COMPLIANCE - Banking Concepts AG
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COMPLIANCE COMPLIANCE-INTERVIEW In dieser Ausgabe des Compliance-Interviews vertiefen wir das Finanzdienstleistungsge- setz (FIDLEG) gleich mit vier kompetenten Interviewpartnern aus der Rechtsberatung, aus einem Banken-Netzwerk und mit einem Vertreter von Finnova. Wir diskutieren die Aus- wirkungen auf die Bankenbranche und die Erwartungen an eine Softwarelösung, die Mitarbeitenden, die Datenhaltung und Dokumentation sowie an die Vertriebskanäle. Interview mit Michael Taschner (PwC), Olivier Duperrut und Alexander Hines (ESPRIT Netzwerk AG) sowie Michael Steiner (Finnova AG). Das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) ist verabschiedet und der Entwurf zur Finanzdienstleistungsverordnung (E-FIDLEV) liegt vor. Die Anwendung ist ab 01.01.2020 vorgesehen, die Verordnung sieht verschiedene Übergangsfristen vor. Wie ordnen Sie aus operativer Sicht der Banken (Ihrer Bank) die neue Norm ein, und welches sind für Sie die zentralen Anforderungen? Michael Taschner: Auf die in der Schweiz tätigen Finanzdienstleister kommen mit der Einführung des FIDLEG eine Reihe an neuen operativen Aufgaben zur Anwen- dung. Neben den deutlich erweiterten Verhaltensregeln, die bei der Anlagebera- tung zu beachten sind, gibt es auch neue organisatorische Anforderungen, die von den Finanzdienstleistern in ihre internen Prozesse integriert werden müssen. Ein weiteres Novum, welches aus bankoperativer Sicht einen grösseren Einfluss haben kann, stellt die verpflichtende Abgabe eines Basisinformationsblatts beim Vertrieb von Finanzprodukten dar. Zudem sind Bankengruppen, welche auch im Bereich Asset Management tätig sind, stark von der Revision des Kollektivanlagegesetzes (KAG) betroffen, da hier – einhergehend mit dem FIDLEG und dem FINIG – eine umfangreiche Überarbeitung durchgeführt wurde. Der dritte, ebenso wesentliche Punkt ist die Zusammenarbeit mit dritten Inter- mediären wie beispielsweise unabhängigen Vermögensverwaltern oder Treuhän- dern, welche nun unter dem neuen Finanzinstitutsgesetz (FINIG) eine FINMA-Be- willigung beantragen und somit auch die Verhaltensregeln des FIDLEG einhalten müssen.
Olivier Duperrut und Alexander Hines: Die Esprit-Banken sind vor allem dahin gehend betroffen, dass sie ihr Dienst- leistungsangebot im Anlagebereich an die FIDLEG-Vorgaben anpassen bzw. prüfen oder sogar neu definieren müssen: Welche Mandatsformen sollen welchen Kunden angeboten werden und welche nicht? Welche organisatorischen Mass- nahmen ergeben sich daraus? Michael Steiner: Neben verschiedenen neuen Regelungen Wo sehen Sie für Banken (Ihre Bank) die grössten Heraus- fasst das FIDLEG auch teilweise vorhandene Bestimmungen, forderungen bei der Umsetzung? z. B. aus Spezialgesetzen, der Rechtsprechung oder FINMA- Taschner: Hier muss zwischen international ausgerichteten Kommunikationen, in eine neue, für alle Finanzdienstleistun- Finanzinstituten und eher national orientierten Finanzdienst- gen anzuwendende Gesetzesnorm zusammen. leistern differenziert werden. Der Grund dafür ist, dass sich Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den weitreichenden an- das FIDLEG in bestimmten Bereichen stark an den europäi- legerschutzbezogenen Anforderungen. schen MiFID-II-Vorschriften orientiert. Erfahrungsgemäss soll- Aus operativer Sicht erscheint es zentral, dass die erfor- ten erstgenannte Institute deswegen bereits viele der neuen derlichen Voraussetzungen für einen Anlageprozess auch Vorgaben zu einem gewissen Teil umgesetzt haben. Für all vorgängig erfüllt sind. Dies betrifft u. a. die Kundensegmen- jene Finanzdienstleister, die diesen Schritt noch nicht gemacht tierung oder die unmissverständliche Vereinbarung einer haben, werden die Neuausrichtung des Beratungsprozesses, Dienstleistungsart. z. B. die Durchführung einer Angemessenheits- und Eignungs- Bei der Durchführung des Anlageprozesses sind die Ab- prüfung oder die automatisierte Abgabe eines Basisinformati- klärungs- und Prüfungspflichten sowie die entsprechenden onsblatts, aber auch formalisierte Dokumentations- und Infor- Dokumentationen von Bedeutung. Vor der finalen Orderaus- mationspflichten eine grössere Hürde darstellen. führung ist dabei sicherzustellen, dass alle erforderlichen Massnahmen durchgeführt worden sind (z. B. Bereitstellung Duperrut/Hines: Eine grosse Herausforderung ist aus unse- Basisinformationsblatt). rer Sicht die Definition des zukünftigen Dienstleistungsange- Nicht zu vernachlässigen sind Instrumente, welche die bots im Anlagebereich nach intensiven strategischen Überle- operative Einhaltung der Pflichten sicherstellen (Validierun- gungen. Die Einführung von FIDLEG bringt jedoch auch die gen) sowie Inkonsistenzen und Fehlverhalten identifizieren Chance mit sich, die seit Jahren geplante Aufsplittung der Ge- (Monitoring). bühren in Beratungs- und Transaktionsgebühren umzusetzen. Die Herausforderung dabei ist, die Leistungen der Beratung so auszurichten, dass sie für die Kundschaft einen erkennba- ren Wert darstellen und die damit neu verbundenen Kosten als gerechtfertigt empfunden werden.
Steiner: Regulierungen nehmen wenig Rücksicht auf bankinterne Organisations- strukturen oder bankinterne Prozess- und Medienbrüche. So sind auch bei dem auf den Anlagebereich fokussierten FIDLEG organigramm- übergreifende, fallabschliessende Geschäftsprozesse betroffen, welche grössten- teils heute schon vorhanden sind und entsprechender Anpassungen bedürfen. Eine grosse Herausforderung ist das Identifizieren und Umsetzen des erforder- lichen Anpassungsbedarfs aus organisatorischer, operativer und technischer Sicht. Dabei ist es sinnvoll, neben der aktuellen Situation auch bereits angedachte kon- krete Veränderungen zu berücksichtigen. Aus technischer Sicht sind dabei – neben den bekannten Standardvorlaufzeiten für eine vernünftige Entwicklungsarbeit – insbesondere die verschiedenen Abhän- gigkeiten zu berücksichtigen, z. B. Systeme/Schnittstellen, neue/bestehende Ser- viceprovider. Durch die zunehmende Applikationsvielfalt, u. a. durch den Einsatz von Spezi- alsoftware für die Anlageberatung, wird das Thema «Datentransparenz»/«Master- datenhaltung» die bankinternen Diskussionen weiter bereichern. «Regulierungen nehmen wenig Rücksicht auf bankinterne Organisationsstrukturen oder bankinterne Prozess- und Medienbrüche.» Michael Steiner, Finnova Die FIDLEV-Vernehmlassung wurde Anfang Februar abgeschlossen. In wel- chen Kernbereichen sehen Sie Potenzial für Präzisierungen? Taschner: Eine Prognose ist sehr schwierig, allerdings gibt es sicherlich Diskussi- onsbedarf im Bereich des Basisinformationsblatts und zur Frage, bis zu welchem Grad ein «Swiss Finish» angewendet werden soll. Eine weitere Komponente kann die Detailschärfe der Kostentransparenz oder auch der Vorgaben zum Thema Best Execution sein. Klarheit darüber werden wir voraussichtlich aber erst im Sommer 2019 haben. Duperrut/Hines: Wir teilen die Meinung von PwC und wünschen uns im Bereich der Kostentransparenz etwas detaillierter formulierte Erwartungen, da die entspre- chende organisatorische Umsetzung je nachdem teils grössere technische Anpas- sungen erfordert. Der Zeitpunkt der Informationserbringung sowie die Frist und der Umfang der Rechenschaftsablage sind weitere Punkte, die präzisiert werden sollten. Steiner: Beim Thema «Eignungsprüfung» erscheint derzeit interessant, dass sich die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden grundsätzlich auf die Finanzdienst- leistung und nicht auf das empfohlene Finanzinstrument selbst beziehen sollen. Während dieses Vorgehen bei der Vermögensverwaltung durchaus nachvollzo- gen werden kann, da hier die Titelauswahl und der Ausführungsentscheid auf ei- nen grundsätzlich kompetenten Vermögensverwalter übertragen wird, scheint je- doch die Anwendung desselben Vorgehens für die Anlageberatung eher fraglich. Bei der Anlageberatung verbleibt der für den Kunden massgebende und ab- schliessende Ausführungsentscheid beim Kunden. Es erscheint fragwürdig, wie ein Kunde bei gegebenenfalls nicht vorhandenen Kenntnissen und Erfahrungen diesen für ihn bindenden Anlageentscheid aus Einzeltitel-Risikosicht treffen kann, selbst dann, wenn der Titel als strategiekonform einzuordnen wäre.
Ein wesentliches Thema der Regulierung ist der Anlegerschutz. Welches sind aus operativer Banksicht die kritischen Bereiche, die zu überprüfen sind, und für welche eine Umsetzung im operativen Betrieb überwacht werden sollte? Taschner: Um einen verbesserten Anlegerschutz für die Konsumenten zu errei- chen, greifen das FIDLEG und die damit einher gehende Verordnung (FIDLEV) in die Kernbereiche des Bankgeschäfts ein. Die davon betroffenen Bereiche sind vor allem die Prozesse rund um die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung. Speziell diese Prozesse müssen analysiert und wo notwendig angepasst werden. Doch nicht nur der «Point of Sale» ist von den neuen Anforderungen betroffen, sondern auch die Handelsprozesse der Institute: Diese sind so anzupassen, dass bei der Ausführung der Kundenaufträge das bestmögliche Ergebnis in finanzieller, zeitlicher und qualitativer Hinsicht erreicht wird. Zudem gilt es, das zu implementierende aufsichtsrechtliche Rahmenwerk nicht nur auf technischer, sondern auch auf prozessualer Ebene zu implementieren. Dies bedeutet, dass eine stringente Verankerung im IKS (Internen Kontrollsystem) und im Weisungswesen ein zentraler Punkt ist, um die in der Umsetzung definierten «Um einen verbesserten Anlegerschutz für die Konsumenten zu erreichen, greifen FIDLEG und FIDLEV in die Kernbereiche des Bankgeschäfts ein.» Michael Taschner, PwC Vorgaben auch leben und überwachen zu können. Duperrut/Hines: Als besonders wichtig erachten wir es, dem Kunden jederzeit und kanalunabhängig bewusst zu machen, in welchem Dienstleistungsrahmen er sich bewegt. Während der entsprechenden Ausführung der Dienstleistung muss der Kunde zudem jeweils zum richtigen Zeitpunkt die notwendigen Informationen bezüglich Dienstleistung und/oder Produkt erhalten. Auch die Gewährleistung, dass sowohl die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden als auch die gewählte Strategie jederzeit berücksichtigt werden, erfordert spezielle Aufmerksamkeit und grössere organisatorische Anpassungen. Zudem müssen sämtliche Bemühungen der Bank zur angemessenen Berücksichtigung der FIDLEG-Vorgaben jederzeit in adäquater Form nachgewiesen werden können. Steiner: Wichtig aus Sicht Anlegerschutz ist u. a. das korrekt zugewiesene/ver- einbarte Kundensegment sowie das jederzeit zwischen Bank und Kunde überein- stimmende Verständnis darüber, welche Dienstleistungsart der Kunden nutzt resp. nutzen kann. Diese zwei Kriterien sind zentral und entscheiden über den Grad des Anleger- schutzes sowie die damit verbundenen Pflichten des Finanzdienstleisters, z. B. Pflichten bezüglich Information, Abklärung und Prüfung sowie Aufklärung und Do- kumentation. Insbesondere bei der von Privatkunden genutzten Dienstleistungsart erscheint es sinnvoll, den Grad der potenziellen Unsicherheit möglichst gering zu halten und verschiedene Gelegenheiten in der Kundenkommunikation zu nutzen, um die ge- nutzte Dienstleistungsart transparent zu machen. Durchgeführte Abklärungen zur Kundeneinschätzung sowie die Einschätzung der Bank und dahin gehende Prüfungen sollen transparent und jederzeit nachvollziehbar sein. Validierungen während des Anlageprozesses können verhindern, dass Anfor- derungen nicht berücksichtigt resp. nicht eingehalten werden. Mit gezielten Moni- toring-Massnahmen lässt sich ex post bewusstes oder unbewusstes Fehlverhalten identifizieren (z. B. Inkonsistenzen, bewusste Abweichungen vom Standardansatz).
5 FIDLEG bietet im Vergleich zu MiFID mehr Flexibilität in der Anwendung. Sehen Sie Handlungsfelder, bei denen Sie sich ein eher restriktiveres MiFID-orientiertes Vorge- hen vorstellen könnten? Taschner: Es ist nicht leicht, die Balance zwischen einem wie in der EU üblichen «regelbasierten» und einem in der Schweiz üblichen «prinzipienbasierten» Ansatz zu finden. Allerdings ist es meiner Ansicht nach in manchen Bereichen hilfreich, wenn klare Vorgaben, sprich ein regelbasierter Ansatz, verfolgt wird, vor allem in den Bereichen Kostentransparenz und Best Exe- cution: Hier ist zu erwarten, dass die Tiefe und Breite der Vor- gaben sehr heterogen interpretiert und umgesetzt werden. Duperrut/Hines: Bei den Punkten, die MiFID sehr detailliert regelt und FIDLEG viel offenlässt, ist in der Stellungnahme der SBVg zu FIDLEV mit dem Wunsch nach mehr Detaillie- rung zu rechnen. Mit einer gewissen Detaillierung lässt sich verhindern, dass sich Banken an MiFID ausrichten, um nicht angreifbar zu sein. Eine Schweizer MiFID durch die Hintertür wünschen wir uns nicht. «Wir wünschen uns keine Schweizer MiFID durch die Hintertür.» Viele Finanzdienstleister unterstützen den Anlagepro- zess mit speziellen Softwarelösungen. Wie können sol- Olivier Duperrut und Alexander Hines, ESPRIT Netzwerk che Tools in die (Ihre) Compliance-Arbeit eingebunden werden und welche möglichen Herausforderungen sind zu berücksichtigen? Taschner: Die Tendenz ist klar ersichtlich: Immer mehr Insti- Steiner: Es obliegt grundsätzlich jedem Finanzdienstleister, tute unterstützen bzw. ersetzen bestimmte Bestandteile der wie er den Freiraum des gegebenen Gesetzes nutzen wird persönlichen Anlageberatung durch automatisierte Verfahren. – unter Berücksichtigung seines individuellen Risikoappetits, Unter dem Gesichtspunkt von Compliance konzentriert sich seines Verantwortungsanspruchs gegenüber seinen Kunden eine Vielzahl der am Markt erhältlichen Tools auf die automati- und der Erwartungshaltung seiner Zielkunden. sierte Erfüllung regulatorischer Vorschriften, so beispielsweise Aus Sicht der Wohlverhaltensregeln könnte es durchaus MiFID II Suitability Checks, die Einhaltung von Cross-Border- sinnvoll erscheinen, ausgewählte Prozesse für bestimmte Kun- Regeln oder das regulatorische Reporting. Unabhängig von den/Kundensegmente in Anlehnung an teilweise detaillierter den zuvor genannten Varianten ist hierbei eine umfängliche und/oder fokussierter beschriebene MIFID-Anforderungen Bedarfsanalyse, unter Berücksichtigung der bankinternen Sys- durchzuführen. temlandschaft, für die Entwicklung eines zukunftsorientierten So könnte z. B. im Bereich «Execution only» für komplexe Zielbilds eine der grössten Herausforderungen. Produkte eine im Vorfeld mit dem Kunden vereinbarte Prüfung Ein wesentliches Kernelement ist die Kompatibilität dieser der Kenntnisse und Erfahrungen erfolgen. Des Weiteren wäre Lösungen mit bestehenden, etablierten Systemen, so dass sie es möglich, die Auftragsausführung für einzelne Kunden von keinen Systembruch verursachen. der vorherigen Bereitstellung einer strukturierten Beratungs- Eine weitere sehr interessante Komponente ist, dass sich dokumentation abhängig zu machen. vermehrt Plattformlösungen am Markt etablieren. Damit wer- den technische Lösungen («RegTech»-Lösungen) für kleine Finanzintermediäre angeboten, vermehrt im Bereich der un- abhängigen Vermögensverwalter. Dieser Trend ist darauf zu- rückzuführen, dass gerade bei kleineren Organisationen der Aufwand für eine aufsichtsrechtliche Compliance oft unver- hältnismässig wäre, wenn die Tools dafür intern als Eigenlö- sung entwickelt werden müssten.
6 Duperrut/Hines: Wir erachten Softwarelösungen als Unterstützung im Anlageberatungsprozess durchaus als Möglichkeit. Ein allfälliger Einsatz sollte jedoch unserer Meinung nach auf das Dienstleistungsangebot der Bank abgestimmt sein und auch unabhängig von FIDLEG einen Mehrwert bringen, also nicht nur zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben dienen. Bezüg- lich der Esprit-Banken sehen wir gewisse Grundanforderungen, welche alle über das Kernbankensystem abgedeckt werden müssen. Darüber hinaus gibt es Bereiche (automatisierte Profilierung, Anlagevorschläge, Dokumentbereitstellung, Gewährleistung der Strategieeinhaltung etc.), die sich mit einem externen Tool leichter bearbeiten lassen, aber nicht für alle Banken gleichermassen relevant sind. Es ist zudem zu bedenken, dass die mittels externem Tool getroffenen Entscheidungen und erfolg- ten Massnahmen wieder ins Kernbankensystem zurückgeführt werden müssen. Ansonsten können Nachvollziehbarkeit und Belegbarkeit über die zwingende Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren nur mit hohen Zusatz- kosten sichergestellt werden. «Softwarelösungen als Unterstützung im An- lageberatungsprozess sollten auch unabhän- gig von FIDLEG einen Mehrwert bringen.» Olivier Duperrut und Alexander Hines, ESPRIT Netzwerk Steiner: Der Markt bietet heute durchaus vernünftige Softwarelösungen, mit denen der Anlageprozess sinnvoll unterstützt werden kann. Da sich Beratungstools oftmals auf die Ausführung spezieller Prozess- teile konzentrieren und auf Schnittstellen für Dateninput und Datenoutput angewiesen sind (Kernbankensystem, DWH, Archivsystem etc.), erge- ben sich aus Sicht Compliance u. a. folgende mögliche Fragestellungen: a) Welche (Teil-) Prozesse werden von der Software unterstützt (klare Abgrenzung)? b) Werden alle Services, Kanäle und Kundensegmente mit diesem Tool abgedeckt (z. B. Prüfung Kenntnisse und Erfahrungen via E-Banking- Tool/Execution only)? c) Welche Input-Parameter werden von welchem System geliefert, wel- che Output-Parameter an welche Systeme weitergeleitet? d) Was sind Masterdaten und welches System führt welche Masterda- ten? e) Auf welcher Basis und in welchem System erfolgen Validierungsprü- fungen (ex ante, real-time und ex post)? f) Auf welcher Basis erfolgen Monitoring und Reporting (intern, extern, gegenüber Kunde)? Insbesondere die Themen «Masterdatenhaltung», «Reporting» und «Mo- nitoring» können zu ergänzenden Anforderungen an Schnittstellen und Datenhaltungsvoraussetzungen ausserhalb der Spezialsoftware führen.
7 Den Anlageprozess unterstützende Softwarelösungen fokussieren sich oft auf die operative Ausführung des Beratungs- und/oder Ver- mögensverwaltungsprozesses. Welche Zusatzanforderungen erge- ben sich aus Sicht Compliance an die Stammdatenhaltung, das Mo- nitoring und das Reporting sowie an das nicht auf FIDLEG reduzierte Thema Masterdatenhaltung? Taschner: Die Praxiserfahrung zeigt, dass das Thema Stammdaten- bzw. Masterdatenhaltung bei unseren Kunden in der Agenda auf allen Ma- nagementebenen eine zentrale Rolle eingenommen hat. Einerseits liegt dies daran, dass eine unterstützende Softwarelösung immer nur so gut sein kann wie die zur Verfügung stehende Datengrundlage, anderer- seits ist die Bereinigung unzureichender Stammdaten in den allermeis- ten Fällen mit einem hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden. Speziell aus der Perspektive von Compliance sollte der Pro- zess der Datenerfassung bzw. -verwaltung so ausgestaltet sein, dass damit regularienübergreifend alle notwendigen Informationen (zentral) erfasst und diese für die regulatorisch geforderten Prozesse, wie etwas das Transaktionsmonitoring oder Transaktionsreporting, zur Verfügung gestellt werden können. «Unterstützende Softwarelösungen sind immer nur so gut wie die zur Verfügung stehende Datengrundlage.» Michael Taschner, PwC Duperrut/Hines: Die Stammdatenhaltung hat auch bei unseren Banken einen hohen Stellenwert. Tatsächlich sind die Bereinigung und Anreiche- rung von Stammdaten die grösste Herausforderung. Anspruchsvoll sind insbesondere die Daten von Kunden, welche vor dem Bekanntwerden von neuen regulatorischen Anforderungen eröffnet wurden. Wichtig ist, dass auch die Informationen über das durchgeführte Monitoring, in die- sem Zusammenhang getroffene Massnahmen und das erfolgte Reporting als zentrale Daten gehalten werden und so jederzeit verfügbar sind. Steiner: Es erscheint sinnvoll, abschliessend zu klären, welches Sys- tem welche Masterdaten führt. Dies sollte ungeachtet von FIDLEG ein grundsätzlicher Anspruch des Finanzdienstleisters darstellen und ist u. a. unter den Aspekten Datenhaltung und Dauer der Datenverfügbarkeit für
8 ein zusammenhängendes Compliance-Monitoring wesentlich. Die Mitarbeitenden rücken aus regulatorischer Sicht zu- nehmend in den Mittelpunkt, so auch bei FIDLEG. Profes- sionelle Rekrutierungs- und Auswahlprozesse sind meist vorhanden, doch wie kann der richtige Einsatz der Mit- arbeitenden innerhalb der Wertschöpfungskette der An- lageberatung sichergestellt und nachgewiesen werden? «Mit Monitoring Reports lassen sich Taschner: Im gegebenen Zusammenhang findet sich in Art. mitarbeiterinduzierte Abweichungen vom 23 Abs. 2 FIDLEV die konkrete Anforderung, dass die Mitar- Standardprozess erkennen und hinterfragen.» beitenden die notwendige Aus- und Weiterbildung in Bezug auf die spezifischen Sachkenntnisse erhalten, die sie für die Michael Steiner, Finnova Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Die Pflicht zur Produkt- und Kundenkenntnis im Anlage- und Vermögensverwaltungs- prozess kann jedoch bereits aus der Sorgfaltspflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR abgeleitet werden. Die praktische Umsetzung dieser Vorgaben sowie der richtige Einsatz der Mitarbeitenden ist wiederum von der Grösse des jeweiligen Finanzdienstleis- ters abhängig. Eine automatisierte Lösung ist spätestens ab einer Grenze von 200 oder mehr Mitarbeitenden, die direkt Duperrut/Hines: Für unsere Banken ist der Einsatz eines mo- oder indirekt in die Anlageberatungs-Wertschöpfungskette dernen Tools nicht verhältnismässig. Über Rollenverteilungen involviert sind, empfehlenswert. Hier gibt es verschiedene sehen wir aber gewisse Möglichkeiten, wie auch kleine bis Tools am Markt, die teilweise spielerische Ansätze verfolgen – mittelgrosse Banken manuelle Prozessschritte technisch un- Stichwort «Gamification», also ähnlich einem Computerspiel –, terstützen können (wer hat welche Berechtigungen bzw. Kom- um die Mitarbeitenden für die Weiterbildung zu motivieren und petenzen?). Voraussetzung dafür sind aber klare, vorgängige gleichzeitig im Hintergrund die Lernerfolge zu dokumentieren interne Zuordnungen (zu Funktionen und Kundengruppen) so- und vergleichbar zu machen. wie entsprechende Schulungen. Steiner: Im Gegensatz zu Rekrutierungs-, Auswahl- oder Wei- terbildungsprozessen liegt beim fokussierten Anlageprozess der Schwerpunkt darauf sicherzustellen, dass gegenüber dem Kunden handelnde Mitarbeitende nur Aufgaben und inhaltli- che Kommunikation ausführen, für welche sie über die not- wendige Qualifikation, Sachkenntnis und Erfahrung verfügen. Dies schliesst Massnahmen ein, welche das möglichst zeitnahe Erkennen eines bewussten oder unbewussten Fehl- verhaltens ermöglichen. Aus technischer Sicht sind verschiedene Validierungen und Prüfungen während sowie vor und nach einem Anlage- prozess denkbar. In Ergänzung zu den heute meist vorhandenen Berechti- gungslösungen ist es vorstellbar, durch Definition und Zuord- nung von Mitarbeitenden-Qualifikations- und Rollenprofilen zu im System geführten Mitarbeitenden (User) zeitnah und mit vernünftigem Aufwand verschiedene Validierungsmecha- nismen durchzuführen, z. B. gegenüber der Erwartungshal- tung des Kunden (Kunden-Anlagestrategie, Kundenkenntnisse und ‑erfahrungen), den zur Diskussion stehenden Anlagein- strumenten (Finanzinstrumententyp, Risiko) oder der Art der zu erbringenden Finanzdienstleistung (Anlageberatung, Ver- mögensverwaltung). Mit Monitoring Reports lassen sich mitarbeiterinduzierte Abweichungen von einem Standardprozess erkennen und hin- terfragen.
Ein explizites Beratungsprotokoll ist nach FIDLEG nicht gefordert, es werden jedoch umfangreiche Anforderungen an die Dokumen- tation gestellt, die dem Kunden verfügbar gemacht werden kann oder muss. Welche Anforderungen/Empfehlungen ergeben sich aus Sicht Compliance an die Datenhaltung? Taschner: Die Pflichten in Bezug auf die Dokumentation unterscheiden sich nicht massgeblich von der aktuell gelebten Praxis. Neu hinzuge- kommen ist jedoch die Anforderung, dass dem Kunden auf Anfrage eine Kopie des Kundendossiers innert drei Arbeitstagen zugänglich gemacht werden muss. Diese Anforderung könnte zum aktuellen Zeitpunkt von vielen Instituten nur schwer erfüllt werden; dafür wären aller Voraussicht nach weitere Anstrengungen notwendig. Darüber hinaus sind es die mit der Erbringung einer Finanzdienstleistung verbundenen Kosten, die dem Kunden offenzulegen sind und zu einem nicht zu unterschätzenden Auf- wand hinsichtlich Datenhaltung und Datensourcing führen können. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, einen standardisierten Prozess und standardisierte Dokumente zu erstellen, die das Dokumentieren und Aus- händigen der notwendigen Informationen unterstützen. Duperrut/Hines: Wir streben eine pragmatische Lösung durch Ergän- zung der bestehenden Kommunikationsmittel an, beispielsweise durch Ergänzen der heutigen Anlagevorschläge mit Kosteninformationen so- wie Informationen zu den einzelnen Transaktionen bezüglich Angemes- senheit und Eignung. Steiner: Dokumentation ist aus Gründen der Nachweisbarkeit ein wich- tiger Anspruch. Unter FIDLEG wird erwartet, dass die zu dokumentie- renden Inhalte dem Kunden – in Absprache oder auf Anfrage – bereit- gestellt werden. Aus technischer Sicht werden jede Dateneingabe und jeder Vorgang in einem System automatisch aufgezeichnet und somit dokumentiert. Die Nutzbarmachung dieser Informationen in geeigneter Form kann teilweise aufwändige Datenabfragen und Layout-Definitionen erfordern. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, einerseits die Dokumenta- tion und die Ablage von Daten in möglichst strukturierter Form durchzu- führen (z. B. Beratungsprotokoll) und andererseits Standard-Reports zu definieren, um Kundenanfragen mit vernünftigem Zeitaufwand mittels Konfiguration ausführen zu können.
10 Die regulatorischen Anforderungen gelten unabhängig vom Vertriebskanal. Welche Herausforderungen ergeben sich für die Anlageberatung bei einer zunehmend gemischten Nutzung von Vertriebskanälen? Taschner: Dass die regulatorischen Anforderungen an die Anlageberatung unab- hängig vom gewählten Vertriebskanal gelten macht Sinn und kann durchaus als Chance begriffen werden, um die dahinterstehenden Prozesse weiter zu standar- disieren bzw. die damit verbundenen Kosten zu optimieren. Als Herausforderung bei der gemischten Nutzung verschiedener Vertriebskanäle sehe ich einerseits das Erreichen der notwendigen Konsistenz im Ergebnis der Beratung sowie das damit verbundene Kundenerlebnis. Andererseits, wenn auch indirekt damit verbunden, ergibt sich die technische Frage der Datensynchronisation entsprechend den un- «Die regulatorischen Anforderungen an die Anlageberatung können durchaus als Chance begriffen werden, um die dahinterstehenden Prozesse zu standardisieren und die damit verbundenen Kosten zu optimieren.» Michael Taschner, PwC terschiedlichen Kanälen. Duperrut/Hines: Es ist davon auszugehen, dass bei bestimmten Dienstleistungen nicht mehr alle «Funktionalitäten» in allen Vertriebskanälen zur Verfügung gestellt werden (wie das heute bereits bei der Vermögensverwaltung der Fall ist). Dadurch verbessert sich aus unserer Sicht das Kundenerlebnis. Zudem kann dies auch die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflicht vereinfachen. Steiner: Der Regulator unterscheidet beim FIDLEG grundsätzlich nicht nach dem Vertriebskanal. Die regulatorischen Anforderungen sind dementsprechend unab- hängig vom Kanal zu erfüllen. Die zunehmend gemischte Nutzung von Kanälen ist heute Realität; ein Kunde am Telefon wird zum Beispiel für das Bestätigen von Vorgängen oder das Abrufen von Informationen auf das den Kunden identifizierende E-Banking-/Mobile-Banking- Portal verwiesen. Neben zahlreichen organisatorischen Herausforderungen sollte aus technischer Sicht berücksichtigt werden, dass die Herausforderungen an fallabschliessende und gleichzeitig verschiedene Szenarien berücksichtigende Workflows mit zunehmen- dem Automatisierungsgrad exponentiell ansteigen. Ein Beispiel: Die elektronische Eingabe der Kenntnisse und Erfahrungen durch den Kunden (Kundeneinschätzung) sollte technisch umgehend in eine regelbasierte Bankeinschätzung transformiert werden können. Abschliessend wäre zu erwähnen, dass ein Multi-Channel-Ansatz heute meist mit dem Einsatz verschiedener Applikationen verbunden ist. Hier erscheint es sinn- voll, vorgängig die Konnektivität dieser Systeme untereinander zu analysieren und möglichen Bedarf an Schnittstellenerweiterungen oder Alternativlösungen zu iden- tifizieren (ist es z. B. möglich, via Mobile Banking auf das für die Eignungsprüfung grundsätzlich vorgesehene Beratungstool zuzugreifen?).
03.19 Michael Taschner ist bei PwC Legal Schweiz verantwortlich für die ef- fiziente und praxisnahe Interpretation sowie Implementierung von auf- sichtsrechtlichen Anforderungen im Finanzsektor. Darüber hinaus leitet Michael das Regulatory Center of Excellence für PwC Europe und ist ei- ner der Urheber des PwC Legal‘s Regulatory Radar. Michael weist eine über 10-jährige Erfahrung im Bereich Banking und Aufsichtsrecht auf; davor war er vier Jahre in der IT-Branche als Software Engineer und Consultant für Portfolio- und Risikomanagement-Lösungen sowie die Bewertung von strukturierten Produkten tätig. Olivier Duperrut arbeitet seit 2017 als Fachverantwortlicher Compli- ance für die ESPRIT Netzwerk AG und ist für die Themen FIDLEG, AIA, FATCA, VSB und Geldwäscherei zuständig. Vor seiner Tätigkeit bei der ESPRIT Netzwerk AG war Olivier unter anderem rund 4 Jahre bei PostFinance als Compliance Officer tätig. Olivier hat das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Univer- sität Bern abgeschlossen. Bereits während seinem Studium hat er für verschiedene Banken im Bereich Kundenberatung gearbeitet. Alexander Hines arbeitet seit Ende 2016 als Fachverantwortlicher / Busi- ness Analyst Anlegen für die ESPRIT Netzwerk AG und ist unter ande- rem für regulatorische Themen mit Schwerpunkt im Anlagebereich ver- antwortlich. Vor seiner Tätigkeit bei der ESPRIT Netzwerk AG war Alexander so- wohl in der Wertschriftenadministration als auch in der Kundenbetreuung bei verschiedenen Schweizer Finanzinstituten tätig. Nach einer Banklehre hat Alexander sein Studium in Business Administration mit Vertiefung in Finance & Banking an der Fachhochschule Luzern abgeschlossen. Michael Steiner unterstützt Finnova bei der Analyse und Umsetzung regulatorischer Fragestellungen. Er ist diplomierter Betriebswirt und hat weiterführend u. a. den Studiengang DAS Compliance Management ab- solviert. Seine beruflichen Erfahrungen fokussieren auf die Finanzwirtschaft, wo er in verschiedenen Funktionen und Fachbereichen für Banken und bankbezogene Dienstleister tätig ist. Seit über 10 Jahren ist er Mitarbei- tender des Beratungsunternehmens Banking Concepts (Basel). Empfänger Kontakt und weitere Informationen Dieses Dokument geht an unsere Verteiler Für weitere Fragen steht Ihnen unser Product Ma- «Compliance & Tax» und «Management Suite». nager Compliance, PM Data Analytics & Compli- ance, Nikolai Tsenov, gerne zur Verfügung. nikolai.tsenov@finnova.com +41 62 886 63 29 SMARTER BANKING finnova AG Bankware Merkurstrasse 6 5600 Lenzburg T +41 62 886 47 47 www.finnova.com Schweiz F +41 62 886 48 88 info@finnova.com
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