2020 Januar - Programm - Ultraschall Berlin - Festival für neue Musik 15. bis 19. Januar 2020

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2020 Januar - Programm - Ultraschall Berlin - Festival für neue Musik 15. bis 19. Januar 2020
2020        Januar

Ultraschall Berlin –
Festival für neue Musik
15. bis 19. Januar 2020
Seite 3

                          Programm
2020 Januar - Programm - Ultraschall Berlin - Festival für neue Musik 15. bis 19. Januar 2020
2 Editorial

                                                                                                                                                 Inhalt
                                                                Liebe Hörerinnen
                                                                                                                                                    2 Editorial
                                                                und Hörer,
                                                                                                                                                    3 Aktuell
© Deutschlandradio/Bettina Straub

                                                                                                                                                      Künstliche Intelligenz
                                                                wir müssen uns bei Ihnen bedanken. Sie haben sich als
                                                                                                                                                      und gesellschaftliche Vielfalt
                                                                Denkfabrikthema 2020 für Eine Welt 2.0 – „Dekolonisiert                               Das Festival Ultraschall Berlin
                                                                euch!“ entschieden. Und fordern uns damit heraus:
                                                                                                                                                    4 Musik
                                                                unseren Blick zu weiten, Perspektiven stärker zu wechseln,
                                                                                                                                                      Die US-amerikanische Band
                                                                Denk­weisen zu überprüfen, Zusammenhänge noch besser                                  Southern Avenue
                                    herauszuarbeiten.                                                                                                ‚Mose‘ von Adolph Bernhard Marx
                                         Nachrichten prägen unsere Sicht auf andere Länder und Kulturen. Aber                                       7 Spezial
                                    was halten wir für berichtenswert? Häufig sind es Krisen wie Krieg, Hunger,                                       Between Ethics and Politics
                                    Dürre. Manchmal muss es sogar der besondere Aspekt sein, um das Interesse                                         50 Jahre nach Biafra und die Folgen
                                    eines Pub­likums mit westlich fixiertem Blick zu wecken: Googeln Sie mal ,Klima-                                  für die humanitäre Hilfe in Afrika
                                    wandel‘ und ,Simbabwe‘; die Umsiedlung von Elefanten wegen Dürre oder das                                       8 Literatur
                                    Austrocknen der Victoriafälle (Tourismus!) scheinen von größerem Interesse                                        Die venezolanische Literatur in Zeiten
                                    als die Folgen für die Menschen in Simbabwe.                                                                      des politischen Bankrotts
                                                                                                                                                     ‚Lesezeit‘ mit Christiane Neudecker
                                         Natürlich ist es wichtig, über Krisen zu berichten. Allerdings sollten wir
                                    auch noch mehr auf den Alltag, die Kultur, Wirtschaft und gesellschaftliche                                    10 Lange Nacht
                                    Debatten in jenen Ländern schauen, die wir vorrangig im Krisenmodus und als                                       Zeugen sterben, Dinge erinnern
                                                                                                                                                      Eine Lange Nacht über die
                                    wenig fortschrittlich wahrnehmen. #metoo ist auch in Nigeria ein Thema. Sicher-
                                                                                                                                                      Habseligkeiten von Auschwitz
                                    lich mit einem eigenen kulturellen Zugang, der sich vielleicht nur erschließt,
                                                                                                                                                   11 Deutschlandfunk Nova
                                    wenn wir ihn von Autorinnen und Autoren erzählen lassen, die davon betroffen
                                                                                                                                                      Podcastfestival 2020
                                    sind, und wenn wir die Fakten nicht ausschließlich nach unseren eigenen kultu-
                                    rellen Vorstellungen bewerten.                                                                                 12 Visitenkarte
                                                                                                                                                     ‚Offenes Studio‘ im ‚Studio 9 – der Tag
                                         Im Sinne der Vielfalt muss auch die journalistische Berichterstattung deko­
                                                                                                                                                      mit …‘ im Deutschlandfunk Kultur
                                    lonisiert werden. Wir können die Welt nur begreifen, wenn wir unterschiedliche
                                    Perspektiven zulassen und aushalten. Eine Welt 2.0 – „Dekolonisiert euch!“ ver­                                13 Radiomenschen
                                                                                                                                                      Thekla Jahn
                                    stehen wir daher als Aufforderung, stereotype Narrative weiter zu überwinden
                                                                                                                                                      Thorsten Mathieu
                                    und Hintergründe immer wieder neu zu beleuchten. Wir werden diskutieren,
                                                                                                                                                   14 Gastbeitrag
                                    streiten und uns verändern.
                                                                                                                                                      Prof. Dr. Bénédicte Savoy
                                         Sie haben uns bei der Wahl dieses Themas viele Kommentare und
                                    Hinweise mitgegeben, die wir gerne berücksichtigen. Der Austausch mit                                          15 Programmkalender Januar 20
                                    Ihnen ist uns wichtig und weitere Anregungen sind willkommen:
                                    denkfabrik@deutschland­radio.de. Bereits jetzt können Sie auf unserem
                                                                                                                                                   78 Hörspiel und Feature
                                    Portal stöbern: deutschlandradio.de/denkfabrik/eine-welt-2-0.                                                     Monatsübersichten
                                        Ihre                                                                                                       80 Hörspiel
                                        Marie Sagenschneider                                                                                          Tipps/Ursendungen
                                        Leitung Wort,                                                                                              83 Feature
                                        Deutschlandfunk Kultur                                                                                        Tipps/Ursendungen
                                                                                                                                                   86 Hintergrund
                                        Hörerservice                                            Service-Nummern                                       Kohlerevier Schlesien
                                                                                                                                                      Wie Alkoholsucht Familien zerstört
                                        Telefon                                                 Nachrichten                                           Podcast des Monats: ‚Über Podcast‘
                                        0221 345-1831                                           0221 345-29911
                                                                                                                                                      im Deutschlandfunk Kultur
                                        Fax                                                     Verkehrslage
                                        0221 345-1839                                           0221 345-29916                                     88 Feuilleton
                                        E-Mail                                                  Seewetterbericht                                      Anatol Regnier und seine Familie
                                        hoererservice@deutschlandradio.de                       0221 345-29918                                        Trainerinnen im Spitzensport
                                        Internet                                                Programme hören
                                        deutschlandradio.de/kontakt                             0221 345-63000                                     90 Kinder
                                                                                                                                                      Von Päckchen, Paketen und der Post
                                Impressum
                                Herausgeber Deutschlandradio, Körperschaft des             Covergestaltung Grafik-Desk                             91 Interview/Hörerforum/Nachrichten
                                öffentlichen Rechts, Raderberggürtel 40, 50968 Köln,       (Deutschlandradio Service GmbH)
                                Telefon 0221 345-0                                         Gestaltung Mohr Design
                                Verantwortlich Dr. Eva Sabine Kuntz (v.i.S.d.P.),          Druck pva, Druck- und Mediendienstleistungen GmbH,
                                Dr. Jörg Schumacher, Dr. Helmut Buchholz                   Industriestraße 15, 76829 Landau
                                Redaktion Bettina Mayr, Brigitte Vankann, Miriam           Vertrieb Deutschlandradio Service GmbH (DRS)
                                von Chamier (Deutschlandradio Service GmbH)                Raderberggürtel 40, 50968 Köln
                                Mitarbeit Petra Baron, Mario Loch                          Adressenänderungen
                                (Deutschland­radio Service GmbH), Ulrike Wallisch          adressverwaltung@deutschlandradio.de                                   Das JACK Quartet –
                                Programmbeirat Markus Frania, Dr. Jan-Christoph Kitzler,   Neu- und Abbestellungen deutschlandradio.de/kontakt                    Künstler beim Festival
                                Rolf K. Otten (Deutschlandradio Service GmbH),             Redaktionsschluss 21. November 2019,                                   Ultraschall Berlin
                                Susanne Pickert, Barbara Roth, Marie Sagenschneider        Programmänderungen vorbehalten                                         © Beowulf Sheehan
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                                                                                                                                           Minguet Quartett © Frank Rossbach
Künstliche Intelligenz und
gesellschaftliche Vielfalt

Das Festival
Ultraschall Berlin
                 1973 entwickelte der polni­       dem Ultraschall seit vielen Jahren zusammen-
sche Schriftsteller Stanisław Lem die Idee         arbeitet – ist geprägt von unterschiedlichen     Konzerte im Deutschlandfunk Kultur
eines Super-Computers namens GOLEM XIV,            Perspektiven und Tendenzen, die nicht har-
                                                                                                    Mittwoch, 15. Januar, 20.03 Uhr
der die Menschheit in zwei Vorträgen mit den       monisch zum Ausgleich gebracht werden,
                                                                                                    Konzert
Herausforderungen eines Lebens im Zeitalter        sondern in ihrer Vielfalt und Unterschiedlich-
                                                                                                    DSO Berlin, Marc Albrecht
der Künstlichen Intelligenz (KI) konfrontiert.     keit miteinander in Kommunikation treten. Ein
Er hinterfragt dabei radikal die Kriterien, die    Porträtkonzert mit dem Black Page Orchestra      Donnerstag, 16. Januar, 20.03 Uhr
der Mensch aufstellte, um sich selbst als          aus Wien macht diese Vielfalt hörbar.            Konzert
Krone der Schöpfung zu begreifen.                      Streng komponiert ist hingegen ein Por-      JACK Quartet
    Mit dem elektronischen Musiktheater            trätkonzert mit sämtlichen Streichquartetten     Freitag, 17. Januar, 20.03 Uhr
‚Also sprach Golem‘ greifen der Komponist          von Clara Iannotta. Das amerikanische JACK       Konzert
Kaj Duncan David und der Regisseur Thomas          Quartet interpretiert die Werkreihe im Kon-      oenm – österreiches ensemble
Fiedler in die aktuelle Debatte um KI ein und      zert – und nimmt sie einige Tage vorher auch     für neue musik
suchen eine musikalisch-künstlerische Ant-         gleich auf CD auf, in einer Koproduktion von     Samstag, 18. Januar, 19.05 Uhr
wort. Welche Hoffnungen und Ängste wer-            Deutschlandfunk Kultur mit dem Deutschen         Konzert
den durch die Entwicklung von intelligenten        Musikrat.                                        ,Also sprach Golem‘
Computersystemen heute ausgelöst, wie                  Zum ersten Mal ist Ultraschall Berlin mit    Black Page Orchestra
verändert sich das Selbstbild des Menschen         einem Orchesterkonzert in der Akademie der
                                                                                                    Sonntag, 19. Januar, 20.03 Uhr
und welche Handlungsoptionen bleiben für           Künste zu Gast. Eine der Ausstellungshallen
                                                                                                    Konzert
die Zukunft?                                       am Hanseatenweg wird für das Rundfunk-           DSO Berlin, Johannes Kalitzke
    Die Uraufführung von ‚Also sprach Go-          Sinfonieorchester Berlin zum Konzertsaal.
lem‘ ist einer der Höhepunkte von Ultraschall      Zu hören ist unter anderem die Uraufführung      Dienstag, 21. Januar, 20.03 Uhr
Berlin – Festival für neue Musik, das Deutsch-     eines Werks von Gordon Kampe. ‚Masque‘ für       Konzert
                                                                                                    RSB, Brad Lubman
landfunk Kultur und rbbKultur seit 1999 ge-        Ensemble und Orchester, ein Auftragswerk
meinsam veranstalten.                              von Deutschlandfunk Kultur, entfaltet ein        Montag, 27. Januar, 1.05 Uhr
    Gesellschaftliche Fragen spielen auch          Kaleidoskop ganz unterschiedlicher musika-       Tonart
bei Mirela Ivičević eine Rolle. „Vielleicht weil   lischer Beziehungen zwischen den Musike-         Trio Accanto
ich in einer multiethnischen Familie in einem      rinnen und Musikern des Ensemble LUX:NM          Minguet Quartett
multiethnischen Staat aufgewachsen bin,            und dem Orchester – anspielungsreich, hin-       Nina Janßen-Deinzer
vielleicht auch nicht. Jedenfalls interessiert     tersinnig, aufgeladen gleichermaßen mit Witz     Christoph Grund
es mich immer mehr nach dem zu suchen,             und Melancholie.
                                                                                                    Detaillierte Informationen über alle
was unterschiedliche Klänge (oder Men-                 Alle Konzerte des Festivals werden im
                                                                                                    Konzerte und Sendungen zum Festival
schen) miteinander verbindet, bzw. nach            Deutschlandfunk Kultur bundesweit übertra-
                                                                                                    finden Sie auf
dem, was scheinbar ähnliche Strukturen             gen. Erstmals sind wir in diesem Jahr an allen
voneinander unterscheidet.“ Die Musik der          fünf Abenden live dabei. Diese und weitere       ultraschallberlin.de
im kroatischen Split geborenen und in Wien         Aufnahmen sind im ‚Konzert‘ sowie in einer       deutschlandfunkkultur.de
lebenden Komponistin – zurzeit Gast des            langen Ultraschall-Nacht der ‚Tonart‘ zu hö-
Berliner Künstlerprogramms des DAAD, mit           ren.
                                                      Rainer Pöllmann,
                                                      Künstlerischer Leiter Ultraschall Berlin
4 Musik

                                                               © Cris Civitillo
                                                                                                               Unter den Schwingen
                                                                                                               des Todesengels
                                                                                                               Josef Suk

                                                                                                               Für eines seiner ersten Konzerte als Chef-
                                                                                                               dirigent der Berliner Philharmoniker hat
                                                                                                               sich Kirill Petrenko einen ungewöhnlichen
                                                                                                               Programmpunkt vorgenommen: Mit der
                                                                                                               ‚As­rael‘-Sinfonie von Josef Suk präsentiert
                                                                                                               er eines der großen Orchesterwerke des frü-
                                                                                                               hen 20. Jahrhunderts. Dieses eindringliche
                                                                            Ein Porträt der Nürnberger         ins­trumentale Requiem des tschechischen
                                                                            Klarinettis­tin und Komponistin
                                                                                                               Komponisten wird weder oft gespielt noch
                                                                            Rebecca Trescher
                                                                            Deutschlandfunk
                                                                                                               in einem Atemzug etwa mit den Sinfonien
                                                                            Donnerstag, 2. Januar, 21.05 Uhr   Gustav Mahlers genannt – ein Vergleich,
                                                                                                               dem die Musik von Josef Suk standhalten
                                                                                                               dürfte. Deutschlandfunk Kultur überträgt
Kammerjazz, groß gedacht                                                                                       dieses Konzert am 10. Januar live. Petrenko
Ein Porträt der Nürnberger                         Wunderwerk barocker Bühnentechnik                           setzt sich übrigens schon seit Langem für
Klarinettis­tin und Komponistin                    Die historische Maschinerie                                 Suk ein und gibt damit dem Musikleben
Rebecca Trescher                                   im Ludwigsburger Schlosstheater                             auch jetzt einen Impuls, der in einem Berli-
                                                                                                               ner Kammermusikmarathon weitergetragen
Musik mit breiter Klangpalette, aber ohne          1985 musste die hintere Bühnenanlage des                    wird, den wir am 29. Januar/5. Februar sen-
allen Bombast: Mit ihren großen Ensembles          Theaters im Residenzschloss Ludwigsburg                     den. Auch das Rundfunk-Sinfonieorchester
gelingt es Rebecca Trescher, fast schon sin-       einschneidende Eingriffe erleben, sie galt                  Berlin widmet sich dem Schaffen Suks und
fonische Texturen zu kreieren und gleichzei-       als nicht mehr zeitgemäß und entbehrlich                    erweckt die Tondichtung ‚Ein Sommermär-
tig die Intimität und Flexibilität einer kleinen   für moderne Inszenierungen. Allerdings zählt                chen‘ zum Leben – zu hören am 26. Januar
Jazzcombo zu bewahren. Bereits während             sie in Bezug auf die Bühnentechnik, neben                   im ‚Konzert‘.
ihres Studiums an der Hochschule für Musik         der des schwedischen Schlosses Drottning-                      Deutschlandfunk Kultur
in Nürnberg stellte Rebecca Trescher ihr           holm und des Ekhof-Theaters im Gothaer                         10./26./29. Januar
Ensemble 11 zusammen. Der Großformation            Schloss, zu den ältesten erhaltenen Exem-                      und 5. Februar, 20.03 Uhr
gehörten sowohl Musiker mit klassischem            plaren. Und so führten die Veränderungen in                    Konzert
Hintergrund als auch solche mit klarer Jazz-       der Fachwelt zu einem Sturm der Entrüstung.
                                                                                                                  weiterer Sendehinweis:
ausrichtung an. Zwischen diesen beiden Po-         Kurz darauf begann eine eingehende minu­
                                                                                                                  Deutschlandfunk Kultur
len bewegen sich auch Treschers Komposi­           tiöse Rekonstruktion, die über zehn Jahre
                                                                                                                  Sonntag, 12. Januar, 15.05 Uhr
tionen. Ergänzt werden sie durch Elemente          dauern sollte. Die ‚Musikszene‘ fragt nach,
                                                                                                                  Interpretationen
aus Rock und Pop: Detailliert ausgearbeitete       was mit der rekonstruierten alten Bühnen­                      Ein Werk übermenschlicher Kraft
Strukturen und ein hohes Maß an Sensibi­-          maschinerie im heutigen Theaterbetrieb                         Die ‚Asrael‘-Sinfonie von Josef Suk
lität für Melodie und Tongebung treffen in         noch möglich ist, wie sie sich im Festspielall-
Treschers Musik auf Groove und spannende           tag bewährt und wie hier historische Technik

                                                                                                                                                              © Landesmedienzentrum
Improvisationen. Im Rahmen einer eigenen           und Denkmalschutz zusammengehen.
                                                                                                                  Die historische Maschinerie

                                                                                                                                                              Baden-Württemberg
Konzertreihe in Nürnberg hatte Rebecca                Deutschlandfunk                                             im Ludwigsburger Schlosstheater
Trescher über einen Zeitraum von mehreren             Dienstag, 7. Januar, 22.05 Uhr                              Deutschlandfunk
Monaten Gelegenheit, die vielen Nuancen               Musikszene                                                  Dienstag, 7. Januar, 22.05 Uhr
dieser Besetzung auszuloten und auch inter-
disziplinär zu arbeiten. So entstanden eine
Stummfilmmusikproduktion und Koopera­-
tio­nen mit Künstlerinnen aus Tanz, Malerei,
Literatur und Videoperformance. Treschers
Erfahrungen dieser Zeit sind nun in die Arbeit
mit ihrem aktuellen Large Ensemble einge-
flossen.
   Deutschlandfunk
   Donnerstag, 2. Januar, 21.05 Uhr
   JazzFacts
Die US-amerikanische Band Southern Avenue
Deutschlandfunk                                                                                                                                      Musik 5
Freitag, 10. Januar, 21.05 Uhr

                                                                                                                  On Stage
                                                                                                                        Deutschlandfunk
                                                                                                                        freitags jeweils 21.05 Uhr

                                                                                                                  3. 1. Erwacht aus der Trauer
                                                                                                                 		 Die Indie-Rockband Madrugada
                                                                                                                 		 Aufnahme vom 25. September 2019
                                                                                                                 		 im FZW, Dortmund

                                                                                                                 10. 1. Routiniertes Debüt
                                                                                                                 		 Die US-amerikanische Band
                                                                                                                 		 Southern Avenue
                                                                                                                 		 Aufnahme vom 8. Juni 2019
                                                                                                                 		 beim Bluesfestival Schöppingen

                                                                                                                 17. 1. Alternativer Country mit Weltschmerz
                                                                                                                 		 Die kanadische Band Cowboy Junkies
                                                                                                                 		 Aufnahme vom 7. Juli 2019

                                                                                             © David McClister
                                                                                                                 		 beim Rudolstadt-Festival

                                                                                                                 24. 1. Magische Momente
                                                                                                                 		 Stu Larsen, Gitarre, Gesang
                                                                                                                 		 Natsuki Kurai, Mundharmonika
                                                                                                                 		 Aufnahme vom 30. Oktober 2018
Routiniertes Debüt                                                                                               		 in der Brotfabrik, Frankfurt
Die US-amerikanische                            Zum 85. Geburtstag des Komponisten
                                                                                                                 31. 1. History
Band Southern Avenue                            Georg Katzers Lied-Zyklen                                        		 Comeback nach 20 Jahren:
                                                                                                                 		 Luther Allison & Band
Es war Unsicherheit zu spüren, die fünf jun-    1984 sang Roswitha Trexler, Spezialistin für                     		 Aufnahme vom 4. Oktober 1994
gen Musikerinnen und Musiker waren schließ-     zeitgenössisches Vokalschaffen aus Ostber-                       		 bei den 15. Leverkusener Jazztagen
lich noch nie in Deutschland aufgetreten:       lin, in Paris Georg Katzers Heine-Lieder. 2019
Wie würde das Publikum auf den Sound aus        haben Elisabeth Dopheide, Maria Yulin und
Memphis reagieren? Gibt es Unterschiede in      Nigel Thean, allesamt Studierende an der
der Rezeption? Sie kamen mit dem Flugzeug       Musikhochschule Hannover, Katzers ‚7 Lieder
aus ihrer Heimat beinahe umweglos auf die       für Stimme, Klavier und Violoncello‘ posthum                     Oratorium oder Musikdrama?
Bühne des Schöppinger Festivals. Anfangs        uraufgeführt und im Deutschlandfunk Kam-                         ‚Mose‘ von Adolph Bernhard Marx
half ihnen die Routine des Soundchecks ge-      mermusiksaal produziert. In den Jahrzehn-
gen die Nervosität, dann zählte die Tromm­      t­en dazwischen entfaltet sich nun allerdings                    Nicht für den Gottesdienst, sondern für den
lerin an und die Show rollte los – sie sind     kein überbordendes Liedschaffen – Katzer                         Konzertsaal hat Adolph Bernhard Marx sein
schließlich keine Anfänger: 2013 traf der aus   war ja kein zweiter Schubert. Aber seine we-                     groß besetztes dreiteiliges Oratorium ‚Mose‘
Israel stammende Gitarrist Ori Naftaly in       nigen Liedzyklen haben es in sich: Immer                         für Soli, Chor und Orchester komponiert,
Memphis die Sängerin Tierinii Jackson und       geht es um Existenzielles darin, gespiegelt                      auf ein selbst verfasstes Libretto, nachdem
ihre Schwester Tikyra. Zusammen mit einem       an der Figur und der Erfahrung des gegen-                        ihm der Textvorschlag seines Freundes Felix
Bassisten und einem Hammondorgel-Spieler        wärtigen Künstlers. Immer reicht die emo­                        Mendelssohn Bartholdy nicht zusagte. 1841
bildete er 2015 die Band Southern Avenue,       tionale Spannweite vom Heiter-Satirischen                        wurde ‚Mose‘ in Breslau uraufgeführt. Die
die mit ihrem groovenden Sound zwischen         bis zum bittersten Ernst. Im Zentrum der                         Kritiken waren zum Teil vernichtend. So ließ
Gospel, R’n’ B und Blues beim Label Stax in     Miniaturen steht stets das hellsichtige Wort.                    Robert Schumann in seiner ‚Neuen Zeit-
Memphis bestens aufgehoben ist. Und zum         Anders als manche seiner Kollegen macht                          schrift für Musik‘ kein gutes Haar an Marx:
Blues und verwandter Musik – auch aus           Katzer es beim Komponieren nicht etwa un-                        „Es hat uns lange nichts so abgestoßen als
Memphis – hat man in Schöppingen beste          kenntlich, vielmehr verleiht er ihm theatrale                    diese Musik. (…) Zum Componisten fehlt ihm
Verbindungen.                                   Dimension. Autor Ingo Dorfmüller bringt                          unserer Meinung nach fast alles.“ Nicht im-
   Deutschlandfunk                              dieses Liedschaffen in Erinnerung und stellt                     mer lag Schumann mit seinen durchaus
   Freitag, 10. Januar, 21.05 Uhr               Frühes und Letztes gegenüber.                                    ätzenden Kritiken richtig. Der Leipziger Ge-
   On Stage                                        Deutschlandfunk                                               wandhausChor und die camerata lipsiensis
                                                   Samstag, 11. Januar, 22.05 Uhr                                unter der Leitung von Gregor Meyer wollen
                                                   Atelier neuer Musik                                           Marx und seinem ‚Mose‘ einen Platz im
                                                                                                                 Repertoire schaffen.
                                                   weiterer Sendehinweis:
                                                                                                                    Deutschlandfunk Kultur
                                                   Deutschlandfunk
                                                                                                                    Samstag, 25. Januar, 19.05 Uhr
                                                   Montag, 13. Januar, 21.05 Uhr
                                                                                                                    Oper
                                                   Musik-Panorama
Der Geiger Helmut Zacharias
6 Musik                                                                                         Deutschlandfunk
                                                                                                Donnerstag, 30. Januar, 22.05 Uhr

4. Raderbergkonzert 2019/2020                   The Beggar’s Opera
Charles Valentin Alkan/                         John Christopher Pepusch
Schaghajegh Nosrati, Klavier                    schreibt die erste Anti-Oper

                                                                                                                                              © ullstein bild
Beim Namen Charles Valentin Alkan zucken        London, 29. Januar 1728: Die erste Anti-Oper
auch gut geschulte Hände gern zurück: so        der europäischen Bühnengeschichte erlebt
viele Noten! Zehn Finger scheinen da manch-     ihre Uraufführung. Nach der im Prolog auf-
mal nicht genug zu sein. Alkan galt schon in    tretenden Figur nennt sie der Autor John Gay      Historische
jungen Jahren als einer der besten Pianisten    (1685 – 1732) ‚Bettleroper‘. 69 Textnummern,      Aufnahmen
seiner Zeit und wurde wie Franz Liszt und       teils unterlegt mit Melodien aus dem volks-
                                                                                                       Deutschlandfunk
Frédéric Chopin, mit denen er befreundet        tümlichen Liedgut, teils bearbeitet von zeit-
                                                                                                       donnerstags jeweils 22.05 Uhr
war, zu einem Liebling der Salons. Mit zuneh-   genössischen Komponisten wie Georg
mendem Alter jedoch wandte er sich von          Friedrich Händel. Ein Werk ganz aus dem          2. 1. Kraft aus der Stille
dieser Sphäre ab und führte eine beinahe        Geist des Montageprinzips. Komponist John       		 Die Pianistin Clara Haskil (1895 – 1960)
einsiedlerische Existenz. Schon zu Lebzeiten    Christopher Pepusch (1667 – 1752) steuert
                                                                                                 9. 1. Sternstunden
ein Außenseiter, blieb ihm auch der Nach­       nur eine einzige Nummer und die Ouvertüre
                                                                                                       AARO N C O PL AN D
ruhm verwehrt. Dass er nicht gänzlich in Ver-   bei. Und der Stoff? Eine Sensation. Die Gano-
                                                                                                		 Sinfonie Nr. 3
gessenheit geriet, ist das Verdienst einiger    venwelt Englands auf der Bühne in Gestalt
                                                                                                		 London Symphony Orchestra
we­niger Ausnahmepianisten vom Range            der Familie Peachum und des Räubers und         		 Leitung: Aaron Copland
eines Ferruccio Busoni und, in jüngerer Ver­    Schürzenjägers Macheath. Das Ganze bei          		 Aufnahme von 1959
gan­gen­heit, Marc-André Hamelin. Schagha-      höchster Textverständlichkeit. Über ein
jegh Nosrati entdeckt Alkan auf ihre Weise      volles Jahrhundert erlebt ‚The Beggar’s Ope-    16. 1. Gewandt in allen Spielarten
                                                                                                		 Der Cellist Wolfgang Boettcher (*1935)
neu. Mit entwaffnender Selbstverständlich-      ra‘ die meisten Aufführungen eines Bühnen-
keit und ihrem an der Klavierkunst Johann       stücks überhaupt. Ihre bekanntesten Fans,       23. 1. Wie ein Naturereignis
Sebastian Bachs geschulten Blick legt sie       Bertolt Brecht und Kurt Weill, werden die       		 Die Cellistin Jacqueline du Pré
die verborgenen Schönheiten im Werk des         bekannteste Adaption dazu liefern, die ‚Drei­   		 (1945 – 1987)
vermeintlichen Tastenungeheuers frei.           groschenoper‘.                                  30. 1. Mein Herz ist eine Violine
   Deutschlandfunk                                 Deutschlandfunk Kultur                       		 Der Geiger Helmut Zacharias
   Sonntag, 26. Januar, 21.05 Uhr                  Mittwoch, 29. Januar, 21.30 Uhr              		 (1920 – 2002)
   Konzertdokument der Woche                       Alte Musik

Six Continents Nº2:                              Klassik-Pop-et cetera                          Mein Herz ist eine Violine
Manu Delago                                      Die Gastmoderatoren                            Der Geiger Helmut Zacharias
und die Jenaer Philharmonie                                                                     (1920 – 2002)
                                                       Deutschlandfunk
Manu Delago gehört weltweit zu den profi-              samstags jeweils 10.05 Uhr               Wenn Helmut Zacharias seine Violine spiel-
liertesten Virtuosen des Hang. Ein Instru-                                                      te, dann lag immer ein Lächeln auf seinen
ment, das im Jahre 2000 in der Schweiz er-        4. 1. Der Jazz-Schlagzeuger Lucas Niggli      Lippen: Mit viel Vibrato und klanglichem
funden wurde und inzwischen in verschie-                                                        Schmelz begeisterte er ab den sogenann-
                                                 11. 1. Die Sopranistin Christina Landshamer
denen Varianten hergestellt wird. Es besteht                                                    ten Wirtschaftswunderjahren ein Millionen-
grundsätzlich aus zwei miteinander verkleb­       18. 1. Der Liedermacher Konstantin Wecker     Publikum, nicht nur in der jungen Bundes­
ten stählernen Halbkugeln, auf deren oberer                                                     republik, sondern auch in Europa und den
Halbschale Klangfelder eingearbeitet sind.       25. 1. Der Schauspieler Götz Schubert          USA. Es waren allerdings nicht die berühm­
So produziert das Hang mit schwingen­den                                                        ten klassischen Konzerte, die ihn so populär
Tönen nahezu sphärische Klänge, diverse                                                         machten, wenn er sie auch beherrschte. Es
Rhythmen und kann sehr dynamisch gespielt                                                       waren eher die unkonventionelle swingende
werden. Mit seinem Bandprojekt Manu Dela-                                                       und jazzige Art seines Violinspiels und die
go Handmade, solistisch und in Zusammen-                                                        eigenen und arrangierten Stücke und Schla-
arbeit mit anderen Künstlern wie Anoushka                                                       ger, die das Publikum liebte. Schon früh be­
Shankar, Björk, Bugge Wesseltoft oder Georg                                                     gab er sich in die Aufnahmestudios und hatte
Breinschmid, vermag der 1984 in Innsbruck                                                       zusammen mit seiner Band in den 60er- und
geborene Musiker und Komponist Manu De-                                                         70er-Jahren zahlreiche Fernsehauftrit­te. Vor
lago dem Hang immer wieder neue Klang-                                                          100 Jahren wurde der Geiger in Berlin gebo-
gebilde zu entlocken, die im Zusammenklang                                                      ren.
mit einem sinfonisch besetzten Orchester                                                           Deutschlandfunk
wie der Jenaer Philharmonie an Faszination                                                         Donnerstag, 30. Januar, 22.05 Uhr
kaum noch zu überbieten sind.                                                                      Historische Aufnahmen
   Deutschlandfunk Kultur
   Montag, 27. Januar, 20.03 Uhr
   In Concert
Spezial 7

                  Between
                  Ethics and
                  Politics

                                                                                                                                                                               © ullstein bild/Mirrorpix
                                50 Jahre nach Biafra und die Folgen
                                für die humanitäre Hilfe in Afrika

                                                Ausgemergelte Gestalten,         kirchlicher Hilfsorganisationen wie Diakonie           50 Jahre nach dem Ende des Biafra-Krie­-
                                Massengräber voller verhungerter Kinder.         und Caritas aus. Flugzeuge wurden organi-          ges – Im Rahmen einer Schwerpunktwoche
                                Vor 50 Jahren flimmerten täglich solche          siert, Schiffe gechartert. In europäischen         zwischen dem 13. und 19. Januar berichtet
                                Bilder aus der nigerianischen Provinz Biafra     Städten kam es zu Benefizveranstaltungen           Deutschlandfunk Kultur ausführlich über
                                über die ersten Farbfernseher. Sie gehörten      und Protestmärschen, es entstanden neue            die Hintergründe und Folgen für die Entwick-
                                zum Schlimmsten, was die Welt seit der Herr-     Menschenrechtsbewegungen und in der Fol-           lungszusammenarbeit. Unter anderem in
                                schaft der Nazis zu sehen bekam. Durch eine      ge Hilfsorganisationen wie ‚Ärzte ohne Gren-       folgenden Sendungen:
                                komplette Blockade der Region Biafra zwi-        zen‘. Die Spendenbereitschaft war enorm.
                                                                                                                                       Montag, 13. Januar, 18.30 Uhr
                                schen 1968 und dem Ende des Krieges am               Humanitäre Hilfe ohne Parteilichkeit –            Weltzeit
                                15. Januar 1970 sollen durch nigerianische       Geht das?                                             Biafra 50 Jahre danach –
                                Truppen mehr als zwei Millionen Menschen         Für die Entwicklung der humanitären Hilfe             Nigeria ist nicht befriedet
                                auf schrecklichs­te Weise ums Leben gekom-       und des humanitären Systems, wie wir es
                                                                                                                                       Dienstag, 14. Januar, 18.30 Uhr
                                men sein. Diese Bilder haben die Wahrneh-        heute kennen, war dieser Krieg von großer
                                                                                                                                       Weltzeit
                                mung von Afrika stärker beeinflusst, als jedes   Bedeutung. Nicht nur wegen der eklatanten
                                                                                                                                       50 Jahre deutsche Entwicklungshilfe –
                                andere Ereignis. Dass sie in die Wohnzimmer      Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht,
                                                                                                                                       Weiße Retter und teure Almosen
                                der westlichen Welt kamen, lag auch daran,       sondern auch wegen seiner immensen glo­
                                dass die beiden Widersacher im Biafra-Krieg,     balen Mediatisierung.                                 Mittwoch, 15. Januar, 18.30 Uhr
                                Emeka Ojukwu und Yakubu Gowon, die inter-            Aufarbeitung und Konsequenzen                     Weltzeit
                                nationale Wahrnehmung des Konflikts nicht        50 Jahre nach dem Ende des Biafra-Krieges –           Geschäftsideen statt Hilfsprogramme –
                                                                                                                                       Neue Wege in der Entwicklungs-
                                dem Zufall überlassen wollten. Sie holten        Welche Lehren wurden gezogen? Was bedeu-
                                                                                                                                       zusammenarbeit
                                renommierte PR-Agenturen ins Land, die die       tet heute humanitäre Hilfe für Afrika in Zeiten
                                dramatischen Bilder weltweit verkauften, auf     der Dekolonialisierung? Welche neuen Fra­gen          Mittwoch, 15. Januar, 19.30 Uhr
                                diese Weise den Krieg ins öffentliche Be-        stellen sich für kirchliche Akteure, die mit ih-      Zeitfragen. Feature
                                wusstsein brachten und die politische Wahr-      ren Hilfsorganisationen in Afrika aktiv sind?         Kultur und Geschichte
                                nehmung beeinflussten.                           Ein Weg könnte der ‚experimentelle Ansatz‘            Die Macht der Bilder – Biafra, der
                                     Beispielloses Engagement kirchlicher        sein, also das Engagement in kleinen Projek­          Bürgerkrieg und die westliche Welt
                                Hilfsorganisationen                              ten, wie in den Bereichen Bildung und Ge-             Donnerstag, 16. Januar, 18.30 Uhr
                                Die Bilder von ausgemergelten Kindern lös­       sundheitswesen, für das im vergan­genen Jahr          Weltzeit
                                ten ein bis dahin beispielloses Engagement       drei Armutsforscher mit dem Wirtschafts­              Afrikanische Bildungsoffensive –
                                                                                 nobelpreis ausgezeichnet wurden. Wie kön-             Eliteschulen für alle
                                                                                 nen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und               Sonntag, 19. Januar, 1.05 Uhr
                                                                                 transparentere Finanz- und Steuersys­te­me            Diskurs
                                                                                 erreicht und bewahrt und wie kann die Kor-            Biafra und die Folgen
                                                                                 ruption besser bekämpft werden?                       für die humanitäre Hilfe
© ullstein bild/Roger Viollet

                                                                                    Ulrich Ziegler,
                                                                                    Redaktionsleiter Zeitgeschehen
                                                                                    Deutschlandfunk Kultur
8 Literatur

                                                                                                                Die venezolanische Literatur
                                                                                                                in Zeiten des politischen Bankrotts
                                                                                                                Deutschlandfunk Kultur
                                                                                                                Sonntag, 5. Januar, 22.03 Uhr

                                                                                                                                                    Buchhändler in Caracas
                                                                                                                                                    © picture-alliance/dpa
                                                  Wahn und Wirklichkeit
Jackie Thomae                                     Die venezolanische Literatur                   Literatur im Gespräch
‚Brüder‘                                          in Zeiten des politischen Bankrotts            Terézia Mora über ihren
                                                                                                 neuen Roman ‚Auf dem Seil‘
Eines der meistdiskutierten Bücher des letz-      Venezuela, das ölreichste Land Südameri-
ten Halbjahres ist Jackie Thomaes Roman           kas, wurde durch die sogenannte sozialisti-    In ‚Der einzige Mann auf dem Kontinent‘ von
‚Brüder‘. Zwei Männer. Zwei Möglichkeiten.        sche Revolution von Hugo Chávez und sei-       2009 hatte der IT-Spezialist Darius Kopp
Zwei Leben. Jackie Thomae stellt darin die        nem Nachfolger Nicolás Maduro innerhalb        seinen Job verloren. Im zweiten Band ‚Das
Frage, wie wir zu den Menschen werden, die        von wenigen Jahren in das Armenhaus des        Ungeheuer‘, für den Terézia Mora 2013 den
wir sind. Mick, ein charmanter Hasardeur,         Kontinents verwandelt. 4,5 Millionen Men-      Deutschen Buchpreis bekam, dann seine
lebt ein Leben auf dem Beifahrersitz, frei von    schen flohen vor Hunger und Gewalt ins         geliebte Frau Flora, weil sie Selbstmord be-
Verbindlichkeiten. Und er hat Glück – bis ihn     Ausland, unter ihnen viele Intellektuelle,     gangen hatte. Nachdem er mit der Urne mit
die Frau verlässt, die er jahrelang betrogen      Künstler und Autoren. Wie reagieren die        ihrer Asche durch halb Europa gefahren war,
hat. Gabriel, der seine Eltern nie gekannt        Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf     bestattete er sie schließlich im Ätna auf Sizi-
hat, ist frei, aus sich zu machen, was er will:   die Katastrophe in ihrem Land? Wo publizie-    lien. Hier treffen wir Darius Kopp zu Beginn
einen erfolgreichen Architekten, einen ein-       ren sie nun, da die meisten venezolanischen    des dritten Teils wieder. Ein Jahr ist im Prolog
gefleischten Londoner, einen Familienvater.       Verlage und Buchhandlungen aufgeben            vergangen, ein weiteres dann, wenn die ei-
Doch dann verliert er in einer banalen Situa-     mussten und der venezolanische Buchmarkt       gentliche Handlung einsetzt. Seine Familie
tion die Nerven und steht plötzlich als Ag-       zusammengebrochen ist? Bietet das Inter-       kommt wieder ins Spiel, zu der er den Kon-
gressor da – ein prominenter Mann, der tief       net einen Ausweg für Prosa, Lyrik, Reportage   takt abgebrochen hatte, weil diese Flora
fällt. ‚Brüder‘ erzählt von zwei deutschen        und Essay, trotz der fast täglichen Strom-     nicht mochte. Und nach Berlin wird er schließ-
Männern, geboren im gleichen Jahr, Kinder         sperren? Oder findet die venezolanische        lich reisen. Eine wichtige Rolle wird seine
desselben Vaters, der ihnen nur seine dunkle      Literatur nur noch im Ausland und für aus-     17-jährige Nichte Lore spielen, wenn Darius
Haut hinterlassen hat. Die Fragen, die sich       ländische Leser statt? Was bedeutet das für    Kopp, der auf Sizilien zum Aussteiger gewor-
ihnen stellen, sind dieselben. Ihre Leben         Venezuela? Peter B. Schumann spricht mit       den ist, versucht, ins Leben und in die Gesell-
könnten nicht unterschiedlicher sein.             Venezolanerinnen und Venezolanern im In-       schaft zurückzufinden. Was hat Terézia Mora
   Deutschlandfunk                                und Ausland und liest ihre Werke.              so an dieser Figur gereizt, dass sie ihr drei
   Mittwoch, 1./8. Januar, 20.30 Uhr                 Deutschlandfunk Kultur                      Romane widmete? Und wie hat sie sie über-
   Lesezeit                                          Sonntag, 5. Januar, 22.03 Uhr               haupt gefunden?
                                                     Literatur                                      Deutschlandfunk Kultur
                                                                                                    Freitag, 10. Januar, 19.30 Uhr
                                                                                                    Zeitfragen. Literatur
Literatur 9

Christiane Neudecker                               Studio LCB
‚Der Gott der Stadt‘                               Aus dem Literarischen
                                                   Colloquium Berlin
‚Der Gott der Stadt‘ heißt traditionsträchtig
                                                   Lesung: Andreas Maier
der neue Roman von Christiane Neudecker.
                                                   Gesprächspartner: Jörg Magenau
Am Anfang steht der Tod. Jemand versinkt
                                                   und Frank Witzel
zwischen geborstenen Eisschollen und eine
                                                   Moderation: Tobias Lehmkuhl
Leiche baumelt von der Decke eines Thea-
ters. Die Todesfälle liegen Jahrzehnte aus-        Als müsste man das Zimmer verlassen, das
einander, doch es ist der gleiche Todestag:        Haus, die Straße und den Ort, um am Ende,
der 16. Januar. Im Winter 1912 ertrank Georg       ob man es will oder nicht, genau dort wieder     Christiane Neudecker
Heym beim Schlittschuhlaufen, 1995 wer-            zu landen: in Friedberg in der Wetterau, im
den die Novizen einer elitären Schauspiel-         Mühlweg, im Schoß der Familie. Wer die ers-

                                                                                                                                                        © Maurizio Gambarini
schule im gerade wiedervereinten Berlin auf        ten sechs Bände von Andreas Maiers Zyklus        Lesezeit
sein verrätseltes Faust-Fragment angesetzt.        ,Ortsumgehung’ gelesen hat, hätte nicht                Deutschlandfunk
Angestachelt von ihrem Professor verstri-          unbedingt erwartet, dass im siebenten Band             mittwochs jeweils 2.30 und 20.30 Uhr
cken sie sich immer tiefer in den Gedanken-        noch einmal alles von unten nach oben ge-
labyrinthen des genialischen Dichters. Der         kehrt wird. Doch sechs Bände lang lagen,          1. 1. Jackie Thomae liest aus ihrem Roman
psychologische Druck steigt, Konkurrenz            wie sich nun herausstellt, die berühmten Lei-           ‚Brüder‘ (Teil 1)
entflammt, Wahn und Wirklichkeit beginnen          chen im Keller – in ,Die Familie’ kommen sie
                                                                                                     8. 1. Jackie Thomae (Teil 2)
zu verschwimmen. Dann wird ein Toter auf           zum Vorschein. Familiengeschichte und Hei-
der Probebühne der Schule gefunden. War            matgeschichte – entspringt am Ende doch          15. 1. Christiane Neudecker liest aus ihrem
es Mord, Selbstmord – oder doch ein Teufels-       alles einzig und allein dem Geist der Lüge?             Roman ‚Der Gott der Stadt‘ (Teil 1)
pakt?                                                 Deutschlandfunk
                                                                                                    22. 1. Christiane Neudecker (Teil 2)
   Deutschlandfunk                                    Samstag, 25. Januar, 20.05 Uhr
   Mittwoch, 15./22. Januar, 20.30 Uhr                Studio LCB                                    29. 1. Peter Schneider liest aus seinem
   Lesezeit                                                                                                Roman ‚Vivaldi und seine Töchter‘ (Teil 1)
                                                      Deutschlandfunk Kultur
                                                      Sonntag, 26. Januar, 0.05 Uhr                        (Teil 2 am 5. Februar)
                                                      Studio LCB
                                                                                                          Weitere Informationen zu den
Die Sagen seines Lebens,                                                                                  Literatursendungen in Deutschlandfunk
über deren Wahrheit ich nichts weiß                                                                       und Deutschlandfunk Kultur finden Sie
                                                                                                          unter deutschlandradio.de/literatur
Drei literarische Väterporträts
                                                   Minima Poetica
„In Deutschland ist der Holocaust Familien-        von der Kölner Poetica 6
geschichte.“ Dieses Diktum Raul Hilbergs,          Widerstand, Widerspruch, ja:
das auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft        Widerspinst                                     Peter Schneider
der Täter gemünzt war, triff t auch auf die Ver-                                                   ‚Vivaldi und seine Töchter‘
folgten und Opfer zu. Drei Autorinnen legen        Sieben Autorinnen und Autoren aus aller
mit ihren Väter-Biografien beredtes Zeugnis        Welt reisen an zur sechsten Poetica in Köln.    Zu Lebzeiten war er eine Berühmtheit, heute
davon ab. Natascha Wodin erzählt die von           Sie stellen sich am Eröffnungsabend mit         zählen seine Kompositionen zu den meist-
Deportation und Zwangsarbeit gezeichnete           Lesungen und im Gespräch mit dem Kurator        gespielten weltweit. In der Zwischenzeit aber
Lebensgeschichte ihres russischen Vaters,          Jan Wagner vor. Das Fest der Weltpoesie         war Antonio Vivaldis Werk bis zu seiner Wie-
Barbara Honigmann beschreibt den Lebens-           widmet sich der Fähigkeit des Standhaltens:     derentdeckung vor 100 Jahren komplett ver-
weg ihres jüdischen Vaters aus dem Exil in         Als Resistenz kann der Härtegrad eines Ge-      gessen. In ‚Vivaldi und seine Töchter‘ erzählt
die DDR und seine Wandlung zum Kommu-              genstands bezeichnet werden, die Wider-         Peter Schneider die Geschichte des musika-
nisten, während Wencke Mühleisen den Spu-          standsfähigkeit eines Lebewesens gegen-         lischen Visionärs und begnadeten Lehrers.
ren ihres Vaters nach Slowenien ins Milieu         über Einwirkungen von außen, schließlich        Er begibt sich auf die Spur des geweihten
der ‚volksdeutschen‘ Nationalsozialisten           der Widerstand gegen eine Lage, einen Men-      Priesters und Musikers im barocken Venedig.
folgt. Aus drei Perspektiven fügt sich eine        schen, eine Gruppe von Menschen. Alle drei      Und er entdeckt dabei eine etwas unterbe-
monströse deutsche Gewaltgeschichte zu-            Bedeutungen lassen sich ohne Weiteres auf       lichtete Seite des Musikgenies: Sein ganzes
sammen, die im Schweigen ihren Nachklang           die Poesie übertragen, die gefestigt genug      Leben lang hat der „Prete Rosso“ an einem
hatte: Die Väter haben wenig oder gar nichts       sein will, um dem Vergehen zu trotzen. Mit      Waisenhaus gearbeitet und mit den musika-
erzählt. Auch wenn für ihre Töchter viele of-      einer störrischen Beharrlichkeit scheint sie    lisch begabten Mädchen das erste Frauen-
fene Fragen bleiben – ihre Erkundungen im          nachgerade immun zu sein gegen den flüch-       orchester Europas gegründet. Für sie schrieb
Vaterland ergeben ein komplexes Bild von           tigen Zeitgeist und alle modischen Ismen –      er einen großen Teil seiner Konzerte, mit ih-
Deutschland im 20. Jahrhundert.                    und ist also ein Gegenentwurf zum Status        nen brachte er sie zur Aufführung.
   Deutschlandfunk Kultur                          quo, ein Widerspruch, ein Widerspinst.             Deutschlandfunk
   Freitag, 17. Januar, 19.30 Uhr                     Deutschlandfunk Kultur                          Mittwoch, 29. Januar
   Zeitfragen. Literatur                              Sonntag, 26. Januar, 22.03 Uhr                  und 5. Februar, 20.30 Uhr
                                                      Literatur                                       Lesezeit
10 Lange Nacht

Zeugen sterben,
Dinge erinnern

Eine Lange Nacht über
die Habseligkeiten von Auschwitz
                 Elie Wiesel nannte Auschwitz    alles zu bewahren, was sonst längst zerfallen                                                                gezeichnet, nach der Befreiung auch aus der
die „siebenmal verriegelte Nacht“. Seine Er­     wäre. Leder zerbröckelt, Haare lösen sich auf,                                                               Erinnerung und sehr präzise. Seine Zeich-
innerungen an die Shoah hat er mit Literatur     Papier verblasst ohne professionel­len Erhalt.                                                               nungen dien­ten als Grundlage für einige Pro-
befreit. Da blieb von den letzten Stunden sei-   Wir haben diese Werkstätten besucht und                                                                      zesse gegen die Täter. Zwi Steinitz hat bis zu
nes Freundes Juliek, einem Geiger, nur eine      gefragt, wie authentisch konservierte Gegen-                                                                 seinem Tode im August 2019 jeden Tag Ge-
zertretene Violine, eine „kleine, wunderliche,   stände noch erzählen können, wem sie ge-                                                                     dichte geschrie­ben über Auschwitz, er hatte
erschütternde Leiche“. Sie verschwand, so        hörten und wer sie mitgenommen hat auf                                                                       seine gesamte Familie in der Shoah verloren
wie Juliek, für immer.                           die letzte Reise. Zwei Konservatorin­nen aus                                                                 und konnte erst spät über das Grauen spre-
    Die Nationalsozialisten haben nicht nur      Deutschland erzählen, wie sie Briefe schüt-                                                                  chen. Die ehe­malige Geigerin Hilde Simcha
die Juden Europas physisch vernichtet, sie       zen, Schuhe bearbeiten, Kämme oder Zahn-                                                                     erzählt vom Mädchenorchester, für das sie
wollten auch jede Erinnerung an ihre Opfer       bürsten retten, Kleider zusammenhalten,                                                                      Noten transkribierte. Sie durfte als Orches-
auslöschen, kein Zeugnis sollte bleiben: kei-    Prothesen aufarbeiten und sogar Zyklon-B-                                                                    termitglied ihre Haare behalten und hat sich
ne Namen, keine Orte, keine Instrumente,         Dosen von Rost befreien. Mit modernsten                                                                      in Auschwitz Lockenwickler geschnitzt, um
keine Kleider, keine Schuhe, keine Schriften,    konservatorischen Mitteln gelingt es ihnen,                                                                  frisiert ein wenig menschlicher auszusehen.
keine Koffer, keine Zeichnungen … Es ist ih-     Gegenstände, die längst zerfallen wären, als                                                                 Die Lockenwickler, ein Samtkästchen für
nen nicht gelungen. Tausende letzte Habse-       Erinnerung zu bewahren. Sie berichten auch,                                                                  Shab­batfeiern, ein Buch mit Rilke-Gedichten
ligkeiten der Ermordeten ließen sie im größ-     wie wichtig ihnen diese Arbeit ist, trotz der                                                                und Goethes ‚Faust‘, der sie durch Auschwitz
ten Vernichtungslager zurück. Diese mittler-     seelischen Anstrengungen, die sie mit sich                                                                   begleitet hat, vermachte sie schließlich der
weile ein dreiviertel Jahrhundert im Museum      bringt.                                                                                                      Gedenkstätte Yad Vashem. Sie konnte sich
und in Depots lagernden Gegenstände sind,            Wir haben die letzten, hochbetagten Zeit-                                                                nur schwer von den Erinnerungsstücken
wenn die Zeitzeugen irgendwann nur mehr          zeugen in Israel nach ihren Erinnerungen                                                                     trennen.
schweigen, jene Dinge, die das größte Ver-       befragt: Batsheva Dagan hat als Auschwitz-                                                                        Wir fragen junge Menschen jüdischen
brechen der Menschheitsgeschichte bezeu­         häftling die letzten Habseligkeiten der Opfer                                                                Glaubens in Deutschland, wie sie sich ein
gen sollen. Junge Konservatoren in moder-        sortiert und verpackt, sie wurden nach                                                                       Erinnern an die Shoah vorstellen könnten.
nen Werkstätten auf dem Gelände des ehe-         Deutschland geschickt. Der Maler Yehuda                                                                      Und wir lesen für die ‚Lange Nacht‘ zum 75.
maligen Konzentrationslagers bemühen sich,       Bacon hat als Junge in Auschwitz heimlich                                                                    Jahrestag der Befreiung von Auschwitz auch
                                                                                                                                                              die großen Dichter, die jene „siebenmal ver-
                                                                                                                                                              riegelte Nacht“ überlebt haben: Ruth Klüger,
                                                                                                                                                              Elie Wiesel, Imre Kertész und Primo Levi.
                                                                                                                                                                 Maria Ossowski

                                                                                                                                                                     Deutschlandfunk Kultur
                                                                                                                                                                     samstags, 0.05 Uhr
                                                                                                                                                                     Lange Nacht

                                                                                                                                                                     Deutschlandfunk
                                                                                                                                                                     samstags, 23.05 Uhr
                                                                                                                                                                     Lange Nacht

                                                                                                                                                               4. 1. Hoffnung entsteht im Handeln
                                                                                                                                                              		 Die Lange Nacht über 40 Jahre
                                                                                              Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau © ullstein bild/SPUTNIK

                                                                                                                                                              		 Alternativer Nobelpreis

                                                                                                                                                              11.1. Fremd in der Welt und frei im Leben
                                                                                                                                                              		 Eine Lange Nacht über Jean-Paul Sartre
                                                                                                                                                              		 und Albert Camus

                                                                                                                                                              18. 1. Schmelztiegel am Mekong
                                                                                                                                                              		 Eine Lange Nacht über
                                                                                                                                                              		 das Goldene Dreieck

                                                                                                                                                              25. 1. Zeugen sterben, Dinge erinnern
                                                                                                                                                              		 Eine Lange Nacht über die Habselig-
                                                                                                                                                              		 keiten von Auschwitz
Podcastfestival
                         2. – 6. Februar 2020
                         Urania Berlin
Mordlust
Eine Stunde History
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Ab 21
Lakonisch Elegant
Machiavelli
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Und was machst du so?
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             Tickets:
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12 Visitenkarte

                                                 Radio live
                                                 erleben
,Offenes Studio‘ im
‚Studio 9 – der Tag mit …‘ im Deutschlandfunk Kultur

                                                                                                                        © Deutschlandradio/Marius Schwarz
                                                                                                                                                     Anke Schaefer, Jenny
                                                                                                                                                     Grenzmer, Julius Stucke,
                                                                                                                                                     Frank Ulbricht, Alexander
                                                                                                                                                     Moritz, Judith Velninski
                                                                                                                                                     und Korbinian Frenzel
                                                                                                                                                     (v. l. n. r.)

                 Funkhaus Berlin. Kurz nach      gewesen sein, das an genau diesem Tag live        Beispiel Chefredakteurinnen wie Bascha
zwölf. Noch drei Minuten, bis das Rotlicht für   dabei war, bei einer der ersten Ausgaben des      Mika (Frankfurter Rundschau), ‚Mr. Tages­
die Mittagssendung im Deutschlandfunk            ‚Offenen Studios‘ im Deutschlandfunk Kultur.      themen‘ Uli Wickert, Philosophen wie Wolf­
Kultur ‚Studio 9 – der Tag mit …‘ angeht. Der    Seit September laden wir jeden Donnerstag         ram Eilenberger, Politiker wie Cem Özde-
Moderator geht gerade noch einmal mit der        Hörerinnen und Hörer ein, im Studio Platz         mir, Alexander von Lambsdorff oder auch
Kulturkritikerin Jenni Zylka, dem Gast der       zu nehmen, wenn wir mittags Radio machen          Gesine Schwan (die ihre Kandidatur für den
Sendung, die Themen durch, die im Mittel-        und dort die wichtigen Fragen des Tages ver-      SPD-Vorsitz übrigens an unserem Mikrofon
punkt der Sendung stehen sollen: die Klima-      handeln. Eine Idee, die entstanden ist, weil      ankündigte). Zum Stamm unserer regelmä-
krise im Bundestag, der aktuelle Antisemitis-    wir Macher neugierig waren auf die Fragen,        ßigen Gäste zählen außerdem Schriftstel­
mus-Bericht, später dann der 50. Geburtstag      die Sie sich, unsere Hörerinnen und Hörer,        lerinnen, Theater-Intendanten, Historike-
des Beatles-Albums ‚Abbey Road‘ … Da hallt       zu aktuellen Themen stellen. Wo laufen wir        rinnen und Strategen von Thinktanks. Das
die Stimme der Redakteurin aus der Regie         Gefahr, bei den Aspekten stecken zu blei-         verspricht ungewöhnliche Perspektiven auf
durch die Lautsprecher im Studio: „Achtung,      ben, die vielleicht die Medien- und Politik-      Themen, die uns alle bewegen. So erzeugen
gerade kommt die Meldung rein: Jacques           welt brennend interessieren, aber sonst           wir ein neues, zeitgemä­ßes Verständnis von
Chirac ist gestorben.“ Kurze Rücksprache         kaum jemanden? Das ‚Offene Studio‘ wurde          aktuellem Zeitfunk. Im Radio ist das hörbar,
mit den Nachrichten, die gerade live im Nach-    aber auch aus der Taufe gehoben, weil wir         aber auch im täglichen Podcast und live zu
barstudio präsentiert werden: „Habt ihr eine     gemerkt haben, wie groß das Interesse an          erleben, immer donnerstags. Gerüchtewei-
zweite Quelle, die die Nachricht bestätigt?      einem Blick hinter die Kulissen ist. Wie ent-     se heißt es ja, die spannendsten Gespräche
Noch nicht?“ Okay, also abwarten. Anruf          steht Radio? Wer sind die Menschen dahin-         finden dann statt, wenn das Mikrofon aus ist.
beim Korrespondenten in Paris, der bestä-        ter? Wo und wie fallen redaktionelle Entschei-    Kommen Sie zu uns und finden Sie es selbst
tigt. Jetzt meldet auch der Élysée-Palast,       dungen? In diesen Zeiten ist es wichtiger         heraus.
dass der frühere französische Präsident ge­-     denn je, journalistische Arbeit transpa­rent zu
storben ist. Fünf Minuten nach der ersten        machen. Und die Werkstatt zu öffnen, in der          Korbinian Frenzel,
Meldung ist klar: Wir schmeißen das Pro-         ständig abgewogen wird: Was ist relevant,            Redaktion ‚Studio 9 – der Tag mit …‘
gramm um. Der große Monitor im gläsernen         was ist gesprächswertig, was ist aktuell?            Deutschlandfunk Kultur
Studio 9 zeigt ein neues Thema im Sende­             ‚Studio 9 – der Tag mit …‘ – die Mittags-
ablauf: Jacques Chirac, Nachruf auf einen        sendung im Deutschlandfunk Kultur – liefert
der großen Präsidenten Frankreichs.              montags bis samstags von 12.05 Uhr bis               Weitere Informationen zur Anmeldung
                                                                                                      für einen Studiobesuch
    Zugegeben, nicht jeder Tag bringt ‚Brea-     13.00 Uhr genau diesen Mix. Dabei hat diese
king News‘ wie diese mit sich. Umso interes-     Radiostunde ein Grundprinzip: Wir diskutie-          deutschlandfunkkultur.de/
santer dürfte es für das kleine Publikum         ren die Themen des Tages mit einem Gast              offenesstudio
                                                 aus Medien, Politik oder Kultur. Das sind zum
Radiomenschen 13

© Deutschlandradio/
Annika Pesch
                                                                      Neugierig auf Musik
                                                                      Ein fünfjähriger Junge interessiert sich in der Regel für
                                                                      Feuerwehr, Märchenhörspiele und Fußball. Bei mir war
         Lebenslanges Lernen                                          es neben dem Fußball die Musik. Pink Floyd und Neil
         und Arbeiten                                                 Young bekam ich von meinem Vater auf die Ohren,
                                                                      selbst entdeckte ich sehr früh Queen, Santana und …
          Bei uns zu Hause in Hamburg lief fast immer das Radio –     die Bay City Rollers. Die Boyband der 1970er-Jahre sorg­-
          mal im Hintergrund, mal lauschten wir gebannt, wie an       te dafür, sich auch mit Fragen zu beschäftigen wie: Wer
          jenem Rosenmontag, als ein Reporter live vom Kölner         singt da eigentlich? Wer komponiert die Songs? Woher
          Karnevalszug berichtete. Ich war damals fünf Jahre alt      stammt der Künstler oder die Band? Der musikaffine
          und stellte mir bei den Worten des Mannes am Mikrofon       Freundeskreis meiner Eltern, darunter auch viele Musi-
          einen langsam dahinratternden Eisenbahnzug vor, über-       ker, hatte die Antworten auf meine Fragen. In der Schule
          voll mit kostümierten Menschen, die sich lachend aus        hatte ich das Glück, gleichgesinnte Kumpels zu finden,
          den Fenstern beugten und Bonbons auf den Bahnsteig          mit ihnen neue Musik zu entdecken und kennenzulernen.
          regnen ließen.                                              Wer kauft welchen Tonträger, um die ersten Mixtapes
              Dass es sich ganz anders zutrug in Köln, das erfuhr     herzustellen? Das Taschengeld war natürlich sehr be­-
          ich einige Jahre später, als wir in die Nähe der Rhein­     grenzt. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Eltern nicht
          metropole umgezogen sind. Aber die mitreißende und          mehr mitreden, man hatte ja seinen eigenen Geschmack.
          die Fantasie beflügelnde Livereportage reichte aus,         Damals entdeckten meine Freunde und ich auch die
          um mich in den Bann des Mediums Hörfunk zu ziehen.          Musikzeitschriften. Die Mitschüler konsumierten die
          Ungezählt sind die Hörspiele, die ich seit meiner Kind-     ‚Bravo‘, wir den ‚Musikexpress‘. Dann kamen die Schat-
          heit gehört habe; unvergessen die ‚aufklärenden‘ Sen-       tenzeiten. Mit dieser riesigen Musikbegeisterung fielen
          dungen eines Joachim-Ernst Berendt, der mir seine           die Schulnoten in den Keller. Im Elternhaus sorgte das
          Begeisterung für Jazz vermitteln konnte. Berührt haben      natürlich für schlechte Stimmung, Nachhilfe hieß die
          mich seit jeher Reisereportagen, die mich in ferne Län-     Lösung. Auch hier hatte ich Glück und lernte die richti­
          der mitreisen und in fremde Kulturen eintauchen lassen.     gen Menschen kennen: Meine Nachhilfe für Deutsch und
              Dennoch: Auf den Gedanken Journalistin zu werden        Französisch arbeitete beim Radio. Wow! Der Rest ist ei-
          und selbst Hörfunk zu machen, kam ich erst einmal           gentlich Geschichte. Nach einem Jahrzehnt Privatradio
          nicht. Fasziniert von interkultureller Kommunikation wur-   führte der Weg zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
          de ich Fremdsprachenkorrespondentin, studierte Lite­        Ich sammelte 17 Jahre Erfahrung beim Saarländischen
          ratur- und Sprachwissenschaften, reiste nach Mittel-        und beim Hessischen Rundfunk, bevor mein Weg zu
          und Südamerika. Erst während des Germanistikstudiums        Deutsch­­landfunk Nova führte. Bei Deutschlandfunk
          begann ich für Zeitungen zu schreiben und Hörfunk zu        Nova sind wir hungrig darauf, neue Musik zu entdecken,
          machen. Seit meinem Redaktionsvolontariat beim NDR          Künstler und Bands zu unterstützen, die ihre eigenen
          ist mir die Arbeit für Fernsehformate ebenfalls ans Herz    Geschichten geschrieben haben und qualitativ hoch-
          gewachsen, und mittlerweile sind Online- und Social-        wertige Musik produzieren. Es gilt, das Musikstück zu fin-
          Media-Aktivitäten aus meiner journalistischen Arbeit        den, das unserer jungen Zielgruppe gerecht wird und
          nicht mehr wegzudenken. Daneben habe ich am Aufbau          zum anspruchsvollen Wortprogramm passt. Eine weite-
          von Wissensportalen mitgearbeitet, bin als Lehrbeauf-       re schöne Herausforderung für mich ist die Umsetzung
          tragte an Universitäten tätig und Gutachterin für die Ak-   der Konzerte ‚Auf der Bühne‘ mit jungen Künstlern. Diese
          kreditierung von Studiengängen. Nach wie vor fesselt        Konzertreihe haben wir im Musikredaktionsteam für
          mich das Akustische, denn in Stimmen verdichtet sich        Deutschlandfunk Nova entwickelt und dabei großen
          das Sein, in Geräuschen und Musik die unmittelbare          Wert auf Veranstaltungsräume mit Charakter gelegt, wie
          Emotion. Und so bin ich seit vielen Jahren begeistert       zum Beispiel den Kammermusiksaal im Deutschlandfunk
          dabei, ‚Radio zu machen‘ – speziell im anspruchsvollen      oder den Raum Dresden im Deutschlandfunk Kultur. Ein
          Programm Deutschlandfunk.                                   Job, der viel Spaß macht und den erwachsen geworde­
              Nachdem ich für verschiedene Kultur- und Wissen-        nen Jungen wieder ganz Kind sein lässt.
          schaftsredaktionen unterwegs war, bin ich nun seit
          Oktober 2019 fest verankert in der Redaktion ‚Campus &         Thorsten Mathieu,
          Karriere‘. In unserer täglichen Sendung nehmen wir             Redakteur
          bildungspolitische Themen in den Blick und begleiten           Deutschlandfunk Nova
          alle Etappen des lebenslangen Lernens und Arbeitens.

                      Thekla Jahn,
                      Redakteurin ,Campus & Karriere‘
                      Deutschlandfunk
                                                                                                                         © Deutschlandradio/
                                                                                                                         Dirk Borm
14 Gastbeitrag

Öffnet Euch

                                                                                                            Prof. Dr. Bénédicte Savoy,
                                                                                                            1972 in Paris geboren, ist fran­
                                                                                                            zösische Kunsthistorikerin.
                                                                                                            Sie ist Professorin für Kunst­
                                                                                                            geschichte der Moderne an der
                                                                                                            Techni­schen Universität Berlin
                                                                                                            sowie Professorin für die Kultur-
                                                                                                            geschichte des europäischen
                                                                                                            Kunsterbes des 18. bis 20. Jahr-
                                                                                                            hunderts am Collège de France
                                                                                                            in Paris. Ihre Forschungsinte­
                                                                                                            ressen sind Kunst und Kultur-
                                                                                                            transfer in Europa, Museums­
                                                                         © Brigitte Friedrich               geschichte sowie Kunstraub
                                                                                                            und Beutekunst. 2016 erhielt
                                                                                                            sie den Gottfried Wilhelm
                                                                                                            Leibniz-Preis der Deutschen
Von Bénédicte Savoy                                                                                         Forschungsgemeinschaft.

                  Westdeutschland im Frühjahr         Die Lektüre der alten Korrespondenzen,           Und heute? Museen wurden von Deutsch­-
1979. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung be-     Handreichungen, Sitzungsprotokolle und           land nicht gebaut und Objektverzeichnisse
richtet auf einer vollen Seite über ein Sym-     Vermerke, die in den Dienstzimmern der da-       in Deutschland tatsächlich nie publiziert.
posium, das wenige Tage zuvor in Lindau zu       maligen Museumsverantwortlichen in Berlin,       Wer heute in Kamerun, Nigeria, Ruanda, Le-
Ende gegangen ist: ‚Museen und die Dritte        Stuttgart, München, Köln etc. entstanden,        sotho, Tansania, Namibia etc. erfahren will,
Welt‘. In freier Anlehnung an Karl Marx’ oft     lässt tief in die Vergangenheit aktueller Ver-   was vom dortigen materiellen Erbe sich
zitierte Formel beginnt der Artikel mit dieser   krampfungen blicken. Sie machen gleich-          heute in den unsichtbaren Museumsdepots
Feststellung: „Seit etwa sechs Jahren geht       zeitig sichtbar, wie institutionelle Herablas-   von Berlin, Hamburg, Stuttgart, München,
ein Gespenst um in europäischen Museen,          sung, Zynismus und Verachtung den Alltag         Bremen, Köln, Leipzig oder Dresden befin-
kurz Restitution genannt.“ In der Tat hatte      vieler Behörden prägte, wenn es zum Bei-         det, erfährt es nicht. Wer umgekehrt in Ber-
eine 1973 in New York verabschiedete Reso-       spiel hieß, man solle den Restitutionsfor­de­    lin, Hamburg, Stuttgart, München, Bremen,
lution der UNO überall in der Welt – beson-      rungen der Dritten Welt mit einem Angebot        Köln, Leipzig oder Dresden heute erfahren
ders in Europa und speziell in Deutschland –     nach infrastruktureller Unterstützung be-        möchte, welche kolonialen Mechanismen
eine breite und hitzige, heute völlig verges-    gegnen. „Ob man dann, in Form einer noblen       und gewaltsamen Strukturen den Aufbau
sene Debatte ausgelöst, deren Spuren sich        Geste da und dort entsprechende Samm-            der riesigen, geisterhaften Sammlungen
in zahlreichen Archiven befinden. In Frank-      lungen hingibt, hingeben soll, ist eine ande-    im Herzen unserer Städte begünstigt haben,
reich, Belgien, Großbritannien, aber auch        re Frage. Aber das wird nach meiner Über-        darf es auch nicht erfahren oder selbst er-
und besonders in Deutschland entwickelten        zeugung nicht vor 1990 der Fall sein“, schätz-   forschen. Die Objekte leben unter uns. Sie
daraufhin Museumsfunktionäre unterschied-        te der Direktor des ethnologischen Muse-         arbeiten in uns. Doch die Institutionen, die
liche Strategien, um mit diesen Forderungen      ums in Stuttgart im Jahr 1976, „und bis dahin    sie in Deutschland aufbewahren, sind seit
aus der ‚Dritten Welt‘, wie es damals hieß,      ist ja noch einige Zeit.“ Gleichzeitig wehrten   vierzig Jahren nicht bereit, Objektverzeich-
umzugehen. In einer vertraulichen Stellung-      sich die Museen gegen die Ver­öffentlichung      nisse zu publizieren. Transparenz ist der
nahme der deutschen UNESCO-Kommission            von Objektverzeichnissen zu ihren Bestän-        erste Schritt zur Dekolonisierung. Ohne
hieß es im Sommer 1978: „Die Länder der          den aus Afrika, Indien oder der Südsee: „Vor     Transparenz kein Vertrauen.
Dritten Welt sind entschlossen, ihr Kulturgut    der Erstellung solcher Listen wird sowohl
wiederzulangen und daheim zu präsentie-          von Seiten unserer Völkerkundemuseen
ren.“ Die Lage schien ernst, viele Museen        als auch der Kulturverwaltungen gewarnt.
machten mobil.                                   So würden Begehrlichkeiten erst recht ge-
                                                 weckt“, stellt ein ‚vertrauliches‘ Dokument
                                                 der deutschen UNESCO-Kommis­sion von
                                                 1978 fest.
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