COLLEGIUM VOCALE GENT - Eine besondere Künstlerresidenz YANNICK NÉZET-SÉGUIN
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RUBRIK August – November 2018 Tickets T 02 01 81 22-200 www.philharmonie-essen.de Collegium Vocale Gent CO L L E G I U M YA N N IC K NOW! 2018 VO C A L E G E N T N É Z E T-S É G U I N „FORM PER FORM“ Eine besondere Spielzeiteröffnung Das Festival für Künstlerresidenz mit einem Weltstar Neue Musik
Begeistern ist einfach. Wenn in der Beratung und im Konzertsaal der richtige Ton die Musik macht. Wir unterstützen Kunst und Kultur in unserer Region. Sparkassen Kulturförderung. Wenn’s um Geld geht 2 sparkasse-essen.de S Sparkasse Essen
E DI TO R I A L Starker Start in die neue Spielzeit Liebe Freunde der Philharmonie, herzlich willkommen zur neuen Spielzeit 2018/2019! Diese Saison freuen wir uns auf das renommierte Collegium Vocale Gent als „Artist in Residence“. Nur wenige Vokalensembles von internationalem Rang sind so eng mit ihrem Leiter verbunden wie das Collegium Vocale mit ihrem Gründer Philippe Herreweghe. Es ist daher eine besondere Freude, dass der Artist in Residence der Saison 2015/2016 die klangliche wie stilistische Vielfalt seines ganz besonderen Chores präsentieren wird. Unbekannte Madrigale von Johann Hermann Schein sind ebenso zu hören wie das multimediale Bach-Projekt „Lebenslicht“ oder Felix Mendelssohns Oratorium „Elias“. Zwei Klassiker unterschiedlicher Couleur stehen sich mit Carl Orffs „Carmina Burana“ mit den Essener Philharmonikern unter der Leitung von Ivor Bolton und der Kultoper „Einstein on the Beach“ von Philip Glass – beide eingebettet in das NOW!-Festival – gegenüber. „form per form“ ist das diesjährige Festivalmotto von NOW!, bei dem gleich zum Auf- takt mit der Sopranistin Angela Denoke ein absoluter Weltstar in Arnold Schönbergs „Er- wartung“ zu erleben ist. Das Monodram wird mit Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ beim Eröffnungsabend kombiniert. Neue performative Musikerlebnisse, die Auge und Ohr gleichermaßen herausfordern, stehen unter anderem mit spektakulären Highlights des Meisters des „Instrumentalen Theaters“ Mauricio Kagel mit „Variété“, einem Concert für Artisten und Musiker, oder dem „Zwei-Mann-Orchester“ auf dem Festivalprogramm. Dazu erkundet das WDR Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Peter Eötvös die faszinierende neue Klangsprache Japans. Eine Wiederbegegnung gibt es mit Joachim Król, der mit dem Concerto Köln ein umfas- sendes Programm mit Musik und Texten zusammengestellt hat, das an das Ende des Ers- ten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Gekonnt Ernstes und Unterhaltsames zu verbinden ist auch das Metier des Entertainers Götz Alsmann. Dass er als versierter Kenner von Chanson, Schlager und Jazz auch eine große Passion für die klassische Musik hegt, zeigt er uns an drei Sonntagvormittagen mit dem neuen Konzertformat der Essener Philhar- moniker „Mit Götz Alsmann ins Konzert“. Als erste Opernpremiere in der neuen Saison erwartet uns am Aalto-Theater mit Georges Bizets „Carmen“ eine der meistgespielten und beliebtesten Opern. Kaum ein Sujet könnte in Zeiten von Gender Studies und #Me-Too-Debatten spannender und zeitnaher sein als die Geschichte um eine der emanzipiertesten Frauen der Operngeschichte, die unter der musikalischen Leitung von Sébastien Rouland von Lotte de Beer neu inszeniert wird. Mit einem Opernabend startet auch unser Künstlerporträt, das in dieser Saison die Sopra- nistin Christiane Karg umfassend präsentiert. Freuen Sie sich mit uns auf die neue Spielzeit mit vielen Neuentdeckungen, liebgewonnenen Bekannten und wundervoller Musik! Ihr Hein Mulders Intendant 3
M E L D U N G E N AU S D E R T U P Einladung zum „Sounds of Africa“ brachte ein Fest TUP-Theaterfest der Kulturen in die Philharmonie Essen aller Sparten Zu Beginn der Spielzeit präsentieren sich alle fünf Sparten beim Theaterfest im Aalto-Theater und in der Philharmonie. Mit „Sounds of Africa“ hat die Philharmonie Essen ein Weltmusik-Festival aus der Taufe gehoben. An drei Tagen im Mai waren die Stars der westafrikanischen Musikszene zu Gast in Essen, darunter Bassekou Kouyaté, Habib Koité (Foto) und Oumou Sangaré. Beim Open-Air-Programm im Stadtgarten feierten die Besucher ein 15. September 1988: Endlich war es so- ausgelassenes Fest der Kulturen. Das Weltmusik-Festival ist als Biennale angelegt weit! Seit fast 30 Jahren wartete man auf und wird ermöglicht von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. dieses Ereignis! An diesem historischen „Tag der offenen Tür“ nahmen 80.000 Men- schen die Gelegenheit wahr, ihr neues Aalto-Theater kennenzulernen. Nun sind Fulminanter Abschluss weitere 30 Jahre vergangen, und wir freu- en uns darauf, Ihnen mit allen fünf Spar- der Künstlerresidenz ten der Theater und Philharmonie Essen (TUP) zu zeigen, dass unsere Kulturstät- ten nicht nur dann aktiv sind, wenn sich abends der Vorhang hebt. In den Räum- lichkeiten der Philharmonie Essen und des Aalto-Theaters geben das Schauspiel Essen, das Aalto Ballett Essen, das Aalto-Musik- theater und die Essener Philharmoniker Einblicke in ihren Alltag, in die Proben und Werkstätten. Die TUP präsentiert ihre neue Spielzeit. Freuen Sie sich auf die Essener Philharmoniker, unsere Sänger, Schauspie- ler und Tänzer! Auch die Mitarbeiter hinter der Bühne laden Sie ein, einen Blick backstage unseres Theater- und Konzert- Der vielseitige Künstler Daniel Hope lud im Juni zum „Sommernachtstraum“ – betriebes zu werfen. Ein großes Mitmach- und feierte mit seinen künstlerischen Freunden den Abschluss seiner Residenz programm für die ganze Familie rundet an der Philharmonie Essen. Höhepunkt des dreiteiligen Abends war Strawinskys das TUP-Theaterfest ab. Feiern Sie mit uns! „Geschichte vom Soldaten“ in einer Textfassung von Peter Jordan, bei der auch Schauspielerin Katja Riemann (Foto) zu erleben war. Die Zusammenarbeit mit 16. September 2018, ab 13:00 Uhr, Daniel Hope geht weiter: Im Juni 2019 kehrt er gemeinsam mit seinem New Aalto-Theater und Philharmonie Essen, Century Chamber Orchestra San Francisco zurück in der Philharmonie Essen. Eintritt frei 4
M E L D U N G E N AU S D E R T U P Wiedersehen mit Saisonstart mit Aalto-Bühnenpreis großen Klassikern Robert Menasses für Sopranistin am Aalto-Theater „Die Hauptstadt“ Jessica Muirhead Der Publikumserfolg „Eine Nacht in Venedig“ Hermann Schmidt-Rahmer führt Regie Nicht nur als Anna in „Hans Heiling“ ist wieder am Aalto-Theater zu erleben. bei Menasses kritischer Europa-Betrachtung. sorgt Jessica Muirhead für Begeisterung. Heiter und beschwingt startet das Aalto- Mit der Deutschen Erstaufführung von „Ein Sopran voller Leidenschaft und Wär- Musiktheater in die Spielzeit 2018/2019 Robert Menasses „Die Hauptstadt“ star- me“, lobte der Freundeskreis Theater und mit Johann Strauß’ Operette „Eine Nacht tet das Schauspiel Essen in seine neue Philharmonie Essen in seiner Laudatio. in Venedig“, die im Juni Premiere feierte. Saison: Schauplatz des Geschehens ist Und meinte damit Jessica Muirhead, die Regie führt Bruno Klimek, die musika- Brüssel. Hier hat es die ambitionierte EU- jetzt mit dem Aalto-Bühnenpreis ausge- lische Leitung liegt in den Händen von Führungskraft Fenia Xenopoulou in die zeichnet wurde. Überreicht wurde der Johannes Witt. Ab dem 14. September Generaldirektion Kultur verschlagen, ins von der Goldschmidt Thermit GmbH ge- ist „Eine Nacht in Venedig“ wieder „Alibi-Ressort“. Um dort wieder rauszu- stiftete Preis im Anschluss an die letzte am Aalto-Theater zu erleben. Wenige kommen, kommt ihr der Auftrag, das Image Vorstellung von Heinrich Marschners Wochen später gibt es ein Wiedersehen der Kommission mit einer Geburtstags- Oper „Hans Heiling“, in der die britisch- mit Giuseppe Verdis wohl berühmtesten feier zum 50-jährigen Jubiläum aufzupo- kanadische Sängerin Heilings Braut Anna Bühnenwerk: In der Kult-Inszenierung von lieren, gerade recht. Sie delegiert diese mit genau dieser Leidenschaft verkörper- Dietrich W. Hilsdorf kehrt „Aida“ zurück Aufgabe an ihren Referenten Martin Sus- te. Jessica Muirhead ist seit der Spielzeit nach Essen. Die Titelpartie übernimmt die mann, der prompt eine Idee entwickelt, 2015/2016 Mitglied des Aalto-Solisten- Sopranistin Gabrielle Mouhlen, neues Mit- die tatsächlich für Aufsehen sorgt – al- ensembles und konnte sich seitdem in glied im Solistenensemble. Wiederauf- lerdings nicht so, wie sich Fenia das ge- zahlreichen Rollen präsentieren, etwa als nahme ist am 20. Oktober. Aalto-Preis- dacht hatte … Menasse wirft in seinem Elsa in Richard Wagners „Lohengrin“, als trägerin Jessica Muirhead wird in der mit dem Deutschen Buchpreis 2017 aus- „Verkaufte Braut“ Marie, als „Marguerite“ Spielzeit 2018/2019 in einer der bekann- gezeichneten Roman einen spannenden, in Charles Gounods „Faust“ und als Witwe testen Partien überhaupt glänzen: Als unterhaltsamen und zugleich bissigen Katerina in Martinůs „The Greek Passion“. Mimì steht sie an der Seite von Carlos Blick auf ein Europa, dessen Zusammen- In der kommenden Spielzeit wird sie unter Cardoso, der den Rodolfo singen wird, halt er durch nationalistische Bestrebun- anderem als Micaëla in Bizets „Carmen“, ab dem 2. November in „La Bohème“ gen ernsthaft gefährdet sieht. Für die als Mimí in Puccinis „La Bohème“ und auf der Bühne. Für die Inszenierung der Bühnenfassung und Inszenierung zeich- als Agathe in Webers „Freischütz“ zu Puccini-Oper zeichnet Silviu Purcarete net Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer erleben sein. Der spartenübergreifende verantwortlich. Ein weiterer Klassiker verantwortlich. Aalto-Bühnenpreis wurde erstmals 1990 steht mit Mozarts „Die Zauberflöte“ auf verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern dem Programm. Am Pult der Essener Phil- Premiere 5.10.2018, 19:30 Uhr, Grillo- gehören heute national und international harmoniker steht Friedrich Haider, Die Theater. Weitere Vorstellungen 13., 14., gefragte Künstler wie die Schauspielerin Wiederaufnahme des Zweiakters erfolgt 25.10.2018 Tatjana Clasing und der Bassist Franz- am 16. November. Gefördert von der Sparkasse Essen. Josef Selig. 5
IRNU BRRE ISKI D E N C E DI E K U N ST D E R V E R WA N D LU N G In der Saison 2018/2019 ist das Collegium Vocale Gent Artist in Residence der Philharmonie Essen. Seine prominente Stel- lung unter den Spitzenchören verdankt es seiner Wandelbarkeit: Für jedes einzelne Projekt formiert sich das Collegium Vocale neu, ohne aber seine Identität zu verlieren. In fünf Konzerten stellt das Vokalensemble seine Vielseitigkeit unter Beweis. Als Philippe Herreweghe 1970 das Collegium Vocale Gent grün- Das Collegium Vocale Gent hat sich das Repertoire der Alten det, ist er in seinen frühen Zwanzigern. Wie die Musik des Ba- Musik langsam und stetig erarbeitet. „Der Dirigent muss den rock und früherer Epochen aufzuführen sei, wird damals heiß stilistischen Rahmen vorgeben, aber den Musikern in ihrer diskutiert. Herreweghe ist einerseits fasziniert von Nikolaus Praxis vollkommene Freiheit lassen“, so Herreweghe zu seiner Harnoncourt und dessen Bestrebungen, Stücke auf Original- Arbeitsweise. Nicht, dass dabei das intensive Feilen am Text instrumenten in authentischem Klanggewand zu präsentieren. verloren ginge, im Gegenteil: Der Stil des Ensembles wirkt rheto- Andererseits verehrt er aber auch den Cembalisten Gustav Leon- risch und transparent. Das lässt sich zum Beispiel hervorragend hardt. „So wie der spielt, müssten wir eigentlich singen“, sagt studieren in den geistlichen Madrigalen von Johann Hermann Herreweghe seinen Sängern. Und damit macht das Collegium Schein, dem großen Vorgänger Bachs im Amt des Thomaskan- Vocale schon bald großen Eindruck auf jene Vorbilder, denen es tors. Die kunstvollen polyfonen Strukturen dieser Musik des eigentlich nacheifert. 17. Jahrhunderts realisiert das Collegium Vocale mit einer eher kleinen Zahl von Sängern. Ein Geheimnis des Ensembles ist es Vor allem die Musik von Johann Sebastian Bach ist zunächst die ohnehin, in wechselnder Besetzungsstärke antreten zu können, große Passion des Chores. Doch wie hat es Herreweghe formu- und das im Rahmen klar abgesteckter Projekte. Der Wechsel der liert: „Jeden Tag Hummer zu essen würde fürchterlich sein, und Generationen im Ensemble ist normal. auch Bach kann man nicht ständig spielen.“ Die Residency des Collegium Vocale Gent an der Philharmonie Essen – Herreweghe Vielseitigkeit also ist Trumpf beim Collegium Vocale Gent. selbst war 2015/2016 Residence-Künstler – geht deshalb auch „Carmina Burana“, Carl Orffs populäres Chorwerk, ist ein Beweis über das Standardrepertoire der Alten Musik hinaus. In der dafür, aber auch die Mitwirkung des Ensembles an „Einstein on Saison 2018/2019 präsentiert sich das Ensemble in all seinen the Beach“, der Oper von Philip Glass. Im November ist das Facetten. Werke des Thomaskantors präsentiert das Collegium bahnbrechende Opus der Minimal Music zu hören – im Rahmen Vocale Gent natürlich auch, aber auf ungewohnte Weise. Chöre, von NOW!, dem Festival für zeitgenössische Musik. Arien und Ouvertüren aus Messen, Kantaten und Passionen koppelt Herreweghe im Projekt „Lebenslicht“ mit einem Film. Die Musik spiegelt die Emotionen auf der Leinwand, kommen- Die Residenz des Collegium Vocale Gent wird tiert und konterkariert sie. gefördert von der Alfred und Cläre Pott-Stiftung. 6
RUBRIK NOW! form per form Philippe Herreweghe „Einstein on the Beach“ Collegium Vocale Gent Collegium Vocale Gent, Ictus Ensemble Bach „Lebenslicht“ Suzanne Vega. Sprecherin Dorothee Mields, Sopran | Alex Potter, Collegium Vocale Gent Georges-Elie Octors, Dirigent Altus | Thomas Hobbs, Tenor | Peter Philip Glass „Einstein on the Beach“ – Kooij, Bass | Collegium Vocale Gent Oper in vier Akten für Ensemble, Chor Philippe Herreweghe, Dirigent und Solisten Werke von Johann Sebastian Bach 9. Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker Sonntag 4. November | 18:00 Uhr Sonntag 27. Januar | 17:00 Uhr Alfried Krupp Saal Alfried Krupp Saal Carmina Burana Gefördert von der Kunststiftung NRW. Marieke Steenhoek, Sopran Albrecht Kludszuweit, Tenor Philippe Herreweghe Philippe Herreweghe Heiko Trinsinger, Bariton | Collegium Collegium Vocale Gent Vocale Gent | Aalto Kinderchor Collegium Vocale Gent Mendelssohn „Elias“ Essener Philharmoniker Geistliche Madrigale Ivor Bolton, Dirigent Mit Christina Landshamer, Gerhild Dorothee Mields, Hana Blazíková, Sopran Romberger, Werner Güra und Andrè Werke von Ottorino Respighi Robert Getchell, Altus | Thomas Hobbs, Schuen | Collegium Vocale Gent und Carl Orff Tenor | Wolf Matthias Friedrich, Bass Orchestre des Champs-Élysées Ageet Zweistra, Violoncello | Miriam Philippe Herreweghe, Dirigent Do/Fr 25./26. April | 20:00 Uhr Shalinsky, Violone | Maude Gratton, Alfried Krupp Saal Orgel | Thomas Dunford, Laute Felix Mendelssohn Bartholdy 19:30 Uhr Konzerteinführung im Foyer Philippe Herreweghe, Dirigent „Elias“ – Oratorium nach Worten des Alten Testaments für Solostimmen, Chor Werke von Johann Hermann Schein und und Orchester, op. 70 (mit Übertiteln) Samuel Scheidt Samstag 16. Februar | 20:00 Uhr Donnerstag 6. Dezember | 20:00 Uhr Alfried Krupp Saal Alfried Krupp Saal Gefördert von der Philharmonie-Stiftung der Sparkasse Essen. 7
SINFONISCHE HÖHEPUNKTE Musikalischer Botschafter Der Stardirigent, designierter Musikdirektor der Metropolitan Opera in New York, feiert mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra dessen hundertjähriges Bestehen. „Als ich 10 Jahre alt war, gab es einen Tag, an dem ich mir sagte: ich will Dirigent werden.“ Was diesen Moment betrifft, ist Yannick Nézet-Séguins Erinnerung ungetrübt. „Man fühlt, dass man zu et- was hingezogen wird und es gibt keinen Weg, dem zu entkommen.“ Was sich damals ankündigte, hat sich heute längst bewahrheitet. Nézet-Séguin ist einer der großen Dirigenten der jüngeren Gene- ration und weltweit ein Star am Pult. Mit dem Rotterdam Philhar- monic Orchestra, dem er schon lange verbunden ist und das 2018 sein hundertjähriges Bestehen feiert, kommt er nun nach Essen und hat dazu ein attraktives Programmpaket zusammengestellt. „La Passione“ heißt die überhitzte und aufrüttelnde 49. Sinfonie von Joseph Haydn. Vielleicht schrieb sie der Komponist tatsächlich als Reflex auf ein tragisches Ereignis. Jedenfalls ist sie 250 Jahre alt und so mitreißend wie am ersten Tag! Franz Liszts zweites Kla- vierkonzert brauchte zur Vollendung mehr als ein Vierteljahrhun- dert. Stürmischer Beifall für den Solisten ist hier garantiert. Yefim Bronfman wird ihn ernten, der amerikanisch-israelische Tasten- titan. „Bronfman der Brontosaurier“, wie ihn der Schriftsteller Philip Roth in seinem Roman „Der menschliche Makel“ nannte. „Er holt alles heraus ... Und wenn das geschehen ist, wenn alles, auch die letzte der letzten Schwingungen offenliegt, erhebt er sich und geht und hinterlässt uns unsere Erlösung.“ Die vierte Sinfonie von Tschaikowski schließlich ist das Protokoll Yannick Nézet-Séguin vom Kampf des Komponisten mit dem eigenen Schicksal – und mit seiner Homosexualität. „Es ist darin kein Strich, der nicht meinen aufrichtigen Gefühlen entstammt“, schrieb der Komponist dazu. Die Fanfaren der Verdammnis intonieren die Blechbläser des Yannick Nézet-Séguin Rotterdam Philharmonic Orchestra sicher mit strahlender Kraft. Rotterdam Philharmonic Orchestra Nézet-Séguins Draht zu den Musikern ist immer noch exzellent. „Beim Rotterdam Philharmonic fühlt jeder das Feuer, die Liebe Yefim Bronfman, Klavier zur Musik. Ein gutes Orchester kann tun, was man ihm sagt; ein Rotterdam Philharmonic Orchestra hervorragendes aber kann Töne in eine wirkliche musikalische Yannick Nézet-Séguin, Dirigent Botschaft verwandeln. Und darin ist das Rotterdam Philharmonic Joseph Haydn Sinfonie Nr. 49 f-Moll, Hob. I:49 „La Passione“ Orchestra groß.“ Franz Liszt Konzert Nr. 2 A-Dur für Klavier und Orchester Pjotr I. Tschaikowski Sinfonie Nr. 4 f-Moll, op. 36 Sonntag 26. August | 19:00 Uhr | Alfried Krupp Saal Gefördert von der Kulturstiftung Essen. 8
SINFONISCHE HÖHEPUNKTE „Klarheit ist mir am wichtigsten“ Philippe Herreweghe war am Pult der Essener Philharmoniker bereits mit zwei Bruckner-Sinfonien zu erleben. Jetzt ist er mit seinem Orchestre des Champs-Élysées und der „Romantischen“ zu Gast. Philippe Herreweghe und die Philharmo- – mit liebevoll gestaltender Hand und nie Essen – das ist längst eine ganz beson- analytischer Übersicht, sei es im Detail, dere Beziehung mit vielen künstlerischen den Tempowechseln, den großen drama- Facetten. Von 2015 bis 2017 verwöhnte turgischen Bögen“, schrieb die WAZ. er das Publikum am Pult des Orchestre des Champs-Élysées mit einem kraftvol- Einer weiteren Bruckner-Sinfonie widmet len Beethoven-Zyklus. Alle neun Sinfoni- sich Philippe Herreweghe, wenn er jetzt en sowie das Violinkonzert (mit Isabelle abermals mit seinem Pariser Orchester zu Faust als Solistin) kamen zur Aufführung. Gast ist. Auf dem Programm steht die vierte Herreweghe vermittelte hier genau das, Sinfonie, die auch als „Romantische“ be- was auch seine seit Jahrzehnten gefeier- zeichnet wird. Im Vergleich zu seinen Inter- ten Bach-Interpretationen auszeichnen: pretationen mit den Essener Philharmo- Transparenz, hohe Musikalität und eine nikern kommt hier noch ein neuer Aspekt packend lebendige historische Auffüh- hinzu: Das Orchestre des Champs-Élysées rungspraxis. „Was mir am wichtigsten ist, spielt auf Originalinstrumenten und er- ist Klarheit. Ich möchte die Musik gewis- möglicht somit einen ganz individuellen, sermaßen durchsichtig machen“, sagt der für viele sicher bislang ungehörten Zugang Belgier, der im vergangenen Jahr seinen zu Bruckner. Gleiches gilt für den ersten 70. Geburtstag feierte. „Meine Heraus- Beitrag an diesem Abend, Richard Wag- forderung ist immer, die Musik so klar ners „Wesendonck-Lieder“ mit der franzö- auszusprechen, dass sie vom Gehör her sischen Sopranistin Véronique Gens. Wie notierbar wäre.“ Diesem Ansatz blieb er fesselnd Wagner mit einem Originalklang- auch treu, als er gemeinsam mit den Esse- Orchester klingen kann, konnte das Publi- ner Philharmonikern die fünfte und ach- kum in der Philharmonie Essen 2013 erle- te Sinfonie von Anton Bruckner präsen- ben: Damals brachte Thomas Hengelbrock tierte. „Er tat es indes nicht Weihrauch mit seinem Balthasar-Neumann-Ensemble schwenkend, dafür aber – ohne Taktstock den „Parsifal“ zur Aufführung. Philippe Herreweghe Bruckner 4 „Romantische“ Véronique Gens, Sopran | Orchestre des Champs-Élysées Philippe Herreweghe, Dirigent Richard Wagner „Wesendonck-Lieder“ – Fünf Gedichte für eine Frauenstimme und Klavier (Fassung für Orchester von Felix Mottl) Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, WAB 104 „Romantische“ Sonntag 17. November | 19:30 Uhr | Alfried Krupp Saal 19:30 Uhr „Die Kunst des Hörens“ – Konzerteinführung mit Philippe Herreweghe und Orchester, 20:00 Uhr Konzert Gefördert von der Kulturstiftung Essen. Philippe Herreweghe 9
Sie alle alpass können Mit dem Festiv Einheitspreis Philharmonie Essen altungen zum Erneut hat die NOW!-Veranst ) besuchen. beit mit der Fo lkwang Systemgebühr in Zusammenar ndes- von € 54 (inkl. r Künste, dem La ntingent) Universität de llv erein (Begrenztes Ko g Zo , der Stiftun musikrat NRW Zo llv er ei n ein ie er st m al s mit PACT so w sammen- s Programm zu facettenreiche gestellt. ogramm- scheint ein Pr Zum Festival er n Werken. rungen zu alle heft mit Einfüh i den n ist jeweils be Die Publikatio r Kunststiftung NRW en erhältlich. Wir danken de Veranstaltung gige Fö rd er un g. für ihre großzü 10
F E ST I VA L F Ü R N E U E M U S I K N o v e m ber 2 018 Oktobe r – 4 . 24. f o r m p e r f o r m ern Ensemble Mod Suzanne Vega Angela Denoke ung“, in der sech s Vo ka lk om position „Stimm d sp ir i- als NOW! he un ue-Musik-Festiv gemein sinnlic gen Essener Ne ar ié té “ Sänger eine un de s Kl anges antre- „V re , Su za nn e Vega nn zu sammen mit tu el le Re ise ins Inne tio- Angela Deno ke erlebe n. De ale“ ge- all die Komposi m bl e M od er n gehören st ru m en ta ls tücken wie „Fin te n. Üb erhaupt liegen te n- Hä n- und das Ense r Festivals und In n-Orchester“ zu einer de r in den besten Interpre de s Es se ne s „Z w ei -M an ne n w ie M od er n zu den Stars hört da ch karätigen Retr ospek- gefangen vom Ensembl e ik NO W ! ab er ho de n; an te W DR für Neue Mus kleine n, ls anlässlich seines ter Eötvös gele ite zu Ehren Kage über das von Pe eder- ch tiv e s hin zum ni er ke ha t er ko mponiert. Do te n To de st ag es. Si nf on ieorchester bi ch ön berg, Über 200 W n- zehn e Asko|S in em gi ng es mit rechten Di lä nd is chen Ensembl vo n Si mon in nahezu ke n sich per- Music“ M au ri ci o Ka gel war unter de vi si on är e Ge ist Kagels fügt da s m it „Black Box ia le s St ück gen zu. Denn n unerschöpflic h Der !-Gesamtprogr amm ein, Andersen ein multimed -G ra nd en ei in da s NO W St ee n- Neue-Musik ch von mu- fekt al „form per form “ lau- Komponist au en Motto diesm präsentiert. fantasievoller pi eg el ei en . Un d de ss nk t de r kn ap p 20 Ko nzer- en Eulens tet. Im Mittelpu Musiktheater- Coups siktheatralisch dabei den Mus ik- gen stehen näm lich dies- e, revolutionäre n na hm er d Au ffü hr un Gr oß d am Ende nicht selte en te un it denen fang un se in en Ri tu alen und Mod Ko m po ni st en und Werke, m st eh en hingegen am An un gs ab end betr ieb mit isch ins Visi er. mal rmgrenzen zw ischen ins- NO W! 2018. Am Eröffn un d an ar ch st re ng en Fo vo n e kl as si sc he schelmisch für die cher Gat- ergs, di nc er t-S pe ct acle „Var iété“ en ta le r, vo ka ler und szenis s ko m m t Arnold Schönb od ra m „E r- Mit dem Co wa stellte er 19 77 trum werden und oftmal form sprengen des Mon d M us ik er et au fg eh ob en O pe rn Au ffü hr un g Artisten un - tung harakter enischen on el le n Ab la uf einer Zirkus n ge w is se n Performance-C w ar tu ng“ zur halbsz tin An ge la den traditi eine is Streicher- tklasse-Sopran f den Kopf. Im tzen. – mit der Wel -Drama Show völlig au hw ar - be si em Ein-Frauen tü ck „F in al e“ lässt der sc De no ke, die in dies n Si r Simon ensembles ri- Moderne unter der Leitu ng vo t Ka ge l pl ötzlich den Di st er w er ke de r klassischen r be re its ill ie rt hat. ze Humor is ner Mei assiker de renko br m m en br ec hen (bei ei ge na us o zu erleben wie Kl Ra tt le und Kirill Pert ei ne wei- genten zu sa nicht sind iche Ur- un d tr itt sodann ei nm al ei ne so w ie za hl re NO W !-F in al e lte gar Neuen Musik Im per auf. Aufführung ei ch w es te r he rbei, n. Ne be n ei nem eigenen Ku lts än ge ri n in einer Kulto Krankens Erstaufführun ge tere US-ame- eingeweihte imie- der Kompo- ngere als die Di ri ge nt en Kagel zu rean oß en O rc he st erwerk br ingt ei Es ist keine Geri w ri te rin und um den he st er“ ist gr es Kalitzke zw Sä ng er in, Song an n- O rc nt Jo ha nn ni sc he „Zwei-M nist und Dirige rika („Luka“, ren). Und sein 0 In st ru m enten at Fu rr er und Helmut au to ri n Su zanne Vega s über 20 Be Buch s’ epo- eine riesige, au sich Stücke von staufführung. in Philip Glas M us ik m as chine. Und was ri ng zu r deutschen Er n „T om ’s Diner“), die e Be ac h“ die bestehen de gkörper- O eh kombiniert ei in stein on th nd en Kl an W er k Ru hr chal er O pe r „E dieser bühn enfülle wun- Und das Chor chechen On- übernimmt. n fü r he rr lic h surreale bis an dn eu es Ch orstück des Ts ns Sprecherrolle Installatio la ss en , br St oc kh au se che Töne entlo cken it Karlheinz dersam poetis di esjähr i- dřej Adámek m hm en de s im Ra kann man nun 11
A A LTO - M U S I K T H E AT E R Premiere: „Carmen“ F R E I VO N KLISCHEES Carmen-Sängerin Bettina Ranch, Mezzosopranistin im Ensemble des Aalto-Musiktheaters, im Interview. Bettina Ranch Die Partie der Carmen wird ein Rollendebüt für Sie sein. und blond, dich wird niemals jemand als Carmen besetzen!“ Wie Haben Sie Vorbilder in dieser Partie? gemein und ernüchternd ich das fand! Unser Unterrichtsverhält- Bettina Ranch: Natürlich! Da ich groß, blond und eher der nordi- nis auf dieser erschütterten Startbasis währte nicht lange, und sche Typ bin, habe ich mir vor kurzem die DVD mit Elīna Garanča ich freue mich deshalb umso mehr, dass der Weg der großen als Carmen angesehen – ihre Darstellung als verführerisches Blonden nun direkt in die Carmen führt. Gerade in der heutigen Nordlicht hat mich absolut überzeugt. Sie hatte etwas Sanft-ero- Zeit, wo das Thema Diversity ganz groß geschrieben wird, ist es tisches in ihrer Interpretation, was der manchmal etwas derben doch eben auch gut, sich nicht durchweg von Klischees leiten südländischen Variante angenehm entgegenstand. Ich werde zu lassen. Die „Basic Bitch“ ist vorhanden, der Rest wird sich wohl auch eher in diese Richtung tendieren. entwickeln. (lacht) Man hat bei Carmen wahrscheinlich einige Klischees im Kopf … Interview: Christian Schröder Ranch: Ganz klar läuft erst einmal genau dieser Klischeefilm im Kopf ab: Hüften schwingen, lange schwarze Locken bändigen, Carmen das Dekolleté bis unter das Kinn gebunden, Flamenco, Kastag- Opéra comique in vier Akten von Georges Bizet netten und ... Männer! Wenn man diese Klischeepanik dann hin- In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln ter sich gelassen hat und wieder zu sich gefunden hat, stellt sich Musikalische Leitung Sébastien Rouland die Frage, wieviel Bettina Ranch denn in dieser Carmen leben Inszenierung Lotte de Beer | Bühne und Kostüme Clement & Sanôu soll ... und da meiner Meinung nach jede Frau, ob bewusst oder Licht Alex Brok | Choreinstudierung Jens Bingert | Kinderchor- unbewusst, ein paar Carmen-Züge hat, überlasse ich es dem Zu- einstudierung Patrick Jaskolka | Dramaturgie Christian Schröder sammenspiel und dem Konzept der Regisseurin Lotte de Beer, wieviel Bettina ich denn, der Authentizität wegen, einbringen Öffentlicher Probenbesuch Donnerstag 4. Oktober 2018 | 18:00 Uhr kann. Es ist noch alles offen. Aalto-Theater | Einführungsmatinee Sonntag 7. Oktober 2018 | 11:00 Uhr | Aalto-Theater | „It’s Teatime“: „Carmen“ – Auf in den Kampf! Sie entsprechen ja in keiner Weise einem Carmen-Klischee! Freitag 12. Oktober 2018 | 16:30 Uhr | Aalto-Cafeteria Ranch: Ich habe mir sehr viele Gedanken zu meinem Typus ge- Premiere Samstag 13. Oktober 2018 | 19:00 Uhr | Aalto-Theater macht, nicht zuletzt wegen eines sehr prägenden Erlebnisses Weitere Vorstellungen 18., 27. Oktober; 1., 14., 24. November; noch vor meinem ersten Gesangsunterricht. Meine Lehrerin be- 16., 19., 28. Dezember 2018; 18. Januar; 16. Februar; 17. März 2019 fragte mich zu Rollen, die ich kenne und die mich beeindrucken. Einführungsvortrag 30 Minuten vor jeder Vorstellung im Foyer. Nachdem ich auch die Carmen nannte, sagte sie: „Du bist groß Gefördert von der Sparkasse Essen. 12
E SS E N E R P H I L H A R M O N I K E R OHNE PÄ DAG O G I S C H E N Z E IG E F I N G E R In einer neuen Konzertreihe der Essener Philharmoniker wird Götz Alsmann an drei Terminen berühmte Werke der Klassik präsentieren. Mit Charme und Humor zeigt Alsmann, dass der Hörgenuss mit der Kenntnis steigt – und man trotzdem kein Gelehrter sein muss, um Spaß an klassischer Musik zu haben. Herr Alsmann, Sie begeistern als Daran soll auch unsere neue Reihe Entertainer, Moderator, Jazzmusiker „Mit Götz Alsmann ins Konzert“ und sind promovierter Musikwissen- anknüpfen. Was erwartet uns in schaftler. Greifen diese Tätigkeiten diesem Format? Götz Alsmann ineinander? Alsmann: Es ist ein Versuch, auf meine Art Götz Alsmann: Ja, das tun sie! Auch die und Weise Spaß an der Musik zu vermit- akademische Musikwissenschaft beein- teln. Eines unserer Ziele ist, Menschen für Mussorgski flusst subkutan meine anderen Tätigkei- klassische Musik zu interessieren, die Essener Philharmoniker ten, sei es die Gestaltung der Radiosen- vorher mitunter keine Berührungspunkte Golo Berg, Dirigent dungen oder die Moderation von Konzer- dazu hatten. Musikvermittlung heißt für Götz Alsmann, Moderation ten. Der Blickwinkel auf Musik ist vermut- mich, eine neue Tür aufzustoßen, einen Modest Mussorgski „Bilder einer lich bei jemandem, der einen musikwis- hoffentlich humorvollen Lehrpfad aufzu- Ausstellung“ (Orchesterfassung senschaftlichen Hintergrund hat, ein an- stellen. Ein pädagogischer Effekt – mög- von Maurice Ravel) derer als wenn man Musik ausschließlich lichst ohne pädagogischen Zeigefinger! Sonntag 30. September 2018 zum Vergnügen hört. 11:00 Uhr | Alfried Krupp Saal Welche Art von Musik hören Sie Muss man also Gelehrter sein, um Spaß privat am liebsten? an klassischer Musik zu haben? Alsmann: Ich beschäftige mich beruflich Vivaldi Alsmann: Um Gottes Willen! In keiner am intensivsten mit Jazz und jazzähnli- Daniel Bell, Violine Weise! Nein! Aber es hilft, wenn man die- cher Musik, mit prähistorischen Schla- Essener Philharmoniker sen Hintergrund zur Musikvermittlung gern, Operetten und absonderlichen Früh- Christian Curnyn, Dirigent nutzt. Man hat einen anderen Gesamt- formen der Popmusik. Wenn ich aller- Götz Alsmann, Moderation überblick mit einem eigenen System von dings zu Hause das Radio anschalte, höre Antonio Vivaldi „Le quattro stagioni“ Wertigkeiten darin. ich fast ausschließlich WDR 3, also im (Die vier Jahreszeiten) – Konzerte allerweitesten Sinne klassische Musik. für Violine, Streicher und Basso Ist klassische Musik heute überhaupt Mein berufliches Interesse und mein pri- continuo, op. 8 Nr. 1 – 4 noch angesagt? vates Konsumverhalten klaffen da nicht Alsmann: Ja, ganz sicher. Entertainment sehr weit auseinander: Ich vermeide nach Sonntag 7. April 2019 im weitesten Sinne definiert sich heute wie vor aktuelle Popmusik. 11:00 Uhr | Alfried Krupp Saal immer mehr über Live-Darbietungen. Viele Menschen haben einfach keine Lust mehr, Eine persönliche Frage zum Abschluss: Mahler sich durch das vorfabrizierte, elektroni- Hatten Sie ein Kindheitsidol? Essener Philharmoniker sche Unterhaltungsangebot langweilen zu Alsmann: Ja, Marco Polo, den großen Welt- Tomáš Netopil, Dirigent lassen. Ich glaube, darin liegt die Chance reisenden aus Venedig! Von ihm inspi- Götz Alsmann, Moderation der klassischen Musik: noch einmal ganz riert interessiere ich mich immer noch neue Publikumsschichten zu erreichen. sehr für zentralasiatische Völkerkunde, Gustav Mahler Sinfonie Nr. 6 a-Moll das bleibt ein lebenslanges Interesse. „Tragische“ (Auswahl) Sonntag 19. Mai 2019 Interview: Svenja Gottsmann 11:00 Uhr | Alfried Krupp Saal 13
A A LTO B A L L E T T E SS E N IN THE MOOD F O R LOV E Nur wenige Choreografen des 20. Jahrhunderts haben erreicht, dass ihre Werke noch heute einen Platz auf den Spielplänen der Welt einnehmen. Doch eine Ausnahme ist John Cranko, der vor mehr als 50 Jahren die bis heute gültige Fassung seines Balletts „Onegin“ schuf und dabei den Romanklassiker von Alexander Puschkin Konstantin Ivanowitsch Rudakov (1891 – 1949) „Tatjana am in Tanz verwandelte. Fenster“, 1949. Illustration für Puschkins „Eugen Onegin“ „John Cranko ist einer der renommiertesten Choreografen aller Lenski und natürlich Tatjana. „Tatjana muss von einer Tänzerin Zeiten und es ist eine Ehre, dass wir ‚Onegin‘ hier umsetzen dür- verkörpert werden, die nicht nur technisch perfekt ist, sie muss fen“, sagt Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh voller Stolz. eine Schauspielerin sein. Tatjana ist eine sehr starke Frau und Das hochdramatische Handlungsballett erzählt die traurige die Rolle braucht viel Kraft.“ Nach einer nachdenklichen Pause Liebesgeschichte von Tatjana und Onegin, die nicht zueinander fährt er fort: „Eigentlich liebt sie Onegin und trotzdem weist sie finden. „Die Choreografie beschreibt diese Geschichte sehr tref- ihn zurück.“ Dann fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wenn fend, berührend und ist dramaturgisch gut durchdacht“, so Ben ich das Stück inszenieren würde, gäbe es ein Happy End.“ Van Cauwenbergh. Und die Musik? Gibt es da nicht auch eine Oper von Tschaikow- ski? Richtig! Aber wer jetzt glaubt, die Musik bereits zu kennen, Onegin ist weit gefehlt. Denn der Komponist Kurt-Heinz Stolze wählte bis Ballett in drei Akten von John Cranko nach dato unbekannte Klavierstücke Tschaikowskis, die er zu einem Alexander Puschkin. Musik von Pjotr I. Tschaikowski, großsinfonischen Ballett orchestrierte. „Ich freue mich, dass wir arrangiert von Kurt-Heinz Stolze diese Produktion wieder gemeinsam mit den Essener Philharmo- Choreografie John Cranko | Musikalische Leitung Johannes Witt nikern bestreiten“, so Ben Van Cauwenbergh. „Ein Ballett ohne Bühne und Kostüme Thomas Mika | Licht Steen Bjarke Orchester bleibt unvollständig.“ Dramaturgie Svenja Gottsmann Doch bei seinem persönlichen Herzensstück darf nichts fehlen, Einführungsmatinee Sonntag 4. November 2018 | 11:00 Uhr hat er doch selbst einmal die männliche Titelpartie getanzt. „Das Aalto-Theater. Öffentlicher Probenbesuch Mittwoch war ein toller Moment in meiner Karriere, in London den Onegin 7. November 2018 | 19:00 Uhr | Aalto-Theater in einer Neuproduktion zu tanzen“, erinnert sich Ben Van Cauwen- Premiere Samstag 10. November 2018 | 19:00 Uhr | Aalto- bergh mit einem Lächeln auf den Lippen. „Und jetzt kann ich Theater | Weitere Vorstellungen 15., 25., 30. November 2018; den Tänzern Feedback geben, weil ich selbst diese Erfahrung 25., 26. Januar, 23. Februar; 22., 24. März 2018; 12. April; gesammelt habe. Ich weiß, wie anspruchsvoll die Rolle ist, vor 3. Juli 2019 | Einführungsvortrag 30 Minuten vor jeder allem die Pas de deux sind eine Herausforderung.“ Doch neben Vorstellung im Foyer. der Rolle des Onegin gibt es drei weitere Hauptrollen: Olga, Gefördert von der Sparkasse Essen. 14
G R OSS E O R C H E ST E R Valery Gergiev „ K E I N E H A L B E N S AC H E N “ „Ich neige nicht dazu, Sachen halb zu Bereits in seiner Londoner Zeit hat er Valery Gergiev machen“. Ein klares Bekenntnis von Mis- erfolgreich die Sinfonien von Gustav ter Hundertausendvolt. Wo der Dirigent Mahler aufgeführt. In München widmet Valery Gergiev auftaucht, ist Präzision er sich derzeit vor allem dem Werk Anton gefragt, Hingabe, Genauigkeit, Sorgfalt. Bruckners, doch gelegentlich – wie bei seinem Essener Gastspiel – rückt auch Sein Musizierstil ist wesentlich geprägt Mahler wieder in den Fokus, mit dessen durch seine Zeit am Kirov-Theater, das „Auferstehungs-Sinfonie“ Gergiev seine seit 1992 wieder unter seinem ursprüng- Münchner Ära begonnen hat. lichen Namen Mariinsky-Theater firmiert. Dort hält Gergiev bis heute auch als In- Mit dem Mariinsky Orchestra verbindet Valery Gergiev tendant alle Fäden in der Hand hält. Offen Valery Gergiev eine langjährige Zusam- Mariinsky Orchestra bekennt er, „ein neues Selbstvertrauen menarbeit, die bis in die 1980er Jahre Wagner & Mahler der russischen Kultur repräsentieren“ zu zurückreicht. Das Repertoire des Klang- Anja Kampe, Sopran | Mikhail Vekua, wollen – auch bei Tourneen mit den Musi- körpers hat er stetig und maßgeblich Tenor | Mikhail Petrenko, Bass kern aus Sankt Petersburg. Von 2007 bis erweitert. Eines von Gergievs Zielen Mariinsky Orchestra 2015 leitete Valery Gergiev das London ist es, vermehrt ein jüngeres Publikum Valery Gergiev, Dirigent Symphony Orchestra, seit 2015 amtiert zu gewinnen. Dass Gergiev ein leiden- er als Chefdirigent der Münchner Philhar- schaftlicher Opern-Dirigent ist, lässt er Richard Wagner 1. Akt aus „Die Walküre“ moniker. Erkennbar an seiner unverwech- auch im Konzertsaal immer wieder durch- Gustav Mahler Sinfonie Nr. 6 a-Moll selbaren Haltung am Pult und an seinem blicken. Daher wird er in der Philharmo- „Tragische“ verkürzten Stab, einer Art längerem Zahn- nie den ersten Akt aus Richard Wagners Sonntag 16. September | 19:00 Uhr stocher, geht es Gergiev vor allem darum, „Walküre“ dirigieren – mit den Solisten Alfried Krupp Saal „dass Orchester und Dirigent ein System Anja Kampe, Mikhail Vekua und Mikhail Gefördert von der Philharmonie-Stiftung entwickeln, um miteinander zu atmen“. Petrenko. der Sparkasse Essen. 15
G R OSS E ST I M M E N Musikalische Einblicke Ihr Aufstieg ist rasant. Top-Ausbildung seit der Kindheit, Eintritt in die erste Liga, seither fest in der musikalischen Champions League verankert. Das ist Anna Lucia Richters Sopran-Karriere im Zeitraffer. Schon ihre Herkunft ist stark musisch geprägt: Die Großeltern waren vertraut mit Klavier und Bratsche, der Onkel Cellist, die Mutter Gesangslehrerin, der Vater Geiger. Dieses fami- liäre Fundament hat dafür gesorgt, dass Richter bis heute wohl- tuend geerdet wirkt. Kein Erfolg hat ihren klaren Blick vernebeln können. Für Schnellschüsse ist sie nicht zu haben, dafür ist sie zu genau im Abwägen und zu wach in ihrer Selbsteinschätzung. Sie weiß, dass es zwischen Verlockung und Rationalität eine Balance braucht. „Die ist schwer“, gesteht Richter. „Ich achte bei Anfra- gen immer auf bestimmte Parameter: Passt es stimmlich zu mir, oder laufe ich Gefahr mich zu verheizen?“ Längst ist die junge Kölnerin mit der glasklaren, berührend-direkten Stimme heimisch geworden in den großen Häusern der Musikwelt, ob Oper oder im Konzert. Anna Lucia Richter, Georg Nigl „Bach privat“ Freitag 19. Oktober | 20:00 Uhr | Alfried Krupp Saal Anna Lucia Richter KAMMERMUSIK Helles Dreigestirn Kammermusik dient leider selten als Karriere-Beschleuniger. Denn Kammermusik macht nur, wer Musik aus tiefstem Herzen liebt. Daher ist es vergleichsweise selten, dass sich drei hoch- rangige Solisten zusammenfinden, um gemeinsam Klaviertrios Lisa Batiashvili zu spielen. Geigerin Lisa Batiashvili sowie ihre beiden französi- schen Kollegen Gautier Capuçon am Cello und Pianist Jean-Yves Thibaudet haben bereits 2016 zusammen gespielt – bei einer Europatournee mit dem Tonhalle-Orchester Zürich. Nun treffen sie sich erneut, diesmal ohne Orchester. Gerade die beiden Streicher haben das Kammermusik-Gen tief in ihrem Blut: Lisa Batiashvili, weil ihr Vater, ebenfalls Geiger, jahrzehnte- lang im Georgischen Streichquartett gespielt hat, und Gautier Capuçon, weil er mit Bruder Renaud und Schwester Aude schon in Kindheitstagen Mitglied in einem reinen „Geschwistertrio“ war. Nun bilden sie mit Jean-Yves Thibaudet ein „Supergroup“- Trio und werden zeigen, dass drei musikalische Hochkaräter Gautier Capuçon mehr sind als die Summe ihrer Einzelteile. Jean-Yves Thibaudet Jean-Yves Thibaudet, Lisa Batiashvili, Gautier Capuçon Samstag 10. November | 20:00 Uhr | Alfried Krupp Saal 16
SINFONISCHE HÖHEPUNKTE G E S C H IC H T E S C H R E I BT M U S I K Die Sankt Petersburger Philharmoniker besitzen die größte Expertise, wenn es um Dmitri Schostakowitsch geht. Sie haben, noch unter dem legendären Jewgeni Mrawinski, zahlreiche seiner Sinfonien aus der Taufe gehoben. Seit 30 Jahren leitet Yuri Temirkanov das Orchester. Es war eine der größten Gräueltaten, die Als Temirkanov 1988 die Petersburger sich im Zweiten Weltkrieg ereignet haben. Philharmoniker übernahm – das erste Mal In der Schlucht von Babi Yar nahe Kiew dirigierte er sie 1967 – war das Orchester erschossen die nationalsozialistischen in keiner guten Verfassung. Der große Jew- Besatzer im September 1941 an nur zwei geni Mrawinski, der so viele Schostako- Tagen 33.000 Juden. Das Massaker wurde witsch-Sinfonien aus der Taufe gehoben in der Sowjetunion lange totgeschwiegen hatte, stand dem Orchester fast ein hal- – bis Russlands damals noch „junger wil- bes Jahrhundert lang vor. Nach dessen der“ Dichter Evgenij Evtuschenko es zum Tod übernahm Temirkanov die Leitung. Thema machte. Dmitri Schostakowitsch „Wir müssen uns richtig kennen lernen lernte dessen Text „Babi Yar“ 1961 kennen und wirklich an die Arbeit gehen“, sagte und schrieb daraufhin eines seiner mutig- er damals seinen Musikern. Seitdem ist sten Werke, die Sinfonie Nr. 13. Mit einem das Orchester ein „Nationalheiligtum Basssolisten und einem Männerchor un- Russlands“, wie es die Washington Post gewöhnlich besetzt, steckt es voller kriti- 2014 formulierte, und ihr Dirigent „einer scher Anspielungen. Heute, im Licht einer der besten der Welt“. Im Jahr 2004 diri- neuen Antisemitismus-Debatte und hun- gierte Temirkanov übrigens seine Musiker dert Jahre nach Ende des Ersten Welt- zum Auftakt der ersten Spielzeit in der krieges, ist „Babi Yar“ so aktuell wie nie. Philharmonie Essen. Dreißig Jahre am Yuri Temirkanov bringt das Werk im Jahr Pult eines Orchesters zu stehen, berge seines dreißigjährigen Jubiläums mit den zwar die Gefahr, den Kontakt zu ihm zu Sankt Petersburger Philharmonikern auf die verlieren. „Die Herausforderung ist aber, Bühne der Philharmonie Essen. Dem vor- die Musiker zu inspirieren, ihr Bestes zu angestellt ist eine Suite aus der „Kitesch“- geben.“ Verdienstvoll, wenn man das er- Oper von Nikolai Rimski-Korsakow. reicht. Yuri Temirkanov Sankt Petersburger Philharmoniker Petr Migunov, Bass Herren des Wiener Singvereins | Johannes Prinz, Chorleitung Sankt Petersburger Philharmoniker Yuri Temirkanov, Dirigent Nikolai Rimski-Korsakow Musikalische Bilder aus „Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und der Jungfrau Fewronia“ Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 13 b-Moll für Bass, Männerchor und Orchester, op. 113 „Babi Yar“ Samstag 13. Oktober | 20:00 Uhr | Alfried Krupp Saal Gefördert von der Kulturstiftung Essen. Yuri Temirkanov 17
100 J A H R E E N D E D E S E R ST E N W E LT K R I E G S 1918 – Die Zeitenwende 2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Anlass für Joachim Król und Concerto Köln, sich dem Thema künstlerisch zu widmen. Es war ein Taumel, dem sich kaum jemand entziehen konnte. Schon gar nicht all die jungen Männer in wehrfähigem Alter, die 1914 zu den Schlachtfeldern stürmten und sich schon wenig spä- ter dem Tod in die Arme warfen. Der Beginn des Ersten Weltkriegs machte 1914 selbst Intellektuelle wie Thomas Mann zu einem kritiklosen Parteigänger. Vor rund hundert Jahren, im Novem- ber 1918, ging das alptraumhafte Gemetzel zu Ende. Es kostete 17 Millionen Menschen das Leben. Nicht nur der Zweite Welt- krieg hat in Europa tiefe Spuren hinterlassen, auch der Erste. Das thematisiert dieses Konzertprojekt von Concerto Köln. Schauspieler Joachim Król, den Besuchern der Philharmonie schon durch den „Sommernachtstraum“ von 2016 wohlbekannt, führt durch den Abend. Als Moderator von literarisch-musikali- schen Programmen hat er reichlich Erfahrung. „Das hat mich wohl gesucht, dass ich Veranstaltungen im Zusammenhang mit Musik mache“, sagt Król. „Ich bin gerne unter Musikern – so was zieht mich Joachim Król an.“ Hier liest er nicht nur literarische Texte über den Krieg, von Erasmus von Rotterdam etwa oder Ernst Jünger. Er verbindet sie auch mit persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen. Zu- dem werden auch auf einer optischen Ebene die Gefahren des Joachim Król und Concerto Köln Krieges spürbar: Seltene Farbaufnahmen zeigen weniger die Concerto Köln | Joachim Król, Rezitation Kampfhandlungen selbst als das tägliche Leben. Schon beim Eintritt stimmt Concerto Köln die Zuhörer mit Militärmär- Joseph Haydn „March for the Derbyshire Cavalry Regiment“ schen ein, die Joseph Haydn unter anderem auf seiner zweiten Es-Dur, Hob. VIII:1 | „March for the Derbyshire Cavalry Regiment“ London-Reise komponierte. Die Musik von Wolfgang Amadeus C-Dur, Hob. VIII:2 | „March for the Prince of Wales“, Hob. VIII:3 Mozart stellt zu allem Kriegerischen einen heftigen Kontrast Wolfgang Amadeus Mozart Ouvertüre zu „La clemenza di Tito“, dar. Die utopische Kraft aber, die der berühmten „Jupiter“-Sinfo- KV 621 | „Le nozze di Figaro“, KV 492 (Auswahl) | Sinfonie Nr. 41 nie Nr. 41 innewohnt, wird dadurch viel spürbarer. Das Jubelnd- C-Dur, KV 551 „Jupiter“ mitreißende dieses Werkes wirkt auf dem Hintergrund der Sonntag 18. November | 19:00 Uhr | Alfried Krupp Saal großen Tragödie doppelt so stark. 18
G R OSS E O R CRHUE ST B REI R K Emotionale Verbindung Er ist ein Quirl, steckt voller Energie und scheint seinen Elan kaum zu zügeln. Andrés Orozco-Estrada steht als Musiker unter Starkstrom. Das sieht man, wenn er dirigiert; das hört man, wenn er spricht. Andrés Orozco-Estrada Geboren im kolumbianischen Medellín, nun wieder in der Philhrmonie Essen zu widmete er sich zunächst der Geige: „Ich erleben sein wird. habe auch in einem Orchester gespielt und viel gesungen – in einem Kinderchor, mit Orozco-Estradas Repertoire ist weit ge- Andrés Orozco-Estrada dem wir viele Konzerte gegeben haben.“ fächert, gemäß seiner Auffassung: „Ich Mahler Chamber Orchestra Auch das Dirigier-Fieber hatte ihn früh ge- möchte auch kein Spezialist für irgend- packt. Im Wohnzimmer seiner Eltern leite- etwas werden.“ So findet man in seinen Strauss „Ein Heldenleben“ te er imaginäre Orchester, „was Zweifel an Programmen Haydn und Mozart ebenso Emmanuel Tjeknavorian, Violine meinem Geisteszustand weckte“. wie die romantischen und spätroman- Mahler Chamber Orchestra und tischen Schwergewichte – von Berlioz Teilnehmer der MCO Academy NRW Mit 20 Jahren kam Orozco-Estrada nach bis Strauss – und viel Mut zur Moderne. Andrés Orozco-Estrada, Dirigent Wien, wo er ein komplettes Dirigier-Stu- „Hauptsache ist, dass ich eine emotiona- Bohuslav Martinů Sinfonia concertante dium zum Abschluss brachte – als Schüler le Verbindung mit den Werken eingehen Nr. 1 G-Dur für zwei Orchester von Uros Lajovic, der wiederum Schüler der kann, die ich aufführe.“ Wer ihn erlebt, Wolfgang Amadeus Mozart Konzert Nr. 3 Dirigier-Legende Hans Swarowsky war. wird daran nicht zweifeln. G-Dur für Violine und Orchester, KV 216 Wien ist bis heute sein musikalischer Richard Strauss „Ein Heldenleben“ – Dreh- und Angelpunkt. Dort wohnt Andrés Beim Konzert im November dirigiert er das Tondichtung, op. 40 Orozco-Estrada mit seiner Familie, und dort Mahler Chamber Orchestra. Der Klangkör- Samstag 24. November | 19:30 Uhr wird er mit Beginn der Saison 2021/2022 per mit Mitgliedern aus mehr als 20 Län- Alfried Krupp Saal das Amt des Chefdirigenten bei den Wiener dern ist seit 2009 Residenzorchester in 19:30 Uhr „Die Kunst des Hörens“ – Symphonikern übernehmen. „Es nähert Nordrhein-Westfalen und war bereits mehr- Konzerteinführung mit Andrés Orozco-Estrada sich der Moment, an dem ich entscheiden fach in der Philharmonie Essen zu Gast. und Orchester, 20:00 Uhr Konzert. muss, weniger zu reisen“, gestand er kurz Als Solist tritt der junge Geiger Emmanuel Konzerteinführung für Kinder ab 10 Jahren: Karten- reservierung erforderlich bei Merja Dworczak, vor Bekanntgabe seiner neuen Aufgabe. Tjeknavorian auf, der als „Rising Star“ mit education@philharmonie-essen.de, T 02 01 81 22-826 Ein Glücksfall also, dass Orozco-Estrada den besten Orchestern auf der Bühne steht. (nähere Informationen siehe Konzertkalender) 19
G R OSS E ST I M M E N BAROCKE KO M Ö DI E Eine Platane also. Mehr nicht? Immerhin, im alten Persien wurde sie als heiliger Baum verehrt. Bei Georg Friedrich Händel wird sie feierlich besungen, im pastoralen F-Dur. Eine symbolhafte Natur-Hommage, die Weltruhm erlangte. Eine Arie, die zum Kern jeder „Best of Baroque“-Auswahl zählt: „Ombra mai fu“. Einziger Nachteil: Die Arie erklingt in Händels Oper „Serse“ so früh, dass der ganze Rest des Werkes gern darü- ber vergessen wird. Um dem entgegenzuwirken, wird das Renom- mier-Ensemble „Il Pomo d’Oro“ dieses Werk in kompletter Län- ge nach Essen bringen, mit Franco Fagioli, dem argentinischen Countertenor mit Weltkarriere, in der Titelpartie. „Serse“ oder auch verdeutscht „Xerxes“, wurde vor 280 Jahren in London uraufgeführt. Doch nach vier Vorstellungen verschwand das Werk im Niemandsland – bis 1924. Im Zentrum steht, natür- lich, Serse, der Perserkönig. Doch erleben wir ihn weniger als Feldherrn und Staatsmann, sondern mehr von seiner privaten Seite. Er steht im Zentrum einer verzwickten Liebesgeschichte – was Händel dazu veranlasst hat, vom damals üblichen Schema, der „Opera seria“, abzuweichen und eine herrliche Komödie zu komponieren, ein satirisches Werk. Doch wo das Heitere wohnt, ist die Tragik meist nicht weit. Händel bringt das durch eine Fülle von unterschiedlichen Stilmitteln musikalisch zum Ausdruck. Bei der Uraufführung wurde die Partie des Serse von Caffarelli gesungen, dem zur damaligen Zeit wohl berühmtesten Darsteller neben Farinelli. Daher behauptet Franco Fagioli, wenn er diese Partie heute singt: „Man spürt immer noch die Geister der Ver- gangenheit.“ In der Barockzeit stammten die Kastraten in aller Regel aus Italien. Sie wurden nach London gelotst, um dort die Hauptpartien in italienischen Opern zu singen. „Schon damals gab es den Belcanto, diesen theatralischen Gesangsstil“, erklärt Fagioli. „Inzwischen haben wir natürlich keine Kastraten mehr, deswegen nennen wir uns alle Countertenöre.“ Unabhängig von der Bezeichnung – die Faszination für diese Sänger ist heute grö- ßer denn je, auch wenn sie nur eine Platane besingen. Händel „Serse“ Franco Fagioli, Il Pomo d’Oro Francesca Aspromonte, Atalanta | Inga Kalna, Romilda Vivica Genaux, Arsamene | Marianna Pizzolato, Amastre Franco Fagioli, Serse | Biagio Pizzuti, Elviro Andreas Wolf, Ariodate | Il Pomo d’Oro Maxim Emelyanychev, Cembalo und Dirigent Georg Friedrich Händel „Serse“, HWV 40 Oper in drei Akten (konzertante Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln) Franco Fagioli Freitag 9. November | 20:00 Uhr | Alfried Krupp Saal 20
G R OSS E O R C H E ST E R Vereinte Gegensätze „Jede Nummer war ein sehr langer vollkommen ausgeführter Satz voll lebhafter Malereien und glänzender Gedanken und Figuren.“ So urteilte der Musikgelehrte Johann Friedrich Reichardt über die „Pastorale“, die sechste Sinfonie von Beethoven. Er war dabei, als auch die fünfte uraufgeführt wurde, im selben, vierstündigen Kon- zert im Dezember 1808. Der Abend im Theater an der Wien war im Grunde ein Desaster, das Orchester war schlecht vorbereitet und der Saal entsetzlich kalt. Der Alfried Krupp Saal dagegen ist selbst- verständlich gut geheizt, wenn Beethoven-Kenner Marek Janowski die beiden Werke noch einmal präsentiert – fast 210 Jahre nach dem Uraufführungsdebakel. Er hält Beethoven für eine der zentra- len Figuren der Musikgeschichte: „Er ist für mich die komposito- rische Richtschnur überhaupt.“ Wie damals steht auch im Konzert mit dem WDR Sinfonieorchester Köln die sanftere „Pastorale“ am Anfang. Die titanische Sinfonie Nr. 5 ist der Inbegriff des Schick- salhaft-sinfonischen. Wie gegensätzlich die Werke sind, kann man bei dieser Gegenüberstellung wunderbar verfolgen. Marek Janowski, WDR Sinfonieorchester Köln Beethoven 5 & 6 Sonntag 30. September | 17:00 Uhr | Alfried Krupp Saal Marek Janowski G R OSS E C H O R W E R K E Bruckners Handschrift Hinter weißen Türmen, die so still-feierlich in den österreichischen Himmel ragen, vollzog sich seine Wandlung. Hier, in der Stiftskirche von Sankt Florian, wurde aus dem Schul- gehilfen ein Organist, aus dem Musikbegeisterten ein Berufener. Zehn Jahre verbrach- te Anton Bruckner im Stift, wo er sein Orgelspiel perfektionierte und geistliche Werke schuf – noch weit vor seinen bahnbrechenden Sinfonien. Zu diesen frühen Kompositionen zählen eine „Missa solemnis“ sowie sein Requiem. Der RIAS Kammerchor, die Akademie für Alte Musik in Berlin und Dirigent Łukasz Borowicz haben sich dieser Werke nun saison- übergreifend angenommen. „Die Kombination aus wissenschaftlich fundierter Kenntnis, historisch informierter Aufführungspraxis, der Verwendung historischer Instrumente so- wie einer angemessenen Besetzungsgröße von Orchester und Chor öffnet uns die Türen zu einer vollkommen unbekannten musikalischen Welt“, erklärt Borowicz. Basierend auf der Urtext-Gesamtausgabe rückt Borowicz nach der erfolgreichen CD-Produktion der „Missa solemnis“ nun Bruckners Requiem in den Fokus, frühe Klangexperimente, die bereits Züge seiner später unverkennbaren Handschrift erkennen lassen. RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin Bruckner „Requiem“ Johanna Winkel, Sopran | Sophie Harmsen, Alt | Sebastian Kohlhepp, Tenor Augustiner Chorherrenstift Ludwig Mittelhammer, Bass | RIAS Kammerchor | Raphael Alpermann, Orgel St. Florian: In der Gruft Akademie für Alte Musik Berlin | Łukasz Borowicz, Dirigent unterhalb der Orgel wurde Anton Bruckner seinem Werke von Anton Bruckner Wunsch gemäß in einem freistehenden Sarkophag Sonntag 25. November | 19:00 Uhr | Alfried Krupp Saal bestattet. Gefördert von der Philharmonie-Stiftung der Sparkasse Essen. 21
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