Simulationsbasierte Personaleinsatz-planung für komplexe Montagesysteme - TU Dresden

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Simulationsbasierte Personaleinsatz-planung für komplexe Montagesysteme - TU Dresden
Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden • 58 (2009) Heft 1 – 2 • Logistik

                                                                                                      In der Klein- und Mittelserien-
                                                                                                      fertigung von Maschinen,
                                                                                                      Anlagen und Großfahrzeugen
Michael Völker, Sebastian Carl und Oliver Rose                                                        spielt die kostenintensive
                                                                                                      manuelle Montage bis heute
Simulationsbasierte Personaleinsatz-                                                                  eine dominierende Rolle. Ein
                                                                                                      Grund dafür sind die speziellen
                                                                                                      Anforderungen an das techni-
planung für komplexe Montagesysteme                                                                   sche Handling der Bauteile und
                                                                                                      Baugruppen sowie die teils
                                                                                                      komplizierte geometrische
                                                                                                      Gestalt der Teile und Einbau-
                                                                                                      räume. Ein weiterer Grund
                                                                                                      besteht in der von den Her-
                                                                                                      stellern zunehmend geforderten
1 Einleitung                                      (Teilautonome Arbeitsgruppe) möglichst              Produktvarianz. Dies bedingt
                                                  effizient zu montieren sind. Typisch ist dies       immense Herausforderungen
                                                                                                      an eine effiziente Planung,
An der TU Dresden wird zurzeit in Koope-          heutzutage vor allem für den Maschinen-,            Steuerung und Überwachung
ration mit mehreren Industriepartnern unter       Anlagen- und Großfahrzeugbau. Es kann               der Montageprozesse. Die
Begleitung der Arbeitsgemeinschaft indus-         somit von einer Auftragsfertigung mit gro-          Organisation der manuellen
trieller Forschungsvereinigungen (AiF)            ßer konstruktiv-struktureller Individualität        Montage derartiger Produkte ist
„Otto von Guericke“ e. V. eine neuartige          der Erzeugnisse ausgegangen werden. Bild            jedoch schwer zu optimieren.
Heuristik für die Planung komplexer, perso-       1 zeigt ein derartiges Produktbeispiel.             Im Rahmen des nachfolgend
nalintensiver Montageprozesse entwickelt.           Niedrige Stückzahlen und komplizierte             vorgestellten Projektes wird ein
                                                                                                      neuer wissenschaftlich begrün-
Ziel dieses Projektes ist die Unterstützung       Montageprozesse erfordern oft speziell aus-         deter Lösungsansatz für die
der operativen Montageplanung und -steue-         gerüstete Montagestationen und verhindern           optimierte operative Einsatz-
rung durch ein leistungsfähiges Hilfsmittel.      daher eine flexible, wahlfreie Belegung der         planung des Montagepersonals
Dadurch soll für beliebige Auftragsszena-         Montagestationen, hier Bauplätze genannt.           erarbeitet – ein hochkomplexes,
rien, insbesondere im Störungsfall, mittels       Ein hohes Maß an Flexibilität ist notwendig,        sogenanntes Multiressourcen-
Berechnung optimaler Belegungsvarianten           um die auftragsspezifischen Arbeitsmen-             Einsatzproblem.
kurzfristig der für die aktuellen Ziele opti-     genschwankungen zwischen den einzelnen
                                                                                                      In the production of small and
male Montageplan generiert werden. So             Bauplätzen auszugleichen. Fundamentales             mid-size series of machines,
kann man Materialüberbestände verringern          Stellglied hierfür ist die Variation der Mit-       facilities and large vehicles the
und den sparsamen Ressourceneinsatz –             arbeiterressourcen.                                 cost-intensive manual assembly
Schwerpunkt in der Montage sind die Per-            Die Wechselbeziehung von eingesetzter             still plays a dominating role.
sonalressourcen – unterstützen. Darüber           Mitarbeiteranzahl und daraus resultierender         Both huge costs for the auto-
hinaus werden die Montagedurchlaufzeiten          Montagedurchführungszeit ist bei bekann-            mated handling of the compo-
                                                                                                      nents and assemblies and the
verkürzt und die Liefertermintreue verbessert.    tem Arbeitsumfang in Form von Kapazi-
                                                                                                      complicated geometry of the
                                                  tätskennlinien darstellbar (vgl. Bild 2).           parts and the assembly space
                                                    Allerdings bestehen hinsichtlich der ein-         are reasons for manual assem-
2 Charakteristische Merkmale komple-              setzbaren Mitarbeiteranzahl Grenzen. Die            bly. In addition, the increasing
    xer Montageprozesse und Anforde-              untere Grenze resultiert aus dem Minimum            product variance due to highly
    rungen an eine optimierte Planung             der technologisch erforderlichen Werkerka-          customized configurations crea-
    und Steuerung                                 pazität, die obere aus der technologisch            tes a large variety of require-
                                                                                                      ments with respect to efficient
                                                  sinnvollen maximalen Mitarbeiteranzahl
                                                                                                      assembly process design for
Charakteristika komplexer Montagepro-             oder auch aus räumlichen Restriktionen              the manufacturers. The product
zesse sind meist stark vernetzte Montage-         (gegenseitige Behinderung der Mitarbeiter).         variants demanded by the
prozessstrukturen mit einer großen Anzahl         Somit ergibt sich für die Montageplanung            customers as well as the con-
von in der Folge durchaus variierbaren            und -steuerung durch die Variation der              stantly increasing complexity of
Arbeitsgängen, die ggf. eine Parallelbear-        Personalzuteilung auf die Bauplätze ein             the products cause immense
beitung am Produkt ermöglichen (vgl.              erheblicher Spielraum, in dem die Durch-            challenges to efficient planning,
                                                                                                      control, and monitoring of the
Bild 4). Zudem fordern zugehörige                 führungszeiten beeinflusst und letztendlich         assembly process. However,
Montagesysteme flexibel einsetzbare               sogar Taktzeiten abgeglichen werden kön-            the management of such com-
manuelle und technische Ressourcen [4].           nen.                                                plex manual assembly lines is
Die hohe Komplexität des Montage-                   Bei vertiefter Betrachtung der vorliegen-         difficult to optimize. In this
prozesses resultiert aber auch aus diversen       den Problemstellung zeigt sich, dass für die        paper, the authors outline a
kundenspezifisch variierenden Produkten,          operative Planung und Steuerung komplexer           simulation-based scheduling
die zeitlich parallel in einer Montagehalle       Montagen zwei voneinander abhängige und             heuristic for solving this pro-
                                                                                                      blem.
durch ein geschlossenes Mitarbeiterteam           daher simultan zu lösende Aufgaben beste-

(Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)                                                                                     39
Simulationsbasierte Personaleinsatz-planung für komplexe Montagesysteme - TU Dresden
Bild 1. Endmontierte Bogenoffsetdruckmaschine der RAPIDA-Baureihe (Quelle: König & Bauer AG)

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                                                                                                            pazitätskennlinie

hen: die Maschinenbelegungs- und die Personaleinsatz-                 legungen ermittelt [1]. Fixe Start- und Endtermine sind
planung (vgl. Bild 3). Aus Sicht der Beriebsforschung stellt          jedoch eine Voraussetzung für die Belegungsoptimierung.
dies ein erweitertes NP-schweres „Knapsack-Optimie-                   Durch Variation des Personaleinsatzes je Montagear-
rungsproblem“ dar [3], d. h., die Bestimmung einer optima-            beitsgang können sich die Durchführungszeiten und damit
len Lösung erfordert eine nicht akzeptable numerische                 auch die Fertigstellungstermine ändern. Daher muss die
Rechenzeit. Die klassische Zeitplanung wird mit einer                 Maschinenbelegungs- und Personaleinsatzplanung mittels
Kapazitätsoptimierung gekoppelt. Daraus resultiert eine               einer gemeinsamen Methodik erfolgen. Da die operative
erhebliche Steigerung der Komplexität.                                Montageplanung kurzfristigen Charakter besitzt, ist das
  Im Rahmen der Maschinenbelegungsplanung werden all-                 aktuelle Ist-Personalangebot permanent zu berücksichtigen.
gemein Termine definiert und optimale Betriebsmittelbe-               Es besteht somit die Aufgabe der zieladäquaten Verteilung

                                                                                                           Bild 3. Aufgaben der operati-
                                                                                                           ven Planung und Steuerung
                                                                                                           komplexer Montagesysteme

    40                                                                                         (Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)
Simulationsbasierte Personaleinsatz-planung für komplexe Montagesysteme - TU Dresden
Bild 4. Vorgangspfeilnetzplan mit
                                                                                                  Montagealternativen einer Flug-
                                                                                                  zeuggroßbaugruppe [6]

limitierter Ressourcen. Weil sowohl das Angebot an Bau-          Netzplänen werden Arbeitsgänge bzw. Sequenzen von
plätzen als auch das an Mitarbeitern begrenzt ist, handelt es    Arbeitsgängen als Pfeile dargestellt, die mit weiteren
sich um ein erweitertes Rucksackproblem [8], d. h. ein           Attributen versehen werden können, wie zum Beispiel den
Problem, das mit dem optimalen Packen eines Rucksacks            für die Durchführung benötigten Ressourcen. Aus diesen
verwandt ist. Durch die Überlagerung der beiden Planungs-        Pfeilen wird ein Netzwerk gebildet, das den Montageablauf
aufgaben entsteht eine sehr große Anzahl möglicher               in einem für den Planungsprozess angemessenen De-
Planungslösungen, aus denen eine problemspezifisch opti-         taillierungsgrad beschreibt. Jeder Produktionsauftrag wird
male Variante zu wählen ist.                                     als eigenständiges Projekt mit spezifischen Produkt-,
   Verschiedene an der Technischen Universität Dresden           Prozess- und Ressourcendaten sowie einem spezifischen
durchgeführte Analysen kommerziell angebotener Leit-             Netzplan definiert.
stände sowie theoretisch beschriebener Konzepte ergaben,            Die universelle Notation in Vorgangspfeil-Netzplänen
dass für den Einsatz in der operativen Montagesteuerung          ermöglicht die Modellierung beliebiger Montagemodelle
derzeit noch kein ausreichend leistungsfähiges System bzw.       bei theoretisch unbegrenzter Variation der Prozesspara-
heuristischer Ansatz vorhanden ist. Gesucht wird ein             meter, wie zum Beispiel Ressourcen-Zuordnungsalterna-
Werkzeug bzw. ein Optimierungsverfahren, das die Flexi-          tiven. Aufgrund der Vielfältigkeit der Abbildungsmög-
bilität des Montagemitarbeitereinsatzes zum Ausgleich von        lichkeiten wird nachfolgend näher auf die Unterscheidung
Bedarfsschwankungen nutzt und gleichzeitig Ressourcen-           alternativer Prozessabläufe in der Netzplannotation einge-
verschwendung und daraus resultierende Produktivi-               gangen.
tätsverluste verhindert.                                            Es werden drei Arten von Vorgangsalternativen unter-
   Ein derartiges Montageplanungssystem erfordert eine pra-      schieden:
xisnahe und effiziente Modellierung des Montageprozesses         1. quantitative Variation der Mitarbeiterressourcen
sowie ein analytisches oder heuristisches Optimierungs-          2. qualitative Ressourcenzuordnungsvarianten und
verfahren mit kurzen Berechnungszeiten und ausreichend           3. alternative Teilprozessketten.
hoher Lösungsgüte. Im nachfolgenden Kapitel wird zu-
nächst kurz das netzplanbasierte Modell zur Abbildung von        Die Modellierung (Visualisierung) alternativer Mitar-
Montageprozess, Montagesystem und Personalstruktur               beitermengenzuordnungen erfolgt mittels paralleler Vor-
erläutert. Anschließend erfolgt im vierten Kapitel die detail-   gänge – sogenannter Vorgangsmodi [9]. Diese sind disjunkt,
lierte Beschreibung des entwickelten Verfahrens. Kapitel 5       d. h., es darf jeweils nur eine Alternative gewählt werden.
umfasst eine Vorstellung erster Ergebnisse praktischer Tests     Jeder Modus besitzt eine Vorgangsdauer, die von der zuge-
bzw. Experimente.                                                ordneten Personalressourcenmenge abhängt. Alternative
                                                                 Zuordnungen technischer Ressourcen wie Montageplätze,
                                                                 Transport-, Puffer- oder Hilfsmittel sowie qualitative
3 Transformation der Montage und der Optimierungs-               Mitarbeiteralternativen (Qualifikationsarten) werden eben-
    ziele in ein abstraktes Modell                               falls mittels alternativer Vorgänge visualisiert. Letztere kön-
                                                                 nen dann wiederum Modi aufweisen. Die Darstellung alter-
Das Modell basiert auf der Netzplantechnik und bildet die        nativer Teilprozessketten erfolgt durch Nutzung unter-
gesamte Produktstruktur sowie den zeitlichen und technolo-       schiedlicher Vorgangspfade (Wegalternativen). Bild 4 zeigt
gischen Montageprozess mit allen Alternativen in Form von        dazu einen vollständigen (alternativen) Beispiel-Netzplan
Vorgangspfeil-Netzplänen (VPN) ab [11]. In Vorgangspfeil-        für die Montage einer Flugzeuggroßbaugruppe. Insbe-

(Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)                                                                                 41
lichen Mitarbeiterressourcen ebenfalls als Zielfunktion defi-
                                                                niert. Ist das Angebot vorgegeben, so besteht nun das Ziel in
                                                                der maximalen Auslastung des vorhandenen Personals. Die
                                                                Zusammenführung der Partialziele in eine gemeinsame
                                                                Zielfunktion führt zur Suche nach einem kaum lösbaren
                                                                Kompromiss [2]. Aus diesem Grund wird das Problem stu-
                                                                fenweise in mehreren Optimierungsläufen mit jeweils vari-
                                                                ierender Zielfunktion gelöst.

                                                                4 Simulationsbasierter Lösungsansatz für die opti-
Bild 5. Optimierungsschleife [10]                                  mierte Personaleinsatzplanung

                                                                Aufbauend auf dem netzplanbasierten Modell wurde ein
sondere durch die Variation der Mitarbeiterressourcen pro       heuristisches Verfahren entwickelt, das aus einer Kom-
Arbeitsschritt, dargestellt durch rote Vorgangspfeile (bis zu   bination variierbarer Bausteine bzw. Module besteht. Um
16 spezifische Mitarbeiterzuordnungsvarianten je Vorgang),      die Berechnungskomplexität zu reduzieren, wird das vorlie-
resultieren ca. 1010 Montagevarianten, d. h. theoretisch        gende Problem getrennt, sodass Personalzuordnung und
mögliche Wege durch den Prozessgraphen. Typischerweise          Montageplatzbelegung für sich, aber nicht unabhängig von-
werden fünf bis sechs solcher Baugruppen gleichzeitig mon-      einander realisiert werden können. Die Grundlage für die
tiert.                                                          Rechnung bildet die simulationsgestützte Optimierung [10],
   Neben der Netzplannotation existiert zudem ein umfang-       die eine derartige Problemtrennung ermöglicht. So erfolgt
reiches, an den praktischen Problemen orientiertes Restrik-     die Lösungssuche generell in den zwei zyklisch zu durch-
tionensystem. Es besteht aus:                                   laufenden Schritten des Suchens und Bewertens (vgl.
– einem Zeitrestriktionssystem für alle Arten von               Bild 5).
    Terminschranken und Ressourcenverfügbarkeitskalen-            Beginnend mit dem Suchschritt werden die Steuerpara-
    dern                                                        meter zur Berechnung einer Lösung im Zielraum ermittelt.
– einem Kapazitätsrestriktionssystem für Ressourcenlimi-        Die Auswahl erfolgt durch Algorithmen, die in einem
    tierungen und                                               Regelkatalog hinterlegt sind und problemspezifisch ausge-
– einem Regelsystem, um spezielle Prozessbedingungen,           wählt bzw. angepasst werden. Danach findet die Weitergabe
    wie Maximalabstände von Vorgängen, Pufferbelegungen         der Stellgrößen an den Bewertungsschritt statt, der sich aus
    und Prioritäten, aufzunehmen.                               einem Simulationsteil und einer Datenauswertung zusam-
Den Schwerpunkt stellt die Abbildung verschiedener              mensetzt.
Personalstrukturen, wie Arbeitsgruppen und Qualifika-             Im Suchschritt wird zuerst mittels eines Generatormoduls
tionen, und Arbeitszeitmodelle dar, da gerade in der Einzel-    im Simulator automatisch ein Modell mit entsprechenden
und Kleinserienfertigung hochflexible Gruppenarbeits-           Steuerparametern erstellt und anschließend unter Nutzung des
modelle mit unternehmensspezifischer Ausprägung vorzu-          Controllermoduls ein vollständiger Produktionsplan simuliert.
finden sind.                                                    Dieser wird nachfolgend hinsichtlich Zielerreichung bewertet
   Ein weiteres wesentliches Modellierungsproblem besteht       und es wird entschieden, ob ggf. ein erneuter Durchlauf mit
in der Abbildung der operativen Personalsteuerungsziele.        veränderten Steuerparametern erforderlich ist.
Aus dem übergeordneten Ziel eines Unternehmens, den               Die aktuelle Systementwicklungsstufe realisiert im
Gewinn zu maximieren, ergeben sich mehrere Unterziele,          Suchschritt eine determinierte Personalzuordnung, d. h., für
die teilweise konkurrierend zueinander stehen.                  jeden Vorgang existiert nur eine eineindeutige, diskrete
   Die Minimierung der Durchlaufzeiten stellt heute ein prin-   Personalzuteilungsvariante. Die restlichen Ressourcen-
zipielles Unternehmensziel dar. Jedoch wird darauf im ope-      alternativen verbleiben in den Basisplänen. Im Bewer-
rativen Bereich aufgrund der von der administrativen            tungsschritt (Simulation) erfolgt unter Anwendung von
Planungsebene festgelegten Auftragsstart- und -endtermine       Prioritätsregeln die Montageplatzbelegung, d. h. die Aus-
wenig Einfluss genommen. Folglich muss das Ziel der             wahl der technischen Ressourcen- bzw. Wegalternativen.
Termineinhaltung als eine wesentliche Zielfunktion definiert    Um eine optimale, den Zielen entsprechende Lösung zu fin-
werden.                                                         den, wird die Optimierungsschleife in der Regel mehrmals
   Da der Fokus dieses Projektes primär auf den Personal-       durchlaufen. Ferner existiert eine äußere Optimierungs-
einsatz gerichtet ist, wird die Minimierung der erforder-       schleife. Sie dient der Variation der Optimierungsziele,

                                                                                               Bild 6. Zusammenhang der Optimie-
                                                                                               rungsschleifen des Lösungsverfah-
                                                                                               rens [7]

    42                                                                                   (Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)
detaillierter Modellrestriktionen, der Prioritätsregeln sowie   zweiten Stufe wird diese dann schrittweise verringert. Am
der Abbruchbedingung der simulationsgestützten Optimie-         Ende des dritten Durchlaufes (Iterationen) der inneren
rung. In Bild 6 ist der Zusammenhang der beiden Optimie-        Schleife ist der minimale Wert gefunden, sodass die zweite
rungsschleifen dargestellt.                                     Stufe beendet werden kann. In der darunter liegenden
  In der Systemendausbaustufe werden drei Simulations-          Tabelle wird die mittlere Anzahl von Aufträgen mit negati-
stufen durchlaufen, die jeweils eine bestimmte „Sichtweise“     ver Restzeit dokumentiert. Dieser Wert bedeutet eine Über-
auf den Lösungsraum darstellen. Stufe 1 dient dem Testen        schreitung der Auftragsendtermine, sodass die Stufe noch
der Grenzen des Lösungsraumes in Bezug auf die                  nicht beendet werden kann.
Verifizierung der Vorgabetermine. Die Produktionspläne            Die Verteilung der Restzeit erfolgt im Suchschritt mit dem
werden mit der maximal möglichen Anzahl von Mitar-              Restzeitverteilungsalgorithmus. Bei diesem werden den
beitern und – daraus resultierend – minimaler Durchlaufzeit     Aufträgen mit positiver Restzeit iterativ Mitarbeiter entzo-
generiert. In Stufe 2 wird die Personalkapazität systematisch   gen bzw. den Aufträgen mit negativer Restzeit umgekehrt
schrittweise gesenkt, sodass in Stufe 3 schließlich eine        wieder zugegeben. Durch diese schrittweise Streckung der
maximale Übereinstimmung von Kapazitätsbedarf und               Durchführungszeiten erfolgt die Minimierung der Rest-
-angebot bei Liefertermineinhaltung erreicht wird. Im fol-      zeiten.
genden Kapitel werden erste Ergebnisse vorgestellt.

                                                                6 Zusammenfassung
5 Durchführung von Simulationsexperimenten zur
    Validierung und Verifizierung des Lösungsansatzes           Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit
                                                                einem hohen Anteil manueller Montage unterliegen einem
Das Projekt befindet sich derzeit in der Realisierungsphase.    immensen Kostendruck. Die Planung, Steuerung und Über-
Die ersten beiden Simulationsstufen sind implementiert und      wachung der variantenreichen auftragsbezogenen Einzel-
werden umfassend getestet. Die Testdaten basieren auf           und Kleinserienmontage mit ihren vielfältigen Synchronisa-
Analyseergebnissen realer Montagesysteme verschiedener          tionsproblemen und ständig schwankenden Anforderungs-
Industriepartner. Parallel dazu werden unter Nutzung klassi-    profilen wird gegenwärtig noch nicht effektiv beherrscht.
scher Materialflusssimulatoren und unter Vernachlässigung          In diesem Aufsatz wurde die Entwicklung eines Lösungs-
der Personalressourcen extreme Produktionslastszenarien         ansatzes für die optimierte operative Maschinenbelegungs-
und stochastische Einflüsse der technischen Ressourcen          und Personaleinsatzplanung in komplexen Montagesys-
simuliert, um eine möglichst umfassende Validierung des         temen vorgestellt. Die Neuartigkeit des Ansatzes besteht in
Montageplanungssystems zu erreichen [5].                        einer allgemeinen Modellierungsmethodik für beliebige
  Nachdem in Stufe 1 ein Produktionsplan mit minimaler          Montagesysteme auf der Basis von Netzplänen in Verbin-
Auftragsdurchlaufzeit bestimmt wurde, steht in Stufe 2 die      dung mit einem speziellen heuristischen Algorithmus. In
Minimierung der erforderlichen Mitarbeiterressourcen im         mehreren Iterationsschleifen wird das automatisch generier-
Mittelpunkt. Die systematische Reduzierung der Mitarbeiter      te Simulationsmodell schrittweise editiert. Es erfolgt die
pro Vorgang bedeutet gleichzeitig eine Streckung der Durch-     Ermittlung einer Planvariante, die alle definierten Ziel-
führungszeiten bis an die zulässigen Termingrenzen. In          funktionen und Nebenbedingungen maximal erfüllt.
Stufe 3 wird die innere Schleife so lange durchlaufen, bis      Die dabei angestrebte Produktivitätssteigerung resultiert ins-
eine gültige Lösung der neuen Zielfunktion gefunden ist.        besondere aus dem verringerten Personaleinsatz zur
Die Algorithmen hierfür befinden sich derzeit noch in der       Bewältigung der Montageaufträge. Die Personaleinsparung
Entwicklung. Bild 7 visualisiert den Verlauf der durch-         wird im direkten Produktionsbereich der Montage sowie in
schnittlichen Restzeit als Zeitdifferenz zwischen Liefer-       der Logistik und in den indirekten Bereichen der Steuerung
termin und Endtermin aller Aufträge für drei reale              und Koordinierung erwartet. Gemeinsame Schätzungen aus
Montagemodelle (M1 bis M3).                                     den Fallbeispielprojekten zeigen hier ein Potenzial von bis
  Es zeigt sich, dass in Stufe 1 unter Einsatz maximaler        zu 20 %, das sich überwiegend proportional in einer Kosten-
Mitarbeiterressourcen zugleich auch die Restzeit pro            reduzierung widerspiegeln wird.
Auftrag maximal ist. Beim Übergang von der ersten zur

                                                                                               Bild 7. Restzeit der ersten und zwei-
                                                                                               ten Stufe bei Restzeitalgorithmus

(Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)                                                                                  43
Gleichzeitig wird durch den optimierten Ressourcen-                   Literatur
einsatz die Auslastung der technischen und insbesondere der
menschlichen Ressourcen „geglättet“. Es kommt folglich zu                [1] Corsten, H.: Produktionswirtschaft. 10. Aufl. München: Oldenbourg, 2004
                                                                         [2] Daub, A.: Ablaufplanung: Modellbildung, Kapazitätsabstimmung und Unsicher-
weniger Kapazitätsspitzen mit den bekannten negativen                        heit. Köln: Josef Eul-Verlag, 1994
Auswirkungen. Darüber hinaus wird das Problem der                        [3] Domschke, W.; Drexl, A.: Einführung in Operations Research. Berlin: Springer,
                                                                             2005
Beherrschung der häufigen Störungen im täglichen operati-                [4] Evers, K.: Simulationsgestützte Belegungsplanung in der Multiressourcen-
ven Arbeitsprozess unterstützt. Gegenmaßnahmen müssen                        Montage. Dissertation. Leibnitz Universität Hannover, 2002
nicht mehr subjektiv bzw. erfahrungsbasiert ergriffen wer-               [5] Flemming, V.: Simulationsmodell als Testumgebung für einen Personalleitstand
                                                                             in der Flugzeugmontage. Dresden: „Simulation in Produktion und Logistik“,
den, sondern erfolgen auf Basis der Optimierungsheuristik.                   Tagungsunterlagen, 2007
Letztendlich wird auch die Liefertermineinhaltung verbes-                [6] Füssel, U.; Rose, O.; Flemming, V.; Majohr, M.; Völker, M.: Simulation und
sert, da der Produktionsplan bezüglich vorhandener                           Steuerung von Montageprozessen im Flugzeugbau. Dresden: Vortrag zum
                                                                             Dresdner Fügetechnischen Kolloquium, 2008
Kapazitäten und der Einhaltung der Soll-Termine bereits vor              [7] Majohr, M. F.: Heuristik zur personalorientierten Steuerung von komplexen
der Produktionseinlastung verifiziert werden kann.                           Montagesystemen. Dissertation. TU Dresden, 2008
                                                                         [8] Neumann, K.; Morlock, M.: Operations Research. 1. Aufl. München: Hanser,
  Ein weiteres Potenzial besteht in der Senkung der                          1993
Durchlaufzeiten, die sich hauptsächlich aus der Verringe-                [9] Salewski, F.; Schirmer, A.; Drexl, A.: Project scheduling under resource and
rung der Materialbestände ergibt. Die Reduzierung der                        mode-identity constraints. In: European Journal of Operational Research 102
                                                                             (1997), S. 88 – 110
„planmäßigen“ Überbestände bildet ferner die Grundlage für              [10] Sauer, W.: Prozesstechnologie der Elektronik, Modellierung, Simulation und
die Optimierung der Montagelogistik und schafft die                          Optimierung der Fertigung. München: Hanser, 2003
Voraussetzungen für die Realisierung von Materialbereit-                [11] Schwarze, J.: Netzplantechnik. 8. Aufl. Berlin: Neue Wirtschafts-Briefe, 2001
stellungskonzepten, wie zum Beispiel Just-in-time (JIT) und
Just-in-sequence (JIS) für Großbauteile und -baugruppen.                                                       Manuskripteingang: 1.9.2008
                                                                                                               Angenommen am: 22.10.2008

                    Völker, Michael                                                                 Rose, Oliver
                    PD Dr.-Ing. habil.                                                              Prof. Dr. rer. nat.
                    Studium Maschinenbau/Betriebsgestaltung von                                     Studium Mathematik von 1986 bis 1992 an der
                    1976 bis 1980 an der TU Dresden ♦ 1988                                          Universität Würzburg ♦ 1997 Promotion zum Dr.
                    Promotion zum Dr.-Ing. ♦ 2007 Habilitation zum                                  rer. nat. ♦ 2005 Habilitation ♦ seit 2004 Professor
                    Dr.-Ing. habil. ♦ seit 2008 Privatdozent am Ins-                                für Modellierung und Simulation am Institut für
                    titut für Technische Logistik und Arbeitssysteme,                               Angewandte Informatik, Fakultät Informatik der
                    Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden                                          TU Dresden

                    Carl, Sebastian
                    Dipl.-Wirtsch.-Ing.
                    Studium Wirtschaftsingenieurwesen von 2000 bis
                    2007 an der TU Dresden ♦ 2007 Studien-
                    abschluss als Diplom-Wirtschaftsingenieur ♦ seit
                    2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
                    für Technische Logistik und Arbeitssysteme,
                    Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden

   44                                                                                                     (Wiss. Z. TU Dresden 58 (2009) Heft 1 – 2)
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