Das Management der Opioid-induzierten Obstipation - SchmerzNr.2a|2020 ISSN 2076-7625 - PAINS
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Schmerz NACHRICHTEN Nr.2a|2020 • ISSN 2076-7625 ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN SCHMERZGESELLSCHAFT Leonardo Ferraz-Leite, μ-Rezeptor 2018. Acryl auf Hartplatte, 84 x 72 cm Das Management der Opioid-induzierten Obstipation Opioide sind ein fester und wertvoller Bestandteil des Therapiemanagements akuter und chronischer Schmer- zen sowohl maligner als auch nicht-maligner Genese. Mit ihrer Einnahme sind jedoch häufig gastrointestinale Nebenwirkungen verbunden, wobei insbesondere die Opioid-induzierte Obstipation (opioid-induced constipa- tion, OIC) häufig unterschätzte Auswirkungen auf das Befinden von Schmerzpatienten hat. Ihr angemessenes Management ist wesentlich für Compliance und Patientenzufriedenheit im Rahmen der Schmerztherapie.
P atienten mit chronischen Schmer- Mindestens 15 Prozent der Bevölkerung zen werden häufig aufgrund der AUTOREN: leiden bereits vor Beginn einer Schmerz- begrenzten analgetischen Potenz Prim. Univ.-Prof. Dr. therapie unter chronischer Verstopfung,9 B&K / Anna Rauchenverger und der Organtoxizität von Analgetika der RUDOLF LIKAR, MSc bei pflegebedürftigen und älteren Patien- WHO-Stufe 1 mit Opioiden der WHO-Stufe Vorstand der Abteilung für ten liegt der Anteil sogar bei 50 bis 75 Anästhesiologie, allgemeine 2 (schwache Opioide) oder 3 (starke Opioi- Prozent.4, 7, 9 Obstipation kann aber auch lntensivmedizin, Notfall- de) behandelt. Damit verbunden sind nicht medizin, interdisziplinäre selbst ein Symptom einer schmerzhaften selten Opioid-induzierte gastrointestinale Schmerztherapie und Krankheit sein (Tumor, Apoplex, Morbus Komplikationen („opioid-induced bowel Palliativmedizin, Klinikum Parkinson, Multiple Sklerose, diabetische dysfunction“ OIBD), allen voran die Opio- Klagenfurt am Wörthersee Neuropathie). Des Weiteren kann sie auch id-induzierte Obstipation (opioid-induced Folge und unerwünschte Wirkung von constipation; OIC). Diese kann prinzipiell Dr. MARKUS medikamentöser Therapie mit Eisenprä- unter allen nieder- und hochpotenten KÖSTENBERGER paraten, Diuretika, Kalziumkanalblockern, Opioidanalgetika der WHO-Stufen 2 und 3 Abteilung für Anästhesio- Antidepressiva, Parkinson-Mitteln, Anti- auftreten, unabhängig vom Applikations- logie, allgemeine lntensiv- histaminika und/oder einer Schmerzthe- medizin, Notfallmedizin, weg – also auch bei transdermaler Gabe.1 rapie mit Analgetika und Co-Analgetika interdisziplinäre Schmerz- therapie und Palliativ- sein.10, 11 Dazu kommt, dass eine gewisse OIC ist mit 40 bis 90 Prozent die häufigs- medizin, Klinikum Prädisposition bei Frauen, Patienten mit te unerwünschte Opioidwirkung2, 3, wobei Klagenfurt am Wörthersee eingeschränkter Mobilität, schlechtem diese bei palliativmedizinischen Patienten Allgemeinstatus oder Dehydrierung eine häufiger auftritt als bei ambulanten Tu- Dr. STEFAN Obstipation begünstigt.4 Kabeg morpatienten oder Patienten mit chro- NEUWERSCH- nischen Schmerzen anderer Genese. Mit SOMMEREGGER, MSc Die OIC als sekundäre Form der Obstipati- mehr als 11 Prozent ist die OIC auch ein Abteilung für Anästhesio- on weist eine eigenständige Pathophysio- logie, allgemeine lntensiv- nicht zu vernachlässigender Grund für die logie auf. Dieser liegt eine Aktivierung von medizin, Notfallmedizin, Hospitalisierung von Palliativpatienten.4 interdisziplinäre Schmerz- peripheren µ-Opioidrezeptoren im Gastro- Bei ambulanten Tumorpatienten ist sie therapie und Palliativ- intestinaltrakt zugrunde, wobei sich die Re- ähnlich hoch wie bei Patienten mit chroni- medizin, Klinikum zeptoren vor allem im Plexus myentericus schen Schmerzen nicht-maligner Genese. Klagenfurt am Wörthersee und Plexus submucosus sowie im Epithe- lium befinden. Diese Aktivierung der peri- HOHE KRANKHEITSLAST pheren µ-Opioid-Rezeptoren verursacht UND GESUNDHEITSKOSTEN unterschiedliche Mechanismen am Gastro- Eine chronische OIC ist für die Mehrzahl Sättigungsgefühl, typische Symptome für intestinaltrakt (Tab. 2). So kommt es zur der Patienten mit signifikanten Einschrän- den unteren Trakt (Kolon) das fehlende Reduktion der gastrointestinalen Motilität kungen des körperlichen und seelischen Abgehen von Winden sowie das fehlen- und Sekretion, zu einer vermehrten Flüs- Wohlbefindens, der Funktionalität und de Absetzen von Stuhl für mehr als drei sigkeitsrückresorption aus dem Darm und Lebensqualität verbunden5, 6 (Tab. 1).1 Auf- Tage. Die OIC ist nach aktuell geltendem einem erhöhten Tonus des Analsphinkters, grund des daraus resultierenden hohen Verständnis als eine Änderung des Stuhl- der die Defäkation zusätzlich erschwert.12, 13 Leidensdrucks brechen nicht wenige Pa- gangs unter einer Opioidtherapie defi- Ebenso wird der peristaltische Reflex ge- tienten ihre an sich wirksame Opioidthe- niert, die mindestens einen der folgenden hemmt, verbunden mit einer verminderten rapie aufgrund der OIC-Belastung ab.7, 3 Aspekte betrifft1: Aktivität der longitudinalen Muskulatur u Verminderung der Stuhlfrequenz und gesteigerter Aktivität der zirkulären Neben der gravierend verminderten Le- u Härtere Stuhlkonsistenz Muskulatur. Dadurch verlängert sich die bensqualität verursacht eine OIC jedoch u Auftreten oder Verschlechterung der oro-caekale Transitzeit, gepaart mit spas- auch höhere Kosten für das Gesundheits- Notwendigkeit des starken Pressens, tischen Kontraktionen und Schmerzen. system. 8 So ist bei Krebspatienten mit um den Stuhl zu entleeren Wasser- und Elektrolyt- entzug aus dem einer OIC eine doppelt so häufige Hos- u Gefühl der inkompletten Stuhlentlee- Darm infolge der verlängerten Verweil- pitalisierung im Vergleich zu jenen ohne rung dauer führt dann auch zur Eindickung des Obstipation notwendig. Stuhls, einem verminderten Stuhlvolumen URSACHEN UND PATHOPHYSIOLOGIE und einer reduzierten und weniger koordi- DEFINITION UND SYMPTOME DER OIC DER OBSTIPATION BEIM SCHMERZ- nierten gastrointestinalen Motilität. Gastrointestinale Motilitätsstörungen kön- PATIENTEN nen den gesamten Gastrointestinaltrakt Ursachen primärer Obstipation sind den Neben den Ausscheidungsfunktionen sind oder auch nur einzelne Bereiche betreffen. Darm betreffende Störungen, sekundäre auch weitere gastrointestinale Funktionen Anzeichen für Störungen im oberen Trakt Obstipationen sind hingegen Begleiter- betroffen, beispielsweise durch eine Ver- (Magen und Dünndarm) sind beispiels- scheinungen bei verschiedenen generali- zögerung der Entleerung und Verringe- weise Übelkeit, Erbrechen, frühzeitiges sierten Erkrankungen. rung der Motilität des Magens. Folgen da- 2 SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a| Mai 2020
von sind Beschwerden wie Übelkeit und Reflux. Tab. 1: GASTROINTESTINALE Tab. 2: FOLGEN DER AKTIVIERUNG SYMPTOME UNTER OPIOIDEN1 VON PERIPHEREN µ-OPIOID- Basierend auf diesem Pathomechanismus REZEPTOREN IM GI-TRAKT1 kann eine OIC ab Beginn der Opioidthera- u Inappetenz pie über den gesamten Verlauf auftreten, u Anorexie u Ösophagus: Sphinkter-Dysfunktion da sich keine Toleranz entwickelt.4, 14 Ihr u Gastroösophagealer Reflux u Magen: verminderte Motilität, Auftreten ist unabhängig vom Wirkstoff, u Übelkeit/Erbrechen verzögerte Entleerung der Dosierung und Darreichungsform des u Frühzeitige Sättigung, verbunden u Dünndarm: gestörte Motilität, Opioids.14, 15 Prinzipiell ist die OIC aber re- mit einer Verlängerung der verminderte intestinale Sekretion, versibel, wenn die periphere µ-Rezeptor Passagezeit/Rückstau verminderte Propulsion Stimulation beendet wird. u Völlegefühl u Dickdarm: erhöhte Flüssigkeits- u Schmerzen Wegen ihrer Bedeutung wurde die OIC rückresorption, gestörte Motilität, u Spasmen/Koliken kürzlich in die Rom-IV-Klassifikation funk- verminderte Propulsion u Diarrhö tioneller gastrointestinaler Störungen auf- u Anus: Sphinkter-Dysfunktion u Stuhlverhalten genommen.16 u Blähungen (Dünn- und Dickdarm) u Hämorrhoidenblutungen DIAGNOSE u Veränderte Stuhlkonsistenz Die Diagnostik bedarf einer genauen kli- nischen Untersuchung sowie einer aus- führlichen Anamnese. Dabei ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Symptome Diese Methode ist für Arzt und Patient scher und nicht-onkologischer Schmerzen dem Einsatz von Opioiden zuzuordnen schnell erlernbar und gut anwendbar und als Basismaßnahmen ballaststoffreiche oder zumindest teilweise auf die Grund- kann zu Hause durchgeführt werden. Es Kost, Quellstoffe (Weizenkleie, Leinsa- erkrankung zurückzuführen sind. Daher werden drei Aspekte erfasst: men), reichlich Flüssigkeitszufuhr und kör- sollte eine detaillierte Erhebung der De- perliche Aktivität empfohlen.7, 18, 19, 20 fäkationsprobleme, der Häufigkeit, des u Leichtigkeit der Defäkation/Stuhlgang- Aussehens und der Konsistenz des Stuhls, entleerung (NAS: 0 = einfach bis 100 = Eine Laxanzienanwendung ist bei jeglicher der Ernährung und der täglichen Medika- mit größter Schwierigkeit) Opioidtherapie von Beginn an und für die menteneinnahme durchgeführt werden. u Gefühl der inkompletten Entleerung gesamte Therapiedauer indiziert.19, 20 Eine Bei anhaltender Obstipation sollte der (NAS: 0 = überhaupt nicht bis 100 = kausale Therapie ermöglicht der Einsatz Patient einer weiterführenden Diagnostik sehr stark) von Opioidrezeptor-Antagonisten. Eine zugeführt werden (Koloskopie, Defäko- u Persönliche Einschätzung der Obstipa- Übersicht der verfügbaren Therapieprinzi- graphie, Manometrie, Transit-Test). tion (NAS: 0 = überhaupt nicht bis 100 pien – in Analogie zur Therapie der chro- = sehr stark) nischen Obstipation – bei der OIC bietet Viele Patienten sprechen die vielschichti- Tabelle 3, die laut Experten-Konsensus gen gastrointestinalen Symptome und Be- 2. Praktische Obstipationsskala: Wenn nach einem Stufenschema eingesetzt wer- schwerden im Kontext mit einer OIC nicht das objektive Kriterium „kein Stuhlgang den sollen (Tab. 4).1 Therapieziel aus Pa- von sich aus an. Gründe dafür sind häufig >72 Stunden“ erfüllt ist und mindestens tientensicht ist dabei eine Steigerung der Scham oder unzureichende Information ein subjektives Kriterium (z. B. Pressen, Lebensqualität durch Verbesserung der bzw. Patientenaufklärung. Daher hat sich Defäkationsprobleme, Gefühl der unvoll- Obstipationsbeschwerden, aus ärztlicher die Strategie bewährt, dass der Arzt im ständigen Entleerung mit NRS >5) bejaht Sicht auch die Vermeidung der Reduktion Gespräch Patienten bereits im Rahmen wird und/oder eine harte Stuhlkonsistenz oder des Absetzens der Opioid-Medika- der Verordnung des Opioids über die vorliegt, kann von einer OIC ausgegangen tion durch die Patienten. Möglichkeit einer OIC als häufiger Neben- werden.17 wirkung der Schmerztherapie und über Stufe 0: Ausreichende Mobilisierung und geeignete Gegenstrategien informiert.1 3. Als dritte Alternative kann, insbesonde- Flüssigkeitszufuhr, sofern sich dies trotz re bei geriatrischen oder Pflegeheim-Pa- der zugrunde liegenden Erkrankung um- BEURTEILUNG DER DARMFUNKTION tienten, die „Bristol Stool Form Scale“ an- setzen lässt,21 prophylaktische Gabe eines In der Praxis stehen drei einfache Scree- gewendet werden, welche die Stuhlform in den Leitlinien als Erstlinientherapie ein- ning-Methoden zur Verfügung: bildlich darstellt. gestuften Laxans möglichst ab Beginn der Opioidtherapie. 1. Als einfaches Diagnose- und Kontrollins- PROPHYLAXE UND DAUERTHERAPIE trument hat sich der BFI (Bowel Function Obwohl nicht evidenzbasiert und meist Stufe 1 der medikamentösen OIC-Thera- Index) erwiesen, der als einziger speziell unzureichend wirksam, werden in vielen pie: Laxanzien als Monotherapie oder als für die OIC-Diagnose validiert wurde.2, 9 Leitlinien zur Opioidtherapie onkologi- Kombination unterschiedlicher Laxan- SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a | Mai 2020 3
gleichbare Wirksamkeit bei der Behand- Tab. 3: THERAPIEPRINZIPIEN BEI OIC1 lung der OIC unabhängig vom Opioid-Typ, der Dosierung oder Dauer der Opioidgabe u Lebensstilmodifikation: mehr Bewegung, vermehrte Flüssigkeitszufuhr vor Behandlungsbeginn.27 Trotz nur ein- u Klassische Laxanzien (beeinflussen nicht die Ursachen einer OIC) mal täglicher Gabe führt Naloxegol selbst u Ballaststoffe: vergrößern die Stuhlmenge durch Absorption von Wasser und bei OIC-Patienten mit nicht ausreichen- fördern indirekt die Peristaltik, z. B. Flohsamen, Weizenkleie. dem Ansprechen auf Laxanzien im Median u Stimulierende Laxanzien: hemmen die Absorption von Wasser und fördern innerhalb von 7,6 Stunden nach der oralen die Sekretion von Wasser und Elektrolyten, z. B. Bisacodyl, Natriumpicosulfat. Gabe zu einer spontanen Stuhlentleerung. u Stuhlerweichende Substanzen: binden Wasser, damit wird die Stuhlmenge Auch die Lebensqualität der Patienten bessert sich nachhaltig. 28 In Österreich vergrößert und erweicht. ist Naloxegol nur bedingt erstattungsfä- u Osmotische Laxanzien: ziehen Wasser mittels osmotischen Gradienten und hig (gelbe Box) mit Regeltext-Indikation: fördern indirekt die Peristaltik, z. B. Macrogole. Behandlung einer OIC, wenn mindestens u Prokinetika (beeinflussen nicht die Ursachen einer OIC): verstärken die Darmmo- zwei erstattungsfähige orale Laxanzien torik, z. B. Prucaloprid. aus dem grünen Bereich versagt haben. u PAMORA: wirken als Antagonisten an peripheren μ-Opioidrezeptoren und stellen die Propulsion des Stuhls her, z. B. Naloxegol, Methylnaltrexon, kausale Therapie Methylnaltrexon s.c.: Ein subkutan zu in- der OIC. jizierender kompetitiver Opioidrezep- u Orale systemische Opioid-Antagonisten: Die Substanz kann zur Behandlung einer tor-Antagonist, der die Blut-Hirn-Schranke OIC verwendet werden, da sie wegen des First-Pass-Effekts nahezu ausschließlich nicht durchdringt und daher die analge- im Darm wirkt, z. B. retardiertes orales Naloxon. tische Opioidwirkung nicht beeinträch- tigt. Seine Wirksamkeit bei OIC ist durch placebokontrollierte Studien belegt, der rasche Wirkeintritt erfolgt innerhalb von zientypen. Nach ihrem Wirkmechanismus der hemmenden Opioidwirkung den peris- 4 Stunden. In Österreich ist Methylnal- werden osmotische Laxanzien (Macrogol taltischen Reflex oft nicht ausreichend an- trexon nur eingeschränkt erstattungsfähig 3350, Lactulose, Sorbitol), hydragoge Sti- stoßen, zudem können Nebenwirkungen (gelbe Box) für die Palliativbehandlung mulanzien (Sennesfrüchte, Bisacodyl, Na- wie Elektrolytentgleisungen, Meteorismus, mit Regeltext-Indikation: Behandlung triumpicosulfat) und der enterokinetische Hypomagnesiämie, Hypokalzämie, Hyper- einer OIC bei palliativen Patienten, wenn spezifische Serotonin-Rezeptor-Agonist phosphatämie und Dehydration auftre- mindestens zwei erstattungsfähige orale Prucaloprid unterschieden.7, 9, 10, 22 ten.24 Als kausale Therapie kommen daher Laxanzien aus dem grünen Bereich ver- als nächste Behandlungsstufe PAMORA sagt haben. Bei schwerer Nieren- oder Laxans der ersten Wahl ist Macrogol, da (peripher wirkende Opioidrezeptor-Anta- Leberinsuffzienz ist die Dosis zu halbieren. es zu keinen Elektrolytentgleisungen führt gonisten) als Monotherapie zum Einsatz und insgesamt ein gutes Sicherheitspro- (Methylnaltrexon, Naloxegol). PAMORA Stufe 3 der medikamentösen OIC-Thera- fil aufweist. Eine Meta-Analyse zeigt das haben sich in klinischen Studien und einer pie: Bei weiterhin nicht ausreichendem günstige Profil von Macrogol in Hinblick Meta-Analyse bei OIC (mit und ohne zu- Ansprechen sollten PAMORA mit klas- auf Stuhlfrequenz, Stuhlform, Erleichte- grunde liegender Tumorerkrankung) als sischen Laxanzien kombiniert werden. rung von abdominellen Schmerzen und effektiv erwiesen.2, 3, 7, 18-22, 25, 26 Entschei- Alternativ kann auch geprüft werden, ob der Notwendigkeit der Einnahme von dend an diesem Therapieansatz ist, dass eine Umstellung der Analgesie oder eine weiteren Laxantien.23 Alternativ kann ein diese die Ursachen der OIC, nämlich die Opioidrotation zu Oxycodon-Naloxon-Fix- stimulierendes Laxans wie Natriumpico- periphere μ-Opioidrezeptor-Aktivierung kombination oder Tapentadol (MOR-NRI) sulfat oder Bisacodyl eingesetzt werden. mit der daraus resultierenden Hemmung möglich ist. Eine Kombination von zwei osmotischen der Darmmotorik und -sekretion angrei- oder zwei stimulierenden Laxanzien un- fen, gleichzeitig jedoch nicht die analgeti- Retardierte orale Formulierung einer Oxy- tereinander ist jedoch nicht sinnvoll, wohl sche Wirkung der Opioide im ZNS beein- codon-Naloxon-Fixkombination (2:1-Ver- aber die Kombination der jeweiligen Subs- trächtigen, also die Blut-Hirn-Schranke hältnis): Dabei handelt es sich um einen tanzklassen miteinander, z. B. von oralem nicht in pharmakologisch relevantem Aus- systemischen Opioid-Antagonist, der bei Macrogol mit Bisacodyl. maß passieren. oraler Gabe aufgrund eines ausgeprägten Prucaloprid, ein hochselektiver Seroto- First-Pass-Effekts nahezu ausschließlich im nin-Agonist (5-HT4), ist bei refraktärer, Naloxegol oral: Bei Naloxegol handelt es Darm wirkt.29, 30, 31 Allerdings ist für die Ver- nicht allein opioidbedingter Obstipation sich um ein pegyliertes Derivat von Na- wendung eine intakte Leberfunktion erfor- eine Therapieoption. loxon. Dieses echte und oral anwendbare derlich. In Österreich befindet sich das Prä- PAMORA wird einmal täglich angewendet. parat nicht im Erstattungskodex (No Box), Stufe 2 der medikamentösen OIC-Thera- Naloxegol ist mit jedem Opiat frei kombi- kann aber auf individuellen Antrag von den pie: Laxanzien können jedoch aufgrund nierbar. Naloxegol 25 mg zeigt eine ver- Krankenkassen erstattet werden. 4 SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a| Mai 2020
Tab. 4: STUFENSCHEMA DER MEDIKAMENTÖSEN THERAPIE EINER OIC11 Stufe 1: Klassische Antiobstipativa der Stufe 1: osmotische (bevorzugt Macrogol) und/oder stimulierende Laxanzien, z. B. Natriumpicosulfat > und/oder (zusätzlich) Prucaloprid (Vorsicht bei Darmstenosen). Stufe 2: Unzureichendes Anspre- chen: PAMORA als kausale Therapie: jedes Opioid + oraler PAMORA, z. B. Naloxegol, oder bei Oxycodon-The- rapie: Fixkombination Oxycodon + Naloxon. Stufe 3: Unzureichendes Anspre- chen: PAMORA s.c.: Methylnal- trexon, ggf. Kombinationstherapie PAMORA + Laxanzien/Prucaloprid; ggf. Sekretagoga ± PAMORA. Überprüfung, ob eventuell Umstel- lung der Analgesie möglich ist! Tapentadol (MOR-NRI): Diese Substanz vereinigt zwei Wirkprinzipien in einem Mo- lekül: einen μ-Opioidrezeptor-Agonismus Leonardo Ferraz-Leite, μ -Rezeptoren in der Darmwand 2018. Acryl auf Hartplatte, 75 x 103 cm (MOR) und eine Noradrenalin-Wieder- aufnahme-Hemmung (NRI). Mit Tapen- zen häufigste unerwünschte Wirkung der Laxanzien-Therapie erfolgt nach dem tadol ist eine signifikante Reduktion von einer Schmerztherapie mit Opioiden und Stufenschema eine zielgerichtete und Obstipation und Nausea im Vergleich zu beeinträchtigt die Lebensqualität und den kausale medikamentöse OIC-Therapie mit äquianalgetischen Dosen herkömmlicher Analgesieerfolg erheblich. einem peripher aktiven μ-Opioidrezeptor- Opioide (Morphin, Oxycodon) bei onko- Antagonisten (PAMORA). Erste Wahl ist logischem und nicht-onkologischem chro- Die OIC zeigt keine Toleranzentwicklung dabei ein oraler PAMORA, bei Patienten nischem Schmerz möglich. Tapentadol ist und muss daher aktiv von Beginn an unter Oxycodon-Therapie kann alterna- mit einer maximalen Tagesdosis bis 500 konsequent über die gesamte Therapie- tiv eine Fixkombination aus retardiertem mg weltweit (FDA, EMA, Schweiz, Aus- dauer mit nicht-pharmakologischen und Naloxon plus Oxycodon gegeben werden. tralien, Japan, Südamerika) zugelassen. vor allem geeigneten medikamentösen Bei Unmöglichkeit einer oralen Verabrei- In Österreich befindet sich das Präparat Mitteln bekämpft werden, da diese ein li- chung kann ein subkutan zu applizieren- nicht im Erstattungskodex (No Box), kann mitierender Faktor für das Erreichen einer der PAMORA eingesetzt werden. Reicht aber auf individuellen Antrag von den wirksamen Opioiddosierung und entspre- auch dies nicht aus, sollte der PAMORA Krankenkassen erstattet werden. chender Patientenzufriedenheit ist. Ent- mit Laxanzien der Stufe 1 kombiniert wer- scheidend ist ein aktives Abfragen der den. Dessen ungeachtet ist eine Rotation Bei Erfolglosigkeit aller drei Stufen können Beschwerden beim Patienten von Beginn zum neuen MOR-NRI Tapentadol oder zu versuchsweise im Off-Label-Use Medika- an und im Therapieverlauf. Da Ballast- Oxycodon-Naloxon-Fixkombinationsprä- mente wie Erythromycin oder Amidotri- stoffe allein in der Regel nicht ausreichen, paraten auf jeder Therapiestufe eine zu- zoeessigsäure eingesetzt oder manuelle können Laxanzien prophylaktisch gege- sätzliche Option. Ausräumungen (ggf. mit diagnostischer ben werden, spätestens bei Symptomen Abklärung) vorgenommen werden. einer OIC sollten diese verschrieben wer- Literatur: den. Bei Versagen wäre das Prokinetikum 1 Storr M et al. Thieme Praxis Report 2017; 9 (11 ): 1-12 ZUSAMMENFASSUNG Prucaloprid eine weitere symptomatische 2 Nelson AD et al. Ther Adv Chronic Dis 2016; 7:121– 34; Die OIC ist die bei Patienten mit chroni- Alternative bei einer nicht allein Opio- 3 Pergolizzi JV et al. Patient Prefer Adherence 2017; schen Tumor- und Nicht-Tumor-Schmer- id-induzierten Obstipation. Bei Versagen 11:107–19 SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a | Mai 2020 5
Heber Ferraz-Leite, Mechanismus, 2018, Acryl auf Hartplatte, 108 x 78 cm. 4 Wirz Set al. Eur j Cancer Care 2012; 21: 131-140 17 Wirz S et al. Eur j of Pain 2009; 13: 737-743 28 Chey WD et al. N Engl j Med. 2014; 370: 2387-2396 5 Camilleri Met al. Neurogastroenterol Motil 2014; 18 Brenner DM et al. Curr Gastroenterol Rep 2017; 29 Simpson K et al. Curr Med Res Opin 2008; 24: 26: 1386-1395 19:12 3503-3512 6 Veiga DR et al. Pain Res Treat. 2018 Jul 19 Argoff CE et al. Pain Medicine 2015; 16:2324–37 30 Löwenstein O et al. Expert Opin Pharmacother 10;2018:5704627 20 Andresen V et al. Arzneiverordnung in der Praxis 2009; 10: 531-543 7 Chokhavatia S et al. Drugs Aging 2016; 33:557–74 2016; 43(1): 21–29 31 Meissner W et al. Eur j Pain 2009; 13: 56-64 8 Fine PG et al. Support Care Cancer. 2018 Jul 29 21 Andresen V et al. Z Gastroenterol 2013; 51: 651-672 [Epub ahead of print] 22 Rao SSC et al. Nature Reviews Gastroenterol He- 9 Poulsen JL et al. Ther Adv Gastroenterol 2015; patol 2016; 13:295–305 8:360–72 23 Lee-Robichaud H. et al, Cochrane Database Syst LECTURE BOARD: 10 Müller-Lissner S et al. UNI-MED, Bremen 2001 Rev, 2017 (7) p. CD007570 11 Wald A. JAMA 2016; 315:185–91 24 Papagallo M. Am j Surg 2001; 182: 11-18 OÄ DR. WALTRAUD STROMER 12 Camilleri M. Am j Gastroenterol 2011; 106: 835-842 25 Hale M et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2017; Abteilung für Anästhesie und Allgemeine Intensiv- 13 Wirz S. Z Gastroenterol 2017; 55: 394-400 2:555–64 medizin, Landesklinikum Horn 14 Becker G et al. Lancet 2009; 373: 1198-1206 26 Ford AC et al. Am j Gastroenterol 2013; 108: 1566- 15 Wirz S. Bremen: Uni-Med Verlag; 2010 1574 UNIV.-PROF. DR. WILFRIED ILIAS 16 Schmulson MJ et al., J Neurogastroenterol Motil 27 Nalamachu S et al, J Opioid Manag. 2018 May/ Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie, Facharzt 2017; 23:151–63 Jun;14(3):211-221 für Anästhesiologie u. Intensivmedizin in Wien Gender-Mainstreaming-Policy: Wir sind bemüht, in den Texten Männer wie Frauen in gleicher Weise sichtbar zu machen und verwenden daher an vielen Stellen sowohl die männliche als auch die weibliche Personen- oder Berufsbezeichnung. Im Interesse der Lesbarkeit wird aber auch immer wieder nur eine Form verwendet, wobei es sich ausdrücklich um keine Bevorzugung eines Geschlechts handelt. IMPRESSUM: SCHMERZNACHRICHTEN. Zeitschrift der Österreichischen Schmerzgesellschaft; Herausgeber: Österreichische Schmerzgesellschaft; Medieninhaber und Verlag: B&K Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung GmbH; Medieninhaber-, Verlags- und Redaktionsadresse: 1090 Wien, Liechtensteinstr. 46a/1/1/9; A-7100 Neusiedl, Untere Hauptstraße 99/3/2; Geschäftsführung und Chefredaktion: Mag. Roland Bettschart, Dr. Birgit Kofler; Hersteller: Donau Forum Druck; Verlags- und Herstellungsort: Wien; Lektorat: Susanne Hartmann; Projektmanagement: Monica Friedmann, BA; Grafische Gestaltung: Patricio Handl Diese DFP-Fortbildung erschien in der Ausgabe 4/2018-1/2019 der Schmerznachrichten. Dieser Fortdruck wird mit freundlicher Unterstützung von Grünenthal publiziert. M-MOV-AT-04-20-0001 6 SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a| Mai 2020
KT E 2 DFP-PUN DFP-Literaturstudium in den Schmerznachrichten Fragebogen – „Das Management der Opioid-induzierten Obstipation“ So machen Sie mit: Entsprechend den Richtlinien der ÖÄK finden 1. Welche Aussage stimmt? (drei richtige Antworten) Sie im Anschluss an den Fortbil- a) IC bedeutet opioid-induced constipation. dungsartikel Multiple-Choice- b) OIC bedeutet opioid inhibiting calculation. Fragen. Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet, wenn Sie von c) OIBD bedeutet opioid-induced bowel dysfunction. den vorgegebenen Antworten d) OIC ist eine seltene Opiat-Nebenwirkung. alle richtigen angekreuzt haben. e) OIC tritt bei Palliativpatienten häufiger auf. Für eine positive Beantwortung ist erforderlich, dass sie drei der 2. Die OIC ist definiert durch (drei richtige Antworten) fünf Fragen richtig beantworten. a) niedrige Stuhlfrequenz b) komplette Stuhlentleerung Bei korrekter Beantwortung c) härtere Stuhlkonsistenz werden zwei DFP-Punkte d) Verschlechterung der Notwendigkeit des starken Pressens angerechnet. e) Stuhlfrequenz 24 Stunden“ erfüllt ist. Internet: Diesen Artikel sowie eine c) Die „Bristol Stool Form Scale" stellt die Stuhlform bildlich dar. Reihe weitere Fortbildungsartikel d) Der BFI (Bowel Function Index) erfasst den Aspekt der Stuhlentleerung. finden Sie auch auf www.oesg.at e) Für den BFI (Bowel Function Index) ist keine persönliche Einschätzung des Patienten notwendig. sowie der Plattform „DFP-Online“ der Österreichischen Akademie der 5. Welche therapeutischen Optionen stehen zur Verfügung? (drei richtige Antworten) Ärzte unter www.meindfp.at, wo Sie die Fragen auch online a) ausreichende Mobilisierung und Flüssigkeitszufuhr beantworten können. b) Laxans der ersten Wahl ist Prucaloprid. c) Eine Kombination von mehreren Laxanzien unterschiedlicher Substanzklassen ist möglich. Ihre Teilnahmebestätigung ist d) Naloxegol ist mit jedem Opiat frei kombinierbar. auf www.meindfp.at unter „Meine e) Methylnaltrexon wird per os verabreicht. Statistik“ downloadbar, wenn Sie ein Fortbildungskonto haben. Gültig bis: 12/2021 Name: Anschrift: PLZ/Ort: Telefon: ÖÄK-Arztnummer: Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin Facharzt/Fachärztin für Ich besitze ein gültiges DFP-Diplom Bitte informieren Sie mich über neue DFP-Angebote der ÖSG (Literaturstudium, Webinar) unter folgender E-Mail-Adresse: SCHMERZ NACHRICHTEN Nr. 2a | Mai 2020 7
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