China geht online - Ametos Fonds
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China geht online Die deutliche Korrektur an den Weltmärkten war bei den Aktien chinesischer Unternehmen besonders ausgeprägt. Auch die verbreitete Stimmung ist bezüglich der chinesischen Wirtschaft ausgesprochen negativ. Diese Situation bietet für Investoren mit einem langfristigen Zeithorizont eine Einstiegsgelegenheit zu ausgesprochen günstigen Kursen. Wir bitten um Beachtung des Risikohinweises und der vollkommenen Offenlegung auf der letzten Seite. Geschäftsführer: Reiner Welz, Tel. 069 – 710 455 386, Fax 069 – 710 455 450 Sitz: Bockenheimer Landstraße 17/19, 60325 Frankfurt, HRB 87731 Amtsgericht Frankfurt am Main
Frankfurt, 2.02.2016 China geht online Das Management des Fonds Ametos SICAV – Ametos International Chance (ISIN: LU0607525911, WKN: A1H8EE) sieht in der Entwicklung der Wirtschaft Chinas über die letzten Jahre eine attraktive Anlagechance, die im Fonds mit einer Gewichtung chinesischer Unternehmen von derzeit etwa der Hälfte des Fondsvolumens wahrgenommen wird. Die nachfolgende Analyse dient der Information der Anleger des Fonds Ametos SICAV – Ametos International Chance. Copyright Ametos Invest GmbH, alle Rechte vorbehalten. Rückfragen richten Sie bitte an: Reiner Welz Fondsmanager Ametos Invest GmbH Bockenheimer Landstraße 17/19 60325 Frankfurt am Main Telefon: 069 – 710 455 386 HRB 87731 Amtsgericht Frankfurt am Main 2
Investmenthypothese Sieben Jahre nach der Finanzkrise ist in der Weltwirtschaft immer noch keine Normalisierung eingetreten. Eine „Normalisierung“ hätte das Wiedererreichen der wirtschaftlichen Umstände erfordert, die vor der Finanzkrise geherrscht haben. Der größte Wachstumstreiber der Weltwirtschaft waren bis zur Finanzkrise die Ausgaben der amerikanischen Haushalte, die ihren Konsum über mehr als zwei Jahrzehnte durch eine steigende Verschuldung finanziert haben. Die US‐Haushalte haben durch die Finanzkrise erhebliche Vermögensverluste erlitten und ihr Verhalten seither umgekehrt. Ihre Verschuldung ist seit 2009 von 98% des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts auf 80% reduziert worden, während die Sparquote ein wenig angestiegen ist. Eine Rückkehr zum vorherigen Konsumverhalten zeichnet sich nicht ab. In Europa hatte sich die Erwartung der Rückkehr zur Normalität im Jahr 2011 in einer Anhebung des Einlagensatzes der Europäischen Zentralbank und in einem Anstieg der Renditen deutscher Staatsanleihen ausgedrückt. Aber auch hier hat sich die Wirtschaft nicht als stark genug erwiesen, um höhere Zinssätze zu rechtfertigen. Der Einlagensatz der EZB hat sich seit 2011 wieder ermäßigt und ist seit Mitte 2014 negativ, genauso wie die Rendite auf mittlerweile auch 5‐jährige deutsche Staatsanleihen. Ursache dieser Entwicklung ist das „New Normal“, oder eine dauerhaft niedrigere Wachstumsrate der Weltwirtschaft als vor dem Jahr 2008, von der kaum eine Wirtschaft so sehr betroffen ist, wie diejenige Chinas. Die chinesische Regierung ist den Folgen der Finanzkrise durch ein massives Investitionsprogramm begegnet, das in dem von staatlichen Unternehmen dominierten verarbeitenden Gewerbe zu sehr großen Überkapazitäten geführt hat. Das resultierende Überangebot hat an den Rohstoffmärkten aufgrund der großen Bedeutung Chinas zu großen Preisrückgängen geführt und andere Länder mit hoher Abhängigkeit von diesen Märkten in Mitleidenschaft gezogen, wie etwa Russland, Australien, Venezuela oder Brasilien. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich die Erkenntnis, dass die derzeitige Wachstumsabschwächung der chinesischen Wirtschaft überwiegend auf die Industrie konzentriert ist, während sich der von privaten Unternehmen dominierte Dienstleistungssektor mit einem Wachstum von 8% in den ersten 9 Monaten letzten Jahres weiterhin positiv entwickelt. Im Einzelhandel und in der Dienstleistung ist in China bereits seit einigen Jahren ein Trend erkennbar, wonach ein ansteigender Anteil der Wirtschaftsleistung online konsumiert wird. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Trend bislang im Einzelhandel, wo der Onlineanteil laut iResearch von 10,6% in 2014 in 2015 auf 13,5% ansteigen und im Jahr 2018 ein Fünftel des gesamten Einzelhandels erreichen soll. Auch andere Bereiche im Dienstleistungssektor unterliegen diesem Trend. 3
Die Digitalisierung der Wirtschaft befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium und sie breitet sich schneller aus als das Wachstum der Gesamtwirtschaft nachlässt. Dadurch genießen die Unternehmen in diesem Bereich der chinesischen Wirtschaft einen natürlichen Wachstumstreiber, der eine übergeordnete Abschwächung der Gesamtwirtschaft überkompensiert. Gemessen an der Anzahl der regelmäßigen Nutzer heben sich in der digitalen Wirtschaft Chinas drei Unternehmen besonders hervor, Baidu Inc. (Tickersymbol: BIDU), Alibaba Group Holding (BABA) und Tencent Holdings Limited (700 HK), die zusammenfassend auch als die „BAT Unternehmen“ bezeichnet werden. Alle drei Unternehmen bieten Dienstleistungen an, die regelmäßig von 600 bis 800 Mio. Onlinenutzern in Anspruch genommen werden. In ihren jeweiligen Stammmärkten sind diese Unternehmen sehr profitabel und weisen langfristig steigende Einnahmen pro Onlinenutzer auf, was zu hohen Produktivitätssteigerungen der Unternehmen führt. Zur weiteren Optimierung der Einnahmen pro Nutzer verfolgen die Unternehmen seit Jahren die Strategie, zusätzlich in weitere vertikale Märkte zu expandieren. Dadurch erschließen sich die Unternehmen nach und nach weitere Teile des Dienstleistungssektors und vergrößern dabei ihren adressierbaren Markt. So waren die BAT Unternehmen im Frühjahr 2015 die ersten Internetunternehmen, die in China eine Onlinebanking und damit eine Privatbanklizenz erhielten. Baidu gründet in Zusammenarbeit mit der Allianz SE eine Onlineversicherung. Die Unternehmen agieren im Online Videomarkt, im Online Reisemarkt, bieten Online Terminvereinbarungen bei Ärzten an, Online Ticketkauf, Taxiruf, Restaurantreservierungen und vieles andere, das zusammenfassend „Online‐to‐Offline“ oder O2O Dienstleistungen genannt wird. Mithin zeichnet sich in China die Entstehung eines „Internet‐of‐ Services“ (IoS) ab. Generell sind die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen nicht kapitalintensiv, der seit vielleicht drei Jahren anhaltende simultane Eintritt in viele neue Märkte erfordert jedoch Vorlaufinvestitionen. Im Online Videomarkt viele Nutzer zu gewinnen setzt zum Beispiel das Angebot interessanter Inhalte voraus, die entweder eingekauft oder selbst erstellt werden. Derlei Vorlaufkosten fallen bei vielen der neuen Aktivitäten an, ohne dass ihnen bereits nennenswerter Umsatz entgegenstünde. Aus heutiger Sicht geht die Konsensuserwartung der Finanzanalysten laut Bloomberg davon aus, dass der einsetzende Umsatz aus diesen neuen Aktivitäten gegen Ende diesen Jahres ausreichen wird, um den bisher eingetretenen Rückgang der Umsatzrenditen wieder umzukehren. Der positive Einfluss auf die Rentabilität der BAT Unternehmen sollte sich in den Folgejahren noch verstärken. Bei den bereits bestehenden Überkapazitäten in der Industrie kann die chinesische Regierung der vorherrschenden Wachstumsabschwächung nicht mit noch mehr Investitionen begegnen. Stattdessen sieht der gerade vorgestellte 13. Fünfjahresplan wie bei den beiden Vorgängern die Förderung des privaten Verbrauchs und des Dienstleistungssektors vor. 4
Die chinesische Regierung misst der Informationstechnologie strategische Bedeutung bei. Die Förderung des privaten Verbrauchs und des Dienstleistungssektors wurde deshalb hiermit verbunden. Der in den Fünfjahresplan aufgenommene „Internet Plus Circulation Action Plan“ und die „Made in China 2025“ Strategie sollen eine Verbindung des Internets mit der Industrie und dem gesamten Wirtschaftskreislauf herstellen. Während sich das Internet‐of‐Services bereits aufgrund der Marktentwicklung im Entstehen befindet, erhalten die BAT Unternehmen mit diesen Initiativen jetzt auch noch staatliche Förderung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich diese erst im Laufe von Jahren auswirken kann. Die Onlinenutzer der BAT Unternehmen sind die chinesischen Haushalte. Während der amerikanische Haushalt seit der Finanzkrise seine Schulden abbezahlt, hat der chinesische Haushalt Ersparnisse angehäuft, die mittlerweile höher sind als die deutsche Wirtschaftsleistung, und er konsumiert gerne. Zwar hat sich die Konjunkturabschwächung der letzten Jahre auch auf das Wachstum der Löhne und Gehälter ausgewirkt, deren Wachstum liegt jedoch immer noch um 9% p.a., während sich das Wachstum des Einzelhandels im Verlauf des Jahres 2015 zwischen 10 und 11% stabilisiert hat. In einer Weltwirtschaft mit deutlich reduzierten Wachstumsaussichten repräsentieren der private Verbrauch und der Dienstleistungssektor in China für die kommenden Jahre somit wohl eines der attraktivsten Teilsegmente. Der Onlineanteil der O2O Dienstleistungen ist mit erst 1 bis 2% noch sehr gering. Zusammen mit der sehr attraktiven Geschäftsentwicklung in ihren Stammmärkten verleiht die Entwicklung dieses Marktes den BAT Unternehmen somit Wachstumsimpulse, die eine möglicherweise anhaltende Konjunkturschwäche überkompensieren. Die Unternehmen investieren seit Jahren in ihre Positionierung in zusätzlichen Märkten, um ihre Ecosysteme zu erweitern und so im Laufe der Jahre einen ansteigenden Anteil der Ausgaben ihrer Nutzer zu vereinnahmen. Eine Partizipation an dieser langfristigen Entwicklung erfordert seitens des Investors einen ebenso langen Anlagehorizont, weshalb auch eine langfristige Beteiligung an diesen Unternehmen angestrebt wird. Unter internationalen Anlegern war aufgrund der Wachstumsabschwächung über die letzten Monate bedeutende Zurückhaltung bezüglich der Aktien chinesischer Unternehmen zu beobachten. 5
Big Picture China Institutionelle Anleger, internationale Organisationen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds, Wirtschaftsforschungsinstitute, Notenbanken, wie auch die Fachpresse weisen seit Langem auf die nachlassende Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft und die dadurch stark rückläufigen Preise an den Rohstoffmärkten hin. Damit einher geht eine große Zurückhaltung institutioneller Anleger bezüglich China und anderen Emerging Markets, die in vielen Fällen unter den Folgen der stark gefallenen Rohstoffpreise leiden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Entwicklung die Langzeitfolge der notwendigen, weil damals einzig wirksamen Reaktion der chinesischen Regierung auf die Finanzkrise in 2008 darstellt. Der externe Schock dieser Finanzkrise war nur mit einer erneut starken Erhöhung der Bruttoanlageinvestitionen in China zu kompensieren, um größeren Schaden von der Wirtschaft abzuwenden. Die Erwartung, dass die chinesischen Wirtschaft in den Folgejahren nach und nach in die stark erhöhten Produktionskapazitäten hineinwachsen könne, wurde durch das seither vorherrschende „New Normal“ negiert, das sich seit der Finanzkrise durch erheblich geringere Wachstumsraten der Volkswirtschaften in den USA, Europa und anderen Regionen ausdrückt. Dem letzten World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds ist zum Beispiel zu entnehmen, dass die Wachstumsrate der amerikanischen Wirtschaft von 3,7% in den Jahren 1997 bis 2006 für den Zeitraum 2007 bis 2016 auf 1,3% zurückgegangen ist, diejenige des Euroraums ging von 2,3% auf 0,3% zurück. Dies hat über die letzten Jahre seitens der Weltwirtschaft zu stagnierenden oder deutlich geringer wachsenden Importen aus China geführt, wie hier am Beispiel der Europäischen Union verdeutlicht: Graphik 1 Quelle: Europäische Kommission 6
Das Investitionsprogramm der chinesischen Regierung infolge der Finanzkrise hat zu hohen Überkapazitäten in der Schwerindustrie geführt. Diese entsprechen in der Stahlindustrie zum Beispiel der Jahresproduktion von Japan, Südkorea und Deutschland zusammen, welche zu den größeren Stahlproduzenten der Welt gehören. Pro Einwohner liegt die Produktionskapazität von Zement in China derzeit um das Zwanzigfache über derjenigen in Deutschland. Die Schwerindustrie Chinas wird ganz überwiegend von Staatsunternehmen repräsentiert. Soweit eine Erhöhung der Auslastung der entstandenen Überkapazitäten durch eine Zunahme der Inlandsnachfrage nicht erreicht werden kann, verfolgt die Regierung das Ziel, am globalen Markt weitere Marktanteile hinzu zu gewinnen. Diese Marktanteilsgewinne werden über subventionierte Preise durch die Staatsunternehmen erzielt, wie das Beispiel des Aluminiummarktes zeigt: Graphik 2 Selbstverständlich geht diese Subventionierung zulasten des Gewinns, die industriellen Staatsunternehmen verzeichneten in den ersten 11 Monaten 2015 einen Gewinn von 126 Mrd. Euro, gegenüber 137 Mrd. Euro im Vorjahr. In Yuan liegt dieser seit Frühjahr 2015 ungefähr ein Fünftel unter dem Vorjahr und ist damit fast so stark rückläufig als während der Finanzkrise. Der Yuan hat in den letzten Jahren zusammen mit dem US‐Dollar aufgewertet. Die Abwertung im letzten August schien eher ein Versuch zu sein, eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine anhaltende Aufwertung des Yuan im Exportmarkt zu verhindern, als der von den Finanzmärkten unterstellte Beginn eines Währungskriegs. Demgegenüber entwickeln sich die Gewinne der privaten Unternehmen weiterhin positiv, diese lagen in den ersten 11 Monaten 2015 fast doppelt so hoch als diejenigen der Staatsunternehmen und damit 4% über dem Vorjahr. 7
Graphik 3 Unternehmensgewinne in China ggü. Vorjahr (in Prozent) 250% China Industrial Profits ‐ Private Enterprises (monthly, NSA, Year‐over‐Year) China Industrial Profits ‐ State‐owned Enterprises (monthly, NSA, Year‐over‐Year) 200% 150% 100% 50% 0% ‐50% ‐100% Graphik 4 Gewinne von Industrieunternehmen in China (in Mrd. Yuan, monatlich) 400 China Industrial Enterprises Total Profits (Cumu) ‐ Private Enterprises (monthly, NSA) China Industrial Enterprises Total Profits (Cumu) ‐ State‐owned Enterprises (monthly, NSA) 350 300 250 200 150 100 50 0 01.04.2001 01.10.2001 01.04.2002 01.10.2002 01.04.2003 01.10.2003 01.04.2004 01.10.2004 01.04.2005 01.10.2005 01.04.2006 01.10.2006 01.04.2007 01.10.2007 01.04.2008 01.10.2008 01.04.2009 01.10.2009 01.04.2010 01.10.2010 01.04.2011 01.10.2011 01.04.2012 01.10.2012 01.04.2013 01.10.2013 01.04.2014 01.10.2014 01.04.2015 01.10.2015 ‐50 ‐100 ‐150 8
Die Zeitreihe in Graphik 4 verdeutlicht, dass die privaten Unternehmen in China anhaltend stark an Bedeutung gewinnen. Dies liegt auch daran, dass das sich derzeit zyklisch abschwächende verarbeitende Gewerbe und der Energie‐ und Rohstoffsektor, wie auch die Bankenindustrie größtenteils von Staatsunternehmen dominiert werden, während der Anteil der privaten Unternehmen im Dienstleistungssektor größer ist. Das statistische Staatsamt veröffentlicht den geschaffenen Mehrwert für die drei großen Wirtschaftsbereiche, dessen Vergleich mit dem Vorjahr wie folgt ausfällt: Graphik 5 Geschaffener Mehrwert der Wirtschaftssektoren in China ggü. Vorjahr 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% Value‐added of the Primary Industry (in Yuan) Value‐added of the Secondary Industry (in Yuan) 2% Value‐added of the Tertiary Industry (in Yuan) Bruttoinlandsprodukt (in Yuan) 0% 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 2012 2012 2012 2013 2013 2013 2013 2014 2014 2014 2014 2015 2015 2015 Hierbei repräsentierten die Fischerei und die Land‐ und Forstwirtschaft die „Primary Industry“. Der Rohstoffsektor, das verarbeitende Gewerbe, die Produktion von Strom, Dampf, Gas und Wasser, sowie das Baugewerbe repräsentieren die „Secondary Industry“. Die „Tertiary Industry“ besteht demnach aus dem Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor. Die Primary Industry repräsentiert mit 10% der Wirtschaft den kleinsten Bereich, gefolgt von der „Secondary Industry“ mit 40% und den Einzelhandels‐ und Dienstleistungssektoren, die mittlerweile die Hälfte zur Wirtschaftsleistung beitragen. Die Darstellung bezieht sich auf den geschaffenen Mehrwert, nicht das Wachstum der Segmente an sich, auch nicht bei dem zum Vergleich dargestellten Bruttoinlandsprodukt. 9
Dennoch wird hieraus ersichtlich, dass sich die derzeit zu beobachtende Abschwächung der chinesischen Wirtschaft im Wesentlichen auf die Schwerindustrie und die von Staatsunternehmen dominierten Bereiche im verarbeitenden Gewerbe beschränkt. Über das Jahr 2014 und den Anfang letzten Jahres hat die Bauindustrie das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst, nachdem die Regierung aufgrund einer Überhitzung in 2013 in diesem Sektor eine restriktive Politik verfolgt hat. Dies ist seit Ende 2014 nicht mehr der Fall, die starke Erholung der Immobilienpreise seither wird an den Finanzmärkten derzeit allerdings nicht wahrgenommen. Die Rentabilität im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel ist dagegen kaum betroffen, lediglich das Wachstum hat sich etwas abgeschwächt. In den ersten 9 Monaten letzten Jahr wuchs der Dienstleistungssektor um 8,4% gegenüber dem Vorjahr und bildet damit bereits jetzt den stützenden Pfeiler der chin. Wirtschaft. Die Regierung macht mit Vorlage des Entwurfs des 13. Fünfjahresplans deutlich, dass die Prioritäten des letzten Fünfjahresplans auch von 2016 bis 2020 Fortbestand haben werden. Die Zielsetzung bleibt weiterhin das Erreichen eines ausgewogeneren Wachstums, wobei Dienstleistungen und der private Verbrauch das reformbedürftige verarbeitende Gewerbe und die Exportindustrie zunehmend als Wachstumstreiber ablösen sollen. Die in der Vergangenheit große Bedeutung von Investitionen soll künftig vom privaten Verbrauch übernommen werden. Der bereits im Mai 2015 verabschiedete „Internet Plus Circulation Action Plan“ wurde nunmehr auch in den neuen Fünfjahresplan aufgenommen. In Anlehnung an das Deutsche Industrie 4.0 Konzept wurde auch die „Made in China 2025“ Strategie in den neuen Fünfjahresplan aufgenommen. Das „Made in China 2025“ Konzept im produzierenden Gewerbe soll die Verbindung von Industrieunternehmen mit der Informationstechnologie und dem Internet herbeiführen. Für die Umsetzung dieses Vorhabens sind im verarbeitenden Gewerbe sehr viele Zwischenschritte notwendig, damit alle am Produktionsprozess beteiligten Elemente miteinander verknüpft werden können. Die Trägheit dieser meist staatlichen Unternehmen sollte diesen Prozess zudem zu einem relativ langsamen machen. Die angestrebte Wachstumsrate für die kommenden 5 Jahre wurde von 7% auf 6,5% reduziert. Diese Wachstumsrate ist notwendig, um die angestrebte Verdoppelung der Einkommen des Jahres 2010 bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Die verbreitete Markterwartung ist jedoch, dass sich diese reduzierte Wachstumsrate in den kommenden Jahren weiter abschwächen sollte, wie die nachfolgenden Schätzungen der Weltbank, der Economist Intelligence Unit, des Internationalen Währungsfonds und der Vereinten Nationen verdeutlichen: 10
Graphik 6 Die Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft ist auf ein 25‐Jahrestief gefallen, weil das verarbeitende Gewerbe und die Exportwirtschaft unter sinkender Nachfrage aus dem Ausland leiden. Die Nachfrage aus Europa, USA und vor allem auch aus Asien, ist rückläufig. Im Oktober lagen die Exporte China’s nach Europa bei 34,4 Mrd. USD (‐7,0% ggü. Vorjahr), diejenigen nach den USA lagen ebenfalls bei 34,40 Mrd. USD (‐5,3%) und diejenigen nach Asien lagen bei 94,1 Mrd. USD (‐9,7%). 11
Die Exporte nach Asien liegen also um ein Drittel über denjenigen nach Europa und den USA. Die Exporte anderer asiatischer Länder sind zuletzt stärker gefallen als diejenigen China’s, weil diese Länder auch unter der Nachfrageschwäche aus Europa und den USA leiden. Auch China’s Exportrückgang um 9% nach Japan ist kein Hinweis auf eine starke japanische Wirtschaft. Bei den westlichen Volkswirtschaftlichen spricht man etwas verharmlosend vom „New Normal“ und findet sich mit niedrigeren Wachstumsraten als in der Vergangenheit ab. In China wird dieselbe Entwicklung seitens der Finanzmärkte aktuell mit einem Untergang gleichgesetzt. Indem die Industrieländer China zu Ihrer verlängerten Werkbank machten, haben sie auch ihre Fixkosten dorthin ausgelagert. Nach der starken Erhöhung der Kapazitäten infolge der Finanzkrise wirkt sich die synchrone Nachfrageabschwächung in den Industrieländern daher auf die Wirtschaft China’s relativ stärker aus. Die Regierung verfolgt nun die Politik, diese Nachfragelücke durch den Markteintritt in andere Länder zu kompensieren, was bei vielen verarbeiteten Rohstoffen wie Stahl oder Aluminium zu starken Preisrückgängen geführt hat. Dabei fällt der Rückgang der Wachstumsrate relativ moderat aus. Hauptsächlich schlägt sich diese Entwicklung auf die Renditen der Industrieunternehmen nieder, wie aus Graphiken 4 und 5 ersichtlich ist. Graphik 7 China's Übergang zur Dienstleistungswirtschaft 10000 70% China Dienstleistungssektor BIP in Mrd. Yuan (Current Prices, SA, quartalsweise ) 9000 Anteil verarbeitendes Gewerbe am BIP 65% 8000 Anteil Dienstleistungssektor am BIP 60% 7000 55% 6000 50% 5000 45% 4000 40% 3000 35% 2000 30% 1000 25% 0 20% Mrz. 92 Sep. 92 Mrz. 93 Sep. 93 Mrz. 94 Sep. 94 Mrz. 95 Sep. 95 Mrz. 96 Sep. 96 Mrz. 97 Sep. 97 Mrz. 98 Sep. 98 Mrz. 99 Sep. 99 Mrz. 00 Sep. 00 Mrz. 01 Sep. 01 Mrz. 02 Sep. 02 Mrz. 03 Sep. 03 Mrz. 04 Sep. 04 Mrz. 05 Sep. 05 Mrz. 06 Sep. 06 Mrz. 07 Sep. 07 Mrz. 08 Sep. 08 Mrz. 09 Sep. 09 Mrz. 10 Sep. 10 Mrz. 11 Sep. 11 Mrz. 12 Sep. 12 Mrz. 13 Sep. 13 Mrz. 14 Sep. 14 Mrz. 15 Sep. 15 Quelle: National Bureau of Statistics of China, Ametos 12
Selbst eine anhaltende Abschwächung der Gesamtwirtschaft steht einem weiter attraktiven Wachstum des Dienstleistungssektors nicht entgegen, wie das Wachstum dieses Sektors von 8,4% in den ersten 9 Monaten des letzten Jahres zeigt. Auch die hohe Verschuldung chinesischer Unternehmen spielt bei der Zurückhaltung der Anleger eine Rolle. Tatsächlich hat die Verschuldung chinesischer Unternehmen von 108% des Bruttoinlandsprodukts in 2004 bis 2014 auf 161% zugenommen, zwischen 2010 und 2014 hat sie sich fast verdoppelt. Wie aus Graphiken 4 und 5 hervorgeht, hat zwischenzeitlich auch die Rentabilität der Industrieunternehmen erheblich abgenommen. Soweit die globale Nachfrage schwach und die Rentabilität der Unternehmen niedrig bleibt, ist künftig von keinem bedeutenden Wachstumsimpuls durch Investitionen wie in den Vorjahren zu rechnen. Das Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen fiel zuletzt unter dasjenige des Einzelhandels, so dass durchaus Fortschritte bei dem angestrebten Übergang von einer exportorientierten Wirtschaft hin zu einer von der Binnennachfrage getragenen zu verzeichnen sind. Graphik 8 Quelle: Bloomberg Ob und inwieweit der chinesische Konsument in Zukunft der ihm zugedachten Rolle als Wachstumstreiber der chinesischen Wirtschaft gerecht wird, hängt in erster Linie von seiner Konsumbereitschaft ab. 13
Anders als der vor der Finanzkrise hoch verschuldete amerikanische Konsument, hat der Haushalt in China in der Vergangenheit eine sehr hohe Sparquote von über 30% seines verfügbaren Einkommens aufgewiesen. Auch im Gegensatz zu der in den letzten Jahren gestiegenen Verschuldung der Industrieunternehmen, sind die Spareinlagen chinesischen Haushalte in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Deren Vergleich mit der chinesischen Wirtschaftsleistung fällt seit 1990 so aus: Graphik 9 Spareinlagen chinesischer Haushalte 70000 100% China Bruttoinlandsprodukt (Mio. Yuan) China Spareinlagen der Haushalte (Mio. Yuan) 60000 90% Anteil Spareinlagen am BIP (brutto) 50000 80% 40000 70% 30000 60% 20000 50% 10000 40% 0 30% Quelle: Weltbank, National Bureau of Statistics of China, Ametos Seit 2004 liegen Daten zur Verschuldung der Haushalte von Bloomberg Intelligence vor, demnach ist diese von 3,1 Billionen Yuan in 2004 bis 2014 auf 23,1 Billionen Yuan angestiegen. Unter Berücksichtigung der Spareinlagen und dieser Schulden ergibt sich zum Jahresende 2014 für die chinesischen Haushalte ein Netto‐Vermögen von 25,4 Billionen Yuan, oder knapp 3,4 Billionen Euro. Joe Tsai von Alibaba hat im September das Nettovermögen der Haushalte mit 4,4 Billionen USD beziffert, da Spareinlagen lediglich ca. 80% des Vermögens chinesischer Haushalte repräsentieren. Seit der Finanzkrise haben die Haushalte ihre Ersparnisse erhöht, in den letzten 7 Jahren sind diese jährlich um durchschnittlich 520 Mrd. Euro angestiegen. 14
Wirtschaftlicher Hintergrund des Internet‐of‐Services Hauptursache der gegenwärtigen Wachstumsabschwächung der chinesischen Wirtschaft ist das verarbeitende Gewerbe und zurzeit leicht rückläufige Exporte. Einen inländischen Beitrag zu dieser Abschwächung hat die restriktive Geld‐ und Fiskalpolitik hinsichtlich des Immobilienmarktes geleistet, der im Jahr 2013 überhitzte. Zur erneuten Stärkung des Immobilienmarktes wurde mit ersten Zinssenkungen und Reduzierungen des Mindestreservesatzes der Banken bereits im November 2014 begonnen. Seit Frühjahr letzten Jahres hat sich der Exportmarkt abgeschwächt, noch bevor die mittlerweile fünf Zinssenkungen zu einer nachhaltigen Erholung des Immobilienmarktes führen konnten. Seit Juni haben die Hausverkäufe wieder zugenommen. Nach Rückgängen gegenüber dem Vorjahr von bis zu 5% Anfang des letzten Jahres, lagen die Immobilienpreise in Beijing im November bereits wieder 19% über dem Vorjahr. Der die Wirtschaft bis Anfang letzten Jahres belastende Immobilienmarkt ist also mittlerweile wieder ein stützender Faktor. Im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften war das Wirtschaftswachstum in China über einen sehr langen Zeitraum von Exporten und Investitionen getragen. Die Brutto‐Anlageinvestitionen haben mittlerweile einen zu hohen Anteil an der Wirtschaft erreicht, um noch produktiv zum Wachstum beitragen zu können: Graphik 10 Anteil der Brutto‐Anlageinvestitionen am BSP 50% China Brasilien 45% Indien Deutschland 40% Europäische Union Vereinigte Staaten Welt 35% 30% 25% 20% 15% Quelle: Weltbank 10% 15
Hierbei erfolgen nach wie vor ca. zwei Drittel der Investitionen durch staatliche Unternehmen, die jedoch sehr häufig zu einer Missallokation von Kapital führen. Bereits im 11. Fünfjahresplan (2006 – 2010) hat die Regierung das Ziel formuliert, künftig den Dienstleistungssektor mehr zu fördern. Auch die Förderung der Binnennachfrage, insbesondere des privaten Verbrauchs, wurde Anfang 2006 in den Vordergrund gerückt. Während dies langfristige Ziele der Regierung sind, trat im Jahr 2008 mit der Finanzkrise ein Sonderfaktor auf, der nur mithilfe von noch einmal stark erhöhten Investitionen zu kompensieren war. Die Brutto‐Anlageinvestitionen erhöhten sich um nochmals 5% des BSP. In der Folge konnte sich der Anteil des privaten Verbrauchs an der chinesischen Wirtschaftsleistung seither lediglich bei ca. 36% stabilisieren, und liegt damit unverändert deutlich unter dem Anteil anderer Länder: Graphik 11 Anteil des privaten Verbrauchs am BSP (in %) 80 75 70 65 60 55 50 China 45 Brasilien Indien 40 Deutschland Europäische Union 35 Vereinigte Staaten Welt Quelle: Weltbank 30 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Chinesische Haushalte weisen eine Sparquote von über 30% des verfügbaren Einkommens auf. Nach Abzug sämtlicher Schulden, insbesondere und vor allem von Hypothekenschulden, verfügen die Haushalte über ein Netto‐Vermögen von 4,4 Billionen US‐Dollar. Dieses Vermögen liegt mehr als 30% über den Währungsreserven des Staates (aktuell 3,3 Billionen US‐Dollar) und ist 15% höher als das deutsche Bruttoinlandsprodukt in 2014. 16
Auch beim 12. Fünfjahresplan (2011 – 2015) war die Förderung des privaten Verbrauchs eines der Hauptziele, um Wachstum mit „höherer Qualität“ zu erreichen. Hierbei ist erneut förderlich, dass mit der „Neuen IT“ der Ausbau des Breitbandnetzes und von Netzwerksicherheit zu den sieben besonders geförderten Bereichen der Wirtschaft gehören. Einzelhandel in China Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte existieren in China lediglich in den Großstädten und Ballungsgebieten. Die ländliche Bevölkerung ist ihrem Konsumwunsch seit langem mit Städtetrips nach Hong Kong, einer Großstadt oder das benachbarte Ausland nachgekommen. Erst in den letzten Jahren bekam auch dieser Teil Chinas durch die anhaltende Verbreitung von E‐Commerce Zugang zu einer großen Auswahl von Produkten und Dienstleistungen. Über die letzten 10 Jahre wies der chinesische Einzelhandel zweistellige Wachstumsraten auf. In Einklang mit geringeren Einkommenszuwächsen hat sich jedoch auch das Wachstum des privaten Verbrauchs über die letzten vier Jahre abgeschwächt: Graphik 12 China durchschnittliches Jahreseinkommen per Capita (in RMB) 64000 24% China annualisiertes, durchschnittliches Jahreseinkommen in Renminbi (in Großstädten) ggü. Vorjahr (rechte Skala) 56000 22% China Einzelhandelsumsatz ggü. Vorjahr (rechte Skala) 48000 20% 40000 18% 32000 16% 24000 14% 16000 12% 8000 10% Quelle: National Bureau of Statistics of China 0 8% 2000‐ 2002‐ 2003‐ 2005‐ 2006‐ 2008‐ 2009‐ 2011‐ 2012‐ 2014‐ 2015‐ Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Q2 Q4 Nachdem die Einkommen in den Ballungsräumen durchschnittlich dreimal so hoch sind wie auf dem Land, ist eine anhaltende Landflucht und weiterer Zuzug in die Großstädte zu erwarten. 17
Gemäß einer Schätzung von McKinsey (2011) wird sich die Anzahl der Haushalte in den Großstädten von 2000 bis 2020 auf 328 Millionen mehr als verdoppeln. Hierbei ist im laufenden Jahrzehnt ein sehr starker Zuwachs der Mittelschicht zu verzeichnen. Die zur Mittelschicht zu zählenden Haushalte sollten demnach von 14 Mio. in 2010 bis 2020 auf 167 Mio. anwachsen. Damit wäre in fünf Jahren mehr als die Hälfte der Haushalte in den Ballungsräumen zur Mittelschicht zu zählen: Graphik 13 Die Boston Consulting Group gibt in einer Analyse aus dem Jahr 2012 (China Consumer – The Age of the Affluent, November 2012) an, dass bereits 120 Millionen Chinesen mehr verdienen als der Durchschnitt der Mittelklasse, jedoch noch nicht zu den Reichen zu zählen sind. Diese wohlhabende Mittelschicht wird laut McKinsey bis zum Jahr 2020 auf 280 Millionen Menschen und damit auf 20% der gesamten chinesischen Bevölkerung anwachsen. Zwischen 2012 und 2020 erwartet McKinsey, dass die Ausgaben der chinesischen Mittelschicht um das Fünffache auf 3,1 Billionen US‐Dollar anwachsen und damit den privaten Verbrauch Deutschlands übersteigen werden. Der private Verbrauch von China wird dann höher erwartet als derjenige der USA, Japans, des Vereinigten Königsreichs, Frankreichs und Deutschlands zusammen. 18
Boston Consulting Group: “China Consumer – The Age of the Affluent”, November 2012 Graphik 14 Digitaler Konsum in China Einen Überblick über die Voraussetzungen des digitalen Konsums ermöglicht das China Internet Network Information Center (CNNIC) mit seinen halbjährlichen Survey Reports. Ende des Jahres 2014 waren demnach 650 Millionen Chinesen Internetnutzer, ein Anstieg um 31 Millionen gegenüber 2013. Der Anteil an der Bevölkerung stieg von 45,8% in 2013 auf 47,9% an, womit noch nicht einmal jeder zweite Chinese über einen Internetzugang verfügt. Schätzungen sehen von 2015 bis 2017 eine Zunahme um weitere 100 Millionen auf dann 750 Millionen vor, also eine Zunahme von nochmals mehr als 30 Millionen potenziellen digitalen Konsumenten pro Jahr. Überraschend für alle beteiligten Unternehmen war währenddessen, wie schnell sich die Nutzung des mobilen Internetzugriffs verbreitet hat. In nur 7 Jahren stieg die Anzahl der mobilen Internetnutzer von 2007 bis 2014 von 50 Millionen auf 557 Millionen Personen an, und erreicht damit einen Anteil von 86% aller Internetnutzer. Anders als in Europa oder den USA haben chinesische Anbieter von Internetdiensten verschiedene Applikationen sehr früh mit Möglichkeiten des E‐Commerce verbunden und diese werden vom chinesischen Nutzer auch sehr schnell angenommen. Ein Überblick über die Verbreitung des Internets und die verbreitetsten Applikationen: 19
Graphik 15 Zuwachs an Internetnutzern in China (Mio. p.a.) 120 60 Zuwachs Internetnutzer ggü. Vorjahr (in Mio.) Internet Penetrationsrate (in %) 54,3 52,2 100 50,1 50 47,9 88 86 45,8 42,1 80 73 73 40 38,3 34,3 60 56 54 30 28,9 51 22,6 40 20 31 32 32 32 26 16,0 21 20 17 10,5 10 14 8,5 6,2 7,2 Quelle: China Internet Network Information Center (CNNIC) 0 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015E 2016E 2017E Graphik 16 Internetnutzer in China und verbreitetste Anwendungen 1000 100 Internetnutzer (in Mio., linke Skala) 900 90 Marktpenetration Messaging Services (in %) Marktpenetration Internetsuche (in %) 800 80 Marktpenetration Online Video (in %) Marktpenetration Online Spiele (in %) 700 70 Marktpenetration Online Shopping (in %) Marktpenetration Online Payments (in %) 600 60 Marktpenetration Online Reisebuchungen (in %) 500 50 400 40 300 30 200 20 100 10 0 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 20
Die in den letzten Jahren geringere Zunahme an Internetnutzern kann die Befürchtung schüren, dass der digitale Konsum in China an Attraktivität verliert. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Zuzug in die Großstädte in den letzten Jahren anhaltend bei ca. 20 Millionen Personen p.a. lag, und wohl auch weiter liegen wird. Der relativ geringere Zuwachs ist unvermeidbar, je höher die Marktpenetration wird. Das Wachstum von Internetnutzern auf dem Land hat in 2014 sehr stark abgenommen, da häufig die notwendige Infrastruktur fehlt. Der Zuwachs von Internetnutzern auf dem Land betrug in 2014 lediglich 2 Millionen (2013: 20 Millionen). Gegenüber einer Penetrationsrate von 72,5% in den Ballungsräumen beträgt diese auf dem Land lediglich 27,5%. Zum Ausbau des Breitbandnetzes auf dem Land hat die Regierung im April 2015 ein Investitionsprogramm beschlossen. Zwischen 2015 und 2017 fließen demnach 160 Mrd. Euro in den Ausbau der Internetinfrastruktur auf dem Land. Wie aus Graphik 16 ersichtlich ist, erfreuen sich einige Anwendungen bereits einer sehr großen Verbreitung, andere Anwendungen gewinnen anhaltend Nutzer hinzu. Am häufigsten wird das Internet für Messaging Services (90,6%) und das Erhalten von Online‐ Nachrichten (80,5%) genutzt, gefolgt von Internetsuchen (80,5%), Online Video (66,7%), Online Spielen (56,4%), Online Shopping (55,7%) und Online Payments (46,9%). Erst jeder Dritte Internetnutzer bucht auch Reisen Online. Der digitale Konsum in China ist ein anhaltend attraktives Anlagesegment: Seitens der Regierung wird dem IT‐Sektor strategische Bedeutung beigemessen. Deutlich wird dies unter anderem an dem erklärten Ziel der Regierung, bis 2020 in China 1,2 Mrd. Smartphone‐Nutzer zu haben. Ein Grund, warum dieser Sektor mit anhaltend hohen Investitionen gefördert wird. Seit dem 11. Fünfjahresplan (2006 – 2010) gehört der private Verbrauch zu den geförderten Wirtschaftsbereichen. Dies ist auch beim 13. Fünfjahresplan (2016 – 2020) der Fall. Mit 62% Marktanteil ist China Mobile der Marktführer unter den Telekomgesellschaften. Zum 2. Quartal 2015 hatte China Mobile 817 Mio. Kunden. Davon nutzten nach wie vor 50,5%, oder 413 Mio. Kunden 2G Telefongeräte, die gar nicht internetfähig und somit auch nicht für digitalen Konsum brauchbar sind. Die 4G Kunden des Unternehmens haben sich im ersten Halbjahr auf 190 Mio. verdoppelt, repräsentieren jedoch erst 23,2% aller Kunden. Viele kommerziell attraktive Anwendungen weisen eine noch niedrige Marktpenetration auf, die in den kommenden Jahren weiter ansteigen sollte. Die verfügbaren Einkommen wachsen stärker als die Gesamtwirtschaft. Der digitale Konsument steigert seine online getätigten Käufe im Laufe der Zeit. Er nimmt auch zusätzliche Online‐Angebote wahr, so dass er im Zeitverlauf einen ansteigenden Anteil seiner Kaufkraft online ausgibt. Der Anteil des Onlinegeschäfts liegt im Einzelhandel bei erst 11%. 21
Die BAT Unternehmen Baidu, Alibaba und Tencent verfügen in ihren Stammmärkten jeweils über eine sehr starke, wenn nicht sogar dominante Marktposition. Jedes dieser Unternehmen hat durch seine jeweilige Stärke eine sehr große Anzahl von Nutzern gewonnen. Alle drei Unternehmen gehören zu den 10 wertvollsten Markennamen Chinas. Laut Hurun Institut führt Tencent die Liste mit einem Markenwert von 44,7 Mrd. US‐Dollar an (22% des Börsenwertes), auf Platz zwei gefolgt von der Consumer‐to‐Consumer Plattform Taobao von Alibaba (42,9 Mrd. USD, 25% des Börsenwertes) und an vierter Stelle Baidu mit einem Markenwert von 40,3 Mrd. USD (68% des aktuellen Börsenwertes des Unternehmens). Die Gründer und jeweils aktuellen Vorstandsvorsitzenden dieser Unternehmen gehören auch zu den 10 reichsten Chinesen. Die Unternehmen verfolgen bereits seit ein paar Jahren das Ziel, aus der hohen Nutzeranzahl und der großen Bekanntheit einen Leverage‐Effekt zu erzielen. Dies, indem sie in neue Märkte eintreten und damit einen ansteigenden Umsatz pro Nutzer anstreben, wenn diese mehrere zusätzliche Dienste der Unternehmen beanspruchen. Auf diese Weise vereinnahmen die Unternehmen einen steigenden Anteil des verfügbaren Einkommens ihrer Nutzer. So haben alle drei Unternehmen letztes Frühjahr Lizenzen für das Betreiben von Online Banking erhalten. Diese Aktivitäten tragen auf der Einnahmenseite noch nicht zum Erfolg bei, sind jedoch zunächst mit Vorlaufkosten verbunden. Dasselbe gilt für eine ganze Reihe anderer Aktivitäten, die bei den Unternehmen weiter unten erwähnt sind. China Mobile hat im letzten Quartalsbericht die sich im Zeitverlauf ändernden Präferenzen und Anwendungen ihrer Kunden schematisiert: Graphik 17 Quelle: China Mobile Quartalsbericht 2015Q2 22
Diese digitalen Dienstleistungen, deren zunehmende Inanspruchnahme in den kommenden Jahren ansteht, repräsentieren einen sehr großen Markt. Joe Tsai, der Mit‐Gründer von Alibaba, beziffert diesen Markt derzeit auf 1 Billion US‐Dollar, oder 10% der chinesischen Wirtschaft. Dieser sog. Online‐to‐Offline (O2O) Markt befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium. Hierzu zählen z.B. online Tischreservierungen in Restaurants, der Onlinekauf von Theater‐ oder Kinokarten, die Lieferung von online bestellten Gerichten, Taxibuchungen, etc.. Hierzu zählen auch komplementäre Märkte, die den Unternehmen die Möglichkeit von cross‐selling bieten, um den angestrebten Leverage‐Effekt aus ihren hohen Nutzerzahlen zu erzielen, wie etwa Weiterbildung, Gesundheitswesen oder Finanzdienstleistungen. Insgesamt betrug der Anteil dieses Marktes am E‐ Commerce Markt in 2014 lediglich 1,4%, er wuchs gegenüber dem Vorjahr allerdings um 42,8% (Quelle: iResearch) und verspricht auch in Zukunft sehr hohe Wachstumsraten. Dieser Markt hat stark an Attraktivität gewonnen, da sich der mobile Internetzugang in China in den letzten Jahren sehr stark verbreitet hat. Von den neuen Internetnutzern griffen in 2014 bereits 64% mobil auf das Netz zu. Während 48% der Bevölkerung in 2014 zu den Internetnutzern zu zählen waren, haben 86% dieser Nutzer den mobilen Zugriff bevorzugt. Graphik 18 China Internetpenetration und mobiler Internetzugang 100 Internet Penetrationsrate (in %) Mobile Internetnutzer Penetrationsrate (in %) 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Dieser für die beteiligten Unternehmen überraschend schnelle Übergang zum mobilen Internetzugriff hat die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen über die letzten Jahre in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt. 23
Während die Verbreitung der digitalen Wirtschaft im Westen nur sehr behäbig vorankommt, treffen die neuen digitalen Dienstleistungen in China auf reißende Nachfrage. So haben die online verkauften Kinotickets in China bereits im dritten Jahr den Schalterverkauf deutlich übertroffen, im ersten Quartal 2015 wurden 63% aller Kinokarten online verkauft. Dagegen liegen die Onlineverkäufe von Kinokarten in den USA nach mehr als einer Dekade laut Wall Street Journal erst bei 13%. Graphik 19 Diese noch jungen Märkte sind in China hart umkämpft, es besteht ein entsprechend starker Wettbewerb. Die BAT nutzen hierbei ihre jeweils sehr profitablen Stammgeschäfte, um diese Aktivitäten im Frühstadium in dem noch vorherrschenden Preiskampf zu subventionieren. Den großen 3 geht es in diesen Märkten vorerst lediglich um das Erreichen eines hohen Marktanteils, um ihre Ecosysteme in einer möglichst großen Anzahl von Märkten zu etablieren und z.B. ihre jeweiligen Online‐Bezahlsysteme und die Kundenloyalität zu stärken. Spezialisierte Anbieter in diesen Märkten werden nach und nach über den Preis aus dem Markt gedrängt, soweit diese ihrerseits nicht bereits über eine sehr starke Marktposition verfügen. 24
Baidu (13 Mrd. USD), Alibaba (22 Mrd. USD) und Tencent (22 Mrd. USD) verfügten im September 2015 über jeweils sehr bedeutende liquide Mittel, die auch genutzt werden, um die jeweiligen Ecosysteme mittels Firmenübernahmen, Joint Ventures oder Beteiligungen weiter abzurunden und auszubauen. Über die letzten drei Jahre haben diese Unternehmen zahlreiche solcher Transaktionen getätigt, laut Marbridge Consulting waren dies bei Baidu 55, bei Alibaba 95 und bei Tencent 105. Die rasche Verbreitung des mobilen Internetzugriffs in China und der Eintritt in viele neue, und noch nicht profitable Märkte haben bei diesen Unternehmen dazu geführt, dass sie während der letzten Jahre in betriebswirtschaftlicher Hinsicht keine Optimierung ihrer Aktivitäten erreichen konnten. Im Gegenteil, die mit der Steigerung des künftigen Gewinnpotenzials verbundenen Vorlaufkosten haben bei den Unternehmen kurzfristig zu einer Belastung des Ertrags, des Wachstums oder beidem geführt. Auf diese Sonderbelastungen soll im Folgenden bei den einzelnen Unternehmen eingegangen werden. 25
Baidu (US Ticker: BIDU, Kurs 156 $) Baidu wird zuweilen als die Google von China bezeichnet. Die Suchmaschine von Baidu liefert in China jeden Tag über 5 Mrd. Suchergebnisse und hält einen Marktanteil von 80%. Noch erzielt das Unternehmen nahezu den gesamten Umsatz in Form von Werbeeinnahmen. Im Juli 2015 hatte Baidu mit 445 Mio. die höchste Besucheranzahl (Global Unique Visitors) aller chinesischen Internetunternehmen, vor Alibaba mit 429 Mio. und Tencent mit 414 Mio. Das angestammte Search‐Geschäft ist hochprofitabel, die operative Gewinnmarge des Unternehmens lag vor Umsetzung der Diversifikationsstrategie im Geschäftsjahr 2012 bei 50%. Im letzten Quartal zum September 2015 lag sie nur im Search‐Geschäft weiterhin bei 50%. Zur besseren Nutzung der hohen Kundenanzahl ist Baidu bemüht, den Nutzern weitere Dienste anzubieten und verfolgt deshalb seit einigen Jahren eine Diversifikationsstrategie. Seit Mitte 2012 hat Baidu laut Marbridge Consulting 55 Transaktionen in Form von Firmenkäufen, Joint Ventures oder Beteiligungskäufen vorgenommen und dafür ca. 5 Mrd. US‐Dollar aufgewendet. In 2010 hat Baidu die Online Video Plattform iQiyi gegründet und bis heute zur größten Streaming und Video‐on‐Demand Plattform in China aufgebaut. Anfang 2014 hat iQiyi den bis dahin führenden Anbieter YouKu als Marktführer abgelöst. Alibaba hat im Oktober ein 4,2 Mrd. USD Übernahmeangebot für den börsennotierten Onlinevideo Anbieter Youku Tudou abgegeben, der hinter iQiyi und einem Tencent‐Unternehmen der drittgrößte Anbieter in diesem Markt ist. Im August 2015 hatte iQiyi 222 Mio. aktive User, gegenüber 155 Mio. Nutzern bei Youku Tudou. Auch die Tencent‐Tochter QQ ist in diesem Markt mit damals 163 Mio. Usern präsent. Der Online Video Markt ist in China noch sehr jung. iResearch schätzt für 2014 einen Jahresumsatz der Branche von 3,9 Mrd. US‐Dollar. Nach einem Anstieg auf knapp 6 Mrd. USD in 2015 erwartet iResearch für das Jahr 2018 einen Jahresumsatz von 14 Mrd. USD. Online Video ist nach Messaging Services und Search die dritthäufigste Anwendung der Internetnutzer, die Penetrationsrate lag Ende 2014 bei 433 Mio. Nutzern, oder 66,7%. Bislang betragen Werbeeinnahmen noch über 60% der Gesamteinnahmen, so dass dies im Moment den für Baidu am stärksten vertikal wachsenden Markt darstellt. Mit dem Überschreiten von 10 Mio. zahlenden Abonnenten im Dezember 2015 ist iQiyi auch in dieser Hinsicht Marktführer. Allerdings repräsentieren diese erst 2% der gesamten Nutzer von Baidu. Um die Marktposition weiter auszubauen, orientiert sich iQiyi an den Kundenwünschen und strebt bestmögliche Kundenzufriedenheit an. Neben der Optimierung der Inhalte, insbesondere auch für die mobilen Nutzer, hat iQiyi deshalb im August 2015 einen Vertrag mit Dolby geschlossen, um bestmögliches Audio zu bieten. Von Paramount hat iQiyi die Übertragungsrechte für 800 Filme gekauft und erstellt auch zunehmend selbst Inhalte. Die Kosten für Inhalte lagen während der letzten 4 Quartale bei 473 Mio. USD und betrugen im 3. Quartal 2015 5% des Konzernumsatzes (vor 3 Jahren Null). 26
Nach Veröffentlichung der selbstproduzierten Serie „The Lost Tomb“ im Juli 2015 (nur für Abonnenten) hatte iQiyi innerhalb von 5 Minuten 160 Mio. Userklicks. Die iQiyi App ist die am häufigsten heruntergeladene kostenlose App im iTunes Store und war Ende 2014 auf 860 Mio. mobilen Geräten installiert. Mit dem Kauf von 62% der ausstehenden Aktien der Qunar Cayman Islands Ltd. für 306 Mio. USD trat Baidu in 2011 in den Online Reisemarkt ein. Qunar betreibt eine Suchmaschine für Reiseangebote und fungiert so als Marktplatz für Anbieter von Reiseangeboten und ihren Kunden. Ctrip, die größte Online Reiseagentur, hat im Sommer 2014 ein Übernahmeangebot für Qunar abgegeben, das abgelehnt wurde. Seither haben zwei Private Equity Unternehmen ein Investment von 500 Mio. USD in Qunar getätigt. Die Beteiligung von Baidu lag im März 2015 noch bei 51,4%. Die Marktplatz‐Plattform war in 2014 in einem stark fragmentierten Markt mit einem Marktanteil von 32,2% klarer Marktführer vor Alitrip mit 11,2%. Die Infrastruktur der Reisebranche war zum Markteintritt von Qunar so unterentwickelt, dass Qunar sehr viele dieser Bereiche selbst aufgebaut hat, wie etwa Datenbanken für Hotels und Flüge. Die resultierende Plattform dient heute als sog. SaaS‐Plattform (Software as a Service) und bietet vielen Hotels und anderen Anbietern die Möglichkeit, sich ohne das erforderliche Know How in den Online Reisemarkt einzubinden. Dies erhöht das Angebot, worauf das Unternehmen auch wieder mehr Besucher und ultimativ mehr Kunden generiert. Qunar ist börsennotiert und verfügte im September 2015 über Liquidität von ca. 680 Mio. USD. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Analysten davon aus, dass Qunar erst gegen Ende 2016 in die Gewinnzone gelangen würde. Bis dahin erwarteten die Analysten einen Verlust von ca. 550 Mio. USD in 2015 und 2016, was den Gewinn von Baidu bis dahin ebenfalls belastet hätte. Im Oktober hat Baidu jedoch 45% seiner Stimmrechte an Qunar auf Ctrip übertragen und im Gegenzug 24,5% der ausstehenden Aktien von Ctrip erhalten. Qunar wird deshalb künftig von Baidu nicht mehr konsolidiert, die Beteiligung wurde von 51% der Aktien und 67% der Stimmrechte auf nur noch ca. 17% der ausstehenden Aktien und 22% der Stimmrechte reduziert. In Verbindung mit dieser Transaktion hat sich Baidu verpflichtet keine weiteren Ctrip Aktien zu kaufen. Mit diesem Schritt ist Baidu einer möglichen Verbindung von Ctrip mit Tencent zuvorgekommen und hat gleichzeitig die Interessen von Ctrip und Qunar gleichgeschaltet, nachdem diese beiden Unternehmen im bisher vorherrschenden Preiskrieg die wesentlichen Protagonisten waren. Mit dieser Transaktion wurde auch die Mehrheitsbeteiligung an einem defizitären Unternehmen in eine Minderheitsbeteiligung an dem profitablen und jetzt gestärkten Marktführer der Branche getauscht. Hinsichtlich der Marktdurchdringung gehört der Online Reisemarkt aktuell zu den am wenigsten entwickelten. Von allen Internetnutzern haben in 2014 erst 222 Mio. Onlinereisen gebucht (34,2%), unter den mobilen Internetnutzern erst jeder Vierte. Dieser Markt hat deshalb noch sehr viel Potenzial und ist hart umkämpft. Die Marktkonsolidierung wird von Ctrip und Qunar noch durch Preiszugeständnisse forciert, die bei beiden Unternehmen kurzfristig zu Lasten des Gewinns gehen. 27
Neben der Diversifikation in diese beiden vertikalen Märkte ist Baidu anhaltend bemüht, seine hohen Nutzerzahlen durch das Anbieten weiterer Dienste mittels cross‐selling in höhere Einnahmen pro Nutzer zu konvertieren. In einer Investorenpräsentation von Ende 2014 wurden die Aktivitäten des Unternehmens in fünf strategische Bereiche aufgegliedert: Graphik 20 Hier soll nicht auf sämtliche Aktivitäten eingegangen werden, das Unternehmen ist sehr diversifiziert. Von Interesse sind hier vor allem die Aktivitäten, mit denen in Zukunft ein sehr großes Wachstums‐ und Gewinnpotenzial verbunden wird, die kurzfristig die Ertragslage von Baidu aber erheblich belasten. Dies sind neben iQiyi und Qunar vor allem die in obiger Graphik als LBS, oder Location Based Services bezeichneten Aktivitäten. Baidu folgt in dieser Hinsicht der Entwicklung am Markt. Das Unternehmen hatte bereits vor Jahren eine dominante Marktposition im Search‐Geschäft, bevor der Übergang des Internetzugriffs vom PC auf mobile Geräte, vor allem Smartphones, sehr schnell innerhalb von weniger als 3 Jahren erfolgte. Die dominante Marktposition musste also auch in diesem Markt erneut erlangt werden, was auch gelungen ist. Im Anschluss daran zeichnete sich am Markt ein zunehmendes Interesse der Nutzer für Produkte und Dienstleistungen ab, die sich in ihrer unmittelbaren Umgebung anbieten. Der Vorstandsvorsitzende von Baidu, Robin Li, sieht für das Unternehmen seither ein sehr großes Potenzial darin, die Nutzer nicht mehr nur mit Informationen zu versorgen, sondern ihnen dabei zu helfen, die gewünschte Dienstleistung zu erlangen. 28
Baidu verfügt bereits über einige Dienste, die den Eintritt in den Markt für diese sog. Online‐to‐ Offline Dienstleistungen, oder O2O Dienstleistungen, erleichtern. Mit über 326 Mio. Nutzern/Monat ist Baidu Maps die in China mit Abstand verbreitetste Kartenanwendung. Diese wird vom Unternehmen zunehmend in die Location Based Services eingebunden. So hatte Qunar bis letzten Sommer eine Vereinbarung mit Baidu Zhixin für die Zuführung von Kunden (50% der Qunar Kunden kommen über Baidu). Baidu Zhixin wird jedoch hauptsächlich auf dem PC genutzt, während die Nutzer sehr stark zum mobilen Internetzugriff übergehen. Die Vereinbarung wurde deshalb auf eine Verbindung zu Baidu Mobile Maps übertragen. Baidu Mobile Maps hatte Ende 2014 einen Marktanteil von 71% aller täglichen User im Internet und eignet sich deshalb sehr gut für die Einbindung zusätzlicher Dienste. Baidu Maps bietet abhängig vom Standort des Nutzers zahlreiche Verbindungen zu anderen Diensten wie etwa Restaurants, Hotels, Kinos, Tankstellen, Banken, Bars, Essenslieferungen, Taxibestellungen oder Sonderangeboten von Geschäften in der Nähe. Zielsetzung ist ein hoher Marktanteil bei Online‐to‐Offline Dienstleistungen, die sehr häufig nachgefragt werden, um an den regelmäßigen Ausgaben der Nutzer zu partizipieren. Dabei ermöglicht Baidu die Lokalisierung dieser Dienstleistung, die Reservierung und selbst die Bezahlung mit Baidu Wallet oder einer anderen Online‐Bezahlmethode. Der private Verbrauch umfasst in China derzeit 3,7 bis 3,8 Billionen US‐Dollar jährlich, der Online‐to‐ Offline Markt wird vom Management auf ca. 1,5 Billionen US‐Dollar geschätzt. Damit ist der adressierbare Markt über zehnmal so groß wie der des angestammten Search‐Geschäfts. Um in diesen Markt einzutreten hat Baidu im Februar 2014 Nuomi.com vollständig übernommen. Baidu Nuomi bot bis dahin nur die in China unverändert sehr populären Group Buying Dienste an, die Angebotspalette des Unternehmens wird seither jedoch um O2O‐Dienste erweitert. Mit Veröffentlichung des Ergebnisses für das Juniquartal 2015 hat das Management angekündigt, in den nächsten 3 Jahren bis zu 3,2 Mrd. Dollar in diese Aktivitäten zu investieren. Ein Großteil der Investitionen soll in der früheren Phase dieses Zeitraums erfolgen. Fast der gesamte Umsatz von Baidu besteht bislang aus Werbeeinnahmen (96%). Auch durch die Ausweitung der Location Based Services erzielt das Unternehmen zunächst hauptsächlich Werbeeinnahmen von den Gewerbetreibenden, deren Produkte und Dienstleistungen über das Baidu Ecosystem angeboten werden. Für die Vermittlung von Kunden verlangt Baidu bislang in den meisten Fällen, und fast ausschließlich, noch kein Entgelt, sondern diese Aktivitäten werden subventioniert bis man der Meinung ist, die kritische Masse überschritten zu haben. Der Warenwert der von Baidu derart vermittelten Dienstleistungen lag im dritten Quartal 2015 bei 9,5 Mrd. US‐Dollar, gegenüber 4,5 Mrd. Dollar im Vorjahr, und sollte für das gesamte Jahr 2015 eine Höhe von ca. 30 Mrd. USD erreichen. 29
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