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Inhalt Vorwort Am Beginn eines Investitionszyklus? 3 Wirtschaftsausblick Abkehr von ultralockerer Geldpolitik 5 Währungstrategie Dollar wird weiterhin Federn lassen 9 Zinsstrategie Auf dem Weg zur Normalisierung 11 Aktienstrategie Eine moderatere Entwicklung in der Zukunft 15 Nachhaltigkeitsfokus Unternehmen in einer Pandemie – Zwischen Legalität und Legitimität 19 Asset Allocation Zeit für eine Pause? 22 Markt- und Prognoseübersicht 24 Kontakte 27
Vorwort Vorwort Am Beginn eines Investitionszyklus? Liebe Leserinnern und Leser über 400 „Meilensteinen“, welche Schritte der Weg zu Netto-Null-Emissionen beinhaltet. Da- Der zyklische Aufschwung in der Industrie, der runter sind ein sprunghafter Aufschwung der nicht zuletzt durch die umfassenden staatli- erneuerbaren Energien, ein Verbot für Ver- chen Finanzspritzen eingeleitet wurde, ist weit brennungsmotoren ab 2035, und das Herun- fortgeschritten. So zeigen sich inzwischen terfahren aller Kohle- und Erdölkraftwerke bis weltweit Engpässe bei essentiellen Vorpro- 2040. Die IEA betont, dass der Weg steil und dukten wie Computerchips und erster Lohn- eng, aber möglich und essentiell für Wohl- druck ist sichtbar. Hohe Kapazitätsauslastung stand und Wachstum sei. schürt Preisdruck. So sind die Angst vor der In- flation und ein drohender Zenit im zyklischen Dass die Ölgiganten nicht zur Tagesordnung Aufschwung die dominierenden Themen an übergehen können, zeigte sich zuletzt in einer den Finanzmärkten. Denn steigende Kosten Art Aktionärsrevolte. Der Aufsichtsrat von sind oft mit fallenden Gewinnen verbunden, ExxonMobil verlor vier Abstimmungen bezüg- die in der Vergangenheit häufig den Investiti- lich des Klimawandels und wird in Zukunft onszyklus beendet haben und in Rezessionen zwei Klimaaktivisten aufnehmen müssen. Co- mündeten. nocoPhillips und Chevron verloren die Abstim- mungen über ihre CO2-Emissionsziele. Shell Doch Druck auf die Kapazitäten braucht sich wurde von einem Gericht in den Niederlanden nicht notwendigerweise auf die Inflation aus- verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um zuwirken, wenn die Unternehmen die Investiti- 45% zu senken. Der von der IEA geforderte onstätigkeit ankurbeln. Tatsächlich gibt es ei- komplette Umbau des weltweiten Energiesys- nige Hinweise darauf, dass wir nicht am Ende, tems ist nun unumstösslich. Finanziert ist er sondern am Beginn eines neuen Investi- schon jetzt durch die angekündigten „Green titonszyklus stehen könnten. Erstens haben Deal“ Programme der USA und Europas. Er die grossen Halbleiterhersteller von Samsung wird erhebliche Investitionen erfordern, die ei- bis Intel milliardenschwere Investitionspro- nen neuen Zyklus vorausahnen lassen. gramme angekündigt. Zweitens haben Regie- rungen im Zuge der Corona-Krise massive hei- mische Investitionen für die Herstellung von Gesundheitsgütern von Masken bis Impfstof- fen aufgelegt. Und drittens scheint die Ener- giewende an einem Punkt angelangt zu sein, an dem eine Beschleunigung einsetzt. Dieser Kipppunkt oder auch „Tipping-Point“ manifestierte sich im letzten Quartal durch eine Reihe bahnbrechender Entwicklungen. So hat die traditionell eher pro-fossil argumen- Herzlich, Ihr tierende Internationale Energieagentur (IEA) das seit Jahren überfällige Szenario für die Einhaltung des Temperaturpfades von 1,5 Dr. Jan Amrit Poser Grad Celsius vorgelegt. Darin beschreibt sie in Chief Strategist & Head Sustainability Global View | 3
Wirtschaftsausblick Wirtschaftsausblick Abkehr von ultralockerer Geldpolitik Da das Schlimmste in Bezug auf die Pandemie hinter uns liegt und sich eine starke globale Wirt- schaftserholung abzeichnet, haben die Zentralbanken den langen Prozess in Richtung einer Nor- malisierung ihrer Geldpolitik eingeleitet. Obschon die US-Wirtschaft den verlorenen Boden be- reits in diesem Quartal wieder vollständig gutmachen dürfte, geht die Fed von einem geringen Inflationsrisiko aus und ist bestrebt, nur schrittweise von ihrer expansiven Politik abzurücken. Unseres Erachtens gibt es eine Reihe von Warnsignalen, die dafür sprechen, dass die höhere Inflation permanenterer Natur sein könnte. Dadurch steigt das Risiko, dass die Fed im Verlauf des nächsten Jahres einen Kurswechsel vornehmen muss. In Europa gestaltet sich der mittelfris- tige Inflationsausblick indes verhalten, und wir gehen davon aus, dass die EZB ihre aktuelle geld- politische Haltung abgesehen von einigen kleineren Anpassungen an den Wertpapierkäufen für einige Zeit beibehalten wird. Da die Regierungen in den USA und Europa die Wie wir bereits mehrfach dargelegt haben, Bevölkerungen ihrer Länder rasch durchimp- wird die Inflation in den USA wohl nicht wieder fen, kehrt dort langsam wieder ein gewisses auf die vor der Pandemie verzeichneten Ni- Mass an Normalität ein. Es scheint jedoch veaus zurückkehren. Entscheidend für die klar, dass wir nicht zum früheren Status quo Märkte ist jedoch, wie nachhaltig die Teuerung zurückkehren werden. Die Pandemie hat ei- ist und wie sich dies auf die Politik der Fed nige Trends beschleunigt, die sich ansonsten auswirkt. In der Eurozone und der Schweiz ist über viele Jahre hinweg vollzogen hätten, so der zugrunde liegende Preisdruck deutlich we- etwa die Digitalisierung zahlreicher Tätigkei- niger ausgeprägt. Die EZB und die SNB wer- ten oder ein neuerlicher Fokus der politischen den es mit einer Beendigung ihrer entgegen- Entscheidungsträger auf soziale Ungleichhei- kommenden Geldpolitik nicht sonderlich eilig ten. In den USA war die Rückkehr einer um- haben, selbst wenn die Konjunkturerholung fangreichen „Steuer- und Ausgaben-Agenda“ Fahrt aufnimmt. vor der Pandemie noch unvorstellbar. Ruhig bleiben und weitermachen Unterschiedliche Inflationsdynamiken in Eu- Die Fed hat zum Ausdruck gebracht, dass sie ropa und den USA die höheren Inflationsraten für ein vorüberge- hendes Phänomen hält. Die US-Notenbank 3.0 kann es sich daher leisten, über längere Zeit 2.5 an einer lockeren Geldpolitik festzuhalten, um 2.0 so eine schnellere Erholung am Arbeitsmarkt 1.5 1.0 zu begünstigen. Dies bedeutet jedoch nicht, 0.5 dass sich in den kommenden Monaten nichts 0.0 ändern wird. Es ist nicht von der Hand zu wei- -0.5 sen, dass die Fed bereits Fortschritte in Bezug -1.0 auf die Erfüllung ihres Doppelmandats erzielt 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 hat. Wir rechnen damit, dass bis zum 3. Quar- US Euro area Switzerland tal «wesentliche weitere Fortschritte» – die Vo- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 raussetzung für den Beginn des Tapering-Pro- Global View | 5
Wirtschaftsausblick zesses – in greifbare Nähe gerückt sein wer- die Teuerung jahrelang hinter dem Zielwert zu- den und es dem geldpolitischen Ausschuss rückgeblieben ist. In diesem Fall müsste die der Fed (FOMC) ermöglichen, seine Drosse- Zentralbank ihren Kurs nur geringfügig anpas- lungspläne vorzulegen. Konkrete Massnah- sen. Sollte sich der Inflationsanstieg jedoch men werden wohl frühestens im 1. Quartal des als zu hartnäckig erweisen, und bleiben die In- nächsten Jahres ergriffen, da die politisch Ver- flationserwartungen nicht längerfristig veran- antwortlichen den Anlegern ausreichend Vor- kert, so würde sich dies negativ auf die Finanz- laufzeit zugesagt haben, bevor sie ihren Wor- märkte auswirken. Wir sehen aus den folgen- ten Taten folgen lassen. den Gründen ein grösseres Inflationsrisiko: (i) Preisrigidität nach unten, (ii) höhere Inflations- Für die Fed müssen zwei Bedingungen erfüllt erwartungen und (iii) zunehmender Lohn- sein, damit sie die Zinsen ausgehend von der druck. Ob sich die Lage letztendlich wie unser effektiven Untergrenze bei Null anhebt: Zum Basisszenario darstellen wird– eine beharrli- einen muss die Wirtschaft Vollbeschäftigung chere Teuerung, aber keine radikale Verände- erreichen und zum anderen muss die Inflation rung des geldpolitischen Ausblicks der Fed – «auf dem Weg sein, über gewisse Zeit leicht oder eher wie unser Risikoszenario, das die über 2% zu liegen». Das Ziel wird darin beste- Fed zu einer aggressiveren Vorgehensweise hen, die Inflation wieder an das längerfristige veranlasst, hängt davon ab, wie stark diese Niveau der Notenbank von 2% heranzuführen, einzelnen Faktoren zum Tragen kommen. Der ohne dass sie unter diesen Wert fällt. Die Teu- sprunghafte Inflationsanstieg infolge der Wie- erung und die damit verbundenen Erwartun- dereröffnung dürfte stärker ausfallen und län- gen werden für die Fed auch weiterhin wesent- ger anhalten als zuvor angenommen. Die liche Kennzahlen bei der Ausgestaltung ihrer Nachfrage ist äusserst stark und es bestehen geldpolitischen Haltung darstellen. Wichtig Angebotsbeschränkungen auf breiter Basis, dabei ist, dass ein Rückgang der Arbeitslosen- was einen deutlichen Anstieg der Input-Kos- quote unter die von der Fed geschätzte natür- ten nach sich gezogen hat. Die Preise von Gü- liche Rate noch nicht zu einer strafferen Geld- tern, die von der Krise im letzten Jahr profitiert politik führen wird. haben, darunter Gebrauchtwagen, Video- und Audio-Ausrüstung, und die im Zuge der Nor- Die Stellungnahmen der Fed legen nahe, dass malisierung der Konsummuster eigentlich der FOMC die Zinsen frühestens 2024 und all- hätten sinken sollen, sind weiter gestiegen. gemein deutlich langsamer anheben wird als Dies könnte auf einen breiteren Trend hindeu- in der Vergangenheit. Wir hegen Zweifel daran, ten, nämlich einer Preisrigidität nach unten. dass die Notenbank so lange warten wird, und rechnen im 1. Halbjahr 2023 mit einer ersten Es ist schwer, amerikanische Arbeitskräfte zu Zinsstraffung. Dieses Szenario ist bereits in finden den Staatsanleiherenditen berücksichtigt. Un- 45 5.5 seres Erachtens besteht das Risiko darin, 40 5.0 35 4.5 dass die Fed die fortschreitende Inflation zu 30 4.0 langsam anerkennt und im Verlauf des nächs- 25 3.5 ten Jahres eine deutlichere Korrektur ihres 20 3.0 geldpolitischen Ausblicks vornehmen muss. 15 2.5 10 2.0 Tatsächlich sind wir der Ansicht, dass der An- 5 1.5 stieg der Inflation nicht gänzlich vorüberge- 2000 2005 2010 2015 2020 hender Natur sein wird. Eine gewisse Beharr- lichkeit der Inflation würde von den Fed-Ver- JOLTS, job openings, rate, rhs tretern in der Tat begrüsst werden, nachdem Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 6 | Global View
Wirtschaftsausblick Zweitens ist es für US-Arbeitgeber noch nie so Die EZB wird ihre äusserst entgegenkom- schwer gewesen, Positionen zu besetzen. Als mende Ausrichtung beibehalten Folge erhöhen sie die Löhne, um Arbeitskräfte In Europa nimmt die Konjunkturdynamik end- anzuziehen. Der Employment Cost Index, der lich Fahrt auf. Es wurden deutliche Impffort- Verschiebungen im Beschäftigungsmix der Ar- schritte erzielt, wodurch eine kontinuierliche beitnehmer berücksichtigt und daher eine ge- Lockerung der Beschränkungen möglich ist. nauere Kennzahl für die Lohninflation dar- Eine grosse Zahl von Unternehmen vermeldet stellt, ist bereits in den letzten beiden Quarta- Angebotsengpässe, welche die Input-Kosten len auf frühere Höchststände geklettert. Ei- in die Höhe treiben. Angesichts enormer Auf- nige der Engpässe sollten im weiteren Jahres- tragsrückstände, zunehmender Kapazitätsbe- verlauf nachlassen. Dennoch dürfte die Nach- schränkungen und einer sehr hohen aufge- frage weiter stark ausfallen und das Angebot stauten Nachfrage beabsichtigen einige euro- an neuen Arbeitskräften wohl rasch absorbiert päische Firmen, die gestiegenen Kosten zum werden, was zum Aufwärtsdruck auf die Löhne Teil an ihre Kunden weiterzugeben. Dennoch beiträgt. rechnen wir damit, dass die Inflation in der Eu- rozone nach einer Spitze bei rund 2.4% in die- Dies bringt uns zu unserem letzten Punkt, den sem Sommer im 1. Quartal des nächsten Jah- Inflationserwartungen. Diese sind bereits res auf 1.2% sinkt, bevor sie zum Jahresende deutlich gestiegen. Und obschon wir glauben, wieder etwas anzieht. Kurz gesagt sollte sich dass sie sich nahe ihres Höchststands bewe- die höhere Inflation im Falle der Eurozone tat- gen, besteht das Risiko eines weiteren An- sächlich als vorübergehend erweisen. Ein stiegs. Ein anhaltendes Ungleichgewicht zwi- Grund hierfür ist die im Vergleich zu den USA schen Angebot und Nachfrage würde einen unterschiedliche Dynamik bezüglich der Lohn- allgemeineren Preisauftrieb und als Folge und Inflationserwartungen. Diese Unter- wahrscheinlich höhere Inflationserwartungen schiede sind wiederum auf die jeweilige Phase nach sich ziehen. Je mehr Inflation die Haus- der Konjunkturerholung, das Mass an politi- halte und Unternehmen mit Blick auf die Zu- scher Unterstützung und die Art dieser Unter- kunft erwarten, desto stärker werden sie ihren stützung zurückzuführen. Konsum vorziehen, was wiederum die aktuelle Teuerung in die Höhe treibt. Angesichts dieses verhaltenen mittelfristigen Inflationsausblicks wird es die EZB nicht eilig Das Risiko eines deutlichen Überschiessens haben, von ihrer entgegenkommenden Geldpo- der Inflation ist real litik abzurücken. Gleichzeitig sind angesichts des besseren Konjunkturausblicks mit geringe- % of GDP % points 6 ren Abwärtsrisiken keine derart lockeren Finan- 12.5 zierungsbedingungen mehr vonnöten. Als Folge 4 7.5 dürfte die EZB ihr Pandemie-Notfallkaufpro- 2 gramm (PEPP) bis März 2022 auslaufen lassen. 2.5 0 Dies bedeutet jedoch keineswegs ein Ende der -2.5 -2 Wertpapierkäufe seitens der Notenbank. Das -7.5 -4 Public Sector Purchase Programme der EZB wird unseres Erachtens nach März 2022 wie- 1970 1980 1990 2000 2010 2020 der eine grössere Rolle spielen. Raphael Olszyna-Marzys Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Internationaler Ökonom Global View | 7
Währungstrategie Währungstrategie Dollar wird weiterhin Federn lassen Während für die Entwicklung der Wechselkurse im ersten Quartal 2021 vor allem der Anstieg der Dollarzinsen und der unterschiedliche Fortschritt bei den Impfungen von Bedeutung waren, dürften in der zweiten Jahreshälfte zyklische Faktoren wieder verstärkt in den Fokus rücken. Diese sollten dem antizyklischen US-Dollar, gepaart mit höheren Inflationserwartungen, spürba- ren Gegenwind verleihen. Für Euro, Yen und Pfund Sterling sehen wir noch weiteres Aufwärtspo- tenzial, ebenso wie für Rohstoffwährungen. Der Goldpreis dürfte sein Erholungspotenzial ausge- schöpft haben. Zeichen stehen auf weitere Dollarschwäche Euro sollte von zyklischer Dynamik profitieren In den vergangenen Wochen büsste der US- Ein höherer Impf-Rhythmus relativ zu den USA Dollar einen Grossteil seiner Gewinne des beflügelt derzeit die Wiedereröffnung der eu- ersten Quartals wieder ein. Waren für die Ent- ropäischen Volkswirtschaften. Aufgrund der wicklung der Wechselkurse im ersten Quartal relativ strengeren Lockdown-Massnahmen vor allem der Anstieg der Dollarzinsen und gehen wir für den Euroraum von einem erhöh- der variierende Fortschritt bei den Impfungen ten Nachholbedarf für den Konsum von von Bedeutung, so dürften in der zweiten Jah- Dienstleistungen aus. Die stärkere zyklische reshälfte zyklische Faktoren wieder in den Dynamik sollte den Euro in der zweiten Jahres- Fokus rücken. Darüber hinaus sehen wir das hälfte weiterhin gegenüber dem US-Dollar be- Risiko, dass ein weiterer Anstieg der US-Kon- günstigen. Darüber hinaus dürften die im Ver- sumentenpreise an den Märkten die Sorge gleich zu den USA niedrigeren Inflationserwar- nährt, dass die Fed mit ihrem ersten Zins- tungen dem Euro zusätzlichen Rückenwind schritt zu lange warten könnte. Sowohl die bescheren. Wiederbelebung der globalen Wirtschaft als auch die höhere US-Inflation sollten dem von Die Europäer holen endlich beim Impfen auf uns erwarteten längerfristigen Dollarab- Vaccine doses per capita, % (FC is based on latest mom growth) wärtstrend neuen Schwung verleihen. 160 70% vaccination rate Dollar-Realzinsvorteil ist wieder geschrumpft 120 50 10y US TIPS yield, bps 80 10y DM real yield (excl US)* 0 40 -50 0 Jan-21 Apr-21 Jul-21 Oct-21 Jan-22 -100 EU UK US Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 -150 Jan-20 Apr-20 Jul-20 Oct-20 Jan-21 Apr-21 Begrenztes Aufwärtspotenzial für das Pfund *calculated as a trade-weighted average of EUR / GBP / JPY 10y real yields Das britische Pfund dürfte über die zweite Jahreshälfte hinweg von der globalen Wachs- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 tumsdynamik profitieren. Aufgrund der sehr Global View | 9
Währungstrategie weit fortgeschrittenen Impfkampagne gehen Euro-Frankenkurs wohl weiterhin stabil wir jedoch davon aus, dass sich das Pfund Der Franken hat sich dieses Jahr etwas gegen- gegenüber dem Euro etwas abschwächen über dem Euro abgeschwächt, jedoch gehen sollte. In der längeren Frist dürften die Nach- wir davon aus, dass sich die Währung durch wirkungen des Brexit bremsend wirken. eine anhaltend gute Exportdynamik auch in ei- nem vom globalen Aufschwung geprägten Um- Ein starker Kanada-Dollar feld weiterhin gut behaupten sollte. Insgesamt Bei den Rohstoffwährungen bevorzugen wir wird der Wechselkurs zum Euro über die weiterhin den Kanada-Dollar sowie die nor- zweite Jahreshälfte hinweg wohl auf dem ak- wegische Krone. Beide Währungen dürften tuellen Niveau verharren. besonders von einem weiteren Anstieg des Rohölpreises profitieren, bei dem wir für die Goldpreis steigt bei höherer Inflation zweite Jahreshälfte noch etwas Aufholpoten- 2500 10 zial gegenüber den übrigen Rohstoffen se- 2000 8 hen. Darüber hinaus sollten beide Währun- gen von einer restriktiveren Geldpolitik profi- 1500 6 tieren, denn es gilt als wahrscheinlich, dass 1000 4 die Zentralbanken beider Länder bereits im kommenden Jahr einen ersten Zinsschritt be- 500 2 schliessen. 0 0 2000 2005 2010 2015 2020 Aufwärtspotenzial für den Kanada-Dollar US Core CPI > 2%, lhs US Core CPI, yoy, rhs 0.9 800 Gold, USD per ounce, lhs 1.0 700 Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 1.1 600 Weitere Goldpreiserholung unwahrscheinlich 1.2 500 Im Mai beflügelte ein unerwartet starker Rück- 1.3 400 gang der US-Realzinsen den Goldpreis, wes- 1.4 300 halb wir hinsichtlich der weiteren Preisent- 1.5 200 wicklung zum Jahresende zur Vorsicht neigen. 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Die Diskussionen über ein Zurückfahren der USD-CAD, reversed, lhs Anleihekäufe der Fed dürften sich in der zwei- Bank of Canada commodity price index, rhs ten Jahreshälfte intensivieren und zu etwas Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 höheren Realzinsen führen. Dies könnte dem Goldpreis bis Jahresende Gegenwind besche- Japanischer Yen sollte wieder zulegen ren. Aufgrund eines möglichen nachhaltigeren Massive Portfolioabflüsse ins Ausland hatten Anstiegs der US-Inflation gehen wir jedoch da- den Yen im vergangenen Jahr weniger aufwer- von aus, dass der Goldpreis die Marke von ten lassen als man in der Krise hätte vermuten $2‘000 pro Feinunze über einen Dreijahres- dürfen. Neuere Zahlungsbilanzdaten legen je- zeitraum wieder überschreiten dürfte. doch nahe, dass diese Dynamik deutlich abge- nommen hat, was dem Yen in der zweiten Jah- Dr. Claudio Wewel reshälfte zu Gute kommen dürfte. Währungsstratege 10 | Global View
Zinsstrategie Zinsstrategie Auf dem Weg zur Normalisierung Die globale Erholung dürfte im 2. Halbjahr 2021 an Fahrt aufnehmen, da immer mehr Volkswirt- schaften nach der COVID-19-Pandemie wieder geöffnet werden. Zwar gibt der Inflationsdruck mittlerweile Anlass zur Sorge, die Märkte preisen allerdings schon jetzt einen deutlichen Anstieg der Teuerung ein. Die realen Renditen in den Industrieländern sind aber wahrscheinlich zu niedrig und dürften daher eine entsprechende Korrektur erfahren. Obwohl wir nicht mit einem deutlichen Anstieg der realen Renditen an den Anleihenmärkten rechnen, dürfte in den kommenden Mona- ten doch ein gewisser Aufwärtsdruck auf die Anleiherenditen bestehen bleiben und die Zinskur- ven weiter steil verlaufen. Die Inflationserwartungen am Markt sind in US-Inflationserwartungen nähern sich dem den letzten Wochen stark gestiegen oberen Ende der historischen Spanne Eine schnelle Wiedereröffnung der Volkswirt- 4.0 schaften in den Industrieländern sorgt der- zeit für eine hohe angestaute Nachfrage sei- 3.0 tens Verbrauchern und Unternehmen, der Angebotsengpässe in verschiedenen Berei- 2.0 chen gegenüberstehen. Damit sind Sorgen über einen starken Anstieg der Inflation auf- 1.0 gekommen, und die marktbasierten Inflati- 0.0 onserwartungen sind parallel zu den Roh- 2010 2013 2017 2021 stoffpreisen stark gestiegen. US 10y break even GER 10Y break even CAN 10Y break even AUS break even Die Finanzierungsbedingungen in den Indust- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 rieländern sind weiterhin sehr locker, da die Zentralbanken ihrem Versprechen, die entge- Am stärksten fiel der Anstieg der Inflationser- genkommende Geldpolitik nicht verfrüht zu- wartungen bislang in den USA aus. Die 10-jäh- rückzunehmen, nachkommen. Auch die Fis- rige Breakeven-Inflation hat Niveaus erreicht, kalpolitik sorgt weiterhin für reichlich Unter- an die sie in den vergangenen 20 Jahren kaum stützung, allen voran in den USA, wo ein um- herangekommen ist. Für einen nachhaltigen fangreiches Infrastrukturpaket für die nächs- Anstieg über diesen Wert hinaus müsste der ten zehn Jahre geschnürt wird. Mit Blick auf Markt davon überzeugt sein, dass die USA in die Zukunft ist wichtig, ob sich der aktuelle der Tat in eine von anhaltend höherer Inflation Aufwärtsdruck auf die Inflation wie von den geprägte Phase eingetreten sind. Dieser Pro- Zentralbanken beteuert als vorübergehend er- zess wird jedoch längere Zeit in Anspruch neh- weisen oder die Teuerung doch langfristig auf men. Dies führt uns zu dem Schluss, dass sich erhöhten Niveaus verharren wird. Mit einer die Markterwartungen bezüglich des Preisauf- konkreteren Antwort auf diese Frage ist aber triebs in den USA wahrscheinlich nahe eines frühestens im nächsten Jahr zu rechnen. Hochs bewegen, während die Breakeven-In- flation in anderen Industrieländern, allen vo- ran Europa, über Aufwärtspotenzial verfügt. Global View | 11
Zinsstrategie Die realen Renditen in den Industrieländern sich ziehen. Gleichwohl besteht nach wie vor sind derzeit vermutlich zu niedrig das Risiko, dass eine deutlichere konjunktu- Der Anstieg der nominalen Anleiherenditen in relle Erholung und ein anhaltend stärkerer den Industrieländern in den letzten 12 Mona- Preisauftrieb die Zentralbanken früher als er- ten ist zum Grossteil auf eine höhere erwar- wartet in Zugzwang bringen. Insgesamt rech- tete Inflation zurückzuführen. Die realen Ren- nen wir in den kommenden Monaten haupt- diten fallen dagegen weiterhin niedrig aus, da sächlich aufgrund der realen Renditen wei- die Märkte akzeptiert haben, dass die Zentral- terhin mit moderatem Aufwärtsdruck auf die banken ihre entgegenkommende Geldpolitik Anleiherenditen und steileren Zinskurven. nur sehr langsam zurücknehmen werden. Doch selbst vor diesem Hintergrund sind die US-Wachstumsdynamik dürfte im 2. Halbjahr realen Renditen derzeit zu niedrig. Da sich die 2021 nachlassen Debatte über eine Änderung der lockeren Im 2. Quartal 2021 hat die Wirtschaftsaktivi- Geldpolitik in den Industrieländern im 2. Halb- tät in den USA deutlich angezogen, da die Wie- jahr 2021 intensivieren dürfte (wenngleich da- dereröffnung fortschreitet und der Dienstleis- bei unterschiedliche Zeitpläne verfolgt werden tungssektor wieder in Gang kommt. Aus ver- dürften), rechnen wir mit einem gewissen Auf- schiedenen Einkaufsmanager- und regionalen wärtsdruck auf die realen Zinsen. Der erste Fed-Indizes geht ein deutlicher Preisdruck her- Schritt in diesem Prozess ist die Verringerung vor. Darüber hinaus steigen allmählich die des Umfangs der Wertpapierkäufe im Rahmen Löhne, da die Arbeitgeber Schwierigkeiten ha- der verschiedenen QE-Programme, die we- ben, freie Stellen zu besetzen. Zudem haben sentlich zu den niedrigen realen Renditen bei- die Rohstoffpreise den stärksten Anstieg seit getragen haben. 2009 verzeichnet. Die Inflationszahlen stei- gen daher momentan deutlich an, wobei Ba- Die realen Zinsen sind wahrscheinlich zu tief siseffekte im Jahresvergleich eine wesentli- 2.0 4.0 che Rolle spielen. Die Fed erachtet den der- 1.5 zeitigen Inflationsdruck als vorübergehend 3.0 1.0 und geht davon aus, dass sich die Teuerungs- 0.5 2.0 raten in den kommenden Quartalen wieder 0.0 1.0 nahe 2% einpendeln werden. -0.5 0.0 -1.0 Weniger Aufwärtsdruck auf US-Renditen -1.5 -1.0 25.0 3.0 2010 2013 2017 2021 2.0 15.0 Developed markets 10y real yield (TIPS) 1.0 5.0 Dev. markets implied policy rate in 3y, rhs 0.0 Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 -5.0 -1.0 -15.0 -2.0 Die Zentralbanken werden versuchen, die -25.0 -3.0 Märkte auf eine Drosselung ihrer Wertpapier- 2008 2013 2017 2022 käufe vorzubereiten, lange bevor sie diese in ISM 12m change die Tat umsetzen, um so einen unerwünsch- ISM mfg PMI, exp. 12m change ten (starken) Anstieg der realen langfristigen US 10Y yield (12m ch.,%,rhs) Renditen zu vermeiden. Angesichts der allge- Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 mein erhöhten Schuldenstände in den In- dustrieländern würde ein deutlicher und ra- Die Wachstumsdynamik im verarbeitenden scher Anstieg der realen Renditen negative Gewerbe der USA dürfte sich in der zweiten Auswirkungen auf die Realwirtschaft nach Jahreshälfte 2021 abschwächen. 10-jährige 12 | Global View
Zinsstrategie US-Renditen korrelieren stark mit der Dynamik denken. Was die Anleihe-Kaufprogramme an- des verarbeitenden Sektors. Wir gehen daher belangt, so soll das Pandemie-Notfallkaufpro- davon aus, dass der Aufwärtsdruck auf die gramm (PEPP) im März 2022 auslaufen. Wir Treasury-Renditen im 2. Halbjahr nachlassen gehen davon aus, dass die Notenbank ihre wird. Darüber hinaus hat der jüngste Rendite- Wertpapierkäufe bereits im 2. Halbjahr 2021 anstieg bereits zu einer deutlichen Neubewer- reduzieren wird, ohne aber dabei bereits von tung der US-Zinsstruktur geführt, wie am For- einem «Tapering» zu sprechen. In jedem Fall ward-Markt zu beobachten ist. Die 5J5J- und werden die Wertpapierkäufe auch nach März 10J10J-Forward-Renditen implizieren bereits 2022 über längere Zeit fortgeführt werden Werte, die nahe oder über dem geschätzten müssen, um günstige Finanzierungsbedin- langfristigen Niveau des Fed-Funds Satzes lie- gungen in der Eurozone sicherzustellen. Da in gen, was in der Vergangenheit auf eine ange- den kommenden Jahren weiterhin mit erhöh- messenere Bewertung der US-Zinsen hinge- ten Defiziten zu rechnen ist, wird die EZB als deutet hat. Dies spricht unseres Erachtens starker «Käufer der letzten Instanz» auftreten dafür, dass die Treasury-Renditen künftig nur müssen. Daher dürfte das «inaktive» Public begrenztes Aufwärtspotenzial aufweisen. Sector Purchase Program (PSPP) nach März 2022 wieder eine grössere Rolle spielen. Des- Die USD-Renditekurve hat bereits eine deutli- sen aktuelles Volumen von 20 Mrd. EUR/Mo- che Korrektur erfahren nat wird voraussichtlich deutlich angehoben, 5.5 um einen reibungslosen Übergang zu gewähr- 4.5 leisten. Die EZB dürfte eine gewisse Verstei- lung der Renditekurve tolerieren, sollte die 3.5 Wirtschaft der Eurozone in der zweiten Jahres- 2.5 hälfte 2021 an Dynamik gewinnen. Wir rech- nen weiterhin mit etwas höheren Anleiheren- 1.5 diten sowie einer steileren Renditekurve. 0.5 Jan-12 Jan-15 Jan-18 Jan-21 Fed Dots, terminal rate Starke Erholung in Grossbritannien US Treasury, 10y/10y nominal yield Die schnellere Wiedereröffnung der britischen US Treasury, 5y/5y nominal yield Wirtschaft hat die Erwartung geschürt, dass es Quelle: Macrobond, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 in diesem und im nächsten Jahr zu einer stär- keren Erholung kommen wird. Entsprechend Eurozone – Geldpolitik bleibt expansiv sind die Zinserwartungen wie auch in anderen Die deutlich höhere Impfquote wird in den Währungsräumen gestiegen. Die Bank of Eng- kommenden Monaten eine umfassendere land (BoE) wird über einen längeren Zeitraum Wiedereröffnung der Volkswirtschaft in der Eu- an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten. Trotz rozone ermöglichen. Daher rechnen wir mit ei- des Konjunkturaufschwungs wird die britische ner wesentlichen Beschleunigung des Wirt- Wirtschaft aber auf mittlere Sicht durch die schaftswachstums. Trotz des erheblichen An- Nachwirkungen des Brexit in Mitleidenschaft stiegs der Markterwartungen für die Inflation gezogen. Dennoch rechnen wir mit einem An- in der Eurozone verharrt diese weiterhin deut- stieg der Gilt-Renditen, der etwas stärker aus- lich unterhalb des Zielwerts der EZB von 2%. fallen dürfte als bei vergleichbaren Papieren Aus diesem Grund wird selbst eine starke Er- aus der Eurozone. holung in diesem Jahr die EZB nicht dazu be- wegen, über baldige Zinserhöhungen nachzu- Alex Rohner Zinsstratege Global View | 13
Hafen von Skiathos, Griechenland
Aktienstrategie Aktienstrategie Eine moderatere Entwicklung in der Zukunft Die Aktienmarkterträge haben sich in den letzten Wochen etwas abgeschwächt, da die Wachs- tumsraten US-Wirtschaft nach einer starken Aufschwungsphase moderater ausfallen dürften. Die Daten fallen also weiterhin solide aus, verbessern sich aber nicht mehr. Unseres Erachtens dürfte dieses Muster in den kommenden Monaten Bestand haben. Zwar dürften die Aktien- märkte weiter nach oben tendieren, da die Gewinnentwicklung nach wie vor stark ausfällt, aller- dings dürfte ein weiterer Anstieg der Bewertungen eher unwahrscheinlich sein. Aus regionaler Sicht schätzen wir Europa nach wie vor attraktiver ein als die USA. Unsere Einschätzung für asia- tische Aktien gestaltet sich nach dem starken Rückgang der vergangenen vier Monate wieder positiver. Die stärkste Phase dieser Erholung liegt jetzt Globale Aktien entwickeln sich seit Mitte April hinter uns seitwärts Nach einer deutlichen Wachstumsbeschleu- 710 MSCI AC World nigung, die weit bis in die erste Hälfte des 700 Jahres 2021 hineinreichte, ist der Konjunk- 690 turzyklus in den USA nun in die nächste Phase eingetreten: Die Makrodaten fallen 680 insgesamt weiter stark aus, verbessern sich 670 aber nicht mehr. 660 650 Die US-Makrodaten fallen 640 weiterhin stark aus, Jan- 21 Feb- 21 Mar- 21 Apr- 21 May- 21 verbessern sich aber nicht Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 mehr Die starke und lang anhaltende Überrendite Die Aktienmärkte haben so reagiert, wie sie zyklischer Papiere ging Mitte März zu Ende, es in vergleichbaren Phasen in der Vergan- und technologielastige Sektoren haben seit genheit (beinahe) immer getan haben – sie Jahresgewinn den Grossteil ihrer Gewinne sind nicht weiter gestiegen. Die Bewertungen wieder abgegeben, während defensive Seg- werden auf den Prüfstand gestellt, da der mente etwas Boden gutmachen konnten und Markt seine Annahmen über den künftigen von dem verringerten Aufwärtsdruck auf die Verlauf der Erholung überdenkt und es zu ei- US-Zinsen profitierten. Das einzige Marktseg- nem Wechsel der Marktführerschaft gekom- ment, dessen Aufwärtsbewegung kaum oder men ist. In der Tat hat die deutliche Erholung gar nicht beeinträchtigt wurde, sind Substanz- bei zyklischen Papieren gestoppt. werte, wobei Finanz- und Energietitel ihre Überrendite im April und Mai fortsetzten. Global View | 15
Aktienstrategie Rally zyklischer Papiere hat sich verlangsamt Sprunghafter Anstieg der Gewinnrevisionen 160 Global cyclicals vs. defensives im 2. Quartal 150 60% 1-month net Global cyclicals ex tech, ex earnings revisions 140 comm. services vs. defensives 40% 130 20% 120 0% 110 -20% 100 -40% 90 -60% 80 -80% 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 MSCI USA MSCI EMU Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Die Verlangsamung der Erholung kam vor al- lem in rückläufigen Bewertungen zum Aus- Aktien dürften in der zweiten Hälfte des Jahres druck. Dies passierte nicht nur aufgrund tiefe- deutlich weniger Unterstützung erfahren. rer Aktienkurse, sondern auch weil trotz Auf- Obschon nach wie vor mit einer starken Ge- wärtskorrekturen von Gewinnerwartungen po- winnentwicklung gerechnet wird, dürften die sitive Kursreaktionen ausblieben. Aufwärtskorrekturen in den kommenden Mo- naten nachlassen. Konsensschätzungen er- Vor allem grosse Technologieunternehmen warten bereits heute, dass der Gewinn je Aktie haben nachgegeben auf 12-Monats-Forward-Basis zu Jahresende 44 12m fwd PE FAANG, MS, Tesla um 5% über den aktuellen Niveaus liegen wird. 40 US 12- month forward PE ex FAANG, MS, Tesla 36 Es wird weiterhin mit einer steilen Gewinnent- 32 wicklung gerechnet 28 8% Upside to consensus 7% earnings until end of 2021* 24 6% 20 5% 16 4% 3% 12 2% 8 1% 2011 2013 2015 2017 2019 2021 0% Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 -1% -2% Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich -3% EMU EM World CH US UK Japan der aktuelle Zyklus deutlich von früheren. Die *Consensus 2022 EPS vs. current level of consensus 12-month forward EPS Gewinnerholung ist bemerkenswert, wobei die Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Unternehmen ein Rekordquartal nach dem anderen verzeichnen. In den USA übertrafen Gleichzeitig scheinen die Bewertungen ein im 1. Quartal 87% der Unternehmen die Kon- recht solides Makroszenario einzupreisen. senserwartungen und markierten damit nach Dies soll nicht heissen, dass wir eine deutliche einem bereits starken 2. Halbjahr 2022 ein Marktschwäche oder einen wesentlichen weiteres Rekordhoch. Die Gewinnrevisionen Rückgang der Wirtschaftsdaten erwarten. sind als Folge sprunghaft angestiegen und ha- Doch die Kombination aus erhöhten Bewer- ben in den USA Mehrjahreshochs und in Eu- tungen, rückläufigen Makrodaten und einer ropa ein Allzeithoch erreicht. Zentralbank, die sich etwas restriktiver zeigen 16 | Global View
Aktienstrategie könnte, spricht für eine weniger optimistische Neben Aktien aus der Eurozone und Grossbri- Haltung als zu Jahresbeginn. tanniens haben wir auch Schweizer Papiere Anfang April hochgestuft, um dem weniger Revisionen in den USA dürften nicht weiter zu- prozyklischen Marktumfeld Rechnung zu tra- nehmen gen. Zudem wollten wir uns die attraktiven Be- 60% 65 wertungen von Schweizer Aktien zunutze ma- 40% 60 chen. Darüber hinaus erkennen wir auch in 20% den asiatischen Märkten allmählich eine gute 0% 55 Gelegenheit. Diese folgen seit Anfang des Jah- -20% res ihrem eigenen Makrozyklus. Nach der star- 50 ken Wertentwicklung im Jahr 2020 hat die Ab- -40% 45 schwächung des chinesischen Kreditzyklus -60% die Märkte in der Region belastet. Da die Dy- -80% 40 namik der US-Wirtschaft eine Spitze auszubil- 2011 2013 2015 2017 2019 2021 MSCI USA 3-month net earnings revisions den scheint, könnten in China in den kommen- US ISM mfg (rhs) den Monaten durchaus wieder inländische Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Stimulierungs-Massnahmen ergriffen werden. Was unsere regionalen Präferenzen anbe- Der chinesische Kreditzyklus entwickelt sich langt, so richteten wir den Fokus zu Beginn sehr schwach des Jahres auf die europäischen Märkte und 30% erachten diese weiterhin als attraktive Anlage- 20% gelegenheit im Vergleich zu anderen Regio- 10% nen. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Wirtschaftserholung in Europa etwas 0% später einsetzen dürfte, was nicht zuletzt den -10% Verzögerungen bei der Impfstoffverteilung ge- -20% schuldet ist. Die Differenz zwischen den posi- tiven Makroüberraschungen in der Eurozone -30% 2010 2012 2014 2016 2018 2020 und in den USA liegt auf einem Rekordhoch, China vs. global equity performance, 6m chg was für eine weitere Überrendite europäischer China credit impulse (rhs) Aktien in den kommenden Wochen spricht. Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Europäische Aktien dürften besser abschnei- Sollte es beim chinesischen Kreditzyklus zu ei- den als US-Titel ner Wende kommen, wäre dies ein äusserst 20% 150 positives Signal für einen Markt, der seit An- 15% 100 fang des Jahres stärker in Mitleidenschaft ge- 10% zogen wurde als alle anderen Regionen. 50 5% 0% 0 Wolf von Rotberg -5% Aktienstratege -50 -10% -100 -15% -20% -150 2013 2015 2017 2019 2021 EMU vs US, relative performance 6m chg EMU vs. US, relative macro surprises (rhs) Quelle: Refinitiv, J. Safra Sarasin, 27.05.2021 Global View | 17
Stoleshnikov-Strasse in Moskau, Russland
Nachhaltigkeitsfokus Nachhaltigkeitsfokus Unternehmen in einer Pandemie – Zwischen Legalität und Legitimität Als die Regierungen im Jahr 2020 Beschränkungen für die wirtschaftliche Aktivität einführten, um die Ausbreitung des COVID-19-Virus zu verhindern, ergriffen sie gleichzeitig auch Massnah- men, um die Unternehmensbilanzen zu stützen. Nun, da die Volkswirtschaften wieder geöffnet werden, scheinen die Notfallmassnahmen angesichts der Tatsache, dass sich die Ausfallquoten auf Mehrjahrestiefs bewegen, von Erfolg gekrönt zu sein. Viele Unternehmen blieben äusserst rentabel, nutzten aber auch die staatliche Unterstützung. Ein Blick auf die Jahresberichte zeigt, dass die Unternehmen diese Gewinne auch zur Zahlung von Dividenden genutzt haben, wobei die Unternehmensleitung sich oftmals selbst Boni ausgezahlt hat. Dies kommt den Aktionären zwar auf kurze Sicht zugute. Wir erkennen aber eine Reihe von Gründen, aus denen ein solches Unternehmensverhalten auf lange Sicht schaden könnte. Von Beschränkungen zu finanzieller Unterstüt- Beschränkungen konfrontiert. Die Unterstüt- zung zungs-Massnahmen scheinen jedoch erfolg- Als die Regierungen im März 2020 Lockdowns reich dazu beigetragen zu haben, die Unter- verhängten, um die Ausbreitung von COVID-19 nehmen über Wasser zu halten. Aus den Da- einzudämmen, waren viele Unternehmen ge- ten des Insolvenzregisters geht hervor, dass zwungen, ihren Betrieb einzustellen, wodurch 2020 nur 3’811 Unternehmen in der Schweiz sie sich einer starken finanziellen Belastung Insolvenz oder Konkurs angemeldet haben. gegenübersahen. Um diese wirtschaftlichen Dies entspricht einem Rückgang um 19% im Auswirkungen der Beschränkungen abzumil- Vergleich zu 2019. Allerdings waren starke dern, hat der Schweizer Bundesrat Unterstüt- Unterschiede in Bezug auf die Auswirkungen zungsmassnahmen im Umfang von rund CHF von COVID-19 auf verschiedene Sektoren und 60 Mrd. lanciert. Diese Massnahmen lassen Arten von Unternehmen zu beobachten. Viele sich in zwei Kategorien unterteilen: (1) staat- Unternehmen, wie etwa Technologiefirmen, lich garantierte Kredite als Liquiditätsbrücke konnten ihre Rentabilität wahren oder sogar und (2) eine Verlängerung der Kurzarbeitsre- von der Pandemie profitieren. Mit der Erwar- gelung, die es Unternehmen ermöglicht, ihre tung eines starken Wirtschaftswachstums im Mitarbeitenden weiter zu beschäftigen, wobei Zuge der Erholung sehen sie sich nun einem 80% des Verdienstausfalls infolge der Redu- positiven Ausblick für das kommende Jahr ge- zierung der Arbeitszeit vom Staat kompensiert genüber. werden. Beide Programme wurden in umfang- reichem Masse in Anspruch genommen: Im Bedingungen hängen von Art der Hilfe und der April 2020 fielen 1.9 Millionen Schweizer Ar- Region ab beitnehmer unter die Kurzarbeitsregelung und Anders als bei den Liquiditätsfazilitäten be- bis Mai wurden 117.000 Kreditfazilitäten ge- schloss die Schweizer Regierung, Unterneh- währt. In den vier Monaten nach April 2020 men, die Kurzarbeitsregelungen einführten, Di- gewährte die Regierung Überbrückungsfazili- videndenausschüttungen nicht zu untersagen. täten in Höhe von insgesamt 17 Mrd. CHF. Während der Schweizer Nationalrat für den Vorschlag stimmte, war der Ständerat dage- Mehr als ein Jahr später sehen sich viele gen. Andere Länder wie die Niederlande ver- Volkswirtschaften nach wie vor mit strengen boten inländischen Unternehmen Dividenden- Global View | 19
Nachhaltigkeitsfokus zahlungen, waren jedoch nicht in der Lage, ein Weitere Kapitalallokationen betreffen die An- internationales rechtsverbindliches Verbot zu gestellten (mittels Löhnen), den Staat (mittels erwirken. Steuern) und die Aktionäre (mittels Rückkäu- fen und Dividenden). Obgleich die rechtlichen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und steuerlichen Rahmenbedingungen von Government Land zu Land variieren, kann nur ein ausgewo- 8% gener Shared-Value-Ansatz als nachhaltig an- gesehen werden. Gerät dieses Gleichgewicht aus dem Lot, kann dies verschiedene uner- wünschte Nebenwirkungen zur Folge haben Employers Employees 46% wie etwa Schwarzmarktaktivitäten, Steuerhin- 46% terziehung oder Korruption. Rechtlich zulässig, aber wie steht es um die Legitimität? Innerhalb des aktuellen rechtlichen Rahmens Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen, 2018. ist es Schweizer Unternehmen somit gestat- tet, ihre Gewinne, die durch die Notfallmass- Bleiben exogene Schocks für die Wirtschaft nahmen in die Höhe getrieben wurden, an Ak- aus, steuern Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tionäre auszuschütten, wodurch sie im We- gleichen Teilen zu diesem Sozialversicherungs- sentlichen Steuergelder an ihre Aktionäre um- system bei. Die erhöhte Inanspruchnahme in verteilen. Dies widerspricht zwar dem oben er- den Jahren 2020 und 2021 hat jedoch ein gros- wähnten Konzept eines nachhaltigen Stake- ses Defizit nach sich gezogen. Als Reaktion da- holder-Ansatzes, fällt aber durchaus in den rauf hat die Bundesregierung ihren Beitrag rechtlichen Ermessensspielraum bei unter- 2021 allein um schätzungsweise 6 Mrd. CHF nehmerischen Entscheidungen. erhöht. In dieser Hinsicht kamen aber Beden- ken in Bezug auf die Wahrnehmung dieser Mas- Mit Blick auf die Unternehmenskommunika- snahmen als gemeinsame Versicherung auf. Ist tion ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Viele es stets ein Beteiligter, der den anderen bei Unternehmen heben ihre Rolle in der Gesell- nachteiligen Entwicklungen aus der Klemme schaft zum Wohle aller Anspruchsgruppen helfen muss, können Zweifel am Versiche- hervor und wollen sich an den höchsten ethi- rungswert dieser anderen Beteiligten aufkom- schen Standards messen. Angesichts des er- men. Selbst wenn man bedenkt, dass ein Teil höhten Fokus auf Nachhaltigkeit geben immer der allgemeinen Steuereinnahmen von Unter- mehr Unternehmen an, zum Wohle der Gesell- nehmen stammt, gestaltet sich der relative Bei- schaft als Ganzes zu handeln. Dies impliziert trag für Arbeitnehmer deutlich ungünstiger. Da- einen starken moralischen Kompass, der im gegen ist die Fähigkeit, Kapitalallokationen zu Idealfall in kongruenten Unternehmensent- tätigen, ein Grundrecht, dem beim Streben scheidungen zum Ausdruck kommt. nach Erhalt der wirtschaftlichen Freiheit eine hohe Priorität eingeräumt werden sollte. In dieser Hinsicht besteht nun eine ausge- zeichnete Chance, zu beurteilen, ob diese Ver- Um ein nachhaltiges Wachstum zu fördern, sprechen auch tatsächlich eingehalten wer- schafft ein Unternehmen Wert, indem es Kapital den. Unternehmen können ihrem Anspruch an die verschiedenen Anspruchsgruppen der gerecht werden, indem sie eine Rolle in der Gesellschaft allokiert. Ein wesentlicher Teil da- Gesellschaft spielen, bei der mehr als nur von besteht in der Wiederanlage von Gewinnen wirtschaftlicher Gewinn angestrebt wird, und in die weitere Entwicklung des Unternehmens. zum Nutzen aller Anspruchsgruppen, darunter 20 | Global View
Nachhaltigkeitsfokus die Gesellschaft als Ganzes, agieren. Staatli- Trend belegt wird. Es ist ermutigend zu sehen, che Hilfen, die letzten Endes nicht genutzt dass immer mehr Investoren diese Verantwor- wurden, könnten zurückerstattet werden, tung wahrnehmen. Denn letzten Endes dele- sollte das Unternehmen im selben Jahr renta- gieren die Aktionäre die Entscheidungsfin- bel gewirtschaftet haben und einen starken dung an die Unternehmensleitung und ver- Ausblick aufweisen. Ein derartiges Vorgehen trauen darauf, dass der Vorstand seiner Auf- würde die zuvor genannten Bestrebungen ei- sichtspflicht nachkommt und inhärente Prob- nes Unternehmens deutlich zur Geltung brin- leme mindert. Betrachtet man die Verwen- gen und dessen sozialen Wert neu definieren. dung dieses Ansatzes in aussergewöhnli- Die jüngst veröffentlichten Jahresberichte chen Zeiten, lassen sich wesentliche Einbli- zeichnen jedoch leider ein anderes Bild. Unter- cke in die Vorgehensweise beider Akteure ge- nehmen, die COVID-19-Hilfen in Anspruch ge- winnen. Denn falls nicht darauf vertraut wer- nommen haben, zahlen nun die Gewinne, die den kann, dass ein Unternehmen die aus sie im selben Zeitraum erwirtschaftet haben, ethischer Sicht vorzuziehende Entscheidung aus. Von der Unternehmensleitung als Zei- trifft – insbesondere dann, wenn es keine chen der Solidarität in Kauf genommene Ge- Konsequenzen zu befürchten hat, – kann haltskürzungen werden durch variable Vergü- nicht garantiert werden, dass das Unterneh- tungspakete mehr als ausgeglichen. In vielen men mit anderen Beteiligten und unter ande- Fällen sind die Personalkosten im Vergleich zu ren Bedingungen nicht ähnlich handeln wird. 2019 deutlich gesunken, doch die Unterneh- Diese höhere Unsicherheit erfordert zumin- mensführung erhält dennoch eine variable dest höhere Kapitalkosten. Aktionäre können Vergütung, die sich mitunter sogar nach Be- diese Unsicherheit mittels Stimmrechtsaus- triebskennzahlen richtet, welche sich direkt übung über ihre Vermögensverwalter min- durch die Notfallmassnahmen verbessert ha- dern und dadurch die Extremrisiken in Bezug ben, wie etwa die Mitarbeiterbindung. In ande- auf künftige Unternehmensentscheidungen ren Fällen, in denen sich börsennotierte Unter- verringern. nehmen grösstenteils in Familienbesitz befin- den, fällt die Wertverteilung unter den An- Die Bank J. Safra Sarasin hat ihren eigenen spruchsgruppen noch beschränkter aus. Active-Ownership-Ansatz entwickelt, der mit der nachhaltigen Anlagemethodologie der Wie Aktionäre für Abhilfe sorgen können Bank J. Safra Sarasin in Einklang steht. Wir Es gibt drei Ebenen, auf denen wahrgenom- treffen uns mit der Unternehmensleitung, ar- menes unrechtmässiges Verhalten angegan- beiten mit anderen Investoren in Engagemen- gen werden kann. Erstens können die Auf- tinitiativen zusammen und üben unsere sichtsbehörden unerwünschte Verhaltenswei- Stimmrechte aus. Mit über 30 Jahren an Er- sen verhindern, indem sie diese rechtlich un- fahrung im Bereich der Nachhaltigkeit dient tersagen. Zweitens können sich Unternehmen der Ansatz der Bank nicht nur der Förderung dazu entscheiden, ihre moralischen Werte solider Corporate-Governance-Strukturen, durch Selbstregulierung aufrechtzuerhalten. sondern stellt zudem den Schutz der Anleger- Haben beide Ansätze keinen Erfolg, kann der rechte sicher. Ebenso fördern und unterstüt- Aktionär das Verhalten korrigieren. Dies kann zen wir soziale und Umweltinitiativen, die ne- mittels Stimmrechtsausübung und gezielten ben grösserer Transparenz auch positive Aus- Engagementaktivitäten erfolgen. Der Finan- wirkungen anstreben. cial Times zufolge haben die Aktionärspro- teste in Bezug auf Vergütungspakete in den Marcel Voogd USA Rekordniveaus erreicht, wodurch dieser Portfoliomanager Core Equities Global View | 21
Asset Allocation Asset Allocation Zeit für eine Pause? Ein Gespräch mit Frank Härtel: Er ist seit 2012 bei Bank J. Safra Sarasin und seit 2014 Leiter Asset Allocation. Er ist verantwortlich für den Input der Investmentkomitees und die Umsetzung der taktischen Allokation auf Mandatsprofile. Davor war er in ähnlicher Funktion für private und institutionelle Kunden bei GMO, LGT und UBS zuständig. Frank Härtel hält einen Doktortitel der Universität St. Gallen, ist Wirtschaftsmathematiker und Certified European Financial Analyst (CEFA). Wir sprachen mit ihm über aktuelle Themen rund um die Asset Allocation. Global View: Herr Härtel, sie ha- über zwei Dekaden – entwickelt hätte, wenn ben vor kurzem einen Artikel zum man in den besten zehn von mehr als 5000 Thema „Beeinflusst Saisonalität Handelstagen nicht investiert gewesen wäre. die Performance?“ veröffentlicht. Das Ergebnis ist dramatisch! Die durchschnitt- Was bedeuten die Ergebnisse liche jährliche Rendite hätte sich über diese aus Ihrer Sicht für die Sommermonate? zwanzig Jahre halbiert. Und die zehn besten Nun, aufgrund langfristiger historischer Daten Handelstage waren nur in und um die globale kann am Aktienmarkt eine geringere Rendite Finanzkrise oder COVID-19 Pandemie herum. in den Sommermonaten, getreu dem Bonmot „Sell in May“, erwartet werden. Dabei sind al- GV: Aber was raten Sie dann Anlegern im aktu- lerdings die Spätsommermonate August und ellen Umfeld? September die negativsten. Solche Muster Nun, an erster Stelle sollte für jeden Anleger dürfen jedoch nicht verallgemeinert und ohne eine Analyse seiner Risikotragfähigkeit und Ri- Berücksichtigung des vorherrschenden Mark- sikobereitschaft stehen. Davon abgeleitet gilt tumfelds angewendet werden. Letztes Jahr es, die langfristige Anlagestrategie zu definie- zum Beispiel war die Performance der US Ak- ren und periodisch an geänderte Ausgangsbe- tien von Mai bis Ende September mit über dingungen anzupassen. Von dieser strategi- siebzehn Prozentpunkten sehr positiv. schen Allokation kann nun – mehr oder weni- ger stark – taktisch abgewichen werden, ei- GV: Das war wohl eine Konsequenz der Erho- nerseits aus Risikoüberlegungen oder auf- lung nach dem Einbruch im März 2020. grund von Einschätzungen betreffend einzel- Ganz genau! Das vergangene Jahr verdeut- ner Märkte oder Anlagekategorien. Dabei ist licht, dass bei allen Entscheidungen die aktu- es auch wichtig, allfällige (Transaktions-) Kos- ellen Erwartungen bezüglich Wirtschaftsaus- ten einzubeziehen. blick und Finanzmärkten berücksichtigt wer- den müssen. Ausserdem sollte der Ausdruck GV: Das ist zwar viel Theorie, aber gut im Hin- „sell“ nicht wortwörtlich genommen und alles terkopf zu behalten. Aber wie präsentiert sich verkauft werden. Allenfalls sinnvoll erscheinen die aktuelle Situation für Anleger? taktische Anpassungen oder ein Rebalancie- Die US-Wirtschaft scheint im zweiten Quartal ren auf die Strategieziele. den Höhepunkt ihres Wachstums erreicht zu haben, wie auch zahlreich berichtet wird, Eu- GV: Diese Aussage erscheint auf den ersten ropa hinkt wegen des längeren Lockdowns Blick unklar. Können Sie das präzisieren? hinterher. Zudem steigt die Inflationsrate seit Wir haben auch untersucht, wie sich ein globa- Jahresbeginn vor allem in den USA, aber auch les Aktienportfolio von 2001 bis 2020 – also in Europa. Gerade der Inflationsanstieg wird 22 | Global View
Asset Allocation vielfach diskutiert und aktuell in Umfragen von Bei Regierungsanleihen bleiben wir eher vor- Vermögensverwaltern auch als grösstes Ri- sichtig und untergewichtet. Um in unserer siko bezeichnet. Bezüglich der weiteren Ent- Analogie zu bleiben, ist es auch hier sinnvoll, wicklung der Inflationsrate teilen sich die Mei- eine Pause einzulegen. Wenngleich die Zinsen nungen in zwei Lager. Die einen glauben, dass aufgrund der Zentralbankkäufe im Jahresver- der Anstieg ein temporärer Effekt ist (getrie- lauf unter Kontrolle bleiben sollten, ist es aus ben durch die Lockdowns und einer starken unserer Sicht noch zu früh, die Duration zu er- Erholung) und damit nach Auslaufen der Ba- höhen. siseffekte wieder kompensiert wird. Die ande- ren sehen im Inflationsanstieg ein dauerhaf- GV: Sind Rohstoffe oder inflationsbesicherte tes Phänomen und warnen teilweise auch Anleihen dann interessante Ergänzungen? schon vor den Risiken einer Stagflation. Leider Inflationsbesicherte Anleihen (sogenannte wird es weitere Monate dauern, bis deutlich TIPS in den USA) können in der Tat eine inte- wird, in welche Richtung die Entwicklung geht. ressante längerfristige Beimischung im Port- folio sein. Zu beachten gilt es jedoch, dass die GV: Was bedeuten diese ökonomischen Rah- bis zum Verfall zu erwartende Inflation als Ba- menbedingungen für Investoren? sis der Preisberechnung gilt und nicht die Lassen Sie mich mit einer Analogie antworten: publizierte historische. Nur wenn die zukünf- Wenn man beim Wandern einen Berggipfel er- tige Inflation über den aktuellen Erwartungen reicht, gilt es durchzuatmen, eine Pause zu liegt, ergibt sich mit inflationsbesicherten An- machen und die Aussicht zu geniessen. Somit leihen eine Überrendite. Die negativen Real- gibt das dritte Quartal Investoren Zeit, über die zinsen und seit Jahresanfang stark gestiegene aktuelle Strategie zu reflektieren und selektiv Break-even Inflationserwartungen, welche in Gewinne mitzunehmen. Denn das langsa- den USA bereits über dem Zielband der Fed mere, aber noch immer positive Wachstum liegen, deuten auf eine hohe Bewertung von der Wirtschaft geht einher mit einer Verschie- inflationsbesicherten Anleihen hin. Zusätzlich bung der Renditetreiber bei Aktien; von Kurs- sorgt insbesondere die Fed auch für Markt- gewinnen hin zu Erträgen. In diesem Umfeld und Preisverzerrungen, indem sie seit Beginn sind eher Dividenden- und Qualitätstitel als der Pandemie vermehrt TIPS aufgekauft hat Wachstumstitel zu favorisieren. und Ende April bereits 21% des ausstehenden Volumens hielt. GV: Und wie sieht es bei Anleihen aus? Im Anleihesegment gilt es, differenzierter vor- Rohstoffe haben in den ersten vier Monaten zugehen, denn die verschiedenen Segmente des Jahres eine aussergewöhnliche Perfor- sind mehr oder weniger stark von Inflations- mance von fast 17% erzielt. Wir denken, dass veränderungen und Zinsanstiegen betroffen. die COVID-19 Pandemie den Start eines Kreditanlagen, insbesondere mit geringerem neuen Superzyklus bei Rohstoffen markieren Rating, sind trotz langsamerem Wirtschafts- könnte und deren Preise damit längerfristig wachstum und bei den geltenden Inflationsra- ansteigen dürften. Insbesondere bei Indust- ten noch unterstützt. Kritisch wird es für sie riemetallen ist eine verstärkte Nachfrage nur, falls die Inflation zu sehr ansteigt und sichtbar, getrieben durch den ökologischen demzufolge Zentralbanken zu stärkeren Zins- Umbau der Wirtschaft. Die aktuelle und wohl erhöhungen gezwungen wären, mit negativen auch andauernde Dollarschwäche wirkt sich Auswirkungen für das Wachstum. Dies ist je- ebenfalls unterstützend aus. doch nicht unser Hauptszenario. Die erwarte- ten Ausfallraten für Hochzinsanleihen bewe- GV: Herr Härtel, wir danken Ihnen für dieses gen sich auf unterdurchschnittlichem Niveau. Gespräch. Global View | 23
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