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Investment Solutions & Products Swiss Economics Die Leerstände werden zum chronischen Problem Immobilienmonitor Schweiz | September 2019 Immobilienmarkt Tessin Wohnungsmarkt Direkte Immobilienanlagen Tessiner Wohnungsmarkt Trügerische Beruhigung Höhere Hürden für die Finanzierung in Schieflage im Wohnungsbau von Renditeliegenschaften Page 5 Seite 11 Seite 15
Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products Nannette Hechler-Fayd'herbe Head of Global Economics & Research +41 44 333 17 06 nannette.hechler-fayd'herbe@credit-suisse.com Fredy Hasenmaile Head Real Estate Economics +41 44 333 89 17 fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Redaktionsschluss 12. September 2019 Publikationsreihe Swiss Issues Immobilien Besuchen Sie uns auf dem Internet www.credit-suisse.com/immobilien Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2019 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Autoren Fredy Hasenmaile, +41 44 333 89 17, fredy.hasenmaile@credit-suisse.com Alexander Lohse, +41 44 333 73 14, alexander.lohse@credit-suisse.com Thomas Rieder, +41 332 09 72, thomas.rieder@credit-suisse.com Dr. Fabian Waltert, +41 44 333 25 57, fabian.waltert@credit-suisse.com 2 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Mit der abrupten Kehrtwende der US-Notenbank (Fed) im letzten November hat sich die Hoff- nung auf eine Normalisierung der Zinssätze jäh zerschlagen. Die abnormalen Zustände werden uns daher noch auf Jahre hinaus begleiten. Dazu zählt etwa, dass die Banken im letzten Jahr tat- sächlich einige Hypothekarkreditnehmer für die Aufnahme einer Hypothek bezahlten. Hauptsäch- lich die Kantonalbanken gewährten für mehr als eine Milliarde Schweizer Franken Hypotheken zu negativen Sätzen. Die Negativzinsphase, die ursprünglich als vorübergehendes Phänomen eingestuft wurde, lässt auch 4.5 Jahre nach ihrer Einsetzung keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen. Im Gegenteil, das Volumen der mit Negativzinsen versehenen Anleihen und Krediten dürfte sich noch mehr ausweiten. Was den Widerstand gegen eine ultraexpansive Geldpolitik betrifft, sind buchstäblich alle Dämme gebrochen. Die Wahl von Christine Lagarde zur Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) spricht Bände. Die für den fahrlässigen Umgang mit Staatsmitteln gerichtlich verurteilte ehemalige französische Finanzministerin hat bereits verlauten lassen, dass eine hochgradige Unterstützung der Konjunktur durch eine expansive Geldpolitik noch für lange Zeit gerechtfertigt sei. Anstatt Arbeitsmärkte, Rechts-, Sozial- und Steuersysteme wettbewerbsfähig zu machen, wird das billige Geld daher weiterhin Reformanreize untergraben und für die Politik die Untätigkeit zur kurzfristig attraktiveren Option machen. Was bedeuten diese Aussichten für den Schweizer Immobilienmarkt? Zunächst heisst das: «Mehr vom Gleichen». Kapital wird unverändert in den Immobiliensektor fliessen und dort die Preise noch weiter nach oben drücken. Es darf daher erwartet werden, dass sich zu den vergleichsweise at- traktiven Netto-Cashflowrenditen in den nächsten Jahren zusätzlich noch positive Wertänderungs- renditen addieren werden. Die Bautätigkeit bleibt bei einer solchen Ausgangslage auf hohem Ni- veau (Seite 11). Spezifisch auf dem Mietwohnungsmarkt wird die Überproduktion kein Ende er- fahren, was die Leerstände weiter wachsen lässt (Seite 8). Dass die Zahl der leerstehenden Wohnungen dieses Jahr spürbar weniger stark gestiegen ist, kann der starken Konjunktur im letzten Jahr zugeschrieben werden. Bereits im kommenden Jahr dürften die Leerstände wieder schneller wachsen. Die Abkoppelung der Preise von den Mieterträ- gen wird sich ebenfalls fortsetzen. Damit steigen die Risiken unweigerlich – verschieben sich aller- dings stärker in die Zukunft. Die Regulierungsbehörden werden folglich weiterhin Mittel und Wege suchen, systemgefährdende Risiken zu identifizieren und so weit wie möglich zu entschärfen. Was die Anfang des nächsten Jahres in Kraft tretenden neuen Kreditvergaberegeln für den Immobili- enmarkt bewirken, lesen Sie auf Seite 15. Insgesamt geht der Superzyklus des Schweizer Immobilienmarktes in eine weitere Verlängerung. Für kleinere Immobilieninvestoren könnten die wachsenden Herausforderungen durchaus eine Bedrohung darstellen, grössere Investoren dagegen dürften dank dem Diversifikationseffekt bloss den anhaltenden Druck auf die Renditen spüren. Das nehmen sie gerne in Kauf, denn Immobilien werden im Unterschied zu etlichen Anlagealternativen weiterhin positive Renditen liefern, die sich sehen lassen können. Im Namen der Autoren wünsche ich Ihnen eine informative und inspirierende Lektüre. Fredy Hasenmaile Head Real Estate Economics Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 3
Inhalt Immobilienmarkt Tessin 5 Tessiner Wohnungsmarkt in Schieflage Ein von den Bahnprojekten ausgelöster Bauboom von Mietwohnungen hat den Tessiner Wohnungsmarkt aus dem Gleichgewicht gebracht. Dieser wird bereits durch die strukturellen Anpassungen nach der Finanzkrise, den Umbau des Tessiner Bankenplatzes und den Frankenschock herausgefordert. Auf dem Eigentumsmarkt mehren sich allerdings die Zeichen für eine Erholung, während der Mietwohnungsmarkt weiter leiden dürfte. Wohnungsmarkt 8 Die Leerstände werden zum chronischen Problem Die Leerwohnungsziffer ist erneut gestiegen und erreicht einen Wert von 1.66%. Der Zuwachs an Leerwohnungen fällt dabei mit rund 3000 Wohnungen deutlich geringer aus als 2018. Ein baldiges Ende der Zunahme der Leerwohnungen ist indes nicht in Sicht. Wohneigentum 10 Wohnungsmarkt 11 Trügerische Beruhigung im Wohnungsbau Zuletzt wurden in der Schweiz von hohem Niveau ausgehend deutlich weniger Wohnungen baubewilligt. Die Beruhigung dürfte allerdings erst mittelfristig in einer geringeren Anzahl neuer Wohnungen resultieren und zudem weit weniger deutlich ausfallen als gegenwärtig die Baubewilligungen glauben machen. Grossprojekte verzerren das Bild. Mietwohnungen 13 Kommerzielle Immobilien 14 Direkte Immobilienanlagen 15 Höhere Hürden bei Finanzierung von Renditeliegenschaften Auf Anfang 2020 werden Selbstregulierungsmassnahmen bei der Kreditfinanzierung von Renditeliegenschaften eingeführt. Aufgrund des anhaltenden Negativzinsumfelds dürften die Massnahmen aber zu keiner spürbaren Marktberuhigung führen. Immobilienanlagen 18 4 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Immobilienmarkt Tessin Tessiner Wohnungsmarkt in Schieflage Ein von den Bahnprojekten ausgelöster Bauboom von Mietwohnungen hat den Tessiner Wohnungsmarkt aus dem Gleichgewicht gebracht. Dieser wird bereits durch die struk- turellen Anpassungen nach der Finanzkrise, den Umbau des Tessiner Bankenplatzes und den Frankenschock herausgefordert. Auf dem Eigentumsmarkt mehren sich allerdings die Zeichen für eine Erholung, während der Mietwohnungsmarkt weiter leiden dürfte. Anspruch und Remigio Ratti, Wirtschaftsprofessor an der Universität Lugano, sieht seinen Heimatkanton als Mix Wirklichkeit im Tessin aus urbanen Zentren und einer alpinen Parklandschaft. Seines Erachtens hat der Südkanton gute Voraussetzungen, um neben Zürich und dem Genferseebogen zum dritten metropolitanen Pol der Schweiz zu werden. In der Tat haben die neuen Eisenbahnverbindungen die geopolitische Lage des Tessins verändert. Sowohl der Norden wie auch der Süden rücken dank den beiden Basis- tunnel Gotthard und Ceneri näher, zudem erhält das Tessin eine attraktive S-Bahn im Dreieck Bellinzona–Locarno–Lugano. Ob der Südkanton diese Ausgangslage nutzen kann, ist aber nicht sicher. Schrumpfende Gemäss den jährlichen Daten über die Bevölkerungsentwicklung ist das Tessin neuerdings von Bevölkerung seit Abwanderung geprägt. In den 1990er-Jahren des letzten Jahrhunderts war davon noch nicht 2017 ansatzweise etwas zu verspüren. Die Tessiner Bevölkerung wuchs dynamischer als die Schweiz (Abb. 1). Ab der Jahrtausendwende büsste der Südkanton den Vorsprung nach und nach ein. Ein Bruch kam vor allem 2015, als sich das zuvor recht dynamische Wachstum halbierte. Seit 2017 schrumpft die Bevölkerung. Insbesondere der Wanderungssaldo aus dem Ausland ist regelrecht zusammengebrochen. Hinzu kommt eine ungünstige Altersstruktur, so dass die Todesfälle die Geburten mittlerweile klar übertreffen. Der Anteil der Bevölkerung mit über 64 Jahren ist mit 22.6% grösser als in allen anderen Kantonen. Frankenschock hat Das Beschäftigungswachstum im Kanton Tessin hat in den letzten Jahren ebenfalls an Schwung das Beschäftigungs- verloren. Bis Mitte 2015 vermochte die Beschäftigung gut mit der Entwicklung in der Schweiz wachstum gedrosselt mitzuhalten (Abb. 2). Dann folgte mehr oder weniger eine Stagnation. Erst dieses Jahr gelang ein Ausbrechen aus der Seitwärtsbewegung. Die nächsten Quartale werden zeigen, ob sich der Auf- holprozess fortsetzt. Insbesondere der Industriesektor scheint im Tessin vom Frankenschock nach der Aufhebung des Mindestwechselkurses anfangs 2015 härter getroffen worden zu sein als in anderen Landesteilen. Die starke Aufwertung des CHF hat aus Sicht italienischer Firmen den vorteilhaften Rahmenbedingungen für das Wirtschaften und Arbeiten in der Schweiz einen harten Dämpfer versetzt. Die Zahl der Grenzgänger, die zuvor über eineinhalb Dekaden stetig angestie- gen ist, stagniert seither, weil sich weniger italienische Firmen ansiedeln. Abb. 1: Bevölkerungswachstum im Kanton Tessin Abb. 2: Beschäftigungsentwicklung im Kanton Tessin Ständige Wohnbevölkerung, Index 1990 = 100 In Vollzeitäquivalenten, Index 1996 = 100 160 Kanton TI 140 Schweiz Kanton UR 135 150 Genferseeregion Kanton ZG 130 Nordwestschweiz 140 Kanton GR Zürich 125 Tessin Schweiz 130 120 120 115 110 110 105 100 100 90 95 90 80 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2018 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 5
Bereits etwas früher als der Industriesektor hat der Tertiärsektor im Tessin an Schwung verloren. Auffallend ist besonders, dass der Dienstleistungssektor mit dem schweizweiten Anziehen der Beschäftigung ab Mitte 2017 nicht mithalten konnte. Erst 2019 machen sich endlich Zeichen der Belebung bemerkbar. Wertschöpfung Insgesamt hat sich der Kanton Tessin mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) dynamisch, aber von 1.8% im Zeitraum 2006 bis 2017 überdurchschnittlich gut gehalten (Schweiz: 1.7%). Insbe- einseitig abgestützt sondere in den Jahren 2012 bis 2015 konnte die Wertschöpfung stark zulegen. Allerdings war das starke Wirtschaftswachstum des Kantons Tessin gemäss BAK Economics in hohem Mass auf die Zunahme der Beschäftigung (bis 2015) und weniger auf Produktivitätssteigerungen zurückzu- führen. Mit der nachlassenden Beschäftigungszunahme hat diese Abhängigkeit auf das BIP- Wachstum durchgeschlagen. Sofern es nicht gelingt, das Produktivitätswachstum zu steigern, dürfte die Wertschöpfung in den nächsten Quartalen nur schwach zunehmen. Bahnprojekte lösen Ein stagnierendes Beschäftigungswachstum und eine rückläufige Bevölkerung sind keine guten eine Investitionswelle Voraussetzungen für den regionalen Immobilienmarkt. Dieser befand sich während Jahren weitge- aus hend im Lot. Die Bautätigkeit fokussierte sich hauptsächlich auf den Bau von Wohneigentum. Die Leerstände im Eigentum waren sehr tief, und die Preise stiegen von 2010 bis Anfang 2015 mit über 5% pro Jahr. Erst die erneute regulatorische Verschärfung der Hypothekarkreditvergabe im Herbst 2014 kühlte den Markt ab und erschwerte den Erwerb von Wohneigentum für Inländer. Dieselbe Wirkung hatte die Frankenstärke für Ausländer. Mit dem Bau des Ceneri-Basistunnels wurden jedoch grosse Hoffnungen auf eine Belebung des lokalen Mietwohnungsmarktes ver- knüpft. Daher stiegen mit einem Mal die Investitionsvolumen bei Mietrenditeliegenschaften. Massiv forcierter Von der schweizweiten Tendenz zu einem verstärkten Bau von Mietwohnungen war im Tessin Mietwohnungsbau lange Zeit nur wenig zu spüren. Während sich im Rest der Schweiz die Baubewilligungen für seit 2015 Mietwohnungen zwischen Ende 2001 und Ende 2009 verdoppelten und anschliessend bis Ende 2016 beinahe nochmals eine Verdoppelung erfuhren, legte der Mietwohnungsbau im Tessin erst ab 2015 zu. Dafür umso fulminanter (Abb. 3). Die durchschnittliche Zahl baubewilligter Mietwoh- nungen seit Anfang 2015 liegt nicht mehr bei 300 Wohnungen wie noch in der Periode von 2002 bis 2014, sondern 3.4 Mal höher. Eine erste Spitze erreichten die Bewilligungen Anfang 2017 mit 1550 Wohnungen. Nach vorübergehender Beruhigung ist aktuell eine zweite Welle zu beobachten mit sogar über 1600 baubewilligten Mietwohnungen. Der im Tessin traditionell kräftige Bau von Eigentumswohnungen hat dagegen nachgelassen und befindet sich auf einem 10-Jahres-Tief mit aktuell 800 bewilligten Eigentumswohnungen in den letzten 12 Monaten. Einfamilienhäuser spie- len mit etwas über 200 Einheiten nur noch eine untergeordnete Rolle. Abb. 3: Bautätigkeit nach Segment Abb. 4: Leerstandsziffern nach Segment Baubewilligungen in Anzahl Wohneinheiten, 12-Monats-Summe Leerstehende Wohnungen in % des jeweiligen Bestandes, per 1. Juni Mietwohnungen Miete Eigentumswohnungen 2'000 Eigentumswohnungen Einfamilienhäuser (zum Verkauf) Leerwohnungsziffer total Einfamilienhäuser 5.0% 1'800 4.5% 1'600 4.0% 1'400 3.5% 1'200 3.0% 1'000 2.5% 800 2.0% 600 1.5% 400 1.0% 200 0.5% 0 0.0% 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2019 Leerstände bei Miet- Die massiv erhöhte Produktion von Mietwohnungen bei einer gleichzeitig verminderten Beschäfti- wohnungen laufen gungsentwicklung und einer gar schrumpfenden Bevölkerung war höchst ungünstig. Die Vermark- aus dem Ruder tung der neuen Wohnungen gestaltete sich daher äusserst anspruchsvoll, und die Leerstände begannen sich zu häufen. Insgesamt weist der Kanton Tessin per 1. Juni dieses Jahres 5534 leere Wohnungen aus. Das ist ein Plus von 15% gegenüber 2018. Die Leerstandsquote im Süd- kanton ist damit auf 2.29% angestiegen. Sorgen bereiten vor allem die Mietwohnungen. Hier 6 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
stieg die Leerstandsziffer seit 2015 steil an und hat 2019 ein Niveau von 4.44% erreicht (Abb. 4). Mit Blick auf die Daten zur Bautätigkeit dürfte der Anstieg der Leerstandsziffer noch nicht beendet sein. Die Leerstände widerspiegeln nämlich bloss die erste Welle der Mietwohnungspro- jekte. Die zweite Welle seit Anfang 2018 befindet sich noch in Bau und wird erst 2020/2021 auf den Markt gelangen. Die Leerstände bei den Mietwohnungen werden daher noch deutlich über die 5%-Schwelle ansteigen. Mietpreise im Die Situation auf dem Mietwohnungsmarkt ist nicht ohne Folgen geblieben für die Preisentwick- Sinkflug lung. Die von Homegate berechneten qualitätsbereinigten Angebotsmieten, welche die auf den Onlineportalen vermarkteten Mietpreise abbilden, zeigen, dass sich die Mietpreise im Tessin seit dem 3. Quartal 2016 im Sinkflug befinden (Abb. 5). Die ausgeschriebenen Mieten fielen seither jedes Jahr um durchschnittlich 1.6%. Gemäss Daten von Wüest Partner sinken die Marktmieten sogar mit rund 2.2% pro Jahr. In den letzten beiden Jahren waren gemäss beiden Datenanbietern die Mietpreise auch landesweit rückläufig. Allerdings deutlich weniger stark als im Tessin. Wäh- rend zudem auf Stufe Schweiz der negative Trend dank des kräftigen Konjunkturaufschwungs gebremst wurde, gibt es dafür im Tessin keine Anzeichen für eine solche Wende. Wohneigentumsmarkt Der Wohneigentumsmarkt präsentiert sich im Gegensatz zum Mietwohnungsmarkt stabiler. Die ausgeglichen stagnierende Bevölkerung und Schwierigkeiten in wichtigen Wirtschaftssektoren wie dem Finanz- sektor und dem Treuhandwesen hinterlassen jedoch auch auf dem Wohneigentumsmarkt Spuren. Die Ausländer, vor allem Italiener und Deutsche, zählen per saldo zu den Verkäufern. Zudem keh- ren auch Deutschschweizer Rentner zunehmend dem Tessin den Rücken. Vor allem aufgrund des Zuzugs von Rentnern wies der interkantonale Wanderungssaldo über Jahre hinweg stets ein Plus auf. Mittlerweile sind die Rückkehrer im Pensionsalter aber ähnlich zahlreich wie die Neuankömm- linge. Im Unterschied zum Mietwohnungsmarkt ist jedoch beim Eigentum die Bautätigkeit gedros- selt worden, so dass nicht generell von einem Überangebot gesprochen werden kann. Die Leer- stände im Eigentumssegment haben sich in den letzten Jahren zwar ebenfalls erhöht, liegen mit rund 0.64% aber auf einem völlig unproblematischen Niveau. Eigentumspreise Die Abkühlung des Wohneigentumsmarktes nach der Verschärfung der Selbstregulierung in den kehren zum Jahren 2012 und 2014 hat zusammen mit den strukturellen Herausforderungen der Tessiner Wachstum zurück Wirtschaft eine Preiskorrektur von mehr als 5.4% ausgelöst. Deutlich mehr als in der Schweiz allgemein (Abb. 6). Während sich die Wohneigentumspreise in der Schweiz relativ rasch wieder erholten, haben die Eigentumspreise im Tessin erst im 2. Quartal 2019 wieder signifikant angezo- gen. Es bleibt zu hoffen, dass die Zeichen einer Belebung sowohl bei der Beschäftigung wie auch bei den Eigentumspreisen den Anfang einer wirtschaftlichen Verbesserung markieren. Nur mit einer kräftigeren Wohnungsnachfrage lässt sich das derzeit wachsende Ungleichgewicht einiger- massen im Rahmen halten. Abb. 5: Mietpreise im Sinkflug Abb. 6: Wohneigentumspreise Mietpreisindizes: 1. Quartal 2009 = 100; Jahreswachstum in % Preisindizes: 1. Quartal 2000 = 100;Jahreswacshtum (rechte Skala) in % 135 Jahreswachstum CH (r. Skala) Zürich 3.5% Jahreswachstum Schweiz Kanton Tessin Region Lugano Bern Basel-Stadt 220Region Mendrisio Region Bellinzona Region Tre Valli 12.5% Aargau Tessin Region Locarno 130 3.0% Genf 200 10.0% 125 2.5% 180 7.5% 120 2.0% 160 5.0% 115 1.5% 140 2.5% 110 1.0% 120 0.0% 105 0.5% 100 -2.5% 100 0.0% 80 -5.0% 95 -0.5% 60 -7.5% 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Quelle: Homegate, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 Quelle: Wüest Partner, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 7
Wohnungsmarkt Die Leerstände werden zum chronischen Problem Die Leerwohnungsziffer ist erneut gestiegen und erreicht einen Wert von 1.66%. Der Zuwachs an Leerwohnungen fällt dabei mit rund 3000 Wohnungen deutlich geringer aus als 2018. Ein baldiges Ende der Zunahme der Leerwohnungen ist indes nicht in Sicht. Erstmals über 75’000 Der Leerwohnungsbestand auf dem Schweizer Wohnungsmarkt ist im laufenden Jahr bereits zum leere Wohnungen zehnten Mal in Folge angestiegen. Insgesamt betrug er per 1. Juni 2019 gemäss Bundesamt für Statistik 75’323 Wohnungen oder 1.66% des Wohnungsbestands. Mit 3029 zusätzlichen Leer- wohnungen fällt dieser Anstieg jedoch deutlich tiefer aus als in den fünf Jahren zuvor, in welchen jeweils Zunahmen von rund 5000 – 8000 zu verzeichnen waren (Abb. 7). Stützende Dass der Anstieg schwächer ausfällt als in den Jahren 2014 bis 2018, dürfte neben der leichten Konjunktur Beruhigung der Bautätigkeit insbesondere der guten Konjunktur des letzten Jahres (BIP- Wachstum: +2.8%) zu verdanken sein. Das Wirtschaftswachstum hat nicht nur zu einer Trend- wende bei der Zuwanderung geführt, es hat auch die inländische Wohnungsnachfrage entschei- dend gestützt. Leerwohnungsziffer Der erneute Anstieg der Leerwohnungsziffer ist vollständig den Mietwohnungen zuzurechnen. von 2.64% bei Trotz den zunehmenden Überangebotstendenzen auf dem Mietwohnungsmarkt sind Wohnrendi- Mietwohnungen teliegenschaften als Anlageobjekte noch immer sehr gesucht. Dafür sorgt das anhaltende Nega- tivzinsumfeld, das dazu führt, dass Immobilien im Vergleich zu Anleihen attraktive Cashflow- Renditen generieren (Seite 18). Auf der Suche nach Rendite und aufgrund mangelnder Verfüg- barkeit von Bauland sind etliche Investoren auch in Agglomerationsgemeinden und ländliche Regi- onen ausgewichen – mitunter in solche, in denen das Nachfragepotenzial beschränkt ist. Innert Jahresfrist ist die Leerwohnungsziffer der Mietwohnungen weiter von 2.55% auf 2.64% ange- stiegen (Abb. 8). Damit hat sie sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Leichter Rückgang Anders präsentiert sich die Situation beim Wohneigentum, wo gar erstmals seit 2011 ein leichter bei den Eigentums- Rückgang der Leerwohnungen verzeichnet werden kann (–72 Wohnungen). Dieser ist auf die wohnungen Eigentumswohnungen zurückzuführen, deren Leerwohnungsziffer von 0.58% auf 0.53% gefallen ist. Die stabile Entwicklung beim Wohneigentum ist darauf zurückzuführen, dass hier die Bautätig- keit in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgefahren wurde (Seite 10). Die erneut ge- sunkenen Hypothekarzinsen und die gute Wirtschafslage dürften ausserdem die Nachfrageseite, welche unter der Regulierung und dem hohen Preisniveau leidet, gestützt haben. Abb. 7: Schwächster Anstieg der Leerstände seit 2013 Abb. 8: Stabile Entwicklung beim Wohneigentum Leerwohnungsziffer (linke Skala) und Wachstum der Leerwohnungen Leerwohnungsziffer nach Segment, in % des jeweiligen Wohnungsbestands Veränderung Leerstand (r. Skala) Miete Eigentumswohnungen 2.0% Leerwohnungsziffer (LWZ) 16'000 Einfamilienhäuser (zum Verkauf) Leerwohnungsziffer total Mittlere LWZ (1974 – 2019) 3.0% 1.5% 12'000 2.5% 1.0% 8'000 2.0% 0.5% 4'000 1.5% 0.0% 0 1.0% -0.5% -4'000 0.5% -1.0% -8'000 0.0% 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016 2019 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2019 8 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Nordwesten bleibt Regional ist der Anstieg der Leerstände nicht mehr ganz so breit abgestützt wie noch 2018. 47 Epizentrum des der 110 Schweizer Wirtschaftsregionen verzeichneten eine Zunahme der Leerwohnungsziffer, 32 Wohnungsleerstands eine Abnahme und die restlichen 31 Regionen eine Seitwärtsbewegung (Abb. 9). Von den am stärksten von Überangeboten betroffenen Regionen, deren Leerwohnungsziffern bereits 2018 über 2% lagen, konnte nur eine Minderheit (18 von 42 Regionen) ihre Leerstände reduzieren. Gelungen ist dies hauptsächlich in einigen Walliser und Aargauer Regionen. Weitere deutliche Anstiege der Leerwohnungsziffer sind hingegen in bereits von Überangeboten stark betroffenen Regionen wie dem Kanton Solothurn, dem Thurgau und dem Tessin zu verzeichnen. Hier liegen die Leerwohnungsziffern teilweise bei über 3% – würden nur Mietwohnungen betrachtet noch deutlich höher. Stabil geblieben oder gar rückläufig sind die Leerwohnungsziffern hingegen in einigen Regionen, in welchen bereits in den letzten Jahren keine Überangebote zu beobachten waren. Dazu gehören insbesondere das Genferseebecken, der Kanton Zürich und weite Teile der Zentralschweiz. Keine weitere In den Grosszentren kann von Überangeboten weiterhin keine Rede sein. Im Gegenteil: Die leichte Entspannung in den Entspannungstendenz der letzten Jahre hat dieses Jahr keine Fortsetzung erfahren. Die Leerwoh- Grosszentren nungsziffer der Grosszentren liegt unverändert bei 0.46%. Das Stadt-Land-Gefälle auf dem Schweizer Wohnungsmarkt nimmt folglich weiter zu. Am knappsten sind leere Wohnungen in Zürich (0.14%) und Lausanne (0.36%). In diesen Städten standen per 1. Juni 2019 deutlich weniger Wohnungen leer als im Vorjahr. Gestiegen ist die Anzahl Leerwohnungen hingegen in den Städten Bern (0.56%) und Basel (1.0%), während die Situation in der Stadt Genf nahezu unver- ändert blieb (0.63%). Leerstände werden Obwohl sich das Tempo, mit dem die Leerstände auf dem Mietwohnungsmarkt wachsen, sich zum chronischen heuer deutlich verlangsamt hat, erwarten wir keinen baldigen Abbau der Überangebote. Wir rech- Problem nen, trotz des jüngsten Rückgangs bei den Baubewilligungen, noch nicht mit einer nachhaltigen Beruhigung der Angebotsseite des Marktes (Seite 11). Gleichzeitig dürfte die sich aktuell abzeich- nende Eintrübung der Konjunktur die Nachfrage zunehmend negativ beeinflussen. Ausserdem wird mit den Negativzinsen der zentrale Treiber des hohen Wohnungsangebots noch für längere Zeit Bestand halten. Dies ist spätestens seit der Wende in der US-Geldpolitik klar. Durch die fehlenden Anlagealternativen sind Immobilienanleger bereit, ein höheres Leerstandsrisiko zu ak- zeptieren. Die Leerstände auf dem Mietwohnungsmarkt dürften folglich weiter in Richtung der 3%-Marke steigen. Mittelfristig könnten sie sich auf einem Niveau einpendeln, welches deutlich über dem langfristigen Mittel der letzten 20 Jahre von rund 1.6% liegt. Abb. 9: Zwischen dem Jura und dem Aargau stehen am meisten Wohnungen leer Leerwohnungsziffer per 1. Juni 2019, Pfeile: Veränderung gegenüber dem Vorjahr > 3.0% 2.5 – 3.0% 2.0 – 2.5% 1.5 – 2.0% 1.25 – 1.5% 1.0% – 1.25% 0.75 – 1.0% < 0.75% Starker Anstieg Leichter Anstieg Seitwärtsbewegung Leichter Rückgang Starker Rückgang Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 9
Wohneigentum Hypothekarzinsen auf neuen Tiefstständen Abb. 10: Hypothekarzinsen verschiedener Laufzeiten Hypothekarzinsen bei Neuabschluss, in % Das Hypothekarzinsniveau ist seit Ende 2018 nochmals 6% Libor-Hypothek (3-Mt-Libor) Fix-Hypothek 5 Jahre spürbar gesunken und hat im August 2019 einen neuen Fix-Hypothek 10 Jahre Tiefststand erreicht. Dafür verantwortlich ist die gestiegene 5% Fix-Hypothek 15 Jahre wirtschaftliche Unsicherheit aufgrund des anhaltenden Han- 4% delskonflikts zwischen den USA und China sowie die politi- sche Unsicherheit in der EU (Brexit, Italien). An den sehr 3% tiefen Hypothekarzinsen dürfte sich nicht so schnell etwas ändern. Die Zinssätze für Libor-Hypotheken dürften in den 2% nächsten 12 Monaten auf ihren Tiefstständen verharren. 1% Dagegen erwarten wir bei Fix-Hypotheken einen leichten Anstieg. Die Entwicklung dürfte dabei aber wie bis anhin 0% volatil bleiben. 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 03.09.2019 Neubautätigkeit von Wohneigentum zu tief Abb. 11: Bautätigkeit Wohneigentum In Anzahl Wohneinheiten, gleitende 12-Monats-Summe Die Bautätigkeit von Wohneigentum bleibt rückläufig. In den Baugesuche EFH Baugesuche EWG letzten 12 Monaten wurden nur noch knapp 12’000 Eigen- Baubewilligungen EFH Baubewilligungen EWG 25000 tumswohnungen bewilligt. Das entspricht einem Minus von 14% zum Vorjahr. Zwar zeigt ein Blick auf die Gesuche, 20000 dass der Rückgang wohl überzeichnet ist und in den kom- menden Monaten wieder etwas nach oben korrigieren dürf- 15000 te. Eine Trendwende ist aber weiterhin nicht in Sicht. So sind auch die Gesuche nochmals um 2.8% gesunken. In der 10000 gleichen Zeit wurden noch 6120 Einfamilienhäuser bewilligt. 5000 Damit war hier mit beinahe 17% ein stärkerer Rückgang zu verzeichnen. Insgesamt dürfte die Eigentumsproduktion 0 auch in den kommenden Quartalen tiefer ausfallen als die 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 vorhandene Nachfrage. Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 Ungebrochene Preisdynamik Abb.12: Preiswachstum Wohneigentum mittleres Segment Jahreswachstumsraten; gestrichelte Linien: Durchschnitt 2000 – 2018 Das Preiswachstum bei selbstgenutztem Wohneigentum 10% Einfamilienhäuser Eigentumswohnungen bleibt dank sehr tiefen Zinsen und geringer Bautätigkeit auf 8% beachtlichem Niveau. Im Vergleich zum Vorjahresquartal verzeichneten die Preise für Eigentumswohnungen im 2. 6% Quartal ein Plus von 2.7%. Die Zuwächse bei Einfamilien- 4% häusern fielen wie schon in den Vorquartalen mit 4.4% 2% spürbar höher aus. Dass die Preise nicht noch deutlich stär- ker gestiegen sind, dürfte auf die sehr hohen Immobilien- 0% preisniveaus zurückzuführen sein, welche seitens der Käufer -2% zusätzliche Eigenmittel erfordern, sowie auf die regulatori- -4% schen Richtlinien bei der Kreditvergabe. Diese dämpfen die Nachfrage weiterhin spürbar. -6% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: Wüest Partner, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 10 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Wohnungsmarkt Trügerische Beruhigung im Wohnungsbau Zuletzt wurden in der Schweiz von hohem Niveau ausgehend deutlich weniger Wohnungen baubewilligt. Die Beruhigung dürfte allerdings erst mittelfristig in einer geringeren Anzahl neuer Wohnungen resultieren und zudem weit weniger deutlich ausfallen als gegenwärtig die Baubewilligungen glauben machen. Grossprojekte verzerren das Bild. In den vergangenen Jahren hat sich das Schweizer Wohnungsangebot stark ausgeweitet. Wurde die Bautätigkeit bis 2013 von einer zuwanderungsbedingt steigenden Nachfrage angekurbelt, hat sie sich in der Folge zunehmend von der Nachfrage entkoppelt. Mangels attraktiver Anlagealterna- tiven in einem von Negativzinsen geprägten Umfeld blieben Renditeliegenschaften trotz steigender Leerstandsrisiken und sinkender Anfangsrenditen stark gefragt. Dies trieb den Bau von Mietwoh- nungen weiter an. Dagegen ist die Bautätigkeit bei Wohneigentum schon länger rückläufig. Weniger Wohnungen In den letzten Quartalen hat die Anzahl der baubewilligten Wohnungen jedoch deutlich abgenom- baubewilligt… men. Insgesamt wurden in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber der Vorjahresperiode 14.7% weniger Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (Miet- und Eigentumswohnungen) baubewil- ligt (Abb. 13). Dies verleitet zum Schluss, dass der Wohnungsbau seinen Höhepunkt überschrit- ten hat und nun eine langjährige Korrekturphase folgen könnte. … trotz stabiler Eine genauere Betrachtung der Projekte, für die bereits ein Baugesuch eingereicht, aber noch Entwicklung der nicht zwingend bewilligt wurde, lässt jedoch Zweifel an diesem Schluss aufkommen (Abb. 13). Die Baugesuche Summe der gemäss Baugesuchen projektierten Wohnungen lag in den vergangenen zwölf Mona- ten nur leicht tiefer als in der Vorjahresperiode (–3.2%). Dies bedeutet, dass eine ungewöhnlich grosse Lücke zwischen der Anzahl eingereichter und der Anzahl bewilligter Baugesuche entstan- den ist. Zahlreiche Gross- Diese Lücke ist in einigen mehrheitlich urban geprägten Wirtschaftsregionen wie Genf, Luzern projekte in den und Zürich-Stadt besonders ausgeprägt. Diese drei Regionen alleine vermögen über die Hälfte Agglomerationen der gegenwärtigen Differenz von 11'100 Wohnungen zwischen der Gesamtzahl zur Prüfung ein- gereichter und den bereits baubewilligten Wohnungen zu erklären. Auffällig ist ausserdem die gegenwärtig sehr grosse Zahl an Grossprojekten (Abb. 14). Über 6400 der in den vergangenen zwölf Monaten geplanten 46’700 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern sollen in Grossüberbau- ungen mit über 200 Wohneinheiten entstehen. Dies entspricht einem Anteil der Grossprojekte von 13.7% – mehr als je zuvor in den vergangenen 25 Jahren. Abb. 13: Deutlich weniger Wohnungen baubewilligt Abb. 14: Steigende Anzahl Grossprojekte Baubewilligungen und -gesuche in Anz. Wohneinheiten, gleitende 12-Monatssumme Projektiere Wohnungen in Überbauungen mit mehr als 200 Wohneinheiten Gesuche EFH Schweiz Bewilligungen EFH Schweiz 7000 Anzahl Wohnungen (gleitende 12-Monatssumme) 14% Gesuche MFH Schweiz Bewilligungen MFH Schweiz Anteil am Total der projektierten Wohnungen (r. Skala) 60'000 6000 12% 50'000 5000 10% 40'000 4000 8% 30'000 3000 6% 20'000 2000 4% 10'000 1000 2% 0 0 0% 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016 2019 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016 2019 Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 11
Lange Realisierungs- Diese Grossprojekte dürften einen entscheidenden Einfluss auf das gegenwärtig zu beobachtende zeiten Auseinanderklaffen von eingereichten und bewilligten Baugesuchen ausüben. Aufgrund ihrer Komplexität dauert bei solchen Projekten das Bewilligungsverfahren zumeist deutlich länger als bei kleinen und mittelgrossen Projekten.1 Dies gilt gerade auch dann, wenn sie im dicht bebauten Agglomerationsraum realisiert werden sollen, wo oft planerische Vorgaben und divergierende Interessen von Behörden, Bauherren, Landschaftsschützern und Anwohnern aufeinandertreffen. Für den Bauherrn bieten grosse Arealüberbauungen neben diesen Risiken jedoch auch Chancen: Gelingt es ihm, einen Standort massgeblich aufzuwerten – etwa durch komplementäre Parterre- nutzungen und wertvolle Frei- bzw. Erholungsflächen – kann dies zu nachhaltigen Wertsteigerun- gen führen. Jedes zweite Gross- Unter den grössten zehn Wohnbauprojekten der vergangenen zwei Jahre (Abb. 15) sollen sechs projekt in der in der Agglomeration Zürich realisiert werden. Die restlichen verteilen sich auf die Agglomeratio- Agglomeration Zürich nen Genf und Luzern. Insgesamt ist in den zehn Projekten der Bau von über 5100 Wohnungen vorgesehen. Soweit die Nutzung bereits bekannt ist, handelt es sich überwiegend um Mietwoh- nungen. Als Bauherren treten hauptsächlich institutionelle Investoren und Immobilienentwickler auf. Sieben der zehn Projekte wurden noch nicht baubewilligt. Trotzdem ist davon auszugehen, dass sie mehrheitlich realisiert werden, auch wenn bis zum Erstbezug noch Jahre vergehen könn- ten. So vergingen etwa beim Projekt Glasi Bülach von der Einreichung des Baugesuchs bis zur Bewilligung 15 Monate. Das Baugesuch für das Projekt Stockenhof wurde von der Gemeinde gar abgelehnt, wird vom Bauherrn jedoch weiterverfolgt. Doch auch zwischen Erteilung der Baubewil- ligung und dem Baubeginn kann bei Grossprojekten viel Zeit verstreichen. Dies zeichnet sich bei- spielsweise bei der Wohnsiedlung Leutschenbach in Zürich ab, die von der Stadt Zürich realisiert wird und für die zuerst die Zustimmung der Stimmbürger eingeholt werden musste. Dass von Investoren bei Grossprojekten im urbanen Raum viel Geduld gefordert wird, zeigt auch das Bei- spiel der Überbauung Tivoli Garten in Spreitenbach. Diesem Projekt, das neben zwei Wohnhoch- häusern auch einen Baumarkt umfasst, ging ein rund fünfjähriger Disput um das Mobilitätskonzept voraus. Fazit: Ende des Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der jüngste Rückgang der Baubewilligungen bei Mehr- Wohnungsbaus nicht familienhäusern nicht als Trendwende im Wohnungsbau gedeutet werden sollte. Zwar sind die voreilig verkünden Risiken im Mietwohnungsmarkt ausserhalb der attraktivsten Standorte gestiegen. Das Negativzin- sumfeld, dessen Ende zurzeit kaum absehbar ist, wird jedoch dafür sorgen, dass Investoren wei- terhin bereit sind, gewisse Risiken in Kauf zu nehmen. Ausserdem sind gerade in den grossen Agglomerationen wie Zürich und Genf, wo die Wohnungsnachfrage ungebrochen hoch ist, zurzeit viele Grossprojekte in der Pipeline, deren Baubewilligungen noch ausstehen. Diese komplexen Projekte haben alle ihre eigene Geschichte, und von der Planung bis zum Erstbezug vergehen viele Jahre. Werden diese Gesuche mehrheitlich bewilligt, wovon ausgegangen werden kann, dürfte der Mietwohnungsbau nur leicht abflachen und noch längere Zeit eine grosse Zahl von Mietwohnungen auf den Markt bringen. Abb. 15: Zahlreiche Grossprojekte in den Agglomerationen Die zehn grössten Wohnprojekte (in Anz. Wohneinheiten) gemäss Baugesuchen der vergangenen zwei Jahre Standortgemeinde Projektname Anzahl Wohnungen Gesuch eingereicht Gesuch bewilligt Bemerkungen Genf Quai Vernets (Etappen A, B, D) 1090 Wohnungen (alle zur Miete) Okt 18 -- Bezug ab 2022 Rue des Horlogers / rue des Carouge (GE) 750 Wohnungen Jul 19 -- -- Moraines Bülach (ZH) Glasi 550 Wohnungen (75 zum Verkauf) Aug 17 Nov 18 Bezug ab 2021 Zürich Brunaupark 497 Wohnungen (alle zur Miete) Mai 19 -- Bezug ab 2023 Spreitenbach (AG) Tivoli Garten 438 Wohnungen (alle zur Miete) Mai 19 -- Bezug ab 2023 Zürich Wohnsiedlung Leutschenbach 400 Wohnungen (alle zur Miete) Sep 17 Mär 18 Bezug ab 2023 380 Wohnungen (Mietwohnungen, Regensdorf (ZH) Stockenhof Mär 18 -- Baugesuch abgelehnt Alterswohnungen, Pflegeheim) 378 Miet-, Alters- und Studentenwoh- Horw (LU) Horw Mitte (Teiletappe) Nov 18 -- -- nungen Kriens (LU) Nidfeld (Teiletappe) 325 Wohnungen Jan 19 -- Bezug bis 2024 Glattbrugg (ZH) Boarding House 316 Serviced Apartments Apr 18 Sep 18 -- Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 1 Siehe auch: Credit Suisse: Schweizer Immobilienmarkt 2019, Kapitel «Baubewilligungsverfahren: komplex und zeitfordernd», S. 43 ff. 12 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Mietwohnungen Kluft zwischen Angebot und Nachfrage bleibt gross Abb. 16: Bautätigkeit und Nettozuwanderung aus dem Ausland Baubewilligungen und -gesuche Mietwohnungen; gleitende 12-Monats-Summen Ab 2015 setzte bei der Nettozuwanderung – hauptsächlich Nettozuwanderung (r. Skala) Baubewilligungen (Anz. Wohneinheiten) Baugesuche (Anz. Wohneinheiten) aufgrund der Erholung der Arbeitsmärkte in zahlreichen EU- Staaten – eine deutliche Abschwächung ein. Gleichzeitig 35'000 140'000 legte die Bautätigkeit bei den Mietwohnungen weiter zu. Das 30'000 120'000 Resultat: Steigende Leerwohnungsbestände (Seite 8). Die 25'000 100'000 dadurch entstandene Kluft zwischen Angebot und Nachfra- 20'000 80'000 ge bleibt bis heute gross. Zuletzt hat sich jedoch die Zuwan- 15'000 60'000 derung etwas erholt, lag doch der Wanderungssaldo in den vergangenen 12 Monaten 3.4% über der Vorjahresperiode. 10'000 40'000 Gleichzeitig wurden 15.3% weniger Mietwohnungen baube- 5'000 20'000 willigt. Die neu eingegangenen Baugesuche, die volle Pro- 0 0 jektpipeline und das anhaltende Negativzinsumfeld sprechen 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 jedoch gegen eine baldige Schliessung der Kluft zwischen Angebot und Nachfrage (Seite 11). Quelle: Staatssekretariat für Migration, Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 08/2019 Schere zwischen Liegenschaftspreisen und Mieten weit geöffnet Abb. 17: Entwicklung Preise und Mieten Wohnrenditeliegenschaften Wohn- und gemischtgenutzte Renditeliegenschaften, Index: 1.Q 2002 = 100 Seit dem Jahr 2002 sind gemäss IAZI die Transaktionsprei- Jährliches Wachstum Transaktionspreise (rechte Skala) Transaktionspreise Renditeliegenschaften se von Renditeliegenschaften mit Wohn- und Mischnutzung Qualitätsbereinigte Angebotsmieten Bestandesmieten im LIK um 80% gestiegen. Die Mieterträge konnten hingegen mit 180 18% dieser Entwicklung nicht Schritt halten, legte die Mietpreis- 170 15% komponente des LIK im selben Zeitraum doch bloss 22% 160 12% zu. Gar leicht rückläufig waren in den vergangen drei Jahren 150 9% die Mieten der inserierten Wohnungen. Immobilienanleger 140 6% müssen sich folglich mit schrumpfenden Cashflowrenditen 130 3% 120 0% abfinden. Im herrschenden Negativzinsumfeld sind diese 110 -3% jedoch noch immer sehr attraktiv. Ausserdem konnten die 100 -6% Anleger in den vergangenen Jahren von markanten Wertzu- 90 -9% wächsen profitieren. 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Quelle: IAZI, Homegate, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 Grosses Wohnungsangebot ausserhalb der Zentren Abb.18: Angebotsziffer Mietwohnungen Angebotene Wohnungen in % des Bestandes, letzte 4 Quartale, Stand 2.Q 2019 > 10% Parallel zur Leerwohnungsziffer (Seite 8) ist die Zahl der 8 – 10% inserierten Mietwohnungen seit 2014 markant angestiegen 6 – 8% und die Angebotsziffer liegt aktuell bei hohen 5.4%. Insge- 5 – 6% 4 – 5% samt können sich Mieter folglich über eine grosse Auswahl 3 – 4% an Objekten freuen. Dabei gibt es jedoch deutliche regionale < 3% Unterschiede. Tiefe Angebotsziffern weisen urbane Regio- nen wie Zürich (1.8%) oder Genf (2.2%) auf, aber auch einige periphere Regionen mit rückläufiger Nachfrage und schwacher Bautätigkeit (z.B. das Goms, das Unterengadin und das Kandertal). Am höchsten fällt das Angebot aus- serhalb der Agglomerationen des Mittellands und im Unter- wallis aus. In vielen dieser Regionen konnte zuletzt die Nachfrage nicht mehr mit der starken Bautätigkeit Schritt halten. Quelle: Meta-Sys AG, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 13
Kommerzielle Immobilien Wachstum der Bürobeschäftigung ebbt ab Abb.19 Entwicklung der Bürobeschäftigung Jährliche Veränderung der Anzahl Bürobeschäftigten auf Vollzeitbasis, in % Industrie Bau Das Schweizer Bürobeschäftigungswachstum hat sich Handel Verkehr/Transport Gastgewerbe Information/Kommunikation jüngst deutlich abgeschwächt. Während die Bürobeschäfti- Finanzdienstleistungen Unternehmensdienstleistungen gung im vierten Quartal 2018 im Vorjahresvergleich um Gesundheit/öffentliche Dienste Rest Total 1.8% zulegte, betrug das Wachstum im zweiten Quartal 4% 2019 nur noch 1.2%. Somit liegt das Wachstum unter dem 3% langfristigen Mittelwert seit 2005 von 1.5%. Die seit Anfang 2% 2018 spürbar höhere Nachfrage nach Büroflächen hat sich 1% wieder beruhigt, bleibt aber positiv. Der Rückgang ist in erster Linie auf ein geringeres Bürobeschäftigungswachs- 0% tum im Branchenaggregat der Unternehmensdienstleistun- -1% gen zurückzuführen. Hier ist das Jahreswachstum von 3.4% -2% im ersten Quartal auf 1.5% im zweiten Quartal gesunken. 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 2.Q 2019 Drosselung der Bautätigkeit auf dem Büromarkt Abb.20 Geplante Ausweitung von Büroflächen Baubewilligungen und -gesuche, gleitende 12-Monats-Summe, in CHF Mio. Die Bautätigkeit auf dem Büroflächenmarkt nimmt spürbar Neubaubewilligungen Neubaugesuche Umbaubewilligungen Umbaugesuche ab. Das Investitionsvolumen der Neubaubewilligungen be- 4’000 Mittel Baubewilligungen Neubau Mittel Baubewilligungen Umbau trug in den letzten zwölf Monaten CHF 1675 Mio. und liegt 3’500 damit 14% unter dem langjährigen Mittelwert (CHF 1953 3’000 Mio.). Seit 2009 waren die Neubaubewilligungen nicht mehr 2’500 auf einem derart tiefen Niveau. Dies widerspiegelt die vor- sichtigere Haltung der Investoren, die insbesondere auf die 2’000 hohen Leerstände in den äusseren und peripheren Büroflä- 1’500 chenmärkten reagieren. Die erwartete geringere Flächen- 1’000 ausweitung dürfte allfälligen Ungleichgewichten aufgrund 500 der Abkühlung auf der Nachfrageseite vorbeugen bzw. de- ren Ausmass zumindest dämpfen. 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Baublatt, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 07/2019 Käuferstreik bei Retailimmobilienaktien Abb.21 Retailimmobilienaktien und Detailhandelsumsätze Jahresperformance von Retailimmobilienaktien (linke Skala), Wachstumsrate EU- Detailhandelsumsatz in % p.a. Die Skepsis der Investoren gegenüber Aktien von Immobi- EU-Retailimmobilienaktien EU-Detailhandelsumsatz (rechte Skala) 80% 8% lienunternehmen, die auf Einkaufszentren und Detailhan- delsflächen in der Europäischen Union (EU) ausgerichtet 60% 6% sind, hat markant zugenommen. Während die EU- 40% 4% Detailhandelsumsätze ein solides Wachstum aufweisen, 20% 2% sinkt die jährliche Performance von Retailimmobilienaktien 0% 0% immer weiter in den negativen Bereich. Die Ursache hierfür liegt in der schwierigen Situation der stationären Detailhänd- -20% -2% ler, deren Umsätze und Margen aufgrund der wachsenden -40% -4% Online-Konkurrenz schrumpfen. Diese Entwicklung schlägt -60% -6% sich in Form einer geringen Flächennachfrage unweigerlich -80% -8% auch auf die Flächenanbieter nieder. Ein Ende dieses struk- 2008 2010 2012 2014 2016 2018 turellen Wandels ist noch nicht absehbar. Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Quelle: Datastream, Credit Suisse; letzter Datenpunkt: 31.07.2019 14 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
Direkte Immobilienanlagen Höhere Hürden bei Finanzierung von Renditeliegenschaften Auf Anfang 2020 werden Selbstregulierungsmassnahmen bei der Kreditfinanzierung von Renditeliegenschaften eingeführt. Aufgrund des anhaltenden Negativzinsumfelds dürften die Massnahmen aber zu keiner spürbaren Marktberuhigung führen. Wohnliegenschaften Die Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern als Anlageobjekte ist seit über einem Jahrzehnt unge- bleiben ungebrochen brochen hoch. Der Hauptgrund hierfür liegt im starken Zinsrückgang nach Ausbruch der Finanz- attraktiv für krise 2008 und insbesondere dem nun schon seit mehreren Jahren vorherrschenden Negativzins- Investoren umfeld. Entsprechend attraktiv sind die Renditen der Mehrfamilienhäuser im Vergleich zu Anlage- alternativen wie Schweizer Bundesobligationen. Die Folge ist ein Preisanstieg von Mehrfamilien- häusern um mehr als 50% seit Herbst 2008. Trotz steigender Leerstände bei Mietwohnungen und Druck auf die Mieterträge ist hier eine Trendwende ausgeblieben, und die Anfangsrenditen für Top-Objekte befinden sich auf rekordtiefen Niveaus. Staatliche Über diese Entwicklung zeigten sich die Schweizerische Nationalbank und die Eidgenössische Regulierung als Finanzmarktaufsicht (FINMA) zunehmend besorgt. Nachdem sie mehrere Jahre vor steigenden Druckmittel Risiken im Bereich der Wohnrenditeliegenschaften gewarnt hatten, planten die Bundesbehörden jüngst im Rahmen einer Revision der Eigenmittelverordnung (ERV) eine Erhöhung der Risikoge- wichte für hoch belehnte inländische Wohnrenditeliegenschaften. Diese Massnahme soll im Sze- nario eines Wertzerfalls, ausgelöst etwa durch starke Zinsanstiege, die Stabilität des Bankensys- tems verbessern. In der Vernehmlassung zur Verordnung wurde jedoch explizit darauf hingewie- sen, dass auf eine solche Verschärfung verzichtet wird, sollten die Schweizer Banken im Rahmen der Selbstregulierung wirksame Massnahmen ergreifen, um die Risiken auf dem Renditeliegen- schaftsmarkt zu dämpfen. Selbstregulierung Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und prä- anstatt staatlicher sentierte Anfang Juli einen Vorschlag, wie die Schweizer Banken einen gezielten und wirksamen Regulierung Beitrag zu einer Marktberuhigung bei Schweizer Renditeliegenschaften leisten könnten. Am 26. August hat die FINMA die Vorschläge als Mindeststandard bei der Selbstregulierung anerkannt. Damit dürfte die Revision der Eigenmittelverordnung vom Tisch sein. Konkret werden damit fol- gende Verschärfungen bei der Finanzierung von Renditeliegenschaften Anfang 2020 in Kraft treten: 1) Der Mindestanteil an Eigenmitteln beträgt neu 25% anstatt wie bisher 10%, 2) Eine Amortisation auf zwei Drittel des Belehnungswerts muss innerhalb von maximal zehn Jahren an- statt wie bisher 15 Jahren erfolgen. Die Massnahmen gelten für Neugeschäfte und Erhöhungen. Nicht alle Investoren Die Massnahmen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Investorentypen. Viele gleich betroffen institutionelle Anleger und insbesondere Pensionskassen sind beim Investieren in Renditeliegen- schaften nur wenig oder sogar überhaupt nicht fremdfinanziert. Für solche Investoren werden die Massnahmen keine direkten Auswirkungen haben. Im Gegenteil, diese Investoren dürfen wegen der verschärften Regulierung ihrer Wettbewerber weniger Konkurrenz beim Kauf von Anlageobjek- ten haben. Anders dagegen sieht die Situation bei vielen privaten Investoren und Firmen aus, die in Renditeliegenschaften investieren. Je nach Fremdfinanzierungsgrad haben die Massnahmen erhebliche Auswirkungen. Tiefere maximale Um die Folgen zu illustrieren, betrachten wir einen Investor mit CHF 1’000’000 Eigenmitteln Belehnung von 75% (Abb. 22). Bei der bisher maximal möglichen Fremdfinanzierungsquote von 90% konnte dieser Investor bis zu CHF 10 Mio. in ein Renditeobjekt investieren. Beim neuen maximalen Fremdfinan- zierungsgrad von 75% ist mit den gleichen Eigenmitteln nur noch ein Objekt mit einem maximalen Kaufpreis von CHF 4 Mio. erschwinglich. Mit einem Rückgang der maximalen Investmenthöhe um 60% scheint die Massnahme ausserordentlich stark in das heutige Marktumfeld einzugreifen. Es gilt aber zu erwähnen, dass bereits heute viele Banken die maximale Belehnungshöhe auf 80% limitiert haben. In der Praxis dürfte die maximale Investmenthöhe damit eher um 20% sinken. Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019 15
Amortisationsdauer Die schnellere Amortisation (zehn anstatt 15 Jahre) führt bei gleichbleibender Belehnungshöhe zu wird auf zehn Jahre 50% höheren jährlichen Amortisationskosten. So steigen die Amortisationskosten bei einem Bei- verkürzt spielobjekt mit Anlagekosten von CHF 5 Mio. und einem Fremdfinanzierungsgrad von 75% von jährlich knapp CHF 27’800 auf beinahe CHF 41’700 an (Abb. 23). Die tiefere maximale Beleh- nungshöhe führt jedoch dazu, dass der insgesamt zu amortisierende Betrag bei einer maximalen Belehnungshöhe (nur noch 75% anstatt 90%) sogar tiefer ausfällt als bisher. Entsprechend dürf- ten insbesondere die höheren Eigenmittelanforderungen die Nachfrage nach Renditeliegenschaf- ten dämpfen und weniger die Verkürzung der Amortisationsdauer. Buy-to-Let- Die Selbstregulierung gilt nicht für vermietete Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser (Buy- Liegenschaften nicht to-Let-Liegenschaften). Die FINMA hätte es jedoch lieber gesehen, wenn die Massnahmen auch betroffen für solche Objekte gelten würden. Entsprechend empfiehlt die FINMA in ihrer Stellungnahme, dass die Banken die verschärften Anforderungen an Eigenmittel und Amortisation freiwillig auch bei Buy-to-Let-Liegenschaften anwenden. Sie verweist zudem darauf, dass sie dieses Segment weiterhin beobachten wird und, wo notwendig, bei einzelnen Banken Massnahmen ergreift. Öko- nomisch lässt sich eine Unterscheidung zwischen klassischen Renditeliegenschaften und Buy-to- Let-Liegenschaften jedoch begründen. Einerseits wird die Tragbarkeit wie bei Wohneigentum auf Grundlage des persönlichen Einkommens gerechnet, nicht der Mieteinnahmen. Daher sollte die Tragbarkeit auch bei einem Leerstand nicht gefährdet sein. Anderseits besteht neben einer Ver- mietung immer auch die Option, die Wohnung selbst zu bewohnen oder als Wohneigentum weiter zu verkaufen. Da die Bautätigkeit bei Wohneigentum in den letzten Jahren stark rückläufig war und die Leerstände bei Wohneigentum auf einem unproblematischen Niveau sind, dürfte diese Handlungsoption bei vielen Buy-to-Let-Liegenschaften auch in der Praxis gut umsetzbar sein. Abb. 22: Maximaler Kaufpreis sinkt wegen tieferer Abb. 23: Amortisationskosten Belehnungsgrenze Max. Fremdfinanzierung und max. Kaufpreis bei Eigenmitteln von CHF 1’000’000 Amortisationskosten p.a. nach Belehnungshöhe für Objekt mit Kaufpreis CHF 5 Mio. Eigenmittel Max. Fremdkapital Max. Preis 12'000'000 120'000 Amortisation über 15 Jahre 10'000'000 -60% Amortisation über 10 Jahre 10'000'000 100'000 8'000'000 80'000 -20% 5'000'000 6'000'000 60'000 9'000'000 4'000'000 4'000'000 40'000 4'000'000 3'000'000 20'000 2'000'000 1'000'000 1'000'000 1'000'000 0 0 90% 80% 75% 90% 80% 75% Belehnungshöhe Belehnungshöhe Quelle: Credit Suisse Quelle: Credit Suisse Höherer Eigenkapital- Die Massnahmen werden die Hürden für fremdkapitalfinanzierte Investitionen in Wohnrenditelie- einsatz im Rendite- genschaften spürbar erhöhen. Die Auswirkungen einer Verschärfung der Selbstregulierung auf die liegenschaftsmarkt … Gesamtnachfrage nach diesen Anlageobjekten und auf die weitere Preisentwicklung sind hinge- gen schwieriger abzuschätzen. Institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen, die im Markt für Renditeliegenschaften eine wichtige Rolle spielen, setzen meist überwiegend Eigenkapital für ihre Immobilieninvestitionen ein. Dies führt dazu, dass Fremdkapital in diesem Markt eine kleinere Rolle spielt als etwa im Markt für Wohneigentum. Auch wenn keine verlässli- chen Zahlen zum Fremdfinanzierungsgrad im Gesamtmarkt vorhanden sind, gibt es deutliche Indizien, dass zuletzt viel Eigenkapital in den Immobilienmarkt geflossen ist. Einen diesbezüglichen Hinweis liefern etwa die gemäss Baubewilligungen angefallenen Baukosten. Diese befanden sich in den vergangenen zehn Jahren auf sehr hohem Niveau. Da die Baukosten aber deutlich weniger stark gestiegen sind als die Bodenpreise, wäre bei Aufrechterhaltung des Fremdkapitalanteils ein deutlicher Anstieg des Hypothekarvolumens zu erwarten gewesen. Dessen Wachstum hat sich jedoch von 2012 bis 2016 markant verlangsamt (Abb. 24). … zuletzt aber wieder Seit etwas mehr als zwei Jahren wächst das Gesamtvolumen der ausstehenden Hypotheken je- stärkerer Anstieg des doch wieder stärker. Vor allem werden wieder mehr Hypothekarkredite an Unternehmen verge- Hypothekarvolumens ben. Mit 5.5% im Vorjahresvergleich (Stand Juni 2019) wuchs hier das Kreditvolumen zuletzt gemäss Schweizerischer Nationalbank gar doppelt so stark wie bei den Privathaushalten. Somit 16 Immobilienmonitor | 3. Quartal 2019
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