COMPUTERSPIELSUCHT HINTERGRÜNDE UND AUSWIRKUNGEN DER - Eine Bachelorarbeit von Daniel Laesser - Zenodo
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HINTERGRÜNDE UND AUSWIRKUNGEN DER CO MP U TE R SP I E L SU C HT AUF MÄNNLICHE JUGENDLICHE ZWISCHEN 12 UND 19 JAHREN Eine Bachelorarbeit von Daniel Laesser
Bachelor-Arbeit Ausbildungsgang Sozialpädagogik Kurs VZ 2014 – 2017 Daniel Laesser Hintergründe und Auswirkungen der Computerspielsucht auf männliche Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren Ein Überblick über das Themengebiet der Computerspiele und die Bedeutung für die sozialpädagogische Praxis Diese Bachelor-Arbeit wurde im August 2017 eingereicht zur Erlangung des vom Fachhochschulrat der Hochschule Luzern ausgestellten Diploms für Sozialpädagogik. Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie enthält die persönliche Stellungnahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren. Veröffentlichungen – auch auszugsweise – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung Bachelor. Reg. Nr.:
Originaldokument gespeichert auf LARA – Lucerne Open Access Repository and Archive der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Schweiz Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzuschauen, gehen Sie bitte zu https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/ch/ Oder schicken Sie einen Brief an Creative Commons, 171 Second Street, Suite 300, San Francisco, California 95105, USA. Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Dokument steht unter einer Lizenz der Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Schweiz http://creativecommons.org/ Sie dürfen: Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten Zu den folgenden Bedingungen: Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders. Nicht kommerziell — Sie dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen. Keine Bearbeitungen — Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten. Im Falle einer Verbreitung müssen Sie anderen die Lizenzbedingungen, unter welche dieses Werk fällt, mitteilen. Jede der vorgenannten Bedingungen kann aufgehoben werden, sofern Sie die Einwilligung des Rechteinhabers dazu erhalten. Diese Lizenz lässt die Urheberpersönlichkeitsrechte nach Schweizer Recht unberührt. Eine ausführliche Fassung des Lizenzvertrags befindet sich unter https://creativecommons.org/licenses/by-nc- nd/3.0/ch/legalcode.de
Vorwort der Schulleitung Die Bachelor-Arbeit ist Bestandteil und Abschluss der beruflichen Ausbildung an der Hoc h- schule Luzern, Soziale Arbeit. Mit dieser Arbeit zeigen die Studierenden, dass sie fähig sind, einer berufsrelevanten Fragestellung systematisch nachzugehen, Antworten zu dieser Frageste l- lung zu erarbeiten und die eigenen Einsichten klar darzulegen. Das während der Ausbildung erworbene Wissen setzen sie so in Konsequenzen und Schlussfolgerungen für die eigene beru f- liche Praxis um. Die Bachelor-Arbeit wird in Einzel- oder Gruppenarbeit parallel zum Unterricht im Zeitraum von zehn Monaten geschrieben. Gruppendynamische Aspekte, Eigenverantwortung, Auseina n- dersetzung mit formalen und konkret-subjektiven Ansprüchen und Standpunkten sowie d ie Be- hauptung in stark belasteten Situationen gehören also zum Kontext der Arbeit. Von einer gefestigten Berufsidentität aus sind die neuen Fachleute fähig, soziale Probleme als ihren Gegenstand zu beurteilen und zu bewerten. Sozialpädagogisches Denken und Handeln ist vernetztes, ganzheitliches Denken und präzises, konkretes Handeln. Es ist daher nahe liegend, dass die Diplomandinnen und Diplomanden ihre Themen von verschiedenen Seiten beleuchten und betrachten, den eigenen Standpunkt klären und Stellung b eziehen sowie auf der Hand- lungsebene Lösungsvorschläge oder Postulate formulieren. Ihre Bachelor-Arbeit ist somit ein wichtiger Fachbeitrag an die breite thematische Entwicklung der professionellen Sozialen Arbeit im Spannungsfeld von Praxis und Wi ssenschaft. In diesem Sinne wünschen wir, dass die zukünftigen Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit ihrem Beitrag auf fachliches Echo stossen und ihre Anregungen und Impulse von den Fachleuten auf- genommen werden. Luzern, im August 2017 Hochschule Luzern, Soziale Arbeit Leitung Bachelor
Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Friedrich Schiller (1795), zit. in Arthur Jung (1875), S. 242.
Abstract Ausgangslage Interaktive Medien sind in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet. Insbesondere Computerspiele erfreuen sich bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren grosser Beliebtheit. So nutzen 91% der männlichen Ju- gendlichen regelmässig Computerspiele. Computerspie- le weisen auch Risiken auf. Im DSM-5 wurden diagnos- tische Kriterien einer Computerspielsucht definiert, welche nun in der Forschung Einfluss finden. Zielsetzung Der Autor zeigt Hintergründe und Auswirkungen der Computerspielsucht anhand von 12- bis 19-jährigen männlichen Jugendlichen auf, um den Professionellen der Pädagogischen Arbeit durch Grundwissen mehr Si- cherheit zu bieten. Es werden Handlungsempfehlungen für die sozialpädagogische Praxis abgegeben. Umsetzung Eine Analyse der bestehenden Literatur unter anderem aus den Bereichen der Sozialpädagogik ermöglichen den Wissensaufbau zum Themenfeld der Computer- spielsucht mit ihren Hintergründen und Auswirkungen. Ergebnisse Eine Computerspielsucht hat vielfältige Auswirkungen auf das soziale Umfeld, auf die körperliche und die psy- chische Gesundheit und auf die intellektuelle Leistungs- fähigkeit. Diese werden in dieser Bachelorarbeit darge- legt. Schlussfolgerungen Im Bereich der Aus- und Weiterbildung braucht es mehr und bessere Angebote zum Fachbereich Medienkompe- tenz, unter anderem mit dem Themenbereich Computer- spiele. Nebst dem braucht es Langzeitstudien, um die Auswirkungen einer Computerspielsucht darlegen zu können.
Inhaltsverzeichnis Vorwort.................................................................................................. 1 1. Einleitung........................................................................................... 3 1.1 Hypothesen und Fragestellungen....................................................................4 1.2 Zielsetzung....................................................................................................7 1.3 Berufsrelevanz und AdressatInnen. . ................................................................8 1.4 Aufbau der Arbeit..........................................................................................8 2. Computerspiel.................................................................................. 10 2.1 Definition Computerspiel.............................................................................10 2.2 Computerspielnutzung von Jugendlichen......................................................12 2.3 Computerspiele als Teil der Kultur...............................................................15 2.4 Jugendschutz ..............................................................................................17 2.5 Spielgenres..................................................................................................19 2.6 Funktionen des Spielens. . .............................................................................20 2.7 Motivation des Spielens...............................................................................22 3. Computerspielsucht.......................................................................... 24 3.1 Sucht...........................................................................................................24 3.2 Differenzierung einer Internet- und einer Computerspielsucht . . .....................25 3.3 Computerspielsucht im DSM-5.. ...................................................................26 3.4 Entstehung einer Computerspielsucht...........................................................28 3.4.1 Neurobiologische Sicht........................................................................28 3.4.2 Lernpsychologische Sicht....................................................................29 3.4.3 Systemische Sicht................................................................................30 3.4.5 Entstehung einer Computerspielsucht auf Basis des DSM-5..................31 3.5 Prävalenz der Computerspielsucht................................................................32 3.6 Risikofaktoren.............................................................................................33 3.6.1 Personenbezogene Risikoindikatoren.. ..................................................34 3.6.2 Spielbezogene Risikoindikatoren.. ........................................................35 3.6.3 Sozialisationsbezogene Risikoindikatoren............................................35 4. Auswirkungen der Computerspielsucht. . ............................................ 37 4.1 Computerspielsucht als psychische Primärerkrankung..................................37 4.2 Soziale Auswirkungen. . ................................................................................37 4.3 Auswirkungen auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit................................39 4.4 Gesundheitliche Auswirkungen....................................................................40 4.4.1 Körperliche Gesundheit.......................................................................40 4.4.2 Psychische Gesundheit. . .......................................................................41 5. Schlussfolgerungen........................................................................... 43 5.1 Bedeutung für die Praxis..............................................................................43 5.1.1 Ausbildungsstätten. . .............................................................................44 5.1.2 Institutionen der Sozialpädagogik........................................................45
5.2 Fazit............................................................................................................46 5.3 Ausblick......................................................................................................47 Anhang....................................................................................................I A Literaturverzeichnis...........................................................................................II B Abbildungsverzeichnis..................................................................................... IX C Tabellenverzeichnis. . ......................................................................................... X D Glossar........................................................................................................... XII Abbildungen Abbildung 1: Anzahl der Publikationen zur Computerspielsucht ...................................... 5 Abbildung 2: Veranschaulichung eines Personal Computers der Marke HP..................... 10 Abbildung 3: Freizeitaktivitäten der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren . 13 Abbildung 4: Lieblingscomputerspiele der Schweizer Jugendlichen 2016 ...................... 15 Abbildung 5: Postulierte pathologische Nutzungsweisen der Internet- und Computerspielabhängigkeit und die Abhängigkeit von Onlinespielen als ihr Überschneidungsbereich.......................................................................... 26 Abbildung 6: Zusammenhänge der diagnostischen Elemente einer MMORPG-Sucht .... 32 Abbildung 7: Das Suchtdreieck als mögliches Einordnungsschema von Risikofaktoren für Computerspielabhängigkeit................................................................... 34 Tabellen Tabelle 1: PEGI-Altersempfehlungen nach PEGI ............................................................ 18 Tabelle 2: PEGI-Inhaltssymbole ...................................................................................... 19 Tabelle 3: Die Spielgenres ............................................................................................... 20
Vorwort Der Autor dieser Bachelorarbeit ist selbst ein Konsu- ment von diversen Spielen und bezeichnet das Spielen als eine seiner Leidenschaften. Der Autor liebt jegliche Spiele, sei dies ein Brettspiel wie Siedler von Catan, ein Konsolenspiel wie Fifa 17 oder ein Kubb in der Jung- schar. Nebst diesem persönlichen Interesse ist der Autor dieser Bachelorarbeit in seinen verschiedenen Praktika sehr häufig mit elektronischen Spielen konfrontiert wor- den, sei dies in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie mit Kindern zwischen 6 und 13 Jahren oder in einer Tages- sonderschule mit 13- bis 17-jährigen Jugendlichen. Das Spiel, sowohl elektronische Spiele als auch sonstige Spiele wie bspw. Rollenspiele oder Brettspiele, ist für Kinder und Jugendliche gemäss den Beobachtungen des Autors von grosser und wichtiger Bedeutung und macht bei ihnen einen grossen Teil ihres Lebens aus. Zudem war in den Institutionen gemäss den Erfahrungen des Autors kein umfassendes Medienkonzept vorhanden, sondern nur eine Regelung bezüglich der Nutzungszei- ten und ein Verbot von gewalthaltigen Computerspielen, was der Autor auf eine Unsicherheit in Bezug auf elekt- ronischen Spielen zurückführt. Darum möchte der Autor mit dieser Bachelorarbeit einen Teil dazu beitragen, dass dieses momentan schlecht überschaubare Gebiet der Computerspiele erhellt wird und dadurch bei den Leserinnen und Lesern dieser Bachelorarbeit eine allfäl- lige Unsicherheit vermindert werden kann. Zudem er- hofft sich der Autor, dass der Bereich Computerspiele auch im Fachgebiet der Sozialpädagogik ein grösseres Gewicht und eine grössere Beachtung erhält. Folgenden Personen dankt der Autor für die Unterstüt- zung und Rat: Meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden für die Zeit während des Erstellens der Bachelorarbeit, ins- besondere auch für die Geduld und das Verständnis. Weiter auch ein grosses Dankeschön an Olivier Steiner, Isabel Willemse und Renato Hüppi für die Fachpoolge- spräche, die den Horizont erweitert haben und bei der Eingrenzung der Fragestellung sehr geholfen haben. Zum Schluss gilt der Dank auch allen Mitstudierenden, welche im Bachelorkolloquium mitgedacht haben und dem Autor damit weitergeholfen haben. 1
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1 Kapitel 1 Einleitung Die Medien sind gemäss Sabine Feierabend, Ulrike Karg und Thomas Rathgeb (2014) in der heutigen Gesellschaft tief verankert und für unseren Alltag von besonderer Bedeutung (S.29). Der Durchbruch der interaktiven Medien hatte nach Florian Rehbein und Thomas Mössle (2012) tiefgreifende Auswirkungen auf den Alltag der meisten Menschen. So ha- ben die interaktiven Medien die menschliche Kommunikation sowie die Freizeitgestal- tung verändert und auf weitere Bereiche wie bspw. auch die Arbeit Auswirkungen (S.392). Die interaktiven Medien beeinflussen damit wichtige Lebensbereiche und elementare Grundbedürfnisse wie z.B. den Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit (ebd.). Dass die in- teraktiven Medien überhaupt eine solche Bedeutung erlangen konnten, liegt hauptsächlich am technologischen Fortschritt, insbesondere der Durchbruch des Internets hat bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle gespielt. Gemäss The World Bank (ohne Datum) ist die Zahl der weltweiten Internetnutzer von 6,77 % im Jahr 2000 auf 43,86 % im Jahr 2015 ge- stiegen, was die Bedeutung der interaktiven Medien und die Nutzung des Internets unter- streicht. In der Schweiz kommen die Zahlen zur Internetnutzung von der JAMES-Studie von Gregor Waller, Isabel Willemse, Sarah Genner, Lilian Suter und Daniel Süss (2016), so besitzen 97 % der Haushalte mit Jugendlichen einen Internetzugang (S.13). Nebst einem Internetzugang besitzen nach Waller et al. (2016) 76 % der Jugendlichen einen eigenen Computer und 41 % eine feste Spielkonsole (S.17). Auch die Bedeutung der Computer- spiele hat stark zugenommen, wenn man die Nutzungszeiten genauer betrachtet. So hat sich nach Rehbein die Nutzungszeit von Computerspielen bei 15-jährigen Jugendlichen zwischen 2000 und 2007 mehr als verdoppelt und beträgt nun rund 56 Minuten bei den Mädchen und 141 Minuten bei den Jungen (Rehbein, 2011; zit. in Rehbein & Mössle, 2012, S.392). Anhand dieser Nutzungszahlen wird die Bedeutung der interaktiven Medien für unsere Gesellschaft deutlich. Da die Medien wie erläutert in unserer Gesellschaft tief verankert sind, wachsen Jugend- liche nach Daniel Süss und Eveline Hipeli (2010) heutzutage multimedial auf und wer- den in den Medien als Generation @, Multimedia-Generation oder als Gamer-Generati- on beschrieben (S.144). Die Medien sind im Alltag von Jugendlichen von zentraler Bedeutung und ein wichtiges Element im Sozialisationsprozess (ebd.). Dies lässt sich auch am Nutzungsverhalten der Jugendlichen verdeutlichen. So werden nach der JAMES-Studie 2016 von Waller et al. (2016) von den medialen Freizeitaktivitäten das Smartphone mit Abstand am meisten genutzt. Konkret heisst dies, dass 99 % der Schwei- zer Jugendlichen ihr Handy täglich oder mehrmals pro Woche gebrauchen (S.22). Wenn man weitere Kennzahlen der Mediennutzung von 12- bis 19-jährigen Jugendlichen ge- nauer betrachtet, kann man erkennen, welch grosse Bedeutung die Medien in ihrem Le- ben und ihrem Alltag haben (vergleiche Punkt 2.2). Der Fokus dieser Bachelorarbeit liegt auf einem besonderen Teil der medialen Frei- zeitaktivitäten nämlich den Computerspielen. Nach Waller et al. (2016) wird das Gamen von 40 % der Schweizer Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche betrieben (S.23). Dabei scheint das Gamen bei männlichen Jugendlichen weit verbreitet zu sein, denn ge- mäss der JAMES-Studie von Waller et al. (2016) beschäftigen sich 91% der männlichen 3
Jugendlichen regelmässig mit Computerspielen (S.59). Wenn man nun aufgrund der Nut- zungszahlen davon ausgeht, dass das Computerspielen zur Lebenswelt von männlichen Jugendlichen gehört, braucht es bei der täglichen Arbeit mit Jugendlichen ein fachlich grundiertes Wissen über Computerspiele. Dieses soll mit dieser Bachelorarbeit dargelegt werden. 1.1 Hypothesen und Fragestellungen Aus den bisherigen Erfahrungen des Autors wird die Hypothese aufgestellt, dass viele Fachpersonen der Sozialen Arbeit, viele Lehrpersonen sowie weitere Fachpersonen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und viele Eltern eine Unsicherheit im Umgang mit Computerspielen aufweisen und ihnen der Umgang damit schwerfällt. Dies liegt insbeson- dere daran, dass einerseits in den Medien zumeist ein negatives Bild von Computerspiele- rinnen und Computerspielern gezeichnet wird, wie man an den sogenannten Killerspielen sehen kann. Beispielhaft für diesen Diskurs in den Medien steht nach Peter Nauroth, Jens Bender, Tobias Rothmund und Mario Gollwitzer (2014) die öffentliche Berichterstattung nach den Gewalttaten an deutschen Schulen in Erfurt im Jahr 2002, Emsdetten im Jahr 2006 und Winnenden im Jahr 2009 und die Diskussion über die Folgen des Konsums von gewalthaltigen Computerspielen (S.82). Andererseits vermutet der Autor, dass sich die Fachpersonen der Sozialen Arbeit, die Lehrpersonen und die Eltern selber in der Welt der Computerspiele nicht oder nur sehr selten bewegen und durch diese Unkenntnis der Com- puterspiele eine Wissenslücke haben, welche Unsicherheiten auslösen kann. Den Grund dafür sieht der Autor der Arbeit vor allem darin, dass viele Fachpersonen der Sozialen Ar- beit, viele Lehrpersonen und viele Eltern als Digital Immigrants aufgewachsen sind und nicht zur Generation Y gehören. Die Generation Y ist gemäss Wolfgang Appel (2013) die Generation, welche von 1986 bis 2000 geboren wurde und mit der Informationstechnolo- gie aufgewachsen ist (S.4). Im Gegensatz dazu steht die Generation der Digital Immigrants, welche nach Appel (2013) «den Umgang mit modernen Techniken wie eine Fremdspra- che» erlernen müssen (S.6). Deshalb haben die Digital Immigrants gegenüber der Genera- tion Y einen grossen Nachteil im Umgang mit den interaktiven Medien. Dass wie vom Autor vermutet ein Grossteil der Fachpersonen im Sozialbereich noch Digital Immigrants sind, lässt sich auch mit einer Statistik über die Altersstruktur der Arbeitnehmer im Sozial- bereich belegen. Denn nach Miriam Frey, Nils Braun und Philipp Waeber (2011) sind 66 % der Beschäftigten in Sozialberufen älter als 35 Jahre (S.10f). Damit können zwei Drittel der Beschäftigten im Sozialsektor als Digital Immigrants bezeichnet werden, was die Hypothese des Autors unterstreichen könnte. Schliesslich stellt der Autor weiter die Hypothese auf, dass aufgrund dieser verschiedenen Einflüsse das Thema der Computerspiele in der Ausbildung des Fachbereichs Sozialpäda- gogik nur am Rande behandelt wird. Als Beispiel hierzu kann der Studienführer der Hoch- schule Luzern (2017) beigezogen werden, in welchem es nur ein Wahlmodul zum Thema Medien gibt, eine Blockwoche zu den Medienkompetenzen für die Soziale Arbeit (S.79). Der Studienplan des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule (2017) zeichnet ein ähnliches Bild, denn auch dort spielt das Thema Medien zumindest bei den Modulbezeichnungen keine Rolle. Einzig gibt es gemäss der Berner Fachhochschule (ohne Datum) ein Wahlmodul zur Sozialen Arbeit in der digitalen Gesellschaft, wobei dort der Schwerpunkt aber eher auf der Kommunikation und den Social Media liegt. Deshalb 4
geht der Autor davon aus, dass Computerspiele in diesem Modul nicht oder nur am Rande behandelt werden, was die Hypothese bestätigen könnte. Allerdings ist bezüglich der Aus- bildung auch zu sagen, dass sich die Forschung in den letzten Jahren gerade im Themen- bereich der Computerspiele stark entwickelt hat, wie man an der Anzahl der Publikationen zur Computerspielsucht sehen kann (siehe Abbildung 1). Dementsprechend könnten diese Forschungen auch in naher Zukunft Einfluss auf die Ausbildung im pädagogischen Fach- bereich haben. Abbildung 1: Anzahl der Publikationen zur Computerspielsucht (leicht modifiziert nach Rehbein & Mössle, 2012, S. 392) Auf der Grundlage dieser Hypothesen möchte der Autor mit dieser Bachelorarbeit ein Teil dazu beitragen, dass die Unsicherheit bei Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen im Um- gang mit Computerspielen sinkt und Einfluss in der Ausbildung und in der Praxis findet. Der Fokus dieser Bachelorarbeit liegt darum einerseits auf einem Überblick über Computer- spiele und die Nutzung der Jugendlichen und andererseits auf einer Computerspielsucht und deren Auswirkungen. Die Computerspielsucht ist in der Forschung aktuell ein grosses The- ma, insbesondere seit der Revision des Diagnostic and statistical manual of mental deseases [DSM-5] der American Psychiatric Association [APA], welche im Jahr 2013 die fünfte Edi- tion herausgegeben hat. Denn in dieser Revision wurde gemäss Florian Rehbein, Thomas Mössle, Nicolas Arnaud und Hans-Jürgen Rumpf (2013) die Computerspielabhängigkeit in den Anhang des DSM-5 aufgenommen und im Sinne einer Forschungsdiagnose einheitliche Diagnosekriterien vorgegeben (S.570). Dass die Bedeutung in der Forschung zur Computer- spielsucht zugenommen hat, lässt sich, wie bereits erwähnt, auch an der Anzahl Publikatio- nen zur Computerspielsucht sehen (siehe Abbildung 1). Als Grundlage für diese Bachelorarbeit dient die folgende Fragestellung: Was sind die Hintergründe und Auswirkungen der Computerspielsucht von 12- bis 19-jährigen männlichen Jugendlichen? Der Autor dieser Bachelorarbeit hat sich in der Fragestellung auf die männlichen Ju- gendlichen fokussiert, weil Computerspiele vor allem von männlichen Jugendlichen genutzt werden. Dies zeigt die bereits erwähnte JAMES-Studie von Waller et al. (2016), 5
welche beschreibt, dass 91 % der männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren in der Schweiz ab und zu oder regelmässig Computerspiele nutzen (S.59). Dementspre- chend sind nach Florian Rehbein (2014) vor allem männliche Jugendliche gefährdet, an einer Computerspielsucht zu erkranken, was auch den Fokus der Fragestellung be- gründet. Des Weiteren vermutet der Autor aufgrund seiner Praxiserfahrungen, dass in den sozialpä- dagogischen Einrichtungen der Schweiz zu einem grösseren Teil männliche Kinder und Jugendliche sind. In der Schweiz gibt es jedoch keine verlässlichen Zahlen zu den Ge- schlechterverteilungen in den sozialpädagogischen Einrichtungen, lediglich zur Anzahl der verschiedenen Fremdplatzierungen gibt es gemäss der Konferenz für Kindes- und Er- wachsenenschutz [KOKES] (2015) Zahlen. Als Vergleich wurden darum die Zahlen des statistischen Bundesamtes DSTATIS von Deutschland hinzugezogen. In der Statistik über die Erzieherischen Hilfen / Beratungen des statistischen Bundesamtes DSTATIS (2015) er- halten knapp 100 000 Kinder und Jugendliche eine Hilfe im Sinne der Heimerziehung. Da- von sind 65 552 männliche Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 27 Jahren, und 33 362 weibliche Kinder und Jugendliche, was bedeutet, dass rund 66 % der Kinder und Jugendli- chen in der Heimerziehung männlich sind (ebd.). Dies verdeutlicht, dass in der sozialpäd- agogischen Praxis der Heimerziehung in Deutschland zu einem grösseren Teil mit männli- chen Jugendlichen gearbeitet wird, und aufgrund dieser Zahlen vermutet der Autor für die Schweiz eine ähnliche Geschlechterverteilung. Aus diesen Gründen fokussiert sich diese Bachelorarbeit auf die männlichen Jugendlichen in der Schweiz, weil diese für die sozial- pädagogische Praxis von besonderer Bedeutung sind. Das Altersspektrum wurde in der Fragestellung so eingegrenzt, weil das Thema der Compu- terspiele erst zwischen 12 und 19 Jahren von grösserer Bedeutung wird. In der MIKE-Studie von Lilian Suter et al. (2015) gamen zwar 61 % der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren einmal oder mehrmals pro Woche (S.32). Da aber gemäss Suter et al. (2015) von den Kindern nur 15 % einen Computer oder einen Laptop und nur 9 % eine feste Spielkonsole im eigenen Zimmer besitzen, kann davon ausgegangen werden, dass die Eltern bei der Nutzung von Computerspielen eine grössere Kontrolle ausüben als bei Jugendlichen und darum die Nut- zungszeiten noch vonseiten der Eltern bestimmt werden (S.26). Dies zeigt sich auch an den Nutzungszeiten von Computerspielen. So spielen gemäss Suter et al. (2015) Kinder zwi- schen 6 und 13 Jahren nach Angaben der Eltern durchschnittlich 24 Minuten pro Tag (S.35). Wenn man dies mit den Zahlen der JAMES-Studie von Waller et al. (2016) vergleicht, sieht man grosse Unterschiede: 76 % der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren besit- zen einen eigenen Computer und 41 % der Jugendlichen eine eigene feste Spielkonsole (S.17). Gleichzeitig spielen gemäss Waller et al. (2016) die Jugendlichen unter der Woche im Mittelwert 81 Minuten pro Tag und am Wochenende 158 Minuten pro Tag (S.59). An diesen Zahlen kann man erkennen, dass die Computerspiele für die Jugendlichen von grö- sserer Bedeutung sind als noch im Kindesalter, weshalb der Autor die Fragestellung auf dieses Alter begrenzt hat. Bei dieser Altersspannweite ist zu beachten, dass die JAMES-Studie von Waller et al. (2016) ergeben hat, dass die Wichtigkeit der Computerspiele mit zunehmendem Alter abnimmt, so nutzen 57 % der 12- und 13-jährigen Jugendliche Computerspiele täglich oder mehr- mals pro Woche, währenddem nur noch 27 % der 18- und 19-jährigen täglich oder mehr- mals pro Woche gamen (S.23). Dementsprechend wird während diesem Alter der Grund- stein für die spätere Mediennutzung der Jugendlichen gelegt und ist in Bezug auf Medien 6
die prägendste und die wichtigste Zeit für die Jugendlichen. Dies könnte damit zusammen- hängen, dass nach der obligatorischen Schulzeit für viele Jugendliche mit der Lehre oder einer gymnasialen Ausbildung ein neuer Lebensabschnitt beginnt und dadurch weniger Zeit für mediale Freizeitaktivitäten vorhanden sind oder dass sich die Prioritäten verschie- ben. Sicher ist jedoch, dass in der gewählten Altersspannweite in der Hauptfrage die Rele- vanz von Computerspielen für männliche Jugendliche von grosser Bedeutung ist. Aufgrund der Hauptfragestellung haben sich verschiedene Unterfragen ergeben, die in die- ser Bachelorarbeit ebenfalls beantwortet werden sollen. Diese sollen einerseits dazu die- nen, dass die Leserin und der Leser ein Verständnis von Computerspielen und einer Com- puterspielsucht erhält, und andererseits, dass die Grundlagen für die Beantwortung der Hauptfragestellung geliefert werden können: Was sind Computerspiele? Von wem werden sie gespielt und aus welchen Gründen? Wie definiert sich eine Computerspielsucht? Was sind mögliche Auswirkungen einer Computerspielsucht auf 12- bis 19-jährige männliche Jugendliche? Was bedeuten die Erkenntnisse aus der Bachelorarbeit für die Praxis der Sozialpädagogik? 1.2 Zielsetzung Diese Bachelorarbeit verfolgt zwei Ziele. Auf der einen Seite soll diese Arbeit einen Ge- samtüberblick über Computerspiele und die Nutzung durch Jugendliche liefern. Damit soll die Unsicherheit der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen gemäss der Hypothese des Autors vermindert werden, indem ein fachliches Grundwissen geliefert wird. Auf der anderen Seite soll ein spezifischer Blick in ein schlecht überschaubares und einem starken Wandel unterwor- fenes Feld der Computerspielsucht ermöglicht werden. Dabei wird der aktuelle Forschungs- stand miteinbezogen und die Auswirkungen einer Computerspielsucht werden beleuchtet. Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist darum, in Anbindung an die Fragestellung, aufzuzeigen, · … was Computerspiele sind und von wem sie genutzt werden, · … was eine Computerspielsucht ist und was für Auswirkungen sie hat, · und welche Bedeutung die gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis der Sozialpädagogik haben. Dabei ist stets zu beachten, dass sich das Forschungsfeld der Nutzung von Computerspielen und der Computerspielsucht stetig weiterentwickelt und ausdifferenziert. Vor allem im Be- reich der Auswirkungen von Computerspielen wird aufgrund der neuen Version des DSM-5 der American Psychiatric Association (2013) momentan stark geforscht. Zudem kommt dazu, dass sich das Feld der Computerspiele sehr schnell verändert, da die Innovationskraft in diesem Bereich sehr gross ist. Aus diesen Gründen ist diese Bachelorarbeit nur eine mo- mentane Bestandsaufnahme des Wissensstandes und dementsprechend in einigen Jahren von neueren Forschungen überholt. 7
1.3 Berufsrelevanz und AdressatInnen Da wie bereits unter Punkt 1.1 genauer erläutert, viele Kinder und Jugendliche in sozialpä- dagogischen Heimen männliche Jugendliche sind und das Computerspielen zur Lebens- welt von männlichen Jugendlichen in diesem Alter gehört, ist das Thema der Computer- spiele für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, welche in ihrem sozialpädagogischen Alltag mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, von grosser Bedeutung. Wenn man nach Uwe Uhlendorff (2012) das Konzept der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit beherzigt, sollten sich Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen ein Bild der Lebenswelt der Klien- tinnen und Klienten und dieser Deutungen der Lebenswelten machen (S.710). Dies bedeu- tet, dass man ein fachliches Grundwissen über die Computerspiele haben sollte, um mit männlichen Jugendlichen lebensweltorientiert arbeiten zu können. Die Adressatinnen und Adressaten dieser Bachelorarbeit sind damit einerseits Fachperso- nen, welche mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und sich über die Thematik der Com- puterspiele ein Fachwissen aneignen möchten. Dies umfasst sowohl Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen als auch weitere Fachpersonen wie beispielsweise Schulsozial- arbeitende oder Lehrpersonen. Andererseits richtet sich diese Bachelorarbeit aber auch an die Ausbildungsinstitutionen und Praxisorganisationen von pädagogischen Fachpersonen, weil sie unter anderem auch für das fachliche Grundlagenwissen über verschiedene The- men in Aus- und Weiterbildung verantwortlich sind und dieses weitervermitteln. Dabei ist zu bedenken, dass nicht alle Praxisorganisationen und alle Ausbildungsinstitutionen gleich angesprochen sind, da das Praxisfeld der Sozialpädagogik und insbesondere der Sozialen Arbeit ausgesprochen heterogen ist. Wenn man die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit von Gregor Husi und Simone Villiger (2012) beizieht, kann man sehen, dass be- reits im Feld der Sozialpädagogik bspw. sozialpädagogische Institutionen mit Menschen mit einer Beeinträchtigung nicht gleich angesprochen sind wie das Arbeitsfeld der Heimerziehung, in welchem man als Fachperson täglich mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat (S.46). Da die Medien heutzutage ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind und möglicherweise unseren Alltag sogar noch weiter verändern werden, muss sich die Profession der Sozialen Arbeit mit diesen Veränderungen beschäftigen. Insbesondere die Fachpersonen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, welche als zentrale Aufgabe die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen haben, brauchen für eine lebensweltorientierte ein Grundwissen über Computerspiele und über weitere elektroni- sche Medien. Aus diesen Gründen erachtet der Autor der Bachelorarbeit das Thema der Computerspielsucht als Relevant für die Praxis der Sozialpädagogik. 1.4 Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit werden in Kapitel zwei und drei die relevanten Punkte zur Beantwortung der Fragestellung aufgeführt. Kapitel zwei soll dabei das Grundwissen über Computerspiele an sich liefern. Dies bein- haltet eine wissenschaftliche Definition von Computerspielen sowie eine Beschreibung der Nutzerinnen und Nutzer von Computerspielen mit Fokus auf 12- bis 19-jährige Ju- gendliche. Anschliessend wird die Bedeutung der Computerspiele als Teil der heutigen Kultur beleuchtet. Um den Leserinnen und Lesern einen tieferen Einblick in das Themen- 8
feld der Computerspiele zu ermöglichen, werden jugendschutzrelevante Bemühungen und die verschiedenen Spielgenres dargelegt. Zum Schluss des Kapitels wird anhand von Funktion und Motivation erläutert, warum überhaupt Computerspiele gespielt werden. Kapitel drei dient zur Wissenserweiterung über die Computerspielsucht. Dabei werden Diagnosekriterien beschrieben und insbesondere das Suchtkonzept steht im Vordergrund. Zudem werden Hintergründe zur Entstehung der Computerspielsucht unter den Aspekten der Neurobiologie, der Lernpsychologie, der systemischen Sicht und auf Basis von DSM-5 dargelegt. Zum Abschluss werden die Prävalenz von Computerspielsucht sowie die perso- nenbezogenen, spielbezogenen und sozialisationsbezogenen Risikofaktoren diskutiert. Das Ziel des vierten Kapitels ist es die Auswirkungen der Computerspielsucht gemäss dem aktuellsten Forschungsstand zu erläutern. Der Fokus liegt dabei gemäss der Fragestellung dieser Bachelorarbeit auf den jugendlichen Betroffenen. Es werden die sozialen Auswir- kungen im Umfeld, die Auswirkungen auf die intellektuelle Leistunngsfähigkeit und die gesundheitlichen Auswirkungen diskutiert. Kapitel fünf zeigt die Bedeutung dieser Bachelorarbeit für die Praxis. Computerspielsucht bildet ein wesentlicher Bestandteil von männlichen Jugendlichen und muss ausgehend von der Lebensweltorientierung auch in Aus- und Weiterbildung der Sozialen Arbeit mehr Ge- wicht erlangen, damit Unsicherheiten beseitigt werden können. Zur Prävention von Com- puterspielsucht sollten Kinder und Jugendliche zudem eine gute Ausbildung in Medien- kompetenz erhalten. Das Fazit liefert eine zusammenfassende Beantwortung der Fragestellung. Im Ausblick wird die zunehmende Digitalisierung angesprochen. 9
2 Kapitel 2 Computerspiel Das folgende Kapitel soll das Grundwissen über Computerspiele liefern. Ausgehend von verschiedenen Definitionen wird der Bereich der Computerspiele erhellt. Zudem werden die relevanten Aspekte von Computerspielen dargelegt. Darunter fallen sowohl die Nut- zung von Computerspielen und das Computerspiel als Teil der Kultur als auch die Situati- on des Jugendschutzes und die Darlegung der diversen Spielgenres. Zudem sind die Funk- tionen und Motive der Computerspielnutzung und die Chancen und Herausforderungen des Gamens von zentraler Bedeutung. 2.1 Definition Computerspiel Computerspiele sind nach Friedrich Krotz (2009) «Spiele mit dem Computer», wobei der Computer sowohl die Spielumgebung als auch den Gegner des Spiels simuliert (S.27). Bei dieser simplen Definition von Krotz stellt sich die Frage, was dabei genau als Computer ver- standen wird. Denn im normalen Sprachgebrauch versteht man unter einem Computer einen Personal Computer oder abgekürzt auch PC. Ein Personal Computer wird nach der Brock- haus Enzyklopädie Online (2017b) als «einen leistungsfähigen Einzelplatzrechner, der indi- viduell konfiguriert und erweitert werden kann und dessen Einsatzgebiet nicht auf spezielle Aufgaben eingeschränkt ist», definiert. Ein Personal Computer ist ein modulares Komplett- system, welches vor allem für den Heim- und Bürogebrauch verwendet wird (ebd.). Als Vi- sualisierung eines Personal Computers dient die Abbildung 2. Abbildung 2: Veranschaulichung eines Personal Computers der Marke HP (HP, ohne Datum) In der Definition von Krotz ist der Begriff Computer im wissenschaftlichen Sprachgebrauch und damit als umfassender zu verstehen. Die Brockhaus Enzyklopädie Online (2017a) defi- niert einen Computer als eine «elektronisch arbeitende Einrichtung, die Probleme dadurch löst, dass sie Daten nach einem vorgegebenen Algorithmus beziehungsweise Programm ver- arbeitet». Der Computer setzt sich aus der Hardware zusammen, welche alle technischen und realen Komponenten beinhaltet und die Probleme durch diese Hardware löst. Dazu ge- 10
hören alle Bauteile, die im Inneren auf elektronische oder mechanische Impulse reagieren (Brockhaus Enzyklopädie Online, 2017a). Dies bedeutet, dass nebst einem PC auch weitere elektronische Geräte wie bspw. ein Smartphone, eine Spielkonsole oder auch der Boardcom- puter eines Flugzeugs zur Kategorie des Computers gezählt werden und damit der Begriff Computer umfassender als im normalen Sprachgebrauch zu verstehen ist. Nachdem Krotz (2009) die Computerspiele als «Spiel mit dem Computer» definiert, benötigt es für eine Definition nun noch eine Definition des Spiels (S.27). Die geläufigste wissen- schaftliche Definition stammt von John Huizinga (2009), welcher den Begriff «Spiel» wie folgt definiert: Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festge- setzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von ei- nem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des «Anderssein» als das gewöhnliche Leben. (S.37) Diese Definition ergänzt Herbert Goetze (2002), indem er verschiedene übergreifende Merkmale, welche sich bei einem Spiel beobachten lassen, definiert (S.17). Diese sind folgende: · Positiver Affekt, Freude · Freiwilligkeit, Selbstkontrolle, intrinsische Motivation · Aktivität, Engagement · Flexibilität, Variation · Prozessorientierung · Quasi-Realität Der Begriff Spiel lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Bedeutung nicht vollständig und abschliessend definieren, weil stets kulturelle und historische Einflüsse auf den Begriff Spiel sowie die Definition von Spiel einwirken (Krotz, 2009, S.27). Als Beispiel für eine unter- schiedliche Bedeutung des Worts Spielen kann die englische Sprache beigezogen werden, in welcher das Wort «play» nicht dasselbe wie das Wort «game» bedeutet, obwohl es in der deutschen Übersetzung beides Spiel bedeutet (Krotz, 2009, S.27f). Hans Mogel (2008) un- terscheidet die Spiele in unterschiedliche Spielformen, welche von Menschen gespielt wer- den (S.137). Diese sind aufeinander aufbauend und von ihm folgend benannt (ebd.): 1. Funktionsspiel 2. Experimentierspiel 3. Frühes Symbolspiel 4. Konstruktionsspiel 5. Ausdifferenziertes Symbol- und Rollenspiel 6. Regelspiel Trotz dieser nicht abschliessenden Definition reicht die obige von Huizinga in Ergänzung mit den Merkmalen von Goetze und den Spielformen von Mogel aus, um sich darüber ei- nig zu werden, was als Spiel bezeichnet werden kann und was nicht. 11
Allerdings gilt es weiter zu beachten, dass sich sprachliche Ungenauigkeit bezüglich des Be- griffs Computer auch im allgemeinen Sprachgebrauch für den Gebrauch des Worts Compu- terspiel wiederfinden lässt. Man versteht normalerweise unter einem Computerspiel eine Software, welche auf einem Personal Computer läuft und spielerische Inhalte aufweist. Im Gegensatz dazu bezeichnet man Software, welche auf Spielkonsolen wie der Xbox One oder der Playstation 4 installiert werden. Im normalen Sprachgebrauch als Videospiele. Dies wi- derspiegelt auch die Definition des Duden (ohne Datum, a), welche Computerspiele als «Spiel, das mithilfe eines an einen Personal Computer angeschlossenen Monitors, der als Spielfeld, -brett dient, gespielt werden kann» definiert. In der englischen Sprache gibt es die- se Begriffsunschärfe nicht. Der English Oxford Dictionary (ohne Datum, b) definiert video game als «a game played by electronically manipulating images produced by a compu- ter program on a monitor or other display». Nebst dem Begriff video game gibt es auch den Begriff des computer game, welche nach dem English Oxford Dictionary (ohne Datum, a) soviel bedeutet wie «a game played using a computer, typically a video game». Damit um- fassen diese beiden Begriffe im Englischen die wissenschaftliche Definition des deutschen Worts Computerspiele und können als Synonyme verwendet werden. Eine weitere Definition des Begriffs Computerspiels stammt von Christoph Klimmt (2004), welcher Computerspiele als «interaktive Medienangebote, die zum Zweck der Unterhaltung hergestellt und genutzt werden», definiert (S.696). Gemäss dieser Definition fallen alle elek- tronischen Spiele, welche interaktiv genutzt werden unter den Begriff Computerspiel. Dem- entsprechend beinhaltet der wissenschaftliche Begriff des Computerspiels im Gegensatz zum alltäglichen Sprachgebrauch auch Videospiele. Trotzdem gilt es zu berücksichtigen, dass es im Fachdiskurs viele verschiedene Synonyme für Computerspiele gibt und dadurch Missverständnisse entstehen können. Diese sind, um nur einige Beispiele zu nennen, interak- tive Unterhaltungssoftware, Games oder elektronische Spiele. In dieser Bachelorarbeit wird der Begriff Computerspiel im Sinne der wissenschaftlichen Definition verwendet und schliesst damit nebst dem Computerspiel im alltäglichen Sprachgebrauch auch die Video- spiele und die Smartphonespiele ein, sofern nicht explizit etwas anderes erwähnt wird. Die weiteren Synonyme, die in dieser Arbeit für Computerspiele verwendet werden, sind eben- falls im wissenschaftlichen Sprachgebrauch der Computerspiele zu verstehen. Jürgen Fritz (2011) hat ebenfalls ein breites Verständnis von Computerspielen (S.15). Er ver- steht darunter nebst der Software, die der eigentliche Spielinhalt ist, auch die Hardware und immer häufiger auch ein Netzwerk, sowohl lokal als auch online. Auf Grundlage dieser rea- len Gegenstände simuliert der Computer einen virtuellen Raum, die virtuelle Spielwelt. Die- ser virtuelle Raum ist nicht «den Zwängen, Gesetzen, Regeln und Notwendigkeiten der rea- len Welt unterworfen» (ebd.). Die virtuelle Spielwelt bietet schliesslich den Raum für Spielprozesse. Damit wird sogleich klar, dass es für Computerspiele immer eine Spielerin oder einen Spieler braucht, da es ohne aktive Beteiligung einer Spielerin oder eines Spielers zu keinem Spielprozess kommt. Dementsprechend ist sein Verständnis von Computerspielen fokussiert auf den Spielprozess, welcher als zentrales Merkmal von Spielen gesehen wird (ebd.). 2.2 Computerspielnutzung von Jugendlichen In der JAMES-Studie von Waller et al. (2016) wurde eine repräsentative Erhebung des Me- dienverhaltens von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren in der Schweiz durchgeführt 12
und ausgewertet (S.2). Im Folgenden wird die Mediennutzung von 12- bis 19-jährigen Ju- gendlichen in der Schweiz behandelt. Im Fokus stehen dabei gemäss der Hauptfragestel- lung die männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren, es werden aber zu Ver- gleichszwecken auch die weiblichen Jugendlichen beigezogen. Um die Nutzung der elektronischen Medien besser einordnen zu können, hat die JAMES-Studie 2016 nebst den medialen Freizeitaktivitäten auch die Freizeitaktivitäten der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ohne Medien erhoben. Dabei ist zu beobachten, dass gemäss Waller et al. (2016) die häufigsten nonmedialen Freizeitbe- schäftigungen seit einigen Jahren konstant blieben (S.10). Die meistgenannten Aktivitä- ten von den Jugendlichen, welche täglich oder mehrmals pro Woche ausgeübt werden, waren Freunde treffen (79 %), Sport treiben (66 %) und ausruhen und nichts tun (58 %) (ebd.). Als Veranschaulichung von allen Freizeitaktivitäten, welche von Schweizer Ju- gendlichen täglich oder mehrmals pro Woche genutzt werden, dient Abbildung 3. Freizeitaktivitäten der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren Prozentangaben: Täglich / mehrmals pro Woche Abbildung 3: Freizeitaktivitäten der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren (eigene Darstellung auf der Basis von Waller et al., 2016, S.10) In der Schweiz ist gemäss Waller et al. (2016) bei den medialen Freizeitbeschäftigungen von männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren das Computerspielen bereits die fünft- häufigste Beschäftigung nach der Handynutzung, der Internetnutzung, dem Musikhören und dem Fernsehen, welche täglich oder mehrmals pro Woche ausgeübt werden (S.24). Dabei spielen von den 12- bis 19-jährigen männlichen Jugendlichen 64 % täglich oder mehrmals pro Woche Games (ebd.). Das bedeutet, dass Computerspiele für die Jugendlichen ähnlich wichtig sind wie das Sport treiben. Bezüglich der Geschlechterrolle gibt es einen grossen und relevanten Unterschied der Nutzung von Computerspielen, die Anzahl der männlichen Gamer ist rund fünfmal grösser als die Anzahl Mädchen, welche täglich oder mehrmals pro Woche Computerspiele nutzen (ebd.). Wenn man die Zahlen betrachtet, bei welchen die Jugendli- chen nur ab und zu gamen, ist der Unterschied nicht mehr ganz so gross. Von den weiblichen 13
Jugendlichen spielen 42 % ab und zu, während sich bei den männlichen Jugendlichen der un- regelmässige Computerspielkonsum auf 91 % beläuft (Waller et al., 2016, S. 59). Der Unter- schied bleibt also dennoch signifikant (ebd.). Damit geklärt werden kann, ob und mit welcher Hardware die Medien genutzt werden, hat die JAMES-Studie von Waller et al. die Geräteverfügbarkeit der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass 99 % der Jugendlichen gemäss Waller et al. (2016) ein eigenes Handy und 45 % eine eigene portable Spielkonsole wie bspw. einen Nintendo DS oder eine Playstation Portable besitzen (S.17). Weiter sind 76 % der Jugendli- chen in der Schweiz in Besitz eines Computers und 41 % verfügen über eine feste Spielkon- sole (ebd.). Dies hat auch Einfluss auf das Nutzungsverhalten, denn ist man im Besitz eines eigenen Geräts, kann dieses auch eigenständig und frei genutzt werden (Waller et al., 2016, S.16). Wenn man zusätzlich die Prozentzahlen betrachtet, welche für Geräte in einem Haus- halt mit Jugendlichen vorhanden sind, kommt man auf noch höhere Prozentzahlen. So besit- zen gemäss Waller et al. (2016) 100 % der Haushalte ein Handy, 99 % einen Computer und 78 % eine feste Spielkonsole (S.13). Auf all diesen Geräten ist es möglich, Computerspiele zu spielen, weshalb man davon ausgehen kann, dass so gut wie alle Jugendlichen Zugang zu Computerspielen haben, egal auf welchem Medium sie gespielt werden. Wenn man die Nutzung von Games generell betrachtet, sieht man eine weitere Auffälligkeit. Die Nutzung der Computerspiele nimmt gemäss Waller et al. (2016) ab, je älter die weibli- chen sowie männlichen Jugendlichen werden. Von den 12- und 13-jährigen Jugendlichen nut- zen 57 % die Computerspiele täglich oder mehrmals pro Woche, während nur noch rund 27 % der 18- und 19-jährigen Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche Computerspiele nut- zen (S.23). Bezüglich den Landesteilen der Schweiz, dem sozioökonomischem Status, der Herkunft, dem Schultyp und dem Wohnort gibt es beim Prozentanteil der Gamerinnen und Gamer, welche zumindest ab und zu gamen, keinen relevanten Unterschied (Waller et al., 2016, S. 59). Die Nutzungszeit der Jugendlichen beträgt unter der Woche durchschnittlich (Median) eine Stunde pro Tag, während am Wochenende rund zwei Stunden gespielt wird (ebd.). Auch hier ist ein starker Geschlechterunterschied zu finden, wobei die Jungen signifi- kant länger spielen als die Mädchen (ebd.). Diese Zahl der Nutzungszeit ist mit Vorsicht zu geniessen, da die Jugendlichen ihre Zeiten im Rückblick selbst eingeschätzt haben und es da- durch nicht zu den tatsächlichen Zeitangaben gekommen sein könnte (ebd.). Einen weiteren grossen Geschlechterunterschied gibt es bei den verschiedenen Nutzungsfor- men von Computerspielen. Gemäss Waller et al. (2016) spielen männliche Jugendliche rund doppelt so häufig täglich oder mehrmals pro Woche wie weibliche Jugendliche alleine oder mit anderen Personen im selben Raum (S.60). Noch grösser fällt der Unterschied beim On- linespielen mit anderen Menschen aus, von den Mädchen spielen nur 7 % mit anderen online, während dies bei den Jungen 58 % täglich oder mehrmals pro Woche der Fall ist (ebd.). Dies lässt sich auch damit begründen, dass bereits die Prozentzahl der spielenden Mädchen gerin- ger ist. Des Weiteren wurden auch nach den Lieblingsgames der Schweizer Jugendlichen gefragt. Die Lieblingscomputerspiele der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind die FIFA-Rei- he, gefolgt von der Call of Duty Spielserie und der Grand Theft Auto [GTA] Spielreihe (siehe Abbildung 4). Auf der Abbildung 4 ist die Nennung eines Wortes durch die Stichprobe umso häufiger, je grösser ein Wort geschrieben ist, um die Nennungen bildlich zu veranschaulichen. Ein Grossteil dieser Spieltitel lässt sich auch unter Punkt 2.5 wiederfinden, wo die Games den jeweiligen Spielgenres zugeteilt wurden. 14
Abbildung 4: Lieblingscomputerspiele der Schweizer Jugendlichen 2016 (JAMES, 2016, S. 61) 2.3 Computerspiele als Teil der Kultur Nach Winfred Kaminski (2010) gehören Spiele zur Kultur (S.36). Demzufolge würden auch Computerspiele zur Kultur gehören, wenn man gemäss Definition von Krotz (2009) davon ausgeht, dass Computerspiele Spiele mit dem Computer sind (S.27). Ob Compu- terspiele aber tatsächlich zur Kultur gehören, ist offen, denn in den Medien werden Computerspiele oft als wertlos und als sinnloser Zeitvertreib dargestellt (Kaminski, 2010, S.37). Aus diesem Grunde werden nach Kaminski (2010) elektronische Spiele von älteren Menschen auch oft abgelehnt und nicht als Kultur akzeptiert, obwohl sie bei jün- geren Spielerinnen und Spieler bereits seit einiger Zeit akzeptiert sind (S.36). Die Frage, was für eine Gesellschaft bedeutsam ist und was nicht, kann nicht abschliessend geklärt werden, da dies immer eine individuelle Perspektive voraussetzt. Jedoch wird im Fol- genden anhand verschiedener Merkmale versucht zu erläutern, warum Computerspiele heute zur Kultur gehören. Wie in Kapitel 1 beschrieben, hat die Wichtigkeit der Medien und insbesondere der Computerspiele in den letzten Jahren stetig zugenommen. Aufgrund verschiedener Ent- wicklungen wie beispielsweise dem technologischen Fortschritt verändert sich der Me- dienkonsum der Menschen ständig und wird sich noch stärker verändern, wenn man beispielsweise die Entwicklung von Virtual Reality betrachtet. Die Nutzung von Medien ist für Menschen der heutigen Zeit alltäglich geworden, jedoch unterscheidet sich die individuelle Nutzung und Präferenzen der Personen sehr stark. Die einen lesen regel- mässig Zeitung auf ihrem Smartphone, die anderen nutzen häufig Computerspiele. Vor allem männliche Jugendliche nutzen die Computerspiele regelmässig, wie die 15
JAMES-Studie 2016 zeigt. Wenn man diese wichtigsten Kennzahlen zur Nutzung ge- nauer betrachtet, kann man die Wichtigkeit der Computerspiele für die Lebenswelt der männlichen Jugendlichen herauslesen (vergleiche Punkt 2.2). Wenn man davon ausgeht, dass etwas zur Kultur gehört, weil es gemäss der lateinischen Wortherkunft cultivare gepflegt wird, sollten gemäss den Nutzerzahlen elektronische Spiele als Kultur gelten. Insbesondere aus dieser Perspektive sind Computerspiele Teil der männlichen Jugend- kultur, weil sie nach Kaminski (2010) zur Freizeitkultur und zur Unterhaltungskultur gehören, da sie von den meisten Jugendlichen genutzt werden (S.37). Dass die Computerspiele für eine Vielzahl von Menschen von Bedeutung sind und damit auch als Kultur angesehen werden können, lässt sich an den Umsatzzahlen der Compu- terspielbranche erkennen. In der Schweiz setzte die Gameindustrie gemäss PWC (ohne Datum) im Jahr 2016 rund 415 Millionen Franken um. Während demselben Zeitraum hat die Filmindustrie gemäss PWC (ohne Datum) einen Umsatz von 575 Millionen Franken erwirtschaftet, um einen Vergleich mit einer anderen Medienindustrie aufzuzei- gen. Wenn man diese Zahl mit einem anderen europäischen Land vergleicht, das der Schweiz ähnlich ist, kann man Schweden herbeiziehen, welches eine ähnliche Bevölke- rungszahl und ein ähnliches Wohlstandniveau hat. Die Gameindustrie hat in Schweden im Jahr 2016 gemäss Newzoo (2016) rund 360 Millionen Franken umgesetzt. Wenn man diese beiden Länder miteinander vergleicht, wird ersichtlich, dass die Gameindustrie in der Schweiz einen höheren Umsatz generiert hat, was darauf hindeuten könnte, dass die Computerspiele in der Schweiz eine wichtige Bedeutung haben. Für den weltweiten Markt hingegen ist die Schweiz hingegen kaum relevant, so betrug der globale Umsatz der Gameindustrie im Jahr 2016 gemäss Newzoo (2017a) rund 98 Milliarden Franken. Bereits anhand dieser verschiedenen Zahlen kann man die Wichtigkeit der Gameindust- rie erahnen, welche gemäss der Studie von Newzoo (2017a) zu den Umsatzzahlen wei- ter zunehmen wird. Am Beispiel der Zuschauerzahlen von eSports-Wettkämpfen lässt sich ebenfalls die Wichtigkeit von Computerspielen erkennen. Gemäss Newzoo (2017b) verfolgten welt- weit im Jahr 2016 rund 322 Millionen Zuschauer jegliche Arten von eSports (S.17). Für das Jahr 2020 rechnet Newzoo mit Zuschauerzahlen im Bereich von 589 Millionen, was im Verhältnis zu 2016 eine Steigerung um 83 % bedeutet (ebd.). Dieses Wachstum des eSports lässt erkennen, dass auch hier ein Wandel in der Gesellschaft stattfindet und die Computerspiele als Kulturgut gelten. Es gibt auch Bestrebungen, dass Computerspiele als offizielles Kulturgut anerkannt wer- den. In Deutschland beispielsweise wurde gemäss Thomas Schwietring (2013) bereits der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen als Mitglied in den deutschen Kulturrat aufgenommen und wurde damit ein erster Schritt in die Richtung gemacht, dass Computerspiele offiziell als Kultur anerkannt werden (S.28). Auch Jürgen Fritz (2010) bezeichnet Computerspiele als einen wesentlichen Bestandteil der Mediensozialisation von Kindern und Jugendlichen (S.269). Er begründet dies mit verschiedenen Studien von Deutschland zur Häufigkeit der Nutzung von Computerspie- len, der KIM-Studie 2006 und der JIM-Studie 2006. Diese beiden Studien sind die deut- sche Version der JAMES-Studie der Schweiz. Aus diesen Punkten lässt sich erschliessen, dass die Computerspiele mit ihrer mittler- weile über 50-jährigen Geschichte zur Kultur gehören, auch wenn diese Aussage nicht von allen Personen geteilt wird. 16
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