Prävention und Früherkennung HPV-assoziierter Malignome
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36 UPDATE: HPV-INFEKTIONEN Prävention und Früherkennung HPV-assoziierter Malignome Tina Kube, Andreas M. Kaufmann, Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Tumorimmunologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin Moderne Screening-Methoden und die seit einigen Jahren verfügbare Impfung gegen humane Papillomviren vom Hochrisikotyp sind wirksame Mittel, um die Inzidenz des Zervixkarzinoms – und weiterer HPV-assoziierter Karzinome – zukünftig weiter zu senken. Beide Verfahren sollten in Kombination eingesetzt werden. Humane Papillomviren (HPV) sind kung durch maligne Transformati- desursache in der weiblichen Bevöl- die weltweit am häufigsten sexuell on der Zellen. Bei den meisten HPV- kerung. 80 % aller Zervixkarzinome übertragenen Viren. Sie infizieren bedingten Tumoren handelt es sich betreffen Frauen in Ländern der Epithelzellen von Haut oder um Plattenepithelkarzinome und Dritten Welt (Abb. 1). Schleimhäuten. Mehr als hundert zu einem geringeren Anteil um Deutschland zählt trotz routine- HPV-Typen, die sich je nach onkoge- Adenokarzinome. In nahezu 100 % mäßig durchgeführter Früherken- nem Potential in Niedrigrisiko- und aller Zervixkarzinome ist mindes- nungsuntersuchungen zu den euro- Hochrisiko-Typen unterscheiden tens einer der Hochrisiko-HPV-Ty- päischen Ländern mit den höchsten lassen, sind bekannt. Zumeist sind pen, z.B. 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, Inzidenz- (10,6/100.000) und Morta- anogenitale Infektionen mit HPV 52, 56, 58, 59, 68 oder 82, nachweis- litätsraten (4,8/100.000) [1]. transient, wobei sie in der Regel 8 bar. Aber auch in 90 % der Analkar- bis 18 Monate anhalten. zinome, 50 % der Tonsillenkarzino- Screeningdiagnostik Persistierende Infektionen mit me und einem variablen Anteil bei Zytologisches Screening (Pap-Ab- Niedrigrisiko-HPV-Typen können Kopf-Hals-Tumoren sind diese HPV strich): In Deutschland wird das rou- die Entstehung genitaler Warzen ursächlich beteiligt. tinemäßige Screening auf Zervix- (vor allem Niedrigrisiko-Typen Das Zervixkarzinom ist mit jähr- karzinome und ihre Vorstufen mit- HPV6 und 11) oder anderer Haut- lich mehr als 530.000 Neuerkran- tels zytologischer Abstrichuntersu- und Schleimhautwarzen hervorru- kungen weltweit die zweithäufigs- chung – kurz: Pap-Test – seit 1971 fen. Persistieren Infektionen mit te Krebserkrankung bei Frauen und durchgeführt. Das Screening wird Hochrisiko-HPV-Typen, steigt dage- mit jährlich 275.000 Todesfällen die Frauen ab dem 20. Lebensjahr jähr- gen das Risiko einer Krebserkran- zweithäufigste tumorbedingte To- lich angeboten. Diese relativ einfa- che und billige Maßnahme ist das erfolgreichste Krebspräventions- programm, denn es hat die Zervix- karzinominzidenz um etwa 80 % gesenkt. Floride HPV-Infektionen sind durch das Vorhandensein von Koi- lozyten und Dyskeratozyten nach- weisbar. Je nach Schweregrad der vorliegenden Dysplasie lassen sich die Proben einteilen von PapI (Nor- Quelle: IARC Globocan 2008 malbefund) bis PapV (maligner Tu- mor) (Abb. 2). Rückschlüsse auf HPV-Typ und Infektionspersistenz sind nicht möglich. Routinemäßig durchgeführte Pap-Abstriche haben nur eine Sensi- Abb. 1: Weltweite Inzidenz für Zervixkarzinome. ASR, altersstandardisierte Inzidenz- tivität von etwa 50 %. Bei dreimali- raten, Raten pro 100.000 Frauen pro Jahr ger Teilnahme wird eine Sensitivität ONKOLOGIE heute 02/2012
UPDATE: HPV-INFEKTIONEN 37 von 80 % erreicht, doch nehmen nur die Hälfte aller Frauen diese Quelle: http://www.dysplasie.at/seiten/fachbegriffe.html Vorsorgemaßnahme auch wahr. Fehlerquellen sind unter ande- rem bei der Probengewinnung zu suchen. Leider noch häufig verwen- dete Wattestäbchen für die Ab- strichgewinnung sind weit weniger geeignet als Abstrichbürstchen (z.B. Cervixbrush), welche eine weit- aus höhere Zahl entnommener Zer- vixzellen für folgende Analysen aufweisen und auch eine intrazervi- kale Probennahme erlauben. Leider wird oft auch auf die Kol- poskopie zur Abstrichnahme und Abb. 2: Zytologische HPV-Befunde (Pap-Abstriche). Die Anfärbung nach Papanicolaou Inspektion verzichtet, da die Me- hilft, die Zellen zu differenzieren. Sie werden folgendermaßen eingeteilt: nach PapI: thode zeitaufwändig ist und nicht Normalbefund; PapII: entzündliche und/oder degenerative Veränderungen; PapIII: kontrollbedürftige, nicht einschätzbare Zellbilder; PapIIID: Dysplasie (CIN 1 - 2); Pap IV: vergütet wird. Aufgrund fehlender schwere Dysplasie, Carcinoma in situ, CIN 2-3; PapV: Zellen eines malignen Tumors Standards und Qualitätskontrolle (z.B. falsch negative Pap-Tests) so- wie unzureichende Teilnahme ist auf primärem HPV-Test mit seiner Gruppe der Hochrisiko-HPV-Typen Deutschland eines der europäi- hohen Sensitivität und einer folgen- stark variiert, ist eine einfache Un- schen Länder mit den höchsten den zytologischen Triage der HPV- terscheidung zwischen Niedrig- Krebsraten. positiven Personen beruht und da- und Hochrisiko-HPV-Typen oft un- Screening und Triage durch mole- mit die wirklichen Dysplasien iden- zureichend für eine differenzierte kularbiologischen HPV-Nachweis: tifiziert. Die Kosteneffizienz ergibt Risikoabschätzung [2]. So zeigte die Die unbedingte Assoziation von sich aus einer potentiellen Verlän- Athena-Studie, in der über 47.000 HPV-Infektion mit Zervixkarzinom gerung von Screening-Intervallen, Frauen zytologisch, mit HPV-Test und Vorstufen bietet die Möglich- da der negative Vorhersagewert und als Goldstandard mittels keit, zum Screening einen HPV-Test des HPV-Tests sehr hoch ist und so Kolposkopie und Biospie unter- zu nutzen. Zu beachten ist die hohe Nachuntersuchungen verringert sucht wurden, dass das Risiko für Durchseuchung von 40 bis 50 % der werden können. das Vorliegen einer hochgradigen 20- bis 30 -jährigen Frauen. Diese In- In Deutschland wird ein HPV-Test Dysplasie bei HPV16- oder HPV18- fektionen heilen in 90 % der Fälle bei unklaren zytologischen Ergeb- positiven Frauen trotz eines zytolo- spontan aus. Erst ab einem Alter von nissen und nach einer Therapie ver- gisch negativen Abstrichs bei 10 % 35 bis 40 Jahren sinkt die HPV- Prä- gütet. Verschiedene Testformate lag. Bei unklarem Abstrichergebnis valenz auf 5-10 %. Diese Infektio- detektieren Hochrisiko-HPV im Pool stieg es auf 16 %; für die HPV16-Po- nen sind eher persistierend und stel- oder identifizieren Genotypen. sitiven lag es sogar bei über 20 %[3]. len das eigentliche Risiko für die Hierbei wird virale DNA in Zervixzel- Entwicklung von hochgradigen len mittels Polymerasekettenreakti- Für das Screening gibt es damit ver- Dysplasien und Karzinomen dar. on (PCR), Sequenzierung oder Hyb- schiedene Optimierungsmöglich- Damit hat der HPV-Test zwar eine ridisierung nachgewiesen. keiten: sehr hohe Sensitivität von ca. 99 % Die Erfassung und Bewertung 1. eine Qualitätskontrolle der Zyto- für die Entdeckung von Krebsvor- von HPV-Genotypen ist wichtig, logie und die Kombination mit stufen und Karzinomen, aber eine denn ob eine HPV-Infektion zur HPV-Testung relativ geringe Spezifität, da er auch Zelltransformation und somit zur 2. die Etablierung eines organisier- harmlose Infektionen mit erfasst. Karzinombildung führt, hängt we- ten Screeningprogramms und Ein Ausweg aus dem Dilemma sentlich von HPV-Typ und der Virus- Aktivitäten (z.B. Selbstabnahme- könnte eine Kombination beider persistenz ab. Da sich das Transfor- tests) zur Erreichung aller Frauen Screeningmethoden sein. So führen mationspotential von Hochrisikoty- sowie die Niederlande und Mexiko derzeit pen zu Niedrigrisikotypen unter- 3. die Verbesserung und Vergütung ein Screeningprogramm ein, das scheidet, jedoch auch innerhalb der der Kolposkopie. 02/2012 ONKOLOGIE heute
38 UPDATE: HPV-INFEKTIONEN Primäre Prävention durch zytologische Abstrichunter- werden. Da sich humane Papillom- durch HPV-Impfstoffe suchungen und/oder molekularbio- viren nicht in großen Mengen in logische HPV-Nachweismethoden Kultursystemen vermehren lassen, Aus medizinischer, ethischer und fi- signifikant reduzieren. Sinnvoll ist war erst durch die rekombinante nanzieller Sicht sollte eine Krebs- eine Primärprävention jedoch glei- Herstellung künstlicher Virosomen prävention einer Therapie immer chermaßen in Ländern, die über die erfolgreiche HPV-Vakzineent- vorgezogen werden. Die verfügba- Screeningprogramme verfügen. wicklung möglich. ren HPV-Impfstoffe bieten zum ers- Anhand tierexperimenteller Da- Genutzt wurde die Eigenschaft ten Mal die Möglichkeit, HPV-asso- ten wurde das Konzept des prophy- des viralen Hauptstrukturproteins ziierten Karzinomen gezielt vorzu- laktischen HPV-Impfstoffes entwi- L1, sich spontan zu leeren Virushül- beugen. ckelt. Gezeigt wurde der Schutz vor len – so genannten „virus-like-parti- Vor allem in Ländern der Dritten Infektion durch Virus-neutralisie- cles – (VLP) zusammenzulagern. VLP Welt ließen sich die hohen Krebsra- rende Antikörper, die durch voll- sind hoch immunogen und induzie- ten eher durch Primärprävention als ständige Viruspartikel induziert ren hohe Antikörpertiter. Mittels verschiedener serologischer Test- verfahren wurde die spezifische Re- Möglicher Vorteil der HPV- Genotypisierung aktion der Antikörper mit den ent- und Kolposkopie (Fallbeispiel) sprechenden HPV-Typen sowie eine Ende September 2010 stellte sich „stark positiv“ (Wert 560), aber gewisse Kreuzreaktion mit nahe eine 29-jährige Patientin mit PAP HPV16 „nicht nachweisbar“! verwandten HPV-Typen nachge- IVa und CIN3 in der Dysplasie- Demnach war die Konisation, die wiesen. sprechstunde der Charité Campus auch pathologisch untersucht Aufgrund des Fehlens viraler Benjamin Franklin vor. Der HPV- und im Gesunden erfolgt war, DNA in den VLP sind diese vollstän- Befund ergab HPV16 stark (Wert vollständig gewesen. Bei aus- dig apathogen, da keine Virusver- 1347), HPV59 grenzwertig positiv schließlichem HR-HPV-Nachweis mehrung, Integration ins Wirtsge- (Wert 9). Die Patientin wurde am (z.B. HCII, nicht differenzierend nom oder Zelltransformation mög- 2.11.2010 konisiert, wobei von für HPV16 oder HPV59) wäre ein lich ist. der Läsion gezielt ein Abstrich ge- positiver Befund mit einem The- Verglichen mit einer natürlichen nommen wurde, der HPV16 rapieversagen für den ursächli- HPV-Infektion, bei der nur in 50 bis „stark positiv“ (Wert 1131), chen HPV16-Typ in der Dysplasie 70 % der Frauen überhaupt niedrig- HPV59 „nicht nachweisbar“ er- interpretiert worden. Tatsächlich titrige, kurzlebige Antikörper nach- gab. Bei der Wiedervorstellung lag aber eine floride Infektion mit gewiesen werden können, die nur am 4.2.2011 zeigte sich ein PAP einem anderen HPV-Typen vor. unvollständig vor einer Reinfektion IIID und ein kolposkopischer As- Dies zieht nun ein anderes, kon- schützen [4], werden nach der HPV- pekt atypischer Condylome fulmi- servatives Vorgehen nach sich Impfung weitaus höhere Antikör- nant über die Zervix verteilt (Abb. und bedeutet ein anderes Risiko pertiter gemessen. Die Titer sind so 3). Der HPV-Test ergab HPV59 für die Patientin. hoch, dass sie nach aktuellem Kenntnisstand einen nahezu hun- dertprozentigen Schutz vor Infekti- on mit den HPV-Typen, die als VLP im Impfstoff enthalten sind, gewäh- ren. Impfinduzierte Antikörper wandern via Transudation ins Zervi- Bilder: PD Dr. G. Cichon kovaginalsekret, wo sie eintretende HP-Viren neutralisieren können. Eigenschaften der HPV-Impfstoffe Im Oktober 2006 wurde mit Garda- Abb. 3: Kolposkopischer Befund nach Konisation: Bei der Patientin wurde 3 Monate sil® der erste hochwirksame HPV- nach Konisation wegen einer HPV16-positiven CIN3 eine Kontrolle durchgeführt. Es wurde ein PAPIIID, hervorgerufen durch HPV59, diagnostiziert. Die Kolposkopie zeigt Impfstoff auf dem europäischen flache essigweiße Condylome (a), die sich bei Jodprobe (b) abgrenzen. Die Patientin Arzneimittelmarkt eingeführt. Im bleibt HPV16-negativ, was auf eine vollständige Entfernung der CIN3 schließen lässt. Folgejahr erschien mit Cervarix® ein ONKOLOGIE heute 02/2012
UPDATE: HPV-INFEKTIONEN 39 Argum ent Fehlint erpret at ion [6] Richt igst ellung [7] Aut oimmunit ät und „ Impf assoziiert e schw erw iegende • Alle belegt en Nebenw irkungen sind impf t ypisch, t ole- Todesf älle Nebenw irkungen (w ie z.B.Guillain-Barré- rabel und t ransient Syndrom, angebliche Todesf älle)“ • Keine Erhöhung der Inzidenz von langf rist igen Nebenw irkungen, nur zeit liche aber keine ursächliche Assoziat ion mit der Impf ung • In Deut schland t rot z Impf ung seit 2007 kein Anst ieg der unerklärlichen Todesf älle, • keine w eit eren Fälle seit 2008 gemeldet Fehlender Wirksam- „ Keine Wirksamkeit gegen Zervixkarzi- • M ehr als 50 % der CIN3 w ürden unbehandelt zum keit snachw eis nom gezeigt “ Karzinom progredieren • Vorsorgeprogramm beruht auf Diagnose und chirurgi- scher Therapie der Krebsvorst uf en (CIN3) und hat die Zervixkarzinominzidenz gesenkt Zu geringe allge- „ Nach 36 M onat en „ nur“ 17 % Wirksam- • Liegt nach längerem f ollow -up bei >30 % mit anst ei- meine Wirksamkeit keit gegen Vorst uf en generell“ gender Tendenz • maximal erw art et e Eff ekt ivit ät übert roff en, z. B. durch breit e Kreuzprot ekt ion 93,2 % der CIN3+ beim AS04 adjuvant iert en bivalent en Impf st off [8] ungenaue Inf orma- „ Gremien und Behörden durch Indust rie • Korrekt heit der Inf ormat ionen durch übergeordnet e t ionen beeinf lusst “ Behörden (EM A, FDA) best ät igt . • Folgest udien (Phase III) und erneut e Dat enausw ert ung mit gleichen oder besseren Ergebnissen. Gesundheit söko- „ Keine ausreichende Kost eneff izienz bei • Einberechnung auch der Kost en von verhindert en nomie Einberechnung nur der invasiven Karzino- Vorst uf en (geschät zt ca. 140.000/Jahr in Deut schland) me (70 % Verhinderung)“ erhöht die Kost eneff izienz • M odellierung (RKI-St udie) best ät igt Kost eneff izienz Fehlender Bedarf „ Nicht not w endig w egen et abliert en • Vorsorgeprogramm f indet nur t herapiebedürf t ige f ür die Impf ung Früherkennungsprogramms“ Erkrankung, verursacht Leid und Kost en • prophylakt ische Impf ung verhindert die Erkrankung • Keine vollst ändige Teilnahme der Frauen am Vorsor- geprogramm Tab. 1: Fehleinschätzungen zur HPV-Impfung und deren Richtigstellung weiterer. Während der bivalente zeitraum – bis zu 9,4 Jahre – über Neue Daten zur Wirksamkeit Impfstoff Cervarix® die VLP der bei- den natürlich induzierten Titern der HPV-Impfstoffe den häufigsten Hochrisiko-HPV-Ty- liegen [5]. pen 16 und 18 enthält, beinhaltet Da bisher nicht abschließend ge- Die zulassungsrelevanten Phase-III- die quadrivalente Vakzine Garda- klärt ist, wie hoch Antikörpertiter Studien beider Impfstoffhersteller sil® zusätzlich Virushüllen der bei- mindestens sein müssen, um einen (FUTURE I und II für Gardasil® und den Niedrigrisiko-HPV-Typen 6 und klinischen Schutz gegen HPV-Neu- PATRICIA für Cervarix®) mit insge- 11, die zusammen für mehr als 90 % infektionen zu gewährleisten, ist samt mehr als 32.000 Frauen bestä- aller Genitalwarzen (Condylomata unklar, ob oder wann eine Auffri- tigen die hohe Sicherheit beider acuminata) verantwortlich sind. schung nach erster Impfung not- Impfstoffe und die annähernd hun- Weitere Unterschiede bestehen wendig sein könnte. Wichtig ist, dertprozentige Wirksamkeit gegen in der Adjuvantierung, die für die dass bislang keine Impfdurchbrü- Neuinfektionen mit HPV16 und 18 Stärke und Breite der Immunant- che festgestellt wurden. sowie die dadurch bedingten Zer- wort verantwortlich ist. Beide Impf- Wichtig ist auch, Fehleinschät- vixdysplasien. Gerade die durch das stoffe bewirken bei mehr als 99 % zungen zur Impfung zu korrigieren. HPV-Screening entdeckten zervika- aller Geimpften Antikörpertiter, die Diese wurden in den Medien und len intraepithelialen Neoplasien initial 10- bis 100-fach über den Ti- durch 13 Gesundheitsexperten im (CIN, therapiepflichtige Krebsvor- tern liegen, die durch natürliche In- Jahr 2008 verbreitet, die nun zu ei- stufen), lassen sich durch Primärprä- fektionen induziert werden. ner Korrektur aufgerufen werden vention mittels HPV-Impfung dras- Etwa 2 Jahre nach der HPV-Imp- sollten [6]. Die Sicherheit und Kos- tisch (um 70 bis 90 %) reduzieren fung fallen die Titer zwar ab, pen- teneffizienz sowie Sinnhaftigkeit [8]. Auch hochgradige Präkanzero- deln sich jedoch bei Werten ein, die der HPV-Impfung gilt heute als be- sen der Vulva, Vagina und des Anus über den bisherigen Beobachtungs- legt (Tab. 1) [7]. (VIN, VAIN, AIN) werden durch die 02/2012 ONKOLOGIE heute
40 UPDATE: HPV-INFEKTIONEN Impfung effektiv verhindert. Dies acuminata zeigte sich eine zuneh- 26 [20]. Daraus kann auch ein recht- führte bereits zu einer Indikations- mende Reduktion um 48 % im Jahr liches Problem erwachsen, wenn erweiterung. Für Gardasil® wurde 2008 [14], um 59 % in 2009 [15] und nämlich Mädchen später an einer zudem ein nahezu vollständiger um 78 % in 2010 [16]. Interessanter- HPV-bedingten Läsion erkranken Schutz gegen HPV6 und 11 und eine weise ging die Inzidenz der Genital- und vorab nicht auf die Impfung daraus resultierende Verhinderung warzen auch bei jungen heterose- hingewiesen worden sind. Es bedarf von Condylomata acuminata ge- xuellen Männern drastisch zurück, einer konzertierten Aktion von Ärz- zeigt – übrigens in beiden Ge- nämlich um 5 % in 2008, um 28 % in ten, Gesundheitsorganisationen schlechtern [9]. Daher besteht in 2009 und um 44 % in 2010. Dieser und Politik, um zukünftigen Frau- den USA inzwischen auch eine Imp- passive Schutz durch die Herdenim- engenerationen das Schicksal eines fempfehlung für Jungen [10]. Nach- munität kommt bei ungeimpften Zervixkarzinoms und dessen Vor- gewiesen wurde auch eine Kreuz- älteren Frauen oder homosexuellen stufen zu ersparen. protektion gegen HPV-Typen, die Männern nicht zum Tragen und es nicht als VLP in der Vakzine enthal- konnte hier keine Reduktion der In- Fazit: Moderne Methoden des ten sind, was zusätzliche Präkanze- zidenz für Condylomata acuminata Screenings ermöglichen die Verbes- rosen verhindert [11]. beobachtet werden. serung der Sensitivität, Spezifität Eine bestehende HPV-Infektion Bei hohen Durchimpfungsraten und Risikoabschätzung von zervika- kann durch prophylaktische HPV- lassen sich über längere Zeiträume len Krebsvorstufen. Die HPV-Imp- Impfung nicht eliminiert werden. vermutlich noch stärkere positive fung ist völlig sicher, hocheffektiv Antikörper sind nicht in der Lage, vi- Effekte zeigen. Neben indirekten und verhindert Dysplasien bereits in rusinfizierte Zellen zu beseitigen. Vorteilen (Aufbau/Verstärkung der populationsbasierten Beobachtun- Zudem induziert die HPV-Impfung Herdenimmunität), hätten geimpf- gen. Sie sollte möglichst vor dem Antikörper gegen das virale L1-Pro- te Männer einen direkten Nutzen ersten Geschlechtsverkehr verab- tein, welches nach Infektion in ba- durch eine Reduktion von Genital- reicht sein, hat aber auch eine Wirk- salen Epithelzellen nicht ausrei- warzen und analen Präkanzerosen samkeit nach therapeutischer Sa- chend exprimiert wird. Dennoch [17] sowie vermutlich durch eine nierung und bei Männern. Durch kann eine Impfung auch bei beste- verminderte Inzidenz für Penis- Screening-Methoden und HPV-Imp- hender HPV-Infektion von Nutzen karzinome, Tumoren des Perianums fung stehen uns heute Mittel zur sein. So kann eine peri- oder post- oder des Oropharynx. Ab 2010 zeigt Verfügung, um die Inzidenz des operative Impfung eine sinnvolle sich nun in Australien auch ein signi- Zervixkarzinoms und voraussicht- prophylaktische Maßnahme sein, fikanter Rückgang hochgradiger lich weiterer HPV-assoziierter Karzi- um Patientinnen vor Neuinfektion Abstrichbefunde an der Zervix in nome weiter deutlich zu senken. und Wiedererkrankung zu schüt- der geimpften Population [16]. Beides muss in Kombination einge- zen. HPV-geimpfte Frauen haben setzt werden. Ziel muss sein, eine im Vergleich zu nicht geimpften Deutschland: Problematische hohe Teilnahmerate an diesen Prä- nach chirurgischer Entfernung ei- Durchimpfungsquoten ventionsmaßnahmen zu erreichen, ner Dysplasie ein 67 % bzw. 88 % Die Situation in Deutschland ist auf- denn nur dadurch können sie ihre niedrigeres Risiko, erneut zu er- grund der erwähnten Fehlinforma- volle Effektivität entfalten. Jeder kranken [12, 13]. tionen leider anders. Trotz einer an- sollte sich angesprochen fühlen, da- fänglich sehr guten Annahme der zu beizutragen, diese historische Effektivitätsergebnisse aus Impfung, sind derzeit nur etwa Möglichkeit zu nutzen. Anwendungsbeobachtungen 30 bis 40 % der Zielpopulation Populationsbasierte Studien aus geimpft. Mütter und Mädchen sind Literatur: www.onkologie-heute.info Australien zeigen die sehr hohe Ef- verunsichert; auch Ärzte empfehlen fektivität der Impfung mit Garda- die Impfung nicht ausreichend. sil®. Seit 2007 wird die Impfung für Dabei gibt es eine umfassende PD Dr. A. M. Kaufmann Mädchen/Frauen im Alter von 12 bis EMA-Zulassung (Alter ab 9 Jahre, Gynäkologische 26 Jahren bezahlt und in organisier- nach oben offen!) und Empfehlun- Tumorimmunologie ten Programmen angeboten. Ende gen der Ständigen Impfkommission Charite Campus Benjamin Franklin 2008 waren etwa 70 % der Zielpo- [18] sowie eine hochrangige S3- 12200 Berlin pulation geimpft. Leitlinie zur HPV-Impfung [19]. Die andreas.kaufmann Bei Untersuchung der Inzidenz Sächsische Impfkommission emp- @charite.de neudiagnostizierter Condylomata fiehlt die Impfung bis zum Alter von ONKOLOGIE heute 02/2012
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