"Viele Airlines werden den Winter nicht überleben" - Unicollege SSML

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"Viele Airlines werden den Winter nicht überleben" - Unicollege SSML
Interview

"Viele Airlines werden den Winter nicht überleben"
Ryanair [http://www.airliners.de/thema/ryanair]-Chef Michael O'Leary
[http://www.airliners.de/thema/michael-oleary] skizziert im Interview mit airliners.de,
was sich nach dem Chaos im Sommer nun ändern muss, bewertet die Slot-Idee von
Lufthansa [http://www.airliners.de/thema/lufthansa-group] und wagt eine Prognose
für weitere Pleiten.

    Michael O'Leary: "Die Verzögerungen bei den Tarifverhandlungen sind
    nicht unsere Schuld." © dpa /Jasper Jacobs

Azur Air, Primera Air, Small Planet Deutschland: Die Liste der Airlines, die im
Sommer von Jahr eins nach Air Berlin in die Knie gingen, ist lang. Auch Low-Coster
Ryanair musste deutliche finanzielle Einbußen hinnehmen. Zum Gespräch mit
airliners.de erscheint Airline-Chef Michael O'Leary dennoch gut gelaunt wie eh und
je. Der oft als Clown titulierte Manager steht immerhin seit 25 Jahren an der Spitze
von Europas inzwischen größtem Billigflieger und kann nach den Problemen der
vergangenen Monate bei der Akquise neuer Airlines aus dem Vollen schöpfen.

airliners.de: Herr O'Leary, wird Ryanair für Small Planet bieten?
Michael O'Leary: Oh Gott, nein. In den vergangenen Wochen haben wir viele
Airline-Pleiten gesehen: Small Planet, Azur Air …
"Viele Airlines werden den Winter nicht überleben" - Unicollege SSML
… und Alitalia …
Nein, das ist was anderes. Die sind schon länger am Ende.

Wollen Sie denn die kaufen?
Nein, da sind wir raus. Die reden nur noch mit Lufthansa und einigen der Golf-
Carrier. Ich denke, dass der Verkaufsprozess da auch ziemlich schwierig ist, immerhin
gibt es eine italienische Regierung, die die Airline gerade nicht wirklich verkaufen
will.

Ok, letzter Name: Norwegian?
Ich denke, Norwegian dümpelt ja jetzt schon länger vor sich hin und geht im Winter
in die Knie. Das liegt auch daran, dass die sehr stark vom Ölpreis abhängig sind: Die
haben gerade mal 15 Prozent für die kommenden zwölf Monate gehedgt. Und der
Ölpreis liegt bei 85 Dollar pro Barrel. Norwegian muss also 85 Prozent des Öls zum
normalen Marktpreis einkaufen. Die konnten schon im letzten Jahr kein Geld
machen, als das Öl noch billiger war, und jetzt haben die noch ein Jahr mit Rekord-
Ölpreis. Die sind im Winter weg.

Jetzt sind Sie aber meine Frage ausgewichen …
… und zwar?

Ob Sie Norwegian kaufen wollen.
Absolut nicht. Da sind offenbar IAG und Lufthansa im Gespräch, und die sind mehr
als willkommen. Ganz allgemein wäre es für die Branche sogar gut, wenn Norwegian
pleite geht. Denn gerade im Winter gibt es zu viel Angebot. Die Kapazitäten legen um
sechs bis acht Prozent innereuropäisch zu. Und das wiederum merkt man an den
Preisen, die gerade purzeln wie nie.

                                   Der Manager

Michael O'Leary wurde 1988 Finanzchef bei Ryanair, sechs Jahre später übernahm er
den Chefposten beim Low-Coster. Angefangen hat es noch mit vier Flugzeugen, wie er
stets betont. Durch seine häufig extravaganten Auftritte und verbalen Rundumschläge
gilt er in der Branche inzwischen als Enfant Terrible. Dennoch ist sein Kontakt zur
Politik nicht zu unterschätzen: In den 90er Jahren handelte er mit dem damaligen
irischen Verkehrsminister Brennan aus, dass Konkurrentin Aer Lingus auf der
Strecke Dublin-London Slots für die Flughäfen Heathrow und Gatwick bekam -
Ryanair hingegen die für Luton und Stansted. Mehrere Medien zeichneten ihn später
als "Manager des Jahres" aus.

Was wiederum noch mehr Airlines in Bedrängnis bringen wird …
Exakt, die verdienen kein Geld. So wie Norwegian, SAS oder TAP - Alitalia wird nicht
pleite gehen. De facto sind sie das ja schon, aber der Staat hält sie in der Luft.

Das waren viele Namen, wie sieht es mit Ihnen aus?
Ryanair hat keine Probleme …
Aber in diesem Sommer haben doch alle Airlines mit Problemen
gekämpft.
Definitiv. Unsere Pünktlichkeit fiel im ersten Halbjahr von 86 auf 75 Prozent. Das war
sehr schmerzhaft. Und das hängt vor allem an der Deutschen Flugsicherung (DFS):
viel zu wenige Lotsen und schlecht gemanagt. Dazu kommen die Streiks französischer
Lotsen. Das waren neun Wochen in Serie in Marseille. Und gerade dieser Standort
liegt im Mittelpunkt vieler Flugrouten. Das führte zu vielen Verspätungen und
Ausfällen - ohne unsere Schuld.

Das hätten Sie ja beim Luftfahrtgipfel vor zwei Wochen in Hamburg
ansprechen können.
Aber wir waren ja nicht mal eingeladen. Und als wir dann fragten, ob wir trotzdem
teilnehmen dürften, hieß es nur, dass wir ja nicht deutsch wären … Das zeigt wieder:
Eine rein deutsche Veranstaltung bringt nichts. Die meisten Probleme sind halt nicht
mehr von einem einzigen Land lösbar.

Also halten Sie auch nichts von dem Vorschlag, der von Lufthansa-Chef
Carsten Spohr kam, die Slots an einigen deutschen Airports zu
begrenzen?
Was soll das denn bringen? Wir lösen alle Probleme, indem wir das Wachstum der
Flughäfen stoppen? Guter Plan, Carsten! Damit hält Lufthansa doch nur
Mittbewerber klein und kann noch mehr Geld machen. Lufthansa ist klar die
Nummer eins der Branche - und mit dem Plan wird das definitiv auch so bleiben.
Aber das ändert nichts am grundsätzlichen Problem: Wir brauchen 200 Lotsen allein
bei der DFS mehr.

Das ist Deutschland - werfen wir einen Blick nach Österreich. Da haben
Sie Lauda Motion. Sie halten aktuell 75 Prozent, wann stocken Sie auf 100
auf?
Wir haben eine Option, das innerhalb der nächsten drei Jahre zu machen. Entweder
verkauft uns Niki Lauda selbst die übrigen 25 Prozent oder eben seine Familie tut
dies.

Damit besitzt Ryanair dann neben ihrer Chartertochter in Polen noch
Lauda Motion. Bauen Sie da an einem ganzen Haus voll mit Airlines?
Mal schauen. Es ist auf jeden Fall der Start einer Expansion - getrieben durch den
Fakt, dass Lauda Motion Hilfe brauchte. Allein daran, dass Lauda Motion im ersten
Jahr 150 Millionen Euro Verlust gemacht hat, sieht man ja, wie wichtig die
Hilfestellung war.

                                    Die Airline
Ryanair begann 1984 als Regionalfluggesellschaft in Irland. Knapp 35 Jahre später ist
sie der größte Low-Cost-Carrier Europas. Mit jährlich rund 129 Millionen beförderten
Passagieren und einem Gewinn von 1,45 Milliarden Euro kommt sie dem kompletten
Lufthansa-Konzern gefährlich nah (2017: 130 Millionen / 2,4 Milliarden Euro).
Ryanair bedient mit 450 Maschinen (ausschließlich des Typs Boeing 737) 220 Ziele in
37 Ländern.

         Märkte von Ryanair
                Angaben in Prozent
   Spanien      18.9
Großbritannien 18.6
    Italien     18.3
 Deutschland 8.0
    Irland      5.9
    Polen       4.3
   Portugal     4.3
  Frankreich 4.0
Übrige Länder 17.7
                                 Märkte von Ryanair
                 Übrige Länder                           Spanien

     Frankreich

      Portugal

         Polen                                                     Großbritannien

            Irland

                 Deutschland

                                               Italien
                                                                     Grafik: airliners.de
Märkte von Ryanair
                 Übrige Länder                           Spanien

      Frankreich

      Portugal

         Polen                                                     Großbritannien

            Irland

                 Deutschland

                                               Italien
                                                                     Grafik: airliners.de

Die Grafik zeigt die Verteilung der von Ryanair im Sommer angebotenen Kapazitäten
ab verschiedenen Ländern. "Übrige Länder" sind jene mit jeweils weniger als vier
Prozent Anteil. Angaben gerundet. Quelle: ch-Aviation

Aber sie hatte doch Condor?
Ja klar, aber wir wissen alle, dass die nicht genug Flugzeuge hatten, um das
Wachstum abzusichern - wir schon. Und mit dem Mix aus den Maschinen von Niki,
die von Lufthansa kamen, und eben unseren Flugzeugen konnte Lauda Motion ein
Programm fliegen, um die Slots abzusichern.

Machen wir einen Cut und kommen zurück zu Ryanair selbst: Im Winter
schließen Sie unter anderem die Basis in Bremen und ziehen auch in
Weeze Flugzeuge ab - warum?
Das liegt auch am Ölpreis, wie ich ja eingangs bereits skizzierte: Die Branche kämpft
mit den 85 Euro pro Barrel und muss nun sehr klug planen. Das sehen wir ja auch an
Lufthansa, die ihre Basis in Düsseldorf schließt - oder eben an Easyjet, die sich aus
Porto zurückzieht. Alle Airlines fahren ihr Angebot zurück - wegen niedriger
Ticketpreise und dem hohen Ölpreis.

Kommen Sie nach Bremen zurück?
Bestimmt. Aber nicht im nächsten Sommer. Wir haben immerhin einen
Wartungsstandort dort - also haben wir den Flughafen genau im Blick.

In Deutschland kämpfen Sie aktuell auch mit den Gewerkschaften -
gerade von den Piloten kommen immer wieder die Klagen, man komme
nicht vorwärts. Wieso ist die Kommunikation mit der Vereinigung
Cockpit (VC) so zäh?
Ich finde nicht, dass dies so ist. Das ist ein Eindruck, den die VC verbreitet.
Aber es gab mehrere Streiks …
… die kaum von unseren Piloten unterstützt wurden. 70 Prozent unserer Piloten und
Flugbegleiter haben normal gearbeitet. Die Streiks in Deutschland waren also bislang
alles andere als erfolgreich. Aber der Punkt ist doch, dass wir Tarifverträge in Irland,
in Großbritannien und in Italien abgeschlossen haben - warum funktioniert das in
Deutschland nicht?

Das frage ich Sie.
Also an uns liegt es nicht. Die Schuld liegt bei den Gewerkschaften. Die wollen
deutsche Verträge - ok für uns. Die wollen eine Erhöhung der Basisvergütung - wir
akzeptieren. Jetzt wollen die Piloten eine Schlichtung - sollen sie haben. Wir fragten:
"Wie lange soll die gehen?" Sie sagten: "Fünf Monate." - "Warum nicht drei
Wochen?", war unsere Antwort. Also boten wir den Schlichter an, der schon beim
Konflikt mit unseren irischen Piloten half. Immerhin kennt der unser System und die
Probleme. Aber das lehnten die Deutschen ab - sie wollten Gerhard Schröder oder
Martin Schulz. Völlig verrückt. Also vergessen wir doch die Idee der Schlichtung und
treten wieder in direkte Verhandlungen. Das tun wir diese Woche auch mit Verdi und
nächste Woche mit der VC.

    Ryanair-Chef Michael O'Leary (links) mit airliners.de-Redaktionsleiter
    Carlo Sporkmann. Foto: © airliners.de
Also sind Sie weiter davon überzeugt, dass es bis Weihnachten
Tarifverträge für deutsche Ryanair-Crews geben wird?
Vielleicht nicht bis Weihnachten - ich hoffe, dass es früher passiert. Aber wenn nicht:
Für die Verzögerungen kann man nicht uns verantwortlich machen. Da sind VC und
Verdi schuld. Und auch die Pleiten von Primera oder Small Planet spielen da mit rein.

Inwiefern?
Allein vergangene Woche haben wir 50 Piloten von Small Planet angestellt. Die
Gewerkschaften merken nicht, dass es gerade keine gute Zeit ist, unbequem zu sein.
Denn wenn Airlines pleite gehen, fallen eben auch Jobs weg.

Gutes Stichwort: Wie ist es mit Ihrem eigenen Job? 2024 sind Sie noch
Chef von Ryanair?
Oh Gott, nein, ich hoffe nicht.

2023?
Vielleicht. Der Vorstand will, dass ich noch einmal einen Fünfjahresvertrag
unterschreibe. Aber das will ich nicht. Ich bin jetzt schon fast 60 und mache den Job
seit 25 Jahren. In zwei oder drei Jahren trete ich ab. Ich will doch nicht den Rest
meines kompletten Lebens bei Ryanair verbringen.

Herr O'Leary, vielen Dank für das Interview.

Anmerkung: In der ursprünglichen, von Ryanair autorisierten Fassung dieses
Gesprächs hieß es, dass Lauda Motion im ersten Halbjahr 150 Millionen Euro
Verlust gemacht hat. Am Freitagnachmittag korrigierte das Management diese
Aussage, dass das erste gesamte Jahr gemeint war.

Von: cs
Datum: 18.10.2018 - 14:03
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