Das "Neue Schloss" Gerzensee - Vom Herrschaftssitz zum Studienzentrum Festschrift anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Eröffnung des ...
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Das «Neue Schloss» Gerzensee Vom Herrschaftssitz zum Studienzentrum Festschrift anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Eröffnung des Studienzentrums Gerzensee
Impressum Herausgeberin: Studienzentrum Gerzensee Autorin: Sarah Pfister, lic. phil. hist., Studium der Deutschen Literaturwissenschaft und Kunstge- schichte. Leiterin Museum Münsingen. Freie Kulturjournalistin. Kunst- und Kulturprojektleiterin. Gestaltung: mediagrafik.ch, Thun Reprofotografie: brandnewlivingpictures, Fritz Brand, Münsingen Druck und Lithos: Ackermanndruck AG, Bern-Liebefeld Auflage: 2000 Ex., Gerzensee 2011.
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vom «Alten» ins «Neue» Schloss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Von der Gartendépendance zum «Neuen Schloss» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Von gnädigen Herren und begüterten Damen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Seesicht und Alpenblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Der Schlossgarten: Barocke Pracht und romantisches Arboretum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Neue Studien in alten Mauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Literatur, Bildnachweis, Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 — 1 —
Vorwort Mit Freude und Genugtuung dürfen wir das 25-jährige Jubiläum der Eröffnung des Studien zentrums Gerzensee, Stiftung der Schweizerischen Nationalbank, feiern. Als die National- bank 1980 im Vorfeld ihres 75-jährigen Jubiläums das «Neue Schloss» mit den umliegenden Besitzungen erwarb und nach intensiven Vorarbeiten 1984 in die neu gegründete Stiftung einbrachte, verfolgten die Verantwortlichen der SNB eine klare Zielsetzung: Das Studienzen- trum sollte als Ausbildungs- und Begegnungsstätte dienen und die historisch wertvollen Liegenschaften sollten erhalten bleiben. Die Weitsicht hinter den damaligen Entscheiden und das Engagement, mit dem sich der Stiftungsrat, die Direktoren und die Mitarbeitenden des Studienzentrums während der ver- gangenen zweieinhalb Jahrzehnte für die Erreichung dieser Zielsetzung eingesetzt haben, lassen uns heute dankbar zurückblicken. Der exzellente Ruf im In- und Ausland, den sich das Studienzentrum dabei erworben hat, erfüllt uns mit Genugtuung. Die 25 Jahre seit dem ersten, im Mai 1986 durchgeführten Zentralbankkurs sind Anlass zur Freude. Gleichzeitig dienen sie als Anstoss, über das Tagesgeschäft hinauszublicken und die Geschichte des Studienzentrums aus einer längerfristigen Perspektive zu betrachten. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die vorliegende Broschüre als bleibende Erinnerung an das diesjährige Jubiläum die wechselhafte Geschichte des mittlerweile in vielen Län- dern bekannten Kennzeichens und Sitzes des Studienzentrums: des «Neuen Schlosses» in Gerzensee. Möge die Lektüre heute und auch noch in einigen Jahrzehnten viel Vergnügen bereiten. Thomas Jordan, Präsident des Stiftungsrates Dirk Niepelt, Direktor — 3 —
Gesamtanlage mit Garten Das ursprüngliche Wohnhaus (rechts im Bild) Vom «Alten» herrschaftliche Wohnsitze für ungewöhnli- chen Glanz in den Dorfstrassen. Das milde ins «Neue» Schloss Klima und die Südlage des Hangs ziehen bis ins 19. Jh. patrizische Familien aus Bern Die Herrschaft Gerzensee (Lerber, Graffenried, Luternau, Freudenreich, Als «Perle im Bernerland» preist C.M. Reber Büren) an, die zum Beispiel um 1805 bzw. 1919 das Dorf Gerzensee, das zu den «rei- 1857 die Sommersitze «Freudheim» und zendsten Orten des bernischen Hügellan- «Friedberg» bauen lassen. des» gehöre. Auch heute erfreut das Dorf am Südhang des Belpbergs den Besucher Das heutige «Alte Schloss» am Fuss des Fes- mit seinem ländlichen Charakter, dem See ti-Hügels geht auf eine «veste» aus dem 13. und der atemberaubenden Aussicht auf die Jh. zurück. In diesem bewohnbaren Wehr- Berner Alpen. Zum Reiz tragen auch beson- bau mit Festungsgraben, Schutzmauern dere Bauwerke bei: Sie erinnern an vergan- und Turm richten die Ritter von Kramburg gene Zeiten, in denen Gerzensee nicht nur ihren Herrschaftssitz ein. Finster und feucht ein Bauerndorf war, sondern einigen Fami- muss das Gemäuer gewesen sein – kei- lien der Berner Aristokratie als bevorzugter ne angenehme Unterkunft für die ersten Aufenthaltsort für die Sommermonate galt. «Twingherren» zu Gerzensee. Im Lauf der Mit nicht weniger als zwei Schlössern – Jahrhunderte gehen die Herrschaftsrechte manche zählen gar drei – wartet das Dorf durch Erbschaft und Kauf an verschiedene auf: Mit dem «Alten Schloss», dem «Neuen Eigner über. Der Brand von 1518 zerstört Schloss» und dem auf halber Strecke zwi- den ungemütlichen Schutzbau. Jakob von schen den beiden Schlössern gelegenen Wattenwyl lässt das Gebäude im spätgoti- Anwesen «Rosengarten» (um 1670) sorgen schen Stil neu errichten – seither präsentiert — 4 —
F D C B G A E N Plan der Schlossanlage sich das «Alte Schloss» in seiner heutigen, Legende reizvollen Gestalt. A Ältester Gebäudeteil: Ursprüngliche Während in der Entstehungszeit des «Al- Gartendependence des «Alten ten Schlosses» Sicherheit und Schutz vor Schlosses», vor 1700 feindlichen Kräften den Gebäudecharakter B Ursprüngliches Herrenhaus, 1700 bestimmen, werden im Laufe der Zeit die Umgebung und die bevorzugte Lage wich- C Westlicher Innenflügel, 1718 tig: Man entdeckt die Schönheit der Natur. D Westlicher Aussenflügel, 1738 So ist es nicht erstaunlich, dass an aussichts- und sonnenreicher Südlage bald ein wei- E Östlicher Aussenflügel, nach 1738 teres, herrschaftliches Gebäude entsteht: F Ehemaliges Hallenbad; heute «Panora- 1700 legt Samuel Morlot auf einem neu masaal», 1970-er Jahre erworbenen Stück Land den Grundstein zum «Neuen Schloss» – einem repräsenta- G Gartenanlage tiven Landsitz mit herrlichem Blick auf den Gerzensee und die Berner Alpen. Bereits ein halbes Jahrhundert später verlegt der da- malige Herrschaftsherr zu Gerzensee seinen Sitz vom «Alten» in das dank Erweiterungs- bauten modernere und repräsentativere «Neue Schloss». — 5 —
«Gartensaal» im ältesten Teil des Schlosses Detail der Chinoiserietapete im «Gartensaal» Von der Garten- Er erweitert das bestehende Gartenhaus an dessen Westseite mit einem zweigeschossi- dépendance zum gen, barocken Herrenhaus, das – heute drei- «Neuen Schloss» geschossig – im Mittelpunkt der Gesamtan- lage steht. Damit schafft der junge Bauherr Samuel Morlot baut sich einen die Grundlage für das «Neue Schloss». Mit Herrschaftssitz der Betonung der kubischen Grundform, Zum «Alten Schloss» gehört ursprünglich der ruhigen Fassadengestaltung und den eine kleine Gartendépendance – ein Bel- ausgewogenen Proportionen weist es den vedere am Südhang mit Sicht auf den Ger- damals vorherrschenden, präklassizistischen zensee und die Alpenkette. Samuel Morlot, Grundzug der bernischen Architektur auf. Spross einer regimentsfähigen Familie der Stadt Bern mit Wurzeln in Lothringen, er- Villeggiatura: wirbt das kleine Gebäude samt Umschwung Der Adel in der Sommerfrische um 1700 vom damaligen Teilhaber an den Der baulustige Adel lässt im 18. Jh. zahlrei- Gütern der Herrschaft Gerzensee. Im selben che Sommersitze errichten: Rund um Bern Jahr schliesst er seine Karriere in holländi- entstehen in die Landschaft eingebettete schen Solddiensten ab, heiratet Maria Mag- Campagnen – behäbig und bescheiden dalena von Graffenried und beginnt den die einen, prunkvoll und der Selbstdarstel- Dienst im bernischen Staat. Zum standes- lung verpflichtet die anderen. In den Som- gemässen Leben eines Adeligen gehört ein mermonaten zieht sich die Oberschicht Landsitz – eine sogenannte «Campagne». auf den Landsitz zurück und pflegt die Da kommt dem erfolgreichen, jungen Mann Zeit der «villeggiatura» – den Rückzug ins das Stück Land in Gerzensee gerade recht: ländliche Idyll. — 6 —
Vedute mit «Neuem Schloss» und Kirche (18. Jh.) Porträt von Samuel Morlot (1703) Dieses repräsentative, gegen Süden aus- Samuel Morlot: gerichtete Wohnhaus – das «Corps de lo- Erster Herr im «Neuen Schloss» gis» – ergänzt er mit einer Gartenanlage: Die Familie Morlot gehörte zur dritten Am gegen den See abfallenden Hang legt Klasse der sog. «Vesten» Familien des er zwei Terrassen an. Ein Lustgarten im ba- Staates Bern. Samuel Morlot (27.1.1670 – rocken Stil entsteht. Als Bindeglied zwischen 19.3.1763) amtet ab 1701 als Grossrat, 1715- Wohnhaus und Gartenanlage dient die 20 ist er Landvogt zu Grandson, ab 1726 ist «Sala terrena»: der ebenerdige Gartensaal, er Mitglied des Kleinrates, 1731-34, 1751-56 der charakteristisch ist für den Schlossbau und 1763 ist er Venner zu Metzgern so- des 18. Jahrhunderts und der meist in der wie 1734-40 Welschseckelmeister. 1727-39 Hauptachse des Gebäudes liegt. Man darf wirkt er als Gesandter an bernisch-freibur- annehmen, dass der junge Schlossherr sei- gischen Tagsatzungen. 1700 erbaut er in nen Gartensaal von der nun ein wenig im Gerzensee das «Neue Schloss» und 1723 Abseits liegenden, alten Gartendépendance den Sommersitz Märchligen in Allmen- in den neu gebauten Teil verlegt, wo die dingen. Bewohner mit einigen Schritten zwischen Innen- und Aussenraum wechseln können. Damit verfügt Samuel Morlot über ein klei- nes Bijou, das ganz dem zeitgenössischen Geschmack verpflichtet ist. Denn auch im ländlich geprägten Staat Bern lässt sich der wohlhabende Adel vom alles überstrahlen- den, architektonischen Idol des Barock be- eindrucken – von Schloss Versailles. — 7 —
Plan über die Besitzungen von Rudolf Sinner mit Vignette der Schlossanlage (nach 1738) Von gnädigen Herren und begüterten Damen Die Schlossbesitzer 1700 - 1718 1700 Bau des zweigeschossigen Herrenhau- Samuel Morlot (1670 - 1763) ses, westlich angrenzend an die ehemalige Gartendépendance des «Alten Schlosses». 1718 - 1738 1718 Anbau des westlichen Innenflügels, so Bernhard von Graffenried (1684 - 1747) dass ein Hof entsteht. ab 1738 1738 Anbau des niedrigeren westlichen Johann Rudolf Sinner (1699 - 1744) Aussenflügels mit Arkaden im Erdgeschoss. Später folgt der Parallelbau auf der Ost- seite. Die «Cour d‘Entrée» und die «Cour d’Honneur» entstehen. Die Aussenflügel beherbergen Stallungen, Remisen und Scheunen. ab 1755 Der Sitz der Herrschaft Gerzensee geht 1755 Franz Emanuel Anton von Graffenried vom «Alten Schloss» ins «Neue Schloss» (1728 - 1778) über. bis 1813 Veräusserung der nach 1798 verbliebenen Franz von Graffenried (1765 - 1837) Rechte an den Staat Bern. — 8 —
Historischer Plan des Gerzensees Karl Emanuel von Erlach (1776 - 1862) Die Schlossscheune, die im 18. Jh. am Platz der heutigen Springbrunnen stand, brennt ab und wird auf der anderen Strassenseite wieder aufgebaut. Karl Franz Eugen von Erlach (1810 - 1866) 1863 wird das zweigeschossige Hauptge- bäude um ein Stockwerk erhöht und mit einem flachen Walmdach gedeckt. bis 1918 Verkauf des Anwesens wegen finanziellen Johann Rudolf Berthold von Erlach Problemen. (1856 - 1929) 1918 - 1934 Die Familie des Baumwollhändlers Hugo Hugo und Helène Adèle Lindemann-Merkle Lindemann bewohnt das «Neue Schloss». 1934 - 1938 Der Bankier Edmund von Ernst verwaltet Bank Misr, Kairo Anwesen und Ländereien. 1938 - 1951 1940 wird der aufgestockte Hauptbau mit Eugen und Yvonne Losinger-von Ernst einem steilen Vollwalmdach gedeckt; die Höhe des obersten Geschosses wird redu- ziert. Neubau des Bootshauses am Nordu- fer des Sees. Diverse Renovationsarbeiten, Erneuerungsbauten und Gartengestaltung. — 9 —
Bassin im Park Kunst in der Gartenanlage 1951 - 1980 Neubau der Wirtshäuser «Goldenes Kreuz» Vinzenz und Samra Losinger-Zschokke und «Bären» (mit J. Stuker) sowie des Gärt- nerhauses. Diverse Erneuerungsbauten, Umbauten und Renovationsarbeiten. Sa- nierung der Schlossscheune. Intensive Landschafts- und Gartengestaltung. Ein- richtung von öffentlichen Badeplätzen am See. Erweiterung des Baumbestandes an der Ostseite der Anlage zum Arboretum. 1980 - 1984 Kauf des gesamten Anwesens durch die Schweizerische Nationalbank Schweizerische Nationalbank. Fritz Leut- wiler, Präsident des Direktoriums der Na- tionalbank, regt die Gründung eines Aus- bildungs- und Forschungszentrums für Zentralbankfachleute an. Unter dem dama- ligen Stellvertretenden Vorsteher des III. De- partements und späteren Präsidenten des Direktoriums der Nationalbank Hans Meyer werden die Pläne umgesetzt. Seit 1984 Gründung der Stiftung. Bis 1986 Gesamtum- Studienzentrum Gerzensee, Stiftung der bau: Es entstehen Seminar- und Büroräume. Schweizerischen Nationalbank Erweiterung der Anlage durch einen Hotel- neubau. — 10 —
Blick vom Garten zum ehemaligen Wohnhaus «Cour d‘Entrée» und «Cour d’Honneur» Wer das schmiedeeiserne Tor zum neuen Aussenflügel auf der Westseite und später Schloss passiert, geniesst einen beeindru- auf der Ostseite dessen Pendant. «Cour ckenden Anblick. Eine kurze Allee wird d’Entrée» und «Cour d’Honneur» gehen auf von zwei aus Bassins schiessenden Spring- diese Zeit zurück. Im 18. Jh. gehört es zur brunnen flankiert. Sie führt in die beiden aristokratischen Lebensart, mit der Kutsche Höfe – die «Cour d’Entrée» und die «Cour zu reisen. Der Bau von Hofanlagen erlaubt d’Honneur» – und hin zum «Corps de logis», es den Reisenden, mit der Kutsche bis vor dem ehemaligen Wohngebäude. Die Anlage die Haustüre zu fahren. Und auch Pferde macht einen geschlossenen Eindruck – trotz und Gefährt sind bequem zu versorgen: In den zahlreichen An- und Umbauten der den beiden Aussenflügeln mit den markan- verschiedenen Schlossherren. ten Rundbogen waren damals Stallungen, Remisen und Scheunen untergebracht. Die Herren von Gerzensee Das «Neue Schloss» ist nach diesen Erwei- Bereits der zweite Schlossherr hinterlässt terungsbauten zu einer derart repräsentati- markante architektonische Spuren. Acht- ven Anlage gediehen, dass sich der nächste zehn Jahre nach dem Bau seines Sommer- Besitzer, Franz Emanuel Anton von Graffen- sitzes verkauft Samuel Morlot das Anwesen ried (1728 - 1778), entschliesst, seinen Herr- an Bernhard von Graffenried (1684 - 1747). schaftssitz vom «Alten Schloss» ins «Neue Dieser lässt 1718 den westlichen Innenflügel Schloss» zu verlegen. Damit verfügt Franz als Pendant zum ältesten Gebäudeteil, dem Emanuel Anton von Graffenried über aus- ehemaligen Belvedere des «Alten Schlos- gedehnte Güter und alle damit verbunde- ses», bauen. Dadurch entsteht ein erster Hof. nen Rechte. Zwanzig Jahre später, 1738, errichtet Johann Rudolf Sinner (1699 - 1744) den niedrigeren — 11 —
Vedute mit «Neuem Schloss» und Kirche (vor 1738) Entre cour et jardin Der nachfolgende Besitzer, Franz von Das «Neue Schloss» Gerzensee hat sich Graffenried (1765 - 1837), ist der letzte Herr- durch die Anbauten aus der ersten schaftsherr von Gerzensee. Nach dem Un- Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem tergang des «Alten Bern» 1798 verliert er Anwesen entwickelt, das dem damali- die Gerichtsrechte und verkauft die noch gen Ideal des Herrschaftshauses «entre verbleibenden Rechte an den Staat Bern. cour et jardin» entspricht: Es liegt an 1813 gibt er auch seine ausgedehnten Gü- einzigartiger, aussichtsreicher Lage, das ter samt See und Schlossdomäne aus der «Corps de logis» – das Wohnhaus – ist Hand. Herr Vaucher von Fleurier erwirbt das mit einem hohen Walmdach gedeckt Anwesen für seinen Schwiegersohn Karl und liegt im Zentrum der Anlage. Auf der Emanuel von Erlach (1776 - 1862) zum Preis Schauseite des «Corps de logis» öffnen von 153 000 alten Franken und 200 Louis sich die Gartenanlagen. Die Seitenflügel d‘or Trinkgeld: Eine gewaltige Summe! Ein rahmen die Höfe. Das Anwesen wird von grosses Bauernhaus mit Schöpfen wech- einer Hauptachse dominiert: Sie beginnt selte damals für 3 000 Franken den Besitzer; als Zugangsallee, führt durch die Mitte ein Stöckli samt Back- und Waschhaus galt des Wohnhauses und setzt sich auf der 2 000 Franken. gegenüberliegenden Seite in der Garten- anlage fort. Im «Neuen Schloss» reicht die Hauptachse gar bis an den See: In präziser Verlängerung der hofseitigen Zugangsallee erstrecken sich ausgehend vom Garten lange Baumreihen bis zum Ufer. — 12 —
Das Anwesen wird für 153 000 alte Franken und 200 Louis d‘or verkauft (Eintrag im Urbar von 1813) Schultheiss und Räte Der Untergang des «Alten Bern» - Der Schultheiss war der oberste städtische ein neues Zeitalter bricht an Richter. Ihm unterstanden der Grosse und Im Berner Bürgertum fanden die Ideen der der Kleine Rat. Die Zugehörigkeit zum französischen Revolution von 1789 viele Grossen Rat war für die adligen Familien Anhänger. Man wollte sich der Machtha- lebensnotwendig, denn sie ermöglichte ber aus den adligen Familien entledigen, den Zugang zu einträglichen Ämtern (z.B. um selbst am politischen Leben teilneh- Landvogteien). men zu können. Denn auch für wohl- Ab 1735 hatten die Berner Schultheissen habende Bürger waren politische Ämter einen Thron, ganz nach dem Vorbild des unerreichbar, da sie nicht über die erfor- französischen Königs. Im 17. Jh. entwi- derliche, patrizische Herkunft verfügten. ckelte sich endgültig ein städtisches, ge- Nach dem Sieg auf dem Schlachtfeld im schlossenes Patriziat, das regierende Ober- Grauholz und in Fraubrunnen 1798 zogen schicht war. Die wichtigen Entscheide Napoleons Truppen in Bern ein und be- wurden zunehmend im kleinen Rat gefällt, schlagnahmten den sagenhaften Schatz er entwickelte sich zur de-facto-Regierung. des reichen Staates. Die drei Bären aus Der Grosse Rat wurde zur blossen Akkla- dem Bärengraben führten sie in einem Tri- mationsversammlung degradiert. Der Rat umphzug durch die Stadt. Einer der Bären wählte sich selbst. Bern wurde im Ancien wurde zur Verspottung des letzten Schult- Régime zum Modell einer Aristokratie mit heissen von Bern, Niklaus Friedrich von oligarchischen Tendenzen. 1749 wurde Steiger, auf dessen Namen getauft und eine Verschwörung von nicht ratsfähigen trug das Siegelbeutel um den Hals. Bürgern (Henzi-Verschwörung) aufge- deckt und schwer bestraft. — 13 —
Aufgestocktes Wohnhaus unter flachem Walmdach Rötelzeichnung von Adolf Tièche Von der Herrschaft zum Besitz: Eugen Losinger korrigiert wird. Der nächste Familie von Erlach Spross der Familie von Erlach, der das «Neue In den kommenden nahezu hundert Jahren Schloss» sein eigen nennen darf, ist Johann ist das «Neue Schloss» im Besitz der Familie Rudolf Berthold von Erlach (1856 - 1929). Die- von Erlach (1813 - 1918). Karl Emanuel von ser geachtete Mann macht sich früh um die Erlach, Oberstleutnant bei der Berner Miliz, Stromversorgung in Gerzensee verdient. Die erweitert den Raum vor den beiden Höfen. finanziellen Probleme der Familie zwingen Die Schlossscheune, die im 18. Jh. am Platz ihn, seinen geliebten Besitz in Gerzensee zu der heutigen Springbrunnen stand, lässt er verkaufen. nach einem Brand auf der anderen Strassen- seite neu aufbauen. Sein Sohn, Karl Franz Zwischen Alexandria und Gerzensee: Eugen von Erlach (1810 - 1866), nimmt einen Familie Lindemann aus heutiger Sicht unglücklichen baulichen Im 20. Jh. prägen zwei verwandtschaftlich Eingriff vor, der die Ausgewogenheit der verbundene Familien die Geschicke des Anlage stark beeinträchtigt: 1863 lässt er das «Neuen Schlosses»: die Familien Lindemann Hauptgebäude um ein ganzes Stockwerk und Losinger. Der Deutsche Hugo Linde- erhöhen. Darüber lässt er ein flaches Walm- mann, ein gebildeter und weltgewandter dach errichten. Unter dem niedrigen Dach Kaufmann, gründet in Ägypten eine Baum- erscheint der aufgestockte Hauptbau gera- woll-Exportfirma und gelangt zu Reichtum. dezu klotzig; gegenüber den Seitenflügeln 1904 oder 1905 heiratet er Helène Adèle wirkt er zu mächtig – die ausgewogenen Merkle aus Basel, die Tochter eines Baum- Proportionen zwischen Herrenhaus und Sei- wollhändlers. Nach Anbruch des 1. Weltkrie- tenflügeln sind dahin. Ein architektonischer ges muss die Familie Ägypten verlassen und Fehlgriff, der erst hundert Jahre später unter zieht nach Deutschland. Bei Besuchen der — 14 —
Postkarte aus der Heimatschutz-Serie «Bernische Schlösser» Familie von Ernst in Bern – Helène Linde- Der schönste Tag im Leben manns Schwester ist mit dem Banquier Ed- von Polier Messerli mond von Ernst verheiratet – entdeckt Hugo «D’ Lindemänni» – so nannten die Leu- Lindemann das «Neue Schloss» in Gerzensee te aus dem Dorf die Schlossherrin – hielt und erwirbt es samt den zugehörigen Pacht- vier Pferde, die von Michael Höngg, ei- gütern, Wald und See von Johann Rudolf nem ehemaligen deutschen Kavalleris- Berthold von Erlach. 1919 zieht die Familie ten, gepflegt wurden. Sie liebte es, mit Lindemann nach Gerzensee und wohnt dem Vier- oder Zweispänner die Umge- vorerst das ganze Jahr dort. Die von Ernst- bung zu erkunden und unternahm regel- Kinder von Helène Lindemanns Schwester mässig Ausfahrten – stets in Begleitung verbringen viele Ferientage in Gerzensee. ihrer wild kläffenden Hundemeute. Eine Für die Lindemann-Nichte Yvonne Losinger- dieser Ausfahrten führte die Schlossherrin von Ernst, die Ehefrau des späteren Besitzers am Bauernhäuschen der Familie Messerli Eugen Losinger, gleichen diese Aufenthalte in Uetendorf vorbei. Die Hundemeute bei ihrer Tante Helène und ihrem Taufpaten stürzte sich sofort auf die Kaninchen und Hugo Lindemann einem «Paradies-Mär- biss viele tot. Frau Lindemann lud darauf- chen». Die im Dorf für viel Aufsehen sorgen- hin einen Buben der Familie Messerli – der de Schlossherrin Helène Lindemann lebt als später Polier in der Firma Losinger werden veritable «Grande Dame». Der offenkundige sollte – nach Gerzensee ein: Er durfte aus Reichtum der Lindemanns schien seine Wir- der Zucht des Gutsbetriebes Kaninchen kung nicht zu verfehlen: Wenn auf der Ge- auslesen und erhielt überdies eine Ent- meinde Gerzensee eine Rechnung eingetrof- schädigung von fünf Franken. Dies sei der fen sei, habe man sie erst einmal ins Schloss schönste Tag in seinem Leben gewesen, geschickt – so will es zumindest ein Bonmot. pflegte Polier Messerli zu erzählen. — 15 —
Eugen und Yvonne Losinger (Mitte) mit Edmond und Alice von Ernst Diesen guten Zeiten setzt der «Black Friday» Bauherren im Schloss: der US-Börse, der 25. Oktober 1929, ein jä- Die Familie Losinger hes Ende. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise Mit dem Kauf des «Neuen Schlosses» verliert Hugo Lindemann sein gesamtes durch den Bauingenieur Eugen Losinger Vermögen. Die Besitzungen in Gerzensee (1891 - 1951) 1938 kehrt reges Leben in das gehen als Schuldpfand an die ägyptische verwaiste Gebäude zurück. Er bindet das Bank Misr. Die Familie Lindemann verlässt Anwesen in seine Firma ein: Eigentümerin daraufhin die Schweiz und führt im badi- ist die Frelo AG (nach «Franz Eugen Losin- schen Nussbaum ein äusserst bescheidenes ger»), eine Tochtergesellschaft des Mutter- Leben. hauses Losinger AG. Mitten im 2. Weltkrieg Die Berner Bank von Ernst verwaltet die Gü- nimmt der neue Schlossherr grössere Um- ter im Auftrag der Bank Misr. Hier kreuzen gestaltungs- und Bauvorhaben an die Hand. sich die Schicksale der beiden verwandt- Den markantesten Eingriff nimmt er im schaftlich verbundenen Familien Linde- Sinne einer Rekonstruktion des ehemaligen mann und von Ernst erneut. Der Bankier Zustandes vor: Er versieht den 1863 aufge- Edmond von Ernst, dessen Frau Alice die stockten Hauptbau mit einem hohen Ber- Schwester von Helène Lindemann ist, über- ner Dach und reduziert im obersten Stock- nimmt als Prinzipal der Bank von Ernst die werk die Raumhöhe. Damit gelingt es dem Verwaltung der Liegenschaft, die nun fast Bauherren und seinem Architekten Rudolf zehn Jahre lang leer stehen wird. Sinner (1890 – 1960), die einstige Harmonie der Anlage zumindest teilweise wiederher- zustellen. — 16 —
Familien Losinger und von Ernst im Sommer 1937 Intérieur in den 1940-er Jahren Eugen Losinger (1891 - 1951) Eugen Losinger und seine Frau Yvonne 1910 - 1917 Bauingenieurstudium mit As- – die Tochter des einstigen Verwalters Ed- sistententätigkeit an der ETH Zürich. Mit mond von Ernst – lassen in den über zwan- seinem Bruder Oskar gründet er 1920 zig Jahren als Schlossbesitzer unzählige eine Baufirma. Nach dem frühen Tod des Arbeiten an Gebäuden und Umschwung Bruders 1924 führt er die Firma alleine ausführen. Dazu gehören etwa die Pflaste- weiter. Die Losinger AG wird zu einer der rung des Hofes mit Unterwalliser Masson- bedeutendsten Bauunternehmungen der gez-Steinen, die Erneuerung der Chinoise- Schweiz. Zu den wichtigsten Tätigkeits- rie-Tapete im Gartensaal, die Restaurierung bereichen zählen Verkehrs- (u.a. Lorraine- von Wandbekleidungen im 1. Stock, der brücke in Bern, Bahnlinie Požarevac- Einbau historischer Kachelöfen, die Reno- Kučevo in Serbien, Grindelwald-First-Bahn, vation aller Räume im Ostflügel, der Bau ei- Flughafen Kloten) und Kraftwerkbauten nes neuen Bootshauses, die Ufergestaltung (u.a. Staumauern bzw. -dämme Oberaar und schliesslich 1951 die Erneuerung der im Berner Oberland, Sambuco und Luzzo- Schlossscheune samt Modernisierung der ne im Tessin, Mauvoisin, Moiry und Gran- Ställe und Neubau des Wohnteiles. de Dixence im Wallis). In den sorgfältig renovierten Schlossräumen pflegt der Hausherr die vornehme Tugend der Gastfreundschaft – sie sei für ihn das A und O gewesen, hält seine Frau, Yvonne Losinger(-von Ernst), in ihren Erinnerungen fest. Eugen Losinger führt ein offenes Haus für alle Menschen in Not – insbesondere auch für die Verwandten aus Deutschland — 17 —
Der Maler Martin A. Christ an der Arbeit im Freien Die Schlossküche in den 1940-er Jahren von der Lindemann-Seite. So weilt etwa die Hausfrau zu sein war kein Schimpf- Tochter von Hugo und Helène Lindemann, wort! Marianne Lindemann, 1943/1944 in Gerzen- Erinnerungen von Yvonne Losinger-von see. Sie musste Deutschland nach ihrem an- Ernst ti-nazistischen Engagement fluchtartig ver- «Die folgenden Generationen können lassen. Zwei Tanten aus Indien sind zu Gast, nicht wissen, was es alles braucht, um aber auch viele Freunde, Mitarbeiter der Fir- eine Vielfalt von Angehörigen, Angestell- ma, Gäste von nah und fern, Musiker, Maler ten und Gästen zu ernähren: sterilisierte und Bildhauer. Ab 1939 gibt es militärische Gemüse und Früchte, Gedörrtes, auch Einquartierungen; Kriegsflüchtlinge aus Po- Pilze, (…) eingelegte Eier, Surchabis, Ein- len, Jugoslawien, England und Deutschland gekellertes, süsser Apfelmost in Bonbon- leben zeitweilig im Schloss und auch drei nen, Schweinefett, ausgelassene Butter…. Rotkreuzkinder finden für einige Wochen Das Brennen von eigenem Schnaps aus Ruhe und Erholung. Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen, Äpfeln Nach dem Tod seines Vaters übernimmt gehörte auch dazu. Und Heilkräuter! (…) Vinzenz Losinger das «Neue Schloss». In Den Frigidaire kannte und schätzte man. den nahezu dreissig Jahren, die er mit seiner Der Turmix war ein Wunderding. Wasch- Frau Samra und den neun Kindern in Ger- oder Abwaschmaschine? Unbekannt, das zensee lebt, kümmert er sich intensiv um Tiefkühlen erst recht. Und der Kaffee! Die Erneuerung und Erhalt des Anwesens. rohen Bohnen röstete man selber und mahlte die jeweils nötige Portion. Nesca- fé? Unvorstellbar. Hausfrau zu sein war kein Schimpfwort!» — 18 —
Intérieur in den 1970-er Jahren Vinzenz Losinger modernisiert die Anlage Vinzenz Losinger (*1935) und realisiert mehrere grosse Bauprojekte: Studium in Lausanne und an der ETH Gemeinsam mit Jürg Stuker, dem Besitzer Zürich, 1958 Bauingenieur. 1959 Eintritt in des «Alten Schlosses», baut er die Gasthöfe die Losinger AG, ab 1962 Vorsitzender der «Goldenes Kreuz» und «Bären». Das alte, in- Geschäftsleitung, 1970 - 1986 Delegierter zwischen zu kleine Gärtnerhaus wird abgeris- und 1970-1991 Präsident des Verwaltungs- sen und am neuen Standort auf der Ostseite rats. Unter Vinzenz Losingers Vorsitz entwi- der Anlage neu gebaut. Es entsteht eine Reit- ckelt sich die Firma zur grössten, weltweit halle. Die Stallungen verlegt er vom Ostflügel tätigen schweizerischen Baufirma dank in die Schlossscheune. Der nun freie Ostflü- Bauleistungen aller Art. 1965 Gründung gel wird renoviert und dient als Bürotrakt. Das einer Generalunternehmung, 1968 Bör- frühere Peristyl – eine seitlich offene, über- senkotierung. 1980 beschäftigt die Firma deckte Säulenhalle – das an der Westseite des 5400 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Haupthauses die Gartenterrasse begrenzt, Umsatz von 650 Mio. Franken. 1991 tritt baut er zu einem Schwimmbad aus. Vinzenz Losinger aus der Firma aus und 1980 verkauft Vinzenz Losinger das «Neue beteiligt sich an einer Beratungsfirma. Er Schloss» und zieht mit seiner Familie in die Ber- ist Mitbegründer der Gruppe der schweiz. ner Altstadt. Die Schweizerische Nationalbank Bauindustrie und der Schweiz. Bauwirt- erwirbt das gesamte Anwesen mit dem Ziel, schaftskonferenz, Mitglied der Schweiz. ein Ausbildungszentrum für Bankfachkräfte Handelskammer, Präsident des Handels- aus aller Welt aufzubauen, Veranstaltungen mit und Industrievereins des Kantons Bern wissenschaftlichem Anspruch aus dem Interes- und Mitglied des Wirtschaftsausschusses senbereich der Zentralbanken zu garantieren der FDP Schweiz. und ein Forum für Drittnutzung zu bieten. — 19 —
Das Organisationskommittee des Dorffestes 1953 Intérieur in den 1970-er Jahren (Neubau) Schlossherr im Bauerndorf dert. Nach den Kindheits- und Schuljahren In einer bäurisch-ländlichen Gemeinde in Gerzensee gehörte er zum Dorf. Ledig- wie Gerzensee, wo gesellschaftlichen lich sein aussergewöhnliches ‹Wohnhaus›, Hierarchien noch mehr Beachtung ge- später seine Ausbildung und das interna- schenkt wurde, war man als Schlossbe- tionale berufliche Engagement liessen ihn sitzer schon etwas «Besonderes», erinnert zu einem etwas besonderen Dorfbewoh- sich Vinzenz Losinger. Vor allem sein ner werden: Ein Weltenbürger mit Wurzeln Grossvater, Edmond von Ernst, habe noch im Bauerndorf. auf der aristokratischen Autorität beharrt. Sein Vater, Eugen Losinger, habe als Res- pektsperson gegolten, stammte aber im Gegensatz zum Grossvater von Ernst aus einem bürgerlichen Haushalt. Man habe zu den Zeiten seines Vaters zwar alle im Dorf gekannt, aber eine gewisse Distanz habe dennoch bestanden. Seine Mutter, Yvonne Losinger, habe am Dorfleben An- teil genommen: Ein grosser Teil des Dorf- festes zur Einweihung des neuen Schul- hauses fand im Schloss und im Schlosshof statt und Yvonne Losinger engagierte sich im Vorbereitungskomitee. Als Vinzenz Losinger selbst Herr im «Neuen Schloss» wurde, hatten sich die Zeiten geän- — 20 —
Liste der zum «Neuen Schloss» gehörenden Gebäude (Eintrag im Urbar von 1813) Seesicht Grundbesitz und Magistratur Das Patriziat schafft sich seinen eigenen und Alpenblick Lebensstil, der sich von der bürgerlichen Lebensweise unterscheidet. Man wohnt Die Besitzungen in prächtigen Villen in der Stadt und auf des «Neuen Schlosses» dem Land. Die Patrizier nehmen die fran- Nachdem Franz Emanuel Anton von Graf- zösische Sprache und Kultur an, pflegen fenried (1728 - 1778) den Herrschaftssitz 1755 höfische Umgangsformen – am Hof wird vom «Alten» ins «Neue Schloss» verlegt hat, man «höflich». In Bern wird der Handel als ergibt sich eine für schweizerische Verhält- eines Adligen unwürdig betrachtet und nisse beachtliche Ansammlung von Land, ist deshalb für alle Mitglieder des Rates Wald und Liegenschaften. Auch der ganze verboten. Der Stolz des Patriziats liegt im Gerzensee samt einem umlaufenden Ufer- Grundbesitz und in der Magistratur. So stück gehört zu den Besitzungen. bilden denn auch der Grundbesitz, der So verzeichnet das Urbar im Jahr 1813 eine Dienst in fremden Heeren und die Beklei- umfangreiche Liste «An Gebäuden», «An dung von Staatsämtern die Basis der gros- Brunnen» und «An Erdrich». Zu den «Ge- sen Vermögen. bäuden» gehören «Das Schloss mit seinen angefügten Flügeln», der «Hoof» mit dem «Portal», «zwei Brunnen» und «zwei Spring- brunnen», die «Terrasse mit dem Cabinet, der Springbrunnen» und die «Gärten». Zum Gut gehören weiter «Das Lehenhaus», «Das Küherhaus», «Das Back- und Waschhaus», — 21 —
Der eingesunkene Bootsunterstand Das neue Bootshaus «Das Backofenhaus», «Die Behausung», «Das das Herrenhaus. Im «Mühlestöckli» werden Ofenhaus» und schliesslich «Der Schiff- das Getreide aus dem Gutsbetrieb und die Scherm am See». Ernte der Bauern aus dem Dorf gemahlen. Als die Familie Lindemann 1918 das «Neue Die Versorgung mit elektrischem Strom Schloss» erwirbt, gehören vier Pachtgüter setzt dem wasserbetriebenen Müllereige- (Schlossgut, Seescheune, Turmgut und werbe ein Ende; der Mühlebach wird einge- Mühlegut), Wald und der See dazu. Die dolt. Berthold von Erlach, der sich früh um Bank Misr verkauft zwei der vier Pacht- die Versorgung mit elektrischem Strom be- güter: das Turmgut kommt in den Besitz müht, verlegt den Abfluss des Gerzensees der Basler Familie Senn. Das Mühlegut, zur Stromproduktion in eine Druckleitung wo einst eine Müllerei betrieben wurde, und baut im Gürbetal ein kleines Kraftwerk. geht an die Familie von Fischer. Eugen Das offene Gerinne, an dem in Mühledorf Losinger dehnt die Besitzungen wieder die Mühle stand, verschwindet. aus: Er kauft das «Alte Schloss» von der Fa- Die Einführung der Stallhaltung, die ge- milie von May, um das zugehörige Land zielte Viehzucht und der Einsatz von und den Wald zu erhalten. Das Gebäude Düngemitteln bringen im 19. Jh. markan- selbst gibt er bald wieder aus der Hand: te Ertragssteigerungen, so dass die land- Der Antiquar Jürg Stuker wird neuer Herr wirtschaftliche Nutzung willkommene im «Alten Schloss». Zusatzeinnahmen bringt. Der Stellenwert Wie die meisten Landsitze wurde auch das der Selbstversorgung wächst während «Neue Schloss» als Landgut mit Pachtgü- den Kriegsjahren: Eugen Losinger lässt tern, Landbesitz und Ökonomiegebäuden während des 2. Weltkriegs einen grossen angelegt. Der landwirtschaftliche Betrieb – Gemüsegarten anlegen und betreibt eine meist von einem Pächter geführt – versorgt kleine «Anbauschlacht» mittels eines neu — 22 —
Eugen Losinger war ein passionierter Fischer erstellten Gewächshauses, Treibbeeten, ei- stand zu verflüssigen. Die heftigen Erschüt- ner Orangerie und einer Humusanlage. terungen bei der Sprengung der Baum Vinzenz Losinger legt später die See- und strünke lassen das Ufer einbrechen: Der die Schlossscheune – zwei bislang eigen- den See umfassende Uferstreifen im Besitz ständige Landwirtschaftsbetriebe – zusam des Schlossherrn Eugen Losinger sinkt auf men und lässt sie von einem Verwalter einem langen Stück samt Bootsunterstand führen. Vinzenz Losinger verhilft Gerzensee ein. Die Familie de Meuron, die das «Freud- zu einer modernen Wasserversorgung: In- heim» besitzt, darf sich unverhofft über dem er die Wasserrechte auf dem Belpberg den neuen, direkten Seezugang freuen! Ein günstig an die Gemeinde verkauft, leistet er Zustand, den der Schlossherr nicht dulden einen entscheidenden Beitrag zur Entwick- kann. Doch man einigt sich gütlich: Eugen lung des Dorfes. Losinger verzichtet auf eine Klage wegen der Sprengung und die Familie de Meuron Sorgen rund um den See gibt dem Nachbarn den ‹neuen› Uferstrei- Ganz im Sinne der «Anbauschlacht» agiert fen zurück. Als Gegenleistung baut Eugen auch der Pächter des «Freudheims», als er Losinger einen neuen Bootsunterstand. im Winter 1944 zur Gewinnung von Land- Das Westufer des Sees wird später neu ge- wirtschaftsland in der Ebene am westlichen staltet – Vater und Sohn Losinger pflanzen Seeufer Bäume fällt und die Baumstrünke einen schönen Baumbestand an. wegsprengt. Die Aktion mündet in eine kleine Katastrophe. Die baumbestandene Ebene liegt auf einer Schicht Seekreide. Die- se Masse hat die Eigenart, im Ruhezustand fest zu sein, sich aber im Erschütterungszu- — 23 —
Bis in die 1970-er Jahre war der See ein «Schlöfli»-Paradies Fischers Fritz fischt frischen Hecht… Unter Schutz Als leidenschaftlicher Fischer pflegte Eu- Der See macht den Schlossbesitzern mehr- gen Losinger den Fischbestand. Da der See mals Sorgen. Nach der beträchtlichen Aufre- zum privaten Schlossbesitz gehört, störte gung, die der Ufereinbruch verursacht, tritt ihn die illegale Fischerei, die insbesondere ein übel riechendes Problem auf: Ende der während des 2. Weltkrieges einsetzte und 1940-er Jahre breitet sich zum ersten Mal die vornehmlich dem Hecht galt, der sich die Burgunderalge auf der Seeoberfläche im Gerzensee tummelte. Eugen Losinger aus. Wie damals üblich wird das Abwasser löste das Problem elegant: Der Dorfpoli- des ganzen Dorfes ungeklärt direkt in den zist von Gerzensee, ein Freund und ebenso See geleitet. Die Verschmutzung lässt die passionierter Fischer, erhielt die Fischerei- Alge blühen: Bald bedeckt sie den ganzen erlaubnis vom Schlossherrn. Damit war See und verwandelt das vormals herrlich fri- eine gewisse Ordnung sichergestellt, wie sche Gewässer in eine rotleuchtende, faulig sich Vinzenz Losinger erinnert. Der Hecht riechende Kloake. Diesem unerfreulichen diente während der Kriegsjahre als be- Zustand setzen Yvonne Losinger und die liebter Fleischersatz – auch im Schloss sei Gemeinde Gerzensee gemeinsam ein Ende: kaum Fleisch, aber regelmässig Hecht auf- Die Gemeinde erstellt unbürokratisch und getischt worden. schnell eine Abwasserleitung für das Dorf und rettet den See vor weiteren Verschmut- zungen. Die Abwasserleitung führt – heute undenkbar – in ein anderes Gewässer: in die Aare. Bald droht Unbill von ganz anderer Seite: In den 1960-er Jahren gefährdet ein Bau- — 24 —
Historische Aufnahme des Sees projekt für Liegenschaften in Seenähe das laufen. Bis in die 1970-er Jahre sei der See Paradies für Tier- und Pflanzenwelt am See- regelmässig zugefroren, erinnert sich Vin- ufer. Vinzenz Losinger ergreift die Initiative, zenz Losinger. Das «Schlöfliparadies» Ger- um den ganzen See und das Seeufer unter zensee lockte Besucher aus dem ganzen Naturschutz stellen zu lassen. Das Vorhaben Kanton Bern an; die Seegasse sei jeweils gelingt. Seit 1965 sind der See und der ge- völlig von wild parkierten Autos überstellt samte Uferbereich geschützt. gewesen. Bald einmal stellte sich die Frage nach der Sicherheit: die Gemeinden rund «Schlöfli-» und Badeparadies um den See platzierten gemeinsam Warn- Seen sind wunderbare Badegewässer – auch tafeln und Rettungsgeräte. wenn sie in Privatbesitz sein mögen. Vin- zenz Losinger mochte der Bevölkerung aus den Seeanstössergemeinden das Ver- gnügen eines sommerlichen Bades nicht verwehren: die Badeplätze in Kirchdorf und Mühledorf gehen auf seine Initiative zurück. Allerdings ist das Baden der Bevöl- kerung dieser Gemeinden vorbehalten – man fürchtet auch heute noch einen Besu- cheransturm, wie er in früheren Zeiten bei einer «Seegfrörni» (zugefrorene Seeober- fläche) herrschte. Die Besucher kamen in der Winterzeit natürlich nicht zum Baden, sondern zum «Schlöfle», zum Schlittschuh- — 25 —
Gartenanlage mit Terrasse Brunnenbecken auf dem 1. Parterre Der Schlossgarten: Gartenanlage bis zur Seeallee. Dieser klare Aufbau steht im Dienst einer Barocke Pracht sinnbildlichen, für die Barockzeit charakte- und romantisches ristischen Aussage, die in Schloss Versailles ihre Vollendung fand: Der Schlossherr ist Arboretum das Zentrum, dem sich alle unterzuordnen haben. Selbst die Natur spiegelt die Ord- Die Gartenanlage geht auf den Erbauer des nungsmacht des barocken Herrschers: Bis «Neuen Schlosses», Samuel Morlot, zurück. gegen Ende des 18. Jahrhunderts werden Am gegen den See abfallenden Südhang die oft anzutreffenden Eiben präzise zu – zu Füssen des neu errichteten Herrschafts- Kugeln oder spitz auslaufenden Säulen ge- hauses – lässt er zwei Terrassen anlegen. schnitten. Um 1800 wird diese strikte Form- Zweiläufige Freitreppen verbinden die gebung als altmodisch empfunden – die Parterres mit der grossen Terrasse vor dem starren Formen werden aufgebrochen. Die Herrschaftshaus. Nicht erhaltene Pavillons Anlagen entwickeln sich zu Landschafts- rahmen beidseitig die barocke Balustrade. gärten und werden in die freie Landschaft Die Anlage folgt dem zeitgenössischen hinaus erweitert. Der Blick auf die Alpen Geschmack und ist den strengen, formalen wird wichtig: 1729 zelebriert Albrecht von Kriterien des Barock verpflichtet: Im Mittel- Haller in seinem Gedicht «Die Alpen» einen punkt liegt das Schloss, um das sich alles gefühlsbetonten Zugang zur Natur. Natur gruppiert. Die Parterres, Bassins und Alleen wird nicht mehr beherrscht und bezwun- fügen sich einer streng entlang einer Achse gen. Sie wird vielmehr bestaunt – man gibt aufgebauten Symmetrie – diese weist von sich vor grandiosem Panorama der «rêverie» der Eingangsallee durch die Höfe hin zur hin. Hier hat das Peristyl eine wichtige Auf- — 26 —
Die Allee führt vom Garten direkt an den See Wahrzeichen von Gerzensee: Pappeln am Dorfrand gabe. Diese seitlich offene, überdeckte Säu- «Eine Landschaft lenhalle, die den westlichen Teil der Terrasse wie auf alten Bildern…» begrenzte, zeigt den fliessenden Übergang «Eine Landschaft wie auf alten Bildern» zwischen Innen- und Aussenraum an: die schwebt Vinzenz Losinger bei der Gestal- Menschen öffnen sich der Schönheit der Na- tung der Landschaft und des Gartens vor. tur und geben sich ihren Empfindungen hin. An der Seegasse lässt er viele verschiedene Eichenarten als Allee anpflanzen. An der Die Alpen Ostseite der Gartenanlage erweitert er den Die empfindsame Hirten-Begeisterung der Baumbestand zu einem Arboretum mit Salons und aufklärerisches Streben nach Baumarten aus aller Welt: Nutka-Scheinzy- Wissen finden in den Alpen ein gemeinsa- presse, Schnurbaum, Hängeform der Fichte, mes Objekt. Die Elite Europas unternimmt Blutbuche, Mammutbaum, Scheinzypres- Reisen in die Schweiz. Die Begeisterung se, Amerikanischer Amerbaum, Perücken- für die unverdorbene Welt der Alpen und strauch, Chinesischer Rotholz, Hiba-Lebens- Hirten prägt das Selbstbewusstsein der baum, Bluthasel, Parrotie, Silberpappel sind Eidgenossen. Albrecht von Haller, der be- zu einem romantischen, lichten Wald her- deutendste Gelehrte der Schweiz im 18. Jh., angewachsen. Er führt damit fort, was sein trifft die Alpen-Begeisterung in seinem Ge- Vater begann: Dieser liess die zum See hi- dicht «Die Alpen»: es stellt das naturnahe nunterführende Allee neu bepflanzen; das Leben der Alpenbewohner den verdorbe- nördliche Seeufer erfuhr eine Neugestal- nen Sitten der Städter gegenüber. tung mit Einbezug des alten Baumbestan- Die Alpen verstärken die Idee einer ge- des. Auf der zweiten Terrasse wurden neue meinsamen Geschichte, sie sind das Herz Fruchtspaliere gesetzt und der befreundete des Landes und das Symbol der Freiheit. Bildhauer Max Fueter schuf zu Beginn der — 27 —
Vernissage des Brunnenbeckens von Max Fueter Yvonne Losinger im Findlingsgarten 1950-er Jahre für die erste Terrasse ein neu- es Brunnenbecken. Frau Lindemanns Findlinge Helène Lindemann sammelte zu ihren Zeiten als Schlossherrin leidenschaftlich Findlinge. Sie platzierte die Steine sorgfäl- tig in einem grossen Teil des Gartens auf der Ostseite. Yvonne und Eugen Losinger teilten die steinerne Leidenschaft ihrer Vorgängerin nicht. Sie liessen sämtliche Findlinge entfernen – vier volle Camion- ladungen – und vermauerten sie in einem Anwesen am Murtensee. Der prächtige Baumbestand des «Neu- en Schlosses» ist zum weithin sichtbaren Wahrzeichen von Gerzensee herangewach- sen: Die fünfzehn markanten Pappeln beim Dorfeingang werden 1951 von Eugen Lo- singers Witwe, Yvonne Losinger-von Ernst, gepflanzt. — 28 —
Die Bibliothek wird auch für Empfänge genutzt Business Lunch in historischer Ambiance Neue Studien Denkmalpflege das Innere des «Neuen Schlosses» um – modernste Technik hält in in alten Mauern den alten Mauern Einzug. Georg Rich, der damalige Chefökonom der Nationalbank, Im Vorfeld ihres 75-jährigen Jubiläums ist verantwortlich für die Planung der inhalt- prüft die Schweizerische Nationalbank ver- lichen Ausrichtung des Studienzentrums. schiedene Möglichkeiten, dieses Ereignis Fritz Leutwiler regt die Gründung einer gebührend zu feiern: Die Platzierung eines Stiftung an: Mitte 1984 wird die juristisch Kunstwerks oder die Finanzierung eines selbständige Stiftung «Studienzentrum Ger- Lehrstuhls gehörten zu den ersten Ideen. zensee, Stiftung der Schweizerischen Natio- Schliesslich entscheiden sich die Verant- nalbank» ins Leben gerufen. Im Mai 1986 wortlichen für den Kauf des «Neuen Schlos- ist es dann soweit: Das Studienzentrum ses» Gerzensee mit dem Ziel, im geschichts- Gerzensee empfängt die ersten Vertreter trächtigen Anwesen ein Studienzentrum von 24 verschiedenen Zentralbanken aus für Bankfachleute einzurichten. Dabei gilt allen Teilen der Welt. Seither treffen sich im es, den ehemaligen Herrschaftssitz mit Studienzentrum Zentralbankmitarbeitende, sanften Umbauten und Renovationen den Bankfachleute, Forscher und Doktorieren- Anforderungen eines Ausbildungszentrums de zu Kursen und internationalen Konfe- anzupassen. Das Architekturbüro Hebei- renzen. Diverse Firmen und Verwaltungen sen und Vatter gewinnt den von der Natio- schätzen die ruhige und aussichtsreiche nalbank ausgeschriebenen Wettbewerb. Lage sowie die moderne Infrastruktur des Unter der Ägide von Hans Meyer gestaltet Studienzentrums und führen ihre Seminare das Architekturbüro unter Mitwirkung der und Tagungen im «Neuen Schloss» durch. Gemeindebehörden und der kantonalen Mit seinen bemerkenswerten Aktivitäten — 29 —
Unterricht im PC-Labor Konferenz in der Aula hat sich das Studienzentrum Gerzensee im «Beginners’ Program» hat Mitte der 1990-er In- und Ausland einen hervorragenden Ruf Jahre die volkswirtschaftliche Doktoranden- erworben. Vertreter aus rund 130 Ländern ausbildung in der Schweiz revolutioniert. Mit und allen Kontinenten haben Gerzensee- dem Programm zogen moderne Ausbildungs- Kurse bis heute besucht. «Gerzensee» ist in- inhalte und -formen ein. Seit 1995 haben 275 ternational ein Begriff. Zahlreiche Notenban- Doktoranden das «Beginners’ Program» er- ken delegieren jedes Jahr Kaderleute zu den folgreich durchlaufen und nochmals so viele Kursen in Gerzensee, denen sie ein hohes Ni- haben einzelne Blöcke davon abgeschlossen. veau attestieren. Mittlerweile nehmen auch Teilnehmer aus hochentwickelten Ländern Erhalt der Liegenschaften daran teil. Einen erheblichen Teil der personellen und Nach und nach wurde das Kursprogramm finanziellen Ressourcen der Stiftung bean- erweitert. Durch seine Ausbildungsangebo- sprucht die Erfüllung des dritten Stiftungs- te für Mitarbeitende von Finanzinstitutio- zwecks, der Erhaltung der Liegenschaften. nen konnte sich das Studienzentrum einen Nebst der Instandhaltung und Erneuerung Namen auch im Inland machen. der Infrastruktur werden laufend zahlreiche 1988 wurden die besonders beliebten Dok- Investitionen getätigt. Dazu zählen der Neu- torandenkurse eingeführt. Im «Beginners’ bzw. Umbau des Gutsbetriebs, die Renatu- Program» erhalten Doktoranden schweize- rierung des Seezuflusses, die Erweiterung rischer Universitäten das theoretische Rüst- der Cafeteria, die Sanierung des Tennisplat- zeug. Daneben werden auch Doktoranden- zes und des Mühleweihers, die Pflege der kurse für Fortgeschrittene durchgeführt. Den Gartenanlage und die Erneuerung des Reb- Unterricht bestreiten Professoren weltweit bergs, die Sanierung des Bootsstegs, des führender Universitäten. Insbesondere das Schlosshofes usw. — 30 —
Trompe-l’œil-Malereien (Details) Literatur Stettler, Michael: Lob des Landsitzes, in: Bernerlob, Versuche zur heimischen Über- Einwohnergemeinde Gerzensee und Denk- lieferung. Bern 1963 malpflege des Kantons Bern (Hrsg.): Bauin- ventar der Gemeinde Gerzensee, Bern 1992. Languetin, Pierre: Bemerkungen zur Eröff- nung des Studienzentrums Gerzensee. Ger- Engler, Claudia: Bibliothek Neues Schloss zensee, 6. Mai 1986. Gerzensee. Stadt- und Universitätsbiblio- thek Bern, Bern 2000. Braun, Hans: Morlot, [von], in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 8, Basel 2008, S. Schnell, Dieter: Berner Architektur im 18. 738-739. Jahrhundert, in: Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt. Bern 2008, S. Zürcher, Christoph: Losinger, Eugen, in: 302-311. Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 8, Ba- sel 2008, S. 47. Schweizer, Jürg: Schlösser, Landsitze, Cam- pagnen, in: Berns goldene Zeit. Das 18. Jahr- Zürcher, Christoph: Losinger, Vinzenz, in: hundert neu entdeckt. Bern 2008, S. 316-326. Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 8, Ba- sel 2008, S. 48. Vollwenweider, Franz: Gerzensee. Berner Heimatbücher III. Verlag Paul Haupt, Bern Diverse historische Dokumente aus dem Ar- 1972. chiv des Studienzentrums Gerzensee. Reber, C.M.: Gerzensee. Ein Stück alter und neuer Berner Geschichte. Wyss, Bern 1919. — 31 —
Eugen Losinger versah die Räume mit historischen Kachelöfen Bildnachweis Dank Burgerbibliothek Bern: Vinzenz Losinger für seine Auskünfte, die S. 7 rechts (Neg. M3); S. 14 (Neg. FN.G.C.362 Öffnung seines Privatarchivs und die inter- u. Gr.C 202). essierte und hilfreiche Begleitung der Arbeit an der Jubiläumsschrift sowie für die kriti- Fotoarchiv Studienzentrum Gerzensee: sche Durchsicht der Manuskriptentwürfe. Umschlagseite vorne; S. 2, 3, 4, 6, 10, 11, 26, 27, 29, 30, 31. Daniel Schmutz vom Historischen Museum Bern für seine Hinweise zur Kaufkraft alter Reproduktionen historischer Dokumente Währungen. und Bildträger aus dem Archiv des Studien- zentrums Gerzensee: Andrea Arnold von der Burgerbibliothek S. 7 links (Ausschnitt), S. 8, 9, 12, 13 (Aus- Bern für Ihre Unterstützung bei der Suche schnitt), 21 (Ausschnitt), Umschlagseite hin- nach Bildern und Dokumenten zum Neuen ten (Ausschnitt). Schloss Gerzensee. Privatarchiv Vinzenz Losinger: S. 16, 17, 18, 19, 20, 22, 23, 24, 25, 28. Sammlung Museum Münsingen: S. 15 (Inv.-Nr. 6574). — 32 —
Vom Herrschaftssitz zum Studienzentrum Wo einst gnädige Herren und wohlhabende Damen residierten, bilden sich heute Zentralbank- fachleute aus aller Welt weiter: Das «Neue Schloss» Gerzensee – der ehemalige Herrschafts- sitz des bäuerlichen Dorfes – ist heute der Sitz des Studienzentrums Gerzensee, einer Stiftung der Schweizerischen Nationalbank. Die Festschrift anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Eröffnung des Studienzentrums Gerzensee lässt die wechselvolle Geschichte des «Neuen Schlosses» und seiner Besitzer Revue passieren: Im altehrwürdigen Anwesen aus dem frühen 18. Jh. lebten Generationen des Berner Adels, wohlhabende Kaufleute und rührige Bauun- ternehmer. Detail aus dem Plan über die Besitzungen von Rudolf Sinner mit Schlossanlage (nach 1738)
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