Coronavirus/COVID-19 Update - Was deutsche Unternehmen jetzt beachten müssen 13. März 2020 - Squire Patton Boggs
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Coronavirus/COVID-19 Update Was deutsche Unternehmen jetzt beachten müssen 13. März 2020 erfolgreich auf „Force Majeure“ berufen wollen, um auf diese Weise den Kosten aus der Nichteinhaltung von Verträgen zu entgehen, die deutschem Recht unterliegen. Auch auf die vertraglichen Vereinbarungen mit Versicherern sollte in diesen Tagen genau geschaut werden, z. B. wenn Messen oder andere Großveranstaltungen abgesagt werden, an denen eine Teilnahme geplant war. Anwendbares Recht Wie immer bei grenzüberschreitenden Verträgen ist die wichtigste Frage die nach dem anwendbaren Recht. Verträge sollten stets eine Rechtswahlklausel enthalten, um in diesem Punkt Klarheit zu schaffen. Da Deutschland Vertragsstaat ist, beinhalten Kaufverträge, die auch ohne ausdrückliche Rechtswahl nach den Regeln des internationalen Privatrechts deutschem Recht unterliegen, automatisch auch die Anwend- barkeit des UN-Kaufrechts (CISG). Verträge, die ausdrücklich die Anwendung deutschen Rechts vorsehen, enthalten jedoch häufig den Zusatz, dass die Anwendung des CISG ausge- schlossen ist. Ist das CISG anwendbar, so gibt es eine klare Regelung für Fälle von „Force Majeure“: Gemäß Art. 79 CISG entfällt für den Lieferanten die Haftung für ein aus höherer Gewalt resul- tierendes Leistungshindernis. Das Vorliegen der Voraussetzun- Das Coronavirus stellt die Wirtschaft in Deutschland gen des Art. 79 CISG hat der Lieferant zu beweisen. Hierzu ist auch rechtlich vor massive Herausforderungen. Zahlrei- anerkannt, dass Epidemien oder die Schließung von Transport- che und rasant zunehmende Restriktionen machen es wegen Fallgruppen des Art. 79 CISG darstellen können. immer mehr Unternehmen unmöglich, ihren Geschäfts- Nationale Rechtsgrundlagen betrieb ungestört aufrecht zu erhalten und ihren ver- traglichen Verpflichtungen nachzukommen. Soweit UN-Kaufrecht nicht zur Anwendung kommt, wer- den „Force Majeure“ Fälle in Deutschland nach § 275 BGB Hier finden Sie eine Übersicht von rechtlichen Frage- („Ausschluss der Leistungspflicht“) oder nach § 313 BGB stellungen im Zusammenhang mit dem Virus, die für („Störung der Geschäftsgrundlage“) beurteilt. Nach § 275 BGB Ihr Unternehmen interessant sein könnten. Unsere wird der Lieferant von seiner Leistungspflicht frei, wenn die Sozietät bietet auch regelmäßige Webinare zu dem Erbringung der Leistung für ihn oder jedermann unmöglich ist. Thema an. Falls Sie daran Interesse haben, lassen Sie Der Schuldner darf die Leistung auch verweigern, wenn die es uns gerne wissen. Leistung mit unzumutbaren Anstrengungen verbunden wäre. § 313 BGB sieht vor, dass der Lieferant eine Anpassung des Vertrages verlangen oder – als letzten Ausweg – vom Vertrag Coronavirus und die Kosten bei Verträgen zurücktreten kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage nach deutschem Recht des Vertrags geworden sind, in unvorhersehbarer Weise derart schwerwiegend verändern, dass ein Festhalten am Vertrag Welche Rolle spielt „Force Majeure“? unzumutbar wird. Der Begriff der „Force Majeure“, zu Deutsch „höhere Gewalt“, ist zwar regelmäßig Gegenstand internationaler Höhere Gewalt und Lieferketten Verträge, im Fundament des deutschen Vertragsrechts, dem Coronavirus als „höhere Gewalt“? BGB, hingegen taucht er nicht auf. Mit der Ausbreitung des In welchen Fällen führt das Coronovirus somit zu einer Un- Coronavirus gewinnt er jedoch an Bedeutung, vor allem im möglichkeit der Leistung bzw. zu einem Umstand, der ein grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr. Festhalten am Vertrag unzumutbar macht? Wenn zum Beispiel Unternehmen, die aufgrund von durch den Virus verursachten das Werk des Lieferanten in China aufgrund behördlicher An- Restriktionen ihren Lieferpflichten nicht nachkommen können, ordnung geschlossen wird, ist hiervon in den meisten Fällen müssen einige wichtige Punkte beachten, wenn sie sich auszugehen. Anders liegt der Fall aber bereits, wenn der 1
Werkinhaber sich aufgrund der aktuellen Situation freiwillig Was sollten Kunden des Lieferanten beachten? dazu entscheidet, das Werk zu schließen. Zunächst sollten Kunden ihren Lieferanten auffordern, dass Wenn der Zulieferer des Lieferanten seiner Lieferpflicht nicht er alles ihm zumutbare unternimmt, um seiner Lieferpflicht nachkommt, weil er sein Werk schließen musste, stellt sich nachzukommen. Vom Einzelfall hängt ab, was konkret verlangt für den Lieferanten die Frage, ob eine Ersatzbeschaffung bei werden kann. Erscheint eine Abhilfe unmöglich oder unzu- einem anderen Zulieferer möglich und zumutbar ist. Selbst mutbar, so sind Kunden gut beraten, ihre eigenen Abnehmer wenn das mit Mehrkosten verbunden ist, so wird sich der so früh wie möglich und nachweisbar auf drohende Liefer- Lieferant in vielen Fällen nicht mehr erfolgreich auf „Force schwierigkeiten hinzuweisen. Andernfalls setzen sich die Majeure“ berufen können. Finanzielle Verluste, also z.B. Kunden einem erhöhten Risiko von Regressansprüchen ihrer Mehrkosten durch höhere Preise, hat er in gewissem Umfang Abnehmer aus. Sie kommen dann selbst in die Situation, hinzunehmen, um seinen Lieferpflichten nachzukommen. den „Force Majeure“ Nachweis führen zu müssen oder die Je nach Ausgestaltung des Vertrags sind z.B. Konstellationen Lieferung auf anderen – unter Umständen wirtschaftlich nach- denkbar, in denen der Lieferant verpflichtet ist, die zu liefernde teiligen – Wegen sicherzustellen. Ware in ausreichender Menge auf Lager zu halten, um even- tuelle Engpässe bei Zulieferern über einen gewissen Zeitraum Absagen von Veranstaltungen überbrücken zu können. Schließlich gilt es, die geschlossenen Wer ersetzt die Schäden, wenn eine Messe ausfällt? Verträge nochmals daraufhin zu überprüfen, ob es vertrag- liche Regelungen zur Leistungspflicht bei höherer Gewalt gibt. Häufig decken Versicherungspolicen Verluste aufgrund anste- Sollte das in Allgemeinen Geschäftsbedingen erfolgt sein, so ckender Krankheiten nicht ab, es sei denn, hierfür wurde Ver- stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Regelung. Die sicherungsschutz explizit vereinbart. Selbst bei einer expliziten denkbaren Sachverhaltskonstellationen sind vielfältig. Es wird Vereinbarung kann es sein, dass der Versicherer nur eintritt, daher bei der rechtlichen Einordnung – wie so häufig – auf wenn die Messe oder sonstige Veranstaltung aufgrund den Einzelfall ankommen. Grundsätzlich ist anerkannt, dass behördlicher Anordnung abgesagt wird. Ziehen jedoch die Seuchen oder Epidemien als „höhere Gewalt“ eingestuft Mehrzahl der Aussteller ihre Teilnahme von sich aus zurück werden können, so geschehen beispielsweise bei Cholera und sagt der Veranstalter die Messe daraufhin ab, dürfte es oder SARS. in vielen Fällen fraglich sein, ob der Versicherer für die daraus resultierenden Schäden eintritt, und wenn ja, in welchem Beweislast des Lieferanten Umfang. Zur Risikobewertung ist daher ein Blick in die Ver- Wer sich auf höhere Gewalt berufen möchte, hat dies nach sicherungspolice unerlässlich. Zumal seit Beginn des Jahres den Grundregeln des deutschen Prozessrechts im Streitfall festzustellen war, dass mehrere Versicherer die Übernahme zu beweisen. Die Hürden dafür sind hoch. Denn erst ein- von durch COVID-19 verursachten Schäden unter bestimmten mal gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“ – Verträge sind Voraussetzungen explizit ausschlossen. einzuhalten. Ratsam ist es daher, den relevanten Sachverhalt sorgsam zu dokumentieren und frühzeitig „prozessfest“ zu machen. Zudem muss der Lieferant aufzeigen können, dass er alle zumutbaren Anstrengungen – auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Verluste – unternommen hat, um seinen Lieferpflichten vertragsgemäß nachzukommen. 2
Arbeitsrechtliche Fragestellungen Was sind die Gesundheits- und Sicherheitsverpflichtungen eines Arbeitgebers in Bezug auf sein Personal? Arbeitgeber sollten sich regelmäßig zum aktuellen Stand des Infektionsgeschehens mittels der Internetseiten öffentlicher Stellen informieren (z.B. Bundesgesundheitsministerium, Robert Koch-Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Auf- klärung). Weiterhin ist nach Möglichkeit zu versuchen, die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Verringerung des Risikos einer Ansteckung mit COVID-19 in dem Betrieb soweit wie möglich umzusetzen und die Mitarbeiter hierüber entsprechend zu informieren. Gegebenenfalls sollten die Arbeitgeber auch einen gewählten Betriebsrat einbeziehen und dessen Mitbestimmungsrechte beachten. Sollten Arbeitgeber Beschränkungen für arbeitsbezogene internationale Reisen erlassen? Enthält der Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zu regelmäßigen Dienstreisen, ist eine Reiseanweisung grundsätzlich zulässig. Es gibt jedoch Ausnahmen. Liegt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für ein ganzes Land oder eine Teilreise- warnung für eine Region vor, kann die Reise vom Mitarbeiter abgelehnt werden. Es läge im Interesse der meisten Unternehmen, Reisen in risikoreiche Länder zu reduzieren oder zu unterlassen, um die Risiken für ihre Mitarbeiter und betrieblichen Abläufe so gering wie möglich zu halten. Aktuelle Informationen zum Thema Reisen finden Sie auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Müssen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bezahlen, wenn er sich selbst isoliert? Unter welchen Umständen wird von den Mitarbeitern ver- langt, sich selbst zu isolieren? Kranke Arbeitnehmer erhalten in der Regel für sechs Wochen pro Krankheit eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Kranke und arbeitsunfähige Mitarbeiter erhalten in der Regel ein ärztliches Attest, in dem der Zeitraum, in dem der Mit- Besteht jedoch nur der Verdacht oder die Angst vor einer arbeiter arbeitsunfähig ist, aufgeführt ist. Ansteckung und ordnen die Behörden ein Arbeitsverbot oder eine Quarantäne an, haben sie keinen Anspruch auf Lohnfort- Bei Verdacht auf eine Infektion können die Gesundheitsbehör- zahlung. Stattdessen erhalten die Arbeitnehmer eine Ent- den eine Quarantäne anordnen. schädigung vom Staat. Diese muss der Arbeitgeber zwar an Die Selbstisolierung ohne ärztlichen Rat sollte nicht gefördert das Personal zahlen, wird aber von der zuständigen Gesund- werden. Mitarbeiter sollten einen Arzt aufsuchen oder sich an heitsbehörde erstattet. Dies ist im Infektionsschutzgesetz die örtliche Niederlassung der Gesundheitsbehörde wenden. festgelegt. Ein Mitarbeiter, der sich ohne ärztlichen Rat (außer auf Anwei- Wie sollten Arbeitgeber mit einem Mitarbeiter umgehen, sung des Arbeitgebers) selbst isoliert, hat während dieser Zeit der sich weigert, zur Arbeit zu kommen, weil er sich über keinen Anspruch auf Bezahlung. das Infektionsrisiko Sorgen macht? Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber unver- Angst und Bedenken allein reichen nicht aus. Wenn es keine züglich eine Krankheit zu melden, wobei die Art der Krankheit konkreten Beweise für eine mögliche Infektion gibt, müssen in der Regel nicht gemeldet werden muss. die Mitarbeiter grundsätzlich zur Arbeit kommen. Anderes gilt, Da das Coronavirus eine hoch ansteckende und gefährliche wenn ein Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern eine Vereinba- Krankheit ist, bedeutet die allgemeine arbeitsrechtliche Loyali- rung trifft, von zu Hause aus zu arbeiten. tätspflicht, dass Arbeitnehmer, die daran leiden, ausnahms- In Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass ein Arbeitneh- weise die Art der Krankheit melden sollten und sogar müs- mer mit dem Coronavirus infiziert ist und ein konkretes Infek- sen, da nur so ein Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen tionsrisiko besteht, kann der Arbeitnehmer von zu Hause aus gegen die Verbreitung des Virus ergreifen kann. arbeiten. Eine einseitige Anweisung des Arbeitgebers, von zu Hause aus zu arbeiten, ist nicht zulässig; solche Maßnahmen 3
die möglicherweise mit ihm in Kontakt gekommen sind, in Einklang bringen können. Der Arbeitgeber sollte sich im Zwei- felsfall an das Gesundheitsamt wenden. Wenn sich die Situation verschlechtert und die Arbeitge- ber die Schließung eines ihrer Standorte in Erwägung zie- hen, haben sie dann das Recht, unter diesen Umständen Personal zu entlassen? Sind sie verpflichtet, sie weiter zu bezahlen? Es gibt zwei verschiedene Situationen. Wenn ein Unterneh- men zum Schutz der Mitarbeiter vorübergehend geschlossen wird, trägt der Arbeitgeber auch das finanzielle Risiko. Die Mitarbeiter müssen weiterhin bezahlt werden. Anders sieht es aus, wenn die Gesundheitsbehörden die Schließung des Unternehmens anordnen. Dann treten wiede- rum allgemeine staatliche Entschädigungsregelungen in Kraft. Darüber hinaus besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, müssen immer von beiden Parteien akzeptiert werden, sofern Kurzarbeit zu beantragen, z. B. bei virusbedingten Verzögerun- nicht anders vereinbart. Der Arbeitgeber kann den Arbeit- gen in der Liefer- oder Produktionskette. nehmer anweisen, zu Hause zu bleiben, muss ihn aber im In diesem Fall muss kein „Zwangsurlaub” genommen wer- Zweifelsfall von seinen Arbeitspflichten freistellen. den, denn wenn der Arbeitgeber das Unternehmen auf eigene Verweigert ein Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung Initiative schließt und der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit kom- die Teilnahme an der Arbeit, obwohl es keine objektive Grund- men kann, ist der Arbeitgeber in Verzug. Der Arbeitnehmer lage für die Angst vor einer Ansteckung gibt, kann der Arbeit- muss dafür keinen Urlaub nehmen. geber zunächst eine Abmahnung aussprechen und, falls dies Für Entlassungen gelten die allgemeinen Grundsätze für Ent- erneut geschieht, den Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten lassungssituationen. Ein Virusausbruch selbst reicht für eine Gründen entlassen. Entlassung nicht aus. Eine Umstrukturierung aufgrund einer Wenn die Mitarbeiter bei der Arbeit eine Gesichtsmaske wesentlich beeinträchtigten wirtschaftlichen Situation im tragen wollen, darf der Arbeitgeber dies unterbinden? Unternehmen kann dagegen ein ausreichender Grund für eine betriebsbedingte Kündigung sein. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht gegen- über seinen Mitarbeitern. Datenschutzrechtliche Fragestellungen Bevor einem Arbeitnehmer die Zustimmung zum Tragen einer Home-Office Maske bei der Arbeit verweigert wird, hätte der Arbeitgeber • Die Ausbreitung des Virus hat bereits jetzt zu einer signi- angemessene Schritte unternehmen müssen, um ihn von den fikanten Zunahme des Wunsches von Arbeitgebern und Nachteilen/der Sinnlosigkeit einer solchen Verweigerung zu Arbeitnehmern nach Home-Office Arbeitsmöglichkeiten überzeugen, aber letztendlich fällt die Kleidung einschließlich geführt. Schutzkleidung in die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. • Die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit im Was sollten Arbeitgeber tun, wenn ein Mitarbeiter als Home-Office unterscheiden sich grundsätzlich nicht von infiziert bestätigt wird und sich kürzlich am Arbeitsplatz denjenigen in „Nichtkrisenzeiten“. Herausforderungen er- aufgehalten hat? geben sich aber aus dem (Corona-)krisenbedingten Wunsch Eine enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt wird nach der schnellen Einrichtung von Home-Office Möglich- dringend empfohlen.Darüber hinaus sollten Schutzmaßnahmen keiten auch für Mitarbeiter, die bisher nur einen stationären für den Rest der Belegschaft getroffen werden. Wenn andere Arbeitsplatz haben. Bei großem Zeitdruck muss daher über- Mitarbeiter Coronasymptome wie Fieber, Husten, Erkältun- gangsweise ggf. auch auf Smartphones oder Tablets zurück- gen usw. melden, sollte der Arbeitgeber sie nach Hause schi- gegriffen werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, cken und sie anweisen, sich auf die eine oder andere Weise durch Verwendung geeigneter Apps, die datenschutzrecht- medizinisch behandeln zu lassen. lich unerwünschte Vermischung privater und dienstlicher Die Datenschutzgesetze sollten nicht vergessen werden. Daten zu vermeiden. Das Sammeln von Gesundheitsdaten von Mitarbeitern, z.B. • Gleiches gilt, wenn etwa wegen des zeitlichen Vorlau- durch Messung von möglichem Fieber beim Betreten des fes für die Anschaffung mobiler Home-Office Hardware Firmengeländes, ist ohne Zustimmung nicht zulässig. Das- (vorübergehend) auf private Hardware des Mitarbeiters selbe gilt für die Information Dritter (insbesondere anderer zurückgegriffen wird. Auch hier bieten sich Zugänge über Mitarbeiter sowie Kunden und Auftraggeber) über eine mög- Virtualisierungsanwendungen, z.B. Citrix, via Remote-Desk- liche Infektion. Es bleibt abzuwarten, wie Arbeitgeber ihre top oder VPN-Tunnel an. Klares No-Go aus Datenschutzsicht Geheimhaltungspflicht gegenüber dem (potentiell) infizierten ist der (auch vorübergehende) Einsatz eines privaten E-Mail Mitarbeiter mit ihren Pflichten gegenüber anderen Kollegen, Accounts von Mitarbeitern. 4
entsprechende Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus im Betrieb ergreifen. • Hierdurch können kurzfristig große Mengen personenbezo- gener oder personenbeziehbarer Daten entstehen, mit und ohne Bezug zur Gesundheit oder zum (räumlichen) Aufent- halt des betroffenen Mitarbeiters in einem Risikogebiet. Das Format der Erhebung hat hierauf grundsätzlich keinen Einfluss. Personenbezogene Daten liegen also vor, ganz gleich, ob vom Mitarbeiter ein Fragebogen oder eine Selbst- auskunft abgeben wird oder ob eine persönliche Befragung, bspw. durch Vorgesetzte oder Mitarbeiter der Personalabtei- lung vorgenommen wird. • Bei Mitarbeiterdaten ist der Umgang mit solchen Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nur zulässig, wenn dies für den Arbeitgeber zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeits- recht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozial- schutzes erforderlich ist. Dies kann im Einzelnen schwierig sein und wirft zahlreiche Abgrenzungsprobleme auf. Was bei einem bestätigten Kontakt des betreffenden Mitarbei- ters zu einer infizierten Person oder gar bei einem positiven Corona-Test des Mitarbeiters selbst unproblematisch sein mag, kann sich bei der anlasslosen Abfrage von Gesund- heitsdaten einer großen Anzahl von Arbeitnehmern ganz anders darstellen. • Oberstes Gebot ist eine klare technische Trennung von privater und beruflicher Nutzung. Ansonsten könnten durch • In schwierigen Zeiten brauchen Unternehmen Klarheit. Für die private Nutzung hervorgerufene Datenerfassungen ganz banale, einfache Informationen wie bspw. „Mitarbeiter X oder Sicherheitsprobleme im privaten Heimnetzwerk des war schon einmal in Norditalien“ kommt aus Sicht der Pra- Mitarbeiters die Datenschutz-Compliance und die IT-Sicher- xis im Einzelfall auch bei Personenbezug eine Verarbeitung heit des Unternehmens tangieren. Wenn private Geräte der zur Wahrnehmung „einfacher“ berechtigter Interessen des Mitarbeiter eingebunden werden (müssen), empfielt sich Unternehmens in Betracht. dringend die Überprüfung auf Grundsicherheit (Virenschutz, • Bis der Umgang mit den neuen „Corona-Daten“ geklärt neueste Versionen von Security-Anwendungen, etc.) nach ist und sich zumindest die Aufsichtsbehörden positioniert den Vorgaben des verantwortlichen Unternehmens. Notfalls haben, ist Zurückhaltung zu empfehlen. Dies gilt vor allem kann dies Remote über (Mobile) Device Management An- beim Zugang zu den so erhobenen Daten, insbesondere wendungen erfolgen. solche mit Gesundheitsbezug (Berechtigungskonzept) und • Datenschutz sollte auch durch klare Home-Office Policies deren Speicherung. Bewährte Mittel wie bspw. die Pseud- gewährleistet werden: Auch bisher nicht betroffene Mit- onymisierung (wo möglich) und strikte Löschungskonzepte arbeiter müssen, notfalls ad hoc, zu den Basics von Daten- empfehlen sich. schutz und Datensicherheit geschult werden, Passwörter • Die technisch mögliche Erhebung von GPS-gestützten auch im Home-Office, Bildschirmschoner für das Remote Daten über den Aufenthaltsort von Mitarbeitern mittels Desktop verwendet werden, etc. Tracking von Smartphones und anderen mobilen End- • Vorsicht: Überhastete Entsendung von Mitarbeitern an geräten sollte dagegen grundsätzlich unterbleiben. Eine Heimarbeitsplätze kann die bekannten Risiken für Daten- Rechtsgrundlage hierfür ist jedenfalls für Unternehmen schutz und Datensicherheit bringen, die mit der Nutzung im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern nicht erkennbar. Sie von USB-Sticks verbunden sind. Auch hier gilt: Data Privacy würde zudem ohne Kenntnis des Arbeitnehmers gegen das by Policy, Nutzung personenbezogener Daten nur innerhalb datenschutzrechtliche Transparenzgebot verstoßen. des (VPN) geschützten Bereichs, keine Mitgabe oder Mit- • Wegen des Gewinns an datenschutzrechtlicher Sicher- nahme personenbezogener Daten durch Mitarbeitende auf heit können sich gesonderte Betriebsvereinbarungen zum USB-Sticks ins Home-Office. Infektionsschutz anbieten. Diese können, wenn sie den Mitarbeiterdaten Anforderungen des Persönlichkeitsschutzes genügen, selbst Rechtsgrundlage für den Datenumgang sein. Anders • Aus Sicht des Datenschutzes gilt hier folgendes: Da es sich als Schritte des Gesetzgebers oder Positionierungen der bei dem Coronavirus um eine hochansteckende Krankheit Aufsichtsbehörden können solche Vereinbarungen schnell handelt, kann auf arbeitsrechtlicher Grundlage (Treuepflicht) von den Betriebsparteien ins Werk gesetzt werden. Be- hergeleitet werden, dass Beschäftigte ausnahmsweise triebsvereinbarungen können zwar bei schwerwiegenden auch die Art ihrer Erkrankung mitteilen sollten oder sogar Datenschutzverstößen unwirksam sein, die Betriebspartei- müssen. Nur auf dieser Grundlage kann der Arbeitgeber en haben hier jedoch einen weiten Ermessensspielraum. 5
Datenschutzrechtlich ist von Bedeutung, dass dem Be- • Noch weiter eingeschränkt als bei Mitarbeitern sind die triebsrat auch und gerade die Wahrung der Persönlichkeits- Möglichkeiten des Unternehmens gegenüber Lieferanten, rechte der Arbeitnehmer obliegt. Fremdfirmen und deren Angehörigen sowie sonstigen Besuchern betrieblicher Liegenschaften. Dort sind die be- Konkrete betriebliche Maßnahmen, insbesondere Einlass- sonderen Vorschriften des Mitarbeiterdatenschutzes natur- und Gesundheitskontrollen gemäß nicht anwendbar. Eine Zulässigkeit von betrieblichen • Präventive Maßnahmen zur Einlasskontrolle, z.B. kombinierte Zutrittskontrollen mit anlasslosen Temperaturkontrollen für Schleusen, Scanner, Wärmebildkamerasysteme, führen Besucher nach den hierfür geltenden strengen Ausnahme- dazu, dass in großem Umfang personenbezogene Daten tatbeständen des allgemeinen Datenschutzrechts erscheint entstehen. Dies gilt gleichermaßen für Mitarbeiter wie für derzeit unrealistisch. sonstige Besucher. Der Personenbezug intensiviert sich • Als Rechtsgrundlage für eine Erfassung personenbezogener noch, wenn in Verdachtsfällen eine etwa erhöhte Körper- Daten kommt damit lediglich noch eine Einwilligung der Be- temperatur durch den Werksschutz manuell „nachgemes- troffenen in Betracht. Diese ist jedoch nur rechtswirksam, sen“ wird. Da die Maßnahmen in Bezug auf den einzelnen wenn sie freiwillig erfolgt. Sie erscheint daher für beide Betroffenen anlasslos erscheinen, ist diese Art der Daten- Kreise betroffener Personen problematisch. Bei Arbeitneh- erhebung besonders kritisch. mern steht deren bekanntlich eingeschränkte Verhandlungs- • Auch wo keine „Nachmessungen“ durch den Werksschutz macht einer Freiwilligkeit häufig entgegen. Bei anderen erfolgen, kann regelmäßig ein Abgleich mit weiteren Daten Besuchern ist typischer Weise der Zutritt zum Firmengelän- stattfinden, auf die das verantwortliche Unternehmen Zu- de durch die Einwilligung in eine Temperaturmessung eine griff hat, z.B. Kartenlesegeräte, Videoüberwachung mit Passiervoraussetzung, um auf das Werksgelände zu gelan- biometrischen Funktionen, Arbeitszeiterfassung, etc. gen. Bei beiden Gruppen erscheint eine Einwilligungslösung Bei praktisch-lebensnaher Betrachtungsweise sprechen die daher aus heutiger Sicht voraussichtlich weder zielführend besseren Argumente für einen Personenbezug. noch empfehlenswert. • Im Hinblick auf aktuell geäußerte fachliche Zweifel an der • Kurzfristig wird es daher sinnvoll sein, dort, wo Kontrollen Aussagekraft von Messungen der Körpertemperatur für die unerlässlich erscheinen, mündliche Befragungen ohne Eindämmung von Corona-Infektionen insgesamt, bspw. in Datenerfassung vorzunehmen oder durch entsprechend der Regel keine erhöhte Temperatur während der Inkuba- geeignete Aushänge im Zutrittsbereich darauf hinzuweisen, tionszeit und die Vielzahl leichter Verläufe ganz ohne Fieber, dass bspw. Besucher mit typischen äußeren Erkältungs- überwiegen derzeit selbst gegenüber Mitarbeitern die symptomen, Rückkehrer aus Risikogebieten sowie Kontakt- Zweifel, ob die zur Rechtfertigung von Temperaturkontrollen personen nachgewiesener Infizierter das Betriebsgelände im Arbeitnehmerdatenschutz notwendige Erforderlichkeit nicht betreten dürfen. überhaupt gegeben ist. Außerdem dürften wegen der aus- • Für die Kontrolle von Mitarbeitern kommt auf mittlere Sicht geprägten Nähe zum Persönlichkeitsrecht greifbare, häufig auch eine Betriebsvereinbarung als datenschutzrechtliche überwiegende Gegeninteressen der betroffenen Mitarbei- Erlaubnisnorm in Betracht. Die hiergegen in jüngster Zeit ter bestehen, von einer „Zwangsmessung“ verschont zu unter pauschalem Verweis auf den Gesundheitsbezug bleiben. Auch vereinzelte Leitlinien staatlicher Behörden vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht und helfen vor dürften hieran im Grundsatz nichts ändern. Das gilt auch allem in der Praxis nicht weiter. Da dem Betriebsrat aus- und gerade für den datenschutzrechtlich kaum über zu drücklich auch die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der bewertenden Vorbehalt der Durchführung solcher Maß- Arbeitnehmer obliegt, wird man richtiger Weise davon aus- nahmen durch (werks-)ärztliches Personal, das zunächst, gehen dürfen, dass jedenfalls für die Gruppe der Arbeitneh- anders als der Werksschutz, der ärztlichen Verschwiegen- mer auch Temperaturkontrollen grundsätzlich in Betriebs- heitspflicht unterliegt. 6
vereinbarungen geregelt werden können. Voraussetzung hierfür ist der schonende Umgang mit dem hier besonders Wichtige Webseiten mit weiteren Informationen betroffenen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. und Richtlinien • Aus datenschutzrechtlicher Sicht gilt auch in Zeiten des Robert Koch-Institut, Risikoanalyse: Coronavirus: Noch immer ist das oberste Prinzip des Daten- https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ schutzes das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bzw. der Recht- Coronavirus/Risikobewertung.html mäßigkeitsgrundsatz der DSGVO. Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist (und bleibt) verboten. Dies gilt in besonderem Robert Koch-Institut, FAQ: Maße bei Gesundheitsdaten. Bei datenschutzrechtlichen https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/ Verstößen drohen Bußgelder durch die Aufsichtsbehörden FAQ_Liste.html von bis zu EUR 20 Millionen oder maximal 4 % des welt- Reisehinweise des Auswärtigen Amtes: weiten Konzernumsatzes des Vorjahres. Es empfiehlt sich https://www.auswaertiges-amt.de/de/ daher ein Vorgehen mit Augenmaß und ggf., soweit zeitlich ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen machbar, in Abstimmung mit der zuständigen Aufsichts- Bundesgesundheitsministerium: behörde. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ Wir halten Sie auf dem Laufenden Wir werden die Entwicklungen weiterhin sorgsam beob- achten und dieses Rundschreiben aktuell halten. Weiterhin Ansprechpartner haben wir eine Webseite eingerichtet, auf der Sie sämtliche englischsprachigen Publikationen unserer Sozietät zu dem Thema finden können: https://www.squirepattonboggs.com/ Horst Daniel en/services/key-issues/coronavirus-covid19 Partner, Frankfurt T +49 69 1739 2432 Die hier zur Verfügung gestellten Informationen dienen Ihnen E horst.daniel@squirepb.com als praxisnahe Orientierungshilfe. Vor dem Hintergrund, dass sich die Umstände rasant entwickeln können, sind Jens Petry die Empfehlungen und Hinweise der Bundes- und Landes- Partner, Frankfurt regierung, als auch die der Gesundheitsbehörden stets zu T +49 69 1739 2441 berücksichtigen. E jens.petry@squirepb.com Falls Sie Fragen oder Anregungen zu den thematisierten Fragestellungen haben, kontaktieren Sie gern einen der unten Tanja Weber aufgeführten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Partnerin, Berlin T +49 30 72616 8206 E tanja.weber@squirepb.com Alper Kaufer Senior Associate, Frankfurt T +49 69 1739 2443 E alper.kaufer@squirepb.com Jörg Staudenmayer Partner, Böblingen T +49 7031 439 9632 E joerg.staudenmayer@squirepb.com The contents of this update are not intended to serve as legal advice related to individual situations or as legal opinions concerning such situations, nor should they be considered a substitute for taking legal advice. © Squire Patton Boggs. All Rights Reserved 2020 squirepattonboggs.com DE001/04/20
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