Das europäische Volk der Jenischen will Anerkennung - Radgenossenschaft ...
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Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz Die Radgenossenschaft der Landstrasse ist von der Schweizerischen Eidgenossenschaft anerkannt und wird von ihr subventioniert. Scharotl erscheint seit 1976. Vierteljährlich. Ausgabe Dezember 2019. Tanzen, ob‘s stürmt oder schneit: In Ichenhausen beim Kulturfest der Jenischen. Das europäische Volk der Jenischen will Anerkennung
Veranstaltungen der Radgenossenschaft Unser gemütlicher kleiner Weihnachtsapero: Montag, 16. Dezember 2019, 16.00, im Dokuzentrum in Zürich–Altstetten, Tram 2 bis Micafil. Alle sind herzlich willkommen. Generalversammlung 2020, bitte vormerken: Samstag, 7. März 2020, 10.00–12.00 Mit Bildern, Gesprächen, Informationen, Musik und anschliessendem Mittagessen. Ort wie letztes Jahr: Galactic Dance, Albulastr. 47 Zürich Altstetten. Feckerchilbi in Chur: Freitag 5.– Sonntag 7. Juni 2020 in der Oberen Au, Chur. Einzug der «Fecker» in Chur. Vermutlich eine Inszenierung für den Fotografen. (Postkarte im Bildarchiv der Radgenossenschaft) Abonnement Scharotl: Diesem Scharotl liegt ein Einzahlungsschein bei. Bitte Mitgliedschaft und Abo erneuern für das nächste Jahr.. Impressum Redaktion / Inserate / Büro Jahresabonnement Scharotl Hg: Radgenossenschaft der Radgenossenschaft Normales Abo 25 Fr. Landstrasse / Verein Scharotl Hermetschloostrasse 73 Gönner 50 Fr. Präsident 8048 Zürich (Tram 2 bis Micafil) Erscheint vierteljährlich Daniel Huber www.radgenossenschaft.ch Inserate Geschäftsleitung Telefon: 044 432 54 44 Viertelseite 100 Fr. Willi Wottreng Postkonto:: 30-15313-1 Halbe Seite 150 Fr. Ehrenpräsident IBAN CH88 0900 0000 3001 5313 1 Ganze Seite 250 Fr. Robert Huber (2016 verstorben) Mail: info@radgenossenschaft.ch Administration, Sekretariat Für den Platz Rania: rania@gmx.ch Jeannette Feliz Spiess 2
Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Bund Sie künftig «Jenische» und «Sinti» nennt. Und dass künftig auf den allgemeinen Begriff «Fahrende» verzichtet wird. Das ist nicht Wortklauberei, mit Sprache schafft man Realität. (Bundesrat Alain Berset 2016) Liebe Jenische, liebe alle Diese Worte von Bundesrat Berset sind heute mein ganzes Editorial. Sie sind so aktuell wie vor drei Jahren. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Jenische in ganz Europa, wo sie ein Niemand sind, ihren Namen und ihr Ansehen zurückerhalten. Wir wollen als europäisches Volk hervor- treten. Wir wollen anerkannt werden. Das nehmen wir uns vor zum Jahreswech- sel. Ich wünsche allen ruhige und glückli- che Festtage. Euer Präsident 3
Aktuelles aus der Radgenossenschaft Im Doku- zentrum las Willi Wottreng aus seinem Buch «Ein Irokese am Genfersee», das vom Kampf kanadi- scher Indianer für Anerken- nung handelt. Werbung fürs Dokuzentrum im Feckerchilbi in Chur Tages Anzeiger vom 31. 8. 2019 , Für die Feckerchilbi in Chur, die in einem Bericht über Altstetten. vom 5. bis zum 7. Juni 2020 stattfinden wird, sind Marktplät- ze zu vergeben. Jeder Händler und jede Händlerin ist willkom- men und ist für die Einhaltung der Vorschriften selber verant- wortlich. Interessierte melden sich bei der Radgenossenschaft oder direkt bei unserem Marktverant- wortlichen Walter Waser (076 283 11 62). Wie gut die Feckerchilbi in Chur wird, hängt von den Teilneh- menden ab. Wir freuen uns. 4
Aktuelles aus der Radgenossenschaft Immer wieder finden Schulklas- sen und andere Jugendliche den Weg nach Zürich Altstetten. Mit dem Tram 2 bis Micafil fällt es ohnehin leichter. Meist führt der Präsident Daniel Huber die Besuchenden persönlich durchs Dokuzentrum. Rekurs gegen Thal SG Naschet Jenische hilft Die Radgenossenschaft hat Kla- ge gegen die Gemeinde Thal ֍ Wir beraten und unterstützen SG eingelegt. Wie bekannt ist, Opfer des Hilfswerkes «Kinder der Landstrasse» und deren Nachkom- lehnte der Gemeinderat die men. Schaffung eines provisorischen ֍ Wir sind behilflich bei der Einsicht- Durchgangsplatzes nach langen nahme in Akten, die von Behörden Verhandlungen mit dem Kanton und Institutionen angelegt worden plötzlich ab. Dies weil eine einzi- sind. ge Stimme im Rat dagegen war ֍ Wir unterstützen, beraten und und den Tarif durchgeben konn- vermitteln Hilfe für Jenische bei sozialen und persönlichen Proble- te. Die Radgenossenschaft war- men. tet bei Redaktionsschluss noch ֍ Für Jenische, die sich aufgrund auf einen ersten Entscheid auf ihrer schlechten Erfahrung mit Be- kantonaler Ebene. Sollte dieser hörden und Institutionen den Kontakt negativ ausfallen, sind wir bereit, nicht zutrauen, kann die Stiftung Na- das Verfahren weiterzuziehen schet Jenische diesen übernehmen. an die nächste Instanz. Dies bis Montag von 9 bis 11 und zu einem internationalen juristi- Donnerstag von 15 bis 17 Uhr schen Gremium, das die Miss- unter Tel. 044 361 39 24 achtung der Minderheiten- und Freitag von 9 bis 13 Uhr Menschenrechte beurteilen soll. unter Tel. 031 352 52 50 Es geht auch darum, dass fah- info@naschet-jenische.ch http://naschet-jenische.ch/ rende Jenische und Sinti in der beratungsstelle.htm Planung mitbestimmen müssen. 5
Jenische Nachrichten Rob Gnant ist verstorben Der Grossteil seines Nachlas- Der Fotograf Rob Gnant ist am ses liegt in der Fotostiftung 4. August 2019, kurz vor seinem Winterthur; die Radgenossen- 87. Geburtstag, in Zürich ver- schaft verfügt aber über Bilder storben. Er bleibt vielen älteren und Bildrechte zum Thema Jenischen in guter Erinnerung Jenische von Rob Gnant. als Freund und Begleiter, der in den 1970er Jahren die wichtig- sten Fotografien zum Jahrzehnt des Aufbruchs der Jenischen publiziert hat und die Radgenos- senschaft aktiv unterstützte. Zeitweilig arbeitete er sogar im Vorstand der jungen Radenos- senschaft mit beim Kampf ge- gen das «Hilfswerk Kinder der Landstrasse» und für die Frei- heit des jenischen Volkes. Stimmungsbilder von der öffentlichen Gründungsversammlung der Radgenossenschaft 1975 in Bern. (Rob Gnant) 6
Jenische Nachrichten Broquante Le Landeron Sie ist der grösste Freiluft- markt der Schweiz, diese Broquante, einst mitge- gründet von Jenischen. Das ganze Städtchen Le Landeron überquillt von Schau- und Kauflustigen und fliegenden Händlern und Händlerinnen. Ein- drücke vom Herbst 2019. 7
Volksabstimmung Ja zum Platz Wileroltigen BE Zur Erinnerung: Mit 113 Ja ge- Im Kanton Bern findet am gen 32 Nein bei 4 Enthaltungen 7. Februar 2020 eine wichtige bewilligte das bernische Parla- Volksabstimmung statt. Der Ver- ment einen Kredit von 3,3 Milli- waltungsrat der Radgenossen- onen Franken für den Bau ei- schaft sagt Ja zu einem geplan- nes sogenannten Transitplatzes ten Platz für reisende Familien in Wileroltigen im Berner Mittel- aus dem Ausland. Wir sagen land nahe bei Kerzers. Mit dem klar: Es braucht Plätze für alle, Geld will der Kanton eine Matte für Jenische, Sinti und Roma. direkt an der Autobahn zu ei- Auch wenn natürlich nicht alle nem Platz für 36 Gespanne und zusammen auf einem einzigen bis zu 180 Personen umbauen. Platz leben müssen; Familien Das Stück Land grenzt direkt von Sesshaften leben ja auch in an den Autobahnparkplatz verschiedenen Wohnungen. Wileroltigen und gehört dem Aber wer Nein sagt zu einem Bund. Die Junge SVP hat dage- Platz für Roma aus dem Aus- gen das Referendum ergriffen. land, wird sehen müssen, dass Die Abstimmung hat Signalwir- auch die Jenischen und Sinti kung für die ganze Schweiz. darunter leiden werden. Die Ab- Eines ist klar: Roma werden lehnung wird sich gegen alle so- kommen, ob man einen Platz genannten Fahrenden richten, schafft oder nicht; denn sie ha- Jenische, Sinti und Roma. Siehe ben als Europäer ein Recht da- das traurige Beispiel Thal SG. zu, in andere Länder zu reisen. Es braucht Lebensraum für alle, für Jenische, Sinti und Roma, für reisende Familien aus der Schweiz wie aus dem Ausland. Darum befürworten wir den Platz in Wileroltigen. Im Interesse aller Volksgruppen. – Die Radgenossenschaft 8
Kleine Geschenke Kleine Geschenke Kleine Geschenke Das Wappen der Radgenossenschaft. Es gibt diesen Igel als Flagge, als Wimpel, als T-Shirt. Flagge: Fahnentuch, 120 x 90 cm, 45 Fr. plus Porto (Selbstkostenpreis). Wimpel: 10 cm Höhe, mit Kordel, 10 Fr. plus Porto. T-Shirt: kurzärmlig schwarz, Grössen L und XL, 30 Fr. plus Porto (andere Grössen nach individuellem Wunsch). Neu: jenisches Cap / Käppi, schwarz, mit dem Igel und der Aufschrift «Jenisch – Power – Suisse», Versand 20 Fr. plus Porto. Gratis erhältlich Alte Nummern von «Scharotl» (solange vorrätig), Einzige jenische Zeitschrift Europas. «Fahrende auf Privatland». Ein Leitfaden für Landwir- te und Gemeinden, mit einem Mustervertrag. Herausgegeben von der Radgenossenschaft und der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz. Empfohlene Bücher Willi Wottreng: «Zigeunerhäuptling». (Biographie des einstigen Präsidenten der Radgenossenschaft Robert Huber – und zugleich eine Geschichte des jenischen Volkes). 20 Fr. plus Versandkosten. «Jenische Kultur, ein unbekannter Reichtum». Hg. von der Radgenossenschaft, in Deutsch oder Franzö- sisch. 102 Seiten, 10 Fr. plus Versandkosten. «Die Feckerchilbi. Ein jenisches Fest. Und ein natio- nales Kulturgut der Schweiz». Hg. Radgenossen- schaft. 102 Seiten, 10 Fr. plus Versandkosten. Filme und Videos Video: «Unerhört Jenisch». Ein Film über jenische Musik, mit Stephan Eicher. Von Martina Rieder und Caroline Arn. 30 Fr. plus Versandkosten. Artikel können telefonisch oder Video: «Jung und jenisch. Ein Jahr mit Schweizer Zi- schriftlich bestellt werden bei der geunern auf Achse». Von Martina Rieder und Caroline Radgenossenschaft. Arn. 25 Fr. plus Versandkosten. 9
Radgenossenschaft Büro, Museum Besuchen Sie uns! und Dokuzentrum Werden Sie Mitglied! Hermetschloostrasse 73 8048 Zürich Abonnieren Sie! Bleiben Sie dran! Mitgliedschaft. Mitglied können alle werden, auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Mitgliederbeitrag pro Jahr 100 Fr., das «Scharotl» wird gratis zugeschickt. Mitglieder haben das Recht auf Vergünstigungen beim Bezug von Gas und beim Kauf bestimmter Autos, sie haben Anspruch auf Beratung und Hilfe im Rahmen unserer Möglichkeiten. Finanzhilfe ist ausgeschlossen. Erkundigen Sie sich auf dem Sekretariat. Abonnement. «Scharotl», die einzige jenische Zeitung in Europa, herausgegeben von Radgenossenschaft / Verein «Scharotl». Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Jahresabonnement 25 Fr., Postkonto 30-15313-1, höhere Beiträge werden als Spende verbucht. Inserate: Viertelseite 100 Fr., halbe Seite 150 Fr., ganze Seite 250 Fr.; die Vorlagen sollen pfannenfertig angeliefert werden. Achtung: Zahlungen bis 1. Oktober gelten als Abonnemente und Mitgliederbeiträge fürs lau- fende Jahr, Zahlungen ab 1. Oktober werden fürs künftige Jahr gerechnet. Ausfüllen und einschicken Name …………………………………………… Vorname ……………………………………… Adresse………………………………………… Ich werde Mitglied Einsenden an: Ich abonniere die Zeitschrift «Scharotl» Radgenossenschaft der Ich bestelle 1 Buch Landstrasse «Zigeunerhäuptling» (20 Fr. plus Porto) Hermetschloostrasse 73 8048 Zürich 10
Deutscher Zentralrat gegründet Unsere jenischen Freunde in raum gesehen – im Lokal des Ichenhausen und aus Singen jenischen Fussballklubs Grün- haben im Oktober 2019 ein ein- Weiss Ichenhausen. Da war ein drückliches jenisches Kulturfest Gedränge, ein Kommen und organisiert. Dabei erfolgte auch Nichtmehrgehenwollen von die Gründung des «Zentralrats über 200 Jenischen. Vor allem der Jenischen in Deutschland». aber eine freundschaftliche Das Städtchen Ichenhausen Stimmung, die uns überwältigt liegt zwischen Ulm und Augs- hat. So viele Begegnungen, so burg in Bayern. Auch eine Ver- viele freundschaftliche Umar- tretung aus der Schweiz nahm mungen zeugten von einem un- am Fest teil. erhörten Gemeinschaftsgefühl. Am meisten beeindruckt waren Wir danken Peter Hammer- wir von der Party am Abend. schmidt, Alexander Flügler und Nicht nur haben wir noch nie so vielen andern und hoffen auf ei- viele Jenische in einem Fest- ne gute Zusammenarbeit. Vorbereitung zum Fest im Schlosshof Ichenhausen. 11
Jenisches Treffen in Ichenhausen (Bayern) Im bayrischen Ort Ichenhausen leben besonders viele Jenische, ihr Anteil an der Bevölkerung habe zeitweise 9 Prozent betragen, berichtete der Bürgermeister an der Kulturveranstaltung. Viele Je- nische hier betreiben heute noch das Hausiergewerbe oder den Schrotthandel. In Deutschland gibt es kaum mehr im Wohnwagen Reisende wie in der Schweiz, jedenfalls nicht offiziell. Aber die Je- nischen können offensichtlich trotzdem ihr Selbstbewusstsein be- wahren und ihre Kultur entwickeln. In Ichenhausen gibt es nicht nur den vermutlich einzigen jenischen Fussballklub Europas – Grün-Weiss Ichenhausen. Es gibt auch die europaweit einzige Rockergruppe aus Jenischen, die Trailer Pack Travellers, die übri- gens an ihre Mitglieder hohe Anforderungen bezüglich Anstand und Wohlverhalten stellen. Alle Achtung. Der Klubpräsident per- sönlich strebt die Schaffung eines jenischen Wörterbuches an. Fest im Klublokal: Gute Stimmung, Alkohol, aber kein Streit und kein Radau. 12
Oben: Peter Hammer- schmidt, Mitbegründer des Europäischen Jenischen Rates und des Deutschen Zentralrats, mit Familien- angehörigen. Oben rechts. Ein Besucher in der Ausstellung. Rechts: Verbrüderung. Da- niel Huber mit dem Presi des Rocker-Klubs, Renaldo Schwarzenberger (rechts Es geht vorwärts mit dem Coming-out der Jenischen. In den Ge- sprächen, die wir in Ichenhausen führten, haben wir aber von älte- ren Jenischen auch Zweifel und Ängste gehört: Ob es klug sei, sich zum Jenischsein zu bekennen, oder ob man damit für sich und vor allem für die eigenen Kinder nicht neue Schwierigkeiten riskiere? Oder ob gar am Schluss nicht wieder die Gaskammern warteten? Darauf können wir nur antworten: Die Jenischen sind aufgrund ihrer Familiennamen und ihrer Familiengeschichten den Behörden und der Bevölkerung bekannt. Sie können sich nicht wirklich verstecken. Der beste Schutz ist also: Hervorzutreten, sich als Jenische zu bekennen und so zu verhindern, dass Jenische wieder entwürdigt, entmündigt, erniedrigt, vernichtet werden. 13
Jenisches Treffen in Ichenhausen (Bayern) Ehrung für Menschen im Hintergrund Im Schlosssaal vor grossem Publikum wurden Menschen geehrt, welche der Sache der Jenischen geholfen haben. Der Sprecher der Radgenossenschaft sagte: «Wir ehren von der Radgenossen- schaft aus vier Personen, die immer für die Jenischen da waren und die Jenischen – oft aus dem Hintergrund – unterstützt haben. Es handelt sich um: Martina Rieder, Filmemacherin. Sie engagiert sich mit Herzblut für Jenische und hat massgeblich mitgewirkt am Film «Jung und Jenisch», der von Radgenossenschaft unterstützt wurde, sowie am Musikfilm «Unerhört Jenisch», der Furore machte. Gertrud Germann, Organisationsberaterin. Sie unterstützt uns seit Jahren als stille Begleiterin: Sie liest Texte durch und korrigiert sie, sie hat unser Archiv aufgearbeitet und ist übrigens stolz darauf, eigene Wurzeln unter Rüschegger Jenischen entdeckt zu haben. Bruno Caduff, Unternehmer in Chur. Er hat uns ermöglicht, den Campingplatz in der Rania zu übernehmen und zu betreiben. Er tritt offen für die Sache der Jenischen ein – vor kurzem mit einem Artikel in der Zeitschrift «Scharotl». Caduff wirkt auch im Beirat der Radgenossenschaft mit. Roger Cottier, Architekt aus Freiburg/Fribourg. Er hat den Boden dafür vorbereitet, dass wir die Feckerchilbi 2018 in der Schweizer Stadt Freiburg durchführen konnten und dort von den Behörden mit offenen Armen empfangen wurden. Die Radgenossenschaft dankt den Geehrten für ihre Verbunden- heit mit dem jenischen Volk und für ihre Treue. 14
Europäischer Jenischer Rat 200 Jenische im Saal wollen die Anerkennung europaweit und in jedem Land. Im Prunksaal des Stadtschlosses Ichenhausen überbrachte der Präsident der Radgenossenschaft, Daniel Huber, die Grüsse aus der Schweiz, und der Geschäftsführer stellte die internationale Pe- tition an den Europarat für die Anerkennung der Jenischen europa- weit vor. Er berichtete von der Gründung des Europäischen Jeni- schen Rates, in dem Vertreterinnen und Vertreter aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und Luxemburg mitwirken. Dieser hat zum einzigen Ziel, die Anerkennung voranzubringen. Der europäische Rat funktioniert wie eine demokratische Landsge- meinde: Es gibt keinen Präsidenten; Beschlüsse werden mit Län- derstimmen gefasst wie beim europäischen Song Contest. Es gibt keine Mitgliederbeiträge und keine Subventionen, so dass sich nie- mand bereichern kann. Gleichzeitig haben die deutschen Freunde einen Deutschen Jenischen Zentralrat gegründet und vorgestellt, der die Anerkennung der Jenischen in Deutschland verfolgt. «Ich bin als Jenischer geboren worden, und ich werde als Jeni- scher sterben», sagte Präsident Daniel Huber unter Applaus. 15
Jenischer Kulturtag in Innsbruck Bilder vom vierten jenischen Kulturtag in Innsbruck 2019. Engagierte Rednerin: Gabi Obwegeser vom Vintscher Museum in Schluderns, die sich selbst als «stolze Karr- nerin» bezeichnet. Österreichische Jenische und Freunde beim Blödeln. Quer liegend: Hans Monz, Mitglied des Europäischen Jenischen Rates. Im rosa Hemd: Der jenische Musi- ker Counousse. Am Stand der Radgenossen- schaft. Unsere Publikationen stossen auf lebhaftes Inte- resse. 16
Jenische in Europa Karte aus Wikipedia, die einen ungefähren Überblick über die Jenischen in Europa gibt; unsere Informationen weichen teilweise davon ab. Klar ist: Jenische gibt es in ganz Jenischen sollen die grösste Gruppe Europa. Weniger klar ist, wie viele unter ihnen sein (so der Autor Alain sie sind und wo sie leben. Wir geben Reyniers 1991). einen Überblick aus verschiedenen Belgien: Es gab in den 1990er Jah- Quellen. Da viele Jenische sich nicht ren ca. 70 000 reisende Jenische. zeigen, sind die Angaben nur als Diese Zahl hat sicher abgenommen. Grössenordnung zu verstehen. Luxemburg: Man findet die Zahl von Schweiz: In der Schweiz leben 2800 Jenischen, ohne Quelle. 40 000 – 50 000 Jenische und Sinti. Niederlande: Hier werden 35 000 Ein Bericht des Bundes von 1983 sogenannte Woonwagenbewoners nannte 35 000. Seither ist ihre Zahl gezählt, die mehrheitlich sesshaft gestiegen. sein dürften. Deutschland: Ca. 200 000 Jenische, Ungarn: Angeblich 60 000 Jenische, davon 120 000 in Bayern, Baden- vermutlich teilweise aus Elsass- Württemberg und Westfalen. Lothringen eingewandert. Frankreich: Ca. 250 000 – 400 000 Weissrussland: 11 000 Jenische. sogenannte Gens de Voyage. Die Weitere in Serbien, Estland u. a. 17
Eine jenische Rapperin «Ich bin jenisch, ich weiss mich zu wehren» Sie kommt aus Lothrin- gen und nennt sich als Musikerin «Lora Yéni- che». Und sie bekennt sich auf der Bühne zu ihrer Herkunft. Bild mit Dank an Lora- Aus einem Bericht der Internet- Master, elle explique que les Kulturpublikation Konbini: Yéniches sont aussi éduqués que les autres et sont loin d'être Lora Yéniche, jeune fille de 24 «tous des voleurs». Elle prône ans, s'est lancée dans le rap il y des valeurs d'acceptation com- a quelques années. Originaire me dans son dernier song de Moselle, à deux pas de la «Sans frontière». Suisse, où les Yéniches se sont (Par Régine Bucher) également établis, elle dit être in- fluencée par Diam's. Elle dit In einem ihrer Lieder singt Lora: s'inspirer de son parcours mais «Je suis yéniche, je sais me aussi de sa musique colorée. bagarrer.» Dans une interview pour «Madame Rap», elle dit vouloir combattre les préjugés qui visent sa communauté. Titulaire d'un 18
Neues von Anna Göldi Nachkommen aus Anna Göldis Familie waren eng mit den Jenischen verbunden Anna Göldi – oder Göldin, wie sie genannt wurde – auf dem Weg zur Hinrich- tung durch das Schwert. Bild aus «Anna Göldin – Letzte Hexe», ein Film von Gertrud Pinkus. Anna Göldi ist vielen Jenischen ein identifizieren können, weil sie selber Begriff. Sie ist schon «letzte Hexe» Ausnutzung und Verfolgung kennen. Europas genannt worden. Anna, ge- In der «Zürcher Zeitung» er- boren 1734, war eine Dienstmagd. schien am 9. Februar 1782 ein vom Eine Frau der Unterschicht, die aus- Kanton Glarus als Inserat aufgege- genützt wurde, missbraucht und bener Steckbrief, mit dem Anna Göl- dann verleumdet. Und wegen Kinds- di gesucht wurde: «Ungefähr 40 mordes hingerichtet unter der Be- Jahr alt, dicker und grosser Leibs- schuldigung, dass sie Stecknadeln in statur, mit gut ausgebildetem, rötli- die Milch eines Mädchens gezaubert chem Gesicht, schwarzen Haaren habe. Im Jahr 1782 wurde sie in Gla- und Augenbrauen, hat graue, etwas rus mit dem Schwert getötet. ungesunde Augen.» Es ist eine wahre Geschichte, Schon seit langem ist die Frage mit der sich Jenische – leider – im Raum, ob Göldi eine Jenische 19
Neues von Anna Göldi gewesen sei. Auch weil man über- fensichtlich auch so etwas wie ein haupt so etwas dieser Frau anzutun «zigeunerisches» Milieu. Denn Jeni- wagte. Sie muss in einer besonders sche, Sinti oder auch Roma lebten schwachen gesellschaftlichen Stel- seit Jahrhunderten immer auch mit- lung gewesen sein. Fachhistoriker ten unter den Bauern. 1728 wurde wehren ab. Beschäftigen wir uns da- eine Südtirolerin und «Zigeunerin» – her kurz mit der Familiengeschichte. leider wird ihr Name nicht genannt – des Landes verbannt, weil sie Ins Elend gefallen «Goldzweige» verkauft hatte, was Anna stammte aus Sennwald im immer das war. 1787 wurde die St. Galler Rheintal. Anna Göldis «Zigeunerin» Lisabeth Meyer wegen Grossvater Martin Göldi war «Krä- eines Hühnerdiebstahls bestraft. mer» und zudem Landesfähnrich. 1794 wurde der allbekannte «Zigeu- Ein Ortshistoriker schreibt dem Autor: ner» namens Heiden-Caspar samt «Er war kein armer Bürger, geriet Sohn im Dorf Salez in der heutigen aber durch einen unglücklichen Gemeinde Sennwald in den Turm Rechtsstreit und sein Fehlverhalten gesetzt. Der Sohn wurde schliess- in grosse Bedrängnis. Er floh ausser lich als Deserteur nach Feldkirch Landes und soll in Rom gestorben ausgeliefert. 1797 heiratete ein Glo- sein. Seine Familie verarmte völlig, ckengiesser aus einem Göldi-Zweig so dass dem Sohn Adrian aus Mitleid eine Bündner Landfahrende, ver- das Mesmeramt zugetragen wurde.» mutlich Anna-Barbara Wilhelm. Und Dieser Grossvater hatte offenbar Gü- einmal ist im 17. Jahrhundert auch ter aus geflösster Handelsware ge- die Anwesenheit von Juden – viel- klaut – Zitronen und Seifen – und leicht Händlern – in Salez bezeugt, einmal mit einem Kumpel ein Pferd noch ein randständiges Milieu. Es gestohlen. Nach Auseinandersetzun- gab in Salez weitherum bekannte gen mit dem Landvogt blieb ihm Märkte. nichts übrig, als Söldner zu werden Göldis waren Bauern, aber und in die italienischen Schlachtfel- auch Handwerker und Viehhändler, der zu ziehen. Auch zwei seiner Söh- ohne Zugang zu den hohen Ämtern. ne wurden Söldner. Es scheint, dass Es besteht Grund zur Annahme, da eine Familie aus dem Stand der dass Angehörige aus einem Zweig Bürger ausgeschieden ist und ab- der Göldis mit der Zeit zum jeni- sank in jene Schicht der Armen und schen Volk gestossen sind. Wann Verfemten, in der später viele Jeni- genau, ist unsicher. Spätestens aber sche zu finden waren. um 1900 mit Paulina Luisa Göldi. In Sennwald lebte damals, wie vielerorts, keine homogene Bevölke- Göldi-Heirat mit Moser rung, es gab Freie und Leibeigene Paulina Luisa Göldi war Nachfahrin und Hintersässen. Und es gab of- eines Bruders von Martin Göldi, den 20
wir als unglücklichen Grossvater von Falschmünzerei. Moser interessiert Anna kennengelernt haben, und sich dafür, wie man das macht. zwar in der siebten Generation. Sie Denn vom Giessen versteht er et- wurde am 12. August 1897 geboren, was. Zusammen kauft man Ver- als Tochter von Johann Göldi und bandgips ein, um Formen herzustel- Frieda, geborene Räber. Ihr Geburts- len. Moser stellt Werkzeug und Ma- ort war Ragaz, offenbar war man da- terial zur Verfügung, und Züsli be- mals schon mobil und bewegte sich ginnt in der Schmelzküche zu expe- in der Region. Paulina, wie wir sie rimentieren. Ein Fünfliber-Modell nennen, heiratete am 14. Dezember soll dabei zerbrochen sein. Mit dem 1918 in Sennwald den 27 Jahre älte- Zweifrankenmodell werden einige ren Ferdinand Moser, geboren am Stücke gegossen. Und dann beginnt 20. Januar 1870 in Vaz/Obervaz, der Vertrieb. Und schon folgt die Nun ist Ferdinand Moser kein Verhaftung. Es kommt zum Prozess. Unbekannter. Er war Glockengiesser Züst wird schliesslich wegen Falsch- aus Obervaz. Es gab eine ganze Dy- geldherstellung als Haupttäter zu ei- nastie von Glockengiessern aus der nem Jahr und 3 Monaten Zuchthaus Familie Moser in Vaz/Obervaz: Jo- verurteilt; Moser als Gehülfe zu drei hann Friedrich Moser-Winzelmeier Monaten Gefängnis. Seither gilt Fer- (1807–1888), Johann Friedrich Mo- dinand Moser als Falschmünzer. ser-Engler (1824–1886), Franz Mo- Hinzu kam die Geschichte mit ser (1858–1938), die Brüder Heinrich dem Dorfbrand. Am 29. August 1916 Moser (1876–1957), Wilhelm Moser (1872–1932) und eben Ferdinand Moser (1870–1933). Er probierte es nicht nur mit Glo- cken. Im Januar 1906 wurde Ferdi- nand Moser im Restaurant Rätisches Volkshaus in Chur verhaftet. Zusam- men mit einem Freund namens Jo- hann Jakob Züst. Die beiden hatten geschwächt – getrunken – und Wurst gegessen und mit Zweifränklern be- zahlt, die sich als falsch erwiesen. Der Loli wurde geholt, der Polizist. Die beiden kamen vors Obergericht. Es ergab sich, dass ungefähr Folgendes geschehen war: Glocken- giesser Ferdinand Moser lernt in der Anstalt Realta den Züsli kennen, der So etwa muss Anna Göldis Hin- schon zweimal vorbestraft ist wegen richtung stattgefunden haben. 21
Neues von Anna Göldi brennen im nordöstlichen Dorfteil wegen, durch die Lande, wie die von Zorten sieben Häuser und acht Geburtsorte der acht Kinder zeigen: Ställe. Verursacht wird der Brand Zürich 1921, Grabs 1923, Chur durch zwei zündelnde Knaben. Die 1925, Wartau SG 1926, wieder Chur Anklagekammer von Lenzerheide 1929 sowie 1930 – und Rückkehr in schreibt an 31. August 1916, dass Ferdinands Heimat Vaz/Obervaz im ein Knabe namens Paul Moser im Al- Jahr 1931. Möglicherweise hatten ter von 8 Jahren – welcher nun im sich da die Wogen um Ferdinands Armenhaus Obervaz versorgt werde Vergangenheit etwas gelegt. – sich als Brandstifter bekannt habe. Pauline blieb unter den Jeni- «Man hat in Obervaz allgemein den schen. Nach Ferdinand Mosers Tod Verdacht, dass Ferdinand Moser, heiratete sie 1933 den Josef Anton Glockengiesser, Vater des Obge- Gruber von Neukirch/Surcuolm. Sie nannten, bei der Brandstiftung mitge- wurde die Mutter und Grossmutter wirkt habe.» Sohn Paul gab an, dass von zahlreichen Jenischen aus Vaz/ Vater Ferdinand «ihn angeregt habe Obervaz und Surcuolm. Nachkom- dazu, auch habe er ihm Zündhölz- men dieser Pauline finden sich in chen gegeben zu diesem Zweck». den Familien Moser und Gruber und Das kann ihm allerdings auch der weiteren jenischen Familien. Anna Verhörrichter eingeflüstert haben. Va- Göldis Familie gehört definitiv in die ter Ferdinand ist unser Glockengies- Ahnenwelt von manchen heutigen ser und Falschmünzer, der in zweiter Jenischen. Ehe die Pauline Göldi heiraten wird. Willi Wottreng, Historiker Die Anklage gegen Ferdinand Moser wurde dann fallengelassen, er war am Tag der Feuersbrunst abwesend. Quellen – Zum Stammbaum Göldi: Mutter einer jenischen Familie Mitteilungen des Lokalhistorikers Möglicherweise war es wegen der Michael Berger aus Salez SG Anschuldigungen und Gerüchte um Unterlagen des Stammbaumfor- diesen Dorfbrand, dass Ferdinand schers Karl Leuener aus Mauren, sich ins Unterland begab und im Fürstentum Liechtenstein St. Galler Rheintal auftauchte. Weil er verschwinden wollte aus der Regi- – Zu Ferdinand Moser: on Albula. Ferdinand und Pauline Staatsarchiv Graubünden, diverse heirateten am 14. Dezember 1918 in Justizakten Sennwald. Ein erstes Kind von Pauli- ne und Ferdinand Moser wird weit – Zu Pauline Göldi / Moser / Gruber: weg von Sennwald geboren: 1920 in Familiendokumente von Ursulina Münster in Wallis. Mit Ferdinand zog Gruber, Basel Pauline, vermutlich des Erwerbs 22
Dies ist die zweite Seite der Europa-Petition; für die erste Seite umblättern. Dieses Formular bitte ausschneiden oder fotokopieren, unterschreiben und einsenden an die Radgenossenschaft. 23
Petition an den Europarat 24
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