PROLOG JÄNNER 2015 | N 185 - Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci Interviews: Theorin, Young, Maximova Tanzdemonstrationen, Choreographische ...

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PROLOG JÄNNER 2015 | N 185 - Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci Interviews: Theorin, Young, Maximova Tanzdemonstrationen, Choreographische ...
P R O L O G J Ä N N E R 2 0 1 5 | N° 185

     KS Leo Nucci singt die Titelpartie in Simon Boccanegra

    Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci
          Interviews: Theorin, Young, Maximova                GENERALSPONSOREN

Tanzdemonstrationen, Choreographische Werke
PROLOG JÄNNER 2015 | N 185 - Mit einem Originalbeitrag von KS Leo Nucci Interviews: Theorin, Young, Maximova Tanzdemonstrationen, Choreographische ...
Inhalt                                                     Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,
                                                           liebes Publikum!

Jänner im Blickpunkt
                                                      2    Wenn einem durchgehend eine hohe Qualität gebo-
                                                           ten wird, gewöhnt man sich unter Umständen daran
Wenn endlich der Hass überwunden wird
KS Leo Nucci zu Simon Boccanegra                      4    und vergisst zu leicht diese zu schätzen. Ich finde es
                                                           daher an der Zeit, hier auch einmal die Leistungen
Debüts im Jänner
                                                      7    des Staatsopernchores und ihres Direktors Thomas
                                                           Lang zu würdigen: Ein derart großes Repertoire und
Was will mir Salome heute sagen?
Simone Young dirigiert Richard Strauss’ Meisterwerk   8    das auf diesem Niveau zu meistern – das muss erst
                                                           einmal jemand nachmachen! Denken Sie nur an die
Lachen, Lieben, Leiden
Elena Maximova präsentiert vier Charaktere            10   jüngsten Neuproduktionen, allen voran an die wirk-
                                                           lich nicht leichte Chowanschtschina, die parallel
Tanzdemonstrationen | Choreographische Werke
                                                      12   zum laufenden Spielbetrieb scheinbar so ohne
                                                           Schwierigkeiten einstudiert und präsentiert wurden:
Das Wiener Staatsballett
Halbsolistin Nina Tonoli                              13   Wirklich, Hut ab! Man muss sich nur vorstellen wie
                                                           viele Stücke, Stile, Inszenierungen jederzeit abrufbar
Ballett: Königliche Früchte
                                                      14   sein müssen – auswendig gesungen in fünf (!) ver-
Das Staatsopernorchester                                   schiedenen Sprachen: allein im Jänner ist der Chor
Fagottist Prof. Reinhard Öhlberger                    16   in so unterschiedlichen Werken wie in der wiene-
Serie: Wie eine Neuproduktion entsteht                     rischen Operette Fledermaus, in den italienischen
Betriebsdirektorin Sabine Hödl-Weinberger             18   Opern Rigoletto, Simon Boccanegra, Tosca,
Unsere Ensemblemitglieder                                  Barbiere di Siviglia und Madama Butterfly, sowie
Ryan Speedo Green im Portrait                         20   in Mozarts Zauberflöte, in Wagners Tristan und
Musik ist Kommunikation                                    Isolde und in Tschaikowskis Pique Dame zu erleben.
Iréne Theorin im Gespräch                             22   Und wer einmal gesehen hat, mit welcher Begeiste-
                                                           rung die einzelnen Chormitglieder bei den Proben
Repertoire im Jänner
                                                      25   an szenische und musikalische Herausforderungen
Kein Tenor, sonder Musiker                                 herangehen, wird ehrfurchtsvoll staunen. Nicht zu
Aleksandrs Antonenko singt Hermann, Cavaradossi       26   vergessen natürlich der unverwechselbare Klang des
Am Stehplatz                                               Staatsopernchores, der einen Teil der musikalischen
Kommerzialrat Erich Suppan                            27   Authentizität unseres Hauses ausmacht. Kurzum: Wir
                                                           können stolz, froh und dankbar sein, so einen Chor
Daten und Fakten
                                                      28   zu besitzen, der motiviert und mit vollem Einsatz an
                                                           die Sache herangeht.
Spielplan
                                                      30
                                                           Ihr
Kartenverkauf
                                                      32   Dominique Meyer
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JÄNNER im Blickpunkt

                                                                          ENSEMBLE /
KINDEROPER                              OPER LIVE AT HOME                 KAMMERMUSIK

7., 8. Jänner                           Jänner 2014                       Jänner 2014
Zum letzten Mal in dieser Spiel-        Auch im Jänner werden ausge-      Am 17. Jänner ist im Gustav Mah-
zeit werden im A1 Kinderopern-          suchte Vorstellungen im Rah-      ler-Saal ein Konzert im Rahmen
zelt auf der Dachterrasse des           men von WIENER STAATSOPER         der Serie Kammermusik der
Hauses Aufführungen der Kinder­         live at home via Internet über-   Wiener Philharmoniker zu hö-
oper Städtchen Drumherum an-            tragen: Die Zauberflöte am 4.     ren. Es musizieren Kirill Ko-
geboten. Das Werk basiert auf           Jänner (Dirigent: Adam Fi-        bantschenko (Violine), Rai-
Mira Lobes gleichnamigem Kin-           scher; mit: Franz-Josef Selig,    mund Lissy (Violine), Bern-
derbuchklassiker, das liebevoll         Benjamin Bruns, Genia Küh-        hard Naoki Hedenborg (Vio-
und weitherzig den Gedanken             meier, Íride Martínez, Mar-       loncello), Gottlieb Wallisch
der letztendlich positiven Kon-         kus Werba), Tristan und           (Klavier). Beginn: 11. Uhr.
fliktlösung im Dienste aller, auch      Isolde am 18. Jänner (Dirigent:
und besonders der Umwelt, in            Peter Schneider; mit: Peter       Am 25. Jänner werden Aida Ga-
den Mittelpunkt stellt. Empfoh-         Seiffert, Iréne Theorin, Al-      rifullina und Ryan Speedo
len ab 6 Jahren.                        bert Dohmen, Tomasz Ko-           Green in der Reihe Ensemble
Die Produktion ist auch auf DVD         nieczny, Petra Lang), Salome      stellt sich vor zu erleben sein.
und als Video on demand (www.           am 23. Jänner (Dirigentin: Si-    Begleitet werden die beiden Sän-
staatsoperlive.com) erhältlich.         mone Young; mit: KS Herwig        ger am Klavier von David Aron-
                                        Pecoraro, Elisabeth Kulman,       son.
                                        Catherine Naglestad, Juha
                                        Uusitalo) und Pique Dame am
                                        28. Jänner (Dirigent: Marko
                                        Letonja; mit: Aleksandrs An-
                                        tonenko, Tómas Tómasson,
                                        Barbara Haveman, Marjana
                                        Lipovšek, Markus Eiche).

2   N° 185   www.wiener-staatsoper.at
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BLICKPUNKT

                                     WIENER
ZYKLUS LIED.BÜHNE                    STAATSBALLETT

29. Jänner                           Jänner 2014

Seit mehreren Jahren wird in Ko-     Passend zur winterlichen Jahres-
operation mit der Wiener Staats-     zeit begrüßt das Wiener Staats-
oper im Wiener Musikverein           ballett das neue Jahr mit Der
(Gläsernen Saal /Magna Auditori-     Nussknacker (6. nachmittags
um) der Zyklus Lied.Bühne prä-       und abends und 9. Jänner), dem
sentiert, bei dem junge Ensem-       sich Ballett-Hommage (13., 17.
blemitglieder der Wiener Staats-     Jänner) als Kontrapunkt an-
oper Liedprogramme zum Be-           schließt.
sten geben und sich auf diese        Auch für den Nachwuchs gibt es
Weise dem Publikum mit einer         viel zu tun: Tanzdemonstrati-
zusätzliche Facette ihres Künst-     onen (Ballettakademie, 17.,
lertums vorstellen. Am 29. Jänner    18., 19., 20. Jänner) und die Cho-
ist die junge St. Petersburgerin     reographischen Werke (Jugend-
Margarita Gritskova zu hören,        kompanie der Ballettakademie,
die im Haus am Ring zuletzt als      21., 22., 23. Jänner), beide wer-
Idamante in der Idomeneo-Neu-        den im A1 Kinderopernzelt ge-
produktion zu erleben war. Sie       zeigt, bieten eine umfangreiche
wird Werke von Schubert,             Leistungsschau. Beginn ist an
Brahms, Strauss, Tschaikowski,       allen Spieltagen um 10.30 und
Rachmaninow, Debussy, Masse-         15.30, mit Ausnahme des 18. Jän-
net, Ravel, Fauré und de Falla       ners (nachmittags): ACHTUNG
interpretieren. Begleitet wird sie   TERMINÄNDERUNG! Die Nach-
von Thomas Lausmann, dem             mittagsvorstellung der Tanz­
Studienleiter der Wiener Staats-     demonstrationen am Sonntag
oper.                                den 18. Jänner beginnt nicht wie
tickets@musikverein.at               im Leporello angekündigt um
                                     15.30 sondern bereits um 14.30.

                                                                                Wiener Staatsoper

                                                                          www.wiener-staatsoper.at   N° 185   3
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WENN ENDLICH DER HASS
ÜBERWUNDEN WIRD
KS Leo Nucci, Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper und Gestalter zahlreicher
einzigartiger Opern-Charaktere, singt im Jänner eine seiner liebsten Partien:
den Simon Boccanegra. Zu dieser Partie nimmt der Sänger persönlich Stellung …

                        E     rstmals stand ich im Jahr 1984 als Simon
                              Boccanegra auf der Bühne – doch kannte ich
                        die Oper bereits aus einem anderen Blickwinkel, aus
                                                                                 Gewerkschafter erscheinen. Sie zetteln im Namen
                                                                                 des Volkes einen Aufstand an, um Simon Boccane-
                                                                                 gra auf den Thron zu hieven. Pietro fragt Paolo
                        jenem des Bösewichts Paolo, den ich unter Claudio        dabei: Welchen Vorteil habe ich dabei, wenn ich so
                        Abbado bereits zuvor gestaltet hatte; und Abbado         handle? Es geht also um „oro, possanza, onore“,
                        stand auch am Pult, als ich hier 1990 an der Staats-     also „Gold, Macht, Ehre“ – das ist wirklich ganz
                        oper erstmals einen Boccanegra sang – es handelte        aktuell! Denn wie viele Politiker heute handeln und
                        sich dabei um die letzte Aufführungsserie in der         nehmen alles in Kauf, auch auf Kosten des Volkes
                        berühmten Inszenierung von Giorgio Strehler.             übrigens, wegen oder für Gold, Macht, Ehre?
                        Man sagt dieser Oper ja oftmals nach, dass sie beim      Das dramatische Potenzial dieser Oper entspringt
                        Publikum weniger beliebt ist als andere Werke von        aber vor allem dem mittleren Wort dieser Trias:
                        Verdi: Es handelt sich dabei aber of mals eher um        Macht. Es ist eine Geschichte der Macht, die man
                        eine größere oder geringere Zuneigung seitens der        zu sehen und zu hören bekommt. Schließlich ist
                        Intendanten, denn wenn Simon Boccanegra ge-              die Titelfigur Jahrzehnte lang an der Macht, es geht
                        spielt wird, ist das Publikum eigentlich immer hin-      um das Drama eines Herrschers, der weiß, dass er
                        gerissen. So gestaltete ich diese Titelpartie vor kur-   nur durch Menschen an die Spitze gekommen ist,
                        zem an der Scala, und die Zuhörer liebten das Werk       die selber gerne herrschen würden. Und dennoch
                        einfach. Natürlich scheint es manchem Intendanten        endet diese Oper versöhnlich, denn sowohl Fiesco
                        einfacher und vor allem sicherer, das „typische“         als auch Simone gestehen am Ende ihre Schuld ein,
                        italienische Repertoire zu spielen, wie La traviata,     und Simone verzichtet um des Friedens willen auf
                        La Bohème, weil sie sich da des Publikums sicher         die Macht – sogar zugunsten seines Feindes! Sein
                        sind. Aber wir als Kulturschaffende haben durchaus       Sterben sieht er im Zusammenhang mit einer Mög-
                        die Aufgabe, das Publikum auch auf den Geschmack         lichmachung des Friedens; und das selbst in einer
                        anderer Opern zu bringen und sie auch zu anderen         Situation, in der er von jenem Mann vergiftet wird,
                        Werken, wie etwa Simon Boccanegra zu ver­                der ihn ursprünglich an die Macht gebracht hat.
                        führen…                                                  Man kann also durchaus sagen, dass es in dieser
                        Mich fasziniert immer wieder aufs Neue die Moder-        Oper um etwas Besonderes geht, um eine politi-
                        nität und Aktualität von Verdis Simon Boccanegra         sche Vision, die Verdi seinem Publikum mitteilen
                        – im Vergleich etwa zu Ernani oder zum Trovatore.        wollte.
                        Und das heute mehr denn je! Eine Situation, ver-         Dieser Zwiespalt von Hass und Vergebung, von
                        gleichbar mit Luisa Miller oder I due Foscari. So        Zorn und Hingabe wird in der Oper sogar direkt
                        heißt es im Libretto von Simon Boccanegra nach           von der Titelfigur angesprochen. Ein Detail: Bocca-
                        Petrarca „Adria e Liguria hanno patria commune“,         negra spricht etwa von Ligurien, wo der „ulivo“
                        also das adriatische und ligurische Meer haben das-      wächst, also der Olivenbaum, der Hass aber – der
      Titelpartie in    selbe Vaterland – und genau dieses Thema ist ja          Olivenbaum ist bis heute das Symbol des Friedens
Simon Boccanegra        auch eine Streitfrage in der zeitgenössischen italie-    – weiterbesteht. Simon Boccanegra erzählt zusam-
21., 25., 29. Jänner,   nischen Politik … Oder der Prolog: Es erfolgt ein        mengefasst eine Geschichte der Macht, sowie –
          1. Februar    Auftritt zweier Männer, Paolo und Pietro, die wie        besser – noch mehr: eine Geschichte des Bruder-

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OPER

hasses, der Rache, und eine Geschichte der Über-
windung dieser dunklen Kräfte, der Überwindung
des Hasses.
Aber auch Ehe und Lebensgemeinschaft sind ein
Topos dieser Oper, kein Wunder, hat dieses Thema
doch den Komponisten Giuseppe Verdi – ich denke
da an seine „wilde“ Ehe mit Giuseppina Strepponi
– sehr beschäftigt. In der Oper jedenfalls sind Maria
Fiesco und Simon Boccanegra ineinander verliebt.
Diese Liebe ist allerdings gegen den Willen Marias
Vaters, Jacopo Fiesco, der sogar in Kauf nimmt, dass
seine Tochter im eigenen Haus stirbt, nur damit sie
ihren Geliebten nicht mehr sehen kann. Von dem
sie übrigens sogar eine Tochter hat – Amelia. Dieses
Liebesthema, wie auch die gesamte Geschichte
rund um die Kindesentführung, das sind Aspekte
aus der Romantik, die Verdi und seine Librettisten
Francesco Maria Piave (1. Fassung) und Arrigo Boito
(2. Fassung) geschickt in die Handlung verwoben
haben. Ebenso entspricht es der Dramaturgie der
Romantik, dass Simon Boccanegra im Vorspiel der
Oper nicht von seinem Widersacher Jacopo Fiesco
erfährt, dass dessen Tochter und Simones Geliebte
Maria gestorben ist, sondern er es selbst grausam
entdecken muss: er öffnet das Grab und entdeckt
dort den Leichnam. Das dient allerdings nicht nur
als Effekt, sondern Verdi wollte damit die Grausam-
keit des Vaters, also Jacopo Fiescos, zeigen. Im Sin-
ne der Romantik ist weiters, dass Boccanegra das
Schicksal seiner Tochter nicht kennt, sondern 20
Jahre lang im Ungewissen bleibt.
Abgesehen von diesen romantischen Elementen
geht Verdi mit dieser Oper neue Wege der Drama-
turgie, besonders in der genannten zweiten Fas-
sung des Werkes, die 1882 zur erstmaligen Auffüh-
rung kam. Er fügte in dieser Version die große
„Scena del Consiglio“ ein, und betont damit die am
Anfang erwähnte politische Dimension dieser Oper.
Vor allem aber ist er ein Neuerer in musikalischer
Hinsicht. Es gibt, bis auf die Arie des Tenors, keine
Arien in dem herkömmlichen Sinne. Die große Sze-
ne des Basses mit dem großen Rezitativ und einer                                                X
Coda ist keine Arie, sondern sie schließt unmittel-                                             X

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bar an die folgende Szene an – eigentlich darf das      Die erste Fassung der Oper entstand zwar relativ
Publikum an dieser Stelle nicht applaudieren. Dazu      knapp nach der berühmten trilogia popolare, also
kommen lautmalerische Momente, sofort bei der           Rigoletto, La traviata, Il trovatore, doch sehe ich
Eröffnung der Oper zum Beispiel: Verdi hat hier         persönlich eigentlich keine so starke Verbindung
den ruhigen Wellenschlag des Ozeans komponiert.         dieser drei Werke zu Boccanegra. Eventuell kann
Man darf nicht vergessen, dass er von November          man Jacopo Fiesco mit Giorgio Germont aus Tra-
bis März in Genua, also in einer Hafenstadt lebte       viata in Verbindung bringen, aber zwischen Trova-
und nur von März bis November auf seinem Land-          tore und Simon Boccanegra zum Beispiel sehe ich
sitz in Sant’Agata. Verdi war also das Meer vertraut,   überhaupt keine echte Verbindung. Ich liebe den
und es liegt nahe, dass er es in die Oper, wo es        Trovatore natürlich, aber es steht dann doch das
doch um den früheren Piraten Boccanegra geht,           theatrale Moment sehr im Vordergrund. Letztlich
eingebracht hat. Oder ein anderes Beispiel: In dem      auch bei La traviata. Simon Boccanegra hingegen
Augenblick, in dem Simone Boccanegra sagt: „ar-         sehe ich viel eher mit Don Carlo auf einer Linie,
dono le fauci“ und das vergiftete Wasser ausgießt,      besonders, was die Dramaturgie der Oper betrifft.
hört man im Orchester das Fließen des Wassers.          Übrigens auch Macbeth, in Bezug auf das Spiel mit
Verdi wollte übrigens für Simon Boccanegra kein         der Macht.
großes Orchester, sondern vielmehr einen Klang-         In puncto Gesangstechnik gibt es für die Titelfigur
körper, der eher im Hintergrund steht und eben          eine sehr schwere Stelle, das ist das Duett mit Ame-
„ausmalend“, kolorierend agiert. Man darf übrigens      lia „Figlia! … a tal nome io palpito“. Heikel ist aber
nicht vergessen, dass Verdi in dieser Zeit mit der      auch die Interpretation des Wortes: Verdi schrieb
Musikkritik und mit Wagners Konzeption des              Musik zum Text und nicht umgekehrt.
Kunstwerks in Konflikt war …
                                                        Eine echte Herausforderung ist die richtige Inter-
               KS Leo Nucci als Simon Boccanegra        pretation der Titelfigur. Denn zwischen dem Prolog
                                                        und dem ersten Akt vergehen mehr als 20 Jahre,
                                                        und es ist wichtig, die Veränderung zu zeigen, die
                                                        an ihm geschehen ist. Schließlich leidet der Mann
                                                        an einem tiefen Schmerz, denn er hat nicht nur
                                                        seine Geliebte verloren, sondern ist seit Jahrzehn-
                                                        ten auch auf der Suche nach seiner Tochter. Dieses
                                                        Schicksal ist einfach großes Theater, und diese Ge-
                                                        fühle muss man als Sänger fühlen und muss sie
                                                        interpretieren. Bedeutsam scheint mir in diesem
                                                        Zusammenhang auch, dass Boccanegra, bis auf we-
                                                        nige Stellen, vorwiegend im Piano singt.
                                                        Zuletzt: Als schönste Momente in dieser an sich
                                                        immer schönen Oper empfinde ich etwa den Au-
                                                        genblick, in dem Boccanegra erkennt, dass er seine
                                                        verloren geglaubte Tochter Amelia vor sich hat.
                                                        Giuseppe Verdi notierte hier die Musik im 6/8-Takt
                                                        – das machte er übrigens immer, wenn er von gro-
                                                        ßer Liebe singen ließ …
                                                                                                    Leo Nucci

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DEBÜTS

DEBÜTS IM JÄNNER

D      er Tenor Jason Bridges wurde in Pennsyl-
       vania geboren und studierte an der Eastman
School of Music in Rochester, New York sowie am
                                                       Myung-Whun Chung. Zu ihren aktuellen Projekten
                                                       zählen unter anderem Leonora in La forza del
                                                       destino am Opernhaus in Seoul sowie die Titel-
Royal Conservatoire of Scotland in Glasgow. Wei-       rolle in Madama Butterfly am Teatro Verdi di
ters lernte er unter anderem bei Nicolai Gedda.        Salerno. An der Wiener Staatsoper debütiert Sae
Bald nach seinem Studium nahm er am Atelier            Kyung Rim am 26. Jänner in der Titelrolle von
Lyrique, dem young artist program der Opéra Na-        Madama Butterfly.
tional de Paris, teil. Er sang an Opernhäusern und
in Konzertsälen in Europa und in den USA. Zu
seinen Rollen zählten bisher Albert Herring, Fer-       O P ER N - R O L L EN D EB Ü TS
rando in Così fan tutte, Pylade in Iphigénie en
                                                        John Tessier (Conte d’Almaviva), Elena Maxi-
Tauride, Renaud in Armide, Rinuccio in Gianni
                                                        mova (Rosina) in Il barbiere di Siviglia am
Schicchi, Alfredo in La traviata, Tybalt in Roméo
                                                        8. Jänner 2015
et Juliette, Des Grieux in Manon, Nemorino in
L’elisir d’amore, Edgardo in Lucia di Lammer-           Iréne Theorin (Isolde), Tomasz Konieczny            Sae Kyung Rim
moor, Lyonel in Martha, Sou-Chong im Land des           (Kurwenal), Il Hong (Steuermann) in Tristan
Lächelns, Cyrille in Yvonne, Princess de Bourgo-        und Isolde am 10. Jänner 2015
gne. Zu den wichtigsten Dirigenten, mit denen er        Norbert Ernst (Narraboth), Ryan Speedo
zusammenarbeitete, zählen unter anderem Rober-          Green (5. Jude) in Salome am 15. Jänner 2015
to Abbado, Seymon Bychkov, Sylvain Cambreling,
                                                        Barbara Haveman (Lisa), Elena Maximova
James Conlon, Hartmut Haenchen, Thomas Hen-
                                                        (Polina), Marjana Lipovšek (Gräfin), Thomas
gelbrock, Alexander Lazarev, Jesús López-Cobos
                                                        Ebenstein (Tschekalinski), Janusz Monarcha
und Carlo Rizzi. Jason Bridges debütiert an der
                                                        (Narumow), Mihail Dogotari (Festordner), in
Wiener Staatsoper am 15. Jänner als 1. Jude in
                                                        Pique Dame am 16. Jänner 2015
Salome.
                                                        Philippe Auguin (Dirigent), Aquiles Machado
Die Sopranistin Sae Kyung Rim studierte an der          (Pinkerton) in Madama Butterfly am 26. Jänner
Hanyang University in Seoul, am Verdi Konserva-         2015
torium in Mailand sowie an der Accademia der            Ambrogio Maestri (Scarpia) in Tosca am
Mailänder Scala. Sie ist Preisträgerin mehrerer         31. Jänner 2015
internationaler Wettbewerbe, etwa des Vercelli
Giambattista Viotti Wettbewerbs. Zu ihren frühen        B AL L ET T- R O L L EN D EB Ü TS
Auftritten zählen die Titelrolle in Madama But-
terfly am Teatro Coccia di Novara, Fiordiligi in        Eno Peci als Drosselmayer/Der Prinz in Der
Così fan tutte an der Mailänder Scala, Leonora in       Nussknacker am 6. Jänner (nachmittags)
La forza del destino, die Titelrolle in Tosca, Ame-
                                                        Liudmila Konovalova, Robert Gabdullin,
lia in Un ballo in maschera, die Titelrolle in Aida,    Masayu Kimoto und Richard Szabó in Études,
Margherita in Arrigo Boitos Mefistofele, Madame         Kiyoka Hashimoto, Anita Manolova, Nina
Lidoine in Les Dialogues des Carmélites sowie           Tonoli, Dumitru Taran, Alexandru Tcacen-
Tosca in Seoul. Weiters trat sie beim Puccini-Fe-       co und Andrey Teterin in The Second Detail
stival in Torre del Lago bei einem Gala-Konzert         sowie Andrey Kaydanovskiy als Engel in
auf. Zu den wichtigen Dirigenten, mit denen sie         Contra Clockwise Witness am 13. Jänner.
zusammenarbeitete, zählen unter anderem

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WAS WILL MIR SALOME
Simone Young dirigiert Richard Strauss’ Meisterwerk
                                                           Fächern besetzen kann. Sowohl mit großformati-
                                                           gen Spieltenören (die etwa auch Mime und Loge
                                                           singen) als auch mit Heldentenören. Ich habe Er-
                                                           fahrungen mit beiden, und beide haben ihre Vor-
                                                           teile. Ich glaube, dass Strauss keine „schöne“ Stim-
                                                           me im Ohr gehabt hat, vor allem, wenn man an die
                                                           knalligen Dissonanzen am Ende der Oper denkt,
                                                           wo es nur falsch klingen kann. Wenn es da sauber
                                                           und richtig klingt, hat man etwas falsch gemacht!
                                                           Allerdings gibt es einige Passagen, wie diese „Tanz
                                                           für mich Salome“-Stellen, die dennoch, vom Hel-
                                                           dentenor gesungen, „schön“ klingen können. Das
                                                           hat auch einen Reiz. Ein Mime-geschulter Sänger
                                                           bringt wiederum eine Textverständlichkeit und ei-
                                                           nen bestimmten Ausdruck ein, der vor allem im
                                                           zweiten Teil der Oper, wo es immer heftiger und
                                                           hysterischer wird, gut zur Geltung kommt.

                                                         Gibt es auch bei den anderen Figuren eine solche

D      as ist nervöse Musik, als hätte einer Maikäfer
       in der Hose! So soll sein Vater reagiert haben,
nachdem er ihm Ausschnitte aus der Salome vorge-
                                                         Möglichkeit der Mehrfachbesetzung?
                                                           Simone Young: Zumindest die Möglichkeit einer
                                                           Fehleinschätzung. Viele Sängerinnen, die noch
spielt hatte, erzählte Richard Strauss am Ende seines      nicht dramatisch genug sind, riskieren eine Salome.
Lebens anekdotisch. Wie sieht es mit den Maikäfern         Denn man wird manchmal von der ersten Szene
aus Sicht der Dirigentin aus?                              mit dem hohen, silbrigen Klang verführt: so man-
  Simone Young: Naja, das ist eine typische Aussage        che Sängerin denkt dann, dass sie die gesamte Par-
  eines Vaters, der nicht versteht, was sein Sohn will     tie so hell und silbrig gestalten kann. Aber so ist es
  – weil dieser etwas Neues macht. Maikäfer hin oder       nicht. In Wahrheit entspricht die Salome der Partie
  her: Salome ist eine ungemein theatralische Musik        der Kaiserin in Frau ohne Schatten. Der dramati-
  mit einer sehr genauen Personencharakterisierung.        sche Schluss zeigt genau, wie eine Salome-Stimme
  Zum Beispiel, weil Sie nervös gesagt haben: Hero-        beschaffen sein muss. Mit anderen Worten: Man
  des ist ein nervöser Charakter, und das wird im          braucht eine dramatische Stimme, die gleichzeitig
  Orchester, in der gesamten Musik sehr genau ge-          auch die Leichtigkeit des Anfangs der Oper besitzt.
  zeigt. Salome hingegen hat von Strauss naturgemäß        Das ist nicht leicht zu finden und so gibt es also in
  eine gänzlich andere Musik bekommen, Jochanaan           jeder Generation nur wenige „echte“ Salomes …
  wiederum eine andere. Jeder Charakter die ihm
  ent­sprechende.                                        Strauss hat in Salome eine Reihe von musikalischen
                                                         Sprachbildverstärkungen verwendet, Harfe/Celesta
Gerade bei Herodes hat man heute einen recht typi-       etwa, wenn von der silbernen Schüssel die Rede ist.
schen Klang in den Ohren. Hat sich das durch eine        Wie präsent gestalten sie diese?
Tradition so herausgebildet?                                Simone Young: Ich denke, diese bildhaften Motive,
  Simone Young: Das Interessante an Herodes ist,            die Strauss verwendet, sind in Wahrheit das Leben
  dass man ihn heutzutage mit Sängern aus zwei              der Partitur. Was wäre der Kopf des Jochanaan

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OPER

HEUTE SAGEN?
  ohne dieses unheimliche H in den Kontrabässen?          Simone Young: Ich arbeite grundsätzlich immer,
  Oder Salomes Gesang von Liebe und Tod ohne die          egal welches Stück ich dirigiere, das gesamte Werk
  Harmonium-Akkorde?                                      neu durch. Nicht nur vor Serien, sondern vor jeder
                                                          Aufführung. Salome ist eine jener Partituren, die
Strauss hat dies auch noch weitergeführt: In Daphne       ich seit mehr als 20 Jahren dirigiere, und ich kenne
bringt er ein komplexes kontrapunktisches Geflecht,       jeden Ton dieser Oper. Aber wenn ich die Partitur
wenn es um den Baum und seine Verzweigung geht.           nicht immer wieder gründlich durcharbeiten wür-
Ist das bei Salome auch so?                               de, dann hieße das, dass sich meine Ansichten über
   Simone Young: Ja, das gibt es in Salome auch. Das      dieses Werk in den letzten 20 Jahren nicht geändert
   sieht man zum Beispiel, wenn man sich anschaut,        hätten. Daher muss man als Dirigentin stets das
   wie er mit den motivischen Elementen im zweiten        Stück neu befragen. Also: Was will mir Salome
   Teil der Oper umgeht, wenn es immer komplexer          heute sagen?
   wird und Herodes nicht mehr weiß, wie es weiter-
   gehen soll. An diesen Stellen kommt es zu einem      Haben Sie so etwas wie eine Lieblingsstelle in dieser
   sehr dichten kontrapunktischen Geflecht aus Mo-      Oper?
   tiven und Melodien. Salome ist bereits eine sehr      Simone Young: Da gibt es einige. Lassen Sie mich
   reife Partitur.                                       kurz nachdenken: Sicher die Stelle mit den beiden
                                                         Nazarenern, auch die großen Ausbrüche im
Salome hat ein besonders groß besetztes Orchester.       Schlussgesang. Aber es gibt natürlich noch viel
Als Dirigentin müssen Sie über Strecken darauf ach-      mehr Momente, in ganz unterschiedlichen Katego-
ten, dass die Sänger nicht übertönt werden. Gibt es      rien, die mir besonders nahe stehen, wie die gru-
Momente, in denen Sie dem Orchester dennoch den          seligsten Momente oder die tiefsten Aussagen. Es
Vortritt lassen und die Sänger etwas weniger präsent     ist ja alles in Hülle und Fülle da. Salome ist eben
sein dürfen?                                             ein Meisterwerk, und das Schöne daran, dass ich es
  Simone Young: Es ist sicher im Sinne des Kompo-        schon früh in mein Repertoire aufgenommen habe,
  nisten, dass man die Sänger immer hört. Aber: Wie      ist, dass ich mich schon lange damit beschäftigen
  präsent, ist eine andere, eine eigene Frage. Wenn      kann und immer neue solche Stellen für mich
  wir uns die großen Studioaufnahmen aus den 70er        entdecke.
  und 80er Jahren anhören, dann merken wir, dass
  die Sänger künstlich in den Vordergrund gebracht      Existiert ein Element in dieser Oper, das Strauss nur
  wurden. So sehr, dass es oftmals einfach keine rea-   in Salome verwendet hat? Also der salomeische
  listische Klangsituation mehr gab. Strauss hat ein-   Augen­blick?
  deutig symphonisch gedacht, wie Wagner übrigens         Simone Young: Ich würde sagen, dieser Akkord,
  auch. Manchmal sind dabei die Sängerstimmen im          wenn Salome vom Geschmack der Liebe spricht.
  Vordergrund, manchmal sind sie ein Teil des sym-        Das ist eine ganz spezielle Dissonanz. Und obwohl
  phonischen Klanges. Wann genau, gehört zu den           Strauss später mit seiner Elektra noch weiter in
  Entscheidungen, die man als Dirigentin ständig          eine chromatische Sprache gegangen ist als mit
  treffen muss.                                           Salome, bleibt dieser Akkord einzigartig. Ich würde
                                                          sagen: diese Dissonanz ist fast krank. Sie hat eine
Wenn Sie sich nun einer neuen Salome-Serie nähern:        unmittelbare physische Wirkung auf einen. Diesen
Arbeiten Sie im Vorfeld das gesamte Stück komplett        besonderen Klang kenne ich aus keiner seiner an-
durch oder nehmen Sie sich nur einige Schlüssel­          deren Partituren.                                      Salome
stellen vor?                                                                   Das Gespräch führte Oliver Láng   15., 19., 23., 27. Jänner

                                                                       www.wiener-staatsoper.at    N° 185   9
L ACHEN, LIEBEN, LEIDEN
   Elena Maximova präsentiert in drei Monaten
   vier Charaktere an der Staatsoper

   S   ie sangen hier im November die Marfa in Cho-
       wanschtschina, parallel zu den Vorstellungen
   fanden die Proben zur Neuproduktion von Rigo-
                                                              sie kein eindimensionaler Charakter ist, sondern
                                                              eine Frau, die frei ist und im Rahmen dieser Frei-
                                                              heit agiert. Sie tut das, was sie will und woran ihr
   letto statt, in der sie die Maddalena gestalteten.         Herz hängt, ohne Wenn und Aber. Und sie ist
   Und im Jänner folgen noch Rosina und Polina. Wie           gesteuert durch ihre Leidenschaft und schaut
   geht sich das kräftetechnisch aus?                         nicht nach links oder nach rechts. Hier sehe ich
      Elena Maximova: Mit viel Schlaf. Das ist eines der      durchaus eine Parallele zu Carmen, die sich zu-
      wichtigsten Dinge. Und ich bin diszipliniert und        nächst für, und dann gegen Don José entscheidet.
      halte einen strengen Plan ein. Dazu kommt noch:         Aber stets konsequent, egal, was ihr die Karten
      gutes Essen und eine gute Atmosphäre zu Hause.          oder sonst etwas oder jemand rät. Maddalena
      Dann bekommt man das alles unter einen Hut.             geht ebenso ihren Weg und kämpft um ihre Liebe,
      Abgesehen davon habe ich Maddalena, Rosina              um den Herzog. Das merkt man etwa im Quartett
      und Polina schon oft gesungen, es sind also keine       sehr stark, in dem sie versucht, die Aufmerksam-
      neuen Partien.                                          keit des Herzogs die ganze Zeit auf sich zu lenken.

   Und wie sieht ein Vorstellungstag aus? Noch mehr         Aber glaubt sie an diese Liebe in dem Sinne, dass
   Schlaf?                                                  der Herzog sie auch liebt?
     Elena Maximova: Ja, ich versuche mich möglichst          Elena Maximova: Sie liebt den Herzog wirklich.
     zu entspannen. An solchen Tagen mache ich nicht          Und glaubt, dass er sie auch liebt. Oder besser:
     viel, sondern ruhe mich aus und schaue mir zum           Sie möchte das glauben. Obwohl sie natürlich
     Beispiel Filme an.                                       spürt, dass es nicht ganz die Wahrheit sein kann,
                                                              was er ihr erzählt.
   Die Marfa, die Sie sangen, war für Sie persönlich
   ein großer Erfolg. Schwingt eigentlich Wehmut mit,       Marfa und Maddalena sind nicht eben heitere Par-
   wenn Sie sich nach mehr als zwei Monaten Proben          tien. Die Rosina in Il barbiere di Siviglia hingegen
   und Aufführungen von einer Rolle und Produktion          schon. Wie sieht es mit Ihrer komödiantischen Sei-
   erst einmal verabschieden?                               te aus?
     Elena Maximova: Absolut. Ich war am Ende der              Elena Maximova: Ich liebe es, fröhlich zu sein
     Vorstellungsserie traurig, nicht nur, weil mir diese      und zu lachen. Und ich liebe es, auf der Bühne
     fantastische Rolle so sehr ans Herz gewachsen             fröhlich zu sein und andere zu erfreuen. Daher
     war, sondern überhaupt, weil ich die mitwirken-           singe ich das buffo-Repertoire mit großer Freude.
     den Kollegen so geschätzt habe. Vorne voran na-           Andererseits lebe ich auch meine tragische Seite
     türlich den Dirigenten Semyon Bychkov! Da war             gerne auf der Bühne aus – und die Kombination
     es schon ein Vorteil, dass wir die Proben für die         aus komisch und traurig, das Umschalten zwi-
     Rigoletto-Produktion hatten, denn das hat mich            schen diesen beiden Charaktereigenschaften hat
     gewissermaßen aufgefangen. Und auch hier konn-            für mich im Schauspielerischen einen besonderen
     te ich mit einer großartigen Besetzung arbeiten,          Reiz. Marfa war sicherlich ein tragischer Charak-
     mit dem Regisseur Pierre Audi zum Beispiel, der           ter, Maddalena ist allerdings nicht so düster, son-
     mir in der Gestaltung der Maddalena viele Mög-            dern eine Art Übergang. Sie ist ein Vamp, der
     lichkeiten gab. Möglichkeiten in dem Sinne, dass          Männer verführt, aber auch zu lieben versteht.

   10    N° 185   www.wiener-staatsoper.at
OPER

                                                                                                         Elena Maximova als Marfa

Auch Rosina geht nach ihrem Kopf.                        men sehr gut geschrieben hat. Mir gefällt einfach
  Elena Maximova: Absolut! Sie ist aktiv und setzt       alles an der Polina.
  ihren Willen letztendlich durch. Daher sehe ich
  sie auch nicht in Hinblick auf die spätere Contes-   Und charakterlich? Was hat die Polina in diesem
  sa in Le nozze di Figaro, die passiver und viel-     Punkt zu bieten?
  leicht sogar lethargischer ist, sondern betrachte      Elena Maximova: Sie ist eine junge Frau in St.
  sie wirklich nur als Barbiere-Rosina.                  Petersburg des 19. Jahrhunderts. Das bedeutet,
                                                         dass sie – gesellschaftlich gefordert – nicht offen
Gesanglich liegen zwischen einer Marfa und einer         zu ihren Gefühlen stehen kann, sondern alle Lei-
Rosina Welten. Wie lange brauchen Sie für eine           denschaft nur im Verborgenen stattfinden darf.
solche Umstellung?                                       Erst durch die Romanze, die sie singt, kann sie
  Elena Maximova: Ich habe etwa einen Monat vor          gewisse Gefühle zumindest andeuten, Emotio-
  meiner ersten Rosina-Vorstellung begonnen, die         nen, die sie öffentlich nicht zeigen kann. Aber
  Stimme wieder an die Rossini-Koloraturen zu ge-        diese Romanze deutet schon an, was später in der
  wöhnen. Die Maddalena, die ich dazwischen ge-          Oper passieren wird. Und in der Pastorale spricht
  sungen habe, braucht zwar auch einen anderen           Polina ein Thema der Oper an: Dass die weibliche
  Typ, nämlich eine volle Stimme, aber da die Partie     Figur nicht den reichen Mann nimmt, sondern
  der Maddalena nicht so lang ist, war diese Dop-        den armen liebt.
  pelgleisigkeit möglich.
                                                       Zusammenfassend: Mit welcher dieser vier Rollen
Zuletzt noch die Polina in Pique Dame. Liegt Ihnen     fühlen Sie sich am ehesten verwandt?
diese Partie des russischen Repertoires besonders        Elena Maximova: Das ist eine wirklich schwierige
am Herzen?                                               Frage … Ich versuche mich in jede dieser Partien
  Elena Maximova: Nicht nur besonders, sondern           einzubringen, und jede dieser Bühnencharaktere
  ganz besonders! Ich habe zur Polina nämlich eine       trägt gewisse Qualitäten von mir in sich. Zumin-
  spezielle Beziehung, mit dieser Partie habe ich im     dest versuche ich in jeder der vier Frauen etwas
  Jahr 2001 debütiert. Und abgesehen davon han-          zu entdecken, das ich auch in mir trage. Sie ste-
  delt es sich um eine meiner Lieblingspartien. Auf      hen mir alle nahe, aber keine ist zu hundert Pro-        Maddalena in Rigoletto
  diese phantastische Romanze, die Polina singt,         zent Elena Maximova. Am ehesten die Polina: Da           2. Jänner
  freue ich mich jedes Mal, und in der Pastorale hat     findet man sowohl traurige als auch fröhliche            Rosina im Barbiere
  man als Sängerin die Möglichkeit, auch eine an-        Augenblicke.                                             8., 12. Jänner
  dere Seite ihres Charakters zu zeigen. Dazu                                                                     Polina in Pique Dame
  kommt, dass Tschaikowski diese Rolle für Stim-                         Das Gespräch führte Oliver Láng          16., 20., 24., 28. Jänner

                                                                    www.wiener-staatsoper.at    N° 185    11
TANZDEMONSTRATIONEN
CHOREOGRAPHISCHE WERKE

   Z   um fünften Mal gestaltet die Ballettakademie
       der Wiener Staatsoper im A1 Kinderopernzelt
   der Wiener Staatsoper die zu einer beliebten
                                                        Termine: Tanzdemonstrationen täglich von Sams­
                                                        tag, 17. Jänner bis Dienstag, 20. Jänner jeweils um
                                                        10.30 und um 15.30, bzw. am 18. Jänner um 14.30.
   Tradition gewordenen Tanzdemonstrationen,            Choreographische Werke täglich von Mittwoch,
   in denen alle Studierenden in verschiedenen          21. Jänner bis Freitag, 23. Jänner jeweils um
   Fächern des Unterrichtsprogramms zu sehen sind.      10.30 und um 15.30. Die Vormittagsvorstellungen
   Wurde bereits 2013/2014 eine auf zwei ver­           der Tanzdemonstrationen bestreiten die Schü­
   schiedene Veranstaltungen erweiterte Leistungs­      ler­
                                                           i nnen und Schüler der Oberstufe, die
   schau geboten, so wird dieses Konzept                Nachmittagsvorstellungen sind der Unterstufe
   heuer nochmals ausgebaut: Im Rahmen von              vorbehalten, bei den Choreographischen Werken
   Choreographische Werke wird es erstmals ein          sind die Jugendkompanie der Ballettakademie der
   Gastspiel geben. Am 21. Jänner (nur an diesem Tag,   Wiener Staatsoper bzw. nur am 21. Jänner auch
   vormittags und nachmittags) wird das Bohemia         das Bohemia Ballet (als Gast) zu sehen.
   Ballet – die Kompanie des Tanzkonservatoriums
   Prag – an der Seite der Jugendkompanie der           Abschließend sei noch einmal auf die TER­MIN­
   Ballettakademie der Wiener Staatsoper ein ab­        ÄNDERUNG hingewiesen: Die Nachmittags­    vor­
   wechslungsreiches und vielgestaltiges Programm       stellung der Tanzdemonstrationen am Sonntag
   bieten. An den übrigen Vorstellungstagen             den 18. Jänner beginnt nicht wie im Leporello
   werden die Choreographischen Werke von der           angekündigt um 15.30 sondern bereits um 14.30.
   Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener
   Staatsoper alleine bestritten.                                                        Oliver Peter Graber

   12    N° 185   www.wiener-staatsoper.at
BALLETT

    DAS WIENER STAATSBALLETT
    Halbsolistin Nina Tonoli
„   Die Rolle der Clara hält große Herausforderungen
    bereit, nicht zuletzt an das Durchhaltevermögen“,
    eröffnet die junge Halbsolistin des Wiener
    Staatsballetts das Gespräch. Ihre erste Hauptrolle in
    Der Nussknacker an der Wiener Staatsoper war ein
    besonderes Geschenk für sie, fiel die Vorstellung
    doch just auf ihren Geburtstag.

    Das Licht der Welt erblickte Nina Tonoli in Gent
    (Belgien), im Alter von zehn Jahren begann ihre
    Ballettausbildung. Diese absolvierte sie zunächst
    an der Koninklijke Balletschool Antwerpen und
    setzte sie, unterstützt durch ein Stipendium, an
    der Royal Ballet School in London, welche sie mit
    Auszeichnung abschloss, fort. Gleich ihre allererste
    Audition führte sie in Wien zum Erfolg: 2012 wurde
    sie an das Wiener Staatsballett engagiert, 2014
    avancierte sie zur Halbsolistin. „Die Direktorin
    der Royal Ballet School wollte mich zunächst gar
    nicht gehen lassen, aber dann hat alles wunderbar
    funktioniert“, erinnert sie sich, da sie die Stelle
    in Wien noch während ihres letzten Schuljahres
    antrat. Mit den zahlreichen Aufgaben, die beim
    Wiener Staatsballett auf sie zukamen, änderte
    sich auch ihr tänzerischer Geschmack und so hat
    sie neben den großen Handlungsballetten auch
    die Neoklassik bzw. Zeitgenössisches für sich
    entdeckt. Als besonders angenehm erlebte sie
    die Zusammenarbeit mit Thierry Malandain bei
    Mozart à 2, gleichwohl sie Ballette mit Handlung
    weiterhin bevorzugt und die „ Julia“ zu ihren
    Wunschrollen zählt. Mit verantwortlich dafür mag
                                                                                                                         SERIE
    auch Prokofjews Musik sein. „Tanz kann nicht ohne
    Musik funktionieren“, ist Tonoli überzeugt, „die
    Musik gibt die notwendige Energie und reißt Dich
    mit bis zum Schluss.“

    Die Partitur Pjotr Iljitsch Tschaikowskis wird ihr
    diese Unterstützung beim nächsten Nussknacker
    sicher nicht verwehren!
                                                            Nina Tonoli in Der Nussknacker
                                      Oliver Peter Graber

                                                                      www.wiener-staatsoper.at   N° 185   13
Trevor Hayden in Der Nussknacker

                   14    N° 185    www.wiener-staatsoper.at
BALLETT

KÖNIGLICHE
    FRÜCHTE
J  uglans regia, so die botanisch korrekte Bezeich­
   nung der echten Walnuss, hält eine wahre Flut
an wertvollen Inhaltsstoffen für Interessenten
                                                         welcher in Form und Farbe aktuellen Vorstellungen
                                                         entsprach. Da seine Erfindung zudem die Methode
                                                         beinhaltete, die Figur im quasi „industriellen“
bereit, wissenschaftliche Studien wollen bei einem       Maßstab (und nicht mehr einzeln geschnitzt von
täglichen Verzehr einer bestimmten Menge sogar           Hand) zu fertigen, kam sein Modell zu großer
eine Verbesserung der Elastizität von Blutgefäßen        Verbreitung.
nachgewiesen haben. Doch wie kommt man an
diese Köstlichkeit nur heran? Rabenvögel lassen          Bereits 1813 war Kaiser Napoleon I. in Form einer
sie gerne aus großer Höhe auf Steine fallen – eines      Karikatur als Nussknacker dargestellt worden, dies
der bekanntesten Beispiele für Werkzeuggebrauch          mag also vielleicht eine jener Anregungen gewesen
im Tierreich. Steine dürften auch am Beginn des          sein, die Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
humanen Lösungsansatzes gestanden haben, ab              (1776 bis 1822) zu seinem 1816 veröffentlichen
300 vor Christus sind Vorrichtungen aus Bronze           Kunstmärchen Nussknacker und Mäusekönig
überliefert. Selbst der große Aristoteles (384 v. Chr.   inspirierte. Dieses wiederum legte die Grundlage
bis 322 v. Chr.) soll sich dem Thema gewidmet            für den späteren Welterfolg des Balletts.
haben, die Geschichte schreibt ihm die Anregung
zur ersten Anwendung des Hebelprinzips auf               Häufigen Anlass zur eifrigen Diskussion unter
das Problem „Nüsseknacken“ zu. Die Form des              Ballettfreunden gibt der Name der Titelheldin –
Nussknackers, welche die Heldin unseres Balletts,        heißt sie denn nun Clara (wie in der Fassung von
das vom Wiener Staatsballett in der technisch            Rudolf Nurejew) oder doch Marie, Stahlbaum
besonders anspruchsvollen Fassung von Rudolf             oder Silberhaus? Die Antwort darauf ist ebenso
Nurejew gezeigt wird, begeistert und zum Träumen         einfach wie verwirrend: E. T. A. Hoffmann gab
anregt, ist späteren Datums.                             ihr den Namen Marie Stahlbaum, deren Puppen
Setzen Historiker die Entstehung figuraler               Mamsell Trutchen und Mamsell Clärchen hießen.
Nussknacker in der Mitte des 18. Jahrhunderts            In einem darauf basierenden Werk von Alexandre
an, wobei sie im Einzugsgebiet des Thüringer             Dumas dem Älteren (1802 bis 1870) mit dem
Walds in etwa ab 1735 beschrieben sind und auch          Titel Histoire d’un casse-noisette (1844) wird die
auf einer Faschingsparade in Freisingen im Jahr          Hauptfigur zu Marie Silberhaus, im Ballettlibretto
1783 ein übergroßes Exemplar gesichtet wurde,            von Marius Petipa und Iwan Wsewoloschski zur
so geht das unmittelbare Modell des „modernen“           Clara. Detail am Rande: E. T. A. Hoffmann soll in
Nussknackers auf den in Seiffen (im Erzgebirge,          der Figur seiner Marie die Tochter eines Freundes
heute „Spielzeugdorf “ und Kurort) geborenen             portraitiert haben, die im realen Leben Clara
Zimmermann und Kunsthandwerker Friedrich                 hieß….. Was für eine Nuss zum Knacken!
Wilhelm Füchtner (1844 bis 1923) zurück. Dieser
stellte um 1870 erstmals einen Nussknacker her,                                           Oliver Peter Graber

                                                                      www.wiener-staatsoper.at   N° 185   15
Das Staatsopernorchester
                                Fagottist Prof. REINHARD ÖHLBERGER

                                I  m Jahr 2015 feiert Reinhard Öhlberger gleich
                                   zwei Jubiläen: zum einen vollendet er sein 40.
                                Dienstjahr als (derzeit ältestes) Mitglied des Staats-
                                                                                         ster auch das (höhere) eigentliche Fagott und somit
                                                                                         gewissermaßen das „Familieninstrument“. Denn
                                                                                         schon sein Vater Karl und sein Onkel Camillo waren
                                opernorchesters, zum anderen wird er am 19. Jän-         Fagottisten des Staatsopernorchesters beziehungs-
                                ner zum 200. Mal im Graben bei einer Salome-             weise der Wiener Philharmoniker gewesen – nichts-
                                Vorstellung mitwirken und das berühmte, mehrere          destotrotz nahm Reinhard Öhlberger sozusagen
                                Takte umfassende Kontrafagott-Solo (nach dem             erst über Umwege seine Fagott-Stelle im Orchester
                                Fluch des Jochanaan respektive vor dem Auftritt          ein: Seine frühesten musikalischen Gehversuche
                                des Herodes) zum Besten geben. Nicht, dass Rein-         unternahm er nämlich als Geiger – und erst als klar
                                hard Öhlberger über alle seine Aufführungen ge-          wurde, dass es mit diesem Instrument wohl nichts
                                naue statistische Aufzeichnungen führen würde,           werden würde, schaute er sich bei den Blasinstru-
                                aber dem Werk mit dem längsten und markantesten          menten um. Dieses Umschauen endete schließlich
                                Kontrafagott-Solo gebührt natürlich eine gewisse         doch beim Fagott, das er daraufhin mit großer Freu-
                                Sonderstellung, also wurde verständlicherweise           de „an die Brust nahm“. Denn ganz im Gegensatz
                                fleißig mitgezählt. Man kann sich vorstellen, wie        zur Violine, machte ihm das Üben am Fagott nun
                                viele Jochanaane in diesen 200 Vorstellungen ihr         so großen Spaß, dass er innerhalb kürzester Zeit
                                Haupt lassen mussten und vor allem wie viele un-         – genauer, nach bereits einem Jahr! – erstmals pro-
                                terschiedliche Dirigenten am Pult gestanden sind.        fessionell engagiert wurde: Als Kontrafagottist für
                                Und dennoch, ganz ohne (positive) Spannung, ganz         drei Aufführungen von Haydns Schöpfung anläss-
                                ohne einen Anflug von Lampenfieber wird auch             lich des 130jährigen Bestehens des St. Pöltner Mu-
                                dieses (in der Öffentlichkeit stattfindende) private     sikvereines. Und hierbei gab es nicht nur die Ehre
In dieser Serie werden die      Jubiläum nicht vorübergehen. „So ein wichtiges           des Mitspielendürfens, sondern auch Geld zu ver-
Mitglieder des Wiener Staats­   Solo, ganz gleich, ob in der Salome oder einem           dienen. 840 Schilling waren es, nicht eben wenig
opernorchesters vorgestellt.    anderem Werk, erscheint einem am Morgen des              für einen Mittelschüler. Dies alles gab verständli-
                                betreffenden Aufführungstages wie eine am Hori-          cherweise zusätzlichen Auftrieb. Nichtsdestotrotz
       SERIE

                                zont auftauchende große Mauer, die es zu überwin-        inskribierte Reinhard Öhlberger nach der Matura
                                den gilt“, so Reinhard Öhlberger. „Und je näher der      an der Wiener Universität, um zusätzlich ein Jus-
                                erwartete Moment kommt, desto gewaltiger ragt            Studium zu absolvieren (die erste Staatsprüfung
                                diese Mauer auf. Schließlich hört man die letzten        legte er immerhin mit mehreren Auszeichnungen
                                Takte vor dem Einsatz und weiß, dass es wieder           ab), das er jedoch letztendlich zugunsten des Fa-
                                einmal so weit ist … und dann, dann nimmt man            gottspiels abbrach.
                                die Hürde, kommt gut drüber und empfindet den
                                Stolz des Gipfelstürmers.“                               Quasi nach dem Motto „ich habe auch anderswo
                                                                                         im Orchester gespielt“ trat er 1970 bei einem Pro-
                                Neben dem tiefen Kontrafagott, das Komponisten           bespiel für die Wiener Symphoniker an, gewann es
                                einerseits atmosphärisch als düster-dunkle Farbe         und war mehrere Jahre lang Mitglied dieses Klang-
                                in den Orchesterklang mischen, andererseits aber         körpers, ehe er im Februar 1975 nach einem erfolg-
                                immer wieder gerne solistisch einsetzen (eben in         reichen Probespiel in das Staatsopernorchester
                                der Salome zum Beispiel, oder auch im Wozzeck,           wechselte. Nun war Reinhard Öhlberger endlich am
                                in Palestrina), spielt Reinhard Öhlberger im Orche-      Ziel seiner Wünsche angelangt, denn als echtes

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SERIE

ehemaliges Theaterkind (bereits als Vierjähriger
hatte er des Öfteren auf der Hinterbühne diversen
Vorstellungen gelauscht) und späterer Stehplatzler,
zog es ihn geradezu zum Musiktheater hin, genauer
in den Graben der Wiener Staatsoper. Da auch Rein-
hard Öhlbergers Ehefrau bis zu ihrer Pensionierung
als Mitglied des Zusatzchores der Wiener Staatsoper
im Haus am Ring künstlerisch tätig war, konnte er
die Freude am Beruf gewissermaßen teilen und zu
Hause, nach einer Vorstellung, trefflich bis in die
Nacht hinein über den jeweiligen Abend, die je­
weiligen Sängerinnen, Sänger oder Dirigenten
disku­tieren.

Abschließend vielleicht noch ein Kuriosum zum
Kontrafagott: Im Gegensatz zum eigentlichen Fa-
gott Reinhard Öhlberges ist das Kontrafagott Eigen-
tum des Orchesters und als solches, wenn auch
noch einwandfrei funktionierend, doch schon recht
betagt. Die Bestellung eines neuen Instrumentes
bei der führenden Fagottbaufirma Wilhelm Heckel
ist auch schon getätigt worden – doch auf Grund
der enormen Nachfrage, dürfte die Lieferung erst
2021 erfolgen.
					 Andreas Láng

  Prof. Reinhard Öhlberger studierte unter
  anderem an der Musikuniversität bei Karl
  und Camillo Öhlberger. 1975 kam er in
  das Staatsopernorchester, 1978 zu den
  Wie­­­
       ner Philharmonikern. Außerdem ist er
  Mitglied der Hofmusikkapelle und mehrerer
  Kammermusikensembles. Er ist Träger mehr­er­
  er Auszeichnungen, war langjähriger Karten­
  verwalter der Wiener Philharmoniker und             Mit allen tiefen Tönen der Oper
  ist Verfasser des Buches Wenn am Buch der           auf das Dach gestiegen:
                                                      Fagottist und Kontrafagottist
  Händler klebt.                                      Reinhard Öhlberger

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WIE EINE NEUPRODUKTION
2. Teil | Die Betriebsdirektorin                                I  st die erste Entscheidung bezüglich einer Neupro-
                                                                   duktion einmal getroffen, sind also Stücktitel und
                                                                eventuell die Besetzung der Hauptpartien, der Re-
                                                                gisseur und der Dirigent fixiert, geht es darum, einen
                                                                geeigneten Termin für die Premiere und die nachfol-
                                                                genden Reprisen zu finden. Und hier beginnt der
                                                                Aufgabenbereich der Betriebsdirektorin Sabine Hödl-
                                                                Weinberger. Denn an ihr liegt es nun, den sogenann-
                                                                ten weißen Spielplan, also den noch komplett leeren
                                                                Vorstellungsplan einer ganzen Saison mit Stücken zu
                                                                „befüllen“ – mit Neuproduktionen ebenso wie mit
                                                                Repertoirewerken. Da jede einzelne Detailentschei-
                                                                dung einen Rattenschwanz an Folgeentscheidungen
                                                                nach sich zieht und am Ende alles zusammenpassen
                                                                und ineinandergreifen muss, ähnelt die nun folgen-
                                                                de Prozedur fast einem komplexen Geduldspiel. Ei-
                                                                nem Geduldspiel freilich, das ohne intensive lang-
                                                                jährige Erfahrung, ohne Kenntnis der unterschiedli-
                                                                chen Gewohnheiten und Bedürfnisse der Künstler,
                                                                ohne Wissen um die Möglichkeit aller nicht einplan-
                                                                barer Eventualitäten und vor allem ohne Liebe zur
                                                                Gattung Oper gar nicht durchführbar wäre. Wie se-
                                                                hen nun die einzelnen Arbeitsschritte konkret aus?
                                                                Zunächst sind mehrere Parameter zu prüfen: Gibt es
                                                                von Haus aus auf Grund der Disponibilität einzelner
                                                                Künstler nur bestimmte Zeitfenster in denen die
                                                                vorgesehene Neuproduktion angesetzt werden
                                                                kann? Handelt es sich bei dem Werk um eine groß-
                                                                besetzte Oper oder um eine mit wenigen Sängern
                                                                und kleinem Orchester? Ist die Oper lang oder kurz?
                                                                Sind einzelne Partien besonders herausfordernd,
                                                                sodass auf die Erholungsphase der Interpreten Rück-
                                                                sicht genommen werden muss? Wie viele Rollen sind
                                                                aus dem Ensemble besetzbar, ist überhaupt, und
                                                                wenn ja, in welcher Stärke ein Chor erforderlich? Ist
                                                                das Stück noch nie oder schon länger nicht am Haus
                                                                gezeigt worden? Sollte man hinsichtlich der fünf- bis
                                                                sechswöchigen Probenzeit vor einer Premiere auf
                                                                bestimmte Besonderheiten achten?
                                                                Das wären einige der zentralen Fragen – doch was
                                                                für Antworten ergeben sich aus ihnen und vor allem,
                                                                welche Lösungen verlangen sie? „Es ist hilfreich, die
                                                                Planung in eine Zeit mit vielen Feiertagen legen zu
                                                                können“, erklärt Sabine Hödl-Weinberger. „Denn was
                    Betriebsdirektorin Sabine Hödl-Weinberger   bedeutet eine lange Oper? Dass die Vorstellung früh

          18   N° 185   www.wiener-staatsoper.at
SERIE

ENTSTEHT
 beginnen muss und das ist, mit Rücksicht auf die        fahren, dableiben, woanders auftreten? Auch die
 Arbeitswelt, nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen     Karwoche ist kein wirklich günstiger Termin. Und
 möglich. Ideal ist diesbezüglich daher Ende Oktober/    ein zu früher September-Premierentermin ist des-
 Anfang November, denn hier kommen zu den                halb unmöglich, weil man die mehrwöchige Proben-
 Wochen­enden noch der Nationalfeiertag und Aller-       zeit nicht schon in den Sommermonaten, in denen
 heiligen dazu.“ Zugleich hat Sabine Hödl-Weinberger     die Staatsoper geschlossen ist, beginnen darf.“
 auf die Tourneezeiten des Orchesters zu achten,         Apropos Proben: Auch hier gilt es, vor allem in der
 denn sind die Wiener Philharmoniker (und damit ein      Endprobenzeit, Rücksicht auf die Wünsche der Aus-
 Teil des Staatsopernorchesters) auf Konzertreise,       führenden zu nehmen. Manche wollen die Haupt-
 können Opern mit großen Orchesterbesetzungen            proben und die Generalprobe möglichst eng beiein-
 wie eine Salome, eine Elektra, diverse Wagner-          ander angesetzt haben, um nicht Zeit zu verlieren,
 Opern mangels ausreichender Musikerzahl nicht           andere fühlen sich von zu schnell aufeinanderfolgen-
 durchgeführt werden. Steht außerdem eine noch nie       den Proben überlastet. „Bei dieser Frage ist es gün-
 gezeigte Oper zur Diskussion, sollten für alle Betei-   stig, früh genug mit dem Dirigenten Rücksprache zu
 ligten, also Orchester, Chor, Sänger genügend Pro-      halten, aber eine für alle beglückende Lösung ist nur
 benzeiten einkalkuliert werden. Herausfordernde         selten zu erzielen“, so die Betriebsdirektorin.
 Partien wie etwa jene des Tristan, erfordern weiters,   Sind endlich alle Premieren, die dazu gehörigen Re-
 dass zwischen den einzelnen Vorstellungen des Wer-      prisen und die jeweiligen Proben unter Dach und
 kes jeweils zumindest drei Tage Pause eingeschoben      Fach, „füllt“ Sabine Hödl-Weinberger die „Lücken“
 sind, damit sich der Sänger stimmlich und physisch      mit Repertoirestücken auf, wobei auch hier wieder
 regenerieren kann. „Es gibt einige namhafte Künst-      auf so manchen bereits im Vorfeld fixierten Sänger-
 lerinnen und Künstler, die, unabhängig von der          auftritt, auf Tourneen oder chorfreie Tage geachtet
 Schwere der Rolle, grundsätzlich drei Tage Pause        werden muss.
 zwischen den Auftritten wünschen – was natürlich        Zu guter Letzt kann noch die Technik einen Strich         In dieser Serie soll die Arbeit
 ebenfalls zu berücksichtigen ist“, so die Betriebsdi-   durch die Rechnung ziehen. „Es kommt schon vor,           aller an einer Neuproduktion
 rektorin. Aber auch der Chor, der das weltweit größ-    dass ein Spielplan bis zum letzten Vorstellungstag        beteiligten Personen und Ab­
 te Repertoire beherrscht und entsprechend proben        fertig aufgestellt ist und sich dann herausstellt, dass   teilungen aufgezeigt werden,
 soll, kann nicht überbeansprucht werden. „In einer      das Bühnenbild einer geplanten Neuproduktion et-          sodass der Weg bis zur Premiere
 Spielzeit lauter Choropern zur Premiere zu bringen,     was komplizierter ausfällt, als ursprünglich ange-        dokumentiert wird.
 wie etwa Moses und Aron, Meistersinger, Chowansch­      nommen, wodurch längere Aufbauzeiten notwendig
                                                         werden, was sich wiederum auf die Stückabfolgen
 tschina ist unmöglich, da die Zeit zum Einstudieren
                                                                                                               SERIE
 fehlen würde.“                                          im Gesamtspielplan auswirkt. Und das kann bedeu-
 Sind Neuproduktionen (fast) durchwegs aus dem           ten: Zurück an den Start.“
 fixen Ensemble besetzbar, so erleichtert dies ver-      Dies alles geschieht wohlgemerkt ungefähr vier Jah-
 ständlicherweise viele Aspekte: Man muss sich zum       re im Voraus. Etwas knapper, also einige Monate vor
 Beispiel nicht nach dem Terminkalender der Sänger       den eigentlichen Aufführungsterminen, erstellt Sa-
 richten, da sie ohnehin immer zur Verfügung stehen.     bine Hödl-Weinberger schließlich für den Direktor
 Gibt es nun grundsätzlich ungünstige Zeiten für eine    gemeinsam mit dem musikalischen Studienleiter aus
 Neuproduktion? „Zum einen ist der Februar recht         dem Ensemble Besetzungsvorschläge für die mittle-
 problematisch, da durch den Opernball und die da-       ren und kleineren Rollen. Ist das erledigt können im
 für notwendigen Vorbereitungen zumindest eine           Prinzip nur mehr unerwartete Krankheitsfälle etwas
 ganze Woche ausfällt“ zählt Sabine Hödl-Weinberger      am geplanten Ablauf ändern, denn dann müssen
 auf. „So ein „Loch“ ist schlecht für die Probenzeit     kurzfristige Ersatzsänger gefunden werden …
 und schlecht für die Aufführungsserie. Was sollen
 vor allem Gastsänger in dieser Zeit machen? Heim-                                                Andreas Láng

                                                                       www.wiener-staatsoper.at    N° 185   19
UNSERE
ENSEMBLEMITGLIEDER

                                            O      per: Das war zunächst etwas Fremdes, Unbe-
                                                   kanntes, ja fast Unvorstellbares. In einem klei-
                                            nen Vorort in Virginia, USA, aufgewachsen, verband
                                            Ryan Speedo Green mit Oper am ehesten noch her-
                                            kömmliche Klischees: die berühmte umfangreiche
                                            Wagner-Heroine, mit einem Hörnerhelm am Kopf
                                            und schriller, lauter Stimme. Opernsänger werden?
                                            Nein, das war nicht einmal im Ansatz ein vorgezeich-
                                            neter Lebensweg. Denn im Gegensatz zu manch
                                            anderem Sänger entstammte er keiner Künstlerfa-
                                            milie, hatte also keine „Vorbelastung“, sondern
                                            lernte klassische Musik erst – und mehr zufällig als
                                            geplant – an der Highschool kennen, als er im dor-
                                            tigen Chor mitsang. Doch wenn es sein muss, muss
                                            es sein: Eine Lehrerin entdeckte seine vielverspre-
                                            chende Stimme und schon fand er sich bei einer
                                            Audition der Governors School for the Arts in Nor-
                                            folk in Virginia wieder, einer Talenteschmiede also.
                                            Aus vielen hundert Kandidaten wurden die zwölf
                                            Besten ausgewählt, unter ihnen Ryan Speedo Green,
                                            der nun erstmals wirklich mit dem Musiktheater in
                                            Kontakt kam. Um ihm die Nebulosität der Opernwe-
                                            lt zu nehmen, lud ihn ein Freund in eine Met-Vor-
                                            stellung ein, ein anderer lieh ihm einen Anzug: und
                                            dort erlebte der Teenager mit einer Carmen-Vorstel-
                                            lung nun sein erstes Opern-Erlebnis. Das tatsächlich
                                            zum Erlebnis wurde. „Ich lachte, weinte, war wü-
                                            tend, glücklich, fasziniert, also alles, was man in ei-
                                            ner Aufführung durchleben kann. Es war einfach
                                            fantastisch!“, erzählt er im Rückblick. „Dazu kam,
                                            dass Denyse Graves die Titelfigur sang und ich sie
                                            nach der Vorstellung backstage treffen konnte. Für
                                            mich war sie eine Ikone. Denn hätte mir jemand
                                            zuvor gesagt, dass ein Afro-Amerikaner aus einem
                                            kleinen Ort in Virginia Oper in New York City oder

   20   N° 185   www.wiener-staatsoper.at
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