Corona verändert Alltag und Arbeit - Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Bildung und Forschung nicht unter die Räder kommen
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report Bildung, Wissenschaft und Forschung Corona verändert Alltag und Arbeit Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Bildung und Forschung nicht unter die Räder kommen 0 2 / 2 02 0
Editorial biwifo report 2/ 2020 Liebe Kolleginnen und Kollegen, Inhalt Schwerpunkt: Virus dominiert Corona-Leugner*innen, Eltern mit kleinen den Arbeitsalltag Kindern, die neben Leuten mit Reichskriegs- flaggen laufen und offensichtlich kein Problem Wumms ohne Bildung 3 damit haben, sich mit Rechtsradikalen gemein- Geflüchtete im toten Winkel 3 zumachen. Dicht an dicht liefen die Demon- strierenden am 1. August durch Berlin, so gut Weiterbildung in Gefahr 4 wie niemand trug eine Maske. Es waren für Akademie dicht, Prüfung verschoben 5 mich verstörende Bilder, die da an unserer Gegendemo vorbeizogen. Und am 29. August: VHS-Beschäftigte befragt 5 Schwarz-weiß-rote Reichsfahnen auf den Stufen Düstere Lage für Studierende 6 des Parlamentsgebäudes. Das muss alle Demo- Kalte Küche 7 kratinnen und Demokraten alarmieren. Diese krude Mischung von Verschwörungstheoreti- Viel Geld für eine verpasste Chance 7 ker*innen, Ignorant*innen und Faschist*innen Bildschirm statt Seminarraum 8 gilt es ernst zu nehmen. report Sylvia Bühler „Ich sehe große Chancen“ – Interview mit Ada Pellert 9 Umso so mehr bin ich beeindruckt, wie Mitglied des ver.di- der weit überwiegende Teil der Menschen in Bundesvorstandes Bücher in Quarantäne 10 unserem Land, die Corona-Regeln einhält. Auch und Leiterin Forschung ist mehr als Wissenschaft 11 wenn sie lästig sind und uns so sehr einschrän- des Fachbereichs ken: im menschlichen Miteinander, im Privaten Bildung, Wissen- und im Beruf. Wir tun es, weil wir wissenschaft- schaft und Forschung Gewerkschaftsarbeit in Zeiten der liche Erkenntnisse ernst nehmen und unsere Pandemie 12 Mitmenschen und uns selbst schützen wollen. Das wird ein kämpferischer Herbst 12 Protest im Ausnahmesemester 13 Wir Gewerkschafter*innen werden in dieser schwierigen Zeit ganz besonders gebraucht. Schirm für Bildung und Wissenschaft 14 Vor Ort im Betrieb, in den Verwaltungen und Ignoranz gegenüber Eltern 15 auf politischer Ebene, damit die Belange von Porträt Magnus Wuggazer 15 Arbeitnehmer*innen, Solo-Selbständigen und Studierenden in dieser Krise berücksichtigt wer- Zu guter Letzt 16 den. Zu relevanten Themen rund um Corona haben wir jede Menge Informationen zusam- mengestellt, die ihr auf biwifo.verdi.de und verdi.de/themen/corona findet. Unser ver.di-Positionspapier „Erste Lehren Impressum aus Corona“ macht deutlich, dass es nun darum Der ver.di Report biwifo Nr. 02/2020 · September 2020 gehen muss, gesellschaftliche Mehrheiten für Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen sozial-ökologischen Umbau zu organisie- Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Fotos v.o.n.u.: Annette Jensen (2), Carl Pfeil-Herz, privat ren. Die Krise verdeutlicht einmal mehr, wo es V.i.S.d.P.: Sylvia Bühler dringenden politischen Handlungsbedarf gibt: Redaktion: Klaus Böhme, Kei Common, Birthe Haak, Alexandra In der Daseinsvorsorge, beim Schutz unserer Heiter, Frank Hennig, Michael Niedworok, Mirjam Sorge natürlichen Ressourcen und bei der sozialen Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen Internet: www.verdi.de Sicherung. Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern Gemeinsam und solidarisch kommen wir am Titelbild: Christian v. Polentz W-1728-65-0920 besten durch diese Krise. Bleibt gesund! b Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Herzliche Grüße Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider. 2 Service Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Internet: www.biwifo.verdi.de Ansprechpartnerin: Alexandra.Heiter@verdi.de
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag K O M M E N T A R W Geflüchtete im Wumms toten Winkel Seit Mitte März beherrscht die Corona-Pandemie die Nach- richten. Die Politik versucht, die ohne Bildung Krise zu beherrschen. Für andere Themen fehlt die Aufmerksam- keit – und dabei hat sich die Lage von Geflüchteten weltweit und auch in Deutschland drama- Das Corona-Virus hat unsere Gesellschaft, alltag durch Home-Office kann ein Feld für neue tisch verschärft. Im April gab es ja die der gesamten Welt vor große Angebote sein. Doch die Branche hat hier selbst 87 Prozent weniger Asylanträge Herausforderungen gestellt – und tut dies hohen Nachholbedarf. So stecken insbesondere in Europa als im Vorjahr, die noch. Um die wirtschaftlichen Folgen der nichtöffentliche Träger in der Klemme: Sie sehen Zahl ist die niedrigste seit 2008. Pandemie abzufedern, hat die öffentliche sich einerseits mit der Notwendigkeit einer Grenzschließungen und Be- biwifo Hand das größte Hilfspaket in der deut- raschen Neuausrichtung konfrontiert, verfügen schränkungen des Reiseverkehrs schen Geschichte geschnürt. Allein der aber oft weder über das technische Equipment verhinderten, dass Geflüchtete Bund hat haushaltswirksame Maßnahmen noch über entsprechende Kompetenzen – und sichere Aufnahmeländer errei- von mehr als 353 Miliarden Euro beschlos- bekommen dafür auch keine Hilfen. chen. Unter lebensbedrohenden sen und zusätzlich Garantien in Höhe von Umständen hängen sie irgendwo 819 Milliarden Euro übernommen. Hinzu Die Hochschulen waren im März von einem fest. Die Aufnahmelager an den kommen Hilfsprogramme der Länder. auf den anderen Tag gezwungen, Veranstaltun- EU-Rändern sind hoffnungslos Explizite Unterstützung für die Bildung gen in den digitalen Raum zu verlegen. Auch hier überfüllt, die EU hat die See- aber muss man lange suchen. Angesichts war E-Learning für die meisten Beteiligten Neu- notrettung im Mittelmeer ein- der chronischen Unterfinanzierung des land. Im beginnenden Wintersemester ist immer gestellt. deutschen Bildungswesens mit einem noch vorwiegend von hybriden Angeboten aus- Weltweit trifft die Corona- evaluierten Mehrbedarf von jährlich 50 zugehen. Zudem sitzen große Teile der Verwal- Pandemie die Armen am härtes- Milliarden Euro sind die jetzt vorgesehe- tungsbeschäftigten seit Monaten im Home- ten und wirkt wie ein Brand- nen Summen marginal. Office. Das Fehlen von direkten Kontakten macht beschleuniger der Ungerechtig- vieles mühsam und belastend. Wann diese Be- keiten. Ausgangssperren und VON KLAUS BÖHME reiche wieder zur Normalarbeit zurückkehren, die Unterbringung von vielen war bei Redaktionsschluss unklar. Menschen auf engstem Raum N RW will die Schulen flächendeckend mit Laptops und Computern ausstatten. Auf- grund von Lieferengpässen lässt sich das aber nicht In vielerlei Hinsicht betroffen sind die Stu- dierenden. Ihnen fehlt nicht nur der direkte machen alle Versuche von Infek- tionsschutz zunichte. Das gilt auch für viele Sammelunter- rasch umsetzen. Hinzu kommt, dass es vielen Leh- Austausch mit Dozent*innen und Kommiliton*in- künfte in Deutschland, wo auch renden und selbst Jugendlichen abseits von Face- nen, was für viele Lernprozesse wichtig wäre. Die Kinder leben. In Bayern sind book und Instagram am nötigen Verständnis für Absage von Praktika und Übungen wird in vielen nach Angaben des Innenministe- die digitale Welt mangelt. Das Verschicken von Fällen ihr Studium verlängern. Hinzu kommt, dass riums drei Asylbewerber an Aufgaben per Mail oder Telefon- und Video- für über 40 Prozent der Studierenden dringend Covid-19 gestorben. Anwälte konferenzen sind noch kein Digitalunterricht. benötigte Arbeitseinkommen weggebrochen sind. werfen den Behörden schwere Worauf es ankommt ist eine den Medien ange- Staatliche Hilfsmöglichkeiten kamen zu spät, sind Verfehlungen bei Unterbringung, passte Didaktik – und die will gelernt sein. Dass mit außerdem völlig unzureichend und durch die Infektionsschutz und ärztlicher Beginn des Schuljahrs der Unterricht wieder in Kontrolle von Kontoständen auch noch diskrimi- Betreuung vor. Präsenz stattfindet ist erfreulich, weil unmittelbare nierend. Auch die Integration in die Kontakte für Kinder und Jugendliche besonders Arbeitswelt ist ins Stocken ge- wichtig sind. Zugleich mussten aber einzelne Weitere Blitzlichter: Für Azubis fiel nicht nur raten. Quarantäne, geschlossene Klassen und sogar Schulen bereits wieder schlie- die Berufsschule aus. Auch viele Betriebe konnten Bildungseinrichtungen und ßen. Das macht deutlich, was dringend gebraucht ihrer Ausbildungsverpflichtung nicht nachkom- Kontaktverbote machen vieles wird: Lernsoftware, Lernmanagementsysteme men und setzten teilweise den Nachwuchs auf zunichte. Mangels technischer sowie didaktische Konzepte. Kurzarbeit. Angesichts der Fortdauer der Pan- Möglichkeiten ist E-Learning demie ist mit deutlich sinkenden Ausbildungs- oft keine Option; ein Notfall- Für den Weiterbildungssektor erweist sich zahlen zu rechnen. Für die Forschung ist die Lage programm gibt es dafür nicht. Corona als existenzielle Krise: Viele Kurse fielen ambivalent. Einerseits behindern Grenzschließun- Geflüchtete dürfen nicht sich 3 aus, Dozent*innen verloren ihr Einkommen, gen internationale Kooperationen – andererseits selbst überlassen werden. Auch Lernende wurden zurückgeworfen. Zugleich er- wurden die Mittel für die Gesundheitsforschung wenn nicht über sie berichtet öffnen sich Chancen: Der gesellschaftliche Bedarf deutlich erhöht. Der aktuelle biwifo-Report will wird – sie sind immer noch da. b an digitalen Kompetenzen ist gestiegen. Auch der die vielfältigen Auswirkungen der Corona-Maß- Wiebke Koerlin Umgang mit sozialer Distanzierung im Arbeits- nahmen auf unseren Fachbereich beleuchten. b
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Weiterbildung in Gefahr Schon vor der Corona-Krise VON ARNFRIED GLÄSER nen wurden in Kurzarbeit geschickt. Mit Unter- herrschte ein ruinöser stützung von ver.di konnten übereilte Betriebs- Preiswettbewerb unter den etwa 3000 Trägern der beruflichen Aus- und D ie Pandemie hat die Lage in der öffentlich geförderten Weiterbildung weiter verschärft. Wird nicht nachgesteuert, droht dieses Bildungs- vereinbarungen auf der Grundlage der Mindest- sätze von 60 und 67 Prozent des Nettolohns vie- lerorts verhindert und eine Aufstockung auf bis zu Weiterbildung. Hinzu kam system vollends zu kollabieren. Dabei braucht es 90 Prozent des Nettolohns erreicht werden. Auch eine oft unzureichende zur Bewältigung der Corona-Krise qualitativ halfen fachkundige Beratung auf Bundes- und Finanzierung. Niedriglöhne, hochwertige und auskömmlich finanzierte An- Landesebene sowie die ver.di-Hotline, dass Kurz- ungesicherte Beschäftigung gebote: Die Arbeitslosenzahlen steigen, die Zahl arbeit nur für wirklich Betroffene gilt. Alle ande- und Qualitätsverluste ausbildungswilliger Betriebe sinkt. In dieser Lage ren bekommen ihr Gehalt in voller Höhe weiter. waren die Folge. Ähnlich kann Weiterbildung viele sozialpolitische Prob- Parallel agiert ver.di politisch auf Bundes-, Landes- düster sah es in der leme lösen – wenn die Politik das erkennt und und Kommunalebene, um die aus ihrer Sicht allgemeinen beruflichen entsprechend handelt. Immerhin hatte die Große „systemrelevante“ Weiterbildungsbranche finan- sowie kulturellen Koalition schon vor der Pandemie erkannt, dass ziell abzusichern. Erwachsenenbildung aus. die digitale Transformation in vielen Bereichen nur Nur in einem Bruchteil der mit Hilfe von guten Weiterbildungs-, Beratungs- Die Einrichtungen setzten mit hohem Auf- Einrichtungen gelten sowie Umschulungsmaßnahmen gelingen kann. wand alles daran, ihre Angebote in alternativen Tarifverträge. Ein Um Erwerbslosigkeit zu vermeiden, hatte sie die Lehr- und Lernformen aufrechtzuerhalten. So überdimensionaler Anteil Weiterbildung mit dem Qualifizierungschancen- konnten sie die Finanzierung durch Länder, der Arbeit wird von gesetz und dem Arbeit-von-morgen-Gesetz ge- Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit Honorarkräften geleistet. stärkt. sichern. Um die Gesundheit von Beschäftigten Sie bleiben beim allgemein- und Teilnehmenden zu garantieren, mussten sie verbindlichen Mindestlohn Die ersten Opfer des Lockdowns waren die Hygienekonzepte entwickeln. Weil jetzt weniger in der Weiterbildung nach Honorarkräfte, deren Einkünfte schon vorher Menschen in einem Raum zusammenkommen Sozialgesetzbuch II und III unterhalb des allgemeinen Mindestlohns lagen. dürfen, sinkt zwangsläufig die Zahl der Teilneh- außen vor – genau wie das Weniger als 20 Euro pro Unterrichtseinheit sind mer*innen pro Kurs. Dem müssen die Finanz- nicht-pädagogische keine Seltenheit für hauptberufliche Dozent*in- geber Rechnung tragen. Personal. nen. Als die Präsenzveranstaltungen Mitte März untersagt wurden, mussten sie als Erste gehen, Die sukzessive Umstellung auf Präsenzveran- ohne dass für sie ein Schutzschirm in der Fläche staltungen darf nicht dazu führen, Beschäftigte aufgespannt wurde. Viele angestellte Kolleg*in- aus Risikogruppen auszuschließen. Befristete Verträge besonders gefährdeter Lehrkräfte nicht zu verlängern, ist völlig inakzeptabel: Ihnen müs- sen alternative Einsatzmöglichkeiten angeboten werden. Ohnehin werden die Träger neben Prä- Forderungen für die Behindertenhilfe senzveranstaltungen weiter digitale Phasen ein- Viele Menschen mit psychischer oder geistiger Beeinträchtigung sind durch die planen müssen. Coronamaßnahmen hochgradig verunsichert. Sie verstehen oft den Sinn von Hygienemaßnahmen und Besuchsverboten in Wohneinrichtungen nicht. Entscheidend ist auch, dass Jobcenter und Abstandsregeln einzuhalten ist fast unmöglich. Hinzu kommt, dass in vielen Bundesagentur für Arbeit wieder stärker Weiter- Behinderteneinrichtungen die Personalsituation bereits vor Corona angespannt bildungsangebote vermitteln. Aktuell liegen die war. Durch Quarantänemaßnahmen und zusätzliche Aufgaben hat der Stress Zahlen niedriger als vor der Pandemie. Ohne die bei den verbliebenen Kolleg*innen weiter zugenommen. Die ver.di-Bundes- üblichen Zuweisungsraten ist die Existenz vieler fachkommission Behindertenhilfe hat gemeinsam mit dem Arbeitskreis Weiterbildungsträger gefährdet. Alternativ könn- Berufliche Reha ein Positionspapier erarbeitet, das die Auswirkungen von te auch eine finanzielle Absicherungsgarantie hel- 4 Corona auf die Arbeitswelt der Behindertenhilfe beschreibt und daraus Forde- fen, die aber nicht in Sicht ist. Das Sozialdienst- rungen ableitet. Ohne zusätzliches Personal und finanzielle Absicherung ist das leister-Einsatzgesetz (SodEG), das Träger in der Menschenrecht auf Inklusion nicht einzuhalten. aktuellen Krise schützen soll, übernimmt nur 75 Prozent der bisherigen Kosten. Weil die meisten https://t1p.de/verdi-behindertenhilfe Einrichtungen keine Rücklagen haben, ist das unzureichend. b
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Akademie dicht, Prüfung verschoben W ie alle Bildungsträger musste auch die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA) in Iserlohn im März ihre Türen schließen. Die zeit- Lernfortschritte erzielen, hat die DAA Siegen/ Iserlohn ihnen mehrere digitale Lernangebote gemacht. Alle Berufssprachkurse wurden in virtu- Lehren aus der weise Unterbrechung aller Berufssprachkurse war elle Klassenzimmer verlegt. Für Agnieszka K. war Corona-Krise für die Kursteilnehmenden ein großer Einschnitt – das nicht leicht zu organisieren – schließlich hat In der Krise hat sich der Sozial- zum Beispiel für Agnieszka K.. Sie hat in Polen sie Kinder, deren Betreuung pandemiebedingt staat prinzipiell bewährt, durch Soziale Arbeit studiert und möchte in Deutsch- ebenfalls ausfiel. Trotzdem hat sie genau wie ihre aktive Arbeitsmarktpolitik konnte land eine Stelle als Sozialarbeiterin antreten. Da- Kurskolleg*innen das Angebot angenommen Massenarbeitslosigkeit bisher ver- für benötigt sie die Anerkennung ihrer Qualifi- und war viermal wöchentlich beim Online-Unter- hindert werden. Zugleich wurden kationen und gute Deutschkenntnisse. richt dabei. Versorgungslücken in den sozia- len Sicherungssystemen deutlich. Seit Oktober 2019 nimmt Agnieszka K. an In vielen Bundesländern wurden die Verbote ver.di setzt sich mit aller Kraft einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung von Präsenzunterricht inzwischen gelockert. Auch dafür ein, dass die geschlossen teil, so wie es § 45 Aufenthaltsgesetz vorschreibt. in den Räumen der DAA in Iserlohn können sich werden und kämpft um jeden Im April wollte sie die Prüfung B2 ablegen. Die Lernende und Lehrende seit Ende Juni wieder Arbeitsplatz. Und klar ist auch: spielt für Agnieszka eine große Rolle, weil davon treffen. Agnieszka K. hat es geschafft, für ihre Für die Daseinsvorsorge muss es abhängt, ob sie an der Universität Münster eine Kinder eine Betreuung zu organisieren. In weni- deutlich mehr geben als Applaus. Qualifizierung absolvieren kann. Doch alle gen Tagen steht die Prüfung an. Sie selbst nimmt In einem Grundsatzpapier sind Sprachprüfungen wurden wegen der Pandemie es vergleichsweise locker: Zwar hat die Corona- die ersten Lehren aus der Corona- auf August verschoben – und dann sind die Ein- Pandemie ihre ursprünglichen Pläne durchkreuzt Krise zusammengetragen: schreibungsfristen für das Wintersemester 2020/ – aber „Hauptsache, es geht weiter“. b 21 vorbei. Agnieszka K. wird deshalb ein Semes- https://t1p.de/verdi-Corona ter warten müssen. Damit die Teilnehmenden Emilia Wis’niewska ihren Sprachstand erhalten und möglichst weitere VHS-Beschäftigte befragt D ie COVID-19-Pandemie ist nicht nur ein Risiko für die Gesund- heit von Dozent*innen auch an Volkshochschulen (VHS). Die notwendigen Maßnahmen haben auch Folgen für ihre Arbeit. Un- der Zeitaufwand fürs Installieren, Lernen und Ausprobieren für eini- ge erheblich war. Die direkte Unterstützung durch die Volks- hochschulen selbst bewerteten die Befragten eher negativ: Nur 23 ser Berliner Bezirks-Fachbereich hat zusammen mit der sehr schlag- Prozent der Dozent*innen waren zufrieden oder sehr zufrieden, die kräftigen Berliner Dozent*innen-Vertretung die Beschäftigten der Hälfte dagegen unzufrieden oder sehr unzufrieden. Wohl auch des- örtlichen VHS online nach ihrer Situation während des Lockdowns halb kam die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts mit Schutz- befragt. Herausgekommen ist ein differenziertes Bild. An einigen maßnahmen für 83 Prozent in Betracht. Stellen zeigten sich klare Defizite im Umgang mit den Beschäf- tigten, die zu fast 60 Prozent ausschließlich von ihren VHS-Stunden Die Forderungen der Beschäftigten zielten vor allem auf die not- leben. wendige materielle Absicherung während der Pandemie ab. Am häufigsten verlangten sie Kurzarbeitergeld auch für freie Mitarbei- Bereits am 27. März bestätigte die Senatsverwaltung für ter*innen etwa in Höhe von 80 Prozent des letzten Nettoeinkom- Finanzen, dass vertraglich vereinbarte Honorare fortgezahlt wer- mens sowie 87 Prozent für Menschen mit Unterhaltsverpflichtun- den. 89 Prozent der Betroffenen bot das Land auch Ersatzleistun- gen. Auch die Wiedereinführung der Soforthilfen des Landes stand gen für ausgefallene Kurse an. Bedenklich war allerdings, dass die auf den Wunschzetteln: Der Topf dafür war aufgrund der hohen Ersatzleistungen für 44 Prozent der Dozent*innen nur eine Zwi- Nachfrage nach wenigen Tagen leer gewesen. Schließlich ging es 5 schenlösung waren, sich daraus aber keine längerfristige Über- auch um eine höhere Vergütung der Online-Stunden, die für viele brückung ableitet und auch kein neues Kursangebot. Beschäftigte neu und mit zusätzlichem Aufwand verbunden sind. b Eine Teilnahmequote von 97 Prozent bei der Teilnahme an Michael Niedworok Online-Fortbildungen ist ein eher geglückter Aspekt – auch wenn
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Düstere Lage für Studierende 40 Prozent der befragten VON MIRJAM SORGE Foto: Annette Jensen Studierenden haben aufgrund der Corona-Krise ihren Job verloren, meldete Zenjob. Von Juni D er Lockdown im März fiel mit dem Ende des Wintersemesters zusammen. Die Master- studentin Miriam (27) an der Uni Halle berichtet, bis August konnten dass sie im Sommersemester fünf Prüfungen Betroffene für pandemie- nachholen musste. „Die zusätzliche Arbeitsbelas- bedingte Notlagen 100 bis tung war enorm. Aber die Klausuren aufzuschie- 500 Euro Überbrückungs- ben hätte bedeutet, länger studieren zu müssen.“ hilfe beantragen. Dieser Der freie Zusammenschluss von Student*innen- Notfallfonds kam nicht nur schaften (fzs) setzt sich für ein „Solidarsemester“ viel zu spät, sondern war ein, das nicht auf die Regelstudienzeit angerech- auch nur auf drei Monate net wird und ohne Immatrikulationsbeiträge ab- angelegt. Etwa jeder zweite läuft. Antrag wurde abgelehnt – häufig mit der Begründung Davon würde auch Maimuna (28) profitieren. kommt zwei Monate lang Corona-Überbrückungs- fehlender Daten oder Sie finanzierte ihr Masterstudium in Bremen erst hilfe. unlesbarer Angaben. Die durch BAföG, nun durch Studienabschlusshilfe so- Verzweiflung bei vielen wie als Teilzeitkraft im Friseursalon. Dort wurde Johanna (35) ist studentische Hilfskraft und Studierenden ist groß. Eine ihr in Folge des Lockdowns gekündigt. Aufgrund Mitglied des studentischen Personalrats in Berlin. parlamentarische Anfrage des „Studierendenprivilegs“ hat sie weder An- Sie verdeutlicht die Lage von Studierenden, die in in Berlin ergab, dass spruch auf Kurzarbeit- noch Arbeitslosengeld. der Lehre arbeiten: „Es war anfangs ein absoluter 20 Prozent mehr als im Weil die Bibliotheken geschlossen waren, konnte Albtraum, weil unklar war, wie Lehre stattfinden Vorjahr ihr Studium Maimuna nicht wie geplant mit der Masterarbeit soll und ständig Entscheidungen verschoben wur- abgebrochen haben. beginnen. den.“ Manche Vorgesetzte hingen im Ausland fest oder waren kaum erreichbar, niemand wuss- ver.di fordert eine Die Chance, einen anderen Job zu finden, te Bescheid über digitale Lehre und die notwen- Ausweitung des BAföG, schätzt Maimuna sehr schlecht ein. Kneipen stel- dige Ausstattung – und dann plagt auch noch das das schon vor Corona len niemanden ein, ebenso wenig die Automobil- schlechte Gewissen gegenüber Studierenden, reformbedürftig war. Die branche, wo viele Bremer Studierende ihr Geld denen man unter diesen Umständen nicht ge- Zahl der Empfänger*innen verdienen. Ein finanzielles Polster hat sie nicht recht werden kann. Bis heute gibt es keine Ant- sank stetig auf zuletzt angelegt, weil sich Mehrarbeit für BAföG- wort auf die Frage, welche Leistungen äquivalent 11 Prozent der 2,8 Millionen Empfänger*innen jenseits bestimmter Freibeträge sind zu den vorherigen Prüfungen. Studierenden. nicht lohnt und sich ihr Studium außerdem da- durch hingezogen hätte. Anders als BAföG wird Johanna fordert, Studierendenvertretungen die Studienabschlusshilfe aufgrund von Corona und Personalräte in die Krisenstäbe der Hoch- nicht verlängert. Zwei Lichtblicke zählt Maimuna schulen einzubinden – sonst werde der Diskurs auf: Ihre Universität hat zum Wintersemester die überwiegend von älteren Männern bestimmt und Langzeitstudiengebühren abgeschafft und sie be- viele Perspektiven fehlten. Sie und ihr Partner standen als Eltern einer kleinen Tochter plötzlich ohne externe Kinderbetreuung da, Home-Office war da kaum möglich. Weil ihr Partner gerade an Hochschulen im Covid-19-Modus seiner Abschlussarbeit schrieb, rückte Johanna ihr Einige Hochschulen haben ihre Pforten Mitte März ganz geschlossen, andere eigenes Studium erst mal in den Hintergrund. unter strengen Auflagen reduziert weiter geforscht. In Sachsen und Hamburg Jetzt hat die Kita zwar wieder geöffnet, doch 6 gab es im Mai wieder erste Präsenzveranstaltungen, anderswo dauerte es Johanna erwartet gesellschaftliche Folgen. Home- etwas länger. Das Wintersemester 2020/21 soll als Hybridsemester durchgeführt Office werde mit Sicherheit zunehmen. Vor allem werden mit dem Schwerpunkt auf digitalen Angeboten und am 1. November aber habe die Krise die Emanzipation weit zurück- starten. Die aktuellen Vorgaben der Länder stehen im Internet unter geworfen. Die ausgefallene Kinderbetreuung sei https://t1p.de/hochschulen-corona zum Großteil von Frauen aufgefangen worden – zu Lasten von Studium, Karriere und Freizeit. b
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Kalte Küche Die Krise stellt die Studierendenwerke Phase 3: Mit Beginn des Sommersemesters und ihre Personalräte vor nie gekannte gingen die ersten Arbeitsplätze verloren. Zuerst Viel Geld und Herausforderungen. mussten die Saisonkräfte gehen. Im ver.di-Lan- eine verpasste desbezirk Rheinland-Pfalz Saarland waren 250 VON PETER SCHMITT Menschen betroffen, ähnlich die Lage in Baden- Chance Württemberg. Die Sorge wuchs aber auch, wo es Ende Juni verabschiedet die Phase 1: Nach dem Lockdown der Hochschulen keine oder nur wenige Saisonkräfte gibt wie in Gemeinsame Wissenschafts- wurde in den Studierendenwerken fast flächen- Hamburg, Berlin oder im ver.di-Landesbezirk konferenz (GWK) von Bund und deckend Kurzarbeit eingeführt. Vielerorts betraf Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen. Mehrere Ge- Ländern den Zukunftsvertrag das zunächst nur Mensen und Cafeterien, in schäftsführungen brachten öffentlich betriebsbe- „Studium und Lehre stärken“. Saarbrücken wurde gleich der komplette Betrieb dingte Kündigungen ins Gespräch. Ab 2021 werden damit circa vier eingestellt. Die Personalräte mussten sich rasch Milliarden Euro jährlich an die einarbeiten in Verhandlungen über entsprechen- Phase 4: Nun geht es um die Zukunft. ver.di Hochschulen fließen – auf Dauer. de Dienstvereinbarungen. Mit Hilfe von ver.di ge- fordert, dass jeder Personalabbau unterbleibt und lang häufig eine Aufstockung des Kurzarbeiter- auch die Arbeitsverträge von Saisonkräften und Das Bündnis „Frist ist Frust“, gelds auf 100 Prozent. Allerdings gibt es auch befristet Beschäftigten weiterlaufen – und liefert mitinitiiert von ver.di, hatte sich Fälle, wo lediglich der Mindestsatz von 60/67 den Personalräten dafür Argumentationshilfen. dafür eingesetzt, dass mit dem Prozent oder eine Erhöhung auf 80 Prozent ver- Baden-Württemberg stabilisiert die Studierenden- Zukunftsvertrag mehr Dauer- einbart wurde; mit Hilfe der ver.di-Landesfach- werke mit 30 Millionen Euro. Dagegen drohten stellen geschaffen werden. Das bereichsleitungen konnte dies im Sinne der Geschäftsführungen in Rheinland-Pfalz mit be- Ergebnis ist nur ein Teilerfolg: Beschäftigten korrigiert werden. triebsbedingten Kündigungen. ver.dis Kritik daran Zwar mussten alle Länder Kon- erfuhr bundesweit Aufmerksamkeit. Die Landes- zepte für die Schaffung von mehr Phase 2: Nun ging es um die Laufzeiten. Ein- regierung bremste die Geschäftsführungen erst Dauerstellen vorlegen. Aber in heitliche Regelungen zu erreichen hat nicht ge- einmal aus. Daraufhin initiierte ver.di ein erstes den meisten Fällen bleiben die klappt. Die Laufzeiten variierten zwischen fast Treffen zur Zukunftssicherung der Studierenden- vage: Die Politik hat die Chance zwei Jahren am Studierendenwerk Trier und zwei werke, an dem Geschäftsführungen, Verwaltungs- für eine Trendwende verpasst. Wochen in Kaiserslautern. So wurden bundesweit ratsvorsitzende und Personalräte teilnahmen. Nun kommt es darauf an, dass Nachverhandlungen notwendig. Zunächst konn- ver.di fordert Geschäftsmodelle, bei denen alle bis- die Hochschulen die neue finan- ten die 100-Prozent-Aufstockung gehalten wer- her Beschäftigten an Bord bleiben. Kreativität ist zielle Sicherheit auch in Sicher- den, inzwischen gelten beispielsweise im Landes- gefragt. Warum sollen die Studierendenwerke als heit für die Beschäftigten umset- bezirk Rheinland-Pfalz/Saarland 95 Prozent. In Partner der Hochschulen nicht beispielsweise die zen. Täglich laufen Verträge von Nordrhein-Westfalen greift ein Zusatz zum Tarif- Umsetzung der Hygienekonzepte im langsam Personen aus, auf die sich die vertrag Covid 19, der eine 95/100-Prozent-Auf- anlaufenden Präsenzunterricht übernehmen? Der Hochschulen blind verlassen hat- stockung sichert. Ausgang dieser Beratungen ist völlig offen. b ten, als ein Online-Semester aus dem Boden gestampft werden musste. Foto: Werner Bachmeier 7 Seit Monaten ungenutzt
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Bildschirm statt Seminarraum Die meisten Hochschulen VON BIRTHE HAAK UND NICLAS STIEHL so gut es ging im Selbststudium oder über kolle- wurden vom Anspruch giales Coaching aneignen. einer kompletten Online-Lehre überrumpelt. Dabei ist der Einsatz A ls zentrales Problem für Studierende und Lehrende erwies sich die technische Aus- stattung, insbesondere die Internet-Anbindung. Insbesondere der Semesterbeginn war somit geprägt von Mehrbelastung, Unsicherheit bis hin digitaler Mittel nicht neu. Vor allem auf dem Land reicht die Bandbreite oft zu Chaos. Nicht alle Studierenden fanden die für Lernplattformen wie nicht für Online-Seminare. Aber auch eine halb- sie relevanten Informationen, manche erlebten Moodle begleiteten in der wegs gute Leitung ist schnell am Ende, wenn Ratlosigkeit und Zukunftsängste. Wie mit Praktika Vergangenheit die mehrere WG-Bewohner*innen gleichzeitig strea- und praktischen Übungen verfahren werden sollte, Präsenzlehre. Sie bieten men. Vor allem zu Semesterbeginn waren die blieb lange unklar – und ist es zum Teil bis heute. vielfältige Funktionen, Server mancher Hochschulen überlastet. Manche Eine Lehramtsstudentin aus Rostock berichtet: „Im wurden aber vor allem zur Rechenzentren waren auch personell nicht für die Sommersemester 2020 stand bei mir ein Orientie- Bereitstellung von neuen Anforderungen ausgestattet und arbeite- rungspraktikum in einer Schule an. Bis zum Win- Lernmaterialien und zur ten am Limit. tersemester 20/21 muss ich es absolviert haben. Kommunikation genutzt: Für mich ist bisher nicht ersichtlich, ob ich dieses Ein digitaler Seminarordner Ähnliche Probleme gab es bei der Hardware: Praktikum auf Grund des aktuellen Infektionsge- mit PDFs und Links statt Auch die Generation der vermeintlichen „Digital schehens durchführen kann. Welche Konsequen- Kopiervorlagen. Natives“ verfügt privat nicht immer über die zen bei Nichterfüllung auf mich zukommen, konn- Digitale Lehre im erforderliche Technik. Das Fehlen einer Webcam te man mir bisher nicht beantworten.“ Sommersemester 2020 ist da noch ein kleineres Problem. Manche Studie- bedeutete dagegen meist rende sind auf die PC-Pools der Hochschulen Unsicherheit auch auf Seiten der Dozent*in- Videokonferenzen oder angewiesen, die nun wegen Corona unzugäng- nen: Zwar konnten einige Lehrverpflichtungen für Streaming – Fernlehre statt lich waren. Seminarteilnahme übers Smartphone Veranstaltungen, die nicht online möglich sind, Seminarraum. Zwar ist aber allenfalls eine Notlösung. So konnten sich auf spätere Semester verschoben werden. Doch wurde der Beginn der manche Studierende nur unter erschwerten auf wann – und welche Arbeitsverdichtung wird Vorlesungszeit nach hinten Bedingungen oder gar nicht beteiligen. das bedeuten? verschoben. Doch vor allem am Anfang waren Hinzu kommt: Lernen bedeutet auch Recher- Manche Lehrende hatten offenbar Schwierig- Belastungen, Anlauf- che und Lesen. Ist der Zugang zu Bibliotheken nur keiten, die Aufgaben gut zu dosieren. Eine Stu- schwierigkeiten und eingeschränkt oder gar nicht möglich, wird vor dentin aus Rostock berichtet von einem deut- Technikprobleme allem rezipiert, was online verfügbar ist – und lichen Mehraufwand als bei Präsenzveranstal- groß. nicht was relevant ist. Außerdem erfordert On- tungen – mindestens zwei Stunden pro Modul. line-Lehre ein spezifisches technisches und didak- Im Gegensatz dazu registrierte ein Potsdamer tisches Know-how. Wo es dazu keine Angebote Student eine gesunkene Arbeitsbelastung. Beide der Hochschulen gab, mussten sich Lehrende dies erlebten deutliche Qualitätseinbußen, was Grup- penarbeit in den Seminaren und den Kontakt zu den Dozent*innen angeht. Auch die Lehrenden Foto: Annette Jensen bedauern die eingeschränkten Kommunikations- möglichkeiten. Viele an den Hochschulen wün- schen sich eine Rückkehr zur Präsenz, sobald das vertretbar ist. Maura-Dell O’Mahony, die an der Universität Hamburg lehrt, fasst zusammen: „Weil alle – Studis, Lehrende, IT-Abteilung, Studienbüros – ihr Bestes gegeben haben, hat es besser funktio- niert als ich befürchtet hatte – aber nicht so gut, 8 wie es mit Präsenz möglich gewesen wäre.“ Das Sommersemester ist vorbei – nun müssen für das Wintersemester Vorkehrungen getroffen und Lehren aus den Fehlern gezogen werden. Vieles ist weiter unklar. b
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Foto: FernUniversität in Hagen, Volker Ada Pellert ist Rektorin der Fernuniversität Hagen, Vorsitzende der Kooperations- „Ich sehe große Chancen“ plattform Digitale Hochschule NRW und Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung. biwifo: Die Präsenzhochschulen sind in die digitale Lehre Wir haben sehr schnell eine offene Website als Selbstlernkurs hineingeworfen worden – wie ist Ihre erste Bilanz? zusammengestellt (fernuni-hagen.de/zielgruppen/lehrende.shtml), wo man sich alles anschauen kann und auch Tipps bekommt. Ada Pellert: Auf der einen Seite muss ich sagen: Hut ab. Die Dann haben wir auch Menschen von Präsenz-Unis beraten und Umstellung wurde ja über Nacht erzwungen, und dafür hat das fachliche Tandems gebildet. Unsere E-Learning Experten haben schon sehr gut geklappt. Natürlich sind häufig die Konzepte der dieses Jahr wirklich viel gearbeitet, aber wir haben uns auch über Präsenz einfach eins zu eins auf eine Videoplattform umgestellt das Interesse gefreut, weil es vorher nur eine holzschnittartige worden. Meine Hoffnung ist, dass dem jetzt weitere Schritte folgen. Vorstellung vom Fernstudium gab. Für welche Inhalte und welche Lernenden eignet sich digitale Sie sind auch Vorsitzende der Kooperationsplattform digitale Lehre – und für welche nicht? Hochschule in Nordrhein-Westfalen. Welches Ziel hat die? Digital ist ja nur das Medium und kein Inhalt. Es ermöglicht ein Alle NRW-Hochschulen haben sich zusammengeschlossen, orts- und zeitunabhängiges Studium etwa für berufstätige Men- weil sie gemerkt haben, dass sie die große Herausforderung schen oder Menschen mit Betreuungspflichten. Ein 19-Jähriger Digitalisierung besser im Verbund lösen können. braucht aus vielerlei Gründen mehr Präsenz. Wir haben drei Themen gebündelt: Infrastruktur und Verwal- Was ist zentral, damit Menschen gut lernen können? tung – also Rechenzentren und Campusmanagementsysteme zum Beispiel zur Abwicklung der Immatrikulation. Dann geht es um Beim Selbstlernen kann ein gutes Buch, ein Studienbrief oder den Lehrbereich und die gemeinsame Content-Entwicklung. Und ein Video geeignet sein. Aber Wissen entsteht ja nicht allein in mei- als drittes braucht die moderne Forschung Hochleistungsrechner nem Kopf, sondern durch Austausch – und dafür sind die meisten für Daten- und Bibliotheksmanagementsysteme. Menschen die Präsenz gewohnt. Über Lernplattformen kann man aber auch gut ins Gespräch kommen. Das muss dann jemand Wie kam es zu dem Zusammenschluss? moderieren und didaktisch gut vorbereiten. Es gab eine Vorgängerorganisation, die sich aber nur mit der Welche Kompetenzen brauchen Dozent*innen dafür? Infrastruktur beschäftigt hat. 2016 haben wir das dann breiter aufgestellt und auch das Ministerium in den Vorstand reingeholt. In unserer Hochschule müssen zum Beispiel Studienbriefe Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern wir brauchen auch geschrieben werden, das ist so etwas wie ein schriftliches Seminar. die Politik für die Rahmenbedingungen. Lehrverpflichtungen sind Das kann nicht jeder sofort – wie ja auch niemandem in die Wiege heute auf die Präsenz zugeschnitten mit z.B. acht Semester- gelegt ist, ein gutes Lehrbuch zu schreiben. Wenn ich mit Adobe wochenstunden. Das muss weiterentwickelt werden, indem man Connect eine Veranstaltung mit 100 Leuten mache, muss ich beispielsweise einen Teil seiner Lehrverpflichtung auch durch wissen, wie das funktioniert und brauche außerdem jemanden das Erstellen von multimedialen Lehrmaterialien abdeckt. zur Seite, der mir bei der Moderation hilft. Wir haben weitere Stützfunktionen wie Online-Tutoren, Leute die im Studio helfen Wird sich die Hochschullehre verändern? und Mentorinnen und Mentoren in unseren Regionalzentren. Auf so etwas müssen sich die Lehrenden einlassen. Ich sehe da große Chancen. Eine lexikalische Stoffvermittlung – also einer steht im Hörsaal vor 600 Leuten und macht eine Vermittelt Ihre Hochschule Didaktik der Online-Lehre? Einführung in die Wirtschaftswissenschaften – das kann man heute online interessanter und lustvoller machen. Auf dem Professoren bekommen am Anfang Begleitung. Für wissen- Campus sollte dann der Austausch darüber stattfinden. Der schaftliche Mitarbeiter haben wir eine E-Teaching Zertifikat und Diskurs, das Arbeiten an Problemen oder ein gemeinsames auch eine E-Learning Stelle, die sehr viel Beratung und Weiter- Brainstorming, dafür müssen wir die Präsenz freischaufeln. Das 9 bildungsangebote macht. könnte die Qualität der Lehre verbessern. Es wäre schade, die Erfahrungen nicht auszuwerten. b Wie haben Sie andere Hochschulen nach dem Lockdown unterstützt? Interview: Annette Jensen
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag Bücher in Quarantäne Bibliotheken sind ARBEITSGRUPPE ARCHIVE/BIBLIOTHEKEN/ mit Infrastruktur ausgerüstet und unter Beach- unverzichtbar für die DOKUMENTATIONSEINRICHTUNGEN tung des Arbeitsschutzes gestaltet werden. Dabei Gesellschaft. Immer. Doch muss im Blick behalten werden, dass erneute in Krisenzeiten wird ihre Bedeutung besonders deut- lich: Bibliotheken bieten D as Coronavirus zwang auch alle Bibliotheken, zunächst ihre Pforten zu schließen. ver.di unterstützt ausdrücklich alle Bemühungen, dass Phasen verstärkter Kontaktbeschränkungen mög- lich sind. Besonders gefährdete Beschäftigte müs- sen von Präsenzaufgaben freigestellt werden, allen Menschen einen Bibliotheken der Bevölkerung den Zugang zu In- Vorsichtsmaßnahmen für diejenigen gelten, die kommerz- und möglichst formationen auch in Pandemiezeiten ermöglichen. mit Risikopersonen zusammenleben. Außerdem kostenfreien Zugang Allerdings muss dabei der Gesundheitsschutz von muss es für Beschäftigte mit kleinen Kindern oder zu Informationen – Beschäftigten wie Nutzer*innen sichergestellt sein. pflegebedürftigen Angehörigen erweiterte Mög- unabhängig von Alter, Der Besuch von Bibliotheken als Lern- und Auf- lichkeiten für bezahlte Freistellungen geben, Herkunft und sozialem enthaltsorte kann erhebliche Infektionsgefahren wenn Schulen, Kitas und Betreuungsangebote Status. Dazu gehören nicht bergen. Bis die Pandemie überwunden ist, wird der nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. nur Bücher, Zeitschriften normale Bibliotheksbetrieb anders aussehen als in und Tageszeitungen, Vor-Corona-Zeiten. Dafür gilt es, Mindeststandards Alle Bibliotheken haben sogenannte Pande- sondern auch E-Books, zu formulieren – und einzuhalten! mie-Ausschüsse oder Krisenstäbe gegründet, lei- Datenbanken und freier der häufig ohne Beteiligung der Personalvertre- Internetzugang. Gerade die Krise macht deutlich, wie sehr es tung. Damit muss Schluss sein. Das Gesetz gibt Die Corona-Pandemie von der finanziellen Ausstattung abhängt, wie Personalräten das Recht auf Information, Mit- führt deutlich vor Augen, gut eine Bibliothek ihren Bildungsauftrag erfüllen wirkung und Mitbestimmung in allen personel- wie wichtig der Bildungs- kann. Gut ausgerüstete Häuser stellen weiterhin len, sozialen, innerdienstlichen und organisatori- auftrag von Bibliotheken Informationsmittel für ihre Nutzer*innen bereit, schen Fragen. ist: Von der Bereitstellung hauptsächlich in digitaler Form. Kleinere Biblio- von Materialien für theken hingegen verfügen oft über weniger tech- Sobald Bibliotheken wieder für Besucher*in- Eltern, die ihre Kinder im nische und finanzielle Mittel, um Zugänge und nen öffnen, müssen Zugangskontrollen eingerich- Homeschooling unter- Lizenzen für Datenbanken zu erwerben. Unsere tet und dafür zuständiges Personal – gegebenen- richten, über Studierende zentrale Forderung lautet deshalb mehr denn je: falls auch Wachpersonal – zur Verfügung gestellt und Wissenschaftler*innen Es braucht eine flächendeckende, aufgabenge- werden. Abstandsregeln müssen organisiert, bis hin zu allen anderen rechte Ausstattung mit Geld und Personal. Das Schutzwände, Desinfektionsmittel, Handschuhe Informationssuchenden. Auseinanderdriften in Bibliotheken erster und und Mund-Nasen-Masken in ausreichendem zweiter Klasse wird gerade jetzt zu einem gesell- Maße bereitgestellt werden. Zudem kann Arbeit schaftlichen Problem. in kleinen, festen Teams mit festgelegten Schich- ten die Infektionsketten kurzhalten. Für Desinfek- Die Pandemie macht neue Arbeitsformen tionsarbeiten muss gegebenenfalls zusätzliches nötig. Deshalb sollten Arbeitgeber und Personal- Reinigungspersonal eingestellt werden. Abge- räte zügig, konstruktiv und im Sinne des Gesund- gebene Medien gehören mindestens drei Tage in heitsschutzes die Möglichkeiten für Wohnraum- „Quarantäne“, da Studien nachgewiesen haben, arbeit und Home-Office über Dienstvereinbarun- dass das Coronavirus so lange auf Leinenum- gen absichern. Heimische Arbeitsplätze müssen schlägen überleben kann. b Foto: Annette Jensen 10
Schwerpunkt: Virus dominiert den Arbeitsalltag „Forschung ist Foto: HZI Braunschweig Thomas Twardoch ist gelernter Maschinenbaumechaniker, Betriebsratsvorsitzender am mehr als Helmholtz-Zentrum für Infektions- forschung (HZI) in Braunschweig und Mitglied in der Arbeits- gemeinschaft der Betriebs- und Wissenschaft“ Personalräte der außeruniversi- tären Forschungseinrichtungen. biwifo: Welche besonderen Herausforderungen ergeben technischen Assistent*innen, Doktorand*innen, Post-Docs, sich für die Infektionsforschung in Zeiten von Corona? Stipendiat*innen und die Professor*innen. Daneben gibt es die Administration mit Rechenzentrum und IT. In der Haustechnik Thomas Twardoch: Das Helmholtz-Zentrum für Infektions- arbeiten Schlosser*innen, Elektriker*innen und Ingenieur*innen. forschung (HZI) in Braunschweig hat eine hohe Expertise, wenn Und da wir medizinische Grundlagenforschung betreiben, sind es um Infektionskrankheiten geht. Deswegen haben wir in der am Forschungszentrum auch Tierpfleger*innen beschäftigt. Dazu Covid19-Pandemie ein enormes Aufkommen an Presse-Anfragen. kommen die Beschäftigten in der Verwaltung, zu der z. B. die Innerhalb von wenigen Wochen haben wir auch neue Corona- Personalabteilung, die Beratungsstelle für Drittmittel-Akquise und Forschungsprojekte am Zentrum etabliert. Das war ein großer der Einkauf gehören. Und jetzt habe ich lange noch nicht alle administrativer Aufwand, hat aber auch dazu geführt, dass Berufe aufgezählt. Kurz gesagt: Würde man eine Berufsgruppe zusätzliches Personal für die neuen Projekte eingestellt werden aus der Kette herausnehmen, würde hier alles zusammenfallen. konnte. Hat sich deine Arbeit als Betriebsrat in Zeiten von Corona Wie sehen eure eigenen Sicherheitsmaßnahmen aus? verändert? Die oberste Maxime ist es, persönliche Kontakte weitestge- Ich habe in den letzten Monaten Erfahrungen im Home-Office hend auszuschließen. Sofern möglich, gibt es keine Büros mit sammeln können und bin positiv überrascht, wie gut die üblichen Doppelbelegung mehr. Die Kolleg*innen arbeiten wechselweise Prozesse weiterlaufen können. Wir gewinnen zahlreiche neue im Home-Office und im Büro. Im wissenschaftlichen Bereich gibt Erkenntnisse. Daraus müssen wir als Betriebsrat tragfähige Grund- es ein Wechsel- bzw. Schichtsystem. Die Labore unterliegen ja lagen-Konzepte für die Zukunft formulieren. Das bedeutet zum ohnehin besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Die Corona- Beispiel, dass wir über die aktive Gestaltung von Digitalisierungs- Forschung am Virus findet in Laboren der Sicherheitsstufe S3 prozessen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorantreiben statt. Die bieten eine in der heutigen Infektionsforschung müssen. Was die Arbeit im Home-Office angeht hat uns die unverzichtbare Technologie-Plattform – nur so können unsere Pandemie um mindestens fünf Jahre nach vorne katapultiert. Wissenschaftler*innen neue Diagnoseverfahren, Präventions- Damit dieser Fortschritt nicht in Vergessenheit gerät, müssen wir maßnahmen oder Therapien gegen diese Krankheitserreger ent- jetzt am Ball bleiben. wickeln. Die Luft in allen Laboren wird standardmäßig siebenmal pro Stunde komplett ausgetauscht. Das entspricht quasi dem Wer profitiert eigentlich von der Arbeit des HZI? Arbeiten an der frischen Luft. Wenn es nicht zu vermeiden ist, dass mehrere Menschen gleichzeitig in einem Labor tätig sind, Wir arbeiten daran, Infektionskrankheiten zu besiegen. Um lautet die Schutzregel, dass zehn Quadratmeter Platz pro Person Krankheitserreger bekämpfen zu können, müssen wir das zur Verfügung stehen müssen. Infektionsgeschehen verstehen. Dafür betreiben wir Grundlagen- forschung. Die am Zentrum erzielten Ergebnisse finden ihren Darüber hinaus müssen alle Beschäftigten, die 15 Minuten im Weg in die klinische Anwendung. Und so profitiert die gesamte direkten Kontakt mit anderen Kolleg*innen standen, diesen Gesellschaft von unserer Arbeit. Kontakt einer zentralen Erfassungsstelle melden. Im Infektions-Fall könnten wir dann die Infektionskette per Knopfdruck nachvoll- Die deutschen Gesundheitsämter nutzen die Seuchen- ziehen und an das Gesundheitsamt übermitteln. management-App SORMAS, die schon zu Zeiten der Ebola- Epidemie entwickelt wurde und dazu dient, Kontaktwege nach- zuvollziehen. Diese App, und auch die spezielle Version für die Du hast Sicherheitsmaßnahmen für unterschiedliche Bereiche COVID19- Pandemie, wurde gemeinsam mit internationalen des Forschungszentrums beschrieben. Welche Berufsgruppen Partnern am Helmholtz-Zentrum entwickelt. Ihre Funktionen 11 sind für eine erfolgreiche Forschung nötig? gehen deutlich über die nun von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Corona-Warn-App hinaus. b Den meisten Menschen fallen beim Thema Forschung natür- lich die Beschäftigten aus dem Bereich Wissenschaft ein, also die Interview: Maren Skambraks
C o r o n a v e r ä n d e r t a u c h v e r. d i s A r b e i t M E L D U N G E N W ver.di klagt gegen Sonntagsöffnung von Bibliotheken ver.di hat im Mai vor dem Gewerkschaftsarbeit Oberverwaltungsgericht Münster eine Normenkontrollklage gegen das Bibliotheksstärkungsgesetz in Zeiten der Pandemie von NRW eingereicht. Der Land- tag in Düsseldorf hatte im No- vember 2019 beschlossen, dass Sonntagsarbeit in öffentlichen N eue Mitglieder zu gewinnen ist nie einfach. In normalen Zeiten sprechen wir vom Landes- bezirk Niedersachsen Kolleg*innen vor Ort an Der Aufwand für Veranstaltungen ist plötzlich für alle gleich. Ein weiterer nicht zu unterschät- zender Aspekt dürfte sein, dass sich künftig alle Bibliotheken künftig möglich und versuchen sie von einer Mitgliedschaft zu mega freuen, wenn sie sich wieder in echt begeg- sein soll. Das Gesetz umgeht überzeugen. Online ist das nicht einfacher. In bei- nen. Präsenzveranstaltungen werden eine signifi- nicht nur den im Grundgesetz den Fällen braucht es Engagement und Aktivität. kante Aufwertung erfahren. verankerten Schutz der Sonn- Was in Coronazeiten fehlt sind die „Übermittler“ Offen bleibt: Wie üben wir Druck auf Arbeit- tagsruhe von Beschäftigten, son- am Arbeitsplatz. geber*innen aus, die Tarifverhandlungen abbre- dern verletzt auch das Arbeits- chen oder sich hinter der Pandemie verstecken, zeitgesetz §10, Abs. 7. Das sieht Sich in virtuellen Räumen zu Vorstandssitzun- um Verhandlungsterminen auszuweichen? Wird Ausnahmemöglichkeiten beim gen oder Workshops zu treffen, hat sich seit Mitte es uns gelingen auch mit Kolleg*innen im Home- Thema Sonntagsruhe nur für März schnell etabliert – und die Themen dadurch Office, in Kurzarbeit und mit Abstandsregeln er- wissenschaftliche Präsenzbiblio- nicht verändert. Gezeigt hat sich: Solche Veranstal- folgreiche Streiks und Kampagnen durchzufüh- theken vor. tungen sind einfacher in die Tagesabläufe zu inte- ren? Wir sind optimistisch, weil unsere Netzwerke ver.di ist überzeugt: Ange- grieren und reduzieren die Schwelle zur Teilnahme. funktionieren. Die Betroffenheit der Kolleg*innen sichts des herrschenden Personal- Beim Zoom-Meeting mit dem niedersächsischen beispielsweise im Weiterbildungsbereich ist durch mangels und der Unterfinanzie- Wissenschaftsministerium zu Hochschulthemen, die Corona-Beschränkungen sehr groß. In solchen rung der öffentlichen Bibliothe- das Kathrin Horne vom ver.di Bildungswerk Olden- Situationen haben wir bisher oft stark mobilisie- ken ist es ein Luxusproblem, burg organisiert hatte, konnten mehr Menschen ren können. Entscheidend wird sein, dass die Be- Bibliotheken sieben Tage die teilnehmen als sonst üblich. Den mitlaufenden schäftigten selbst aktiv werden und die Auswir- Woche öffnen zu wollen. Biblio- Chat nutzten die Kolleg*innen ausgiebig, um sich kungen auf ihre Arbeitsplätze in die Diskussionen theken können sich eine zeitliche während der Redebeiträge untereinander auszu- für Hilfspakete und Folgeabschätzungen einbrin- Ausweitung des Angebots aus tauschen und das Gehörte zu kommentieren. Im gen. Nur dann können wir auch darüber verhan- Qualitätsgründen einfach nicht Ergebnis waren das zwei sehr konzentriert genutz- deln. Bei der Vorbereitung des Bremen-Fonds ist leisten. Beim Thema Sonntags- te Stunden und die Teilnehmer*innen konnten das im Hochschulbereich sehr gut gelungen. Dies arbeit kommen ver.di und der konkrete Antworten auf ihre Fragen mitnehmen. spornt an, Vergleichbares für und mit den ande- Deutsche Bibliotheksverband Auch die Kontaktaufnahme zu den neugewählten ren Arbeitsbereichen im Fachbereich zu erreichen. eher nicht zusammen. Aber zu Personalräten und deren Vernetzung gelang un- b anderen wichtigen Themen rund problematisch durch ein Videokonferenz. Hans-Jürgen Immerthal um die Entwicklung der Biblio- theken sind wir gut im Gespräch. K.T. W Ergonomie und Das wird ein kämpferischer Herbst Artbeitsschutz Im Internet gibt es eine Seite, die Beschäftigte und Inte- „A pplaus war gestern – heute herrscht Respektlosigkeit!“ So hat der ver.di-Vor- sitzende Frank Werneke die Gespräche mit der erreichen – das macht das Verhalten der Arbeit- geberseite mehr als deutlich. Im Juli und August wurden die Forderungen ressenvertretungen umfassend Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberver- diskutiert. In jedem ver.di-Bezirk und für die und vielseitig über das Thema bände (VKA) zusammengefasst. ver.di war be- Branchen des öffentlichen Dienstes fanden vir- Arbeitsschutz informiert. Wie reit, in der aktuellen Pandemie-Situation eine tuelle Auftaktkonferenzen statt. Am 25. August sich Rückenschmerzen vermei- Auseinandersetzung zu vermeiden. Doch die hat die Bundestarifkommission die Forderung den lassen erfährt man dort VKA setzt auf Konfrontation. Also steht im beschlossen: 4,8 Prozent mehr Gehalt, mindes- ebenso wie die Anforderungen Herbst eine normale und doch gänzlich außerge- tens aber 150 Euro monatlich für ein Jahr sollen an eine Überlastungsanzeige. wöhnliche Tarifrunde für die 2,3 Millionen Be- es werden. Die erste Verhandlungsrunde am Das Portal bietet auch schäftigten von Bund und Kommunen an. 1. September zeigte, dass ein faires Angebot 12 Beratungen an. ver.di ist an dem der Arbeitgeber noch in weiter Ferne liegt. Jetzt Projekt beteiligt durch das Unter Corona-Bedingungen müssen wir neue kommt es darauf an, in den Betrieben und hessische BTQ-Bildungswerk. Wege gehen, um die Kolleg*innen zu informie- Dienststellen in den kommenden Wochen das ren und zu mobilisieren für eine kämpferische Motto der Tarifauseinandersetzung mit Leben https://www.ergo-online.de/ Runde. Und die wird nötig sein, um etwas zu zu füllen: Jetzt seid Ihr dran! b Matthias Neis
Das gute Beispiel M E L D U N G E N W Warnstreik bei Protest im uni-assist Ende Juni gab es einen Warn- streik bei uni-assist in Berlin. Der Ausnahmesemester Dienstleister für deutsche Hoch- schulen kümmert sich um die Unterlagen internationaler Studienbewerber*innen. Löhne mann. „Es kann nicht sein, dass die prekär Be- und Arbeitszeiten der Beschäf- Foto: Carl Pfeil-Herz schäftigten als Bittsteller*innen auftreten müssen, tigten sind schlechter als bei den um eine Verlängerung zu erhalten.“ Mitgliedshochschulen, obwohl in der Satzung des Vereins ver- Der Bundestag hat am 7. Mai 2020 auf die gleichbare Bedingungen ange- Situation reagiert und beschlossen, die Höchst- strebt werden. Anlass des Warn- grenze zur Befristung Wissenschaftlicher Mit- streiks war die fehlende Bereit- arbeiter*innen um sechs Monate zu verlängern. schaft der Arbeitgeberseite, mit Das bedeutet allerdings nicht, dass die Hoch- neuen Vorschlägen an den Ver- schulen die Verträge auch tatsächlich fortschrei- handlungstisch zurückzukehren. ben. Die TU Darmstadt erklärt, dies geschehe, Ein zwischenzeitlich vorgelegtes „wenn dies aufgrund der pandemiebedingten Angebot enthielt keine wesentli- Wenn alle Buchstaben zu sehen Einschränkungen im Einzelfall erforderlich ist.“ chen Verbesserungen. Außerdem sind, steht da: Ausnahmesemester – Die meisten anderen Universitäten haben sich gibt es keinerlei Vorschläge für Verträge verlängern ähnlich geäußert. die Gestaltung der Be- und Entfristungsregelungen. VON HERBERT WULFF Die Aktivist*innen der von den Gewerkschaf- ten unterstützten Initiative halten das für unzu- W Aktionswoche C orona-gerecht – also mit Mindestabstand, Mundschutz und begrenzter Teilnehmerzahl – so demonstrierten Beschäftigte der Technischen reichend. „Dass sich jede und jeder Betroffene einzeln gegenüber Vorgesetzten und Personal- abteilung erklären soll, ist untragbar“, kritisiert gegen Rechts Mitte August hat ver.di eine Aktionswoche gegen Rechts in Universität Darmstadt Ende Mai vor deren Ver- Ricarda Kramer, die als Wissenschaftliche Mit- Nordrhein-Westfalen veranstal- waltungsgebäude. Corona-gerecht – so sollen arbeiterin im Fach Soziologie promoviert. „Statt- tet. Landesweit fanden Aktionen auch die TU und alle anderen Hochschulen mit dessen sollte allen befristet Beschäftigten eine in Betrieben, Dienststellen und ihren befristet Beschäftigten umgehen. Die Verlängerung um zunächst sechs Monate ange- Innenstädten statt, um ein klares Aktivist*innen der Initiative „darmstadtunbefris- boten werden. Eine solche Lösung wäre unbüro- Zeichen gegen rechte Ideologien tet“ fordern, dass die Verträge wegen des pande- kratisch und im Interesse aller. Oder sollen sich die und Parteien zu setzen. Kurz vor miebedingten „Ausnahmesemesters“ um min- aktuell ohnehin sehr belasteten Kolleg*innen in den Landtagswahlen im Septem- destens sechs Monate verlängert werden. der Personalabteilung auch noch mit den indivi- ber sollte klargemacht werden, duellen Begründungen jedes und jeder Einzelnen dass Nazis nicht in Parlamente Dafür hatten in kurzer Zeit 130 TU-Beschäftig- befassen?“ oder Betriebe und nirgendwo te einen Offenen Brief an das Präsidium der Uni- sonst hin gehören. versität unterzeichnet. Um die Forderung öffent- Die Soziologin weist noch auf einen anderen lichkeitswirksam zu unterstreichen, hielten die Aspekt hin: die Geschlechtergerechtigkeit. „Frauen W Gut aufbereitete Demonstrant*innen an einem Aktionstag Buch- haben ohnehin vielfach eine Doppelbelastung Informationen für staben in die Höhe, so dass auf der einen Seite von Familie und Arbeit zu schultern. Und sie sind Gewerkschafter*innen „AUSNAHMESEMESTER“ und auf der anderen überdurchschnittlich von prekären Arbeitsverhält- Die Hans-Böckler-Stiftung „VERTRÄGE VERLÄNGERN“ zu lesen war. „Wir nissen betroffen. Sie dürfen nicht zu den Verlierer- beauftragt Forschungsvorhaben wollen deutlich machen, dass dies kein normales innen in dieser Pandemie werden.“ Grundsätzlich und bündelt auf ihrer Website Semester ist“, erklärte Johannes Reinhard, der als gelte es, den Anteil unbefristeter Arbeitsverträge gut aufbereitete Informationen Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Physik an den Hochschulen massiv auszuweiten – nicht zu gewerkschaftlich relevanten arbeitet. „Die Lehre musste Hals über Kopf auf nur im wissenschaftlichen Mittelbau, sondern auch Themen wie Arbeit der Zukunft, digital umgestellt werden. Die Forschung ist in in Verwaltung und Technik. Mitbestimmung und Europa. vielen Bereichen nur eingeschränkt möglich. Und Auch die Veränderungen der die Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern An der TU Darmstadt sind knapp 17 Prozent Arbeitswelt in der Globalisierung müssen irgendwie nebenher die Betreuung orga- der administrativ-technischen und über 92 Pro- wird beleuchtet. Zu Schwer- 13 nisieren – all diese Belastungen führen dazu, dass zent der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen punktthemen gibt es Newsletter- sich Qualifikationsarbeiten verzögern.“ Die Ver- auf Zeit angestellt. „Das ist viel zu viel“, stellt angebote. antwortlichen in Politik und Hochschulen müssten Kramer fest. „Dagegen werden wir weiter aufbe- Einfach mal vorbeischauen: darauf reagieren und die befristeten Verträge gehren – nach der Corona-Pandemie sicher auch https://www.boeckler.de pauschal verlängern, so der ver.di-Vertrauens- wieder mit größeren Aktionen.“ b
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