COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre: Differentielle Entwicklungsverläufe von Beanspruchung und Selbstwirksamkeit in der Lehrkräftebildung? ...

 
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https://doi.org/10.1007/s11618-022-01072-5

ALLGEMEINER TEIL

COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre:
Differentielle Entwicklungsverläufe von Beanspruchung
und Selbstwirksamkeit in der Lehrkräftebildung?

Isabell Hußner         · Rebecca Lazarides · Andrea Westphal

Eingegangen: 24. Februar 2021 / Überarbeitet: 5. November 2021 / Angenommen: 21. Dezember 2021
© Der/die Autor(en) 2022

Zusammenfassung Bedingt durch die COVID-19-Pandemie haben Universitäten
die Lehrkräftebildung in den vergangenen Monaten rasant auf Online-Formate um-
stellen müssen. Für eine evidenzbasierte Weiterentwicklung der Online-Lehre sind
empirische Ergebnisse zur professionellen Entwicklung von Lehramtsstudierenden
erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Unterschiede zwischen Präsenz-
und Onlineformaten in der Lehre zu untersuchen. In der vorliegenden Studie gehen
wir daher der Frage nach, inwiefern sich Selbstwirksamkeitserwartungen und Bean-
spruchungserleben von Lehramtsstudierenden im Verlauf eines COVID-19 beding-
ten Online-Semesters sowie im Verlauf von schulpraxisbezogenen Präsenzsemestern
differentiell entwickeln. An der längsschnittlichen Fragebogenstudie mit quasi-ex-
perimentellem Design nahmen N = 240 Lehramtsstudierende teil (n = 127 Online-
Semester; n = 113 Präsenzsemester). Die Ergebnisse verweisen auf einen stärkeren
Anstieg der Selbstwirksamkeitserwartungen in Präsenzformaten als im Onlinefor-
mat. In Bezug auf das Beanspruchungserleben zeigten sich keine Gruppenunterschie-
de. Implikationen dieser Befunde für die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung
werden weiterführend diskutiert.

Schlüsselwörter Selbstwirksamkeitserwartungen · Beanspruchungserleben ·
Lehrkräftebildung · COVID-19 · Online-Lehre

Isabell Hußner () · Prof. Dr. Rebecca Lazarides
Department Erziehungswissenschaft, Professur für Schulpädagogik, Universität Potsdam,
Karl-Liebknecht-Straße 24–25, 14476 Potsdam, Deutschland
E-Mail: hussner@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Rebecca Lazarides
E-Mail: rebecca.lazarides@uni-potsdam.de
Jun.-Prof. Dr. Andrea Westphal
Institut für Erziehungswissenschaft, Professur für Interdisziplinäre Lehr-Lernforschung und
Schulentwicklung, Universität Greifswald, Steinbeckerstr. 15, 17487 Greifswald, Deutschland
E-Mail: andrea.westphal@uni-greifswald.de

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I. Hußner et al.

Face-to-face vs. online teaching in the COVID-19 pandemic: Differential
development of burnout and self-efficacy in teacher training?

Abstract In recent months, as a result of the COVID-19 pandemic, universities have
had to rapidly move teacher training programs onto online platforms. In order to be
able to develop these online formats in an evidence-based way, it is vital to have
access to empirical data on the development of professional competencies in student
teachers. Key to this is understanding the differences between classroom and online
formats in teaching. In the present study, we therefore investigate the extent to which
self-efficacy expectations and experiences of stress (burnout) in student teachers
develop differently in practice-based face-to-face semesters in schools as compared
to the equivalent online semester under the COVID-19 pandemic restrictions. N = 240
student teachers (n = 127 online semester; n = 113 face-to-face semesters) took part
in the longitudinal questionnaire study with a quasi-experimental design. The results
indicate a higher increase in self-efficacy expectations in face-to-face formats than
in the online formats. There were no group differences with regard to experiences
of stress. We discuss the implications of these findings for the further development
in teacher training.

Keywords Self-efficacy beliefs · Stress and burnout · Teacher training · COVID-
19 · Online teaching

1 Einleitung

Hohe Selbstwirksamkeitserwartungen sind eine bedeutsame Ressource in der Lehr-
kräftebildung – sie wirken einem erhöhten Beanspruchungserleben entgegen (Fives
et al. 2007) und stehen mit dem pädagogischen Professionswissen im Studium in
korrelativem Zusammenhang (Schulte et al. 2008). Erfolgreiche eigene Praxiserfah-
rungen gelten als besonders bedeutsam für die Entwicklung von Selbstwirksamkeits-
erwartungen in der Lehrkräftebildung (Bandura 1997). Praxisphasen werden dabei
sowohl als Bereicherung (Makrinus 2012) als auch als Belastung wahrgenommen
(Holtz 2014). Wie sich Selbstwirksamkeitserwartungen und Beanspruchungserle-
ben von Studierenden entwickeln, wenn Praxiserfahrungen in der Lehrkräftebil-
dung fehlen, ist insbesondere im Kontext der COVID-19-bedingten Online-Lehre
an Universitäten eine bedeutsame Frage. Zahlreiche Studien befassen sich aktuell
mit den Auswirkungen des COVID-19-bedingten Fernunterrichts auf Schülerinnen
und Schüler (Huber et al. 2020; Steinmayr et al. 2021) – allerdings existieren bisher
wenige Studien, die sich mit der Bedeutung der COVID-19-bedingten Online-Lehre
im Hochschulbereich befassen (z. B. Osterberg et al. 2020; Schmölz et al. 2020;
Scull et al. 2020). Die vorliegende Untersuchung geht vor diesem Hintergrund der
Frage nach, wie sich Selbstwirksamkeitserwartungen und Beanspruchungserleben in
der Lehrkräftebildung im Semesterverlauf verändern und welche Unterschiede dabei
zwischen der Online-Lehre während der COVID-19-Pandemie und der Präsenzlehre
mit schulpraktischem Anteil bestehen.

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2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Selbstwirksamkeitserwartungen von angehenden Lehrkräften

Im Modell professioneller Handlungskompetenz von Lehrkräften (Baumert und
Kunter 2006) gelten Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen als bedeutsame Kom-
ponente motivationaler Orientierungen. Die sozial-kognitive Theorie nach Bandu-
ra (1997) beschreibt Selbstwirksamkeitserwartungen als individuelle Überzeugun-
gen, eigene Handlungen erfolgreich initiieren und aufrechterhalten zu können, um
schwierige Situationen zu bewältigen. Lehrerselbstwirksamkeit bezieht sich dabei
unter anderem auf die Überzeugung, unterrichtsbezogene Herausforderungen auch
angesichts von Schwierigkeiten erfolgreich bewältigen zu können (Tschannen-Mo-
ran und Woolfolk Hoy 2001). Empirische Befunde zeigen, dass hohe Selbstwirk-
samkeitserwartungen es Lehrkräften ermöglichen, qualitätsvollen Unterricht durch-
zuführen (Schwarzer und Jerusalem 2002; Zee und Koomen 2016). Die Entstehung
von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen wird dabei als zyklischer Prozess verstan-
den: Zu den zentralen Quellen der Selbstwirksamkeit zählen erfolgreiches Handeln,
stellvertretende Erfahrungen, verbale Persuasion oder affektive sowie physiologische
Erregung – eigene (Lehr-)Erfahrungen werden zunächst entlang dieses Kontinuums
kognitiv bewertet und dieser Bewertungsprozess beeinflusst, wie neue (Lehr-)Auf-
gaben in Relation zu den eigenen Lehrkompetenzen beurteilt werden. Aus diesem
Beurteilungsprozess generiert sich das eigene Selbstwirksamkeitserleben, das sich
wiederum auf die eigenen Zielsetzungen und die Anstrengung, die in die Erreichung
der gesetzten Ziele investiert wird, auswirkt. Aus diesem Prozess folgende (Lehr-)Er-
fahrungen wirken sich wiederum auf das Erleben wichtiger Quellen der Selbstwirk-
samkeit wie erfolgreiches Handeln oder affektive Erregung aus. Auf theoretischer
Ebene wird angenommen, dass hohe Selbstwirksamkeitserwartungen dazu führen,
dass Lehrkräfte sich herausfordernde Ziele für ihre Unterrichtsgestaltung setzen,
sich daraufhin stärker mit neuen und innovativen Lehrmethoden auseinanderset-
zen und auch positiv auf die Bereitschaft wirken, neue Methoden und Unterrichts-
strategien in herausfordernden Unterrichtssituationen umzusetzen (vgl. Tschannen-
Moran et al. 1998). Tschannen-Moran und Hoy (2001) unterscheiden dabei drei
Facetten von Lehrerselbstwirksamkeit: Selbstwirksamkeit für Instruktionsstrategien,
Selbstwirksamkeit für Schülerinnen- und Schülerengagement und Selbstwirksamkeit
für Klassenmanagement.
   Hinsichtlich der Quellen von Selbstwirksamkeit – Erfolgserfahrungen (mastery
experiences), Beobachtung von erfolgreichen Verhaltensmodellen (vicarious expe-
riences), Feedback (verbal persuasion) und erlebte emotionale Zustände (affective
arousal) (vgl. Morris et al. 2017) spielt die kognitive Verarbeitung von eigenen
oder bei anderen beobachteten (stellvertretenden) Erfolgs- und Misserfolgserlebnis-
sen eine zentrale Rolle für die Entwicklung von Selbstwirksamkeit (Bandura 1997;
Schwarzer und Jerusalem 2002). Auch Unterrichtshospitationen können als Lernen
am Modell aufgefasst werden, wenn beispielsweise die hospitierende Person die
Lehrkraft dabei beobachtet, wie neue Methoden im Unterricht eingesetzt und die-
se für den eigenen Unterricht in Betracht gezogen werden (Urton 2017). Darüber
hinaus gelten konstruktives Feedback von Dozierenden und Mentoren bzw. Mento-

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I. Hußner et al.

rinnen (im Sinne verbaler Persuasion, Clark und Newberry 2019) sowie das Ausmaß
an physiologischer und emotionaler Aktivierung als Quelle für die Entwicklung von
Selbstwirksamkeit im Lehramtsstudium (Bandura 1997; Pfitzner-Eden 2016). For-
schungsarbeiten, die sich mit der Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudierenden be-
fassen, konnten dementsprechend auch einen positiven Zusammenhang zwischen der
Auseinandersetzung mit fremden sowie eigenen Unterrichtsvideos und dem Kom-
petenzerleben Studierender feststellen (Gold et al. 2017). Im Hinblick auf die Ver-
änderung der Selbstwirksamkeit bei Lehramtsstudierenden zeigen bisherige Studien
vorwiegend einen Anstieg der Selbstwirksamkeit zu Studienbeginn (z. B. Lamote
und Engels 2010) sowie während des Studiums vor allem im Verlauf von bzw. nach
schulpraktischen Phasen (z. B. Garvis et al. 2012; Schüle et al. 2017a). Dennoch ist
die Forschungslage bezüglich der Veränderungen der Selbstwirksamkeitserwartun-
gen während des Lehramtsstudiums und darüber hinaus noch immer inkonsistent
(Schüle et al. 2017a), da auch auf einen university shock verwiesen wird, den Stu-
dierenden zu Beginn des Studiums erleben können und der zu einem Absinken
des Selbstwirksamkeitserlebens führen kann (Pfitzner-Eden 2016). Es wird davon
ausgegangen, dass Selbstwirksamkeitserwartungen anfänglich leichter veränderbar
sind und mit zunehmenden Erfolgserfahrungen immer stabiler werden, da Lehrkräf-
te und Lehramtsstudierende ihre Erfolgserfahrungen in einer spezifischen Situation
auch auf andere Situationen übertragen können und annehmen, auch in diesen Si-
tuationen erfolgreich handeln zu können (Bandura 1977; Woolfolk Hoy und Spero
2005).

2.2 Selbstwirksamkeitserwartungen während Praxisphasen in der
    Lehrkräftebildung

Praxisphasen können mit einem Anstieg von Selbstwirksamkeitserwartungen einher-
gehen (Klassen und Durksen 2014) – erklärende Faktoren dafür sind unterstützen-
de Anleitungen von Mentorinnen und Mentoren (verbal persuasion) (Klassen und
Durksen 2014; Moulding et al. 2014) sowie eigene Unterrichtserfahrungen (mastery
experiences) (Cantrell et al. 2003). Auch Rollenspiele und Mikroteaching-Erfahrun-
gen mit spezifischem Feedback besitzen einen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung
der Lehrkräftekompetenz (Tschannen-Moran et al. 1998). Zudem kann davon aus-
gegangen werden, dass stellvertretende Erfolgserfahrungen (vicarious experiences)
in Unterrichtshospitationen bei erfolgreichen Lehrpersonen im positiven Zusam-
menhang mit der Selbstwirksamkeit angehender Lehrkräfte stehen (Bandura 1997;
Palmer 2006; Tatar und Buldur 2013). Empirische Studien zeigen, dass Lehramts-
studierende Praxisphasen als Herausforderung wahrnehmen und diejenigen Studie-
renden, die positive Veränderungen erleben, berichten, dass gerade die erfolgreiche
Bewältigung dieser herausfordernden Studienphase als stärkend für die eigene un-
terrichtsbezogene Selbstwirksamkeit empfunden wird (Klassen und Durksen 2014).
Dieser Befund ist im Einklang mit der Annahme von Bandura (1997), dass leicht zu
bewältigende Aufgaben weniger selbstwirksamkeitsrelevant sind als herausfordern-
de Aufgaben. Neben Forschungsarbeiten, die einen Anstieg der Selbstwirksamkeit
von Lehramtsstudierenden nach Praxisphasen berichten (Eisfeld et al. 2020; Fives
et al. 2007; Ronfeldt und Reininger 2012; Schüle et al. 2017a), wird in anderen Stu-

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dien jedoch auch auf eine Stabilität der Selbstwirksamkeit von Studierenden bzw.
auf eine negative Korrelation der Anzahl von Unterrichtserfahrungen im Rahmen
von Praxisphasen verwiesen (Capa Aydin und Woolfolk Hoy 2005; Lin und Gorrell
2001 ). Mögliche Erklärungen dieser inkonsistenten Befunde werden in Unterschie-
den im Studiendesign bzw. der Erhebungsmethoden z. B. in Bezug auf den Umfang
der Praktikumsdauer vermutet (Bach 2013). Einige Studien zeigten einen Anstieg
der Lehrer-Selbstwirksamkeit nach einem Schulpraktikum, die jedoch im Verlauf
des ersten Berufsjahres wieder absinkt (Woolfolk Hoy und Spero 2005).
   Ein wichtiges Anliegen von Praxisphasen ist darüber hinaus, dass sich Lehr-
amtsstudierende einen Habitus des forschenden Lernens – im Sinne des Modells
des reflective practitioner nach Schön (1983) – aneignen. Diese Fähigkeit zur kriti-
schen Reflexion kann günstig auf die Entwicklung der unterrichtsbezogenen Selbst-
wirksamkeit wirken (Black 2015). Allerdings ist wenig darüber bekannt, inwiefern
Praxisphasen einen Einfluss auf die Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudierenden
in Bezug auf das Reflektieren verschiedener Unterrichtshandlungen besitzen. Weß
et al. (2018) konnten zeigen, dass die Selbstwirksamkeit zur Reflexion bei Studie-
renden nach mindestens einem Praktikum signifikant höher war als bei Studierenden
ohne Praktikum (d = 0,19). Somit kann angenommen werden, dass Praxisphasen das
Kompetenzerleben im Bereich der Reflexion besonders anregen. Insgesamt sind die
spezifischen Bedingungen, unter denen sich Selbstwirksamkeit im Verlauf der Lehr-
kräftebildung verändert, bisher jedoch unzureichend empirisch untersucht worden
(Clark und Newberry 2019).

2.3 Beanspruchungserleben von angehenden Lehrkräften

In der aktuellen Forschung wird zwischen Belastungen und Beanspruchungen un-
terschieden – während Belastungen als objektive, von außen auf Individuen ein-
wirkende Prozesse und Faktoren gelten, werden Beanspruchungen als interindividu-
ell variierende Auswirkungen objektiver Belastungen definiert (Rudow 1995). Eine
psychische Beanspruchung resultiert aus der Einschätzung, dass externe Anforde-
rungen bedrohlich sind oder die individuellen Bewältigungsressourcen übersteigen
(Lazarus und Folkman 1984). Durch die wiederholte Konfrontation mit solchen
Stressoren können Symptome von Burnout entstehen (Rudow 1995). Das Burnout-
Syndrom wurde von Maslach et al. (1996) als ein dreidimensionales Phänomen
aus emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und Ineffektivität (verringerter
persönlicher Leistungsfähigkeit) beschrieben. In anderen Publikationen wird der
letztgenannte Faktor auch im Sinne positiv formulierter Überzeugungen einer pro-
fessionellen Wirksamkeit (professional efficacy) erfasst (z. B. Schaufeli und Salano-
va 2007). Emotionale Erschöpfung bezeichnet eine gefühlsmäßige Überforderung.
Depersonalisierung (Zynismus) wird durch eine distanzierte und durch Abwertung
charakterisierte Einstellung gegenüber Personen des Arbeitsgeschehens beschrieben.

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Professionelle Wirksamkeit ist durch das Gefühl charakterisiert, Arbeitsanforderun-
gen erfolgreich bewältigen zu können.1
   Besonders im Lehrberuf begünstigen stressfördernde Arbeitsaufgaben und sozia-
le Gegebenheiten ein hohes Belastungserleben (Rothland 2013). Bisherige Studien
konnten zeigen, dass Lehramtsstudierende bereits während ihres Studiums psychisch
belastet sind (Bauer 2019; Römer et al. 2012) – insbesondere durch Aspekte wie Prü-
fungsleistungen, zu viele Anforderungen in zu kurzer Zeit oder der Koordinierung
von Nebenjobs und Studium (Kosinár und Leineweber 2010). Darüber hinaus konnte
Bauer (2019) feststellen, dass die personalen Gesundheitsressourcen der Lehramts-
studierenden wie Selbstwirksamkeit oder Achtsamkeit als bessere Prädikatoren der
psychischen Beanspruchung gelten als soziodemografische bzw. studiumsbezogene
Charakteristika.

2.4 Beanspruchung während Praxisphasen in der Lehrkräftebildung

Zahlreiche Studien untersuchen das Beanspruchungserleben während Praxisphasen
im Lehramtsstudium – allerdings sind die Ergebnisse eher inkonsistent. Es wird
davon ausgegangen, dass mangelnde Unterrichtserfahrungen und Fähigkeiten im
Unterrichten dazu führen können, dass die vielfältigen Belastungen in Praxisphasen
als besonders beanspruchend erlebt werden (Bauer 2019). In der Studie von Holtz
(2014) berichten die Studierenden, dass das Beanspruchungserleben im Praxissemes-
ter höher ist als in anderen Phasen des Studiums. Studierende berichten aber auch,
dass sie die überdurchschnittlichen Belastungen nicht als Bedrohung, sondern als
wertvolle Herausforderung wahrnehmen (Bauer 2019). Auch Längsschnittstudien,
die Studierende im Verlauf von Praxisphasen mehrfach zu ihrem Belastungserle-
ben befragen, finden unterschiedliche Verläufe. Einige Studien verweisen auf einen
Anstieg des Beanspruchungserlebens während des Praxissemesters bzw. im Vorbe-
reitungsdienst (Pereira Kastens et al. 2020; Schüle et al. 2017b). Andere Studien
deuten auf eine Abnahme des Beanspruchungserlebens im Verlauf des Praxissemes-
ters hin (Krawiec et al. 2020; Römer et al. 2018). Eine mögliche Erklärung für
solche inkonsistenten Befunde könnte in praxisbegleitenden Faktoren liegen – so
wirken beispielsweise Handlungsspielräume oder soziale Unterstützung (Gusy et al.
2016), die Anzahl der Unterrichtsstunden oder die Unterstützung durch Mentorinnen
und Mentoren (Kücholl et al. 2019) sowie ein guter Kontakt mit Schülerinnen und
Schülern (Timoštšuk und Ugaste 2012) dem Beanspruchungserleben in Praxisphasen
entgegen. Zu hohe universitäre Anforderungen sowie problematische Interaktionen
mit betreuenden Lehrkräften bzw. Dozierenden wirken sich wiederum negativ auf
das Beanspruchungserleben der Studierenden aus (Timoštšuk und Ugaste 2012).

1 Die Items werden in manchen Arbeiten rekodiert und als reduzierte Leistungsfähigkeit benannt (Schau-
feli und Salanova 2007), in anderen Arbeiten werden die Items nicht rekodiert und im Sinne einer profes-
sional efficacy erfasst (Bresó et al. 2007). In der vorliegenden Studie nutzen wir das positiv formulierte
Konstrukt.

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2.5 Online-Lehre in Schule und Hochschule

Studien, die sich mit den Auswirkungen des COVID-19-bedingten Fernunterrichts
befassen, zeigen ein hohes Beanspruchungserleben seitens der Lernenden im schuli-
schen Fernunterricht (Huber et al. 2020), insbesondere bei Schülerinnen und Schü-
lern, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss oder einen Migrationshinter-
grund besitzen bzw. die auf engem Raum leben (Ravens-Sieberer et al. 2021). Be-
sonders individuelle Unterstützung und Rückmeldung sind für die Motivation und
den Lernfortschritt im schulischen Fernunterricht bedeutend und sind sogar über den
Einfluss des sozioökonomischen Status hinaus relevant (Steinmayr et al. 2021). Bis-
herige Studien zur pandemiebedingten Online-Lehre bei Studierenden zeigen, dass
besonders die genutzte Technik, die Organisation sowie die Qualität der Instruktion
oder der Umgang mit Lehrenden als herausfordernd wahrgenommen werden (vgl.
Schmölz et al. 2020). In deskriptiven Umfragen an deutschen Universitäten berichtet
eine Vielzahl der befragten Studierenden, dass sich die Arbeitsbelastung während
der Online-Lehre im Gegensatz zur regulären Lehre erhöht hat (Stefanica et al.
2021; Traus et al. 2020). Auch andere Untersuchungen der COVID-19-bedingten
Online-Lehre deuten darauf hin, dass Studierende Schwierigkeiten mit der situativ
angepassten Lehre aufweisen (Traus et al. 2020; Van Nguyen et al. 2020). Faktoren,
wie z. B. die Strukturierung bzw. die zeitliche Organisation der Arbeit zu Hause,
Misserfolgsangst oder ressourcenintensivere Lernaktivitäten werden als erklärende
Einflussfaktoren für ein erhöhtes Beanspruchungserleben der Studierenden während
der Online-Lehre angesehen (Hahn et al. 2021; Stefanica et al. 2021). Neben den
neuen Herausforderungen in der Online-Lehre fehlt gleichzeitig ein schulpraktischer
Anteil, der von Lehramtsstudierenden teilweise als Herausforderung, aber teilweise
auch als besonders beanspruchend wahrgenommen wird. Bislang existieren kaum
empirische Studien, die sich vor diesem Hintergrund der Frage nach der Verände-
rung des Beanspruchungserlebens während der COVID-19-bedingten Online-Lehre
in der Lehrkräftebildung widmen.

2.6 Die vorliegende Studie

Empirische Studien konnten zeigen, dass der COVID-19-bedingte schulische Fern-
unterricht eine hohe Belastung der Schülerinnen und Schüler zur Folge hat (z. B. Hu-
ber et al. 2020). Hinsichtlich der Kompetenzentwicklung der Lernenden während der
Pandemie zeigt sich eine unklare Befundlage – einige Studien belegten eine ungüns-
tigere Kompetenzentwicklung durch den Distanzunterricht während der Pandemie
(Lernende der Sekundarstufe: Dorn et al. 2020; Lernende der Primarstufe: Tomasik
et al. 2020), gleichzeitig konnte dies nicht studien- und altersgruppenübergreifend
nachgewiesen werden (keine langsameren Kompetenzzuwächse bei Lernenden der
Sekundarstufe: Tomasik et al. 2020; keine Kohortenunterschiede zwischen Präsenz-
und Distanzunterricht in Primar- und Sekundarstufe: Depping et al. 2021). Auch
in der Lehrkräftebildung ist zu erwarten, dass das Online-Format bedeutend für die
Selbstwirksamkeitserwartungen und das Beanspruchungserleben der Studierenden
im Semesterverlauf ist. Aufgrund der fehlenden Praxiselemente in der Online-Lehre
haben Lehramtsstudierende nicht die Möglichkeit, Erfolgserfahrungen zu sammeln

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und konstruktives Feedback zum eigenen Unterricht zu erhalten – allerdings stellen
diese Faktoren potenzielle Quellen der Selbstwirksamkeit dar (Clark und Newberry
2019). Sie erleben zudem keinen erhöhten emotionalen Arousal während der rea-
len Unterrichtspraxis, der auch als Quelle der Selbstwirksamkeit gilt (Morris et al.
2017). Die Beobachtung von erfolgreichen Verhaltensmodellen, die ebenfalls güns-
tig für die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartungen sein kann, ist jedoch
auch in der Online-Lehre möglich. Andererseits müssen sich Lehramtsstudierende
im Online-Semester nicht den vielfältigen Herausforderungen, wie unklaren Rol-
lenzuweisungen in der Schulpraxis stellen, die potenziell als emotional erschöpfend
erlebt werden (Krawiec et al. 2020). Aktuell beschäftigen sich nur wenige empirische
Arbeiten mit den Effekten der Online-Lehre in der Lehrkräftebildung (z. B. Traus
et al. 2020). Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Studie die differen-
tielle Veränderung von Selbstwirksamkeitserwartungen und Beanspruchungserleben
bei Lehramtsstudierenden im Verlauf von Präsenzsemester und Online-Semester.
    Folgende Forschungsfragen und Hypothesen werden in der Studie untersucht:

Fragestellungen 1a und 1b: Wie verändern sich Selbstwirksamkeitserwartungen
von Lehramtsstudierenden im Semesterverlauf? Welche Unterschiede in der Verän-
derung der Selbstwirksamkeit zeigen sich zwischen den Lehramtsstudierenden in
den Präsenzsemestern und im Online-Semester?

Hypothese 1a: Insgesamt wird von einem Anstieg der Selbstwirksamkeitserwar-
tungen von Lehramtsstudierenden im Semesterverlauf ausgegangen.

Hypothese 1b: Es wird angenommen, dass der Anstieg der Selbstwirksamkeitser-
wartungen aufgrund der eigenen sowie stellvertretenden Praxiserfahrungen und der
verbalen Überzeugungen sowie der emotionalen Zustände im Präsenzsemester mit
Praxisanteil stärker ausgeprägt ist als im Online-Semester.

Fragestellungen 2: Wie verändert sich das Beanspruchungserleben von Lehramts-
studierenden im Semesterverlauf in der Präsenzsemestergruppe und in der Online-
Semestergruppe?

3 Methode

3.1 Stichprobenbeschreibung

Die vorliegende Studie basiert auf längsschnittlichen Fragebogendaten von insge-
samt N = 240 Lehramtsstudierenden einer deutschen Universität (54,6 % weiblich;
88,8 % in Deutschland geboren), die jeweils zu Beginn und zum Ende des Semes-
ters an einem Online-Survey teilnahmen. Ein Teil der Studierenden besuchte Onli-
neseminare im Sommersemester 2020 (Gruppe „Online-Semester“: n = 127; 52,76 %
weiblich; MAlter = 23,75; SD = 4,12). Ein weiterer Teil der Lehramtsstudierenden wur-
de im Sommersemester 2019 bzw. im Wintersemester 2019/2020 befragt (Gruppe
„Präsenzsemester“: n = 113 Lehramtsstudierende; 56,64 % weiblich; MAlter = 23,80;

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SD = 3,24)2. Die in den Präsenzsemestern durchgeführten Seminare mit schulprakti-
schem Anteil beinhalteten Unterrichtsversuche, in denen die Lehramtsstudierenden
zunächst bei der betreuenden Lehrkraft während einer Unterrichtsstunde (90 min)
hospitieren, darauffolgend eine Unterrichtsstunde (90 min) im Seminar konzipieren
und vorstellen, um im Anschluss Feedback von Studierenden und Dozierenden be-
züglich der Planung und Umsetzung der Entwürfe zu erhalten. Anschließend wird
der eigene Unterrichtsentwurf in einer der kooperierenden Schulen in einer Un-
terrichtsstunde (90 min) praktisch umgesetzt. Schließlich werden die Unterrichtser-
fahrungen im Seminar systematisch über mehrere Sitzungen reflektiert. Der durch
die COVID-19-bedingte Ausfall des praktischen Anteils des Seminars im Online-
Semester wurde durch praxisnahe Übungen ersetzt. Sowohl in der Online-Semester-
gruppe als auch in der Präsenzsemestergruppe wurden im Rahmen bildungswissen-
schaftlicher Seminare die Themen Unterrichtsqualität und Motivierender Unterricht
behandelt, die in der Studienordnung am Ende des Bachelorstudiums verortet sind.
Die Studierenden aus beiden Gruppen befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung
überwiegend im 4. bis 5. Fachsemester (Online-Semester: M = 4,28; SD = 1,88; Prä-
senzsemester: M = 5,20; SD = 2,35). Die vier häufigsten Erstfächer der befragten Stu-
dierenden im Online-Semester waren Sport (19,69 %), Deutsch (17,32 %), Englisch
(10,24 %) und Geschichte (10,24 %). Die drei am häufigsten studierten Erstfächer der
Studierenden in den Präsenzsemestern waren Deutsch (20,35 %), Englisch (12,39 %)
und Sport (10,62 %).

3.2 Messinstrumente

3.2.1 Selbstwirksamkeitserwartungen angehender Lehrkräfte

Die Selbstwirksamkeitserwartungen der Studierenden in beiden Gruppen wurden an-
hand von drei Subskalen (Instruktionsstrategien, Klassenmanagement, Engagement
für Schülerinnen und Schüler) mit validierten deutschsprachigen Messinstrumen-
ten (Pfitzner-Eden et al. 2014) der Originalskalen von Tschannen und Woolfolk
Hoy (2001) erhoben (siehe Tab. 1). Jede der drei Subskalen beinhaltet vier Items
mit sechsstufigem Antwortformat von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 6 (trifft voll
und ganz zu). Die internen Konsistenzen waren insgesamt akzeptabel bis gut (vgl.
Tab. 1). Aufgrund der Reflexionsphase der Unterrichtserfahrungen der Studierenden
und der Annahme der resultierenden unterstützenden Rollenfindung durch Mento-
rinnen bzw. Mentoren (Brombach 2019) sowie hinsichtlich der intensiven Betreuung
der Studierenden insbesondere in der Reflexion der Lernumgebung als Maßnahmen
zur Selbstwirksamkeitsstabilisierung nach Bandura (1997) wurde zusätzlich die Ska-
la Reflexionsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung von Fraij (2018) verwendet. Die
Skala umfasst fünf Items mit einem Antwortformat 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis
6 (trifft voll und ganz zu). Die Reliabilität der Skala ist zu allen Zeitpunkten akzep-
tabel bis gut (siehe Tab. 1).

2 2 Die in der Studie einbezogenen Konstrukte aus den zusammengefassten Kohorten (Sommersemester

2019 und dem Wintersemester 19/20) in der Präsenzsemestergruppe unterschieden sich nicht signifikant
zwischen den Kohorten zu T1.

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Tab. 1 Messinstrumente, Bespielitems und Statistiken der Subskalen der Selbstwirksamkeitserwartungen
für die Online- und Präsenzsemestergruppe
Skala                   Konstrukt          Beispielitem                      Interne Konsistenz
                                                                             Online-        Präsenz-
                                                                             Semester       semester
Selbstwirksamkeits-     SWE bzgl.          „Ich bin davon überzeugt, eine    αT1 = 0,78;      αT1 = 0,69;
erwartungen [SWE]       Instruktions-      alternative Erklärung oder ein    αT2 = 0,85       αT2 = 0,82
(Pfitzner-Eden et al.   strategien         anderes Beispiel finden zu
2014)                                      können, wenn die Lernenden
                                           etwas nicht verstehen.“
                        SWE bzgl. En-      „Ich bin davon überzeugt,         αT1 = 0,80;      αT1 = 0,70;
                        gagement für       die Lernenden, die wenig          αT2 = 0,82       αT2 = 0,82
                        Schülerinnen       Interesse am Unterricht haben,
                        und Schüler        motivieren zu können.“
                        SWE bzgl.          „Ich bin davon überzeugt,         αT1 = 0,86;      αT1 = 0,78;
                        Klassenma-         störendes Verhalten im Unter-     αT2 = 0,87       αT2 = 0,85
                        nagement           richt kontrollieren zu können.“
Reflexionsbezogene      SWE bzgl.          „Ich kann mir vorhergegange-      αT1 = 0,82;      αT1 = 0,76;
Selbstwirksam-          Reflexion          ne problematische Situationen     αT2 = 0,86       αT2 = 0,81
keitserwartungen                           noch einmal vorstellen, um zu
(Fraij 2018)                               überlegen, wie ich hätte besser
                                           handeln können.“

3.2.2 Beanspruchungserleben angehendender Lehrkräfte

Zur Erfassung der Beanspruchung bzw. des Burnouts der Lehramtsstudierenden
während des Semesters wurden die Subskalen des Maslach-Burnout-Inventorys in
der Studierendenversion (MBI-SS) von Schaufeli et al. (2002) erhoben (siehe Tab. 2).
Das MBI-SS umfasst die drei Subskalen Emotionale Erschöpfung, Depersonalisie-
rung und professionelle Wirksamkeit. Das Antwortformat der drei Subskalen reicht
von 1 (stimmt nicht) bis 4 (stimmt genau). Die internen Konsistenzen sind insgesamt
als akzeptabel bis sehr gut einzuschätzen (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Messinstrumente, Bespielitems und Statistiken der Subskalen des Beanspruchungserlebens
(Burnout) für die Online- und Präsenzsemestergruppe
Skala                   Konstrukte         Beispielitem                      Interne Konsistenz
                                                                             Online-          Präsenz-
                                                                             Semester         semester
Beanspruchung/          Emotionale         „Durch mein Studium bin ich       αT1 = 0,85       αT1 = 0,87
Burnout (Schaufeli      Erschöpfung        gefühlsmäßig am Ende.“            αT2 = 0,89       αT2 = 0,85
et al. 2002)            Depersonalisierung „Ich zweifele inzwischen          αT1, T2 = 0,85 αT1 = 0,82
                        (Zynismus)         stärker an der Nützlichkeit                      αT2 = 0,90
                                           meines Studiums.“
                        Professionelle     „Ich habe während meines          αT1 = 0,67       αT1 = 0,75
                        Wirksamkeit        Studiums viele interessante       αT2 = 0,79       αT2 = 0,73
                                           Dinge gelernt.“

K
COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre: Differentielle Entwicklungsverläufe von...

3.3 Statistische Analysen

Im Rahmen von Varianzanalysen mit Messwiederholung wurden Unterschiede im
mittleren Niveau der Selbstwirksamkeitserwartungen und im Beanspruchungserle-
ben zu allen Zeitpunkten sowie Unterschiede in der Veränderung dieser Merkmale
im Semesterverlauf in beiden Gruppen (Online- versus Präsenzsemester) untersucht.
Als Innersubjektfaktor wurde der Faktor Zeit (T1: Beginn des Semesters; T2: En-
de des Semesters) und als Zwischensubjektfaktor wurde die Gruppenzugehörigkeit
(Online- vs. Präsenzsemester) berücksichtigt.
   In die Studie einbezogen wurde die Gesamtstichprobe der Studierenden, die ent-
weder zum ersten oder zum zweiten Messzeitunkt an der Studie teilgenommen hat-
ten. Zum ersten Messzeitpunkt (Beginn des Semesters) nahmen von den insgesamt
N = 240 in die Analyse einbezogenen Lehramtsstudierenden 90,8 % (n = 218 Studie-
rende) an der Befragung teil. Zum zweiten Zeitpunkt (Ende des Semesters) nahmen
81,6 % (n = 196) der Gesamtstichprobe an der Studie teil. In den Hauptanalysen
wurden alle Studierenden mit fehlenden Werten auf den einbezogenen Variablen
ausgeschlossen („listenweiser Fallausschluss“). Eine Analyse fehlender Werte zu
beiden Messzeitpunkten mit den einbezogenen Messinstrumenten (vier Selbstwirk-
samkeitsskalen und drei Burnout-Skalen zu je zwei Messzeitpunkten) zeigte, dass
kein systematisches Fehlen der Werte vorlag (siehe Appendix, Tab. 7).

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Daten

Die in Tab. 3 dargestellten Mittelwerte der Selbstwirksamkeitserwartungen deuten
bereits darauf hin, dass in der Gruppe Präsenzsemester ein tendenzieller Anstieg
der Selbstwirksamkeitserwartungen stattfand, während in der Gruppe Online-Se-
mester die Selbstwirksamkeitserwartungen teilweise sanken. Die Ergebnisse weisen
zudem auf einen ähnlich starken Anstieg des Beanspruchungserlebens bei den Stu-
dierenden im Präsenzsemester und den Studierenden im Online-Semester hin. Die
Korrelationen zwischen den Subskalen der Konstrukte Selbstwirksamkeitserwartun-
gen und Beanspruchung bzw. Burnout sind in Tab. 4 dargestellt. Die Ergebnisse der
Korrelationen deuten darauf hin, dass in der Präsenzsemestergruppe eine geringere
zeitliche Rangstabilität des Selbstwirksamkeitserlebens als in der Online-Semes-
tergruppe vorlag – vor allem traf dies auf die Selbstwirksamkeit für Instruktions-
strategien zu (Präsenz: r = 0,170, p = 0,150; Online: r = 0,651, p < 0,001) sowie auf
die Selbstwirksamkeit für Klassenmanagement (Präsenz: r = 0,180, p = 0,128; On-
line: r = 0,596, p < 0,001). Die drei Burnout-Skalen Emotionale Erschöpfung (BEEE),
Depersonalisierung (BEDP) und Professionelle Wirksamkeit (BEPW) wiesen in bei-
den Gruppen hohe Korrelationen über die Zeit hinweg auf (Präsenzsemestergruppe:
BEEE: r = 0,613, p < 0,001; BEDP: r = 0,574, p < 0,001; BEPW: r = 0,680, p < 0,001; On-
line-Semestergruppe: BEEE: r = 0,747, p < 0,001; BEDP: r = 0,778, p < 0,001; BEPW:
r = 0,637, p < 0,001). Diese korrelativen Befunde deuten darauf hin, dass in der On-
line-Semestergruppe die Rangstabilität in allen Konstrukten relativ hoch war und

                                                                                         K
I. Hußner et al.

Tab. 3 Deskriptive Statistiken und statistische Vergleiche für die in Präsenz- bzw. Online-Semester
erhobenen abhängigen Variablen von N = 240 Lehramtsstudierenden
                               Online-Semester                      Präsenzsemester
                               T1                T2                 T1                  T2
                               M        SD       M         SD       M         SD        M          SD
Selbstwirksamkeitserwartungen
Selbstwirksamkeit für       4,76        0,62     4,71      0,70     4,75      0,55      4,90       0,57
Instruktionsstrategien
Selbstwirksamkeit für          4,59     0,70     4,62      0,68     4,45      0,58      4,77       0,65
Klassenmanagement
Selbstwirksamkeit für          4,86     0,65     4,73      0,64     4,72      0,57      4,91       0,57
Engagement für SuS a
Reflexionsbezogene             5,16     0,58     5,05      0,66     5,06      0,56      5,15       0,54
Selbstwirksamkeit
Beanspruchung (Burnout)
Emotionale Erschöpfung         1,96     0,67     2,05      0,72     1,94      0,66      1,98       0,64
Depersonalisierung (Zy-        1,76     0,75     1,77      0,75     1,68      0,68      1,80       0,79
nismus)
Professionelle Wirksam-        3,10     0,39     3,07      0,47     3,11      0,47      3,13       0,45
keit
a
    Schülerinnen und Schüler

Personen, die zu Semesterbeginn ein höheres Selbstwirksamkeitserleben und gerin-
geres Burnout-Erleben berichteten, auch am Semesterende günstigere Ausprägungen
erzielten. Von den drei Burnout-Skalen war es die Skala Professionelle Wirksamkeit,
die am stärksten mit den Selbstwirksamkeitsfacetten korrelierte bzw. Depersonali-
sierung war geringer und überwiegend nicht signifikant (siehe Tab. 4).

4.2 Varianzanalysen mit Messwiederholung: Selbstwirksamkeitserwartungen

In einer 2 * 2-faktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung wurden die einzel-
nen Selbstwirksamkeitsskalen als abhängige Variablen durch den Innersubjektfaktor
Zeit (T1: Beginn des Semesters; T2: Ende des Semesters) und den Zwischensub-
jektfaktor Gruppenzugehörigkeit (Online- versus Präsenzsemester) prädiziert. Die
Ergebnisse der Analysen sind in Tab. 5 verdeutlicht.
   Für die Subskala Selbstwirksamkeit für Instruktionsstrategien (SWIS) zeigten sich
in der Varianzanalyse keine Haupteffekte des Messwiederholungsfaktors Zeit als
Innersubjektfaktor, F(1, 179) = 0,67, p = 0,415, η2 = 0,004 nach Greenhouse-Geisser-
Korrektur sowie des Zwischensubjektfaktors Gruppe, F(1, 179) = 3,64, p = 0,058,
η2 = 0,020. Weiterhin war die Interaktion Zeit * Gruppe, F(1, 179) = 2,48, p = 0,117,
η2 = 0,014 nicht signifikant. Die Fehlervarianzen waren in beiden Gruppen zu bei-
den Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen der Subskala (SWIS)
homogen (p > 0,05).
   Für die Subskala Selbstwirksamkeit für Klassenmanagement (SWKM) zeigten sich
höchstsignifikante Effekte des Innersubjektfaktors Zeit, F(1, 178) = 17,37, p < 0,001,
η2 = 0,089, nach Greenhouse-Geisser-Korrektur jedoch keine signifikanten Ergebnis-
se des Zwischensubjektfaktors Gruppe, F(1, 178) = 0,07, p = 0,785, η2 = 0,000. Für

K
Tab. 4 Pearson-Korrelationen für alle Subskalen der Selbstwirksamkeitserwartungen und des Beanspruchungserlebens (Burnout) für die Online- bzw. Präsenzsemestergruppe
              BEEET1      BEDPT1     BEPWT1     SWIST1     SWKMT1      SWEST1     SWRT1      BEEET2       BEDPT2    BEPWT2     SWIST2     SWKMT2      SWEST2     SWRT2
                                *           *                                                         *                                          *
    BEEET1     1           0,374     –0,273     –0,081     –0,044       0,016      0,037      0,613        0,219    –0,166     –0,151     –0,307      –0,218     –0,273*
    BEDPT1     0,468*      1         –0,422*    –0,179     –0,122      –0,163     –0,011      0,148        0,574*   –0,300*    –0,235*    –0,309*     –0,218     –0,208
    BEPWT1    –0,338*     –0,477*     1           0,199*    0,126       0,239*     0,285*    –0,230       –0,439*    0,680*     0,193       0,218      0,243*      0,370*
                                            *                     *          *           *                                                                  *
    SWIST1 –0,090         –0,066      0,286       1         0,405       0,550      0,279      0,072       –0,006     0,064      0,170       0,171      0,328       0,124
    SWKMT1 –0,192*        –0,155      0,256*      0,430*    1           0,491*     0,109     –0,110        0,030    –0,050      0,230*      0,180      0,122       0,054
    SWEST1    –0,144      –0,154      0,343*      0,551*    0,552*      1          0,418*    –0,085       –0,076     0,000      0,239*      0,198      0,307*      0,128
    SWRT1     –0,165      –0,107      0,299*      0,355*    0,438*      0,501*     1          0,021       –0,018     0,234*     0,258*      0,086      0,251*      0,437*
    BEEET2     0,747*      0,402*    –0,309*    –0,143     –0,320*     –0,224*    –0,181      1            0,442*   –0,367*    –0,074     –0,173      –0,160     –0,257*
                     *          *           *                                                         *                   *                      *          *
    BEDPT2     0,413       0,778     –0,436     –0,083     –0,158      –0,160     –0,170      0,447        1        –0,458     –0,196     –0,274      –0,225     –0,171
    BEPWT2    –0,250*     –0,334*     0,637*     0,152      0,142       0,236*     0,186     –0,277*      –0,365*    1          0,335*     0,301*      0,407*     0,462*
    SWIST2    –0,141      –0,231*     0,307*      0,651*    0,350*      0,452*     0,345*    –0,182       –0,146     0,252*     1           0,643*     0,769*      0,575*
                                                       *          *          *           *         *                                  *                     *
    SWKMT2 –0,126         –0,155      0,175       0,389     0,596       0,345      0,283     –0,200       –0,106     0,172      0,565       1          0,633       0,491*
    SWEST2 –0,130         –0,174      0,337*      0,524*    0,349*      0,582*     0,399*    –0,105       –0,046     0,254*     0,642*      0,472*     1           0,638*
    SWRT2     –0,044      –0,148      0,302*      0,522*    0,335*      0,414*     0,509*    –0,121       –0,141     0,294*     0,659*      0,481*     0,647*      1
    Anmerkungen: Unter der Diagonalen: COVID-19-bedingtes Online-Semester/Über der Diagonalen: Präsenzsemester mit Praxisanteil. Alle mit * markierten Korrelationen
    sind mindestens auf dem Niveau p < 0,05 signifikant. BEEE Beanspruchung: Emotionale Erschöpfung, BEDP Beanspruchung: Depersonalisierung, BEPW Beanspruchung:
    Professionelle Wirksamkeit, SWIS Selbstwirksamkeit für Instruktionsstrategien, SWKM Selbstwirksamkeit für Klassenmanagement, SWES Selbstwirksamkeit für SchülerInnen-
                                                                                                                                                                            COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre: Differentielle Entwicklungsverläufe von...

    Engagement, SWR Reflexionsbezogene Selbstwirksamkeit, T1 zu Semesterbeginn, T2 zu Semesterende

K
I. Hußner et al.

Tab. 5 Ergebnisse der multi-
                                    Selbstwirksamkeit               Zeit (A)   Gruppe (B)    A× B
variaten Varianzanalysen mit
Messwiederholung für die            SWIS                             0,67      3,64          2,48       F
Selbstwirksamkeitserwartun-                                          0,415     0,058         0,117      p
gen über N = 240 Lehramtsstu-                                        0,004     0,020         0,014      η2
dierende für die Online- und
                                    SWKM                            17,37      0,07          5,28       F
Präsenzsemestergruppea
                                                                     0,000     0,785         0,023      p
                                                                     0,089     0,000         0,029      η2
                                    SWES                             1,57      0,12          14,24      F
                                                                     0,213     0,656         0,000      p
                                                                     0,009     0,001         0,074      η2
                                    SWR                              0,50      0,11          5,20       F
                                                                     0,823     0,918         0,024      p
                                                                     0,000     0,000         0,028      η2
                                    a
                                      zusätzliche Analysen von Interaktionseffekten zwischen der Zeit und
                                    den Kovariaten Geschlecht, Alter, Abiturnote bzw. Geburtsland zei-
                                    gen überwiegend keine signifikanten Effekte

Abb. 1 Mittelwertvergleich                                 5,20
der Subskala Selbstwirksamkeit
                                   Selbstwirksamkeit für
                                   Klassenmanagement

für Klassenmanagement der
Gruppen Online-Semester und
                                                           5,00
Präsenzsemester mit Praxisanteil
zu Semesterbeginn (T1) und                                 4,80
Semesterende (T2)
                                                           4,60

                                                           4,40
                                                                        T1                  T2

                                                             Präsenzsemester           Online-Semester

die Interaktion Zeit * Gruppe, F(1, 178) = 5,28, p = 0,023, η2 = 0,029 zeigten sich
hingegen signifikante Ergebnisse (siehe Abb. 1). Dabei stieg die Selbstwirksamkeit
für Klassenmanagement bei den Studierenden des Präsenzsemesters von Semester-
beginn zum Semesterende stärker an (MPräsenz T1, T2 = 0,32) als bei den Studieren-
den im Online-Semester, bei denen kein signifikanter Zuwachs zu verzeichnen war
(MOnline T1, T2 = 0,03; vgl. Tab. 3). Zusätzliche Varianzanalysen, bei denen der Haupt-
effekt der Zeit auf die Selbstwirksamkeit getrennt für beide Gruppen untersucht
wurde, verdeutlichten einen signifikanten Effekt des Innersubjektfaktors Zeit in der
Präsenzsemestergruppe auf die Selbstwirksamkeit für Klassenmanagement, nicht je-
doch im Online-Semester (Online-Semester: F(1, 109) = 1,01, p = 0,317, η2 = 0,009;
Präsenzsemester: F(1, 85) = 19,79, p < 0,001, η2 = 0,189). Die Fehlervarianzen waren
in beiden Gruppen zu beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen
der Subskala (SWKM) homogen (p > 0,05).
   Für die Subskala Selbstwirksamkeit im Engagement für Schülerinnen und Schüler
(SWES) als abhängige Variable zeigten sich keine signifikanten Effekte des Inner-
subjektfaktors Zeit, F(1, 179) = 1,57, p = 0,213, η2 = 0,009, nach Greenhouse-Geis-
ser-Korrektur und keine signifikanten Ergebnisse des Zwischensubjektfaktors Grup-

K
COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre: Differentielle Entwicklungsverläufe von...

Abb. 2 Mittelwertvergleich der
                                                          5,20
Subskala Selbstwirksamkeit für

                                  Selbstwirksamkeit für
                                  Engagement für SuS
Schülerinnen- und Schüleren-
gagement der Gruppen Online-
                                                          5,00
Semester und Präsenzsemester
mit Praxisanteil zu Semester-                             4,80
beginn (T1) und Semesterende
(T2)                                                      4,60

                                                          4,40
                                                                        T1               T2

                                                            Präsenzsemester     Online-Semester

pe, F(1, 179) = 0,12, p = 0,656, η2 = 0,001. Für die Interaktion Zeit * Gruppe, F(1,
179) = 14,24, p < 0,001, η2 = 0,074 ergaben sich, nach Greenhouse-Geisser-Korrek-
tur jedoch höchstsignifikante Ergebnisse (siehe Abb. 2). Die Selbstwirksamkeit im
Engagement für Schülerinnen und Schüler bei den Studierenden stieg im Präsenzse-
mester von Semesterbeginn zu Semesterende an (MPräsenz T1, T2 = 0,19) und sank im
Verlauf des Online-Semesters (MOnline T1, T2 = –0,13; vgl. Tab. 1). Zusätzliche Vari-
anzanalysen, bei denen der Haupteffekt der Zeit auf die Selbstwirksamkeit getrennt
für beide Gruppen untersucht wurde, zeigten, dass der Innersubjektfaktor Zeit in
beiden Gruppen signifikant auf die Selbstwirksamkeit für Engagement für Schüle-
rinnen und Schüler wirkt (Online-Semester: F(1, 107) = 4,46, p = 0,037, η2 = 0,400;
Präsenzsemester: F(1, 85) = 12,53, p < 0,001, η2 = 0,128). Die Fehlervarianzen waren
in beiden Gruppen zu beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen
der Subskala (SWES) homogen (p > 0,05).
   Die für die Skala Reflexionsbezogene Selbstwirksamkeit (SWR) als abhängige
Variable durchgeführte 2 * 2-faktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung
weist keine signifikanten Ergebnisse für den Faktor Zeit auf F(1, 179) = 0,050,
p = 0,823, η2 = 0,000, nach Greenhouse-Geisser-Korrektur. Der Zwischensubjekt-
faktor Gruppe zeigte ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse, F(1, 179) = 0,11,
p = 0,918, η2 = 0,000. Für die Interaktion Zeit * Gruppe, F(1, 179) = 5,20, p = 0,024,
η2 = 0,028 ergaben sich jedoch signifikante Ergebnisse (siehe Abb. 3). Dabei stieg
die Reflexionsbezogene Selbstwirksamkeit bei den Studierenden des Präsenzsemes-

Abb. 3 Mittelwertvergleich                                5,20
der Skala Reflexionsbezogene
Selbstwirksamkeit der Gruppen
                                  Reflexionsbezogene

                                                          5,00
                                   Selbstwirksamkeit

Online-Semester und Präsenz-
semester mit Praxisanteil zu
Semesterbeginn (T1) und Semes-                            4,80
terende (T2)
                                                          4,60

                                                          4,40
                                                                        T1               T2

                                                             Präsenzsemester    Online-Semester

                                                                                          K
I. Hußner et al.

ters von Semesterbeginn zum Semesterende an (MPräsenz T1, T2 = 0,09) wohingegen
bei den Studierenden im Online-Semester ein Abwärtstrend zu verzeichnen war
(MOnline T1, T2 = –0,11; vgl. Tab. 3). Zusätzliche Varianzanalysen, bei denen der
Haupteffekt der Zeit auf die Selbstwirksamkeit getrennt für beide Gruppen unter-
sucht wurde, zeigten, dass die Zeit in der Präsenzsemestergruppe – nicht jedoch
im Online-Semester – signifikant auf die Reflexionsbezogene Selbstwirksamkeit
wirkte (Online-Semester: F(1, 107) = 2,56, p = 0,113, η2 = 0,023; Präsenzsemester:
F(1, 85) = 5,00, p = 0,028, η2 = 0,056). Die Fehlervarianzen waren in beiden Gruppen
zu beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen der Subskala
(SWR) homogen (p > 0,05).

4.3 Varianzanalysen mit Messwiederholung: Beanspruchungserleben

In weiteren 2 * 2-faktoriellen Varianzanalysen mit Messwiederholung wurden die
Subskalen des Beanspruchungserleben durch den Innersubjektfaktor Zeit (T1: Beginn
des Semesters; T2: Ende des Semesters) und den Zwischensubjektfaktor Gruppen-
zugehörigkeit (Online- versus Präsenzsemester) vorhergesagt (siehe Tab. 6).
   Für die Subskala Emotionale Erschöpfung (BEEE) zeigten sich signifikante Effek-
te des Innersubjektfaktors Zeit, F(1, 179) = 5,13, p = 0,025, η2 = 0,028, nach Green-
house-Geisser-Korrektur. Die Emotionale Erschöpfung der Studierenden in beiden
Gruppen stieg signifikant über das Semester hinweg an (vgl. Tab. 1). Der Zwischen-
subjektfaktor Gruppe erwies sich nicht als signifikant, F(1, 179) = 0,78, p = 0,378,
η2 = 0,004. Für die Interaktion Zeit * Gruppe ergab sich keine signifikante Interak-
tion, F(1, 179) = 0,21, p = 0,647, η2 = 0,001. Die Fehlervarianzen waren in beiden
Gruppen zu beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen der Sub-
skala (BEEE) homogen (p > 0,05).
   Für die Subskala Depersonalisierung (BEDP) zeigten sich keine signifikanten Ef-
fekte der Zeit, F(1, 179) = 2,39, p = 0,124, η2 = 0,013 und keine signifikanten Effekte
des Zwischensubjektfaktors Gruppe, F(1, 179) = 0,03, p = 0,858, η2 = 0,000. Für die
Interaktion Zeit * Gruppe, F(1, 179) = 1,77, p = 0,185, η2 = 0,010, zeigten sich nach
Greenhouse-Geisser-Korrektur ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse. Die Fehler-

Tab. 6 Ergebnisse der multivariaten Varianzanalysen mit Messwiederholung für die Beanspruchungser-
leben (Burnout) über N = 240 Lehramtsstudierende für die Online- und Präsenzsemestergruppea
Beanspruchung                  Zeit (A)              Gruppe (B)                A× B
BEEE                           5,13                  0,78                      0,21             F
                               0,025                 0,378                     0,647            p
                               0,028                 0,004                     0,001            η2
BEDP                           2,39                  0,03                      1,77             F
                               0,124                 0,858                     0,185            p
                               0,013                 0,000                     0,010            η2
BEPW                           1,20                  0,74                      0,04             F
                               0,275                 0,390                     0,855            p
                               0,007                 0,004                     0,000            η2
a
 zusätzliche Analysen von Interaktionseffekten zwischen den hier genannten Hauptkriterien und den Ko-
variaten Geschlecht, Alter, Abiturnote bzw. Geburtsland zeigen überwiegend keine signifikanten Effekte

K
COVID-19-bedingte Online- vs. Präsenzlehre: Differentielle Entwicklungsverläufe von...

varianzen waren in beiden Gruppen zu beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test
für alle Variablen der Subskala (BEDP) homogen (p > 0,05).
   Auch für die Subskala professionelle Wirksamkeit (BEPW) zeigte sich kein signifi-
kanter Effekt der Zeit, F(1, 179) = 1,20, p = 0,275, η2 = 0,007, nach Greenhouse-Geis-
ser-Korrektur und des Zwischensubjektfaktors Gruppe, F(1, 178) = 0,74, p = 0,390,
η2 = 0,004. Darüber hinaus war die Interaktion Zeit * Gruppe nicht signifikant, F(1,
179) = 0,04, p = 0,855, η2 = 0,000. Die Fehlervarianzen waren in beiden Gruppen zu
beiden Messzeitpunkten gemäß Levene-Test für alle Variablen der Subskala (BEPW)
homogen (p > 0,05).

5 Diskussion

Nur wenige Studien befassen sich bislang mit den Auswirkungen der Online-Lehre
auf sozio-emotionale und motivationale Merkmale von Lehramtsstudierenden (z. B.
Osterberg et al. 2020). Insbesondere Selbstwirksamkeitserwartungen werden als be-
deutsamer Einflussfaktor auf den Umgang mit Belastungen beschrieben (Klusmann
et al. 2012). Forschung zu den Effekten verschiedener Lehr-Lernsettings auf die
Entwicklung solcher Kompetenzüberzeugungen sowie des Beanspruchungserlebens
ist daher von hoher Relevanz für die aktuelle Lehrkräftebildung. Vor diesem Hin-
tergrund hatte die vorliegende Studie zum Ziel, die Veränderung von Selbstwirk-
samkeitserwartungen und Beanspruchungserleben im Semesterverlauf unter Diffe-
renzierung von Präsenzlehre und digitaler Lehre in Zeiten der COVID-19-Pandemie
zu untersuchen.

5.1 Selbstwirksamkeitserwartungen im Online- und im Präsenzsemester

Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich drei der vier untersuchten Facetten der Selbst-
wirksamkeitserwartungen von Lehramtsstudierenden – konkret Selbstwirksamkeit
für Klassenmanagement, im Engagement für Schülerinnen und Schüler und in Be-
zug auf Reflexion des Unterrichtsgeschehens – im COVID-19-bedingten Online-
Semester und im Präsenzsemester differentiell entwickeln. Bei den Studierenden im
Online-Semester blieben die Selbstwirksamkeit im Klassenmanagement und die Re-
flexionsbezogene Selbstwirksamkeit im Verlauf des Semesters stabil, wohingegen
diese bei den Studierenden in den Präsenzsemestern im Semesterverlauf anstieg.
Darüber hinaus sank die Selbstwirksamkeit im Engagement für Schülerinnen und
Schüler im Online-Semester, während sie im Verlauf des Präsenzsemesters anstieg.
Mögliche Erklärungen für die günstigere Entwicklung der drei Selbstwirksamkeits-
Facetten im Präsenzsemester könnten erfolgreiche Praxiserfahrungen (mastery ex-
periences) sowie die systematische Unterstützung und das konstruktive Feedback
von erfahrenen Lehrkräften im Sinne verbaler Bestärkung durch andere Personen
(verbal persuasion) in der Lehre mit praktischem Anteil sein (Bandura 1977; Morris
et al. 2017). Sowohl die Auseinandersetzung mit Unterrichtserfahrungen als auch
unterstützendes Feedback gelten als prädiktiv für die Lehrerselbstwirksamkeit wie
Studien bei angehenden Lehrkräften zeigen konnten (Richter et al. 2011; Ronfeldt
und Reininger 2012). Studierende im Präsenzsemester konnten außerdem auch ihre

                                                                                         K
I. Hußner et al.

physiologische Aktivierung durch das Unterrichten wahrnehmen, die als bedeutend
als Quelle von Selbstwirksamkeit angesehen wird (Snyder und Fisk 2016), was
den Studierenden im Online-Semester aufgrund der fehlenden Praxisanteile nicht
möglich war. Die differentielle Veränderung unterschiedlicher Selbstwirksamkeits-
facetten im Online-Semester könnte durch die Art der praxisbezogenen Anteile im
Online-Semester bedingt gewesen sein. Diese praktischen Übungen bezogen sich
insbesondere auch auf die Arbeit mit Unterrichtsvideografien – dabei sind Merkma-
le der Klassenführung für Studierende eventuell besser beobachtbar und beurteilbar
als beispielsweise Motivierungsstrategien der Lehrkraft (Kunter und Baumert 2006).
Stellvertretende Erfolgserfahrungen (vicarious experiences) als Quelle der Selbst-
wirksamkeit waren daher insbesondere im Bereich der Motivierung von Lernenden
eventuell nur wenig verfügbar, während ein erfolgreicher Umgang mit Störungen
auf Unterrichtsvideographien besser für die Lehramtsstudierenden beobachtbar war.
Allerdings sind diese Erklärungsansätze für die differentielle Veränderung der ein-
zelnen Selbstwirksamkeitsfacetten nur hypothetisch und sollten in weiterführenden
Untersuchungen differenzierter in den Blick genommen werden.
   Eine mögliche Erklärung für die nicht-signifikanten Effekte auf die Selbstwirk-
samkeit für Instruktionsstrategien könnte einerseits darin bestehen, dass erfolgreiche
Instruktion häufig nur langfristig wahrnehmbar ist, während sich ein gezieltes Ein-
greifen bei Störungen oder eine erfolgreiche motivierende Unterrichtsführung, die
das Schülerinnen- und Schülerengagement befördert, in ihren Konsequenzen eher
unmittelbar wahrnehmen lassen (Luttenberger et al. 2019; Ophardt und Thiel 2017).
Zudem könnte das systematische Reflektieren eigener kurzer Unterrichtserfahrungen
im Präsenzsemester zum Anstieg der Selbstwirksamkeit im Reflektieren beigetragen
haben (Stürmer et al. 2013).

5.2 Beanspruchungserleben im Online- und im Präsenzsemester

Unsere Befunde verweisen auf ähnliche Veränderungen der Facetten des Beanspru-
chungserlebens im Präsenz- und Online-Semester. Gleichzeitig zeigte sich ein An-
stieg der Emotionalen Erschöpfung in beiden Gruppen, während Depersonalisierung
und professionelle Wirksamkeit in beiden Gruppen stabil blieben. Sowohl in Praxis-
phasen als auch während der pandemiebedingten Online-Lehre gibt es spezifische
universitäre Anforderungen, die von den Studierenden als belastend erlebt wer-
den (Bach 2015; Hahn et al. 2021). In Praxisphasen erleben Studierende vor allem
schwieriges Verhalten von Schülerinnen und Schülern, die Organisation und Betreu-
ung des Praktikums sowie ambivalente Rollendefinitionen als emotional erschöpfend
(Krawiec et al. 2020). Allerdings ist die Befundlage hinsichtlich der Veränderungen
emotionaler Erschöpfung bei Lehramtsstudierenden in Praxisphasen inkonsistent,
da Studien teilweise auf einen Anstieg der Erschöpfung verweisen (Schüle et al.
2017b), während andere Studien Rückgänge der emotionalen Erschöpfung aufzei-
gen (Fives et al. 2007). In der pandemiebedingten Online-Lehre werden Faktoren
wie die zeitliche Organisation und Strukturierung der Arbeit zu Hause sowie Miss-
erfolgsängste und ressourcenintensivere Lernaktivitäten von den Studierenden als
emotional erschöpfend empfunden (Hahn et al. 2021). In unserer Untersuchung wa-
ren die Studierenden daher sowohl im Semester mit Praxisanteil als auch im Online-

K
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