Das StudiVZ - ein Neues Medium - Analyse einer computerbasierten Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien Neuer Medien nach Lev Manovich

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Das StudiVZ - ein Neues Medium - Analyse einer computerbasierten Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien Neuer Medien nach Lev Manovich
Universität Potsdam
„Zum Diskurs des Digitalen“
Dr. Jan Distelmeyer
Wintersemester 2008/2009

                      Das StudiVZ – ein Neues Medium
                                       -
                        Analyse einer computerbasierten
        Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien
                       Neuer Medien nach Lev Manovich

                                                               Mischa Simon Karth
                                              Europäische Medienwissenschaft, 5. FS
                                                Humboldtring 21/75, 14473 Potsdam
                                              0331-2314696 // mischakarth@web.de

                                                       Abgabetermin: Oktober 2009
Das StudiVZ - ein Neues Medium - Analyse einer computerbasierten Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien Neuer Medien nach Lev Manovich
Abstract

Diese Arbeit beleuchtet die populäre Internet-Kommunikationsplattform StudiVZ unter
medientheoretischen Gesichtspunkten. Grundlage bilden dabei Überlegungen von Lev
Manovich aus „The Language of New Media“. Die Arbeit macht deutlich, dass das
StudiVZ viele bereits existierende mediale Formen aufgreift und diese entsprechend der
Gesetze des Computers in abgewandelter Form vereint. Kern bei der Analyse dieses
Transformationsprozesses bilden     innerhalb dieser    Arbeit die von      Manovich
aufgestellten fünf Prinzipien Neuer Medien.

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Das StudiVZ - ein Neues Medium - Analyse einer computerbasierten Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien Neuer Medien nach Lev Manovich
Inhaltsverzeichnis

0.       Inhaltsverzeichnis                             03

I.       Einleitung                                     03

II.      Lev Manovich und die Prinzipien Neuer Medien   04

                 1. Was sind „Neue Medien“?             04

                 2. Die fünf Prinzipien Neuer Medien    05

III.     Das StudiVZ – ein Soziales Netzwerk            08

                 1. Ein kurzer Überblick                08

                 2. Das StudiVZ – ein Neues Medium      09

IV.      Fazit                                          14

         Glossar                                        16

         Abbildungen                                    17

         Quellenverzeichnis                             23

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Das StudiVZ - ein Neues Medium - Analyse einer computerbasierten Kommunikationsplattform anhand der fünf Prinzipien Neuer Medien nach Lev Manovich
I. Einleitung

Die soziale Interaktion mit Hilfe eines globalen computerbasierten Netzwerks war 1962
noch eine Vision von J.C.R. Licklider am Massachusetts Institute of Technology (MIT),
doch schon wenige Jahre später begann diese Vision in Form des ARPANET Realität zu
werden. Aus jenem Netzwerk des amerikanischen Militärs ging schließlich das Internet
hervor, welches vielfach schlicht als „das Netz“ bezeichnet wird.1 Neben der
Möglichkeit Zugriff auf Daten von unterschiedlichen Standorten aus zu erhalten, spielte
die 1971 von Ray Tomlinson entwickelte E-Mail eine Schlüsselrolle beim Erfolg des
ARPANET.2
        Obwohl sich durch technische Neuerungen Inhalt und Form des Internets stark
gewandelt haben - es ist heutzutage möglich Filme über das Internet zu gucken, Gelder
können über das Netz transferiert werden etc. -, ist der Austausch von Informationen
beziehungsweise die Kommunikation zwischen Menschen nach wie vor ein Hauptgrund
für die intensive Nutzung des Internets. Täglich werden weltweit weit mehr als 100
Milliarden E-Mails versendet3, Internet-Foren erfreuen sich großer Beliebtheit und so
genannte Soziale Netzwerke können hohe Zuwachszahlen verzeichnen. Unter letzteren
haben die Plattformen Facebook und StudiVZ in Deutschland aktuell die meisten
Nutzer4. Wer speziellere Interessen hat, nutzt Plattformen wie Flickr für den Austausch
digitaler Fotografien oder musikorientierte Soziale Netzwerke wie MySpace.
        All diese Plattformen sind Teile des so genannten „Web 2.0.“ Der Begriff wurde
von Tim O'Reilly mitgeprägt und deutet an, dass das Internet sich in eine neue Richtung
entwickelt hat, dass eine Version 2.0 entstanden ist. O'Reilly räumt ein, dass eine
Definition von „Web 2.0“ schwierig ist,5 erläutert aber, dass dahinter das
Grundverständnis steht, dass das Internet dem Nutzer gegenüber früher weit mehr
Möglichkeiten bietet, die Inhalte des Netzes selbst zu generieren. Dieses neue Netz, das
Web 2.0, zeichne sich außerdem durch eine große Dynamik und vielfältige
Partizipationsmöglichkeiten für den Nutzer aus.6

1 Vgl. Leiner, Kahn et alii, Part 1
2 Ebd.
3 Vgl. „Cisco Annual Security Report 2008“, S. 13. Nach Schätzungen derselben Quelle machen Spam-
  Mails hieran allerdings einen Anteil von circa 85% aus.
4 Vgl. Schmidt
5 Vgl. O'Reilly: „Not 2.0?“
6 Vgl. O'Reilly: „What Is Web 2.0“

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Am MIT, also an selbigem Institut, an dem der oben genannte Visionär Licklider
arbeitete, veröffentlichte Lev Manovich 2001 „The Language of New Media“.
Ausgehend von seinem Versuch grundlegende Prinzipien Neuer Medien zu finden, stellt
Manovich einige Thesen auf, in denen Dynamik beziehungsweise Variabilität des
Mediums ebenfalls eine zentrale Rolle spielen. Sein Buch ist zu einem Standardwerk
bei der Erforschung der digitalen Gesellschaft geworden. Als „The Language of New
Media“ veröffentlicht wurde, existierte das Web 2.0 noch nicht. Im Folgenden soll
entlang des populärsten Sozialen Netzwerkes in Deutschland, dem StudiVZ7, trotzdem
oder gerade deswegen der Versuch vorgenommen werden, jene Prinzipien der Neuen
Medien nach Lev Manovich zu erläutern. Ziel ist somit, zum einen verständlich Lev
Manovichs Ansatz zu erklären, zum anderen das StudiVZ unter medientheoretischen
Gesichtspunkten zu betrachten.

II. Lev Manovich und die Prinzipien Neuer Medien

1. Was sind „Neue Medien“?

Der Begriff Neue Medien („New Media“), den Lev Manovich einführt, bedarf zunächst
einer kurzen Erläuterung. Manovich entwickelt den Begriff ausgehend von zwei
Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. Auf der einen Seite sieht er in der Erfindung der
Daguerrotypie, dem Vorläufer der Fotografie, den Aufstieg moderner (Massen-)Medien
begründet. Auf der anderen Seite ist für ihn die – nie fertig gestellte – Erfindung einer
Rechenmaschine, die „Analytical Engine“, durch Charles Babbage der Beginn des
Computerzeitalters.8
       An    jenem       Punkt,   an   dem   Massenmedien   und    Computertechnologie
verschmelzen, verortet Manovich die Geburtsstunde der Neuen Medien. Alle
Massenmedien, die ohne Hilfe des Computers auskommen, bilden im Umkehrschluss
die „Alten Medien“. Diese Alten Medien können jedoch in Neue Medien übersetzt
werden, indem ihr Inhalt in kleine Einheiten aufgespalten wird (so genannte „samples“),
die wiederum mathematisch beschrieben und vom Computer verarbeitet werden.
7 Vgl. Schmidt
8 Vgl. Manovich, S. 21

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Manovich formuliert dies so:
          „All existing media are translated into numerical data accessible for the
          computer. The result: graphics, moving images, sounds, shapes, spaces, and texts
          become computable, that is, simply sets of computer data. In short, media
          become new media.“9

2. Die fünf Prinzipien Neuer Medien

Die noch etwas vage Vorstellung, dass Neue Medien der Synthese aus Massenmedien
und Computertechnologie entspringen, verdeutlicht Manovich an Hand von fünf
grundlegenden Prinzipien Neuer Medien. Er versucht mit Hilfe der Prinzipien klar zu
machen, was die Neuen Medien von den Alten unterscheidet. Die fünf Prinzipien nach
Manovich        lauten:       Numerische    Repräsentation      („Numerical      Representation“),
Modularität         („Modularity“),        Automatisierung       („Automation“),       Variabilität
(„Variability“) und Transcodierung („Transcoding“). Die Prinzipien drei bis fünf
ergeben sich dem Autor zufolge aus den ersten beiden.10 Einschränkend sagt Lev
Manovich jedoch:
          „Not every new media object obeys these principles. They should be
          considered not as absolute laws but rather as general tendencies [...]“11
Im Folgenden sollen diese fünf Prinzipien in aller Kürze zusammengefasst werden.
Zunächst unterliegen die Neuen Medien dem Prinzip der Numerischen Repräsentation.
Neue Medien setzen sich aus Zahlen, aus diskreten Einheiten, zusammen und bilden
einen Code. Der numerische Code ist formal beschreibbar und durch Algorithmen, also
mathematische Operationen, programmierbar. Er kann somit fortlaufend verändert
werden.12 Erwähnenswert ist, dass Manovich den Begriff „digital“ im Gegensatz zur
breiten Öffentlichkeit vermeidet. Dies hat den Hintergrund, dass Manovich zufolge
zwar alle Neuen Medien aus digitalem Code, also aus diskreten Einheiten, bestehen,
dass aber nicht im Umkehrschluss Alte Medien automatisch eine kontinuierliche
Grundstruktur aufweisen. Er führt als Beispiel den Film an, der sich aus einer Zahl

9    Ebd., S. 25
10   Vgl. Manovich ., S. 32
11   Ebd., S. 27
12   Ebd.

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diskreter Samples zusammensetzt.13
        Lev Manovich spricht meist nicht von den Eigenschaften der Neuen Medien,
sondern von den Eigenschaften der „Objekte“ („objects“) Neuer Medien. Der
verwendete Begriff der Objekte verweist auf ein anderes Prinzip: die Modularität: Aus
dem digitalen Code entstehen zunächst kleine diskrete Einheiten („samples“) wie Pixel,
Buchstaben oder Skripte, aus denen wiederum größere Einheiten wie Grafiken, Texte
oder Programme zusammen gesetzt werden. Jene größeren Einheiten bilden die
„Objekte“, wie Manovich sie bezeichnet. Sie ergeben in ihrer Gesamtsumme das, was
ein Neues Medium ausmacht. Wichtig ist, dass innerhalb dieser modularen Struktur alle
Einheiten auf unterschiedlichen Ebenen voneinander unabhängig sind.14 Das
Austauschen eines Buchstabens innerhalb eines computergeschriebenen Textes
beispielsweise erfordert nicht, wie bei einer nicht-elektronischen Schreibmaschine, dass
der gesamte Text neu geschrieben werden muss.
        Aufgrund des numerischen Codes und der modularen Struktur sind bestimmte
Rechenoperationen programmierbar. Diese Möglichkeit macht nach Manovich ein
weiteres Prinzip Neuer Medien aus – das der Automatisierung. Im Vorfeld einer
Urlaubsreise beispielsweise kann ein Computer so programmiert werden, dass auf
eintreffende Mails automatisch „Der Empfänger ist zur Zeit verreist“ geantwortet wird.
So weiß der Absender, dass es den Empfänger vorübergehend nicht erreichen wird. Das
Besondere bei der Automatisierung ist, dass die programmierte Aktion nur in vorher
festgelegten Fällen greift – in diesem Beispiel nur, wenn tatsächlich jemand eine Mail
an den Verreisten sendet.
        Manovich unterscheidet bei der Automatisierung zwischen zwei Arten. Die
einfache     Automatisierung       („low-level        automation“)    beinhaltet     beispielsweise
Rechenalgorithmen, die die automatische Verbesserung eines digitalen Bildes
durchführen, oder schlichte Skripte, die dem Computer vorgeben, sich zu einem
bestimmten Zeitpunkt selbst herunterzufahren. Hierzu gehört auch jenes Beispiel der
automatisch beantworteten E-Mail. Für jeden denkbaren Fall, der eintreten kann, muss
programmiert sein, wie der Computer hierauf reagiert.
        Darüber hinaus geht die komplexe Automatisierung („high-level automation“),

13 Ebd., S. 52. Die Nicht-Verwendung des Begriffs „digital“ bei Manovich wäre an anderer Stelle einige
   Überlegungen wert, hier wurde aus Gründen des begrenzten Umfangs dieser Arbeit darauf verzichtet.
14 Vgl. Manovich, S. 30

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bei der das Ziel eine (partielle) Künstliche Intelligenz ist. Der Computer soll in die Lage
versetzt werden, bestimmte Rechenoperationen selbst durchzuspielen, um sich für die
beste zu entscheiden. Dies setzt jedoch ein gewisses Maß an semantischem Verständnis
voraus. In Videospielen, in denen viele Regeln vorgegeben sind, funktioniert eine KI
recht zuverlässig, außerhalb hiervon sind bislang nur geringe Fortschritte zu erkennen,
so Manovich.15
        Um ein weiteres Prinzip – das der Variabilität – zu erläutern, soll obiges Beispiel
der nicht-elektronischen Schreibmaschine aufgegriffen werden, bei der jeder Tippfehler
dazu führt, dass ein Text komplett neu geschrieben werden muss. Verändert man das
Beispiel etwas und geht von einem Fall aus, in dem zehn maschinell geschriebene
Einladungskarten verschickt werden sollen, so zeigt sich, dass auf einer nicht-
elektronischen Schreibmaschine für jede Einladung der Text komplett neu getippt
werden muss, da die Anrede jedes Mal variiert. Auf einem Computer hingegen kann
der komplette Text bestehen bleiben - es muss lediglich bei jedem Ausdruck der Name
in der Anrede abgeändert werden. So entstehen aus einer digitalen Vorlage zehn
unterschiedliche Versionen. Dieses Prinzip nennt Manovich das der Variabilität.
Programmierbarkeit und modulare Struktur machen den Austausch einzelner Elemente
möglich. Dank der Automatisierung kann der Computer sogar selbstständig die
verschiedenen Einladungskarten schreiben und drucken lassen, vorausgesetzt er verfügt
über ein entsprechend programmiertes Skript. Was in diesem Beispiel erläutert wird,
führt Manovich als einen der Kernpunkte der Neuen Medien weiter aus. Objekte lassen
sich in großen Datenbanken abspeichern, auf die jeder angeschlossene Nutzer mit einem
individuellen Interface*16 zugreifen kann. Diese Trennung von Database und Interface
begünstigt das Prinzip der Variabilität: Die Benutzeroberfläche sieht bei jedem
Anwender etwas anders aus. Gleichzeitig wird, so Manovich, auch die Erfahrung, die
ein Nutzer beispielsweise beim Besuch einer Website macht, stets etwas unterschiedlich
ausfallen. Durch Hypertext* ist die Reihenfolge, in der der Anwender die verschiedenen
Objekte einer Website aufruft, nicht festgelegt, das Surferlebnis somit ein individuelles:
        „The logic of new media technology reflects this new social logic. Every visitor

15 Vgl. ebd., S. 33. Da der Markt für Neue Medien ein sehr schnelllebiger ist und insbesondere die
Entwicklung der KI innerhalb des wachsenden Videospielesektors eine große Rolle spielt, wäre an
anderer Stelle zu prüfen, wie weit Manovichs Aussagen bezüglich der „high-level automation“ im Jahre
2009 noch Gültigkeit besitzen.
16 Mit Sternchen gekennzeichnete Begriffs sind im Glossar im Anhang erläutert.

                                                  8
to a Web site automatically gets her own custom version of the site created on
         the fly from a database.“17
Fünfter und letzter Aspekt ist das so genannte Transcoding. Im eigentlichen Sinne
bezeichnet der Begriff die Umwandlung einer Datei eines Computers in ein anderes
Format.18 Manovich ergänzt den Begriff jedoch um den Zusatz „Cultural“, wodurch
seine Bedeutung verändert wird. Manovich stellt mit diesem Prinzip fest, dass jedes
Objekt Neuer Medien auf zwei Ebenen funktioniert. Zum einen ist es eine
computerlesbare Anmengung an Daten, die verarbeitet, umgerechnet und versendet
werden kann. Auf der anderen Seite funktioniert das Objekt auf kultureller Ebene, als
Bild, als Musikstück oder als Film – kurz, als Medium:
         „For although from one point of view new media is indeed another type of media,
         from another it is simply a particular type of computer data, something stored
         in files and databases, retrieved and sorted, run through algorithms and written
         to the output device.“ 19
Nach Manovich beeinflussen sich die beiden Ebenen gegenseitig: Die mathematische
Logik des Computers, mit der Neue Medien dargestellt und verarbeitet werden, hat
Einfluss auf unsere Kultur. Zugleich wirken sich unsere kulturellen Praktiken und
Begriffe auf die Art und Weise, wie Programme, Skripte o.Ä. programmiert werden,
aus. In der Konsequenz ergibt sich für den Autoren eine neue Computer-Kultur.20

III. Das StudiVZ – ein Soziales Netzwerk

1. Ein kurzer Überblick

Die Kommunikationsplattform StudiVZ wurde im Herbst 2005 gestartet21 und
verzeichnet mittlerweile mehrere Millionen registrierte Nutzer. Präzisere Angaben sind
schwierig, da die genaue Zahl je nach Quelle stark schwankt. Außerdem wird in den
Statistiken häufig nicht zwischen den Plattformen StudiVZ, MeinVZ und SchülerVZ

17   Manovich., S. 42
18   Vgl. http://www.webopedia.com/TERM/T/transcoding.html [zuletzt abgerufen: 16.10.2009]
19   Manovich, S. 47
20   Vgl. ebd., S. 46
21   Vgl. OTS

                                                 9
unterschieden. Während die FAZ für alle drei Plattformen zusammengenommen von 8,7
Millionen Nutzern spricht22, weist die VZ-Netzwerke Ltd. 15 Millionen Nutzer aus.23
        Herzstück des StudiVZ sind die Profilseiten. Jeder Nutzer verfügt über eine
eigene Profilseite, auf der er Informationen aller Art über sich preisgeben kann
(Adresse, besuchte Seminare, Hobbys etc.). Er kann dort auch – ähnlich wie bei
Twitter* – aktuelle Gedanken wiedergeben und Fotos von sich einstellen. Damit diese
Informationen nicht nur zufälligerweise von Fremden abgerufen werden, schließen
Nutzer untereinander Freundschaften. Der eigene Freundeskreis, der stets über
Aktualisierungen der eigenen Profilseite informiert wird, setzt sich in der Regel aus
„echten Freunden“, Kommilitonen, ehemaligen Schulfreunden oder Arbeitskollegen
zusammen.
        Der Zugriff auf die eigene Profilseite kann auf Wunsch einem bestimmten
Nutzerkreis – beispielsweise den eigenen Freunden – vorbehalten sein. Alle Nutzer, ob
befreundet oder nicht, können sich untereinander Nachrichten senden und sich in
(Interessen-)Gruppen zusammenschließen, in denen der Austausch wie in einem
klassischen Internet-Forum statt findet.

2. Das StudiVZ – ein Neues Medium

Nach diesem schnellen Überblick über die Hauptfunktionen des StudiVZ soll nun der
Fokus auf einigen spezifischen Merkmalen liegen, die verdeutlichen, inwieweit das
StudiVZ ein Neues Medium nach Lev Manovich ist.
        Dass der Zugriff auf sämtliche Funktionen der Plattform registrierten Nutzern
vorbehalten ist, ist bereits ein erstes Indiz für die Trennung zwischen Database und
Interface. Obwohl sämtliche Daten eine große Datenbank bilden24, hat kein Nutzer die
Möglichkeit, auf alle Daten zuzugreifen. Für das Betrachten einiger Profilseiten
benötigt man die Zugriffsrechte des Profilinhabers (Abb. 1). Jeder Nutzer kann somit
nur auf einen bestimmten, für ihn freigegeben Bereich der Datenbank zugreifen.

22 Vgl. Schmidt
23 http://www.studivz.net/l/about_us/1/ [zuletzt abgerufen: 16.10.2009]
24 Aus Kapazitätsgründen spaltet sich die Datenbank natürlich in viele verschiedene Server auf, siehe
   hierzu auch Hornold, Michel: „Antworten von Oliver Skopec auf eure Fragen“, in mehrblog.net,
   18.08.2008. http://www.mehrblog.net/2008/08/antworten-von-oliver-skopec/ [zuletzt
   abgerufen: 16.10.2009]

                                                  10
Die bloße Tatsache, dass alle Daten in ihrer Grundlage aus numerischem Code
bestehen, ist bei dieser Erkenntnis bereits übersprungen worden. Bilder und Texte wie
auch Werbeanimationen setzen sich aus derselben riesigen, aber unsichtbaren
Ansammlung an Einsen und Nullen zusammen.
       Doch gehen wir einen Schritt zurück. Die Seite, die zum Log-In auffordert,
präsentiert sich bei jedem Aufruf im selben Gewand – mit einer Ausnahme: Ein kleiner
schwarzer Kasten in der linken Spalte wartet jeden Tag mit einem veränderten Inhalt
auf. Sprüche, Zitate oder Links lassen den Betrachter inne halten. (Abb. 2) Folgt man
Lev Manovich, so handelt es sich bei diesem Kasten um ein Objekt. Der Inhalt des
Kastens ist, wie oben im Beispiel der digitalen Einladungskarte beschrieben, beliebig
austauschbar, ohne dass sich die Log-In-Seite grundlegend ändert. Hier greifen die
Prinzipien Modularität und Variabilität. Es ist denkbar, dass der Inhalt nicht nur manuell
austauschbar ist, sondern auch automatisch zu einem vorherbestimmten Zeitpunkt
wechseln kann (Automatisierung).
       Nach erfolgreichem Log-In hat der Nutzer Zugriff auf alle Funktionen. Er blickt
als erstes auf eine Übersichtsseite, die so genannte Startseite (Abb. 4). Diese hat bei
jedem Log-In ein leicht verändertes Aussehen: Die Werbung, die eingeblendet wird, ist
eine andere als beim letzten Mal, auf der rechten Seite werden dem Nutzer unter der
Rubrik „Kennst du schon?“ jedes Mal drei andere Nutzer aus der eigenen Stadt mit
Profilbild eingeblendet, unter „Buschfunk“ sind die neuesten Mitteilungen zu lesen, die
befreundete Nutzer in der Zwischenzeit gemacht haben, außerdem zeigt ein Counter im
unteren Bereich der Seite an, wie viele Nutzer inzwischen die eigene Profil-Seite
betrachtet haben. Unregelmäßig wird der Nutzer auf Geburtstage der Freunde
hingewiesen sowie über neue Nachrichten und Einladungen in Gruppen informiert.
       Diese    permanenten     Veränderungen unterstreichen       die   Prinzipien   der
Modularität, der Variabilität und der Automatisierung. Die einzelnen Elemente sind
voneinander unabhängig, wie in einem Baukastensystem können sie ein- oder
ausgeblendet werden, der Inhalt ist für jedes einzelne Element veränderbar.
       Die jeweilige Darstellung wird dabei sowohl von einem Computer auf Seiten
des Plattformanbieters als auch vom eingeloggten Nutzer selbst beeinflusst. Der
Computer gleicht beispielsweise automatisch alle angegeben Geburtstage der Freunde
des Nutzers ...zu oft nutzer... mit dem aktuellen Datum ab. Liegen ein oder mehrere

                                           11
Geburtstage näher als vier Tage am aktuellen Datum, wird der Nutzer auf der Startseite
automatisch darauf hingewiesen. Der Nutzer selbst wiederum hat die Möglichkeit, diese
und andere Funktionen unter „Mein Account“ zu deaktivieren.
        Während sich die Darstellung der Website stets verändert, bleibt die
grundlegende Struktur der Website bei all diesen temporären Veränderungen erhalten.
Es wäre aber verkehrt zu sagen, dass sich die grundlegende Struktur der Website nie
ändert. Tatsächlich wird die Plattform StudiVZ laufend weiterentwickelt, so dass alle
paar Wochen eine kleine Erweiterung oder Veränderung auftaucht. Tim O'Reilly macht
diesen ewigen Beta-Status* als Grundzug des Web 2.0 aus.25 In Abbildung 5 ist das
Modul zum Aufruf der „Plauderkasten“-Funktion leicht überarbeitet worden, die
Abbildungen 2 und 3 verdeutlichen eine dezente Überarbeitung des kompletten
Designs.
        Neben der Startseite werden die Profilseiten am häufigsten aufgerufen. Sie
bilden das Paradebeispiel für die These Manovichs, dass die Neuen Medien dem
postindustriellen Bedürfnis nach Individualität und Unmittelbarkeit Rechnung tragen.26
Die Empfänger werden zu Sendern; verspätet realisiert sich die Vorstellung, die
Berthold Brecht bereits 1932 in seiner Radiotheorie prophezeite.27 Konträr zu Poesie-
Alben, bei denen jeder Freund einen eigenen Eintrag erhielt, wird nun vorrangig die
eigene Profil-Seite gepflegt. Neben einem Profil-Bild hält sie allgemeine Informationen
bereit, die sich in die Kategorien „Account“, „Allgemeines“, „Früher“, „Kontakt“,
„Persönliches“ und „Arbeit“ aufteilen. Ein Nutzer kann hier beispielsweise seine
Kontaktdaten einstellen, angeben, wo und was er studiert, sowie Hobbies, Vorlieben
und berufliche Informationen einpflegen. Bemerkenswert ist, dass für alle Angaben
lediglich eine begrenzte Anzahl an Kategorien zur Verfügung steht und dass bei einigen
dieser Kategorien nur zwischen einer begrenzten Anzahl an Auswahlmöglichkeiten
gewählt werden kann. In der Abbildung 6 ist beispielsweise zu sehen, dass unter
„Persönliches“ bei „Interessen“ oder „Lieblingsfilme“ Beliebiges eingetragen werden
kann, während für „Beziehung“ oder „Politisch“ nur zwischen vorgegebenen
Formulierungen gewählt werden kann.
        Was zunächst als Kleinigkeit erscheint – es macht schließlich wenig Sinn, bei

25 Vgl. O'Reilly, S. 1
26 Vgl. Manovich, S. 36 f.
27 Vgl. Brecht, S. 260

                                          12
Geschlecht etwas anderes als männlich oder weiblich anzugeben28 - hat genauer
betrachtet weitreichende Konsequenzen. Während sich auch bei einem analogen
Fragebogen die Zahl der Antwortmöglichkeiten einschränken lässt, bleibt einem dort
stets die Möglichkeit, handschriftliche Anmerkungen vorzunehmen. Aufgrund der
numerischen Repräsentation ist dies bei einem digitalen Fragebogen nicht möglich.
        Ein weiterer Effekt begrenzter Antwortmöglichkeiten besteht darin, dass sich
durch konkrete Werte Raster in der Datenbank erstellen lassen. Dies birgt Chancen und
Risiken zugleich. Raster sind notwendig, damit der Nutzer mittels Suchfunktion andere
Nutzer finden kann, von denen sie den genauen Namen nicht kenne. Wenn sie sich
beispielsweise an den Heimatort und den Wohnort erinnern kann, erhöhen sich ihre
Chancen einen bestimmten Menschen mittels „Super-Suche“ (Abb. 7) wiederzufinden
(Voraussetzung ist natürlich, dass dieser Nutzer jene Angaben, nach denen ich suche,
gemacht hat). Denkbar ist auch, nach Unbekannten zu suchen, die zum Beispiel die
gleiche Nationalität und die gleiche politische Gesinnung angegeben haben, um mit
ihnen Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig – und dies ist für die Betreiber der Seite von
Interesse – können die Angaben eines Nutzers verwendet werden, um ihm individuelle
Werbung anzubieten. Wer „grün“ wählt, wird sich womöglich für ökologische
Stromanbieter interessieren, ein Student der Musikwissenschaft vermutlich für
anstehende Konzerte.29
        Die beiden soeben ausgemachten Phänomene lassen sich als Ausformung des
Prinzips der Transcodierung nach Lev Manovich betrachten. Bei der Programmierung
der Plattform müssen die Entwickler beschlossen haben, den Code so zu schreiben, dass
für bestimmte Kategorien nur bestimmte Angaben möglich sind. Ausschlaggebend war
hierbei, dass der Computer nur diskrete Attribute maschinell verarbeiten kann. Dies ist
für die Rasterung jedoch notwendig. Nehmen wir als Beispiel die Kategorie „Politisch“
(p). Dort kann jedem Nutzer je nach angegebener politischer Gesinnung ein Wert
zwischen p=1 und p=12 zugeordnet werden. Im Rahmen der Rasterung lässt sich dieser
28 Wobei die Frage der möglichen Diskriminierung von Hermaphroditen, deren Zahl deutschlandweit
   immerhin auf 80.000 geschätzt wird, an anderer Stelle durchaus erörtert werden sollte. Vgl. Brandt,
   Andrea / Supp, Barbara: „Und Gott schuf das dritte Geschlecht“, in Spiegel-Online, 12.12.2007.
   http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,517983,00.html [zuletzt abgerufen: 19.10.2009]
29 Problematisch wird es – und hiermit sind die oben genannten Risiken gemeint – wenn die Daten
   Dritten in die Hände fallen oder wenn der Betreiber der Seite die Daten weiter gibt. Im Dezember
   2006 beispielsweise wurde unerlaubterweise eine massenhafte Erhebung von Daten durch Dritte
   vorgenommen und an die Öffentlichkeit weitergegeben. Vgl. Fritsch, Hagen: „StudiVZ – Inoffizielle
   Statistiken vom Dezember 2006“. http://studivz.irgendwo.org/ [zuletzt abgerufen: 19.10.2009]

                                                  13
Wert mit anderen Angaben kombinieren, beispielsweise mit dem Geschlecht (g=1 oder
g=2). Wäre die Eintragung hingegen frei wählbar, würde die Anzahl der
unterschiedlichen Attribute so groß, dass der Rechner sie nicht oder zumindest nicht
zeitnah durchsuchen beziehungsweise filtern könnte.
       Die Möglichkeiten des Computers sind also mit ausschlaggebend dafür, wie sich
die Plattform StudiVZ präsentiert. Die Tatsache, dass es bei der politischen Einstellung
beispielsweise die Attribute „linksliberal“ oder „sehr rechts“ nicht gibt, ist
beachtenswert. Noch größere Einflüsse auf unsere Kultur dürfte die Rasterung haben.
Vor Jahren wäre es für Privatpersonen undenkbar gewesen, innerhalb von
Sekundenbruchteilen verloren gegangene Schulfreunde wiederzufinden. Wie bereits
weiter oben beschrieben, bedingen sich in diesem Prozess der Transcodierung
Computer und Kultur gegenseitig. Lev Manovich spricht auch von einem
       „process of cultural reconceptualization. [...] That is, cultural categories and
       concepts are substituted, on the level of meaning and/or language, by new ones
       that derive from the computer's ontology, epistemology, and pragmatics.“30
Dieses Prinzip lässt sich innerhalb des StudiVZ noch an anderer Stelle ausmachen.
Jeder Nutzer hat die Möglichkeit Fotoalben einzustellen. Die – automatisch in die
richtige Größe gebrachten – Fotos können betitelt werden, die Reihenfolge und das
Titelbild werden festgelegt. Abgesehen von fehlender Haptik und fehlenden Spuren
äußerer Einflüsse unterscheiden sich digitales und analoges Fotoalbum durch zwei
zusätzliche Aspekte, die den Fotoalben bei StudiVZ innewohnt. Zum einen kann jedes
Bild von anderen Nutzern schriftlich kommentiert werden. Dies ist bei einem analogen
Fotoalbum zwar denkbar, beispielsweise durch Post-its, aber wenig praktikabel.
       Weitreichender ist die Möglichkeit, Personen innerhalb von Bildern zu
markieren. Dies ist nicht nur eine namentliche Markierung, wie sie an den Seiten
analoger Bilder ebenfalls möglich ist, sondern ein Hyperlink, der beim Überfahren der
Abbildung eines Person mit dem Mauszeiger direkt eingeblendet wird (Abb. 8). So
können auch in großen Menschenansammlungen einzelne Nutzer zweifelsfrei benannt
werden. Zusätzlich werden alle „Verlinkungen“ auf einen Nutzer automatisch
gespeichert und sind von seiner Profil-Seite aus abrufbar. Entgegen der zeitaufwändigen
Suche in zahlreichen Fotoalben, habe ich auf einen Blick alle Bilder verschiedener

30 Manovich, S. 47

                                             14
Ereignisse, auf denen der jeweilige Nutzer zu sehen ist. Diese umfangreichen
Bildarchive werden auf der einen Seite durch die mathematischen Operationen von
Computern möglich, auf der anderen Seite durch das Einpflegen von Bildern durch die
Nutzer. Die Auswirkungen auf das soziale Leben sind auch hier nicht von der Hand zu
weisen.31
        Ein drittes kurzes Beispiel sei an dieser Stelle noch angeführt: Bei jedem Profil,
das ich aufrufe, wird überprüft, in welcher Verbindung ich zu dem Profilinhaber stehe,
kurz „über wie viele Ecken“ ich ihn kenne (Abb. 9). Sollten der Profilinhaber und ich
einen gemeinsamen Freund bei StudiVZ haben, so werde ich darüber in Kenntnis
gesetzt. Aufgrund der Komplexität ist dieses Modul jedoch in der Praxis auf einen
engen Radius beschränkt, es funktioniert nur bei den Freunden meiner Freunde.
Dennoch greift der Computer auch an dieser Stelle in unsere sozialen beziehungsweise
kulturellen Gepflogenheiten ein. Ich könnte auf offener Straße schließlich niemandem
ansehen, ob wir gemeinsame Bekannte haben.
        Auf die „Gruppen“, eine Art digitale Interessengemeinschaften samt Forum,
werde ich aus Platzgründen nicht eingehen. Statt dessen möchte ich abschließend kurz
auf das „Surferlebnis“ verweisen: Gemäß dem Charakter des Hypertextes* hat der
Nutzer nach erfolgreichem Log-In und automatischem Aufruf der Startseite unzählige
Optionen, welche Unterseite er als nächste aufrufen will. Hyperlinks sind im StudiVZ
im oberen Menü weiß, ansonsten rot gekennzeichnet. Immer gilt der Grundsatz: Viele
Wege führen nach Rom. Um sich beispielsweise anzusehen, auf welchen Fotos man
selbst verlinkt ist, kann man entweder auf „Meine Fotos“ und dann auf „Meine
Verlinkungen“ klicken oder aber auf „Meine Seite“ und auf „Du bist auf X Fotos
verlinkt“. In beiden Fällen landet man auf exakt derselben Unterseite. Hinter den
unzähligen Hyperlinks steht die netzartige und dezentrale Struktur des World Wide
Web, die dem Nutzer ein individuelles und „flowartiges“ Erlebnis ermöglicht, welches
Lev Manovich unter dem Begriff der „Branching-Type Interactivity“ erläutert.32

31 Vgl. Kaul
32 Vgl. Manovich, S. 38

                                            15
IV. Fazit

Anhand des StudiVZ lässt sich der von Lev Manovich geprägte Begriff des Neuen
Mediums mustergültig erläutern. Die Kommunikationsplattform greift zahlreiche
Praktiken     der       Alten     Medien       wie    Schwarze     Bretter,   Poesie-Alben    oder
Diskussionsrunden auf, um diese durch die spezifischen Möglichkeiten des Computers
weiter zu entwickeln. Den Kern zur Analyse dieser Weiterentwicklung liefert „The
Language of New Media“. Wichtigstes Werkzeug bilden hierin die von Manovich
aufgestellten fünf Prinzipien Neuer Medium.
        Manovichs Ansatz ist ein doppelter. Er versucht sowohl die technische als auch
die kulturelle Seite der Neuen Medien zu beschreiben. Während er die technischen
Aspekte sehr detailliert beschreibt, reißt er die sozialen Komponenten häufig nur kurz
an. Entscheidend ist jedoch, dass sich beide Aspekte gegenseitig beeinflussen. Dieser
wichtigen Erkenntnis trägt Lev Manovich mit dem Prinzip des „(Cultural) Transcoding“
Rechnung.
        Einen interessanten Ansatz bieten in diesem Zusammenhang auch Jay-David
Bolter und Richard Grusin an, die in ihrem Werk „Remediation“ ihren Fokus auf die
Doppel-Logik aus dem Bedürfnis der Menschen nach Unmittelbarkeit und
Hypermedialität* legen. Auch bei ihnen spielt die Frage, wie sehr sich die Neuen
Medien gegenüber den Alten verändert haben, eine zentrale Rolle.33
        Die wichtigste Erkenntnis dieser Arbeit in Bezug auf das StudiVZ ist indes, dass
ein Neues Medium auch, aber nicht nur, Fortschritt hervorbringt. Der binären Logik des
Computers folgend, die keinerlei Differenzierung zulässt, die über „0 oder 1“
hinausgeht,    ist      der     Nutzer   der    Plattform   weit     eingeschränkter   in    seinen
Gestaltungsmöglichkeiten, als er selbst dies annehmen dürfte. Die Plattform lässt den
Spielraum, den Manovich als Prinzip der Variabilität beschreibt, nur innerhalb eines
sehr starren Code-Torsos zu.
        Jene Alten Medien hingegen, die das StudiVZ adaptiert hat und an denen ich
partizipieren kann, lassen mir ursprünglich die Möglichkeit, das jeweilige Medium von
Grund auf zu verändern. In einem Poesie-Album oder Gästebuch beispielsweise kann
ich Kategorien umbenennen, Seiten herausreißen oder selbige aufwändig gestalten. Ich

33 Vgl. Bolter/Grusin

                                                     16
kann die Medialität des Mediums verändern, bis hin zur Zerstörung des Mediums.
       Die digitalen Versionen lassen mich jedoch nur auf einen kleinen Teil ihres
Codes zugreifen. Als normaler Nutzer (d.h., nicht als Programmierer bei StudiVZ oder
Hacker mit böswilligen Absichten) kann ich nur innerhalb eines Systems agieren,
dessen Regeln mir von außen vorgegeben werden.

                                        17
Glossar:

Beta-Status
Fertig programmierte Programme und Websites werden vor der kommerziellen bzw.
finalen Veröffentlichung in einer Testphase erprobt. In dieser Zeit tragen sie den Beta-
Status. Damit grenzen sie sich von frühen Versionen, die den Alpha-Status tragen, ab.
Ziel der Beta-Phase ist die Fehlersuche; Fehler - so genannte „Bugs“ - sollen
ausgemerzt werden. Die Fehlersuche kann öffentlich oder intern statt finden. Nach
erfolgreicher Testphase wechselt der Status eines Programms / einer Website vom Beta-
zum Gold-Status.

Hypermedialität
Ausgehend von der non-linearen Struktur des Hypertextes, unterstreicht das Paradigma
der Hypermedialität den multimedialen Aspekt. Es geht von netzwerkartig
angeordneten Medienobjekten aus.

Hypertext
Entgegen der linearen Struktur konventionellen Textes ist Hypertext non-linear
geordnet. Durch zahlreiche Querverweise, so genannte Hyperlinks, ist die Reihenfolge,
in der der Text gelesen wird, variabel. Die netzartige Struktur, in der Hypertext
organisiert ist, verweist auf Struktur des Internets.

Interface
Ein Interface bezeichnet die Schnittstelle zwischen Computer und Mensch und ist eine
Mischung aus Ausgabe- und Eingabegeräten. Das Art und Weise, wie der in der
Datenbank     verfügbare    Inhalt   dargestellt   wird,   zählt   eben   so   hinzu   wie
Hardwarekomponenten.

                                             18
Abbildungen:

Abbildung 1: Eingeschränkte Sichtbarkeit

Abbildung 2: Log-In Seite

                                           19
Abbildung 3: Log-In Seite ab dem 06.10.2009

                                        20
Abbildung 4: Startseite

Abbildung 5: Neues Design des „Plauderkastens“

                                       21
Abbildung 6: Die Seite, um sein Profil zu bearbeiten

                                          22
Abbildung 7: Die „Super-Suche“

                                 23
Abbildung 8: Verlinkungen

Abbildung 9: „Wer kennt wen?“

                                24
Quellenverzeichnis:

Bolter, Jay-David / Grusin, Richard: „Remediation. Understanding New Media“, MIT
Press Cambridge, 1. Auflage 2000

Brecht, Bertholt: „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat“, in: „Kursbuch
Medienkultur“, Lorenz Engell et alii (Hg.), 5. Auflage 2004, Deutsche Verlags-Anstalt
GmbH Stuttgart, S. 259-263

Cisco Systems Inc.: „Cisco Annual Security Report 2008“.
http://cisco.com/en/US/prod/collateral/vpndevc/securityreview12-2.pdf
[zuletzt abgerufen: 16.10.2009]

Hornold, Michel: „Antworten von Oliver Skopec auf eure Fragen“, in mehrblog.net,
18.08.2008. http://www.mehrblog.net/2008/08/antworten-von-oliver-skopec/ [zuletzt
abgerufen: 16.10.2009]

Kaul, Martin: „Jäger und Sammler. StudiVZ-Daten in der 'Bild'-Zeitung“, in taz.de,
26.03.2008. http://www.taz.de/1/leben/internet/artikel/1/jaeger-und-sammler/ [zuletzt
abgerufen: 19.10.2009]

Leiner, Barry / Kahn, Robert et alii: „A Brief History of the Internet, Part I“, @ On The
Internet, 1997.
http://www.isoc.org/oti/articles/0597/leiner.html [zuletzt abgerufen: 16.10.2009]

Manovich, Lev: „The Language of New Media“, MIT Press Cambridge, 2001

O'Reilly, Tim: „Not 2.0?“, 05.08.2005.
http://radar.oreilly.com/archives/2005/08/not-20.html [zuletzt abgerufen: 21.10.2009]

O'Reilly, Tim: „What Is Web 2.0“, 30.09.2005.

                                           25
http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html [zuletzt abgerufen: 16.10.2009]

OTS: „Ein Jahr nach Gründung: 1 Million Studenten bei StudiVZ“, in presseportal.de,
15.11.2006. http://www.presseportal.de/pm/62589/901222/vz_netzwerke [zuletzt
abgerufen: 16.10.2009]

Schmidt, Holger: „Facebook rollt den deutschen Markt auf“, in FAZ.net, 25.08.2009.
http://www.faz.net/s/Rub2F3F4B59BC1F4E6F8AD8A246962CEBCD/Doc~E591479D
5FD024E68B6655617207FDA27~ATpl~Ecommon~Scontent.html
[zuletzt abgerufen: 16.10.2009]

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Plagiatserklärung

Ich versichere hiermit, dass ich die Seminararbeit selbstständig verfasst habe. Andere
als die ausgewiesenen Hilfsmittel wurden nicht verwendet.

____________________________________
Unterschrift

____________________________________
Ort, Datum

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