Covid-19 verstärkt Trends auf dem Immobilienmarkt - Credit ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Investment Solutions & Products Swiss Economics Covid-19 verstärkt Trends auf dem Immobilienmarkt Immobilienmonitor Schweiz | Oktober 2020 Mietwohnungen Wohnungsmarkt Büroflächen Covid-19 bremst Nachfrage Was wäre, wenn Revolution oder Evolution? Seite 9 Seite 13 Seite 15
Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products Nannette Hechler-Fayd’herbe Head of Global Economics & Research +41 44 333 17 06 nannette.hechler-fayd'herbe@credit-suisse.com Fredy Hasenmaile Head Real Estate Economics Tel. +41 44 333 89 17 fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Redaktionsschluss 5. Oktober 2020 Publikationsreihe Swiss Issues Immobilien Besuchen Sie uns auf dem Internet www.credit-suisse.com/immobilien Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2020 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Autoren Fredy Hasenmaile, +41 44 333 89 17, fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Alexander Lohse, +41 44 333 73 14, alexander.lohse@credit-suisse.com Thomas Rieder, +41 332 09 72, thomas.rieder@credit-suisse.com Dr. Fabian Waltert, +41 44 333 25 57, fabian.waltert@credit-suisse.com Mitwirkung Miriam Kappeler Sinem Wiederkehr 2 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Das Coronavirus beherrscht unverändert die Schlagzeilen und nimmt Einfluss auf unser Leben und Arbeiten. Die Pandemie hat zum grössten Wirtschaftseinbruch seit der Ölkrise in den Siebzigerjah- ren und zu erheblicher Unsicherheit über die weitere Entwicklung geführt. Mit Hochfrequenzdaten versuchen daher viele Ökonomen mehr Informationen über die aktuelle Entwicklung zu gewinnen. Für den Immobilienmarkt sind diese Daten aber weniger relevant. Ob nun letztlich die Mietertrags- ausfälle wegen Betriebsschliessungen und Mieterlassen in diesem Jahr zwei, drei oder gar fünf Prozent ausmachen ändert an der Bewertung der Immobilie herzlich wenig. Viel entscheidender ist die lange Frist, die bei Immobilien aufgrund derer langen Lebensdauer sowieso grössere Aufmerk- samkeit verdient. Die Tiefzinsphase, die wegen des Coronavirus nun nochmals länger andauern dürfte, erhöht nämlich die Bedeutung der Cashflows in späten Jahren. Bei sehr tiefen Diskontsät- zen bestimmen die Cashflows ab dem zehnten Jahr den Immobilienwert zu rund vier Fünfteln. Für den Investor ist daher viel entscheidender, welche strukturellen Veränderungen das Coronavi- rus langfristig hinterlassen wird. Dies gilt umso mehr als sich kurzfristig auf dem wichtigsten Markt – dem Wohnungsmarkt – nur wenig ändert. Die Eigentumspreise steigen unbeeindruckt von Co- vid-19 auch im zweiten Quartal 2020. Im Mietwohnungsmarkt muss man sich dagegen auf eine geringere Nachfrage einstellen. Dies ist jedoch eher einer zurückhaltenden Binnennachfrage ge- schuldet als einer geringeren Zuwanderung. Trotz zeitweiliger Einreisebeschränkungen und rück- läufiger Beschäftigungsentwicklung dürfte der Wanderungssaldo im laufenden Jahr nur geringfü- gig tiefer ausfallen als im letzten Jahr. Die Gründe dafür lesen Sie in unserer sehr detaillierten Auf- schlüsselung der Zuwanderung auf Seite 9. Wenig beeindruckt vom Coronavirus zeigt sich auch die Bautätigkeit bei den Mietwohnungen. Nachdem es vorübergehend sogar zu Baustellenschliessungen gekommen war und auch die Bau- bewilligungen im ersten Quartal einen starken Rückgang erfuhren, konnten die Bewilligungen von Mietwohnungen den Rückschlag schon fast wieder wettmachen. Wir rechnen mit einer Fortset- zung der bisherigen Trends, die unverändert eine (zu) hohe Bautätigkeit von Mietwohnungen auf Kosten der Erstellung von Wohneigentum anzeigen (Seite 7). Wenig erstaunlich ist, dass die Leerstände von Mietwohnungen folglich auch dieses Jahr weiter angestiegen sind. Unsere De- tailanalyse hierzu können Sie auf Seite 5 lesen. Spuren wird Covid-19 dagegen auf dem Büroflächenmarkt hinterlassen. Davon zeugt die sicht- bare Zurückhaltung der Investoren gegenüber Anlagegefässen mit Ausrichtung auf Geschäftsflä- chen. Derzeit sind sich nicht nur die Analysten, sondern auch die Unternehmen selber noch sehr uneins, wie stark der Trend zur Heimarbeit den künftigen Flächenbedarf beeinflussen wird. Kommt es zu einer Revolution oder einer Evolution? Lesen Sie unsere Einschätzung dazu auf Seite 15. Sollte uns das Coronavirus noch länger begleiten, sind langfristige Veränderungen auch auf dem Wohnungsmarkt denkbar. Wohin die Reise gehen könnte, zeigt Ihnen unser Gedankenexperiment auf Seite 13. Im Namen der Autoren wünsche ich Ihnen eine informative und inspirierende Lektüre. Fredy Hasenmaile Head Real Estate Economics Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 3
Inhalt Wohnungsmarkt 5 Und jährlich grüssen die Leerwohnungen Die Leerwohnungsziffer ist auch 2020 gestiegen und erreicht einen Wert von 1.72%. Covid-19 dürfte das Ungleichgewicht auf dem Mietwohnungsmarkt weiter verstärken. Wohnungsmarkt 7 Viele neue Mietwohnungen trotz Covid-19 in der Pipeline Die Bautätigkeit von Mietwohnungen bleibt trotz der Covid-19 Krise und der daraus folgenden tieferen Wohnungsnachfrage hoch. Dagegen sinkt die Bautätigkeit von Wohneigentum aufgrund des anhaltenden Negativzinsumfelds weiter. Mietwohnungen 9 Covid-19 bremst Nachfrage Dank hoher Zuwanderungszahlen im 1. Quartal und einem Rückgang der Auswanderungen wird die Nettozuwanderung 2020 trotz Corona-Krise voraussichtlich nur leicht sinken. Gleichwohl dürfte die Corona-Krise die Wohnungsnachfrage spürbar beeinträchtigen. Wohnungsmarkt 13 Was wäre, wenn … … Covid-19 unser Leben und Arbeiten noch länger in Atem hielte? Nehmen wir an, die Coronavirus-Einschränkungen würden uns noch weitere vier bis fünf Jahre begleiten. Mit einem solchen Gedankenexperiment loten wir aus, welche strukturellen Folgen das für die Wohnungsmärkte der Schweiz haben könnte. Wohneigentum 14 Büroflächen 15 Revolution oder Evolution? Während das Homeoffice anfänglich mit einer gesteigerten Mitarbeiterproduktivität überzeugt, dürfte das Büro ein besseres Umfeld für Innovationen bieten. Kommerzielle Immobilien 16 Immobilienanlagen 17 4 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Wohnungsmarkt Und jährlich grüssen die Leerwohnungen Die Leerwohnungsziffer ist auch 2020 gestiegen und erreicht einen Wert von 1.72%. Covid-19 dürfte das Ungleichgewicht auf dem Mietwohnungsmarkt weiter verstärken. Leerwohnungsziffer Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) jährlich erhobenen Leerwohnungszahlen sind auch im lau- erreicht hohe 1.72% fenden Jahr angestiegen – zum nunmehr elften Mal in Serie (Abb. 1). Per 1. Juni 2020 standen schweizweit 78’832 Wohnungen leer. Dies entspricht einer Leerwohnungsziffer von 1.72% – ein Wert, der zuletzt 1998 übertroffen worden ist. Mit einem Plus von 3449 ist die Zunahme der An- zahl Leerwohnungen, wie bereits im Vorjahr und gemessen an den starken Anstiegen der Jahre 2014 bis 2018, vergleichsweise moderat ausgefallen. Corona-Effekte haben Die Corona-Krise, welche die Wohnungsnachfrage spürbar schwächen dürfte, scheint bis zum 1. sich noch nicht voll Juni folglich noch keine tieferen Spuren im Markt hinterlassen zu haben. In den Monaten vor der entfaltet Pandemie stand der Wohnungsmarkt noch immer unter dem Einfluss der guten Wirtschaftslage der beiden Vorjahre. So lag etwa die Nettozuwanderung zwischen Juni 2019 und Mai 2020 ins- gesamt noch 3.9% über jener der Vorjahresperiode. Gleichzeitig dürften gemäss Baubewilligun- gen in dieser Zeitperiode schätzungsweise 3000 Wohnungen weniger entstanden sein als noch im Jahr zuvor. Wenig repräsentativer Weiter kann nicht ausgeschlossen werden, dass erhebungstechnische Faktoren in einigen Ge- Stichtag 2020? meinden zu einer gewissen Unterschätzung des Anstiegs der Leerwohnungen geführt haben. Während des Lockdowns wurde zum Teil die Vermarktung von Wohnungen unterbrochen oder verschoben. Die Zahl der auf Online-Plattformen inserierten Wohnungen lag Ende Mai 2020 15% tiefer als noch Ende Februar. Gemäss Definition des BFS werden jedoch nur die am Stichtag 1. Juni zur Miete oder zum Kauf angebotenen unbesetzten Wohnungen zu den Leerwohnungen ge- zählt. Hier stellt sich die Frage, wie die Gemeinden mit solchen Wohnungen umgegangen sind. 2.75% aller Mietwoh- Wie bereits im Vorjahr geht der Anstieg des Leerstands vollumfänglich auf das Konto der Miet- nungen stehen leer wohnungen. Insgesamt standen per 1. Juni 2020 66’320 Mietwohnungen leer, was einer Leer- wohnungsziffer von 2.75% entspricht (Abb. 2). Über die letzten Jahre hat sich in Teilen des Miet- wohnungsmarktes ein strukturelles Überangebot aufgebaut, das vom negativzinsbedingten Anla- genotstand genährt wird. Auf der Suche nach Rendite und aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Bauland sind etliche Investoren auch in Agglomerationsgemeinden und ländliche Regionen ausgewichen – mitunter in solche, in denen das Nachfragepotenzial beschränkt ist – mit der Folge, dass sich die Leerwohnungszahl innerhalb von sieben Jahren mehr als verdoppelt hat. Abb. 1: Höchste Leerwohnungsziffer seit 1998 Abb. 2: Leerstände konzentrieren sich nur auf Mietwohnungen Leerwohnungsziffer (linke Skala) und Wachstum der Leerwohnungen (rechte Skala) Leerwohnungsziffer nach Segment, in % des jeweiligen Wohnungsbestands Veränderung Leerstand (r. Skala) Mietwohnungen Eigentumswohnungen 2.0% Leerwohnungsziffer (LWZ) 16'000 Einfamilienhäuser (zum Verkauf) Leerwohnungsziffer total Mittlere LWZ (1974 – 2020) 3.0% 1.5% 12'000 2.5% 1.0% 8'000 2.0% 0.5% 4'000 1.5% 0.0% 0 1.0% -0.5% -4'000 0.5% -1.0% -8'000 0.0% 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 2020 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 01.06.2020 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 01.06.2020 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 5
Stabiles Ganz anders präsentiert sich die Situation beim Wohneigentum. Einem leichten Anstieg bei den Wohneigentum leer stehenden Eigentumswohnungen (0.55%) steht ein Rückgang bei den Einfamilienhäusern gegenüber (0.61%), sodass die Leerwohnungsziffer insgesamt bei 0.58% verharrt (Abb. 2). Diese stabile Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass hier die Bautätigkeit in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgefahren worden ist. Die Corona-Krise dürfte hier höchstens eine wei- tere Verknappung verhindert haben. Überangebote weiten Regional betrachtet lassen sich weiterhin vier Cluster mit erhöhten Leerständen ausmachen: Die sich nach Südwesten Nordostschweiz, die Nordwestschweiz (insbesondere Aargau und Solothurn), das Wallis und das und Süden aus Tessin (Abb. 3). In einzelnen dieser Regionen liegt die Leerwohnungsziffer bei über 4%. Augen- fällig ist, dass die lateinische Schweiz, vorab die Kantone Waadt, Wallis und Tessin besonders stark von den jüngsten Anstiegen betroffen ist. Generell haben sich die Leerstände in den letzten Jahren immer stärker in Richtung Westen und Süden ausgedehnt. Waren die Kantone der lateini- schen Schweiz 2015 noch für 26.6% des Leerstands verantwortlich, betrug dieser Wert am 1. Juni 2020 33.0%. Ein Rückgang der Leerwohnungsziffer konnte im laufenden Jahr nur in 35 der 110 Wirtschaftsregionen beobachtet werden. Viele dieser Regionen liegen im Osten der Schweiz. Keine Entspannung in In den Grosszentren kann von Überangeboten weiterhin keine Rede sein. Die Leerwohnungsziffer den Zentren der fünf grössten Städte lag per 1. Juni praktisch unverändert bei 0.47% (übrige Schweiz: 1.91%). Das Stadt-Land-Gefälle auf dem Schweizer Wohnungsmarkt nimmt folglich weiter zu. Den tiefsten Wert verzeichnet weiterhin die Stadt Zürich (0.15%), gefolgt von Lausanne (0.48%), Bern (0.56%), Genf (0.61%) und Basel (0.95%). Keine Trendwende in Das Tempo, mit dem die Leerstände auf dem Mietwohnungsmarkt wachsen, hat sich zuletzt ver- Sicht langsamt. Dennoch erwarten wir keinen baldigen Abbau der Überangebote. Die konjunkturellen Effekte der Covid-19 Pandemie, die erst allmählich richtig spürbar werden, dürften auch im kom- menden Jahr die Mietwohnungsnachfrage belasten (S. 9). Gleichzeitig ist vorläufig mit keinem weiteren Rückgang der Bautätigkeit zu rechnen (S. 7). Entsprechend könnte sich die Zunahme der Leerwohnungen vorübergehend gar wieder beschleunigen. Der erwartete Rückgang der Zu- wanderung könnte dabei zwischenzeitlich auch in den Zentren für eine gewisse Entspannung sor- gen. Erst eine deutliche Erholung der Konjunktur, die auch den Arbeitsmarkt erreicht, dürfte für eine weitere Verlangsamung des Leerstandswachstums sorgen. Solange der strukturelle Treiber der Überangebote – die Negativzinsen – bestehen bleibt, dürften die Leerwohnungsbestände chronisch hoch bleiben. Die derzeitige Rezession und der fehlende Inflationsdruck sprechen gegen einen baldigen geldpolitischen Kurswechsel. Entsprechend dürfte der elfte Anstieg in Folge nicht der letzte gewesen sein. Abb. 3: Stärkstes Wachstum der Leerstände in der Westschweiz und im Tessin Leerwohnungsziffer per 1. Juni 2020; Pfeile: Veränderung gegenüber dem Vorjahr > 3.0% 2.5 – 3.0% 2.0 – 2.5% 1.5 – 2.0% 1.25 – 1.5% 1.0 – 1.25% 0.75 – 1.0% < 0.75% Starker Anstieg Leichter Anstieg Seitwärtsbewegung Leichter Rückgang Starker Rückgang Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse, Geostat Letzter Datenpunkt: 01.06.2020 6 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Wohnungsmarkt Viele neue Mietwohnungen trotz Covid-19 in der Pipeline Die Bautätigkeit von Mietwohnungen bleibt trotz der Covid-19 Krise und der daraus folgenden tieferen Wohnungsnachfrage hoch. Dagegen sinkt die Bautätigkeit von Wohneigentum aufgrund des anhaltenden Negativzinsumfelds weiter. Rückgang der geplan- Als unmittelbare Folge der Covid-19 Krise und des Lockdowns ging die Anzahl Baugesuche und ten Bautätigkeit Baubewilligungen im März und April stark zurück. Hinzu kommt, dass in den Kantonen Genf, Frei- überzeichnet burg, Neuenburg, Waadt und Tessin während dem Höhepunkt der Pandemie keine Informationen zu Bauvorhaben mehr veröffentlicht wurden. Damit wurde der Rückgang der Baugesuche und Baubewilligungen anfangs stark überzeichnet. Mittlerweile stellen wieder sämtliche Kantone Infor- mationen zu den geplanten Bauvorhaben zur Verfügung, und die Daten für das ganze 2. Quartal ermöglichen die Folgen von Covid-19 auf die Wohnbautätigkeit genauer zu analysieren. Geplante Bautätigkeit Auf dem Mietwohnungsmarkt hat sich Covid-19 nur kurzzeitig auf die Baubewilligungen ausge- von Mietwohnungen wirkt. Zwar musste schweizweit im 1. Quartal 2020 im Vergleich zum Vorquartal ein Rückgang bleibt hoch von 21% verzeichnet werden. Aber bereits im 2. Quartal konnte dieser Rückgang mit einem Plus von 15% grösstenteils wieder wettgemacht werden (Abb. 4). Wird das gleitende Mittel über vier Quartale betrachtet, ist die Delle im 1. Quartal praktisch nicht mehr erkennbar. Vielmehr zeigt sich ein Anstieg der Baubewilligungen von Mietwohnungen (MWG) um 12% seit dem 2. Quartal 2019. Grossprojekte als Die wieder steigende Bewilligungstätigkeit ist auch Folge der vielen Grossprojekte, für die Ende Treiber 2018 und im Verlauf von 2019 Baugesuche eingingen und die erst jüngst bewilligt wurden. Insge- samt erwarten wir in den kommenden 6 bis 18 Monaten eine Ausweitung des Mietwohnungsbe- stands um 1.1%. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 1.0%. Abgesehen von leichten Verzögerungen auf den Baustellen in diesem Frühling dürfte Covid-19 daher kaum Fol- gen auf die erwartete Ausweitung im Mietwohnungsmarkt haben. Planungstätigkeit Im Gegensatz dazu ist die Anzahl Baugesuche im 2. Quartal noch gesunken. Dies ist in erster Li- steigt bereits wieder nie auf den April zurückzuführen, wo Gesuche für weniger als 1600 Mietwohnungen eingereicht wurden. Dies entspricht lediglich 64% der mittleren Monatssumme seit Anfang 2012. Seit Mai liegt die Anzahl Baugesuche aber bereits wieder über diesem Mittelwert (Abb. 5). Projektentwick- ler und Investoren lassen sich also nicht durch einen Covid-19-bedingten Nachfrageschock ab- Abb. 4: Steigende Baubewilligungen bei Mietwohnungen Abb. 5: Mietwohnungsgesuche bereits wieder über dem Mittel Anzahl bewilligter Wohneinheiten nach Segment, pro Quartal Baugesuche, in Anzahl Wohneinheiten pro Monat; Durchschnitt 2012 – 2019 EFH: Quartalswerte MWG: Quartalswerte Gesuche EFH Gesuche MWG Gesuche EWG EWG: Quartalswerte EFH: gleitendes 4-Q-Mittel Durchschnitt EFH Durchschnitt MWG Durchschnitt EWG MWG: gleitendes 4-Q-Mittel EWG: gleitendes 4-Q-Mittel 4’500 8’000 4’000 7’000 3’500 6’000 3’000 5’000 2’500 4’000 2’000 3’000 1’500 2’000 1’000 1’000 500 0 0 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: Q2/2020 Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 07/2020 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 7
schrecken, denn das Negativzinsumfeld dürfte nun noch länger anhalten. Bei dieser Ausgangs- lage bleiben Investitionen in Mietwohnungen trotz weiter ansteigenden Leerständen aus Anleger- sicht attraktiv. Schwerpunkt der 2021 dürfte die erwartete Mietwohnungsausweitung insbesondere rund um Zürich sowie in den Bautätigkeit in Zürich, Regionen Zug und Luzern hoch ausfallen (Abb. 6). Aber auch in grossen Teilen der Kantone Aar- Zug und Luzern gau, Solothurn sowie Schaffhausen bleibt die Produktion auf hohem Niveau. In der Mehrheit die- ser Regionen fällt die erwartete Ausweitung zudem höher aus als vor einem Jahr. Dagegen ist in der Westschweiz, mit Ausnahme des Genfersee-Hinterlandes auf Freiburger und Waadtländer Boden, nur in wenigen Regionen mit einer hohen Mietwohnungsbautätigkeit zu rechnen. Und im Kanton Tessin, der bereits vor Covid-19 ein grosses Überangebot verzeichnete, ist lediglich in der Region Bellinzona eine grosse Anzahl an neuen Mietwohnungen geplant. In vielen ländlichen und alpinen Regionen sind dagegen nur wenige neue Projekte in der Pipeline. Anhaltender Rückgang der Bautätigkeit bei Wohneigentum Negativzinsumfeld Anders als im Mietwohnungsmarkt muss bei Eigentumswohnungen (EWG) und Einfamilienhäu- hemmt Bautätigkeit sern (EFH) auch in den nächsten ein bis zwei Jahren mit einer sinkenden Bautätigkeit gerechnet von Wohneigentum werden. So haben die Baubewilligungen im gleitenden 4-Quartals-Mittel einen neuen Tiefststand erreicht (Abb. 4). Innert Jahresfrist wurden lediglich noch rund 11’800 Eigentumswohnungen so- wie 5750 Einfamilienhäuser bewilligt. Damit liegt die erwartete Ausweitung in den kommenden 6 bis 18 Monaten noch bei 0.8% des Bestands an Wohneigentum. Und auch die jüngsten Werte der Baugesuche zeigen keine Trendwende (Abb. 5). Solange das Negativzinsumfeld anhält und die Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern hoch bleibt, dürften vielerorts weiterhin eher Mietwoh- nungen anstatt Eigentumswohnungen realisiert werden, weil das für die Entwickler einfacher ist. Eigentum: Nachfrage Im Gegensatz zum Mietwohnungsmarkt fällt die derzeitige Eigentumsproduktion damit zu tief aus. ist höher als das So liegt die Anzahl bewilligter Wohneinheiten heute um 46% tiefer als noch 2008, obwohl die Angebot Rahmenbedingungen in Bezug auf die Nachfrage nach Wohneigentum immer noch ausseror- dentlich gut sind. Die Hypothekarzinsen sind nicht weit weg von ihren historischen Tiefstständen, und mit der Verlängerung des Negativzinsumfelds wird sich an den tiefen Hypothekarzinsen nicht so schnell etwas ändern. Entsprechend hoch bleibt der Wunsch nach Wohneigentum. Dies zeigt sich auch im Preiswachstum bei Wohneigentum, das bisher von den Folgen von Covid-19 unbe- rührt geblieben ist (Seite 14). Lediglich die hohen kalkulatorischen Finanzierungsregeln wirken dämpfend – sowohl auf die Nachfrage als auch das Preiswachstum. Abb. 6: Erwartete Ausweitung des regionalen Mietwohnungsbestands Erwartete Ausweitung von Mietwohnungen in Prozent des Bestands Erwartete Ausweitung > 1.2% 1.0% – 1.2% 0.8% – 1.0% 0.6% – 0.8% 0.4% – 0.6% 0.2% – 0.4% < 0.2% Veränderung zum Vorjahr Starker Anstieg Leichter Anstieg Seitwärtsbewegung Leichter Rückgang Starker Rückgang Quelle: Baublatt, Credit Suisse, Geostat Letzter Datenpunkt: 06/2020 8 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Mietwohnungen Covid-19 bremst Nachfrage Dank hoher Zuwanderungszahlen im 1. Quartal und einem Rückgang der Auswanderungen wird die Nettozuwanderung 2020 trotz Corona-Krise voraussichtlich nur leicht sinken. Gleichwohl dürfte die Corona-Krise die Wohnungsnachfrage spürbar beeinträchtigen. Einreisebeschrän- Covid-19 hat auch in der Schweiz zu weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens kungen als Teil der geführt. Am 16. März 2020 erklärte der Bundesrat die ausserordentliche Lage gemäss Epidemie- Corona-Massnahmen gesetz. In der Folge wurden nicht nur Schulen, Geschäfte und Restaurants vorübergehend ge- schlossen, auch die Einreise wurde stark beschränkt. Vom 25. März bis zum 8. Juni 2020 waren die Grenzen teilweise geschlossen. Unsere Nachbarländer verhinderten ihrerseits ebenfalls fast durchwegs die Einreise. Hohe Zuwanderung Die Corona-Krise akzentuierte sich in einer Phase, in welcher der Wanderungssaldo nach zwei zu Jahresbeginn, … Jahren der Stagnation (Abb. 7) wieder zu steigen begonnen hatte. Im 1. Quartal 2020 lag die Nettozuwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung um 30% über dem Vorjahres- quartal. Die wichtigsten Gründe für diesen Anstieg dürften das solide Beschäftigungswachstum der beiden Vorjahre und die Aufhebung der Ventilklausel gegenüber Rumänien und Bulgarien ge- wesen sein. … gefolgt von einem Im 2. Quartal schlugen sich die Einreisebeschränkungen dann jedoch deutlich in den Zuwande- Einbruch während rungszahlen nieder (Abb. 8). Es waren in dieser Periode 6600 (entspricht 22%) weniger Zuzüge des Lockdowns zu beobachten als im Vorjahr. Dass im April und Mai 2020 überhaupt noch eine Zuwanderung er- folgte, lag an den Ausnahmeregeln: Insbesondere waren Arbeitskräfte aus der Europäischen Union (EU), deren Tätigkeiten der Versorgung mit essenziellen Gütern und Dienstleistungen dien- ten (z.B. Pflege, Lebensmittel, IT-Infrastruktur), weiterhin einreiseberechtigt. Auswanderung Die pandemiebedingten starken Einschränkungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs ebenfalls stark betrafen jedoch nicht nur die Zuwanderung in die Schweiz. Vielmehr verliessen auch weniger Per- rückläufig sonen als üblich das Land (Abb. 8). Die Stellensuche im Ausland, aber auch die Wohnungssuche und der Wohnungswechsel wurden durch die Pandemie stark erschwert und haben Auswande- rungsabsichten durchkreuzt. Zudem versprachen Kurzarbeit und die Sozialversicherungen immer noch ein gewisses Mass an Sicherheit und Stabilität, wenn etwa der Stellenverlust in der Schweiz drohte. Insgesamt kehrten im 2. Quartal 2020 20% weniger ausländische Staatsangehörige der Schweiz den Rücken als in der Vorjahresperiode. Abb. 7: Sinkender Trend bei der Zuwanderung Abb. 8: Covid-19 bremst sowohl Ein- als auch Auswanderung Nettozuwanderung: ständige Wohnbevölkerung, inklusive CH-Bürger, ohne Register- Wanderungsbewegungen der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung; Verände- korrekturen (linke Skala) und Beschäftigungswachstum (Vollzeitäquivalente) rung 2020 gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres Nettozuwanderung (linke Skala) Einwanderung Auswanderung Saldo ohne 100'000 Nettozuwanderung Prognose (linke Skala) 5% (Zuzug) (Wegzug) Registerkorrekturen Beschäftigungswachstum (Vollzeitäquivalente) 2'000 80'000 4% 1'000 60'000 3% 0 40'000 2% -1'000 20'000 1% -2'000 0 0% -3'000 -20'000 -1% -4'000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Quelle: Staatssekretariat für Migration (SEM), Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Staatssekretariat für Migration (SEM), Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2019 Letzter Datenpunkt: 08/2020 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 9
Halbierung der Insgesamt ging der Wanderungssaldo (ohne Registerkorrekturen) im 2. Quartal 2020 gegenüber Nettozuwanderung im demselben Quartal des Vorjahres um 25% zurück. Werden die Übertritte zwischen nichtständiger 2. Quartal und ständiger Wohnbevölkerung (sogenannte Statuswechsel) ausgeschlossen und nur die effekti- ven Wanderungsbewegungen mit dem Ausland betrachtet, betrug der Rückgang gar 50%. Dies, obwohl bereits im Juni eine Gegenbewegung einsetzte und der Wanderungssaldo wieder zulegte (Abb. 8). Obschon am 6. Juli die Einreisebeschränkungen weiter gelockert wurden und seither auch die Zulassung von Arbeitskräften aus Drittstaaten wieder möglich ist, blieb die Zahl der Zu- züge auch in den ersten beiden Monaten des 3. Quartals unter dem Vorjahresniveau. Gleichzeitig scheinen zahlreiche Ausreisewillige aufgrund von pandemiebedingter Unsicherheit oder Verwer- fungen auf dem Arbeitsmarkt im Zielland ihre Pläne vorerst zurückzustellen. Rezession Im Zuge der schrittweisen Aufhebung der Einreisebeschränkungen wird die Konjunktur wieder dürfte Zuwanderung zum entscheidenden Treiber der Zuwanderung. Trotz klarer Erholungszeichen ist damit zu rech- weiter drosseln nen, dass die Pandemie das Wachstum weltweit und in Europa auf mittlere Frist dämpfen wird. Für die Schweiz rechnen wir 2020 insgesamt mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts von 4.0% (Abb. 9). Dank des bisher vergleichsweise glimpflichen Pandemieverlaufs sowie der staatli- chen Unterstützungsmassnahmen in Form von Kurzarbeit und Krediten an betroffene Unterneh- men sollte die Rezession weniger heftig ausfallen als in der Eurozone, wo die Wirtschaft im laufen- den Jahr um 8.0% schrumpfen dürfte. Die schweizerische Nachfrage nach ausländischen Ar- beitskräften dürfte jedoch vorerst gering ausfallen, rechnen wir doch für 2020 mit einem Beschäf- tigungsrückgang um 0.5% (Abb. 9). Auch 2021 wird sich die Beschäftigung voraussichtlich nur geringfügig erholen (+0.3%), und die Arbeitslosigkeit sollte weiter auf 3.9% und damit auf den höchsten Stand der vergangenen 15 Jahre steigen. Die langsame Erholung des Arbeitsmarktes dürfte folglich einen raschen Wiederanstieg der Zuwanderung verhindern. Prognose 2020: Insgesamt rechnen wir für das Jahr 2020 mit einem Wanderungssaldo der ständigen Wohnbevöl- Wanderungssaldo kerung von rund 50’000 (Vorjahr: 53’000, Abb. 7). Dass der Rückgang trotz Corona-Krise nicht von +50’000 stärker ausfallen dürfte, hat drei Gründe: Erstens war die Zuwanderung, wie vorstehend beschrie- ben, im 1. Quartal noch äusserst dynamisch. Zweitens hat die Pandemie nicht nur zu einem Rück- gang der Zuwanderung geführt, sondern auch die Wegzüge markant reduziert. Auch die Auswan- derungen von Schweizer Bürgern dürften deutlich zurückgegangen sein. Drittens schlägt sich ein Teil des effektiven Rückgangs der Zuwanderung erst verzögert in den Zuwanderungszahlen der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nieder. Einbruch bei den Nicht Teil der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung gemäss Definition des Staatssekretari- Kurzaufenthaltern … ats für Migration – und somit in der Prognose eines Wanderungssaldos von 50’000 für das Jahr 2020 nicht berücksichtigt – sind die nichtständige Wohnbevölkerung sowie Personen im Asylpro- zess. In der nichtständigen Wohnbevölkerung werden diejenigen Personen zusammengefasst, die weniger als ein Jahr in der Schweiz wohnhaft und im Besitz einer Kurzaufenthaltsbewilligung sind. Bei diesen Kurzaufenthaltern ist der durch Covid-19 bedingte Rückgang noch stärker ausgefallen als bei der ständigen Wohnbevölkerung. Insgesamt betrug ihr Wanderungssaldo in den vergange- nen zwölf Monaten –10’700 (Abb. 10). Abb. 9: Konjunktureinbruch dürfte in der Schweiz geringer ausfallen Abb. 10: Effektiver Zuwanderungsrückgang stärker als dies die als in Gesamteuropa ständige Wohnbevölkerung impliziert Konjunktur und Arbeitsmarkt in der Schweiz und der Eurozone; Gesamtbild der Zuwanderung im Ausländer- und Asylbereich, 12-Monats-Summen 2020/2021: Prognosen jeweils per Monat Juni BIP-Wachstum Eurozone BIP-Wachstum Schweiz Ständige ausländische Wohnbevölkerung Erwerbslosenquote Eurozone Arbeitslosenquote Schweiz Nicht ständige ausländische Wohnbevölkerung 12% Bestandesänderung Asylprozess 90'000 Total 9% 80'000 70'000 6% 60'000 3% 50'000 40'000 0% 30'000 20'000 -3% 10'000 -6% 0 -10'000 -9% -20'000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: SECO, OECD, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2019 Quelle: SEM, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 08/2020 10 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Ein Teil dieser Zuwanderer (der Erfahrungswert liegt bei rund einem Viertel) bleibt jedoch länger- fristig in der Schweiz und erhält nach einiger Zeit eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung. Diese Zuzüger vollziehen somit einen Statuswechsel von der nichtständigen in die ständige Wohn- bevölkerung. Der jüngste Rückgang der zugewanderten Kurzaufenthalter wird sich folglich mit ei- nigen Quartalen Verzögerung in den Zahlen zur ständigen Wohnbevölkerung niederschlagen. … und bei Ausserdem werden in der Ausländerstatistik ausschliesslich anerkannte Flüchtlinge erfasst, nicht den Asylgesuchen aber Personen im Asylprozess und vorläufig Aufgenommene. Die Asylgesuche, die seit der euro- päischen Flüchtlingskrise von 2015/2016 bereits rückläufig waren, haben mit der Covid-19-Pan- demie einen neuen Tiefstand erreicht. Das Minus gegenüber der Vorjahresperiode betrug 60% im 2. Quartal 2020. Entsprechend sinkt die Zahl derjenigen Personen, die sich im Asylprozess befin- den (Abb. 10). Dieser Rückgang dürfte sich mit einigen Quartalen Verzögerung ebenfalls negativ auf die Zuwanderungszahlen gemäss Ausländerstatistik niederschlagen. Prognose 2021: Die unmittelbaren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie werden sich somit teilweise erst mit ei- Wanderungssaldo von niger Verzögerung in den «offiziellen» Zuwanderungszahlen bemerkbar machen. Hinzu kommt, +45’000 dass sich der Arbeitsmarkt selbst bei einem günstigen weiteren Pandemieverlauf nur sehr zöger- lich von der Krise erholen dürfte. Entsprechend erwarten wir für 2021 einen weiteren Rückgang der Nettozuwanderung auf ein Niveau von rund 45’000 Personen. Damit würde der Wanderungs- saldo erstmals seit Einführung der vollen Personenfreizügigkeit im Jahr 2007 auf unter 50’000 sinken. Rückgang der Miet- Trotz eher geringem erwarteten Rückgang der Zuwanderung im laufenden Jahr dürfte der Miet- wohnungsnachfrage wohnungsmarkt mit einem markanten Nachfragerückgang konfrontiert sein. Wir erwarten, dass um 5000 erwartet der Markt im Verlauf des Jahres 2020 rund 20’000 Wohnungen absorbieren wird – 5000 weniger als im Vorjahr (Abb. 11). 2021 dürfte sich die Nachfrage dann wieder leicht erholen (+500), sie dürfte damit jedoch noch deutlich hinter dem Niveau von 2019 zurückbleiben. Sowohl Nachfrage Die Höhe des erwarteten Nachfragerückgangs erklärt sich zum einen aus dem Rückgang der Zu- aus dem Ausland … wanderung. Hierbei dürfte zu einem gewissen Grad auch der starke Rückgang der Kurzaufenthal- ter und Personen im Asylprozess einen Effekt haben. Diese Personen logieren teils in Betriebs- beziehungsweise Asylunterkünften, teils jedoch auch in normalen Mietwohnungen (angemietet durch die Bewohner selbst oder durch Unternehmen beziehungsweise Gemeinden). Somit dürfte der zuwanderungsbedingte Nachfragerückgang bereits 2020 etwas stärker ausfallen, als der Rückgang des Wanderungssaldos von 53’000 auf 50’000 suggeriert. … als auch aus dem Zum anderen erklärt eine schwächere Binnennachfrage einen gewichtigen Teil des erwarteten Inland schwächt sich Nachfragerückgangs. Zwar zeigte die Konsumentenstimmung in der Juli-Befragung gegenüber ab April eine klare Erholungstendenz, die Arbeitsplatzsicherheit wird hingegen als noch tiefer wahrge- nommen (Abb. 12). Die erhöhte Unsicherheit dürfte beispielsweise junge Erwachsene dazu bewe- gen, den Auszug aus dem Elternhaus zu verschieben und so die Zahl der Haushaltsneugründun- gen vorübergehend zu senken. Abb. 11: Herber Dämpfer für die Mietwohnungsnachfrage Abb. 12: Einbruch der gefühlten Arbeitsplatzsicherheit Jährliche Veränderung der Absorption von Mietwohnungen und Beschäftigungs- Index der Konsumentenstimmung und Subkomponente Arbeitsplatzsicherheit wachstum (Vollzeitäquivalente), 2019: Schätzung, 2020/2021: Prognose 12'000 Wachstum Beschäftigung (r. Skala) 4% Index der Konsumentenstimmung Sicherheit der Arbeitsplätze Veränderung Absorption, beobachtet Durchschnitt seit 1972 Durchschnitt seit 1972 Veränderung Absorption, modelliert 20 9'000 3% Prognose 0 6'000 2% -20 3'000 1% -40 0 0% -60 -80 -3'000 -1% -100 -6'000 -2% -120 -9'000 -3% -140 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 2019 Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 07/2020 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 11
Mieter bleiben am Der Schweizer Mietwohnungsmarkt bleibt damit ausserhalb der grossen Zentren auch in den längeren Hebel nächsten Jahren ein Mietermarkt mit steigenden Leerständen (S. 5) und sinkenden Angebotsmie- ten. Die schwächelnde Nachfrage trifft auf eine weiterhin hohe Bautätigkeit, die im kommenden Jahr gar wieder etwas zulegen dürfte (S. 7). Eine gewisse Entspannung ist zwischenzeitlich auch in den Grossagglomerationen zu erwarten, da dort der Rückgang der Zuwanderung aus dem Aus- land am stärksten ausfallen dürfte. Erst eine Erholung Die Entwicklung der Mietwohnungsnachfrage über das Jahr 2021 hinaus hängt vom weiteren des Arbeitsmarktes Verlauf der Pandemie und der wirtschaftlichen Erholung ab. Im Falle einer sehr zögerlichen Ent- wird Trendwende wicklung mit fortgesetztem Anstieg der Arbeitslosigkeit kann auch ein stärkeres Absinken der Zu- bringen wanderung nicht ausgeschlossen werden. Solange sich die Arbeitsmärkte in Europa nicht erholen, dürften jedoch auch die Rückwanderungen von ausländischen Arbeitskräften in ihre Herkunftslän- der auf tiefem Niveau verharren und folglich den Rückgang des Wanderungssaldos begrenzen. Zuwanderer ersetzen Auch der demografisch bedingte Rückgang der Erwerbstätigkeit beeinflusst die Nettozuwande- Babyboomer rung. Die anrollende Pensionierungswelle in der geburtenstarken Babyboomer-Generation wird eine grosse Lücke im Arbeitsmarkt hinterlassen. Ende der 2020er-Jahre dürften netto bis über 10’000 Personen jährlich aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Diese dürften zumindest teilweise über Rekrutierungen im Ausland ersetzt werden und somit die Zuwanderung stützen. Bei einer wirtschaftlichen Entwicklung im Bereich des Potenzialwachstums erachten wir insgesamt für die nächsten Jahre einen mittleren Wanderungssaldo von etwas über 50’000 Personen als am wahr- scheinlichsten. Damit dürfte die Mietwohnungsnachfrage auch künftig stark von der Zuwanderung profitieren. Homeoffice Noch weitgehend offen ist, ob und wie die Corona-Krise den Mietwohnungsmarkt auch längerfris- langfristig als tig verändern könnte. Da wir davon ausgehen, dass sich der Trend zum Homeoffice zumindest Nachfragedämpfer? teilweise fortsetzt (S. 15), könnte sich dies negativ auf die Mietwohnungsnachfrage auswirken. Wer nur noch zwei oder drei Mal pro Woche im Büro arbeitet, dürfte weniger bereit sein, die Kos- ten einer Pied-à-terre zu tragen und könnte eine solche aufgeben. Paare, die aufgrund unter- schiedlicher Arbeitsorte in getrennten Wohnungen leben, könnten sich zum Zusammenzug ent- schliessen. Und wer schon länger von den eigenen vier Wänden geträumt hat, diese aber in Pen- deldistanz zum Arbeitsort aus finanziellen Gründen nicht realisieren konnte, könnte sich für den Ei- genheimkauf in einer ländlichen Region entscheiden. Wie stark solche Effekte zum Tragen kom- men könnten, lässt sich heute jedoch noch kaum abschätzen. 12 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Wohnungsmarkt Was wäre, wenn … … Covid-19 unser Leben und Arbeiten noch länger in Atem hielte? Nehmen wir an, die Coronavirus-Einschränkungen würden uns noch weitere vier bis fünf Jahre begleiten. Mit einem solchen Gedankenexperiment loten wir aus, welche strukturellen Folgen das für die Wohnungsmärkte der Schweiz haben könnte. Coronavirus- In unserem Extremszenario würden mit grosser Regelmässigkeit immer wieder Pandemiewellen Extremszenario die Schweiz und andere Länder heimsuchen. Nur vorübergehend käme es jeweils zu einem Aufat- men, wenn die Fallzahlen wieder tiefer ausfielen. Aufgrund der unübersichtlichen Situation welt- weit würden Reisen auf das Notwendige reduziert. Homeoffice hätte sich notgedrungen als ein fixer Bestandteil im Arbeitsleben etabliert, und nur jeweils maximal ein Drittel der Belegschaft würde sich auf rotierender Basis im zentral gelegenen Büro einfinden. Idyllische Mikrolagen In einem solchen Szenario bekämen gute Mikrolagen bei der Wohnortwahl markant höheres Ge- gewännen an wicht. Die zeitlich viel intensivere Nutzung der Wohnung würde die Anforderungen in Bezug auf Gewicht Besonnung, Ruhe, Nähe zu Naherholungsräumen, Aussicht und vorhandene Infrastruktur erhö- hen. Die Nähe zu ÖV-Haltestellen – der wichtigste Faktor in den letzten beiden Dekaden – wäre dagegen nur noch ein Faktor unter vielen. In der Folge würde sich das Preisgefälle innerhalb der Gemeinden zu den neuen Brennpunkten der Nachfrage verschieben. Aussenräume und die Nachdem während Jahren kleineren, dafür umso zentraleren Wohnungen der Vorzug gegeben Grundrissqualität als worden ist, wäre dieser Trend nicht mehr so klar. Dank Kosteneinsparungen beim Pendeln, bei zentrale Faktoren der Verpflegung ausser Haus und der Bekleidung stünden mehr Mittel für grössere Wohnungen zur Verfügung, zumal die Preise in der Peripherie sowieso tiefer liegen. Während Aussenräume wie Balkon, Terrasse oder Garten bereits zuvor eine hohe Bedeutung hatten, würden sie in einer Corona-Welt zum zentralen Faktor. Wohnungen ohne tauglichen Aussenraum müssten deutliche Preisabschläge hinnehmen. Grundrissqualitäten würden ebenfalls stärker ins Gewicht fallen, ins- besondere die Möglichkeit zur Abgrenzung von Arbeitsräumen. Gefragt wären zudem gemein- schaftlich genutzte (Aussen-)Räume, um dem Defizit an Sozialkontakten etwas entgegenzusetzen. Periphere und Mit der Abkehr von der generellen Präsenzpflicht im Büro würde sich die Pendeltätigkeit im steuergünstige Durchschnitt auf ein bis zwei Tage pro Woche reduzieren. Für die Optimierung des Wohnstandor- Standorte würden tes würden dadurch plötzlich andere Kriterien als die Nähe zum Arbeitsplatz oder zu einem Bahn- profitieren hof ausschlaggebend. Die Wohnungsnachfrage würde aufgrund tieferer Wohnkosten und steuerli- cher Vorteile vor allem in ländlichen wie auch in steuergünstigen Gemeinden und Kantonen stark anziehen. Hatte zuvor noch der längere Arbeitsweg einem Wegzug aus dem zumeist steuerlich nachteiligen Arbeitsplatzzentrum im Wege gestanden, fiele diese Einschränkung nun viel weniger ins Gewicht. Haushalte mit mittleren und tieferen Haushaltseinkommen oder mit Präferenzen für ein urbanes Leben würden dagegen verstärkt auch Standorte in E-Bike-, Velo- oder Trottinett- Distanz zum Arbeitsplatz ins Auge fassen, um die ÖV-Nutzung zu vermeiden. Ansturm auf Wohn- Wohneigentum an peripheren Standorten würde ebenfalls deutlich stärker nachgefragt, da die eigentum in der schlechte Erreichbarkeit eine geringere Rolle spielen würde. Es käme trotz der bestehenden finan- Peripherie ziellen Hürden zu einer Verlagerung ins Wohneigentum, da in der Peripherie die Wohneigentums- preise für Durchschnittshaushalte noch eher erschwinglich sind und die fortgesetzt tiefen Hypo- thekarzinsen beträchtliche Kosteneinsparungen ermöglichen. Für Haushalte, die dennoch urbane Umgebungen bevorzugen, wären Mittelzentren ein guter Kompromiss, um den hohen Preisniveaus in den Grossstädten auszuweichen. Weil dem Auto aufgrund der Infektionsgefahr vermehrt der Vorzug vor dem ÖV gegeben würde, wären insbesondere Wohnorte entlang weniger staugeplag- ter Routen begehrt. Zweitwohnungen und sogenannte Pied-à-terre in der Arbeitsplatzgemeinde würden aufgrund der Flexibilisierung der Heimarbeit stark an Stellenwert verlieren, während mög- licherweise Feriendomizile an Bedeutung gewännen. Preistrends würden Als Folge eines geringeren Siedlungsdrucks auf die Grossstädte würde sich das Stadt-Land- neue Präferenzen Preisgefälle verkleinern. Die Mieten in den Mittelzentren würden anziehen und insbesondere widerspiegeln Wohneigentum in der Peripherie starke Preisanstiege erfahren. Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 13
Wohneigentum Hypothekarzinsen bleiben auf sehr tiefen Niveaus Abb. 13: Hypothekarzinsen verschiedener Laufzeiten Hypothekarzinsen bei Neuabschluss, in % Bis Ende 2021 ist nicht von einer Erhöhung des Leitzinses 6% Libor-Hypothek (3-Mt-Libor) Fix-Hypothek 5 Jahre durch die Schweizerische Nationalbank auszugehen. Die Fix-Hypothek 10 Jahre Zinssätze für Libor- und Saron-Hypotheken dürften somit 5% Fix-Hypothek 15 Jahre auch in den nächsten 12 Monaten auf ihren Tiefstständen 4% verharren. Dagegen haben sich die Zinssätze für Fix-Hypo- theken als unmittelbare Folge der Corona-Krise kurzzeitig 3% erhöht, sind im Sommer aber, als die Flucht in Liquidität nachliess, wieder gesunken. Dabei verlief die Entwicklung 2% aufgrund der grossen wirtschaftlichen Verunsicherung volatil. 1% In den kommenden 12 Monaten rechnen wir, sofern die wirtschaftliche Erholung fortschreitet, im Trend mit einem 0% leichten Anstieg der Zinssätze von Fix-Hypotheken. 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 03.09.2020 Hypothekarnachfrage von Covid-19 kaum berührt Abb. 14: Wachstum Hypothekarvolumen von Privathaushalten Nominales Wachstum 7% Covid-19 hat die Nachfrage nach Wohneigentum nur kurz- Privathaushalte, nominal Durchschnitt Privathaushalte 1986 – 2019, nominal zeitig unmittelbar nach dem Lockdown gelähmt. Bereits ab 6% Mitte Mai hat sich der Markt sukzessive erholt. So ist das Wachstum des Hypothekarvolumens bei den Privathaushal- 5% ten zwischen Ende 2019 und Mai 2020 nur leicht von 4% 2.75% auf 2.6% gesunken. Im Juni konnte der Rückgang gestoppt werden, und die Wachstumsdynamik hat sich wie- 3% der leicht auf 2.66% erhöht. In den kommenden Monaten 2% dürfte die Nachfrage nach Wohneigentum langsam wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Aufgrund der weiterhin gel- 1% tenden hohen Eigenmittel- und kalkulatorischen Tragbar- keitsanforderungen dürfte das Potenzial für einen weiteren 0% 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Wachstumsschub aber sehr beschränkt bleiben. Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 06/2020 Preise von Wohneigentum bleiben im Plus Abb. 15: Preiswachstum Wohneigentum mittleres Segment Jahreswachstumsraten; gestrichelte Linien: Durchschnitt 2000 – 2019 Die jüngste Preisentwicklung bleibt von der Covid-19-Krise 10% Jahreswachstum Einfamilienhäuser unberührt. Hier scheint die weiter sinkende Bautätigkeit in Jahreswachstum Eigentumswohnungen 8% Kombination mit den sehr tiefen Hypothekarzinsen der Trei- ber für die jüngsten – im Ausmass etwas unerwarteten – 6% Preisanstiege zu sein. So konnten die Preise für Einfamilien- 4% häuser und Eigentumswohnungen im 2. Quartal im Ver- 2% gleich zum Vorjahr um 3.3% respektive 1.9% zulegen. Für das weitere Jahr erwarten wir aufgrund der anhaltend 0% schwierigen Wirtschaftslage eine Abschwächung der bisheri- -2% gen Preisdynamik. Aufgrund der anhaltenden Angebots- -4% knappheit rechnen wir aber auch über das gesamte Jahr mit -6% steigenden Eigentumspreisen. 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Wüest Partner Letzter Datenpunkt: Q2/2020 14 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Büroflächen Revolution oder Evolution? Während das Homeoffice anfänglich mit einer gesteigerten Mitarbeiterproduktivität überzeugt, dürfte das Büro ein besseres Umfeld für Innovationen bieten. Büros füllen sich nur Nach der Covid-19 bedingten Pflicht zum Homeoffice kehren Mitarbeiter nur langsam in die Büros langsam zurück. Bei der Credit Suisse arbeiten im Vergleich zum Jahresbeginn aktuell rund 40% der Mitar- beiter im Büro. Ähnliches trifft gemäss Auswertung der Transaktionen in Personalrestaurants von zwei schweizweit tätigen Kantinenanbietern auch auf andere grosse Unternehmen zu (Abb. 16). Unternehmen uneins Noch befinden wir uns allerdings in einer Ausnahmesituation. Interessant sind die langfristigen bei Homeoffice Auswirkungen dieses abrupten Wandels. Viele Unternehmen wollen Homeoffice im grossen Um- fang beibehalten, um teure Büroflächen zu sparen und die Lebensqualität ihrer Mitarbeiter zu ver- bessern. Als prominente Beispiele dienen Twitter, Facebook, Siemens und Novartis. Andere Un- ternehmen wie Microsoft, Stadler und Ems haben sich dagegen mehr oder weniger gegen den dauerhaften Einsatz von Homeoffice ausgesprochen, da sie Wert auf die persönliche Zusammen- arbeit vor Ort legen. Viele weitere Unternehmen sind noch unentschlossen. Anfänglich mehr Eine grosse Bedeutung bei dieser Entscheidung hat die Produktivität der Mitarbeiter. Aktuelle Produktivität alleine Umfragen zeigen, dass die Produktivität während der derzeitigen Heimarbeitsphase anstieg. In ei- zu Hause, … ner Deloitte-Umfrage unter 1500 Schweizern im April 2020 meldeten 41% einen Anstieg, 31% keine Veränderung und nur 25% eine Verringerung der Produktivität im Homeoffice. Dies kann nicht nur mit den begrenzten Freizeitmöglichkeiten im Lockdown erklärt werden, denn bereits 2015 hat eine Studie von Stanford-Professor Nicholas Bloom gezeigt, dass die Produktivität bei Heimarbeit aufgrund von Mehrarbeit und weniger Ablenkung um 13% gestiegen ist.1 … dafür mehr In vielen Schweizer Unternehmen spielen jedoch Produktivitätssteigerungen mittels Innovationen Innovationen durch eine übergeordnete Rolle. Hier treten die Nachteile von Homeoffice in Erscheinung. Auswertun- Austausch vor Ort gen, z.B. von T. D. Allen (2015)¹, zeigen, dass Homeoffice zu Isolation und einem reduzierten Wissensaustausch führen kann. Ideen entstehen dagegen häufig durch die spontane Interaktion zwischen Spezialisten aus verschiedenen Fachbereichen. Nicht ohne Grund findet die höchste Wertschöpfung in regionalen Clustern (z.B. Silicon Valley, Crypto Valley in Zug oder Pharma-Clus- ter in Basel) statt. Zur Förderung der Kreativität und Innovation haben sich deshalb Firmen wie IBM und Yahoo, welche einmal Homeoffice einführten, von diesem Modell wieder verabschiedet. Mischformen aus Aufgrund der Argumente für und gegen das Homeoffice werden sich unseres Erachtens vermehrt Büro und Homeoffice Mischformen aus Büro und Homeoffice durchsetzen. Die daraus resultierende langfristig gerin- gere Büroflächennachfrage (ceteris paribus) veranschlagen wir im Hauptszenario auf 15% (Abb. 17). Andere Entwicklungen wie Wirtschaftswachstum und Tertiarisierung werden dem jedoch ent- gegenwirken, sodass wir langfristig mit stagnierender Flächennachfrage rechnen. Abb. 16: Mitarbeiter kehren nur langsam an Arbeitsplatz zurück Abb. 17: Homeoffice dürfte Büroflächennachfrage verringern Gebäudezutritte bei der Credit Suisse und Transaktionen bei zwei grossen schweiz- Szenarien zur langfristigen Veränderung der Nachfrage nach Büroflächen (ceteris pa- weit tätigen Kantinenanbietern, Indizes (höchster Wert = 100) ribus) aufgrund von Homeoffice (10-Jahres-Horizont) 100 0% Zutritte Credit Suisse 90 80 Transaktionen Schweizer Kantinenanbieter 70 -5% 60 50 -10% 40 30 -15% 20 10 0 -20% 06.01 - 12.01 20.01 - 26.01 03.02 - 09.02 17.02 - 23.02 02.03 - 08.03 16.03 - 22.03 30.03 - 05.04 13.04 - 19.04 27.04 - 03.05 11.05 - 17.05 25.05 - 31.05 08.06 - 14.06 22.06 - 28.06 06.07 - 12.07 20.07 - 26.07 03.08 - 09.08 17.08 - 23.08 -25% -30% Return-Szenario Hauptszenario Game-Changer-Szenario Quelle: Zwei CH-Kantinenanbieter, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 30.08.2020 Quelle: Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 09/2020 1 Siehe: Bloom (2015): «Does Working From Home Work?» und Allen (2015): «How Effective Is Telecommuting?» Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020 15
Kommerzielle Immobilien Covid-19 hinterlässt Spuren am Arbeitsmarkt Abb. 18: Gesamtbeschäftigung nach Wirtschaftszweigen Jährliche Veränderung der Anzahl Beschäftigten auf Vollzeitbasis, in % Industrie Bau Das Beschäftigungswachstum ist im 2. Quartal 2020 mit Handel Verkehr/Transport Gastgewerbe Information/Kommunikation -0.2% im Vergleich zum Vorjahr in den negativen Bereich Finanzdienstleistungen Unternehmensdienstleistungen Gesundheit/öffentliche Dienste Rest gesunken. Erwartungsgemäss leidet das Gastgewerbe Total (-0.5%) von allem Branchen am stärksten unter dem einge- 3% schränkten Tourismus. Der Einbruch konnte allerdings vom 2% Instrument der Kurzarbeit abgefedert werden. Dagegen sind die typischen Bürobranchen, beispielsweise Finanzdienstleis- 1% tungen (+0.01%), weniger vom Beschäftigungsrückgang 0% betroffen. Entlassungen gab es aber bei den temporären Ar- beitskräften und den für die Büroflächennachfrage wichtigen -1% Unternehmensdienstleistungen. Der grösste Zuwachs an -2% Beschäftigten wurde im Bereich Gesundheit/öffentliche 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Dienste erzielt. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: Q2/2020 Baubewilligungen bei Büros dürften mittelfristig wieder abebben Abb. 19: Geplante Ausweitung von Büroflächen Baubewilligungen und -gesuche, gleitende 12-Monats-Summe, in CHF Mio. Nach dem vergleichsweise tiefen Baubewilligungsvolumen Neubaubewilligungen Neubaugesuche Mittel Baubewilligungen Neubau im Jahr 2019 ist seit Anfang des Jahres wieder ein deutli- 4’000 cher Anstieg bei den Bürogesuchen und -bewilligungen zu 3’500 verzeichnen. Das Volumen der Baugesuche lag in den letz- 3’000 ten zwölf Monaten 23% über der Vorjahresperiode. Dies ist 2’500 das Resultat der steigenden Nachfrage nach Büroflächen in den letzten Jahren (vor Covid-19). In Anbetracht der sich 2’000 derzeit vollziehenden strukturellen Änderungen in Bezug auf 1’500 die stärkere Nutzung von Homeoffice und der dadurch dro- 1’000 henden geringeren Nachfrage nach zusätzlichen Büroflä- 500 chen dürfte die Planungstätigkeit schon bald wieder nach- lassen. 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Baublatt, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 07/2020 Starke Detailhandelsumsätze mit grossen Diskrepanzen Abb. 20: Entwicklung der Detailhandelsumsätze Nominales Wachstum der Detailhandelsumsätze im Vorjahresvergleich* 15% Die Detailhandelsumsätze haben in den ersten sieben Mo- 2016 2017 2018 2019 2020 10% naten dieses Jahres mit einem Plus von 5.5% im Vergleich 5% zur Vorjahresperiode positiv überrascht. Ein Grossteil des 0% Wachstums ist allerdings auf den wachsenden Onlinehandel -5% und nicht auf den stationären Detailhandel zurückzuführen, -10% weshalb die Verkaufsflächen weiter unter Druck bleiben -15% Non-Food dürften. Insbesondere die Bereiche Food sowie Heimelekt- -20% ronik und Garten/Autozubehör konnten ein starkes Umsatz- -25% wachstum verzeichnen. Aufgrund der Pandemie wurde auch Bekleidung/ Non-Food Haushalt und DIY/Garten/ Total Food/Near-Food Personal Care und Heimelektronik Freizeit Autozubehör Schuhe Wohnen Gesundheit mehr Geld für Hygiene- und Gesundheitsprodukte ausgege- ben. Dagegen hat die Nachfrage vor allem nach Beklei- dung/Schuhen sowie nach Produkten für den Haushalt und nach Einrichtungsgegenständen (z.B. Möbeln) abgenom- men. * Saison- und verkaufstagsbereinigt, 2016 – 2019: Jan. – Dez.; 2020: Jan. – Juli Quelle: GfK, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 31.07.2020 16 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2020
Sie können auch lesen