu- Sonderstellung, also wurde verständlicherweise de „an die Brust nahm“. Denn ganz im Gegensatz fleißig mitgezählt. Man kann sich vorstellen, wie zur Violine, machte ihm das Üben am Fagott nun viele Jochanaane in diesen 200 Vorstellungen ihr so großen Spaß, dass er innerhalb kürzester Zeit Haupt lassen mussten und vor allem wie viele un- – genauer, nach bereits einem Jahr! – erstmals pro- terschiedliche Dirigenten am Pult gestanden sind. fessionell engagiert wurde: Als Kontrafagottist für Und dennoch, ganz ohne (positive) Spannung, ganz drei Aufführungen von Haydns Schöpfung anläss- ohne einen Anflug von Lampenfieber wird auch lich des 130jährigen Bestehens des St. Pöltner Mu- dieses (in der Öffentlichkeit stattfindende) private sikvereines. Und hierbei gab es nicht nur die Ehre In dieser Serie werden die Jubiläum nicht vorübergehen. „So ein wichtiges des Mitspielendürfens, sondern auch Geld zu ver- Mitglieder des Wiener Staats Solo, ganz gleich, ob in der Salome oder einem dienen. 840 Schilling waren es, nicht eben wenig opernorchesters vorgestellt. anderem Werk, erscheint einem am Morgen des für einen Mittelschüler. Dies alles gab verständli- betreffenden Aufführungstages wie eine am Hori- cherweise zusätzlichen Auftrieb. Nichtsdestotrotz SERIE zont auftauchende große Mauer, die es zu überwin- inskribierte Reinhard Öhlberger nach der Matura den gilt“, so Reinhard Öhlberger. „Und je näher der an der Wiener Universität, um zusätzlich ein Jus- erwartete Moment kommt, desto gewaltiger ragt Studium zu absolvieren (die erste Staatsprüfung diese Mauer auf. Schließlich hört man die letzten legte er immerhin mit mehreren Auszeichnungen Takte vor dem Einsatz und weiß, dass es wieder ab), das er jedoch letztendlich zugunsten des Fa- einmal so weit ist … und dann, dann nimmt man gottspiels abbrach. die Hürde, kommt gut drüber und empfindet den Stolz des Gipfelstürmers.“ Quasi nach dem Motto „ich habe auch anderswo im Orchester gespielt“ trat er 1970 bei einem Pro- Neben dem tiefen Kontrafagott, das Komponisten bespiel für die Wiener Symphoniker an, gewann es einerseits atmosphärisch als düster-dunkle Farbe und war mehrere Jahre lang Mitglied dieses Klang- in den Orchesterklang mischen, andererseits aber körpers, ehe er im Februar 1975 nach einem erfolg- immer wieder gerne solistisch einsetzen (eben in reichen Probespiel in das Staatsopernorchester der Salome zum Beispiel, oder auch im Wozzeck, wechselte. Nun war Reinhard Öhlberger endlich am in Palestrina), spielt Reinhard Öhlberger im Orche- Ziel seiner Wünsche angelangt, denn als echtes 16 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
SERIE ehemaliges Theaterkind (bereits als Vierjähriger hatte er des Öfteren auf der Hinterbühne diversen Vorstellungen gelauscht) und späterer Stehplatzler, zog es ihn geradezu zum Musiktheater hin, genauer in den Graben der Wiener Staatsoper. Da auch Rein- hard Öhlbergers Ehefrau bis zu ihrer Pensionierung als Mitglied des Zusatzchores der Wiener Staatsoper im Haus am Ring künstlerisch tätig war, konnte er die Freude am Beruf gewissermaßen teilen und zu Hause, nach einer Vorstellung, trefflich bis in die Nacht hinein über den jeweiligen Abend, die je weiligen Sängerinnen, Sänger oder Dirigenten diskutieren. Abschließend vielleicht noch ein Kuriosum zum Kontrafagott: Im Gegensatz zum eigentlichen Fa- gott Reinhard Öhlberges ist das Kontrafagott Eigen- tum des Orchesters und als solches, wenn auch noch einwandfrei funktionierend, doch schon recht betagt. Die Bestellung eines neuen Instrumentes bei der führenden Fagottbaufirma Wilhelm Heckel ist auch schon getätigt worden – doch auf Grund der enormen Nachfrage, dürfte die Lieferung erst 2021 erfolgen. Andreas Láng Prof. Reinhard Öhlberger studierte unter anderem an der Musikuniversität bei Karl und Camillo Öhlberger. 1975 kam er in das Staatsopernorchester, 1978 zu den Wie ner Philharmonikern. Außerdem ist er Mitglied der Hofmusikkapelle und mehrerer Kammermusikensembles. Er ist Träger mehrer er Auszeichnungen, war langjähriger Karten verwalter der Wiener Philharmoniker und Mit allen tiefen Tönen der Oper ist Verfasser des Buches Wenn am Buch der auf das Dach gestiegen: Fagottist und Kontrafagottist Händler klebt. Reinhard Öhlberger www.wiener-staatsoper.at N° 185 17
WIE EINE NEUPRODUKTION 2. Teil | Die Betriebsdirektorin I st die erste Entscheidung bezüglich einer Neupro- duktion einmal getroffen, sind also Stücktitel und eventuell die Besetzung der Hauptpartien, der Re- gisseur und der Dirigent fixiert, geht es darum, einen geeigneten Termin für die Premiere und die nachfol- genden Reprisen zu finden. Und hier beginnt der Aufgabenbereich der Betriebsdirektorin Sabine Hödl- Weinberger. Denn an ihr liegt es nun, den sogenann- ten weißen Spielplan, also den noch komplett leeren Vorstellungsplan einer ganzen Saison mit Stücken zu „befüllen“ – mit Neuproduktionen ebenso wie mit Repertoirewerken. Da jede einzelne Detailentschei- dung einen Rattenschwanz an Folgeentscheidungen nach sich zieht und am Ende alles zusammenpassen und ineinandergreifen muss, ähnelt die nun folgen- de Prozedur fast einem komplexen Geduldspiel. Ei- nem Geduldspiel freilich, das ohne intensive lang- jährige Erfahrung, ohne Kenntnis der unterschiedli- chen Gewohnheiten und Bedürfnisse der Künstler, ohne Wissen um die Möglichkeit aller nicht einplan- barer Eventualitäten und vor allem ohne Liebe zur Gattung Oper gar nicht durchführbar wäre. Wie se- hen nun die einzelnen Arbeitsschritte konkret aus? Zunächst sind mehrere Parameter zu prüfen: Gibt es von Haus aus auf Grund der Disponibilität einzelner Künstler nur bestimmte Zeitfenster in denen die vorgesehene Neuproduktion angesetzt werden kann? Handelt es sich bei dem Werk um eine groß- besetzte Oper oder um eine mit wenigen Sängern und kleinem Orchester? Ist die Oper lang oder kurz? Sind einzelne Partien besonders herausfordernd, sodass auf die Erholungsphase der Interpreten Rück- sicht genommen werden muss? Wie viele Rollen sind aus dem Ensemble besetzbar, ist überhaupt, und wenn ja, in welcher Stärke ein Chor erforderlich? Ist das Stück noch nie oder schon länger nicht am Haus gezeigt worden? Sollte man hinsichtlich der fünf- bis sechswöchigen Probenzeit vor einer Premiere auf bestimmte Besonderheiten achten? Das wären einige der zentralen Fragen – doch was für Antworten ergeben sich aus ihnen und vor allem, welche Lösungen verlangen sie? „Es ist hilfreich, die Planung in eine Zeit mit vielen Feiertagen legen zu können“, erklärt Sabine Hödl-Weinberger. „Denn was Betriebsdirektorin Sabine Hödl-Weinberger bedeutet eine lange Oper? Dass die Vorstellung früh 18 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
SERIE ENTSTEHT beginnen muss und das ist, mit Rücksicht auf die fahren, dableiben, woanders auftreten? Auch die Arbeitswelt, nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen Karwoche ist kein wirklich günstiger Termin. Und möglich. Ideal ist diesbezüglich daher Ende Oktober/ ein zu früher September-Premierentermin ist des- Anfang November, denn hier kommen zu den halb unmöglich, weil man die mehrwöchige Proben- Wochenenden noch der Nationalfeiertag und Aller- zeit nicht schon in den Sommermonaten, in denen heiligen dazu.“ Zugleich hat Sabine Hödl-Weinberger die Staatsoper geschlossen ist, beginnen darf.“ auf die Tourneezeiten des Orchesters zu achten, Apropos Proben: Auch hier gilt es, vor allem in der denn sind die Wiener Philharmoniker (und damit ein Endprobenzeit, Rücksicht auf die Wünsche der Aus- Teil des Staatsopernorchesters) auf Konzertreise, führenden zu nehmen. Manche wollen die Haupt- können Opern mit großen Orchesterbesetzungen proben und die Generalprobe möglichst eng beiein- wie eine Salome, eine Elektra, diverse Wagner- ander angesetzt haben, um nicht Zeit zu verlieren, Opern mangels ausreichender Musikerzahl nicht andere fühlen sich von zu schnell aufeinanderfolgen- durchgeführt werden. Steht außerdem eine noch nie den Proben überlastet. „Bei dieser Frage ist es gün- gezeigte Oper zur Diskussion, sollten für alle Betei- stig, früh genug mit dem Dirigenten Rücksprache zu ligten, also Orchester, Chor, Sänger genügend Pro- halten, aber eine für alle beglückende Lösung ist nur benzeiten einkalkuliert werden. Herausfordernde selten zu erzielen“, so die Betriebsdirektorin. Partien wie etwa jene des Tristan, erfordern weiters, Sind endlich alle Premieren, die dazu gehörigen Re- dass zwischen den einzelnen Vorstellungen des Wer- prisen und die jeweiligen Proben unter Dach und kes jeweils zumindest drei Tage Pause eingeschoben Fach, „füllt“ Sabine Hödl-Weinberger die „Lücken“ sind, damit sich der Sänger stimmlich und physisch mit Repertoirestücken auf, wobei auch hier wieder regenerieren kann. „Es gibt einige namhafte Künst- auf so manchen bereits im Vorfeld fixierten Sänger- lerinnen und Künstler, die, unabhängig von der auftritt, auf Tourneen oder chorfreie Tage geachtet Schwere der Rolle, grundsätzlich drei Tage Pause werden muss. zwischen den Auftritten wünschen – was natürlich Zu guter Letzt kann noch die Technik einen Strich In dieser Serie soll die Arbeit ebenfalls zu berücksichtigen ist“, so die Betriebsdi- durch die Rechnung ziehen. „Es kommt schon vor, aller an einer Neuproduktion rektorin. Aber auch der Chor, der das weltweit größ- dass ein Spielplan bis zum letzten Vorstellungstag beteiligten Personen und Ab te Repertoire beherrscht und entsprechend proben fertig aufgestellt ist und sich dann herausstellt, dass teilungen aufgezeigt werden, soll, kann nicht überbeansprucht werden. „In einer das Bühnenbild einer geplanten Neuproduktion et- sodass der Weg bis zur Premiere Spielzeit lauter Choropern zur Premiere zu bringen, was komplizierter ausfällt, als ursprünglich ange- dokumentiert wird. wie etwa Moses und Aron, Meistersinger, Chowansch nommen, wodurch längere Aufbauzeiten notwendig werden, was sich wiederum auf die Stückabfolgen tschina ist unmöglich, da die Zeit zum Einstudieren SERIE fehlen würde.“ im Gesamtspielplan auswirkt. Und das kann bedeu- Sind Neuproduktionen (fast) durchwegs aus dem ten: Zurück an den Start.“ fixen Ensemble besetzbar, so erleichtert dies ver- Dies alles geschieht wohlgemerkt ungefähr vier Jah- ständlicherweise viele Aspekte: Man muss sich zum re im Voraus. Etwas knapper, also einige Monate vor Beispiel nicht nach dem Terminkalender der Sänger den eigentlichen Aufführungsterminen, erstellt Sa- richten, da sie ohnehin immer zur Verfügung stehen. bine Hödl-Weinberger schließlich für den Direktor Gibt es nun grundsätzlich ungünstige Zeiten für eine gemeinsam mit dem musikalischen Studienleiter aus Neuproduktion? „Zum einen ist der Februar recht dem Ensemble Besetzungsvorschläge für die mittle- problematisch, da durch den Opernball und die da- ren und kleineren Rollen. Ist das erledigt können im für notwendigen Vorbereitungen zumindest eine Prinzip nur mehr unerwartete Krankheitsfälle etwas ganze Woche ausfällt“ zählt Sabine Hödl-Weinberger am geplanten Ablauf ändern, denn dann müssen auf. „So ein „Loch“ ist schlecht für die Probenzeit kurzfristige Ersatzsänger gefunden werden … und schlecht für die Aufführungsserie. Was sollen vor allem Gastsänger in dieser Zeit machen? Heim- Andreas Láng www.wiener-staatsoper.at N° 185 19
UNSERE ENSEMBLEMITGLIEDER O per: Das war zunächst etwas Fremdes, Unbe- kanntes, ja fast Unvorstellbares. In einem klei- nen Vorort in Virginia, USA, aufgewachsen, verband Ryan Speedo Green mit Oper am ehesten noch her- kömmliche Klischees: die berühmte umfangreiche Wagner-Heroine, mit einem Hörnerhelm am Kopf und schriller, lauter Stimme. Opernsänger werden? Nein, das war nicht einmal im Ansatz ein vorgezeich- neter Lebensweg. Denn im Gegensatz zu manch anderem Sänger entstammte er keiner Künstlerfa- milie, hatte also keine „Vorbelastung“, sondern lernte klassische Musik erst – und mehr zufällig als geplant – an der Highschool kennen, als er im dor- tigen Chor mitsang. Doch wenn es sein muss, muss es sein: Eine Lehrerin entdeckte seine vielverspre- chende Stimme und schon fand er sich bei einer Audition der Governors School for the Arts in Nor- folk in Virginia wieder, einer Talenteschmiede also. Aus vielen hundert Kandidaten wurden die zwölf Besten ausgewählt, unter ihnen Ryan Speedo Green, der nun erstmals wirklich mit dem Musiktheater in Kontakt kam. Um ihm die Nebulosität der Opernwe- lt zu nehmen, lud ihn ein Freund in eine Met-Vor- stellung ein, ein anderer lieh ihm einen Anzug: und dort erlebte der Teenager mit einer Carmen-Vorstel- lung nun sein erstes Opern-Erlebnis. Das tatsächlich zum Erlebnis wurde. „Ich lachte, weinte, war wü- tend, glücklich, fasziniert, also alles, was man in ei- ner Aufführung durchleben kann. Es war einfach fantastisch!“, erzählt er im Rückblick. „Dazu kam, dass Denyse Graves die Titelfigur sang und ich sie nach der Vorstellung backstage treffen konnte. Für mich war sie eine Ikone. Denn hätte mir jemand zuvor gesagt, dass ein Afro-Amerikaner aus einem kleinen Ort in Virginia Oper in New York City oder 20 N° 185 www.wiener-staatsoper.at
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