WER PROFITIERT VON NETFLIX? - Kulturbotschaft 2021-2024 - Amazon S3

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cinebulletin.ch

CB
Zeitschrift der Schweizer Filmbranche
           Nr. 511 | Juli 2019
                                                                  Kulturbotschaft
                                                                     2021-2024

                            WER PROFITIERT VON NETFLIX?

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DIE AUSSERGEWÖHNLICHSTE
       PITCHING-SESSION
   Zum dritten Mal haben RTS und NIFFF zur
 Einreichung von Projekten für eine Schweizer
Webserie aufgerufen – im Spektrum von Horror
   bis Fantasy. In einer spannungsgeladenen
   Session versuchen die Finalisten, die Jury
      von ihren Projekten zu überzeugen.

                                              MITTWOCH, 10. JULI
                                    IM RAHMEN VON NIFFF EXTENDED
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Editorial

                                                                                                                                                        3

«Paris est à nous» von Elisabeth Vogler mit Noémie Schmidt. Der eigenproduzierte Film wurde telquel von Netflix gekauft.

                                                                                                                                            Editorial
                                        Wem nützt Netflix?
Streaming ist das Thema der Stunde. Das Verhältnis der Film-                   Nach Europa will nun auch der Bund eine Abgabe respek-
branche zu dieser technologischen Entwicklung ist von einer                tive eine Reinvestitionspflicht für Online-Anbieter einführen.
Art Hassliebe und von Ängsten geprägt. Bedeuten die Platt-                 Somit würden diese gleich behandelt wie Fernsehsender, für
formen den Untergang der Kinos, oder bieten sie dem jun-                   die schon lange eine solche Regelung gilt. Es war an der Zeit,
gen Publikum einen erschwinglichen Zugang zur Filmkultur?                  dass der Gesetzgeber seinen Marktliberalismus beiseitelegt
Eröffnen sie den Autoren neue Möglichkeiten, oder zerstören                und sich einer Problematik annimmt, die von so grosser kul-
sie das komplexe System der Urheberrechte, indem sie das                   tureller Bedeutung ist, dass sie nicht mit dem Argument der
amerikanische Copyright durchsetzen? Stehen sie auf der                    unternehmerischen Freiheit abgetan werden kann.
Seite der Cinéphilen oder der Massenkultur? Sind solche Ent-                   Bisher ist noch wenig geschehen. Der Gesetzesentwurf
weder-oder-Fragen überhaupt sinnvoll? Wem nützt Netflix?                   über elek­tronische Medien, von dem wir erwarteten, dass er
    Im Unterschied zur virtuellen Realität, die sich parallel              entsprechende Massnahmen enthalten würde, erwähnt VoD
zum Kino entwickelt und dessen Geschäftsmodell nicht in                    (trotz seines Namens) mit keinem Wort. Die Filmbranche hat
Frage stellt, können wir das Streaming nicht einfach igno-                 dies bei der Vernehmlassung deutlich beanstandet. Nun ist
rieren. Höchste Zeit also, dem Thema ein Spezial-Dossier zu                eine politische Antwort erfolgt, jedoch nicht von Seiten des
widmen. Entstanden ist dieses dank einer Zusammenarbeit                    BAKOM, sondern vom BAK, im Entwurf zur neuen Kulturbot-
mit CultureEnJeu und dem Journal der SSA, wo die Texte                     schaft. Dies ist ein ermutigendes Zeichen, doch der Geldhahn
ebenfalls (ganz oder gekürzt) veröffentlicht werden. Gemein-               wird dadurch nicht sofort aufgedreht. Als Deutschland 2014
sam wagen wir einen Überblick über die politischen und wirt-               ein solches Gesetz einführte, prozessierte Netflix vier Jahre
schaftlichen Fragen. Erschwert wurde die Arbeit durch die                  lang, um es zu umgehen.
restriktive Kommunikationspolitik von Netflix: Die Plattform                   Der Streaming-Gigant hat den Prozess verloren. Vielleicht
äussert sich nicht, lehnt Interviewanfragen ab und verpflich-              wird er damit zu guter Letzt nicht nur sich selbst, sondern
tet alle, die mit ihr zusammenarbeiten, vertraglich zu stren-              auch anderen nützen.
ger Geheimhaltung. Wir interessierten uns deshalb auch für
ihre (globalen) Konkurrenten, zudem für jene Schweizer und
Europäer, die mit Netflix und in deren Umfeld arbeiten, sowie
für die rechtlichen Fragen, die sich daraus ergeben.                       Pascaline Sordet

                                                                  Editorial
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Hinter jedem audiovisuellen Werk
stehen Menschen.
Wir schützen ihre Urheberrechte.
Wir unterstützen die Verbreitung Ihrer Werke
und kümmern uns um faire Entschädigung.

                Schweizerische Genossenschaft für        Verwaltung der Urheberrechte für
                Urheberrechte an audiovisuellen Werken   Bühnen- und audiovisuelle Werke
                Bern | 031 313 36 36                     Lausanne | 021 313 44 55
                Lausanne | 021 323 59 44                 info@ssa.ch | www.ssa.ch
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Inhalt

Impressum                                 Inhalt                                                                                                                  5

Cinébulletin N° 511 / Juli 2019
Zeitschrift der Schweizer Film- und
Audiovisionsbranche

www.cinebulletin.ch
#cinebulletin

Herausgeber
Verein Cinébulletin

Verlagsleitung
Lucie Bader
Tel. 079 667 96 37
lucie.bader@cinebulletin.ch

Redaktion (Deutsche Schweiz)
Kathrin Halter, Co-Redaktorin
Heinrichstrasse 177, 8005 Zürich
Tel. 043 366 89 93
kathrin.halter@cinebulletin.ch

Rédaction (Suisse romande)
Pascaline Sordet, Corédactrice            «Cronofobia» von Francesco Rizzi. Im Kino in der Deutschschweiz ab 4. Juli.

                                                                                                                                                         Inhalt
Rue du Général-Dufour 16, 1204 Genève
Tél. 079 665 95 22
pascaline.sordet@cinebulletin.ch

Grafikdesign                              Editorial                                                Persönliches / S. 20
Ramon Valle                               Wem nützt Netflix? / S. 3
Übersetzungen                                                                                      Das Porträt
Arnaud Enderlin, Thomas Gross             NEUE KULTURBOTSCHAFT                                     Noémie Schmidt, Schauspielerin / S. 21
Claudine Kallenberger                     Die Quotenfrage im
Nadia Pfeifer, Kari Sulc
                                          Schweizer Film. Erste Reaktionen der                     Neu im Kino / S. 22
                                          Filmbranche zur Kulturbotschaft / S. 6
Korrektur                                 Interview mit Ivo Kummer / S. 7
Mathias Knauer, Virginie Rossier

Inserateannahme / Régie publicitaire      DOSSIER STREAMING
Beilagen / Encarts                        Netflix und das Urheberrecht / S.11
Brigitte Meier
Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr)
                                          Interview mit Gilles Marchand / S.14
inserate@cinebulletin.ch                  Disney, Apple, Amazon kämpfen mit
                                          Netflix um die Zuschauergunst / S. 16
Abonnements und Adressänderungen          Europa: Gesetze zum Schutz der
Brigitte Meier
abo@cinebulletin.ch                       Kultur / S. 18
Tel. 031 313 36 39 (Mo/Mi/Do/Fr)          Schweiz: Fern der Front / S. 19
Abonnements online: www.cinebulletin.ch

Druck
Saint-Paul

ISSN 1018-2098

Nachdruck von Texten nur mit
Genehmigung des Herausgebers und
mit Quellen­angabe gestattet .

Unterstützt von:
                                          HEFTNUMMER               ERSCHEINUNGSDATUM        RESERVATION INSERATE        Titelbild:
                                          512 August - September             5. August                     12. Juli     Grafischer Entwurf, inspiriert
                                          513 Oktober                          30. Sept                    6. Sept      von der Netflix-Serie «Love».
                                          514 November - Dezember              18. Nov                     25. Okt
                                          515 Januar 2020                   6. Jan 2020                     6. Dez

                                                                   Inhalt
WER PROFITIERT VON NETFLIX? - Kulturbotschaft 2021-2024 - Amazon S3
Kulturbotschaft

                               Die Quotenfrage im Schweizer Film
6                           Die neue Kulturbotschaft 2021-2024 nimmt eine bekannte Forderung auf: Eine Förderabgabe für Online-Dienste.
                               Umstrittener ist die Frage, ob es für den Schweizer Film eine Quote braucht – und wie hoch diese sein soll.

                                                                                      Von Kathrin Halter

                      Die Idee ist ja nicht neu. Vor bald zwei Jahren lancierte Cinésuisse die   Forderungen stellen. Es brauche dringend Regulationen – das habe
                      Idee einer «Netflix-Steuer» – die Forderung also, dass nationale wie       gerade Deutschland gezeigt, das sich gegen Netflix durchgesetzt
                      internationale Online-Plattformen vier Prozent ihres in der Schweiz        habe.
                      erzielten Umsatzes in den Schweizer Film investieren oder ersatz-              Bei Cinésuisse kommt der Vorschlag jedenfalls schon mal gut an,
                      weise eine Abgabe entrichten sollen. Gleich viel also, wie dies auch       auch wenn die 20 Prozent eher als Zielvorgabe behandelt werden.
                      für private Fernsehanbieter mit Sitz in der Schweiz gilt.                  «Wollen wir beim europäischen Kulturförderungsprogramm Creative
                          Cinésuisse möchte einen entsprechenden Passus im neuen Gesetz          Europe wieder einmal mit dabei sein, müssen wir diese 30 Prozent
                      über elektronische Medien, das vom Bund derzeit ausgearbeitet wird         (europäische Filme, AdR) garantieren. Viel wichtiger ist der Schwei-
                      und dessen Vernehmlassung im letzten Herbst zu Ende ging. Im Ent-          zer Filmbranche jedoch, dass mindestens die Hälfte dieser 30 Prozent
                      wurf zum Mediengesetz finden sich jedoch keinerlei Regelungen für          Schweizer Filme sind», so der Dachverband in einer ersten öffentli-
                      Streaming-Plattformen (siehe dazu den Bericht Seite 19); ob die For-       chen Reaktion auf den Entwurf der Kulturbotschaft.
                      derung doch noch Eingang findet, ist völlig offen.
                          Dafür wird die Abgabe nun im Entwurf zur neuen Kulturbotschaft         ▶ Originaltext: Deutsch
                      aufgenommen und soll im revidierten Filmgesetz festgeschrieben
                      werden. Ivo Kummer, der von einer «Investitionspflicht» spricht, hat
    Kulturbotschaft

                      diese Anpassung bereits in Solothurn angekündigt. Vielleicht gelingt       © ORF
                      es auf diesem Weg, beträchtliche neue Mittel für den Filmkredit zu
                      gewinnen. Ausserdem sollen Streaming-Plattformen in der Schweiz
                      künftig 30 Prozent europäische Inhalte anbieten müssen, so steht es
                      im Vernehmlassungsentwurf. Damit würde sich die Schweiz der EU
                      anpassen, die diese Quote zum Erhalt der kulturellen Vielfalt bereits
                      beschlossen hat.

                       Die Quote könnte einen Digitalisierungschub auslösen
                          Die Branche denkt da allerdings schon weiter – und verlangt eine
                      20-Prozent-Quote speziell für Schweizer Filme. Begründet wird die
                      Forderung in einem Papier, das vom Swiss Fiction Movement ini­
                      tiiert und von allen drei Produzentenverbänden sowie vom ARF/FDS
                      unterschrieben worden ist. Die Quote schaffe die Grundlage für einen
                      langfristig gesicherten Zugang zum Schweizer Filmschaffen auf allen
                      Auswertungskanälen, liest man dort. Sie würde VoD-Plattformen, das
                      Fernsehen und Pay-TV, aber auch das Kino betreffen.
                          Das mit diversen Studien belegte Papier dürfte noch zu Diskussio-
                      nen führen. Zum Beispiel mit den Kinobetreibern – zumal auch Straf-
                      massnahmen für jene Betriebe vorgeschlagen werden, die sich nicht
                      an Vorgabe halten wollen oder können.
                          Und im Online-Bereich? 20 Prozent, das wäre für kleinere Schwei-
                      zer Plattformen wie Cinéfile oder LeKino leicht zu schaffen. Für inter-
                      nationale Anbieter wie Netflix mit einem Schweizer Katalog von annä-
                      hernd 5ʼ500 Titeln würde dies bedeuten, über tausend Schweizer
                      Filme bereitstellen zu müssen. Wo nimmt man die her?
                          Joël Jent, Produzent von Dschoint Ventschr und Verfasser des
                      Papiers, sieht darin kein Problem. Schliesslich gebe es in der Film-
                      geschichte unseres Landes weit mehr als tausend Filme. Dass viele
                      davon nicht digitalisiert sind, lässt er nicht gelten: Eine Quote biete
                      gerade die Chance, diese Aufgabe endlich anzupacken und einen
                      längst fälligen Grundsatzentscheid zu fällen. Jent findet es stossend,
                      wie wenig Schweizer Filme online verfügbar sind – und wie wenig
                      dafür getan werde, das Filmerbe besser sichtbar zu machen, zum
                      Beispiel für Schulen und mithilfe einer attraktiven Öffentlichkeitsar-     Die Investitionspflicht für Plattformen könnte das Filmschaffen ankurbeln. Wie in Österreich,
                      beit. Mit einer Quote könnte man auch gegenüber der Politik leichter       wo ORF und Netflix mit «Freud» gegenwärtig eine Serie über den Psychoanalytiker produzieren.

                                                                                      Kulturbotschaft
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© BAK (zvg)

              «Was wir sicher nicht wollen, ist ein zahnloser Papiertiger»: Ivo Kummer zur Frage, ob sich die Investitionspflicht bei internationalen Konzernen durchsetzen lässt.

              «Online-Anbieter sind daran interessiert,
                in europäische Filme zu investieren»
                      Filmchef Ivo Kummer über die Investitionspflicht für Online-Anbieter, den freien Zugang zu Schweizer Filmen,

                                                                                                                                                                                        Kulturbotschaft
                                    die Digitalisierung des Filmerbes – und was er von einer Schweizerfilm-Quote hält.

                                                                              Das Gespräch führte Kathrin Halter

              Was sind im Entwurf der Kulturbotschaft                    Online-Anbieter nicht bereit sind zu solchen                respektiert – solange es solche gibt. Diese
              2021-2024 die wichtigsten Neuerungen, die                  Direktinvestitionen, dann soll das Geld der                 Erfahrung machen wir etwa bei der Melde-
              den Film betreffen?                                        Filmförderung des Bundes, dem Filmkredit,                   pflicht im Bereich von elektronischen Abruf-
                  Die neue Kulturbotschaft konsolidiert                  zukommen. Bereits heute besteht für private,                und Abonnementsdiensten. Das Bundesamt
              vieles, da wird nicht alles umgepflügt. Die                nationale Fernsehanbieter aus der Schweiz                   für Statistik erhält auch von den grossen inter-
              drei in der jetzigen Botschaft definierten                 eine solche Pflicht.                                        nationalen Anbietern Zahlen, unter der Bedin-
              «strategischen Handlungsachsen» der Kultur­                                                                            gung, dass nur aggregierte Resultate veröf-
              politik – kulturelle Teilhabe, gesellschaftli-             In Deutschland existiert seit 2014 eine                     fentlicht werden; auf Geschäftszahlen oder
              cher Zusammenhang sowie Kreation und                       sogenannte Netflix-Steuer. Ob wirklich                      einzelne Filmtitel soll man keine Rückschlüsse
              Innovation – gelten weiterhin. Der Film hat,               Geld geflossen ist, ist jedoch ungewiss.                    ziehen können. Die Daten benötigen wir, um
              rein finanziell gesehen, bereits 2016 von einer                Das Unternehmen hatte mit dem Argu-                     mehr über die Entwicklung der Mediennut-
              Erhöhung um 30 Millionen Franken profitiert.               ment, keinen Sitz in Deutschland zu haben,                  zung und neue Auswertungsstrategien zu
              Am bisherigen finanziellen Rahmen – bean-                  vor dem Europäischen Gerichtshof gegen ent-                 erfahren.
              tragt werden 211,4 Millionen Franken für den               sprechende Abgaben an die deutsche Filmför-
              Film – ändert sich nichts. Zugleich gibt es viele          derung geklagt, hatte dabei allerdings keinen               Streamingdienste sollen ausserdem ver-
              Anpassungen im Filmgesetz. Die wichtigsten                 Erfolg. Es geht aber natürlich nicht nur um                 pflichtet werden, 30 Prozent europäische
              Änderungen betreffen die Auswertung im                     Netflix, sondern um alle Anbieter, die Filme                Inhalte anzubieten – jene Quote, die bereits
              Online-Bereich.                                            online zeigen, auch wenn Netflix sicher am                  von der EU aus Gründen kultureller Diversi-
                                                                         häufigsten in aller Munde ist. Das Unterneh-                tät beschlossen wurde.
              Sie haben es bereits Anfang Jahr ange-                     men stellt sich nicht mehr gegen solche Rein-                   Eine solche Quote sollte zu erreichen sein;
              kündigt: Neu müssten auch internationale                   vestitionspflichten in lokalen Content. Die                 bereits heute stammen laut Studien 28 Pro-
              Streamingdienste wie Netflix oder Amazon                   grossen internationalen Unternehmen haben                   zent der Filme und Serien zum Beispiel beim
              vier Prozent ihrer hierzulande generierten                 ein Interesse an einvernehmlichen Lösungen.                 Fernsehen aus Europa. Zuschauer sehnen sich
              Einnahmen in Schweizer Produktionen                                                                                    nach Inhalten, die mit ihrem Lebensraum zu
              investieren.                                               Das Filmgesetz reicht also, um die Investi­                 tun haben. Die neuen Online-Anbieter wissen
                 Ja, wobei es sich dabei nicht um eine                   tionspflicht wirklich durchzusetzen?                        das. Darum sind sie auch daran interessiert, in
              Steuer, sondern um eine Investitionspflicht                   Ja, das sollte reichen. Was wir sicher nicht             europäische Filme und Serien zu investieren.
              handelt. Die Anbieter erhalten dafür ja                    wollen, ist ein zahnloser Papiertiger. Grund-
              auch etwas: zum Beispiel Rechte auf jene                   sätzlich halten sich grosse Unternehmen an                  Demgegenüber fordern die drei Schweizer
              Inhalte, die sie koproduziert haben. Falls die             staatliche Regelungen. Vorschriften werden                  Produzentenverbände, ARF/FDS und das

                                                                                        Kulturbotschaft
WER PROFITIERT VON NETFLIX? - Kulturbotschaft 2021-2024 - Amazon S3
Kulturbotschaft

                                                                              Kulturbotschaft 2021-2024
                                                                              943 Millionen Franken. Soviel will der Bund von          Unter Ziele und Massnahmen heisst es u. a.:
                                                                              2021 bis 2024 für die Förderung der Kultur ausge-        ▶ Die Cinémathèque muss ihre Sammlung kon-
8                     Swiss Fiction Movement eine 20-Prozent-                 ben. Das sind, verteilt auf vier Jahre, 35,4 Millionen   tinuierlich digitalisieren, um den Zugang zu den
                      Quote für Schweizer Filme.                              oder 2,9 Prozent mehr als bisher (inklusive einem        Filmen zu verbessern. Aufgrund der Menge an
                         Wir nehmen die Anregung im Rahmen                    Prozent Teuerung). Für den Film sind 211,4 Millio-       ­Filmen muss die Digitalisierung von der Cinéma-
                                                                              nen beantragt. Der grösste Teil der Mehrausgaben          thèque nach klaren Kriterien durchgeführt wer-
                      der Vernehmlassung zur Kulturbotschaft zur
                                                                              fliesst zu den Schulen. Mit 8,3 Millionen Franken         den, namentlich nach der Dringlichkeit des Zerfalls
                      Kenntnis und werden diese bewerten. Zurzeit             will der Bundesrat das Programm «Jugend und               und der Nachfrage.
                      sind noch viele Fragen offen. Falls beispiels-          Musik» ausbauen.
                      weise die 20 Prozent innerhalb der 30-Pro-                                                                       ▶ Bei der Restauration von Filmen ist aufgrund der
                                                                              Ein Schwerpunkt liegt in der Digitalisierung. Der        grossen Anzahl von Filmen und limitierten Res-
                      zent-Quote europäischer Inhalte gedacht                 digitale Wandel beeinflusse sämtliche Bereiche           sourcen eine Priorisierung im Rahmen des Samm-
                      sind, wovon ich ausgehe, müsste man                     und Institutionen der Kultur in Bezug auf Pro-           lungskonzeptes unumgänglich. Dabei soll auch
                      schauen, was alles dazugehört respektive                duktion, Vermittlung und Erhaltung. Durch die            das in der Schweiz vorhandene Restaurationswis-
                      anrechenbar ist. Die Regelung gälte ja umfas-           «rasante Zunahme» der Online-Plattformen sei die         sen genutzt bzw. verstärkt werden.
                                                                              Filmbranche davon besonders betroffen. Auch der
                      send, also nicht nur für Streaming-Plattfor-                                                                     Und was den «freien Zugang» zu neueren Filmen
                                                                              Zugang zum Schweizer Filmerbe soll verbessert
                      men, sondern auch etwa für das Fernsehen                                                                         anbelangt, liest man dazu in den Erläuterungen
                                                                              werden.
                      oder die Kinos.                                                                                                  zum Filmgesetz:
                                                                              In der Filmförderung werden neben der Reinves-
                                                                              titionspflicht und der Angebotsvielfalt (Stichwort       «Werden in Zukunft Filme mit einem namhaften
                      Davon abgesehen – was halten Sie von                    Quoten) unter anderem folgende Ziele und Mass-           Herstellungsbeitrag des Bundes unterstützt, wird
                      einer solchen 20-Prozent-Quote?                         nahmen genannt:                                          die Förderung neben der Hinterlegungspflicht
                                                                                                                                       mit der zusätzlichen Auflage verbunden, dass der
                          Provokativ gesagt wäre es eine filmkultu-           ▶ Die Standortförderung soll stärkere Anreize für     Bund die Filme nach Abschluss der kommerziel-
                      relle Zwangsernährung der Bevölkerung. Im               minoritäre Koproduktionen setzen, damit mehr            len Nutzung der Bevölkerung zugänglich machen
                      Ernst: Es ginge dabei ja weniger um den Aus-            Dreharbeiten aus dem Ausland in die Schweiz              kann (nichtexklusive Lizenz für nicht gewerbliche
                      wertungserlös für die Rechteinhaber als um              geholt werden können. Im Bereich der erfolgsab-         Nutzung). Solche Filme könnten damit frühestens
                      die Visibilität des Schweizer Films. Daran bin          hängigen Filmförderung sollen auch Eintritte in        ab 2026 vom Bund zugänglich gemacht werden.
                                                                              inländischen Filmfestivals sowie der Filmkonsum         (…) Der vollumfängliche öffentliche Zugang zum
                      ich natürlich auch interessiert. Einen staat-
                                                                              im Onlinebereich berücksichtigt werden.
    Kulturbotschaft

                      lichen Eingriff in das Konsumverhalten der                                                                       Schweizer Filmerbe wird erst möglich sein, wenn
                                                                              ▶ Die Filmförderung soll chancengleich ausge-           die offenen Fragen im Dialog geklärt werden konn-
                      Bevölkerung halte ich jedoch für problema-
                                                                              staltet sein. Die aktuellen Kriterien der Nach-          ten.»
                      tisch. Zudem: wie gut sichtbar das Angebot              wuchsförderung und zur Stärkung der weiblichen         Bundesrat Alain Berset hat die Vorlage Ende Mai
                      auf den Plattformen tatsächlich wäre und                Filmschaffenden sollen weiterverfolgt und doku-          (exakt bei Redaktionsschluss) vorgestellt. Die
                      wieviel davon effektiv angeschaut würde lässt           mentiert werden.                                         Vernehm­lassung dauert bis am 20.September.
                      sich mit einer Quote ja nicht steuern. Aber wie         Auch der Zugang zum Schweizer Filmerbe soll              Danach wird die überarbeitete Botschaft im Parla-
                      gesagt: Wir werden die Anregung im Rahmen               verbessert werden, da Filme nach Abschluss der           ment beraten und verabschiedet. Die für die Film-
                      der Vernehmlassung zur Kulturbotschaft                  Auswertung häufig nur schwer aufzufinden seien.          branche so wichtigen Filmförderkonzepte entste-
                      sicher eingehend prüfen.                                                                                         hen im Herbst.

                      Die Quote könnte einen Anreiz schaffen,
                      damit erstmals Koproduktionen zwischen
                      Netflix, Schweizer Produktionsfirmen und
                      der SRG möglich würden.                            Filme, die mit BAK-Geldern ab einer gewissen          Nun gibt es verschiedene Anbieter mit
                         Es liegt vor allem an der Grösse eines          Höhe gefördert werden, online verfügbar sind.         Schweizer Filmen im Katalog, von Grossen
                      Markts, ob solche Koproduktionen zustande                                                                wie Swisscom über kleinere, kulturaffine
                      kommen. Auch braucht es übergreifende              Wieso ist man von der Idee einer nationa-             Nischenanbieter wie Cinefile oder LeKino
                      Sujets, die den gesamten deutsch- oder fran-       len Streaming-Plattform mit einem kos-                bis hin zur SRG mit ihrer neuen Platt-
                      zösischsprachigen Raum interessieren. Wobei        tenlosen Angebot an Schweizer Filmen                  form. Was fehlt, ist eine Art Koordination.
                      man auch die Gefahr sehen muss, wenn Filme         abgekommen?                                           Könnte das BAK hier eine Rolle überneh-
                      identitätslos werden. Man hat ja mal von               Von kostenlos war nicht die Rede, son-            men?
                      «Europudding» gesprochen.                          dern von einem freiem Zugang zu Filmen. Sei               Nein, das ginge ja nur über Regulationen.
                                                                         es, dass die Titel auf der Plattform der eige-        Das macht keinen Sinn in einem Feld, das sich
                      Auf Netflix Schweiz gibt es rund 5ʼ600 Titel,      nen Produktionsfirma angeboten werden,                dynamisch entwickelt – und bei dem gleich-
                      etwa 4ʼ000 Filme plus 1ʼ500 Serien. 20 Pro-        sei es, dass sie von der Cinémathèque suisse          zeitig alle unter demselben leiden, nämlich
                      zent davon wären demnach etwa 1ʼ120                z.B. über einen Link zugänglich gemacht               fehlender Wahrnehmung und mangelnder
                      Schweizer Titel…                                   werden – wie sich das konkret entwickeln              Visibilität. Wir können da nicht eingreifen,
                          Man müsste jedenfalls weit zurückgehen in      wird, müssen wir diskutieren. Was wir nicht           hingegen mithelfen, dass die Verfügbarkeit
                      der Filmgeschichte, um diese Anzahl zusam-         wollen, ist der Aufbau und die Finanzierung           und Visibilität steigt.
                      menzubringen – und müsste digitalisieren,          einer eigenen Plattform. Und gewiss ging es
                      was das Zeug hält. Deshalb fragt sich, ob man      nie darum, Filmrechte zu enteignen! Ein Film-         Aber das BAK könnte Plattformen mitsub-
                      nicht andere Anreize schaffen sollte, damit viel   verzeichnis mit Links oder Hinweisen, wo die          ventionieren, die ein attraktives Fenster
                      mehr Schweizer Filme verfügbar werden. Das         Filme verfügbar sind, wie es zum Beispiel das         für Schweizer Filme bieten?
                      ist uns allerdings ein grosses Anliegen. Des-      European Audiovisual Observatory in Strass-               Auch das nicht, weil wir auf projektbe-
                      halb sollen ja auch die rechtlichen Grundla-       burg anbietet, würde uns theoretisch schon            zogene Förderung aus sind und nicht auf
                      gen geschaffen werden, damit in Zukunft alle       genügen.                                              Strukturfinanzierung. Allerdings wollen wir

                                                                                      Kulturbotschaft
WER PROFITIERT VON NETFLIX? - Kulturbotschaft 2021-2024 - Amazon S3
Kulturbotschaft

ab 2021 solche Fragen abklären – ob etwa          Eine Priorität in der letzten Kulturbot-         man nicht alles langzeitarchivieren kann.
die Cinémathèque suisse ein eigenes Ange-         schaft war die Sicherstellung der Langzeit-      Kriterien wie die Priorisierung von Helvetica                     9
bot aufbauen könnte oder die Funktion eines       archivierung von Filmen. Demnächst wird          werden in die neue Leistungsvereinbarung
«Briefkastens», der weiter verlinkt, überneh-     das neue Archivierungszentrum der Ciné-          für die Cinémathèque ab 2021 aufgenom-
men könnte. Solche Fragen müssen wird             mathèque suisse in Penthaz eröffnet. Geht        men. Auch wir haben unsere Vorstellungen,
zuerst mit den Rechteinhabern und den Ver-        es nun mit der Digitalisierung des Film­         allerdings soll ein solcher Kriterienkatalog
wertungsgesellschaften sowie mit der SRG          erbes voran?                                     breiter abgestützt werden, man muss dazu
abklären. Dabei sind Lösungen gefragt, die            Während der Planung von Penthaz musste       mit Film­historikern und Festivals zusammen-
in der übernächsten Kulturbotschaft ab 2025       man einen politischen Richtungsentscheid         arbeiten. Es braucht klare Kriterien, was mit
zum Tragen kommen.                                fällen und eine Kehrtwende hin zu einem digi-    den öffentlichen Geldern geschieht. Wir wol-
                                                  talen Langzeitarchiv vollziehen. Nun können      len kein kuratiertes Programm für die Digita-
Wie weit ist die Idee für ein «Succès Web»        Mittel für die digitale Langzeitarchivierung     lisierung, nach subjektiven Kriterien, wie es
gereift?                                          aktueller Filme sowie die Digitalisierung ana-   zum Beispiel Filmo anbietet. Ein Kriterium
    Mit der Einführung der Meldepflicht hät-      loger Filmkopien eingesetzt werden.              könnte zum Beispiel die Nachfrage sein. Der
ten wir die Zahlen respektive die Möglichkeit,                                                     politische Prozess ist mit der Eröffnung der
in der neuen Förderperiode ein Succès Web         In einem Artikel in der «Republik» wurde         Vernehmlassung zur Kulturbotschaft nun
einzuführen. Dafür braucht es gesetzliche         der Vorwurf laut, niemand fühle sich bei         angestossen.
Voraussetzungen, die mit der übernächsten         der Digitalisierung des Filmerbes wirklich
Kulturbotschaft in Kraft träten. Letztlich geht   zuständig. Wird es zu einer Diskussion über
es um neue Auswertungsformen, die berück-         Auswahlkriterien kommen?
sichtigt werden sollen. Wir überlegen uns für         Priorität hat zunächst die digitale Lang-
die kommende Kulturbotschaft auch die Ein-        zeitarchivierung in der Cinémathèque suisse.
führung von Succès Festival Schweiz.              Alles digitalisieren kann man ja nicht, so wie   ▶ Originaltext: Deutsch

                                                                                                                                                   Kulturbotschaft
                                      . AUGU ST 2019
                         13. JULI – 17
  Filmstill: Ava, 2017

                                                               Kulturbotschaft
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« Stray Bullet » von Jean-Cosme Delaloye
9
Seiten Streaming-
Dossier
SEITE 11

NETFLIX UND
DIE AUTOREN
EINE SCHWIERIGE BEZIEHUNG
                                                                                   SEITE 16
WEGEN KONFLIKTEN BEIM
URHEBERRECHT
                                                    DER WIRTSCHAFTSKRIEG
SEITE 14
                                                           IST DEKLARIERT
                                                        DIE KONKURRENTEN SEHEN ES AUF
DIE srG                                                DIE MARKTANTEILE VON NETFLIX AB,
                                                                 DIE LÄNDER REAGIEREN
WAPPNET SICH
GILLES MARCHAND ÜBER DIE
STREITFRAGEN DER NEUEN
ONLINE-PLATTFORM

+             Das Dossier geht auf eine gemeinsame Initiative von Cinébulletin,
              CultureEnJeu (www.cultureenjeu.ch) und dem Journal der SSA (www.ssa.ch)
              zurück, die Versionen der vorliegenden Texte publiziert haben.
SPEZIAL-DOSSIER STREAMING

Netflix stellt die fragile Ökonomie                                                                                                                          11

der Autoren in Frage
Bei jeder ihrer Produktionen diktiert die Plattform ihre
Bedingungen. Das hat viel mit ihrem Verständnis des
Urheberrechts zu tun.
Von Mehdi Atmani

Tadaaa! Wenn Netflix’ sonores Erkennungs-­
Jingle durch das Wohnzimmer seines Apart-
ments in Brooklyn schallt, ist er noch immer
ein wenig gerührt. Der Schweizer Journalist,
Autor, Produzent und Regisseur Jean-Cosme
Delaloye macht keinen Hehl daraus, schliess-
lich hat er alles darangesetzt, seinen letzten
Film «Stray Bullet» im Katalog der berühmten
amerikanischen Plattform unterzubringen.
«Bis vor Kurzem zeigte ich meine Dokumen-
tarfilme auf zahlreichen Festivals». Aber das
lief sich irgendwann tot, erinnert er sich. «Für
‹Stray Bullet› träumte ich von einem kommer-
ziellen Erfolg, ich hatte von Anfang an den
Ehrgeiz, den Film einer dieser fetten Strea­
ming-Plattformen anzubieten.»
     Seit 2002 in New York beheimatet, ist der
44-jährige Lausanner den Lesern von 24 heu-
res und Tribune de Genève mit seinen Beiträ-
gen vertraut. Das Dokumentarfilmfieber hat
                                                   «Stray Bullet» von Jean-Cosme Delaloye ist seit Juli 2018 im Angebot von Netflix.
ihn spät ergriffen, in Gestalt des Schweizer
Regisseurs und Fotografen Nicolas Pallay. Es
war im Jahr 2004, als Jean-Cosme Delaloye
und sein Komplize in die Welt eines Gefäng-        war manchmal mühsam, aber diese erste                     Paterson, New Jersey. Dieser dritte, von RTS
nisses in Louisiana eintauchten, in dem die        Erfahrung war prägend», erklärt Jean-Cosme                mitproduzierte Dokumentarfilm lief 2018 an
Häftlinge jedes Jahr im Oktober an einem           Delaloye. Sie setzt die Maschine in Gang.                 den Solothurner Filmtagen.
Rodeo teilnehmen. Der Journalist kommt mit         2014 drehte der Journalist «Riding The Death
seinem ersten Dokumentarfilm heraus, der           Train», einen dokumentarischen Kurzfilm, es               Der amerikanische Agent verhandelt
bei Temps Présent ausgestrahlt wird.               folgte 2015 «La Prenda (The Pawn)».                          Obwohl der Film amerikanischen Seh-
                                                        Von seinen Festival-Erfolgen beflügelt,              gewohnheiten weit entgegenkommt, muss
Traumziel Netflix                                  beschleunigt Jean-Cosme Delaloy das Tempo.                Netflix erst überzeugt werden. Die Plattform
   Seine Anfänge im Dokumentarfilmgenre            Mit «Stray Bullet» zielt er er offen auf Netflix,         erweist sich als schwer zu verführender Part-
sind tastend. Jean-Cosme Delaloye probiert         indem er Erzählung, Stil und sogar das Thema              ner. «Es war ein langer Prozess der Annähe-
dies und das, reist schliesslich auf eigene        des Films auf die Plattform ausrichtet. «Mein             rung, volle acht Monate bis zur Unterzeich-
Faust nach Nicaragua, wo er den Überlebens-        Ehrgeiz galt dem kommerziellen Erfolg, weni-              nung des Vertrags», erzählt Jean-Cosme
kampf dreier Frauen auf La Chureca filmt, der      ger der Anerkennung auf Festivals. Ich wollte,            Delaloy. «Der entscheidende Schachzug
grössten Mülldeponie Zentralamerikas. «By          dass der Film von vielen gesehen wird».                   bestand in der Verpflichtung eines amerika-
My Side (A Mi Lado)», sein erster, über seine      Der 2017 gedrehte, von der Genfer Firma                   nischen Agenten als Verhandlungsführer».
persönliche Visa-Karte finanzierter Doku-          ­Tip­images produzierte Dokumentarfilm führt              Der Regisseur selbst kommt nie direkt mit
mentarfilm, erscheint 2011. «Es dauerte und         uns in die gewalttätige Welt der Gangs von               der Plattform in Berührung. Schliesslich sagt
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                                                                                                                    «Dieser Mangel an Transparenz ist sym-
                                                                                                                ptomatisch für ein Unternehmen, das seine
                                                                                                                Betriebsabläufe gerade erst entwickelt», fügt
                                                                                                                er hinzu. «Wir haben es mit einer sehr jungen
                                                                                                                Firma zu tun, die es in ihrem raschen Wachs-
                                                                                                                tum bewusst vermieden hat, zu viele interne
                                                                                                                Prozesse zu regeln. Sie möchte ein grösseres
                                                                                                                Start-up bleiben, ohne komplizierte Struktur.
                                                                                                                Das bringt Vor- und Nachteile mit sich».
     Die erste Staffel von «Quartier des Banques» ist auf Amazon Prime erhältlich.
                                                                                                                    Pierre-Adrian Irlé zufolge ist diese Haltung
                                                                                                                ein zentrales Element der DNA von Netflix. Im
                                                                                                                Übrigen verfolgt der Produzent und Regisseur
     Netflix zu und bringt den Film im Juli 2018 in           abgetreten. «Vertriebe wie Banijay haben in       die Revolution des audiovisuellen Markts mit
     seiner Dokumentationsreihe heraus. «Stray                der Regel ein kommerzielles Interesse, eine       geschultem Blick. «Wir befinden uns gerade in
     Bullet» sei alles andere als ein Zugpferd für die        Serie von Land zu Land direkt an Fernsehsen-      einer absolut spannenden Übergangsphase.
     Plattform, betont Jean-Cosme Delaloye. «Ich              der zu verkaufen. Für eine fertig produzierte     Ein grosser Teil des Netflix-Personals stammt
     will damit sagen, dass wir für die Promotion             Serie ist das viel profitabler als ein multi-­    aus amerikanischen Filmstudios und Kabel-
     selbst verantwortlich sind». Denn Zuschau-               territorialer Vertrag mit Netflix.»               sendern, von dort versorgen sie die Plattform
     erzahlen wie auch Details des Vertrags sind                  Im Fall von «Station Horizon» hat Bani-       mit Knowhow in Sachen Eigenproduktion.
     vertraulich; mit welchem Erfolg der Film läuft,          jay die Serie nach Australien verkauft, wo sie    Wenn heute ein Sender einen neuen Kanal
     bleibt ein Geheimnis.                                    gut lief. Dann an Sony für Zentralasien und       eröffnet, handelt es sich mit Sicherheit um
         Nichtsdestotrotz erhöht die Marke Netflix            Russland (CEI). «Danach haben sie versucht,       eine Plattform». Pierre-Adrian Irlé kann frei-
     die Nachfrage bei den Medien. Delaloye ergat-            mit Walter Presents von Channel 4 für Gross-      lich schon deshalb schwerlich das Gegenteil
     tert mehrere Interviews für amerikanische                britannien zu verhandeln, aber das hat zu         behaupten, weil er gerade dazu erkoren wor-
     Branchenblätter. Die sozialen Medien sorgen              nichts geführt. Daraufhin haben sie Netflix ein   den ist, die künftige Streaming-Plattform der
     zusätzlich für Werbung. Als Autor geht der               mehrere Territorien umfassendes Paket ange-       SRG zu leiten.
     Schweizer auf Netflix allerdings leer aus. «Man          boten, darunter auch die Vereinigten Staa-
     muss gleichzeitig Produzent sein, um sich                ten», erklärt Pierre-Adrian Irlé. «Man muss       Lokale Geschichten mit grosser Reichweite
     Hoffnungen auf Einnahmen zu machen. Aber                 zwischen einer komplett lokal produzierten            Genau wie Jean-Cosme Delaloye und
     das wusste ich von Anfang an. Es ging mir nicht          und erst dann an Netflix verkauften Serie und     Pierre-­Adrian Irlé schielen auch zahlreiche
     ums Geld. Ich war an der Sichtbarkeit interes-           einer mit der Streaming-Site koproduzierten       weitere Schweizer Autorinnen und Autoren
     siert, die Netflix bietet. Jetzt wo ich einen Fuss       Serie unterscheiden. ‹Station Horizon› ist        nach den Streaming-Plattformen. Aber wie
     in der Tür habe, kann ich mich mit meinem                keine Netflix-Serie. Deshalb wird sie weniger     arbeitet es sich mit und für Netflix? Was ist
     nächsten Film in Stellung bringen, der 2019              prominent ins Spiel gebracht als eine Eigen-      die Antwort auf das, was beim Einsatz dieser
     erscheinen soll». Aus seinem Wunsch, weiter-             produktion. Netflix investiert nicht gleich-      Plattformen auf dem Spiel steht, insbeson-
     hin mit der Plattform zusammenzuarbeiten,                hohe Beträge».                                    dere in Sachen Urheberrechte und künstleri-
     macht Jean-Cosme Delaloy kein Geheimnis.                                                                   sche Unabhängigkeit? Alle Schweizer Autoren
     Um am Ball zu bleiben, bereitet er gerade sei-           Intransparente Auswahlverfahren                   und Drehbuchschreiber stellen sich diese
     nen Umzug an die Westküste vor.                             Für den Produzenten und Regisseur der          Frage und schwanken bei der Beantwortung
                                                              Serie war Netflix nicht der erste Versuch. «Ich   zwischen Enthusiasmus und Skepsis.
     Der Fall «Station Horizon»                               wollte das Projekt in die Vereinigten Staaten         In Genf hat Stéphane Mitchell das Dreh-
         Pierre-Adrian Irlé ist der Schöpfer von              verkaufen. Ich habe bei HBO, Showtime, AMC        buch der von Teleclub mitproduzierten
     «Station Horizon», einer 2015 von RTS ausge-             und Sony angeklopft, wo die Abläufe sehr klar     RTS-Erfolgsserie «Quartier des banques»
     strahlten Vorzeigeserie. Die im Wallis gedrehte          sind. Man stellt das Projekt vor und hat drei     geschrieben. Die Rechte an der Serie wurden
     Fiktion im Stil eines modernen Western hat               Wochen später eine Antwort.                       in ein Dutzend Länder verkauft. Seit dem ers-
     Eingang in den Katalog von Netflix gefunden.                Bei Netflix war das nebulöser. Ich habe        ten Dezember 2018 wird sie auf Amazon Prime
     «Ich stehe nicht in direkten Verhandlungen               Leute bei sich zuhause in Los Angeles getrof-     ausgestrahlt. «Für Autoren aus der Romandie
     mit Netflix», wiegelt Pierre-Adrian Irlé ab,             fen, ohne dass mir die Auswahlverfahren im        ist die Schweiz ein kleiner Markt mit gerade
     «die Dinge liegen komplizierter». Als Produ-             Geringsten offengelegt wurden. Ich erinnere       mal zwei grossen Akteuren, der SSR und dem
     zent hat Piere-Adrian Irlé die Rechte an «Sta-           mich, dass ich das Projekt intern an mehrere      Kino, sagt Stéphane Mitchell. Die Ankunft
     tion Horizon» für Territorien ausserhalb der             Personen schicken musste, ohne über den           neuer Online-Anbieter verbreitert das Ange-
     Schweiz gegen eine Minimumsgarantie an die               Weg und das Schicksal meiner Eingabe infor-       bot. Es ist verlockend und zugleich beunruhi-
     internatio­nale Vertriebsgesellschaft Banijay            miert zu werden.»                                 gend. Das Service-public-Fernsehen steht für
13

«Man muss zwischen einer lokal produzierten und an Netflix verkauften und einer mit der Plattform koproduzierten Serie unterscheiden», sagt Pierre-Adrian Irlé. © RTS/Rebecca Bowring

                Vielfalt der Erzählweisen. Mit den Plattformen           Plattform Amazon Prime die Gretchenfrage                ren Schöpfer nach Ablieferung ihres Werks
                wächst das Risiko, bloss noch Mainstream zu              nach der Vergütung aufwirft. «Ich weiss noch            mit einer einmaligen Zahlung abgefunden
                liefern. Anderseits lohnt es sich sehr, auch für         nicht genau, was das in punkto Urheberrecht             werden. Allerdings gibt es auch einen ande-
                andere schreiben zu können».                             bedeutet».                                              ren Zahlmechanismus. Er besteht darin, sich
                     Und weiter: «Keine dieser Plattformen hat                                                                   direkt vom Produzenten vertraglich einen
                mir je ein Angebot gemacht, aber bei unseren             Kopfzerbrechen übers Urheberrecht                       Netto-Prozentsatz für jeden Weiterverkauf
                Autorentreffen herrscht die Meinung, dass das                Stéphane Mitchell legt den Finger auf die           zusichern zu lassen. Darüber wird derzeit ver-
                Schweizer Duopol so nicht länger haltbar ist.            Wunde. Durch ihre Vorherrschaft im Bereich              handelt.
                Obwohl ‹Quartiers des banques› ohne finan-               der audiovisuellen Online-Produktion ori-                  In Europa ist man beunruhigt, weil die
                zielle Unterstützung der RTS nicht zustande              entieren die Plattformen sich zwingend am               amerikanischen Streaming-Plattformen dazu
                gekommen wäre, ist es eine gute Sache, wenn              amerikanischen Konzept des Urheberrechts.               neigen, den Autoren ihr Copyright-System
                auch andere Player sich an der Finanzierung              Einem Modell, das das Ökosystem der Kunst-              aufzuzwingen. Für die Autoren, die in irgendei-
                von Dokumentar- und Spielfilmen beteiligen.              schaffenden aus der Balance zu bringen                  ner Weise mit den Plattformen zusammenar-
                Man kann sich gut vorstellen, in Zukunft zwei            droht. Oft werden Urheberrecht und Copy-                beiten wollen, bedeutet das: Friss oder stirb.
                Jahre für die RTS zu arbeiten, dann für Net-             right verwechselt, obwohl sie in wesentlichen           Weder Netflix noch die Autoren, die direkt
                flix, dann für Amazon Prime oder Hulu. Die               Punkten verschieden sind. Das französische              mit der Plattform zusammenarbeiten, haben
                Schweizer Autoren drängen nämlich mehr                   Recht beispielsweise geht von der Beteiligung           sich bislang zu der Frage geäussert. Netflix
                und mehr auf Export. Viele reizt der Spagat,             mehrerer Autoren an einem audiovisuellen                wie auch HBO praktizieren einfach ihr soge-
                eine lokale Geschichte mit internationaler               Werk aus (Drehbuch, Dialoge, Adaption, Her-             nanntes Buy-out-System. Es besteht darin,
                Reichweite zu erzählen. Wenn die Amerika-                stellung, Musik) und das Urheberrecht sieht             bei der Vertragsunterzeichnung alle Autoren-
                ner das so gut hinkriegen, sollte uns das auch           eine Entschädigung aller an einem Werk                  rechte zu erwerben, ohne danach noch einen
                gelingen».                                               beteiligten Personen über ihr ursprüngliches            Gedanken an die bei der Verwertung des
                     Die Serie «Quartier des banques» ist dafür          Arbeitshonorar hinaus vor. So sichert das               Werks anfallenden Tantiemen verschwenden
                das perfekte «Produkt» aufs Exempel. «Wir                Gesetz den Autorinnen und Autoren beispiels-            zu müssen. In Frankreich wie auch in Spanien
                haben die Serie zusammen mit Belgien pro-                weise eine finanzielle Beteiligung bei jeder            werden Urheberrechtsgesellschaften, die die
                duziert. Wir haben schon während des Schrei-             neuen Ausstrahlung.                                     Autoren begleiten, verteidigen und unter-
                bens darauf geachtet, der Serie einen interna-               Das angelsächsische Copyright wiede-                stützen, im Unklaren gelassen. So schädigt
                tionalen Anstrich zu geben, erklärt Stéphane             rum schützt den Nutzer eines Werks, nicht               die Ausbreitung der Streaming-Plattformen
                Mitchell. Einerseits ist die Serie sehr schwei-          die Autoren. Im amerikanischen Recht ist der            die Rechte der Urheber, ohne dass es bislang
                zerisch. Die Intrige entwickelt sich in einer            Schöpfer eines Werks sein Produzent, gleich-            etwas Wirksames zu deren Schutz gäbe.
                Genfer Bank. In Form und Anlage aber sollte              gültig, ob es sich um eine natürliche Person
                die Geschichte genügend Ausstrahlung für                 oder eine Produktionsfirma handelt. Das
                ausländische Zuschauer haben.» Die Wette                 bedeutet, dass der «Autor» eines Werkes mit
                ging auf, auch wenn die Ausstrahlung über die            jedem Verkauf wechselt, während die wah-                ▶ Originaltext: Französisch
SPEZIAL-DOSSIER STREAMING

              «Verwurzelung hat nichts mit
14
                 Abschottung zu tun»
         Angesichts der Konkurrenz durch grosse Streaminganbieter
         ­erhöht die SRG ihre Mittel für Produktion und Untertitelung.
                                                        Das Gespräch führte Chantal Tauxe

     Gilles Marchand, sehen Sie sich Serien auf          «La trêve» – zwei mit privaten
     Netflix an?                                         Koproduzenten hergestellte
         Ja. Ich habe gerade die zweite Staffel von      Serien – anbieten wollte, dann
     «Suburra» begonnen, einer Serie, die Vatikan,       müssten wir alle dieselben stra-
     Politik und Mafia verbindet. Sie widerspiegelt      tegischen Interessen verfolgen.
     das, was die politische Klasse Italiens derzeit     Private Akteure wollen jedoch
     erlebt. Gute Serien lehren uns viel über die        ihre Programme in mehreren
     politischen, sozialen, wirtschaftlichen und         Gebieten verkaufen. Und hier
     kulturellen Realitäten des Landes, in denen         beginnen die Schwierigkeiten
     sie gemacht und ausgestrahlt werden. Das ist        der europäischen Plattformen.
     einer der Gründe, weshalb wir mehr Mittel in        Deshalb gibt es heute viele
     Serien investieren möchten: um das Leben der        Ankündigungen, aber es wird
     Schweiz anders zu erzählen.                         nur wenig umgesetzt.

     Wie lange sind Sie schon Netflix-Abonnent?          Was raten Sie den Schweizer
         Zwei Jahre. Ich beobachte die Konkurrenz        Produzentinnen und Produ-
     (lacht), und ich schaue mir nicht nur das an!       zenten, die sich in diesem
                                                         komplexen Umfeld bewegen?
     Als Sie dort die Fülle von Übersetzungen                Erstens: Die SRG hat die
     sahen, haben Sie sich da nicht gefragt, ob          feste Absicht, das Produkti-
     man in Sachen Übersetzung von Program-              onsvolumen und damit die
     men etwas mutiger hätte sein können?                Mittel, die der Branche zur
        Daran arbeiten wir jetzt gerade. Im Jahr         Verfügung stehen, zu erhöhen,
     2020 wird die SRG eine Plattform lancieren, die     um mehr Fiktionen und Serien
     unsere eigenen Produktionen nicht nur nach          zu produzieren. Aufgrund der
                                                                                                Gilles Marchand, Generaldirektor der SRG. © RTS/ Christin Philippe
     Sprachregion, sondern nach Themen und mit           Sprachenvielfalt war es schon
     einem Untertitelungssystem anbietet. So wird        immer schwierig, eine eine
     unser Angebot erheblich bereichert. Ich habe        konsequente nationale Pro-
     mir dieses Projekt in den Kopf gesetzt, seit ich    duktion zu betreiben. Doch das kleine Volu-         einem wöchentlichen Sendeplatz, in dem
     hier in Bern arbeite. Doch ein solches Projekt      men hat Auswirkungen, auch auf die Autorin-         wir Schweizer Spielfilme aus allen Regionen
     braucht ein wenig Zeit, bis es konkrete Formen      nen und Autoren: Es ist sehr schwierig, vom         zeigen könnten.
     annimmt.                                            Schreiben zu leben. Gleiches gilt für andere
                                                         freiberuflich Tätige. Mehr Volumen und Qua-         Und was ist mit der Frage der Rechte?
     Weshalb nicht von Anfang an eine europäi-           lität zu produzieren, wie die skandinavischen           Wir werden mit den unabhängigen Pro-
     sche Plattform anstreben?                           Länder und Belgien, setzt voraus, dass wir          duzentinnen und Produzenten zufriedenstel-
        Die Programmrechte sind das Hindernis.           mehr Geld in die Fiktion investieren.               lende und innovative Lösungen suchen, damit
     Da haben wir Schweizer dieselben Prob-                  Zweitens: Wir möchten unsere Produk-            wir auch fiktionale Inhalte auf unseren digita-
     leme und Vorteile wie jedes andere Land in          tionen in den verschiedenen Regionen viel           len Plattformen anbieten können. Wir werden
     Europa. Mit anderen Worten: Wenn ich 100 %          besser organisiert, konsequenter und simul-         experimentieren und Erfahrungen sammeln –
     der Inhalte produziere, also zu 100 % über die      tan aufgleisen. Das heisst, wenn wir künftig        in Absprache mit der Branche und im Rahmen
     Rechte verfüge, und dann beschliesse, die Pro-      eine Serie für RTS produzieren, werden wir          des Pacte de l’audiovisuel. Ich bin sicher, dass
     duktion mit einem meiner Kollegen des belgi-        sie synchronisieren, damit sie sofort auch          es uns gelingen wird, denn worauf kommt es
     schen RTBF auszutauschen, und zwar auf der          für RSI und SRF verfügbar ist und umgekehrt.        an? Auf die Abgrenzung. Wie kann man Netflix,
     Grundlage von Inhalten, die auch er oder sie        Wir möchten regelmässig Schweizer Spiel-            Amazon Prime oder Apple bekämpfen? Indem
     zu 100 % selber produziert hat, dann können         filme zeigen, die für die lineare Ausstrahlung      man anbietet, was das Publikum kaum oder
     wir sie leicht auf dieselbe Plattform bringen.      synchronisiert und fürs VoD synchronisiert          nur selten auf internationalen Plattformen
     Doch wenn ich «Quartier des banques» mit            oder untertitelt werden. Ich träume von             oder auf französischen, deutschen und itali-
“
                                                                                                                                                        15
              Mehr Volumen und Qualität wie die skandinavischen
              Länder und Belgien zu produzieren, setzt voraus, dass
              wir mehr Geld in die Fiktion investieren.

enischen Sendern finden wird. Wir brauchen         sein wird, steht noch in den Sternen. An dieser    Millionen Franken lanciert. Doch es ist heikel,
Serien, die in der Schweizer Realität verwurzelt   Stelle möchte ich erwähnen, dass wir mit den       die Effizienz zu erhöhen, wo doch ein Grossteil
sind, die ein hohes Identifikationspotential       Verlegern im Gespräch sind betreffend ein Pro-     jener, die uns während der No-Billag-Kampa-
mit dem bieten, was im Land geschieht. Die-        jekt für ein sicheres Login, mit dem jemand, der   gne unterstützten, dafür kämpfte, dass die
ser Ansatz der Verwurzelung hat aber wohl-         auf der Plattform eines Verlags registriert ist,   SRG unverändert weiterbesteht. Wir dachten
verstanden nichts mit Abschottung zu tun. So       auch Zugang zum Programm der SRG hat und           uns, dass wir mit einer Kürzung bei den Infra-
haben wir zum Beispiel ein interessantes Pro-      umgekehrt. Vorausgesetzt, dass dieses Login        strukturen, insbesondere im Immobilienbe-
jekt einer Fiktion, das den Titel «Krisenzelle»    für die SRG kostenlos ist und von einer Kom-       reich, Einsparungen machen und dafür das
trägt und von den Aktivitäten des IKRK in ande-    merzialisierung der Daten abgesehen wird.          Programmangebot und die Arbeitsplätze weit-
ren Ländern handelt. Auch das ist eine Öffnung                                                        gehend erhalten könnten. Doch wir stossen
zur Welt, allerdings von der Schweiz aus. Ich      Das Budget der SRG ist limitiert und kann          auf starken Widerstand, der mit der starken
denke, dass diese Strategie im gemeinsamen         nicht erhöht werden, sodass sie der Konkur-        lokalen Verankerung der SRG in Zusammen-
Interesse von uns wie auch der Branche liegt.      renz von Netflix, aber auch von den GAFA,          hang steht. Der Handlungsspielraum ist sehr
                                                   zu denen die Werbeeinnahmen abfliessen,            klein, während die Herausforderungen enorm
Zurück zum Projekt der SRG-Plattform: Was          nicht entgegenwirken kann. Befinden wir            sind, wie wir gerade gesehen haben.
werden Sie mit den Daten zu den Nutzerge-          uns in einer Verarmungsspirale?                        Eine davon möchte ich noch erwähnen.
wohnheiten machen? Werden Sie diese ver-              Natürlich, das ist ein grosses Risiko, das      Nach dem VoD-Boom folgt nun ein Boom
markten?                                           grösste überhaupt. Die Lage ist ganz einfach.      von Audio-on-Demand. Wir werden von der
     Heute gibt es unter den öffentlich-recht-     Wir haben heute eine tiefere Empfangsgebühr,       taktilen Inhaltssuche zur Sprachsteuerung
lichen Medien drei Doktrinen. Die erste fin-       was gegenüber dem Vorjahr einem Netto-             übergehen. Der grosse Streit, der sich hinter
den wir bei denjenigen, die nichts tun und         verlust von 50 Millionen Franken entspricht.       den Kulissen ankündigt, wird vor allem die
überhaupt keine Daten erheben. Die zweite,         Unsere Gebühreneinnahmen sind eingefro-            Sprachassistenten betreffen: Wer wird die
beispielsweise bei RTBF, verlangt von den Nut-     ren und können sich nicht mehr parallel zum        Liste anführen? Welche Antwort werden wir
zerinnen und Nutzern eine Registrierung um         Bevölkerungswachstum entwickeln. In unse-          erhalten, wenn wir zum Beispiel «Was passiert
die Programme verfolgen zu können. Hier gibt       rem Finanzierungsmodell kann die TV-Wer-           in Algerien mit Bouteflika?» eingeben? Der
es ein Vermarktungspotenzial, allerdings ver-      bung nicht mit den digital verbreiteten Pro-       letzte Beitrag von «Forum» oder eine schlecht
pflichtet sich RTBF, seinen Algorithmus einmal     grammen einhergehen. Die Werbeeinnahmen            ins Französische übersetzte Newskompilation
jährlich zu veröffentlichen und anzugeben, wie     schwinden überdies immer empfindlicher.            aus dem Silicon Valley? Wir sollten uns darauf
die Daten verwendet wurden. Der dritte Ansatz      Heute erreicht der Bruttoumsatz der auslän-        vorbereiten. Deshalb ist es entscheidend, über
ist jener der SRG. Wir sammeln – mit der expli-    dischen Werbefenster über 300 Millionen Fran-      digitale Innovationszentren zu verfügen, wie
ziten Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer        ken. Das ist mehr, als die SRG generieren kann.    wir sie mit der EPFL in Lausanne und der ETH
– nur die Daten, die wir brauchen, um ihnen           Da somit keine Zunahme der Einnahmen            in Zürich geschaffen haben. Wir müssen uns
Programme anbieten zu können, die auf ihren        möglich ist, besteht unsere Option heute           bewegen.
Geschmack zugeschnitten sind. Wir vermarkten       darin, Handlungsspielräume zu schaffen. Also
diese Daten nicht. Was in fünf oder zehn Jahren    haben wir einen Plan zur Einsparung von 100        ▶ Originaltext: Französisch

..................................... rechtzeitig
                                vorgesorgt ....................

              www.vfa-fpa.ch
SPEZIAL-DOSSIER STREAMING

16                                            Globaler Kampf,
                                               lokaler Schutz

        Im Schatten von Netflix rüsten sich die
        Streaming-Plattformen von Disney,
        Apple und Amazon für einen Streaming-
        Kampf. Während sie auf globaler Ebene
        um die Zuschauergunst kämpfen,
        erlassen die europäischen und die
        Schweizer Behörden allmählich neue
        Gesetze, um ihre Filmkultur zu schützen.
        Von Pascaline Sordet

     USA                                                   Linie auf internationale Märkte zu konzentrie-   Frage ist, ob Disneys Angebot den Markt völlig

     Der Krieg ist erklärt
                                                           ren, macht sich offensichtlich bezahlt.          umkrempeln oder nur ergänzen wird. Disney
                                                               Doch 2019 weht dem Giganten ein schär-       ist zweifellos ein starker Konkurrent, doch
                                                           ferer Wind entgegen. Die internationale Kon-     revolutionär würde ich ihn nicht nennen.»
     Die Konkurrenten von Netflix sind                     kurrenz holt auf, allen voran Disney mit der     Für die New York Times hingegen «zeigt zum
     entschlossen, sich durchzusetzen                      Lancierung von Disney+ am 12. November.          ersten Mal ein traditionelles Medienunter-
                                                           Disneys Katalog umfasst neben den – vor          nehmen die Fähigkeit und den Willen, Silicon
     Netflix, Netflix, Netflix. Seit die Plattform 2014    allem für Familien interessanten – selbst-       Valley im Streaming-Bereich den Kampf anzu-
     in den Schweizer Markt eintrat, ist ihr Name          produzierten Zeichentrickfilmen auch das         sagen.»
     in aller Munde, wie wenn es keine anderen             Marvel-Universum mit seinen Superhelden,             Auch Apple möchte sich ein Stück vom
     Streaming-Dienste gäbe. Angesichts der                National Geographic, die Simpsons, den           Kuchen sichern. Der Konzern kündigte im
     beeindruckenden Marktdurchdringung des                Fox-Katalog von Hollywoodklassikern bis Star     März die Lancierung von Apple TV Plus an und
     amerikanischen Anbieters ist dies nicht ganz          Wars, Hulu sowie zahlreiche Serien des Dis-      kämpft mit aggressiven Methoden um einen
     unberechtigt: Ende 2018 zählte Netflix 139            ney Channel. Seit der Übernahme von Pixar        Platz auf dem Dienstleistungsmarkt. Auch
     Millionen zahlende Abonnenten. Von den 8,8            im Jahr 2006 kauft Disney laufend hochkarä-      hier beschwichtigt der UBS-Analyst: «Meiner
     Millionen Neuabonnenten im letzten Quartal            tigen, für Abonnenten attraktiven Content.       Meinung nach ist niemand wirklich fähig,
     2018 leben gerade einmal 1,5 Millionen in den         Dies scheint Eric Sheridan, UBS-Finanzana-       Netflix in den Schatten zu stellen. Apple hat
     USA. Die Strategie der Firma, sich in erster          lyst in New York, nicht zu beunruhigen: «Die     viel Geld, doch die Netflix-Investoren lassen
“
                                                                                                                                                               17
                           Optimistischere Stimmen sehen in den neuen
                           Ange­boten Zeichen eines reifenden Marktes,
                           der sich zum Wohl der Konsumenten diversifiziert.

                                                          sich davon nicht beunruhigen. Die Zukunft           immer mehr eigenen Content zu produzieren,
                                                          wird zeigen, ob Apples Markteintritt die Lage       denn dies ist die einzige Möglichkeit, Abon-
                                                          wirklich verändern wird.» Der Telekom-­Gigant       nenten zu gewinnen und sich von der Konkur-
                                                          AT&T, dem Time Warner gehört, will 2019             renz abzuheben. Zudem können die Plattfor-
                                                          auch ins Streaming-Geschäft einsteigen;             men aufgrund der Marktentwicklung bald nur
                                                          Details zum Angebot sind noch nicht bekannt.        noch auf eigenen Content zählen: Disney hat
                                                          Nicht zuletzt ist da noch der Branchenriese         bereits begonnen, seine Produktionen aus
                                                          Amazon, der über enorme Investitionskapa-           dem Netflix-Katalog zurückzuziehen.
                                                          zitäten verfügt und VoD als Lockangebot für             Für die Nutzer bedeutet dies, dass sie
                                                          seinen Prime Service nutzt.                         mehrere Abonnements abschliessen müssen.
                                                                                                              Die Produzentinnen und Regisseure hingegen
                                                          The winner takes it all                             profitieren von diesem Wettlauf um Inhalte:
                                                              Wenn es nach den Technik-Skeptikern             Apple hat sich mit A24 zusammengeschlos-
                                                          geht, sollen die Internetgiganten sich im           sen, einem mehrfach preisgekrönten unab-
                                                          Kampf um Marktanteile ruhig gegenseitig zer-        hängigen Studio, das «Moonlight» von Barry
                                                          fleischen. Optimistischere Stimmen sehen in         Jenkins und «The Killing of a Sacred Deer» von
                                                          den neuen Angeboten Zeichen eines reifen-           Yorgos Lanthimos produzierte.
                                                          den Marktes, der sich zum Wohl der Konsu-               Konkrete Zahlen verdeutlichen, welch
                                                          menten diversifiziert. Eric Sheridan erwähnt        enorme Summen diese neuen Akteure der
                                                          die Generation iPad, die lineares Fernsehen         audiovisuellen Branche investieren. Apple
                                                          kaum noch kennt und nur noch VoD konsu-             budgetierte schon vor der Lancierung rund
                                                          miert.                                              eine Milliarde Dollar für die Produktion eige-
                                                              Wie können die Plattformen in diesem            ner Inhalte. Netflix investierte 2018 zwölf
                                                          Ökosystem überleben? Indem sie immer grös-          Milliarden Dollar und sieht für 2019 weitere
                                                          ser werden und so die Konkurrenz ausschal-          15 Milliarden vor, «um immer mehr Content
                                                          ten. An der Spitze ist kein Platz für mehrere       für verschiedene Märkte weltweit zu produ-
                                                          Vollangebote, nur die Nischenangebote fol-          zieren, mit dem Ziel, neue Abonnenten zu
                                                          gen einer anderen wirtschaftlichen Logik. Die       gewinnen und das Wachstum zu fördern»,
                                                          Strategie der grossen Anbieter besteht darin,       analysiert Eric Sheridan.
«Once Upon a Time in the West» (1968) von Sergio Leone.

                                                                                      A        L          I        V        E                seit
                                                                                                                                            1973

                                                                                   FILMPROMOTION
            Casting und Fitting Studio
            beni.ch
            Heinrichstr. 177 8005 Zürich
                                                                                   Das grösste Schweizer
            beni@beni.ch | 044 271 20 77                                           Kultur-Werbe-Netzwerk
            Preise für Studiobenützung
            halber Tag             CHF          300.-                              Plakataushang Kulturplakatstellen
            ganzer Tag             CHF          400.-
            7 Tage
            alle Preise exkl. MWST
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