Schweizer Wirtschaft: Wo es floriert und hapert - Credit Suisse
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Global CIO Office Swiss Economics Schweizer Wirtschaft: Wo es floriert und hapert Monitor Schweiz | 2.Q 2021 Konjunktur Schweiz Fokus Geldpolitik Schweizer Wirtschaft im Prognose Gastgewerbe: Was hat Opportunistische Erholungsboom uns letztes Jahr gelehrt? Devisenverkäufe Seite 6 Seite 11 Seite 20
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Die Schweizer Wirtschaft hat die Corona-Pandemie bisher mit erstaunlich geringen Einbussen überstanden. Dies zumindest, wenn man das Bruttoinlandprodukt (BIP) als Massstab verwendet: Trotz der massiven zweiten Infektionswelle hat das BIP das Vorkrisenniveau mittlerweile annä- hernd wieder erreicht. Infolge der Fortschritte bei der COVID-19-Impfkampagne und des verstärkten Testregimes flaut die Pandemie zudem kontinuierlich ab, sodass sich die wirtschaftlichen Aussichten für das 2. Halbjahr 2021 äusserst positiv präsentieren, wie wir in unseren Artikeln zur Schweizer Wirt- schaftsprognose auf Seite 6 zeigen. Einerseits erholt sich die Industrie dank der global überdurch- schnittlich hohen Nachfrage nach Gütern nach wie vor derart rasch, dass verbreitet sogar Knapp- heit herrscht; andererseits springt die Aktivität in den meisten Dienstleistungsbranchen nach den Lockerungen der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie quasi automatisch wieder an. Die insgesamt positive Entwicklung verdeckt allerdings die sehr schwierige Lage in einzelnen Branchen, allen voran im Gastgewerbe. Im Pandemiejahr 2020 verzeichneten die Gastronomie und der Tourismus einen Umsatzeinbruch von 40% beziehungsweise 67%. Nur einzelne Seg- mente wie die Parahotellerie oder Take-aways konnten von der Coronakrise profitieren. Wie wir im Fokus-Artikel auf Seite 11 darlegen, ist das Ende der Durststrecke für die Gastronomie mittler- weile absehbar, obschon die Beschränkungen der Anzahl Gäste, die an einem Tisch erlaubt sind, sowie die infolge der Abstandsregeln tieferen Kapazitäten eine vollständige Umsatzerholung bis auf Weiteres hemmen. Dagegen gibt es für die weitere Entwicklung der Tourismusbranche di- verse Szenarien. Gemeinsam ist ihnen allen, dass eine rasche Rückkehr zur Vorkrisensituation eher unwahrscheinlich ist. Ebenfalls erst einen Minischritt Richtung «Normalisierung» hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) vollzogen. Gemäss unseren Schätzungen im Artikel zur Geldpolitik auf Seite 20 hat die SNB in den vergangenen Monaten in geringem Umfang Fremdwährungsreserven verkauft. In un- seren Augen will sie mit diesen Verkäufen aber nicht die Geldmenge verknappen oder gar den Franken stärken, sondern hat lediglich den zuletzt leicht schwächeren Franken genutzt, um zu «testen», wie der Markt auf Devisenverkäufe reagiert. Wir gehen entsprechend unverändert davon aus, dass die SNB auf ein etwaiges Erstarken des Frankens mit erneuten Fremdwährungskäufen reagieren würde und dass eine Erhöhung des Leitzinses hierzulande bis mindestens Ende 2022 kein Thema ist. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. André Helfenstein Claude Maurer CEO Credit Suisse (Schweiz) AG Chefökonom Schweiz Swiss Economics | 2.Q 2021 3
Inhalt Konjunktur Schweiz 6 Schweizer Wirtschaft im Erholungsboom Im Zuge der abflauenden Pandemie erholt sich die hiesige Wirtschaft rasant. Wir erwarten für 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 3.5%. Der Aufschwung wird aber an Dynamik verlieren, weshalb wir für 2022 von einer Abschwächung des BIP-Wachstums auf 2.0% ausgehen. Konjunktur | Monitor 7 Branchen | Monitor 8 Fokus 11 Prognose Gastgewerbe: Was hat uns letztes Jahr gelehrt? Im Pandemiejahr 2020 verzeichneten die Gastronomie und die Tourismusbranche einen Umsatzeinbruch von 40% respektive 67%. Nur einzelne Segmente wie die Parahotellerie oder Take-aways konnten profitieren. Während das Ende der Durststrecke für die Gastronomie absehbar ist, könnte sich der Tourismus in diverse Richtungen entwickeln. Geldpolitik 20 Opportunistische Devisenverkäufe Gemäss unseren Schätzungen hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) in geringem Umfang Fremdwährungsreserven verkauft. Diese Verkäufe stellen keine eigentliche geldpolitische Straffung dar. Fremdwährungskäufe sind unseres Erachtens weiterhin wahrscheinlich, falls der Aufwärtsdruck auf den CHF wieder steigen sollte. Geldpolitik I Monitor 21 Immobilien | Monitor 22 Credit Suisse Vorlaufindikatoren 23 Prognosen und Indikatoren 25 Swiss Economics | 2.Q 2021 4
Konjunktur Schweiz Schweizer Wirtschaft im Erholungsboom Im Zuge der abflauenden Pandemie erholt sich die hiesige Wirtschaft rasant. Wir erwarten für 2021 ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 3.5%. Der Aufschwung wird aber an Dynamik verlieren, weshalb wir für 2022 von einer Abschwächung des BIP-Wachstums auf 2.0% ausgehen. Geringerer Die Wirtschaftsleistung hat gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft SECO im 1. Quartal 2021 ge- wirtschaftlicher genüber dem Vorquartal abgenommen, wenn auch angesichts der Stärke des Infektionsgesche- Schaden der zweiten hens nur leicht (–0.5%). Letzteres hat mehrere Gründe: Erstens profitierte die Industrie direkt Pandemiewelle oder indirekt von der frühen Erholung der Nachfrage aus Asien, und die Grenzen blieben für den Handel offen. Zweitens ging die Mobilität der Bevölkerung weniger stark zurück als im Frühjahr 2020, und die Wirtschaftsleistung reagierte weniger stark auf den Mobilitätsrückgang – offenbar waren die Menschen geübter im Umgang mit dem Virus. Drittens waren die Einschränkungen we- niger einschneidend, und die Kinderbetreuung war sichergestellt. Dynamische Erholung Mit der Wiedereröffnung weiter Teile der Wirtschaft hat die Erholung quasi automatisch eingesetzt im 2. Halbjahr 2021 (vgl. Abb. 1), zumal ein Grossteil der Haushalte auch in der zweiten Welle einen (zusätzlichen) Sparüberschuss anhäufte, der derzeit mehrheitlich wieder ausgegeben wird. Konkret gehen wir davon aus, dass sich der Privatkonsum mit gewissen Ausnahmen, wie etwa dem Eventbereich oder Teilen des Gastgewerbes, bis im Frühherbst wieder normalisieren wird. Derweil dauert der Erholungsboom in der Industrie an. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie, der die Nachfrage in der Industrie widerspiegelt – liegt derzeit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995. Insgesamt dürfte das BIP dieses Jahr um 3.5% zulegen und damit den Einbruch von 2020 (–2.6%) mehr als kompensieren. Wachstumsdynamik Für 2022 rechnen wir indes mit einer Abschwächung der Wachstumsdynamik auf 2.0%. Die dürfte sich 2022 Nachholeffekte dürften zunehmend entfallen, zumal gemäss unseren Schätzungen rund 30% der abschwächen Ersparnisse aus den zwei Lockdowns zu «Vorsichtsersparnissen» werden sollten (was einem An- stieg der Sparquote um beinahe 1 Prozentpunkt entspricht). Derweil wird sich die Nachfrage nach Gütern in den nächsten Monaten etwas abschwächen, wenn den Menschen weltweit dank der Öffnungen wieder andere Konsummöglichkeiten zugänglich werden. Bereits zeigt sich denn auch eine gewisse Skepsis der Unternehmen hinsichtlich der Dauer des Erholungsbooms: Trotz Knapp- heitserscheinungen in der Industrie stellen sie nämlich nur zurückhaltend neues Personal ein (vgl. Abb. 2). Abb. 1: Im Zuge der Öffnung setzt die Erholung ein Abb. 2: PMI auf Rekordstand – Beschäftigungskomponente nicht Umsatz-Index, Wochendurchschnitte. 1. Oktober 2020 = 100 Wachstumsschwelle = 50 80 Massnahmen Detailhandel Gastronomie Unterhaltung, Sport PMI Index Subkomponente Beschäftigung 160 70 140 60 120 100 50 80 40 60 40 30 20 20 0 1995 1999 2003 2007 2011 2015 2019 Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. Mär. Apr. Mai. Jun. Quelle: Monitoring Consumption Switzerland, Credit Suisse Quelle: procure.ch, Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 6
Konjunktur | Monitor Inflation Inflation dürfte vorübergehend auf 1.0% steigen Inflation, in % Die Teuerung in der Schweiz wird in den kommenden Mo- 2.0 Inflationsrate Prognose naten in Einklang mit der globalen Entwicklung steigen. Die 1.5 Inflationsrate dürfte hierzulande zum Jahresende rund 1.0% 1.0 betragen – was aber immer noch deutlich tiefer wäre als in 0.5 den meisten anderen Volkswirtschaften. Preiserhöhungen dürften vor allem bei den Freizeitaktivitäten auftreten, und 0.0 zwar insbesondere bei Pauschalreisen. Aber auch die Preise -0.5 für Hotels, Restaurants und Haushaltwaren werden wohl -1.0 steigen. Für das Jahr 2021 erwarten wir eine durchschnittli- -1.5 che Inflationsrate von 0.5 % (bisher 0.3 %), auf die 2022 ein abermaliger allgemeiner Preisanstieg von 0.5% folgen -2.0 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 sollte. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse (Prognose ab 2. Quartal 2021) Beschäftigung Die Zahl der Taggeldbezüger im Zwischenverdienst steigt Anzahl registrierter Arbeitsloser bzw. Stellensuchender; letzter Datenpunkt: Mai 2021 Die Arbeitslosigkeit erreichte im Januar 2021 ihren höchs- 350’000 80’000 Nicht-arbeitslose Stellensuchende ten Stand seit der Finanzkrise von 2009. Seitdem ist sie 300’000 Arbeitslose 70’000 Stellensuchende im Zwischenverdienst (rechte Achse) rückläufig, was zum Teil auf saisonale Faktoren zurückzu- 250’000 60’000 führen ist. Kaum zurückgebildet hat sich indes die Zahl nicht arbeitsloser Stellensuchender, d.h. von Personen, die zwar 200’000 50’000 auf der Suche nach einer Stelle, aber nicht sofort vermittel- 150’000 40’000 bar sind. Insbesondere die Zahl der Personen im Zwischen- 100’000 30’000 verdienst ist seit Anfang Jahr Monat für Monat angestiegen. Als Zwischenverdienst gelten Tätigkeiten, die Bezüger von 50’000 20’000 Arbeitslosengeldern annehmen, um ihre finanzielle Situation 0 10’000 aufzubessern, obwohl der Lohn unter ihrem Taggeld liegt. Apr 2019 Jul 2019 Apr 2020 Jul 2020 Apr 2021 Okt 2019 Okt 2020 Jan 2019 Jan 2020 Jan 2021 Ein Beispiel für solche Zwischenverdienste sind Aushilfsjobs in Corona-Impfzentren. emilie.gachet@credit-suisse.com Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Credit Suisse Zuwanderung Schweizer bleiben in Krisenzeiten eher der Heimat treu Migrationssaldo der ständigen schweizerischen Wohnbevölkerung in Anzahl Personen Im vergangenen Jahr war die Migrationsbilanz der Wohnbe- völkerung mit Schweizer Nationalität mit einem Saldo von -500 –218 Personen beinahe ausgeglichen. Dieses Ergebnis ist -1500 angesichts der besonderen Situation infolge der Coronakrise -2500 und der damit verbundenen Einschränkungen und Unsicher- -3500 heiten nicht überraschend. Analog zur Entwicklung bei den Ausländern gingen die Wegzüge von Schweizer Bürgern zu- -4500 rück, während mehr Schweizer in die Heimat zurückkehrten. -5500 Die Migrationsbilanz der Schweizer ist traditionell negativ, es -6500 lässt sich jedoch beobachten, dass die Auswanderungslust -7500 bei schlechter Konjunktur tendenziell abnimmt. -8500 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 sara.carnazzi@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 7
Branchen | Monitor Pharmazeutische Industrie Pharmaexporte legen im 1. Quartal 2021 wieder zu Entwicklung der Pharmaexporte ggü. Vorkrisenniveau (gleiches Quartal im Jahr 2019), nach Ländern, saisonbereinigt, und Anteil an Gesamt-Pharmaexporten Im 1. Quartal 2021 haben die Pharmaexporte im Vergleich 1.Q 2020 2.Q 2020 3.Q 2020 4.Q 2020 1.Q 2021 Gewicht zu ihrem Vorkrisenniveau um über 10% zugelegt. Dies ist 50% insbesondere auf die Exportmärkte USA und China zurück- zuführen. In Deutschland und Italien geht die Erholung nur 40% schleppend voran. Dafür zeigen jüngst weitere europäische 30% Märkte wie Spanien oder Frankreich Zeichen einer positiven 20% Entwicklung. Dank der raschen Impffortschritte dürften die Hospitalisierungen von COVID-19-Patienten weiter abneh- 10% men, während sich der Spitalbetrieb wieder normalisiert. 0% Dies sollte die Nachfrage nach Schweizer Pharmaexporten auch in den nächsten Monaten stützen. -10% 100% 50% 25% 15% 5% 5% -20% Total Andere USA Deutschland Italien China tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) Erholung der MEM-Exporte schreitet voran MEM-Exporte nach Land, saisonbereinigt, indexiert (Dez. 2019 = 100) Die Exporte der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie Deutschland Frankreich Italien China USA (MEM) in die wichtigsten Abnehmerländer haben sich seit 140 Jahresbeginn 2021 solide entwickelt. Im März erreichten die 130 MEM-Exporte das höchste Niveau seit Mai 2019. Dies ist auf die starke globale Güternachfrage zurückzuführen. 120 Obschon zurzeit einige Lieferengpässe in den internationalen 110 Wertschöpfungsketten bestehen, dürfte sich der Auf- 100 schwung der globalen Produktion fortsetzen. Folglich wird 90 auch die Erholung der MEM-Industrie anhalten. 80 70 60 Dez. 2019 März 2020 Juni 2020 Sep. 2020 Dez. 2020 März 2021 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Uhrenindustrie Wachstum der Uhrenexporte nach China und in die USA Uhrenexporte, Veränderung ggü. Vorkrisenniveau (gleiches Quartal im Jahr 2019), nach Ländern, saisonbereinigt Nach einem durchweg schwierigen Jahr 2020 haben die 1.Q 2020 2.Q 2020 3.Q 2020 4.Q 2020 1.Q 2021 Uhrenexporte im 1. Quartal 2021 beinahe wieder ihr Vorkri- 80% senniveau aus dem Jahr 2019 erreicht. In China scheint ein 60% gewisser Nachholkonsum stattgefunden zu haben, die Uh- 40% renexporte dorthin nahmen stark zu. In den USA dürften 20% derweil die Unterstützungszahlungen der Regierung an die Haushalte auch die Uhrennachfrage erhöht haben. Wir er- 0% warten, dass die schrittweise Lockerung der Restriktionen in -20% der Europäischen Union (EU) die Konsumentenstimmung -40% heben und somit auch zu einer Erholung der Uhrenexporte in -60% die EU beitragen sollte. -80% China Hongkong Japan USA Andere tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 8
Branchen | Monitor Detailhandel Leichter Preisrückgang während der Corona-Pandemie Saisonbereinigte Detailhandelsumsätze und Preise im Detailhandel Neben der vorübergehenden Schliessung sind «Rabatt- 14% 14% schlachten» ein weiteres – in den Medien oft diskutiertes – 12% 12% Thema, das dem Non-Food-Handel während der Corona- 10% 10% Pandemie zusetzt. Der Landesindex der Konsumentenpreise 8% 8% zeigt, dass die Preise für Detailhandelsgüter 2020 und zu 6% 6% Beginn 2021 in der Tat leicht rückläufig waren. Dies war 4% 4% hauptsächlich auf die Preisentwicklung im Non-Food-Sektor 2% 2% zurückzuführen. In einigen Segmenten wie zum Beispiel 0% 0% Freizeit oder Do-it-yourself/Garten/Autozubehör dürften sich -2% -2% in den kommenden Monaten aber die globalen Liefereng- -4% pässe bemerkbar machen und zu höheren Preisen führen. -4% 1Q.2014 1Q.2015 1Q.2016 1Q.2017 1Q.2018 1Q.2019 1Q.2020 Preise Nominale Umsätze Reale Umsätze tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: GfK, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Tourismus Städtetourismus leidet weiter unter Corona-Pandemie Veränderung Logiernächte im 1. Quartal 2021 ggü. Vorkrisenniveau (1. Quartal 2019), nach Tourismusregion Im 1. Quartal 2021 hat sich die gleiche Entwicklung abge- Genf -77% Zürich Region -74% zeichnet wie bereits im Jahr 2020: In städtischen Touris- Basel Region -70% musregionen blieben sowohl inländische als auch ausländi- Bern Region -64% sche Gäste weitgehend aus. In Schweizer Ferienregionen Waadt -56% Fribourg Region -54% fiel der Rückgang dank der Inlandtouristen nicht ganz so Aargau Region -48% stark aus. Aufgrund der vielen Schweizer Gäste konnte das Total -45% Jura & Drei-Seen-Land -44% Tessin sein Vorkrisenniveau sogar halten. Auch in den Luzern / Vierwaldstättersee -42% nächsten Monaten wird der Inlandtourismus die Schweizer Berner Oberland -37% Ferienregionen gegenüber den Städten begünstigen. Flug- Wallis -34% Ostschweiz -34% reisen werden wohl weiterhin erschwert bleiben. Das grenz- Graubünden -24% nahe Ausland dürfte aber für einige Schweizer im Hinblick Tessin 0% auf die Sommerferien eine Alternative darstellen. -80% -60% -40% -20% 0% 20% tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Informationstechnologie (IT) Stimmung in der IT-Branche wieder auf Vorkrisenniveau Geschäftslage; Anteil der befragten IT-Dienstleister, Saldi in Prozentpunkten; Quar- talswerte Die Stimmung der IT-Dienstleister hat sich gegen Ende des 80 Erbringung von IT-Dienstleistungen Langfristiger Durchschnitt 1. Quartals 2021 deutlich aufgehellt und ist über den lang- 70 fristigen Durchschnitt geklettert. Aktuell liegt der Saldo zwi- 60 schen Unternehmen, die ihre Geschäftslage als positiv beur- teilen, und denjenigen, die sie als negativ beurteilen, bei 50 50.6% (vorheriges Quartal: 15.5%). Damit reflektiert die 40 Lage in der IT-Branche die Erholung der weiteren Dienst- 30 leistungsbranchen sowie die schon fast euphorische Stim- mung in der Industrie (vgl. PMI Seite 23). Auch in den 20 nächsten Monaten dürfte die Nachfrage nach IT-Dienstleis- 10 tungen hoch bleiben, was sich weiterhin positiv auf deren 0 Entwicklung auswirken dürfte. 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 9
Swiss Economics | 2.Q 2021 10
Fokus Prognose Gastgewerbe: Was hat uns letztes Jahr gelehrt? Im Pandemiejahr 2020 verzeichneten die Gastronomie und die Tourismusbranche einen Umsatzeinbruch von 40% respektive 67%. Nur einzelne Segmente wie die Parahotellerie oder Take-aways konnten profitieren. Während das Ende der Durststrecke für die Gastronomie absehbar ist, könnte sich der Tourismus in diverse Richtungen entwickeln. Bundesrat Das Gastgewerbe atmet auf: Am 26. Mai 2021 beschloss der Bundesrat eine weitere Lockerung beschliesst der Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Restaurants und Bars dürfen Gäste Lockerungen für das nun auch wieder im Innern empfangen. Ausserdem lassen die Impffortschritte Hotelbetreiber da- Gastgewerbe rauf hoffen, dass die ausländischen Touristen bald in die Schweiz zurückkehren werden. Erhöhen diese Faktoren die Chancen einer raschen Erholung des Gastgewerbes? Oder müssen wir gar mit langfristigen Folgeschäden rechnen? Im Folgenden versuchen wir, diese Fragen zu beantworten, und treffen eine Prognose für die Entwicklung des Gastgewerbes in den kommenden Monaten. In einem ersten Schritt analysieren wir dafür die Entwicklungen, welchen die Branche im Pandemie- jahr 2020 ausgesetzt war. Übernachtungen in Der Begriff «Gastgewerbe» umfasst sowohl die Gastronomie als auch den Tourismus1, die im Pan- Schweizer Hotels demiejahr 2020 beide herbe Verluste hinnehmen mussten. In der Gastronomie – also Restau- brechen 2020 um rants, Bars und dergleichen – schätzen wir anhand von Debit- und Kreditkartentransaktionen, 35% ein dass die Umsätze im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um insgesamt rund 40% eingebrochen sind. Derweil nahmen die gebuchten Übernachtungen in der Tourismusbranche gemäss Bundes- amt für Statistik um 35% ab. Folglich war der Einbruch zumindest etwas weniger ausgeprägt als z.B. in der Europäischen Union (–40%), was wohl den weniger stringenten Massnahmen während der zweiten Coronawelle im Spätherbst und Winter zu verdanken ist (vgl. Abb. 1). Dank Kurzarbeit wurden zudem die Beschäftigten der Tourismusbranche nicht ganz so stark in Mitleidenschaft ge- zogen wie etwa in den USA. Mittlerweile hat sich die Situation dort zwar wieder etwas beruhigt, im April 2020 betrug die Arbeitslosigkeit zwischenzeitlich aber 40% (vgl. Abb. 2). Obwohl die Zahlen nicht eins zu eins mit jenen in der Schweiz vergleichbar sind, zeigen die im Mai 2020 rund 10% registrierten Arbeitslosen in Tourismus und Gastronomie, wie wichtig die Unterstützungsmassnah- men des Bundes während der Coronakrise waren (vgl. Box Arbeitsmarkt, folgende Seite). Abb. 1: EU mit 40% und Schweiz mit 35% weniger Übernachtungen Abb. 2: US-Tourismus: Fast 50% der Angestellten verloren ihren Job Veränderung Anzahl Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben gegenüber ent- USA: Anzahl Beschäftigte in Mio. und Arbeitslosigkeit in % im Sektor Freizeit und sprechendem Monat im Jahr 2019, Europäische Union (EU) und Schweiz Gastgewerbe 40% EU Schweiz Beschäftigte in Mio. (linke Achse) Arbeitslosenquote (rechte Achse) 20 45% 20% 40% 18 0% 35% 16 -20% 30% 14 25% -40% 12 20% -60% 15% 10 -80% 10% 8 -100% 5% Jan. 20 Feb. 20 März 20 Mai 20 Aug. 20 April 20 Juni 20 Juli 20 Sept. 20 Okt. 20 Nov. 20 Dez. 20 Jan. 21 6 0% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Statistisches Amt der Europäischen Union (ESTAT), Bundesamt für Statistik, Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics, Credit Suisse Credit Suisse Letzter Datenpunkt: April 2021 1 Wir beziehen uns mit dem Begriff «Tourismus» auf die Beherbergungsbranche, das heisst auf die Hotellerie und Parahotellerie. Auf weitere Bereiche des Tourismus (z.B. Flugbranche oder Reiseanbieter) gehen wir in dieser Analyse nicht ein. Swiss Economics | 2.Q 2021 11
Starker Einbruch am Arbeitsmarkt 2020, Lage 2021 bisher ebenfalls angespannt Der Schweizer Arbeitsmarkt hat sich in der Coronakrise als widerstandsfähiger erwiesen als ur- sprünglich befürchtet. Ende März 2021 lag die vollzeitäquivalente Beschäftigung hierzulande ins- gesamt «nur» um 1.0% unter ihrem Niveau von Ende 2019. Diese eher positive Entwicklung verdeckt allerdings die äusserst schwierige Lage in einzelnen Branchen, allen voran im Gastge- werbe. Letztes Jahr gingen in diesem Sektor über 26’600 Vollzeitstellen verloren, und im 1. Quartal 2021 wurden weitere 6300 abgebaut. Seit Ende 2019 beläuft sich der Beschäfti- gungsrückgang in der Branche damit auf knapp 17%. Am stärksten betroffen war die Gastrono- mie mit einem Minus von über 19% (vgl. Abb. 3). Hier war im ersten Lockdown eine praktische Verdoppelung der Arbeitslosigkeit in nur zweieinhalb Monaten zu verzeichnen: Ende Mai 2020 waren knapp 18’700 Personen, die zuvor im Gastgewerbe tätig waren, bei einem regionalen Ar- beitsvermittlungszentrum als arbeitslos registriert – 9000 mehr als im Februar. Nach einer zwi- schenzeitlichen Entspannung im Sommer 2020 kletterte die Arbeitslosigkeit im Zuge des zwei- ten Lockdowns wieder nach oben, Anfang 2021 lag sie sogar leicht über dem Niveau vom Früh- ling 2020. Gemessen am Arbeitsvolumen war der Einbruch im Gastgewerbe noch dramatischer: 2020 wur- den in der Beherbergung und der Gastronomie insgesamt 29% weniger Arbeitsstunden geleistet als ein Jahr zuvor. Das Instrument der Kurzarbeit erwies sich somit in der Krise als wesentliche Stütze für die Branche. Rund ein Fünftel der seit Beginn der Pandemie ausbezahlten Kurzar- beitsentschädigungen in Höhe von über CHF 13 Mrd. ging an das Gastgewerbe, 14% alleine an Gastronomiebetriebe. Im bisherigen Jahresverlauf 2021 macht der Anteil des Gastgewerbes an den gesamten Kurzarbeitsentschädigungen sogar rund ein Drittel aus. Angesichts der Fortschritte der Impfkampagne und der jüngsten Lockerungen hellen sich die Aussichten für das Gastgewerbe etwas auf. Was dies mittelfristig für die Branchenbeschäftigung bedeutet, ist noch schwer abzuschätzen und wird primär davon abhängen, welches Szenario in der Erholungsphase eintreten wird (vgl. unten). Es dürfte jedoch kaum mit einem kräftigen Be- schäftigungswachstum in den kommenden Monaten zu rechnen sein. Denn in einer ersten Phase dürften zuerst Mitarbeitende aus der Kurzarbeit zurückgeholt werden, die in der Statistik weiterhin als beschäftigt gelten. Unseren Schätzungen zufolge befand sich im März 2021 noch rund die Hälfte der Branchenbeschäftigten in Kurzarbeit (vgl. Abb. 4), mit durchschnittlich 110 Ausfallstunden pro betroffenem Arbeitnehmenden. Städtische Regionen Nicht alle Bereiche der Tourismusbranche wurden 2020 gleich stark durch den Ausbruch des leiden am stärksten Coronavirus beeinträchtigt. Eine Analyse nach Tourismusregionen zeigt, dass vor allem städtische unter Coronakrise Regionen wie Genf, Zürich oder Basel stark unter der COVID-19-Krise gelitten haben (vgl. Abb. 5). Sowohl der Rückgang der inländischen als auch ausländischen Touristen war in diesen Tourismusregionen im Vergleich zum Vorjahr am deutlichsten (vgl. Abb. 6, folgende Seite). Dies dürfte einerseits dem Wegfall vieler Geschäftsreisenden zuzuschreiben sein. Andererseits veran- lassten Schutzmassnahmen wie die temporäre Schliessung kultureller Betriebe und vielleicht auch eine gewisse Vorsicht sowohl in- als auch ausländische Freizeittouristen grösstenteils dazu, im Jahr 2020 von Städtetrips abzusehen. Abb. 3: Gastronomie ist die Branche mit den grössten Jobverlusten Abb. 4: Kurzarbeit im Gastgewerbe noch stark beansprucht Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten, Index 4. Quartal 2019 = 100 Schätzung Anteil Arbeitnehmende in Kurzarbeit an der Beschäftigung (gestrichelte Linie: provisorische Werte, Abrechnungen können noch eingereicht werden) 105 80% Total Gastgewerbe Beherbergung Gastronomie Beherbergung Gastronomie 70% 100 60% 50% 95 40% 30% 90 20% 10% 85 0% Jan 2020 Feb 2020 Mär 2020 Apr 2020 Mai 2020 Jun 2020 Jul 2020 Aug 2020 Sep 2020 Okt 2020 Jan 2021 Nov 2020 Feb 2021 Mär 2021 Dez 2020 80 4.Q 2019 1.Q 2020 2.Q 2020 3.Q 2020 4.Q 2020 1.Q 2021 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 12
Demgegenüber illustriert Abbildung 6, dass Schweizer Touristen die typischen heimischen Ferien- regionen wie das Berner Oberland, Graubünden oder das Tessin in grosser Zahl besuchten. Diese Tourismusregionen konnten allesamt mehr Inlandtouristen als im Vorjahr verbuchen. Ausländische Gäste Die Tourismusströme unterschieden sich nicht nur hinsichtlich der Regionen und der Herkunft, sind wichtig für Vier- sondern auch hinsichtlich der Beherbergungsform2. Betrachtet man ausschliesslich die Hotellerie, und Fünfsternehotels zeigt sich, dass die Übernachtungen im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um über 40% und da- mit im Vergleich zur gesamten Tourismusbranche überdurchschnittlich stark eingebrochen sind. Innerhalb der Hotellerie ist der Rückgang der Übernachtungen in Dreisternehotels mit 36% gerin- ger als in Ein- und Zweisternehotels (–48%), in Viersternehotels (–44%) und Fünfsternehotels (–47%) (vgl. Abb. 7). Dies widerspiegelt die Popularität von Dreisternehotels unter den Inlandtou- risten (vgl. Abb. 8). Andererseits scheint der Wegfall der internationalen Touristen für Vier- und Fünfsternehotels, bei welchen internationale Gäste einen höheren Anteil stellen, besonders ein- schneidend gewesen zu sein. Da amerikanische und asiatische Gäste in der Schweiz traditionell am luxuriösesten logieren – sie haben in den Vier- und Fünfsternekategorien einen überproportio- nalen Stellenwert und stellen über 40% der Gäste in diesen Hotels dar –, war diese Hotelkatego- rie von der eingeschränkten Flugreisetätigkeit besonders stark betroffen. Einnahmen sinken Angesichts dieser Verschiebung von höheren zu niedrigeren Preissegmenten erstaunt es nicht, stärker als dass bei Betrachtung aller Beherbergungsformen die Einnahmen aus Übernachtungen (–67%) Übernachtungen stärker zurückgingen als die Übernachtungen selbst (–35%). Die reine Betrachtung Letzterer un- terschätzt somit den wirtschaftlichen Verlust. Eine Auswertung der Umsätze nach Sterneklasse lässt indes vermuten, dass Luxushotels im Krisenjahr wohl fähig waren, einen Teil der entgange- nen Übernachtungen durch höhere Preise wettzumachen (vgl. Abb. 7). Die Einnahmeeinbussen von Fünfsternehotels waren im Vergleich zu den anderen Klassen nämlich etwas geringer. Das Gegenteil gilt für Dreisternebetriebe: Diese Hotelklasse verzeichnete trotz eines relativ geringen Rückgangs der Übernachtungen hohe Einnahmeeinbussen. Wahrscheinlich ist dies auf gewährte Rabatte und Sonderaktionen zurückzuführen, die mehr Gäste anlocken sollten. Abb. 5: Einbruch der Übernachtungen in Städten ausgeprägter Abb. 6: Inlandtouristen strömten 2020 in heimische Ferienregionen Veränderung Anzahl Logiernächte 2020 ggü. 2019, alle Beherbergungsstätten Veränderung Anzahl Logiernächte 2020 ggü. 2019, alle Beherbergungsstätten, nach Herkunft der Touristen Total -35% Ausländische Touristen Schweizer Touristen Graubünden -4% Total Tessin -11% Berner Oberland Jura & Drei-Seen-Land -12% Graubünden Ostschweiz -19% Tessin Wallis Wallis -20% Jura & Drei-Seen-Land Fribourg Region -30% Luzern / Vierwaldstättersee Berner Oberland -33% Ostschweiz Aargau Region -40% Fribourg Region Luzern / Vierwaldstättersee -41% Waadt Waadt -42% Bern Region Bern Region -47% Aargau Region Basel Region -59% Genf Zürich Region -64% Basel Region Genf -67% Zürich Region -80% -60% -40% -20% 0% -80% -60% -40% -20% 0% 20% 40% Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Abb. 7: Umsatzeinbussen der Luxushotels vergleichsweise gering Abb. 8: Amerikaner und Asiaten logieren am luxuriösesten Veränderung Einnahmen und Übernachtungen in der Hotellerie, 2020 ggü. 2019 Logiernächte in der Hotellerie nach Sternekategorie und Herkunftsländern, 2019 Einnahmen Übernachtungen 1 und 2 Sterne 3 Sterne 4 Sterne 5 Sterne k.A. -72% 1 Stern Schweiz 5% -60% 33% 27% 6% 30% -70% Total Ausland 6% 27% 33% 11% 23% 3 Sterne -36% Europa 7% 29% 29% 8% 28% -69% 4 Sterne Asien 4% 25% 40% 13% 18% -44% -68% Amerika 6% 23% 38% 18% 15% 2 Sterne -42% Ozeanien 9% 29% 34% 10% 18% -64% 5 Sterne Afrika 9% 27% 28% 13% 24% -47% -80% -70% -60% -50% -40% -30% -20% -10% 0% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse 2 Die betrachteten Beherbergungsformen sind die Hotellerie, die Hotels umfasst, und die Parahotellerie, zu der Camping, Kurstätten und Gruppenunterkünfte zählen. Swiss Economics | 2.Q 2021 13
Stärkere Nachfrage Ähnliches gilt für die Parahotellerie, die autarke Beherbergungsformen wie Camping und Grup- nach Parahotellerie penunterkünfte sowie Kurbetriebe umfasst. Auch hier scheinen Rabatte oder eine Verschiebung während der ins tiefere Preissegment eine Rolle gespielt zu haben. Denn während die Einnahmen um 39% Coronakrise eingebrochen sind, legten die Logiernächte um 5% zu. Die stärkere Nachfrage nach diesen Tou- rismusarten lässt sich einerseits damit erklären, dass die Verpflegung in autarken Beherbergungs- formen angesichts der Beschränkungen im Gastronomiebereich einfacher war, und andererseits damit, dass sie trotz Eindämmungsmassnahmen einen Urlaub in Gruppen ermöglichten. Abermals profitierten insbesondere Betriebe in Ferienregionen, während der städtische Tourismus auch bei autarken Beherbergungsformen insgesamt einen Rückgang hinnehmen musste (vgl. Abb. 9). Be- trachtet man jedoch nur die Inlandtouristen, wird die erhöhte Popularität der Parahotellerie in den Ferienregionen zwar noch offensichtlicher, der Stadt-Land-Unterschied ist aber nicht mehr ganz so eindeutig. Genf und die Region Bern beispielsweise verzeichneten 2020 einen Zuwachs an Übernachtungen in autarken Beherbergungsformen. Es scheint, als hätten Inlandtouristen, so sie überhaupt zu Städtetrips aufbrachen, in autarken Beherbergungsformen logiert. Abb. 9: Parahotellerie legt insgesamt um 5% zu, Entwicklung unterscheidet sich aber stark nach Region Logiernächte in der Parahotellerie nach Tourismusregion, Veränderung 2020 ggü. 2019 Genf -57% 20% -25% Total Gäste Basel Region -24% Zürich Region -22% Schweizer Gäste -5% Aargau Region -22% -13% Bern Region -12% 9% Berner Oberland -10% 52% Waadt -5% 6% Luzern / Vierwaldstättersee -1% 24% Ostschweiz 2% 13% Tessin 5% 19% Wallis 50% Fribourg Region 23% 35% Jura & Drei-Seen-Land 31% 43% Graubünden 56% 86% -80% -60% -40% -20% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Getroffene Auch in der Gastronomie zeigten sich regionale Unterschiede. Anhand der Umsätze nach Gross- Massnahmen zeigen räumen lässt sich beispielsweise analysieren, wie sich die behördlich angeordneten Schliessungen sich sofort in von Restaurants und Bars auswirkten. Anfang November 2020 beschlossen die Regierungen der Gastronomie- Kantone Genf, Waadt und Wallis einen Teil-Lockdown, in dem Restaurants und Bars ihren Betrieb umsätzen vorübergehend einstellen mussten. Der Umsatzverlust im November 2020 fiel in der Genfer- seeregion entsprechend markant aus (vgl. Abb. 10). Umsatzrückgang in Über das ganze Jahr 2020 hinweg litt die Gastronomiebranche in den städtischen Regionen der Gastronomie Genfersee und Zürich überproportional stark. Die Umsätze in der Nordwestschweiz und im Espace ist in Städten Mittelland entwickelten sich derweil mehr oder weniger in Einklang mit dem Schweizer Durch- ausgeprägter schnitt, während die Zentralschweiz, das Tessin und die Ostschweiz vergleichsweise weniger ge- troffen wurden (vgl. Abb. 11). Eine mögliche Erklärung dafür ist die Bedeutung der Ausgangs- szene für die Gastronomiebetriebe, die in Regionen mit grossen Städten mehr Gewicht haben dürfte. Die Schliessung der Clubs sowie die Sperrstunden werden sich in den Regionen Genfer- see und Zürich daher stärker bemerkbar gemacht haben. Auch die Tourismusströme dürften ihren Teil beigetragen haben. In einigen Kantonen der Zentral- oder Ostschweiz sowie auch im Tessin wurde die lokale Gastronomie durch Schweizer Touristen gestützt. Konkurse haben trotz Bei derart hohen Umsatzeinbussen stellt sich die Frage, ob die Pandemie zu einer Konkurswelle Coronakrise noch und damit zu schwerwiegenden Folgeschäden im Gastgewerbe führen wird. Abbildung 12 zeigt, nicht zugenommen dass dies bis anhin nicht der Fall war. Im Gegenteil: In der Gastronomie werden seit Anfang 2020 weniger Konkurse beobachtet als in den Vorjahren. Dies dürfte grösstenteils den staatlich verord- neten Unterstützungsmassnahmen zu verdanken sein. Man denke dabei an die Ausweitung der Betreibungsferien im ersten Lockdown 2020, als der Bundesrat für insgesamt über fünf Wochen einen Stillstand des Betreibungswesens anordnete. Des Weiteren dürften auch die COVID-19- Swiss Economics | 2.Q 2021 14
Kredite, die Kurzarbeit, die Härtefallregelung und der Erwerbsersatz für Selbstständige wichtige Mittel zur Überlebenssicherung der Gastronomie (gewesen) sein. In der Tourismusbranche sind die Fallzahlen deutlich kleiner, aber auch hier ist bis jetzt kein Trend hin zu einer höheren Konkurs- rate erkennbar. Zudem laufen die Unterstützungsmassnahmen nicht sofort aus. Die für die Härte- fallhilfe relevanten Umsatzausfälle werden noch bis Ende Juni 2021 berücksichtigt, Erwerbser- satzzahlungen laufen noch bis Ende Jahr, und Kurzarbeit können Unternehmen noch bis Ende des 1. Quartals 2022 nutzen. All dies stimmt uns optimistisch, dass die Nachfrage, die im Zuge der schrittweisen Rückkehr zur Normalität voraussichtlich rasch anziehen wird, gut bedient werden kann. Auch Anzahl Neben der Zahl der Konkurse im Gastgewerbe ist auch die Betrachtung der Neugründungen von Neugründungen war Interesse. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die Branche für Unternehmer langfristig an bis jetzt stabil Attraktivität eingebüsst hat. Für eine Antwort analysieren wir die Neueintragungen ins Handelsre- gister seit Anfang 2018 (vgl. Abb. 13). Hier lässt sich keine eindeutige Tendenz hin zu weniger Neugründungen erkennen. Zwar sanken die Neugründungen in der Gastronomie während des ersten Lockdowns 2020, aber sie verharrten über dem Niveau von August 2019. Seit Mai 2020 sind pro Monat durchschnittlich 198 Neugründungen erfolgt, was in etwa dem Mittelwert der letz- ten drei Jahre entspricht (194), die bezüglich Bevölkerungswachstum gut mit dem letzten Jahr vergleichbar sind. Auch im Tourismus lag die Zahl der Neugründungen nur während des ersten Lockdowns etwas unter dem langfristigen Durchschnitt. Nachfrage nach Take- Angesichts der Schwierigkeiten, mit denen sich das Gastgewerbe infolge der COVID-19-Pande- aways ist stark mie konfrontiert sah, erstaunen diese relativ stabilen Gründungsraten und der Anstieg der Anzahl angestiegen Neueintragungen, der seit Beginn des Jahres 2021 in beiden Branchen verzeichnet wurde. Sie könnten auf Neueintragungen in Bereichen zurückzuführen sein, die dank des Coronavirus florie- ren. Take-aways waren beispielsweise so gefragt wie noch nie. Auf Google haben die Suchanfra- gen zu «Take-away» nach Verkündung des ersten und zweiten Lockdowns sprunghaft zugenom- men und halten sich seither auf einem im Vergleich zu den Vorjahren hohen Niveau (vgl. Abb. 14). Auch nach den Begriffen «Lieferservice» und «Lieferdienst» wurde insbesondere im ersten Lock- down deutlich öfter gesucht als zuvor. Unternehmen, die sich ausschliesslich dem Ausliefern von in Restaurants zubereiteten Gerichten widmen, zählen zwar selbst nicht zur Gastronomie, einige Gastronomieanbieter dürften aber die steigende Nachfrage nach Mahlzeiten, die zu Hause geges- sen werden, genutzt haben. Sogenannte «Ghost Kitchens» spezialisieren sich auf die Zubereitung von Gerichten, die sie dann ausliefern (lassen), sie verfügen jedoch über kein traditionelles Lokal mit Sitz- oder Stehplätzen zum Verzehr vor Ort. Abb. 10: Gastronomie erlitt 2020 einen Umsatzeinbruch von 40% Abb. 11: Gastronomie in den Grosszentren stärker belastet Schätzung Gastronomieumsätze nach Grossregion, in CHF Mio. Geschätzter Rückgang der Gastronomieumsätze 2020 ggü. 2019, nach Grossregion 450 400 Zentralschweiz Genferseeregion -49% 350 Ostschweiz Zürich -45% 300 250 Nordwestschweiz -39% Espace Mittelland 200 150 Espace Mittelland -37% Genferseeregion 100 Zentralschweiz -33% 50 Nordwestschweiz 0 Tessin -33% März 2019 Juli 2019 Sep. 2019 Nov. 2019 März 2020 Juli 2020 Sep. 2020 Nov. 2020 März 2021 Jan. 2019 Mai 2019 Jan. 2020 Mai 2020 Jan. 2021 Tessin Ostschweiz -29% Zürich -60% -50% -40% -30% -20% -10% 0% Quelle: Monitoring Consumption Switzerland, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Monitoring Consumption Switzerland, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 15
Ghost Kitchens als In den USA erfreuen sich derartige Ghost Kitchens bereits grosser Beliebtheit. Das Modell scheint Gastronomiemodell auch bei Investoren Anklang zu finden. Medienberichten zufolge haben sich 2020 gleich mehrere der Zukunft? Ghost Kitchens Kapital für mehrstellige Millionenbeträge beschafft. Wie viele von ihnen es in der Schweiz gibt, ist schwierig abzuschätzen. Angesichts der hohen Nachfrage nach extern zubereite- ter Verpflegung und der potenziellen Kosteneinsparungen, die das Geschäftsmodell Ghost Kitchen gegenüber traditionellen Restaurants ermöglicht, hat sich jedoch sicherlich der eine oder andere Gastronom diesem Modell zugewendet. Dieses Beispiel illustriert, dass die Coronakrise dem Gast- gewerbe durchaus auch Chancen eröffnet, sei es, um neue Geschäftsmodelle und Absatzkanäle auszuprobieren oder den Strukturwandel generell voranzutreiben. Kapazitäten sind Die im Pandemiejahr 2020 beobachteten regionalen Unterschiede und Tendenzen geben uns be- wichtig für reits einen Anhaltspunkt zu den in den nächsten Monaten zu erwartenden Entwicklungen. Darüber Gastronomie- hinaus können wir anhand der Bewegungen der Umsatzzahlen die Auswirkungen der Verschärfun- Umsätze gen oder schrittweisen Lockerungen der COVID-19-Massnahmen auf die Gastronomie abschät- zen (vgl. Abb. 15). Nachdem die Umsätze im Sommer 2020 wieder auf ihr Vorkrisenniveau ge- klettert waren, hatten die Ende Oktober beschlossene Sperrstunde ab 23 Uhr sowie die Schlies- sung von Clubs und Tanzlokalen einen substanziell negativen Einfluss auf die Gastronomie: Inner- halb von nur zwei Wochen brachen die Einnahmen um 25% ein. Nach der Mitte April beschlosse- nen Öffnung der Terrassen erreichte die Branche an guten Tagen maximal zwei Drittel der Vorkri- seneinnahmen. Insgesamt betrug der Einbruch vom 19. April bis zum 23. Mai 2021 im Vergleich zur gleichen Zeitperiode 2019 beinahe 40%. Diese Aussage deckt sich auch mit den Bewegun- gen der Umsatzzahlen infolge der Öffnungsschritte nach dem ersten Lockdown 2020, als das Vorkrisenniveau erst mit der Rückkehr zur vollen Kapazität wieder erreicht werden konnte. Erholung dürfte in Insofern erwarten wir auch dieses Mal keinen sofortigen Umsatzsprung zurück auf das Niveau von Städten etwas länger vor der Krise oder des letzten Sommers. Bis auf Weiteres dürften die Beschränkungen der Anzahl auf sich warten Gäste, die an einem Tisch erlaubt sind, sowie die infolge der Abstandsregeln tieferen Kapazitäten lassen als im eine vollständige Umsatzerholung noch hemmen. Auch die ausfallenden Umsätze von Clubs und ländlichen Raum Tanzlokalen hinterlassen weiterhin eine Lücke – insbesondere in den städtischen Regionen. Ent- sprechend erwarten wir, dass die Erholung in Letzteren etwas langsamer Einzug halten wird als im ländlichen Raum. Im Gegensatz zu 2020 gibt es aber zwei Faktoren, die sich zugunsten der Schweizer Gastronomie entwickeln könnten: Erstens dürfte sich die Bevölkerung dank der Impf- fortschritte nun sicherer fühlen. Entsprechend ist mit weniger Zurückhaltung bei den Restaurant- und Barbesuchen zu rechnen. Zweitens könnten die Umsätze auch wieder durch Grossveranstal- tungen gestützt werden, an denen Getränke und Speisen verkauft werden. Viele Faktoren Eine Rückkehr des ausländischen Tourismus würde sich ebenfalls positiv auf die Gastronomie beeinflussen die auswirken. Sie hängt jedoch weiterhin von vielen Faktoren ab, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten Tourismusbranche schwierig abzuschätzen sind. Deshalb greifen wir im Folgenden die Einflussfaktoren der Touris- musbranche in verschiedenen Szenarien auf und analysieren deren Auswirkungen separat, um aufzeigen zu können, wie sich der Schweizer Tourismus in den kommenden drei bis sechs Mona- ten entwickeln dürfte. Abb. 12: Bis anhin weniger Konkurse in der Gastronomie Abb. 13: Trotz Pandemie keine sinkenden Neugründungsraten Konkurse im Schweizer Gastgewerbe, saisonbereinigt, 3-Monats-Durchschnitt Neueintragungen im Schweizer Gastgewerbe, 3-Monats-Durchschnitt und langfris- tige Durchschnitte seit Januar 2018 Gastronomie Beherbergung Langfr. Durchschnitt Gastronomie Langfr. Durchschnitt Beherbergung 80 Gastronomie Beherbergung 70 250 60 200 50 150 40 30 100 20 50 10 0 0 Okt. 2018 Okt. 2019 Okt. 2020 Jan. 2018 April 2018 Juli 2018 Jan. 2019 April 2019 Juli 2019 Jan. 2020 April 2020 Juli 2020 Jan. 2021 April 2018 Juli 2018 Okt. 2018 April 2019 Juli 2019 Okt. 2019 April 2020 Juli 2020 Okt. 2020 Jan. 2018 Jan. 2019 Jan. 2020 Jan. 2021 Quelle: Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Credit Suisse Quelle: Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 16
Szenario 1: In einem ersten Szenario gehen wir davon aus, dass Auslandsreisen weiterhin erschwert bleiben Inlandtourismus und der Inlandtourismus somit praktisch nach wie vor die einzige Urlaubsoption für Schweizer dar- bleibt einzige stellt. Entsprechend sind auch keine grossen Ströme von ausländischen Touristen zu erwarten. Urlaubsoption Diese Situation entspräche mehrheitlich derjenigen aus dem Jahr 2020. Erfahrungsgemäss kön- nen Inlandtouristen dabei aber in keiner Tourismusregion den gesamten Rückgang ausländischer Gäste wettmachen. Einzig im Subbereich der Parahotellerie konnten 2020 einige Regionen eine positive Bilanz ziehen. Dazu gehören die typischen Ferienregionen wie das Wallis, die Region Frei- burg, Jura/Drei-Seen-Land, Graubünden und das Tessin (vgl. Abb. 9). Die autarken Urlaubsfor- men dürften sich in einem Szenario mit erschwerten Auslandsreisen und Beschränkungen im Gastronomiebereich weiterhin hoher Beliebtheit erfreuen, und zwar insbesondere in den genann- ten Ferienregionen. Szenario 2: Hohe Eine zweite Möglichkeit ist, dass die Tourismusströme zwar zurückkehren, aber nicht mehr das Kosten durch Ausmass von vor der COVID-19-Pandemie erreichen. Es existieren zwei naheliegende Gründe für Stornierungs- ein solches Szenario: Erstens kann es durchaus sein, dass die Grenzen global zwar wieder geöff- gebühren oder PCR- net werden, gewisse Reisebarrieren aber trotzdem bestehen bleiben, wie beispielsweise Quarantä- Tests verhindern, nemassnahmen für Risikoländer oder Einreisebestimmungen in Form eines vorzuweisenden CO- dass Tourismus auf VID-19-Tests. Die damit verbundenen Unsicherheiten und Kosten – wie etwa das hohe Stornie- Vorkrisenniveau rungsrisiko, die Kosten von PCR-Tests oder sogar Preisanstiege infolge einer starken Nachfrage klettert in beliebten Urlaubsdestinationen – dürften zumindest einen Teil der weniger wohlhabenden Tou- risten von Auslandsreisen abhalten. Umweltbewusstsein Zweitens könnte der Trend hin zu mehr Regionalität und Umweltbewusstsein durch die könnte Touristen von Coronakrise beschleunigt worden sein. In diesem Fall ist der (teilweise) Verzicht auf Flugreisen Flugreisen abhalten eine bewusste Entscheidung, die geringere internationale Tourismusströme nach sich zieht. In die- sem zweiten Szenario ist damit zu rechnen, dass der Inlandtourismus zunehmen wird, wovon hauptsächlich heimische Ferienregionen, autarke Urlaubsformen und Hotels im mittleren Preis- segment profitieren würden. Demgegenüber wäre der Wegfall eines Teils der ausländischen Tou- risten besonders einschneidend für städtische Tourismusregionen. Bis anhin waren Luxushotels in der Lage, einen Teil der ausbleibenden Gäste durch höhere Zimmerpreise zu kompensieren. Sollte dies auch weiterhin gelingen, könnte der Umsatzeinbruch für Luxushotels vergleichsweise gering ausfallen. Szenario 3: Möglich ist natürlich auch, dass die Reisebarrieren vorerst nicht für alle Länder gleich stark redu- Schweizer ziert werden. Die Schweiz hat sich bisher im internationalen Vergleich eher durch lockere Bestim- Reiseaktivität nimmt mungen ausgezeichnet. Sollte dies auch in den nächsten Monaten der Fall sein, könnte sich ein zu, ausländische aber drittes Szenario manifestieren, in dem die Reiseaktivitäten der Schweizer rasch wieder ihr Vorkri- vorerst nicht senniveau erreichen, jene der Ausländer hingegen nicht. Für den Schweizer Tourismus wäre dies wohl das negativste Szenario, ist es doch mit einer Situation gleichzusetzen, in der ausländische Gäste die Ausnahme bilden und ihre Übernachtungen in der Schweiz tief bleiben, während die Un- terstützung durch Schweizer Touristen, die wieder vermehrt im Ausland Urlaub machen, weitge- hend entfällt. In diesem dritten Szenario würden alle Segmente der Tourismusbranche leiden. Abb. 14: Take-aways: Dank COVID-19 sehr beliebt Abb. 15: Gastronomie: Restriktionen hemmen vollständige Erholung Suchinteresse relativ zum höchsten Wert für die Schweiz seit dem 1. Januar 2017 Umsatzentwicklung Schweizer Gastronomie pro Tag, in CHF Mio., 7-Tages-Durch- schnitt; Bundesratsentscheide zu Restriktionen/Lockerungen Take Away Lieferservice Lieferdienst Lockerungen Restriktionen (Verschärfung) Umsätze Gastronomie 120 16 14 100 12 10 80 8 60 6 4 40 2 20 0 Janv.… Sept.… April 2019 Juni 2019 Juni 2020 März 2020 Sep. 2020 März 2021 Dez. 2019 Dez. 2020 0 01.01.2017 01.01.2018 01.01.2019 01.01.2020 01.01.2021 Quelle: Google Trends, Credit Suisse Quelle: Monitoring Consumption Switzerland, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Letzter Datenpunkt: 23.05.2021 Swiss Economics | 2.Q 2021 17
Szenario 4: Im Gegensatz dazu würde die Tourismusbranche insgesamt wohl am meisten in einem vierten Tourismusströme Szenario profitieren, in dem sich die Tourismusströme wieder auf dem Vorkrisenniveau einpen- pendeln sich wieder deln. Insbesondere in städtischen Regionen und im oberen Preissegment der Hotellerie würde auf Vorkrisenniveau dies zu Erleichterung führen. Mit der Rückkehr der ausländischen Gäste würde in der Tourismus- ein branche deshalb wohl insgesamt mehr Umsatz generiert. Dies schliesst aber nicht aus, dass ein- zelne Segmente im Vergleich zum Pandemiejahr 2020 einen Rückschlag hinnehmen müssten. Konkret wäre dies wohl in der Parahotellerie der Fall, in der in diesem vierten Szenario ein leichter Rückgang der Gäste im Vergleich zum Jahr 2020 erwartet würde. Sofortige Rückkehr Welches der vier Szenarien oder welche Kombination derselben sich in den nächsten Monaten zur Vorkrisensituation schlussendlich manifestieren wird, ist schwierig abzuschätzen. Wir glauben aber, dass eine sofor- erscheint uns tige Rückkehr zur Vorkrisensituation eher unwahrscheinlich ist. Bis anhin bestehen immer noch unwahrscheinlich Unsicherheiten bezüglich eines möglichen Impfzertifikats. Ausserdem sind die für Flugreisen oft- mals unentbehrlichen PCR-Tests mit erheblichen Kosten verbunden. Auch Faktoren, welche die Einreisebestimmungen definieren, wie z.B. Risikoländerlisten und Quarantänemassnahmen, stel- len weiterhin ein Hindernis für Auslandsreisen dar. Für viele Touristen dürften diese Punkte kos- ten- und organisationstechnisch Grund genug sein, sich für einen Inlandurlaub zu entscheiden. Deshalb werden sowohl die Parahotellerie als auch die Schweizer Ferienregionen aller Wahr- scheinlichkeit nach im Sommer 2021 erneut zu den Gewinnern zählen. emilie.gachet@credit-suisse.com tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Abb. 16: Beherbergungsbranche in Städten und im Luxussegment in drei von vier Szenarien benachteiligt Mögliche Szenarien zur zukünftigen Entwicklung der Tourismusströme, Horizont entspricht rund sechs Monaten Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3 Szenario 4 Schweizer reisen wieder Sowhol in- als auch Auslandsreisen bleiben Auslandsreisen wieder ins Ausland, internationale ausländische weiterhin erschwert. möglich, pendeln sich aber Beschrieb Touristen kehren aber Tourismusströme kehren Inlandtourismus ist die auf tieferem Niveau ein als nicht (sofort) in die zum Vorkrisenniveau einzige Option. vor der Corona-Krise. Schweiz zurück. zurück. Inlandtouristen Zunahme (++) Zunahme (+) Abnahme (--) Keine Veränderung Ausländische Touristen Abnahme (--) Abnahme (-) Abnahme (-) Keine Veränderung Alle Segmente der Parahotellerie, Parahotellerie, Gewinner Beherbergung ausser Ferienregionen Ferienregionen Parahotellerie Städtische Regionen, Städtische Regionen, Alle Segmente der Verlierer Parahotellerie Luxushotels Luxushotels Beherbergung Quelle: Credit Suisse Swiss Economics | 2.Q 2021 18
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Geldpolitik Opportunistische Devisenverkäufe Gemäss unseren Schätzungen hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) in geringem Umfang Fremdwährungsreserven verkauft. Diese Verkäufe stellen keine eigentliche geldpolitische Straffung dar. Fremdwährungskäufe sind unseres Erachtens weiterhin wahrscheinlich, falls der Aufwärtsdruck auf den CHF wieder steigen sollte. SNB dürfte im Wir schätzen, dass die SNB im 1. Quartal 2021 Fremdwährungen im Wert von CHF 273 Mio. 1. Quartal 2021 verkauft hat (vgl. Abb. 1). Die Bruttoverkäufe waren effektiv noch höher, die SNB kaufte jedoch CHF 273 Mio. an im Januar wohl Devisen hinzu, was den Umfang der Nettoverkäufe im 1. Quartal reduzierte. Im Fremdwährungen Vergleich zu den gesamten Fremdwährungsreserven von CHF 951 Mrd. (Stand Ende März) sind veräussert haben diese Veräusserungen vernachlässigbar. Und doch ist es laut unseren Schätzungen das erste Mal seit dem 4. Quartal 2019, dass die SNB in geringem Umfang Devisen abgestossen hat. Zudem erfolgten diese Verkäufe, nachdem die SNB letztes Jahr fast CHF 110 Mrd. an Fremdwährungen erworben hatte, um dem Aufwärtsdruck auf den CHF gegenzusteuern. Der schwächere CHF Theoretisch strafft eine Zentralbank ihre Geldpolitik, wenn sie einen Teil ihrer Vermögenswerte bietet der SNB verkauft. Im aktuellen Fall sehen wir die Verkäufe jedoch in einem anderen Licht. Unserer Mei- eine Gelegenheit, nung nach hat die SNB die Abwertung des CHF in der zweiten Februarhälfte 2021 (vgl. Abb. 2) den Markt zu «testen» dazu genutzt, in geringem Umfang Fremdwährungen zu veräussern und damit den Markt zu «tes- ten». Die Verkäufe von Fremdwährungen (und folglich die Käufe von CHF) durch die SNB führen zwar tatsächlich zu einem Rückgang des Zentralbankgeldes, die Reduktion der Geldmenge ist je- doch zu gering, um eine wirtschaftliche Wirkung zu entfalten. Da der CHF in den letzten Wochen wieder aufgewertet hat, sind die Hinweise auf Devisenverkäufe zudem deutlich seltener gewor- den. Dies impliziert, dass die SNB ihre Fremdwährungsverkäufe bereits wieder eingestellt hat, um eine Straffung der geldpolitischen Bedingungen über den Wechselkurskanal zu verhindern. Damit drängt sich klar der Schluss auf, dass die jüngsten Verkäufe opportunistisch waren und keine geldpolitische Straffung einläuteten. Wir rechnen bis Wir glauben, dass eine rasche Aufwertung des CHF – mit der wir allerdings nicht rechnen – die mindestens Ende SNB zu erneuten Fremdwährungskäufen veranlassen würde. Allerdings verschafft die starke Er- 2022 mit keiner holung der Industrie in der Schweiz der SNB sicherlich einen gewissen Spielraum, falls der CHF Leitzinserhöhung erneut kontinuierlich zulegen sollte. Abschliessend rechnen wir nicht damit, dass die SNB ihren Leitzins über unseren Prognosehorizont hinweg erhöhen wird, also mindestens bis Ende 2022. Abb. 1: SNB hat im 1. Quartal 2021 Fremdwährungen veräussert Abb. 2: Der CHF hat seit Anfang April 2021 wieder aufgewertet Devisenmarktinterventionen durch die SNB, in CHF Mrd. Index des handelsgewichteten CHF-Wechselkurses (1. Jan. 2019 = 100) 60 108 Schätzungen Credit Suisse Offizielle Daten* 50 106 CHF wertet auf 40 104 30 102 20 100 10 0 98 -10 96 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 01/2019 07/2019 01/2020 07/2020 01/2021 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse. * Offizielle Daten erst ab dem Historische Performance-Angaben oder Finanzmarktszenarios sind keine verlässli- 1. Quartal 2020 verfügbar. Daten zum 1. Quartal 2021 werden Ende Juni 2021 ver- chen Indikatoren für die aktuelle oder künftige Wertentwicklung. Quelle: Datastream, öffentlicht. Letzter Datenpunkt: 1. Quartal 2021. Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 18.05.2021. Swiss Economics | 2.Q 2021 20
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