(DAS THEATER-STÜCK) ODER ROSENWUNDER PREMIUM RELOADED 800 - Hessisches Landestheater Marburg
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3 800 (DAS THEATERSTÜCK) ODER ROSENWUNDER PREMIUM RELOADED/UA Anah Filou Premiere: 11.06.2022, 20.30 Uhr Georg-Gaßmann-Stadion Besetzung: GRIN – Jorien Gradenwitz WOLLNASHORN – Mechthild Grabner SCHAUSPIELER – Metin Turan WEGENERA – Fanny Holzer WEGENERB – Marie Wolff TONJA – Saskia Boden-Dilling JURI – Georg Santner* LARA – Lisa Grosche ELISABETH – Jürgen Helmut Keuchel DIE KONTINENTALEN – Max Fabian Rosenkranz, Nefeli Iliou, Bjarne Becker, Diana Salomka, Lina Göttig, Nike Reindl, Alina Adrienne Hamelmann, Juliette Anais Owczarek, Nathalie Sorge, Katie Güngerich, Lucy Betz-Dreyer, Delilah Archinal, Eleni-Joleen Dudzinska, Delina Habtu Amanuel, Tami Burbach, Birte Winkler, Carla Seeberger, Fatima Kossuewa, Cosma Jünemann, Sophie-Elisabeth Isenko, Anna Lena Loeb *Schauspielstudio Marburg – Kooperation zwischen dem HLTM und der Kunstuniversität Graz Aufführungsdauer: ca. 1 Std. 30 Minuten, keine Pause Aufführungsrechte: Hessisches Landestheater Marburg WOLLNASHORN UND ELISABETH
4 5 Background-Chor: Rose Letso Steinhoff, Felipe Ramos, Eva Schaefer, Olena Technische Leitung & Werkstättenleitung: Steff Hans / Technische Marchenko Betreuung: Achim Reimschüssel (Bühnenmeister), Felix Arend, Ron Brück, Nico Gerl, Tobias Maurer, Dirk Richter, Christopher Simon / Beleuchtung: Band: Andreas Jamin (Posaune), Burkhard Mayer (Gitarre), Sven Demand Delia Naß (Leitung), Dennis Wießner (stellv. Leitung), Yassin Amajout, Max (Schlagzeug), Olaf Roth (Keyboards), Christian Keul (Bass), Hans Platte, Lars Weltmeyer / Ton: Ronald Strauß (Leitung), Tom Faber, Volker Kreuzinger / Peter Klohmann (Tenorsaxophon, Flöte), Jason Schneider Klass, Carsten Wackernagel / Requisite: Margarita Belger (Leitung), Ina Hill, (Trompete) Julia Skrabs /Maske: Grit Anders (Leitung), Sonja Marfutov, Caroline Müller-Karl, Kristin Rasch, Silvia Schröder, Tim Erdrich / Schneiderei: Cha-Cha-Cha-Tanzchor: Fabienne Quennet, Svenja Eske-Savage, Elfriede Caterina Marchi (Leitung), Kathleen Gröb, Hannah Konrad, Sarah Stark, Sauer, Renate Oelsner, Barbara Kutsche, Christa Leinkeit-Kepura, Stefanie Kerstin Uffelmann, Linda Weninger / Garderobe: Anna Peinecke, Michelle Paul, Katja Del Galdo, Theresia Jacobi, Sonja Schäfer, Waltraud Geiger, Liz Sorge, Elisabeth Szabó / Schreinerei: Jürgen Barth, Ralph Brunner, Patrizia Pape, Georgia Schwartung Hilberg / Schlosserei: Christian Zander / Malsaal: Jonathan Hees Marburg800-Marching-Band: Marburger Feuerwehrorchester in der Audiodeskription: Isabella Brawata, Matthias Huber Leitung von Sergej Wittmann Dank an: Projektchor: Maron Aigul, Annika Allien, Doris Betz, Lotte Breuer, Lidia Feil, Gabriele Vargas vom Staatstheater Darmstadt Martina Frische, Karin Gerberding, Ruth Graf, Dieter Gröninger, Barbara Marita Oelschläger vom Stadttheater Gießen Gutbell, Regina Hirsch, Sonja Jochmann, Sabina Kaiser, Karin Klein, Britta Flashlight Veranstaltungstechnik Koch, Christoph Koch, Sabine Marcus, Ingrid Palm-Hollnagel, Barbara Musikschule Marburg Pleyer, Sabine Schormann, Juliane Schreiber, Maria Seipelt, Peter Seipelt, Christiane Thöne, Frank Winterstein Ein herzlichstes Danke: Danke an alle, alle, die gesprochen haben, ihre Marburger G’schichtln und Eindrücke zur Verfügung gestellt haben, die an Statist*innen: Hannah Brenzinger, Anouk Svenja Drewemann, Anneli von der Umfrage mitgemacht haben! Danke alle, alle – alles drin im Stück! Und Lieres, Finn Nungesser, Natascha Rieke, Sigrid Leinweber, Diana Bauziene, wenn nicht: „Gestrichenes schimmert im Dunkeln“. Christiane Inacker, Dieter Hellkötter, Petra Bremer, Martin Künstler Diese Produktion wird ermöglicht durch die Sparkasse Marburg-Biedenkopf und die Sparkassen- Finanzgruppe Hessen-Thüringen im Rahmen des Stadtjubiläums Marburg800 der Universitätsstadt Technik on Stage: Felix Arend und Christopher Simon Marburg. Alle Informationen zum Stadtjubiläum finden Sie auf www.marburg800.de. Außerdem wird das Projekt durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und die Universitätsstadt Marburg Regie: Carola Unser / Choreografie: Sophia Guttenhöfer / Bühne: Stefani ermöglicht. Die 2. Vorstellung am 14.06.2022 ist eine exklusive Vorstellung der Oberhessischen Presse. Klie / Kostüm: Jörn Fröhlich / Kostüm-Mitarbeit: Cansu Incesu / Musikalische Leitung: Christian Keul / Dramaturgie: Lena Carle, Petra Thöring / Dramaturgisches Outside Eye: Christin Ihle / Projektkoordination: Max Linzner / Projektleitung: Tom Faber / Theaterpädagogik: Lotta Janßen, Max Linzner / Regieassistenz: Thessa Wähmann / Inspizienz: Xenia Strauss / Soufflage: Silke Knauff / Regie-Praktikum: Jule Freitag / Kostüm-Praktikum: Lara Kula / Dramaturgiehospitanz: Sara Gabor
7 „Explosionsgefahr“1, warnt ein verbeultes Schild am Weg zum Spiegelslustturm, vor dem „Achtung! Verlassen der Wege verboten!“ – und zu Dokumentations- zwecken fertige ich eine Skizze an, diese effektlos zivilisatorische Geste einmal gedanklich einzuholen versuchen. Der im Osten des dichter besiedelten Be- reichs gelegene Hügel besteht ja aus Wegen, es gibt hier: nur, ausschließlich, Wege – zwar durchaus mit Bäumen dazwischen – jedenfalls also ist: das Verlas- sen der Wege nicht nur verboten, sondern verunmöglich. Versuchsanordnung: hangabwärts problemlos von einem Weg auf den anderen gestiegen, hangauf- wärts mit einem, kleinen, Zwischenschritt. Sie nennen es: Wald. Und es, das Schild, das Schild im Wege-Wald, als eine bloße neurotische Verdopplung zu verstehen – analog: Bitte hier nicht zu fliegen! – muss arbeits-hypothetisch im Verlauf der Niederschrift eingefangen sein, sprich: Ich komme darauf zurück. Aber vor dem verbeulten Schild stehend, Notizbuch und Stift wieder im Ruck- sack verstauend, zwingt sich die „Explosionsgefahr“ ins sofort feuernde Be- wusstsein zurück: die „Explosionsgefahr“, die sich in der näheren Auseinander- setzung als je geschehende Zerstreuung von gedanklichen Wegen, mithin als „Explosion“ erweist. Die Wege, sie führten nach: 1 © Anah Filou
8 9 800 (DAS THEATERSTÜCK) 2 ODER ROSENWUNDER3 PREMIUM RELOADED4 genoss*innen als entwürdigend angesehene Tätigkeiten zu verrichten. Nach dem Tod ihres Mannes wurde Marburg zu ihrem Witwensitz. Dort gründete sie 1228 ein Hospital, in dem sie Kranke und Be- GRIN5 dürftige versorgte. Nach ihrem frühen Tod leitete ihr Beichtvater Konrad von Marburg ein Heiligspre- chungsverfahren ein, im Zuge dessen Wunder-Erzählungen gesammelt wurden und welches 1235 zu Wie kurios immer im Theater die Zeit vergeht!6 einem positiven Abschluss kam. Sophie von Brabant (1224 – 1275), Tochter der Heiligen Elisabeth, war durch Ehe Herzogin von Brabant und wurde nach kriegerischen Auseinandersetzungen um die Erbfolge Stammmutter des Hauses Hes- 2 „300“ ist der Titel einer US-amerikanischen Comic-Verfilmung aus dem Jahr 2006 über eine Epi- sen. Ihr Sohn Heinrich wurde 1292 als Landgraf von Hessen bestätigt und in den Reichsfürstenstand sode aus den Persischen Kriegen. „800“ ist etwas ganz anderes. Nämlich ein Theaterstück. Zum erhoben. 800-jährigen Jubiläum der Universitätsstadt Marburg. Herzlichen Glückwunsch! Die Elisabethkirche gilt als die älteste rein gotische Kirche dort, wo heute Deutschland ist. Sie wurde 3 Das Rosenwunder wird so oder so ähnlich erzählt: Einst ging Elisabeth von Thüringen mit einem über dem Grab der Heiligen Elisabeth errichtet, 1283 geweiht und zu einem der bedeutendsten Wall- von einem Tuch überdeckten Korb von der Burg herab ins Dorf. Als Heinrich, der neue Landgraf und fahrtsorte der damaligen Zeit. Von 2021 bis voraussichtlich 2024 wird die ursprüngliche Raumfassung Bruder ihres verstorbenen Mannes Ludwig, sie fragte: „Was hast Du in Deinem Korb?“ entgegnete sie in einem rosa Grundton mit weißem Fugennetz wiederhergestellt. Neben der schönen Fachwerks- mit demütiger Miene: „Rosen, Herr“. Ungläubig sah Heinrich selbst in den Korb und fand statt der eben Oberstadt und der schönen Autobahn ist die Elisabethkirche ein sehr schönes Postkarten-Motiv. eingepackten Brote unter dem Tuch lauter frisch duftende Rosen. Heinrich ging davon und ließ Elisa- Bei den Marburger Hexenprozessen wurden zwischen 1517 und 1695 mindestens 22 Frauen und zwei beth gewähren. (Vergleiche: http://brot-und-rosen.de/detail.details+M5eb932c475b.0.html) Mit der Männer getötet. Ihnen wurde am Lutherischen Kirchhof ein Denkmal gesetzt. (Vergleiche Stadtschrift: auch anderen Heiligen zugeschriebenen Legende wird Elisabeths Barmherzigkeit gegenüber den Ar- „Gefoltert, gestanden, zu Marburg verbrannt. Die Marburger Hexenprozesse“) men hervorgehoben. Die Marburger Jäger waren ein Verband der Preußischen Armee und beteiligt unter anderem an der 4 Englisch: nachgeladen, wieder aufgeladen Niederschlagung der Pariser Kommune, der Niederschlagung des Boxeraufstands in China, dem Völ- kermord in Namibia und Kriegsverbrechen in Belgien im Ersten Weltkrieg. Ihnen wurde im Ludwig- 5 Die Figur GRIN basiert auf: Brüder Grimm. Die Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob Schüler-Park ein Denkmal gesetzt, das seit 2020 durch die Installation „Verblendung“ von Heiko Grimm (1785 – 1863) und Wilhelm Grimm (1786 – 1859) gelten als Begründer der Germanistik. Gemein- Hünnerkopf kontextualisiert wird. sam gaben sie die weltberühmten Kinder- und Hausmärchen heraus und begannen mit der Arbeit am Die Synagoge in der Universitätsstraße 11 wurde beim Novemberpogrom 1938 von Marburger SA-Män- Deutschen Wörterbuch. Nach Marburg kamen die Brüder, um an der Philipps-Universität Rechtswis- nern geschändet und niedergebrannt. Die Kosten für die Abbrucharbeiten der Brandruine wurden der senschaft zu studieren. Im Forsthof, Ritterstraße 16, wo der Rechtsgelehrte Friedrich Karl von Savigny jüdischen Gemeinde in Rechnung gestellt. Auf dem Gelände ist ein Gedenkort eingerichtet. lebte, erhielten die Grimms Anregung zu ihrer Märchensammlung. Dort traf sich der „Marburger Ro- Philipp I., genannt der Großmütige (1504 – 1567), war Landgraf der Landgrafschaft Hessen und einer mantiker*innen-Kreis“ (zum Beispiel: Bettina von Brentano, ihr Bruder Clemens von Brentano und der bedeutendsten Landesfürst*innen und politischen Führer*innen im Zeitalter von Reformation und Bettinas späterer Ehemann Achim von Arnim). Renaissance im Heiligen Römischen Reich. 1527 gründete er die nach ihm benannte Philipps-Univer- 6 Sagt GRIN und zwölf Minuten lang ergießt sich ein Bilderrausch über das Spielfeld. Nämlich: sität Marburg, heute die älteste noch bestehende als protestantisch gegründete Uni. Die Organisation Das Wollnashorn war eine in den eiszeitlichen Kältesteppen zwischen Westeuropa und Ostasien ver- des Marburger Religionsgesprächs weist Philipp I. als an der Einigung der protestantischen Parteien breitete Art der Nashörner. Im Zuge der quartären Aussterbewelle starb die Art vor rund 12.000 Jahren interessiert aus. Ein G’schichtl: Weil er drei Hoden gehabt haben soll, sollte er zwei Frauen ehelichen zusammen mit zahlreichen anderen größeren Tierarten aus. Ursache können menschlicher Einfluss dürfen. Luther hats erlaubt. oder Klimaveränderungen oder eine Kombination sein. Ein Wollnashorn-Knochen, der im Stadtteil Martin Luther, Ulrich Zwingli, Philipp Melanchthon und weitere Reformatoren trafen 1529 auf Ein- Ockershausen ausgegraben wurde, weist ein kreisrundes Loch auf – möglicherweise vielleicht Ein- ladung von Philipp I. in Marburg zu einer theologischen Auseinandersetzung zwischen dem lutheri- schussloch eines von Menschen gefertigten Werkzeugs. Was auf eine frühe Besiedlung des Gebietes schen und dem reformierten Zweig der Reformation zusammen: Das Marburger Religionsgespräch! des heutigen Marburgs hinweisen könnte. Früh im Sinne von: Viel früher als vor 800 Jahren. Aber in der Frage nach der Bedeutung des Abendmahls fanden sie nicht zueinander. „Cum burgensibus civitatis“ → Latein: „mit den Bürger*innen der Stadt“. In der Reinhardsbrunner Kaufhaus Ahrens: 1869 Gründung des Stammhauses in Eisleben in Sachsen-Anhalt. Nach dem Zwei- Chronik wird erwähnt, dass sich der Landgraf Ludwig von Thüringen, Ehemann der Heiligen Elisabeth, ten Weltkrieg Enteignung durch die DDR. 1949 Gründung des Textilhaus Ahrens in Marburg. Nach dem am 28. März 1222 (da wurde nämlich sein Sohn geboren) bei einer Gerichtverhandlung „cum burgensi- ersten erfolgreichen Geschäftsjahr konnte eine Mitarbeiterin eingestellt werden. Heute circa 13.500 qm bus civitatis“ in Marburg aufhielt. Also: 1222 Jahren war die Stadtwerdung des heutigen Marburg so Verkaufsfläche mit mehr als 200 Mitarbeitenden. (Vergleiche: https://www.ahrensmarburg.de/mein_ weit vollzogen, dass es in einer Chronik als Stadt bezeichnet wurde. Also: Marburg800! ahrens/unternehmen/wir_ueber_uns.html) Besagter Landgraf Ludwig brach 1227 als Kreuzritter in Richtung Königreich Jerusalem auf. Verstarb Die Sparkasse Marburg-Biedenkopf ist das größte selbstständige Kreditinstitut im Landkreis. Die Bank aber auf dem Weg dorthin in einer italienischen Hafenstadt. ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Träger sind der Landkreis und die Stadt. „800 (DAS THEATER- Elisabeth von Thüringen (1207 – 1231), auch bekannt als: die Heilige Elisabeth, war eine ungarische STÜCK) ODER ROSENWUNDER PREMIUM RELOADED“ wurde nicht nur von der Universitätsstadt Mar- Prinzessin und deutsche Landgräfin. Bereits während ihrer Lebensjahre als Landesfürstin begnügte burg finanziell unterstützt, sondern auch durch die Sparkasse Marburg-Biedenkopf und die Sparkas- sich Elisabeth nicht mehr mit dem Geben von Almosen, sondern begann schwere und von ihren Zeit- sen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen.
10 11 Champagner-Bahnhof: Als Marburg 1850 Anschluss ans Schienennetz bekam, gestaltete sich die Hannah Arendt (1906 – 1975) war eine politische Theoretikerin, die ab 1924 in Marburg bei Martin Hei- Standortsuche laut der Stadtschrift „Die Stadt und ihr Bahnhof“ als schwierig. Die Entscheidung für das degger Philosophie studierte. Als Kritikerin des Nationalsozialismus und Jüdin gefährdet, flieht sie 1933 damals weit auswärts gelegene Gelände im Nordviertel wäre durch ein Trinkgelage herbeigebracht nach Paris, wo sie sich der „World Zionist Organization“ anschließt. Nach Kriegsbeginn in Frankreich worden. interniert, gelingt ihr 1941 die Ausreise nach New York. Sie schreibt für die deutsch-jüdische Exilzeitung Marburg galt als Hort der Reaktion und Nazi-Hochburg. 1930 war die NSDAP stärkste Partei, 1932 er- „Aufbau“, ist für die „Conference on Jewish Relations“ tätig und schreibt ihr Hauptwerk „Elemente und reichte sie die absolute Mehrheit, im Landkreis sogar eine Zweidrittelmehrheit. Als Adolf Hitler am 20. Ursprünge totaler Herrschaft“. 1961 nimmt sie als Berichterstatterin am Eichmann-Prozess in Jerusalem April 1932 in Marburg auftrat, versammelten sich 20.000 Menschen auf der Bürgerwiese. Und bei der teil und veröffentlicht 1963 das Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bö- Reichstagswahl im März 1933 errang die NSDAP 57,6 % (Reichsdurchschnitt 43,9 %). sen“. (Vergleiche: https://www.dhm.de/lemo/biografie/hannah-arendt) Arendt prägte den Begriff der Emil von Behring (1854 – 1917), Mediziner, Immunologe, Serologe und Unternehmer. 1895 Berufung „Natalität“, womit den Menschen die Fähigkeit zukomme, selbst neue Anfänge zu machen, also zu nach Marburg als Ordinarius für Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts der Medizinischen handeln. Fakultät. Er war Begründer der passiven antitoxischen Schutzimpfung („Blutserumtherapie“) und er- Erwin Piscator (1893 – 1966) war ein Theaterintendant, Regisseur, Theaterpädagoge und einflussrei- hielt 1901 den ersten Nobelpreis für Medizin. Besonders aufgrund seiner Erfolge bei der Entwicklung cher Avantgardist der Weimarer Republik, der das Theater unter Ausweitung der bühnentechnischen von aus Blutserum gewonnenen Arzneimitteln gegen die Diphtherie, welches er in Zusammenarbeit Möglichkeiten aus Sicht seiner Zeit zum „politischen Tribunal“ umfunktionierte. Mithilfe komplexer mit Kitasato Shibasaburō und Paul Ehrlich entwickelte, sowie gegen den Wundstarrkrampf (Tetanus), Arrangements von Filmdokumenten, Bildprojektionen, laufenden Bändern und Fahrstühlen kommen- wurde er in der Presse als „Retter der Kinder“ und – da das Tetanus-Heilserum insbesondere den Ver- tierte er das theatrale Geschehen und erweiterte die Bühne zum epischen Panorama. Die Jahre 1899 bis wundeten des Ersten Weltkriegs zugutekam – als „Retter der Soldaten“ gerühmt. Die Behringwerke 1913 verbrachte Erwin Piscator in Marburg, wo er im Haus Hirschberg 2 wohnte. Zwischen 1951 und waren ein pharmazeutisches Unternehmen, das aus dem Zusammenwirken Behrings mit den Höchster 1962 hatte er in Marburg eine Schaffensperiode als Gastregisseur von vier bedeutenden Inszenierun- Farbwerken hervorging und von 1904 bis 1997 bestand. Danach entstand am Standort in Marburg ein gen: „Nathan der Weise“, „Die Hexenjagd“, „Die Eingeschlossenen“ und „Dantons Tod“. (Vergleiche: Industriepark. Die bekanntesten dort ansässigen Unternehmen sind die weltweit tätigen Pharmapro- https://www.marburg.de/portal/seiten/erwin-piscator-900001285-23001.html) duzenten CSL Behring GmbH, GSK Vaccines GmbH, BioNTech Manufacturing Marburg GmbH und Wolfgang Abendroth (1906 – 1985) war ein Politologe, Jurist, Hochschullehrer und Widerstandskämp- Siemens Healthcare Diagnostics Products GmbH. fer gegen den Nationalsozialismus. 1950 bis 1972 Lehrstuhlinhaber für wissenschaftliche Politik an der Die Marburg-Virus-Infektion ist eine schwere Infektionskrankheit mit hohem Fieber und Blutungen Philipps-Universität Marburg. Abendroth entwickelte umfassende Vorstellungen zur Demokratisierung der inneren Organe. Virus und Erkrankung von Menschen wurden erstmals 1967 in Marburg identifi- der Hochschule. Insbesondere in Personalfragen versuchte er, Parteigänger*innen und Sympathisan- ziert, als das Virus über importierte Meerkatzen aus Afrika in die Behringwerke gelangte. Bis heute ten*innen des NS-Regimes zu verhindern und stattdessen demokratische Wissenschaftler*innen in können nur die Symptome dieser Tropenkrankheit behandelt werden und die Sterblichkeitsrate ist Position zu bringen. Abendroth gilt als einer der wichtigsten Befürworter der studentischen Rebellion hoch. Es ist dennoch eine seltene Krankheit mit unter 600 registrierten Fällen bei 500 Todesfällen seit der 1960er Jahre, aber seine Hoffnungen galten stets einer Revolutionierung der Arbeiterbewegung. 1967. (Vergleiche: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/ Der von ihm mitbegründete „Bund demokratischer Wissenschaftler“ sollte dem Schutz der individuel- marburg.html) len Forschungsfreiheit vor gesellschaftlichen Angriffen dienen. Als „Morde von Mechterstädt“ wird die Erschießung von 15 zuvor festgenommenen Arbeitern auf der Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM) ist ein Klinikum der Rhön-Klinikum Straße von Mechterstädt nach Gotha in Thüringen durch Mitglieder des „Studentenkorps Marburg“ am AG. Es ist hervorgegangen aus den Universitätskliniken der Justus-Liebig-Universität Gießen und der 25. März 1920 bezeichnet. Der Vorfall und die nachfolgenden Freisprüche der Täter erregten großes Philipps-Universität Marburg. Diese wurden durch das Land Hessen 2005 fusioniert, in eine GmbH öffentliches Aufsehen und wurden in Publizistik und Politik kontrovers diskutiert. Vertreter der politi- überführt und anschließend durch Verkauf von 95 % der Geschäftsanteile privatisiert. Aus einem Biet- schen Linken und demokratischen Mitte verurteilten die Tat der Studenten als feigen Mord und be- Verfahren ist die Rhön-Klinikum AG als Käuferin hervorgegangen, der Kaufpreis der beiden Kliniken trachteten sie als symptomatisch für die reaktionäre, republikfeindliche Einstellung großer Teile der betrug 112 Millionen Euro. 2006 hat der Hessische Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP dem Studierendenschaft und eine über burschenschaftliche Männerbünde korrumpierte Justiz. Die 15 Ar- Verkauf der Gesellschaftsanteile der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH an die Rhön-Kli- beiter wurden laut Verteidigung „auf der Flucht“ erschossen. Jedoch befinden sich die Einschusswun- nikum AG zugestimmt. 5 % der Geschäftsanteile verbleiben beim Land, das somit faktisch keinen Ein- den meist auf der Körpervorderseite und die Schüsse wurden aus nächster Nähe abgegeben. Eine Ge- fluss mehr auf die Geschäftsführung hat. Gesetzliche Regelungen sollen Forschung und Lehre in die- denktafel an der Mauer der Alten Universität weist auf die „Morde von Mechterstädt“ hin und stellt sem Spezialfall gewährleisten, darüber hinaus wurden umfangreiche vertragliche Regelungen zwi- gleichzeitig den am Rudolphsplatz platzierten, von den Marburger Korporationen zur 450-Jahrfeier der schen dem Land Hessen, der Rhön-Klinikum AG und den beiden Universitäten geschlossen. Das wis- Universität gespendeten Brunnen in einen kritischen Kontext. senschaftliche Personal ist weiterhin beim Land Hessen beschäftigt und wird für Dienstleistungen in „Wählt Thälmann“ steht auf einer Mauer am Marktplatz geschrieben. Das älteste Graffito Marburgs, der Krankenversorgung der GmbH gestellt. Die erste komplette Universitätskliniksprivatisierung in der quasi ein Wahlplakat, sollte dazu dienen, bei den Wahlen zum Reichspräsidenten 1932 für Ernst öffentlichen Hochschulmedizin Deutschlands war und ist umstritten: Neben einer Bürger*innen- Thälmann, den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Werbung zu machen. Außerdem kandidier- Initiative gab es eine Initiative für ein Volksbegehren gegen die Privatisierung, zahlreiche Protestaktio- ten Adolf Hitler und Paul von Hindenburg. Letzterer gewann die Wahl und ernannte 1933 Hitler zum nen und Demonstrationen und politischen Widerstand, weil eine Verschlechterung der Patient*innen- Reichskanzler. Hindenburgs Grab übrigens wurde im Zweiten Weltkrieg verlegt und befindet sich seit Versorgung und der Arbeitsbedingungen befürchtet wurde. 1946 in der Elisabethkirche. Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn äußerte sich im Herbst 2021, dass es nur wenige The-
12 13 ♪ Carlos Argentino y la Sonora Matancera: En el Mar 7 WEGENERA Die Sache mit den 800, DIE KONTINENTALEN8 Tanz. WEGENERB lassen Sie uns die Sache mit den 800 WEGENERA9 Es tanzt! WEGENERA gleich ein bisschen ins Verhältnis, WEGENERB10 Und es tanzt immer schon. WEGENERB ins Verhältnis setzen. Guten Tag Wegener! DIE KONTINENTALEN Tanzen immer schon – noch ein bisschen tanzen11. WEGENERA Guten Tag Wegener! men gäbe, die sie so intensiv beschäftigen, wie das UKGM. (Vergleiche: https://www.op-marburg.de/ Marburg/Angela-Dorn-Bei-Entwicklungen-am-UKGM-ist-Aufklaerung-wichtig). Der Dannenröder Forst ist ein etwa 1000 Hektar großer und rund 250 Jahre alter Wald mit einem SCHAUSPIELER12 hohen Anteil an Buchen und Eichen. Er liegt zwischen Homberg (Ohm) und Stadtallendorf, etwa 20 Guten Tag, gleich auch von mir, ich bin Schauspieler. Kilometer östlich von Marburg. Im Oktober 2019 wurde der Wald aus Protest gegen eine Teilrodung dieses und angrenzender Wälder von Umweltaktivist*innen besetzt. Für den Weiterbau der A49 sollen TONJA & JURI & LARA13 85 Hektar Waldfläche gerodet werden, 27 davon im Dannenröder Forst. Außerdem wird eine Versiege- lung von insgesamt 123 Hektar Fläche mit Asphalt erwartet. Ende 2020 beendete einer der größten Guten Tag! Polizeieinsätze in der Geschichte des Landes Hessen nach 69 Einsatztagen mit täglich bis zu 2000 Einsatzkräften die Besetzung. Mehrere Personen wurden dadurch teils schwer verletzt. Bereits parallel TONJA zum Polizeieinsatz wurde die Trasse gerodet, die Bauarbeiten sollen im Herbst 2024 abgeschlossen werden. Tonja. BioNTech Manufacturing Marburg GmbH produziert in Marburg. Hier mit mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2 geimpft zu werden ist also bissi so wie als Obelix in den Zaubertrank zu fallen. Bissi bissi. 7 „Am Meer ist das Leben g’schmackiger“, sang Carlos Argentino Torres (1929 – 1991), ein argen- 12 Die Figur SCHAUSPIELER hat sehr viel zu tun. Spielt sehr viele Figuren. Siehe Fußnoten 25 – 28. tinischer Sänger, dessen bürgerlicher Name Israel Vitensztein Vurm lautete. Aber Marburg liegt doch 13 Diese drei Figuren basieren auf den gleichnamigen Figuren aus dem Roman „Doktor Schiwago“ gar nicht am Meer? Marburg liegt gar nicht am Meer! Das „Mar“ in „Marburg“ kommt von „Grenze“. von Autor Boris Pasternak (1890 – 1960; hat 1912 ein Auslandssemester an der Philipps-Universität Mar- 8 Der Chor DIE KONTINENTALEN basiert auf den sich bewegenden Kontinentalplatten. Zu den mit burg absolviert) bzw. auf den – auf den gleichnamigen Figuren aus dem Roman „Doktor Schiwago“ von der Plattentektonik verbundenen Prozessen und Erscheinungen zählen die Entstehung von Faltenge- Boris Pasternak basierenden – Figuren des gleichnamigen Films von Regisseur David Lean aus dem birgen durch den Druck zusammenstoßender Kontinente sowie die häufigsten Formen von Vulkanis- Jahr 1965. Zum Inhalt: Der Roman erzählt die Lebensgeschichte des russischen Arztes und Dichters Juri mus und Erdbeben. Andrejewitsch Schiwago, der sich vom sensiblen Kind zum Sozialisten und schließlich zum Dissiden- 9 Basiert auf: Alfred Wegener (1880 – 1930), Meteorologe und Geowissenschaftler, der 1908 bis 1919 ten entwickelt. Breiten Raum nimmt das Verhältnis zu seiner Geliebten Lara und Ehefrau Tonja ein. an der Philipps-Universität Marburg als Privatdozent tätig war. Erst posthum wurde seine Theorie der Die Handlung erstreckt sich über den Ersten Weltkrieg, die Oktoberrevolution, den Russischen Bürger- Kontinentalverschiebung anerkannt. Was beschreibt diese Theorie? Die langsame Bewegung, Aufspal- krieg bis zur Etablierung der Sowjetunion 1922 und darüber hinaus. Der 1956 fertiggestellte Roman tung und Vereinigung von Kontinenten. durfte wegen seiner kritischen Darstellung der Oktoberrevolution in der Sowjetunion nicht veröffent- licht werden. Er erschien erstmals 1957 in italienischer Übersetzung, dann 1958 als russische Original- 10 Nochmal! Was für Verhältnisse! Alles in Bewegung! ausgabe. Die Publikation in der Originalsprache war die Voraussetzung dafür, dass der Autor für einen 11 Die KONTINENTALEN zitieren hier aus „Nein, Mann!“, einem 2010 publizierten Musiktitel von Literaturnobelpreis in Betracht gezogen werden konnte. Und den bekam er! 1958. Aber darauf kommen Laserkraft 3D. TONJA, JURI und LARA später noch zu sprechen.
14 15 JURI WEGENERA Juri. Lassen Sie uns die Sache mit den 800 aus der Perspektive Geowissenschaf- ten gleich, LARA Lara. WEGENERB gleich ein bisschen ins Verhältnis setzen. WEGENERB Guten Tag! WEGENERA Ich sage nur: WEGENERA Guten Tag! Guten WEGENERB Kontinentalverschiebung sage ich nur. WEGENERB Tag. WEGENERA Kontinentalverschiebung! DIE KONTINENTALEN Wir tanzen immer schon. Tanzen so vor uns hin so, miteinander daher so, WEGENERB aneinander vorbei so, durcheinander hindurch so, auseinander heraus so, Die Kontinentalen: übereinander darüber so, aufeinander zu, so, sehr, wir – Tanz! DIE KONTINENTALEN WEGENERA Wir tanzen immer schon. Überhaupt bester Club, sagen wir, wir sagen: Pla- 800 ist nämlich sehr wenig. net kleiner Blauer15, das ist bester Tanz. Am besten getanzt? Im auf dem kleinen Blauen. Und noch’n bisschen tanzen? Tanzfläche kleiner Blauer, WEGENERB sagen wir. Auf dem kleinen Blauen tanzt es sich. Ja da tanzt es sich und der Aus der Perspektive Geowissenschaften14 ist 800 sehr wenig. ganze Kleine ganze Blaue tanzt. WEGENERA Ach die Kontinentalen. Die Kontinentalen tanzen. 14 Die Geowissenschaften beschäftigen sich mit der Entstehung, der Entwicklung und dem Zu- stand des Systems Erde und den darin ablaufenden Stoff- und Energiekreisläufen sowie Prozessen. Sie WEGENERB erforschen den Erdkörper und die Erdoberfläche sowie die Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf Oh die Dramen! Oh welch Dramen! Oh! die Umwelt und die Entwicklung des Lebens. Es geht dabei einerseits um die Beantwortung aktueller Fragen z. B. zur Standsicherheit von Bauwerken, den Auswirkungen von Meeresspiegelschwankungen oder der Abschätzung von Georisiken z. B. durch Erdbeben und Vulkanismus. Andererseits betreiben die Geowissenschaften wichtige Grundlagenforschung zum System Erde z. B. der Gebirgsbildung, dem Aufbau der Erde oder der Erforschung und Weiterentwicklung neuer Materialien. Zu den Studienfel- 15 Die KONTINENTALEN zitieren hier „Pale Blue Dot“ herbei; deutsch: blassblauer Punkt. Das ist der dern der Geowissenschaften zählen eine ganze Reihe naturwissenschaftlicher Disziplinen wie die Geo- Name eines Fotos der Erde, welches 1990 aus einer Entfernung von etwa 6 Milliarden Kilometer aufge- logie, Geophysik, Mineralogie, Meteorologie oder die Paläontologie. (Vergleiche: https://www.hoch- nommen wurde. Es handelt sich bis heute um das aus dem größten Abstand gemachte Foto der Erde. schulkompass.de/mathematik-naturwissenschaften/geowissenschaften.html)
WOLLNASHORN
18 19 WEGENERA Geowissenschaften ready. Wir plädieren für viel Tanz. Weh! DIE KONTINENTALEN DIE KONTINENTALEN Tanz! Und wir driften und drängeln und drehen und tauchen. Und tauchen Überhaupt bester Club, sagen wir, wir sagen: Clubkultur kleiner Blauer, das plötzlich auf und verabschieden uns und bilden uns, formieren, tangieren, ist Tanz. Da sind viele Bewegungen, die zu einer Bewegung, wo die vielen rasend aneinander vorbei und stoßen wir uns, wir berühren, verlieren, Bewegungen, die gemeinsamen Bewegungen also gemeinsam Bewegung – wir sind ein Chor! WEGENERA und kollidieren. Manchmal kollidieren die Kontinentalen. WEGENERA Ich sage nur: Verhältnis. WEGENERB Die Kontinentalen bewegen mit megalowattwatt und über die Millionen WEGENERB und Millionen betrachtet, Verhältnis aus der Perspektive Geowissenschaften, ich sage nur gleich: WEGENERA WEGENERA eine Bewegung Raumeinheit je Zeiteinheit, In Sachen Verhältnis hat zum Beispiel auch die Perspektive Geowissen- schaften, WEGENERB gewissermaßen immer nur Film-Still18, WEGENERB kann sich die Perspektive Geowissenschaften gleich bestens dazu ver WEGENERA halten, ich sage nur: gewissermaßen sowie Stroboskop-Wahrnehmung19, WEGENERA DIE KONTINENTALEN Ich sage nur: Die Perspektive Geowissenschaften ist ready16 für Planungs- überhaupt bester Club, sagen wir, wir sagen: aktionen in Sachen Club-Festkomitee in Sachen Parallelaktion17 800. WEGENERB WEGENERB zum Beispiel bewegen und verfalten sie sich, In Sachen Club-Festkomitee-Parallelaktion-800 ist die Perspektive 16 Englisch: bereit. 17 Die WEGENERS (und später allesamt alle) zitieren hier Robert Musil. Der nennt in seinem 18 Film-Stills, also Stand- bzw. Szenenfotos, werden vornehmlich als Werbematerial produziert, Hauptwerk „Der Mann ohne Eigenschaften“ (veröffentlicht ab 1930) die Vorbereitungen zum 70. sind in Kinofoyers und Schaukästen anzutreffen und sollen hier einen Eindruck des Films vermitteln, Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph im Jahr 1918 „Parallelaktion“. Denn: Dieses soll gegenüber den zeigen, welche Schauspieler*innen, Kostüme und Ausstattungen uns im Film erwarten. (Vergleiche: für dasselbe Jahr geplanten Feierlichkeiten zum 30. Thronjubiläum des Deutschen Kaisers Wilhelms II. https://www.foto-kunst-theorie.de/passagenbilder-das-film-still-als-prekaere-fotografie/) keinesfalls an Glanz und Ausstrahlung zurückstehen. Und was hat das mit Marburg zu tun? Vermutlich 19 Für alle, die noch nie im Strobo getanzt haben: Weil das Licht so zuckt, siehts aus als würden die sind die WEGENERS (und später allesamt alle) der Ansicht, dass die Vorbereitungen für das Fest dem Menschen so zucken. Die Wahrnehmung geht von Standbild zu Standbild und die Bewegung eigentlichen Fest in Glanz und Ausstrahlung nicht nachstehen. dazwischen fehlt. Findet die Choreografin Sophia Guttenhöfer.
20 21 DIE KONTINENTALEN WOLLNASHORN21 wir sind plötzlich Gebirge Tschuldigung? WEGENERA DIE KONTINENTALEN oder reißen auseinander und dann Nein noch ein bisschen tanzen! DIE KONTINENTALEN WOLLNASHORN plötzlich fluten wir uns Entschuldigung ich glaube ich meine ich habe, habe ich den Anfang ver- passt? Hat schon angefangen das? Entschuldigung den Anfang. Hat das WEGENERB Entschuldigung schon angefangen? Den Anfang bitte. Bitte Entschuldigung und dann flutet sich das, wo wie anfangen hat das schon habe ich den Anfang verpasst? Hat das schon war das schon ist das jetzt Entschuldigung. Entschuldigung habe ich WEGENERA den Anfang jetzt verpasst? Entschuldigung hat das schon angefangen das sedimentiert20 sich das was, und habe ich den Anfang verpasst? Ich glaube ich meine ich kenne mich nicht aus, dass das angefangen hat. Das hat ja angefangen ja Entschuldi- DIE KONTINENTALEN gung habe ich den Anfang verpasst? Ich kenne mich nicht aus den Anfang plötzlich übereinander sind wir Schichten bitte. Bitte Anfang jetzt, Tschuldigung. WEGENERB GRIN die Geschichten des ganzen Kleinen, ganzen Blauen, Willkommen! Willkommen im auf dem kleinen Blauen! Wie schön, dass wir hier was miteinander anfangen können. Wir spielen die Hits der letzten WEGENERA Millionen und Milliarden! Kapelle! Musik! ich habe die Erde gar nicht wieder erkannt, ♪ The Sharks: Hey komm in den Club22 WEGENERB die Schichten sind ja da. GRIN Also willkommen! Willkommen liebes Publikum. Mein Name ist Grin und DIE KONTINENTALEN es war einmal, da sollte ein Fest geschehen und so kamen die burgensibus Da überall tanzen wir. civitatis in Sachen 800 zusammen. Das Wollnashorn, der Schauspieler, 21 Die Figur WOLLNASHORN kommt zu spät zur Sitzung. Kommt vor. 22 Dieser Song war laut der Stadtschrift „CLUB E. Beat, Bier & Beischlafköfferchen“ Erkennungsme- 20 Sedimente sind verschiedene anorganische und/oder organische Materialien, die – nach einem lodie des früheren „Club E“ am Steinweg 9: „Was der Starclub für Hamburg, das war in Marburg der kürzeren oder längeren Transport durch Schwerkraft oder ein strömendes Medium – auf dem trocke- Club E für die Region Nordhessen: Ein Treffpunkt für junge Leute, die in den sechziger Jahren Beatmu- nen Land oder am Grund eines Gewässers abgelagert werden. Sedimentgesteine, Ablagerungsgesteine sik live hörn wollten. […] Mit der Eröffnung des Club E hatte die Familie Störmer am 21. Januar 1963 die oder Schichtgesteine sind mehr oder weniger feste Gesteine, die im Laufe geologischer Zeiträume aus richtige Nase gehabt. So etwas gab es bis dahin im heimischen Raum noch nicht. Im Vier-Wochen- solchen Sedimenten hervorgegangen sind. Und das ist doch eine ziemlich gute Metapher für Geschich- Rhythmus spielten damals die verschiedensten Beatbands im kleinen Keller am Steinweg auf“. (Ver- te, Geschichtsschreibung, Geschichtswerdung. Findet die Autorin Anah Filou. gleiche: Oberhessische Presse vom 1. September 1988, http://www.cem2002.fester.de/5gesch.htm)
22 23 Wegener und Wegener und die Kontinentalen, Tonja und Juri und Lara, vor TONJA & JURI & LARA Also: es waren einmal welche und die wollten ein Fest veranstalten. Und so We O We – wow! ein Geburtstagsfest, vielleicht auch noch mit Geburtstagsüberraschung, so etwas will ja vorbereitet werden, so etwas will gut vorbereitet sein. Und SCHAUSPIELER also kamen die burgensibus civitatis zur Sitzung zum Festkomitee zusam- Genau! Also wegen der Umfrage, besser gesagt, wegen den Ergebnissen der men. Was das wohl werden wird, dieses Fest. Liebes Publikum! Club-Fest- Umfrage und weil ich Schauspieler bin, bin ich hier heute Abend in Vertre- komitee-Parallelaktion-800-Club steht am Spielfeld bereit und in drei, tung von den eben gesagt Ergebnissen dieser Umfrage, bin ich anwesend zwei, eins, Klappe: Action23! hier, bei diesem, ja, Dings. SCHAUSPIELER WEGENERA So! Wenn ich mich kurz vorstellen darf. Also ich bin hier in Vertretung. In Club-Festkomitee-Parallelaktion-800-Club. Vertretung von! Nämlich es hat eine Umfrage24 gegeben, wurde eine Umfra- ge mit Fragebogen gemacht, in Bezug auf dieses, auf dieses, äh, Dings, äh, SCHAUSPIELER Wie bitte was? TONJA & JURI & LARA Ef E Es Te – Fest! WEGENERB Club-Festkomitee-Parallelaktion-800-Club. SCHAUSPIELER Das Fest! Genau! Also: was gibt es? Das wurde umgefragt. Also was gibt es TONJA zum Beispiel für, für Musik ja, für Themen auch und eben zum Beispiel Fi- Willkommen beim Club-Festkomitee-Parallelaktion-800-Club! guren. WOLLNASHORN TONJA & JURI & LARA Hallo also ich freue mich, freue mich also, dass wir hier was miteinander U En De – und? anfangen da freue ich mich. Sehr. SCHAUSPIELER SCHAUSPIELER Und deshalb bin ich hier heute Abend in Vertretung. Ich bin nämlich Beim, also, Club-Festkomitee-Parallelaktion-800-Club möchte ich mich Schauspieler. also kurz vorstellen. Ich bin Schauspieler und mein Schauspiel ist sportiv. Das heißt, ich kann mehrere Spiele auf einmal spielen. Zum Beispiel einen Johann Wolfgang von25 spielen und gleichzeitig Elisabeth Mentzel26 spielen. 23 Kommando beim Filmdreh. Aus dem Englischen: Aktion. 24 Der hier vorliegende Text entstand nach einer dreimonatigen Recherche-Phase, während der die Autorin Anah Filou Gespräche mit circa 100 Menschen führte und etwas weniger als 100 Bücher las. 25 Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) gilt als einer der bedeutendsten Schöpfer Bei einer Zwischenpräsentation im Hessischen Landestheater Marburg führte die Regisseurin Carola deutschsprachiger Dichtung. Er soll einmal eine Nacht auf Reisen in Marburg verbracht haben. Unser eine Erhebung durch, an der 35 Personen teilnahmen. Ob diese qualitativ oder quantitativ war, 26 Elisabeth Mentzel, geborene Schippel (1847 – 1914), war Krankenpflegerin und Schriftstellerin, da streiten sich die Geister. Ihre Repräsentativität ist aber auf jeden Fall fragwürdig, umso schöner: Die geboren in Marburg. Sie betrieb Forschungen zur deutschen Literatur der Klassik, zur Geschichte des Ergebnisse der Umfrage sowie der Gespräche sind in den vorliegenden Text eingeflossen. Frankfurter Theaters und schrieb Gedichte, Erzählungen und Romane.
24 25 Und gleichzeitig spiele ich vielleicht Tadako Urata . Oder einen Philipp . 27 28 WEGENERA Ja. Sportiv! Emil von Behring hatte auch was mit der Uni. TONJA WOLLNASHORN Boris Pasternak29 hat übrigens auch ein bisschen in Marburg studiert. Kenn ich nicht. WOLLNASHORN WEGENERB Kenn ich nicht. Behring und die Blutserumtherapie. WEGENERA WEGENERA Alle haben in Marburg studiert.30 Nämlich! JURI WEGENERB Aber nur einer hat den Schiwago geschrieben. Sehr aktuell! LARA LARA Und nur einer hat den Nobelpreis. Nobelpreis für Literatur. WEGENERB JURI Aber den Nobelpreis hat auch Emil von Behring zum Beispiel. Es geht natürlich um den Nobelpreis für Literatur. TONJA Also Pasternak spielen Sie auch? 27 Tadako Urata (1873 – 1935) war eine japanische Augenärztin und die erste Frau, die in Deutsch- land im Fach Medizin promovierte. Und zwar wo? In Marburg! SCHAUSPIELER 28 Philipp I., genannt der Großmütige (1504 – 1567), war Landgraf der Landgrafschaft Hessen; siehe Nein. Nein also basierend auf den Ergebnissen der Umfrage in Vertretung Fußnote Nummer 6. von denen oder der ich hier heute Abend anwesend bin, die sollen alle vor- 29 Boris Pasternak (1890 – 1960) war ein russischer Erzähler und Lyriker. An der Philipps-Universi- tät Marburg hörte er bei Hermann Cohen (jüdisch-deutscher Philosoph des Neukantianismus). 1958 kommen das wurde umgefragt und das vertrete ich, Pasternak vertrete ich wurde Pasternak aus dem Russischen Schriftstellerverband, deren Vorsitzender er 1934 noch gewesen nicht, nicht ich, also jedenfalls ich spiele: Die Kneipen der Stadt31, eine Zeit- war, ausgeschlossen. Im gleichen Jahr erhielt er den Nobelpreis für Literatur, den er allerdings auf reisende32, Sophie von Brabant, das Biegeneck33. Außerdem 800 Bürger*in- Druck von Partei, Staat und Schriftstellerverband ablehnen musste. Sein Hauptwerk „Doktor Schiwago“ durfte viele Jahre lang nicht in der UdSSR erscheinen, erst 1988 wurde dieser Roman in der Sowje- tunion erstmals veröffentlicht. (Vergleiche: http://www.marburg-net.de/pasternak.html) 31 Zutaten für einen „rostigen Nagel“: Ingwerschnaps, Rum und Tabasco. 30 Naja! Aber: Marburg hat keine Uni, Marburg ist eine. Nämlich: Die Philipps-Universität ist der 32 Das wäre ein möglicher weiterer Untertitel für 800 (DAS THEATERSTÜCK) ODER ROSENWUN- größte Arbeitgeber in Marburg und damit der bedeutendste Wirtschaftsfaktor der Region mit über DER PREMIUM RELOADED gewesen: „eine Zeitreise“. Findet die Regisseurin Carola Unser. 22.000 Studierenden im Wintersemester 2021/2022 und rund 4.300 Beschäftigten (zusätzlich zu den 33 Das „Biegeneck“ war von 1990 bis 1993 Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen zwischen rund 4.300 Mitarbeiter*innen am Marburger Standort des Universitätsklinikum Gießen und Marburg, der „Gegenkultur von unten“ und der damaligen, an Kapitalinteressen orientierten Modernisierungs- das seit Januar 2006 privatisiert ist). (Vergleiche: https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/profil/ und Stadtplanungspolitik. Auf dem Gelände befanden sich die Halle einer stillgelegten Zentrifugenfa zahlen-rankings/beschaeftigtenzahlen) brik, einige Wohnhäuser und ein ehemaliger Schlachthof. Hier tummelte sich fröhlich Marburgs alter-
26 27 nen aus Maribor , die Stadtteile , Ulrike Meinhof , Hannah Arendt, Erwin 34 35 36 SCHAUSPIELER Piscator, Lena Gercke37 und ja, Emil von Behring. Und: die Verkehrswende38. WOLLNASHORN WOLLNASHORN Kenn ich nicht. Kenn ich nicht. Entschuldigung das kenne ich nicht. Aber Entschuldigung ich kenne mich nicht aus ich, jeden Tag und immer und die kenn ich alle nicht! immer wieder, ich verstehe das nicht, bekomme ich das nicht in meinen Kopf hinein, in meinen eigentlich recht großen, ich bin ein Wollnashorn, dass in dieser Stadt, in der alle immer von Verkehrswende sprechen, alle sprechen immer von Verkehrswende in dieser Stadt, dass die hier geschal- tete Ampelschaltung den Autoverkehr zum Normalverkehr erklärt und alle native Szene: Es gab viel Kultur, Kunst und Musik in den alten Industriegebäuden, dazwischen bastelte man in WGs und Kneipen am radikalen Umsturz oder an subversiven Kreativprojekten. 1989 entschied anderen zur Ausnahme erklärt. Ich bin doch keine Ausnahme. Ich bin ein der rot-grüne Magistrat, das kleine Viertel für einen Hotelneubau mit Ladenpassage abzureißen. Bald Wollnashorn. Bitte Entschuldigung werde ich hier zur Ausnahme erklärt, darauf gründete sich die Biegeneckinitiative, ein breites Bündnis aus Marburger*innen, das alternative Ausnahme, die sich immer anmelden muss und den Normalverkehr Auto- Pläne vorschlug: das Viertel grundlegend zu sanieren, anstatt es abzureißen, sei doch viel sinnvoller – nicht nur im Hinblick auf ein ästhetisches Stadtbild. Ein Kulturforum mit Theater und Kunsthalle verkehr unterbrechen muss, stehe ich Wollnashorn mit meinem schönen war die Idee. Im Sommer 1990 schloss sich die Biegeneckinitiative mit verschiedenen Wohn- und Kul- Wollnashorn-Fell, stehe ich zum Beispiel an der Schwanallee39, ja zum Bei- turprojekten zur G.M.B.H. (gegen Marburger Bau- und Hotelspekulanten) zusammen. Es gab viele Fei- spiel weil ich ins Stadion40 will, stehe ich da und dann warte ich. Und soll ern, kreative Protestformen und handfeste Demonstrationen, bei denen breite Bevölkerungsschichten ich, ich Wollnashorn mit meinen schönen Wollnashorn-Hufen soll ich an „Hände weg vom Biegeneck“ skandierten. Nicht selten kam es zu Eskalationen mit der Polizei. Doch im Sommer 1993 wurden die letzten Häuser des Biegenecks abgerissen. Mit ihnen mussten insgesamt 80 der Ampel einen Schalter drücken, bin ich eine Ausnahme Erscheinung soll Bewohner*innen, sechs Gewerbebetriebe und sechs soziale Initiativen einem Viersternehotel mit La- ich mich Ausnahme Erscheinung anmelden oder was. Ich bin aber keine denpassage weichen. Der Ort war gut sechs Jahre lang ein lebhaftes kulturelles Zentrum gewesen. Ausnahme. Ich bin das Normalste von der Welt. Ich bin ein Wollnashorn. (Vergleiche: www.leben-in-marburg.de) 34 Maribor, deutsch: Marburg an der Drau (vor allem in Österreich verwendet), ist eine Stadt und Stadtgemeinde im Nordosten Sloweniens und mit 112.065 Einwohnenden (Stand 2019) dessen zweit- SCHAUSPIELER größte Stadt. Maribor ist Partnerstadt Marburgs. Kenn ich nicht. Das kenne ich jetzt nicht. 35 Die Universitätsstadt Marburg setzt sich aus der Kernstadt sowie 18 äußeren Stadtteilen mit eige- nen Ortsbeiräten zusammen. Diese Stadtteile waren bis in die 1970er Jahre selbstständig und wurden in der Gebietsreform in Hessen eingemeindet. Die Kernstadt ist in 15 Innenstadtbezirke unterteilt, die über sieben weitere Ortsbeiräte verfügen. Das bis 1931 selbstständige Ockershausen (nebst Stadtwald) und der erst in den Jahren ab 1963 erschlossene Richtsberg (Oberer und Unterer) verfügen mindestens 38 Als Verkehrswende, auch Mobilitätswende, wird der gesellschaftliche, technologische und seit 1993 über einen Ortsbeirat, 2015 wurden überdies Ortsbeiräte für die vier inneren Kernstadtbezirke politische Prozess bezeichnet, Verkehr und Mobilität auf nachhaltige Energieträger, sanfte Mobilitäts- Altstadt, Campusviertel, Weidenhausen (eingemeindet 1929) und Südviertel sowie für das Waldtal im nutzung und eine Vernetzung verschiedener Formen des Individualverkehrs, des öffentlichen Perso- Nordosten der Kernstadt eingerichtet. nennahverkehrs und des Güterverkehrs umzustellen. Sie beinhaltet auch einen kulturellen Wandel, 36 Ulrike Meinhof (1934 – 1976) war eine Journalistin und radikale Linke, die später zur Linksterror- eine Umverteilung des öffentlichen Raums und eine Umleitung von Geldströmen. Und was hat das mit istin wurde. In den 1950er Jahren war sie in der Bewegung „Kampf dem Atomtod“ engagiert, seit 1959 Marburg zu tun? In Marburg sprechen alle immer über Verkehr. Findet die Autorin Anah Filou. als Redakteurin der Zeitschrift „Konkret“, ab 1965 in der Außerparlamentarischen Opposition. 1970 39 Um die Schwanallee zu überqueren, gibt es an der Aral-Tankstelle eine Fußgänger*innen-Ampel. nahm sie an der gewaltsamen Befreiung Andreas Baaders aus der Haft teil, gründete die Rote Armee Deren Zeitschaltung war (da wurde seit Entstehung dieses Textes nachgebessert – jauchz!) derart Fraktion mit und verfasste deren ideologisches Konzept. Zwischen 1955 und 1957 studierte Meinhof in knapp bemessen, dass ein Überqueren innerhalb der Grün-Phase eigentlich ausgeschlossen war. Marburg. 40 Gemeint ist das Georg-Gaßmann-Stadion. Besagter Gaßmann war 1951 bis 1970 Oberbürgermeis- 37 Lena Gercke ist Model und Fernsehmoderatorin. Sie gewann 2006 die erste Staffel von „Germa- ter der Universitätsstadt Marburg. Die Stadt verdankt ihm den Bau der Stadtautobahn. Sein Vorhaben, ny’s Next Topmodel“ und moderierte von 2009 bis 2012 die ersten vier Staffeln von „Austria’s Next die alten Fachwerkhäuser der Oberstadt niederzureißen und durch eine autofreundliche Innenstadt zu Topmodel“. Sie wurde 1988 in Marburg geboren. ersetzen, konnte er nicht durchsetzen.
LARA, JURI, TONJA
30 31 WOLLNASHORN komitee-Parallelaktion-800-Club steht in den Startlöchern bereit und in Und dann mal angenommen dieser angenommenen Normalverkehr wird drei, zwei, eins, Klappe: Action! für den angenommenen Ausnahmeverkehr unterbrochen, endlich eine Lü- cke, aber was für eine Lücke, quasi gar keine Lücke, weil diese Lücke die TONJA & JURI & LARA mir Wollnashorn zugestanden wird, die will mich nicht als Wollnashorn, So! die will mich als Rakete, als sehr schnelle Maschine mindestens, weil ich Wollnashorn ich habe es ausprobiert, immer und immer und immer wie- TONJA der, aber die Ampelschaltung will mich als was anderes haben, ich Wollnas- Also ich erkläre die Sitzung hiermit für eröffnet. horn schaffs nicht über die Schwanallee, wenn der Normalverkehr Autover- kehr für mich Ausnahme Erscheinung unterbrochen wird, ich bin zu lang- TONJA & JURI & LARA sam für diese Lücke, oder zu Wollnashorn oder zu sonst irgendwas, der Willkommen! Normalverkehr der mich immer nur als Ausnahmeverkehr haben will, will mich auch noch als eine ganz bestimmte Ausnahme, als Raketen Ausnah- JURI me, Ausnahme die ich gar nicht bin, ich bin hier offenbar überhaupt nicht Ja wollen wir anfangen? im Verkehr gedacht oder was und ich soll hier überhaupt nicht verkehren und das verstehe ich nicht. Weil ich finde mich Wollnashorn Verkehr, so LARA wie ich verkehre, das finde ich Normalverkehr. Wollnashorn! Ganz normal Und wer schreibt Protokoll? Wollnashorn. JURI ♪ Ray Conniff: Tammy41 Stimmt wer schreibt? GRIN SCHAUSPIELER Also es war einmal, da hatten sich einige Leute zum Club-Festkomitee-Par- Wer möchte? allelaktion-800-Club zusammen gefunden, denn es sollte ein Fest gesche- hen und die einigen Leute waren ready für allerlei Planungs-Aktionen. Al- WEGENERA lerdings, liebes Publikum Sie werden es bemerkt haben, gab es zwischen Möchte jemand? den einigen ready Leuten allerlei Anfangsschwierigkeiten oder Verständi- gungsschwierigkeiten oder Vorstellungsschwierigkeiten oder Organisati- WOLLNASHORN onsschwierigkeiten oder Strukturschwierigkeiten und vielleicht mag ja Entschuldigung. dann mal jemand die Sitzung für offiziell eröffnet erklären. Also! Club-Fest- WEGENERB 41 Ein Lied aus dem Jahr 1957, das von Jay Livingston komponiert und von Ray Evans mit einem Wer schreibt? Text versehen wurde. Vorgestellt und gesungen wurde es von Debbie Reynolds in einer Liebeskomödie. Der Song erhielt eine Oscar-Nominierung. In der Stadtschrift „‚68. Stichworte Marburg A – Z“ wird aus GRIN Klaus Rainer Röhls Erinnerungen zitiert, er habe seine zukünftige Ehefrau Ulrike Meinhof zu dieser Ich schreibe. Melodie kennen gelernt. Allerdings wahrscheinlich in einer deutschen Cover-Version. Ray Conniff coverte das Lied jedenfalls 1960 als eine orchestrale Version. Und die ist am hübschesten. Findet der Musikalische Leiter Christian Keul.
32 33 WOLLNASHORN JURI Aha! Lara? TONJA SCHAUSPIELER Jedenfalls geht es bei der heutigen Sitzung, geht es um das Fest. Ich habe die Ergebnisse der Umfrage aufbereitet. TONJA & JURI & LARA WEGENERA Ef E Es Te – Fest! Aber wer hat die Tagesordnung vorbereitet? JURI WEGENERB Wir freuen uns da drauf. Wer war denn das? TONJA & JURI & LARA GRIN We I Er – wir! Ich habs geschrieben. SCHAUSPIELER WOLLNASHORN Ich auch! Aha! WOLLNASHORN SCHAUSPIELER Es wurde eine Tagesordnung vorbereitet. Wie gesagt: Ich habe die Ergebnisse der Umfrage aufbereitet. WEGENERA JURI Ist das eine Frage? So oder so. WOLLNASHORN LARA Nein Aussage. Wir fangen jetzt an. WEGENERB TONJA Wer hat die Tagesordnung vorbereitet? Jedenfalls: LARA SCHAUSPIELER Wer hat denn die Tagesordnung vorbereitet? Tonja? Also wegen der Umfrage TONJA TONJA & JURI & LARA Juri? Te O Pe – Top42 eins! 42 Abkürzung für „Tagesordnungspunkt“ bei einer Sitzung.
34 35 TONJA SCHAUSPIELER Die Berge müssen weg. Wegener und Wegener, das übernehmen Sie! Weiter Was ja ich, die Stadtteile vertrete ich! Wegen der Umfrage vertrete ich auch im Text. die Stadtteile. WEGENERA TONJA Was? Die Berge stehen im Weg und das ist ein Problem! Wegener und Wegener, das ist jetzt bitte Ihr Problem. TONJA & JURI & LARA Te O Pe – Top zwei! TONJA & JURI & LARA Te O Pe – Top zwei! SCHAUSPIELER Also nochmal wegen der Umfrage. SCHAUSPIELER Die Umfrage! WEGENERB Entschuldigung, was? LARA Wer kümmert sich um die Rosen? JURI Fragen bitte am Ende. WOLLNASHORN Rasen? Rasen was ja grasen, Tschuldiung Sie sagen Rasen? LARA Wer kümmert sich um die Rosen? WEGENERB Aber was heißt denn das? „Problem“, bitte was für ein Problem. WOLLNASHORN Rosen? Tschuldigung was, Rosen? TONJA Die Lage der Stadt ist unerträglich. Erstens: das Wetter. Zweitens: Die Berge SCHAUSPIELER zerteilstückeln die Stadt in Stadtteile. Deshalb drittens: Hat es der Verkehr Also nochmal wegen der Umfrage. so schwer. WEGENERA SCHAUSPIELER Nein Entschuldigung wie meinen Sie denn das? „Die Berge müssen weg“ – Verkehrswende! Also wegen der Umfrage. was heißt denn das? LARA JURI Wir möchten für das Fest gerne zusammenwachsen können. Wir möchten für das Fest gerne zusammenwachsen können. WOLLNASHORN LARA Der Rasen ist sehr schön gewachsen hier. Die Stadtteile möchten für das Fest gerne besser mehr zusammenwachsen.
36 37 JURI WEGENERA Aber eigentlich Fragen bitte am Ende. Wir zoomen heraus. TONJA WEGENERB Wir möchten für das Fest gerne zusammenwachsen. Danke! Also! Wir zoomen noch weiter hinaus. Entschuldigung. TONJA & JURI & LARA WEGENERA Te O Pe – Top zwei! 800 ist nämlich sehr wenig. DIE KONTINENTALEN DIE KONTINENTALEN Tanz! Wir tanzen und rasend aufeinander zu und wir werden ein Berg okay cool44. Okay cool wir verfalten uns, so tektonische Vorgänge, okay cool. Okay cool WEGENERA wir sind plötzlich ein Berg und wir tanzen immer noch. Wir wogen und Also die Sache mit den Bergen, wälzen, und wir wackeln auch, okay cool. Okay cool wir wachsen als Berg. Okay cool. WEGENERB lassen Sie uns die Sache mit diesen Bergen, WEGENERB Aber so ein Berg ist doch kein Problemberg Wegener. DIE KONTINENTALEN Tanzen immer schon-noch ein bisschen tanzen. WEGENERA Wegener aber so eine Landschaft ist doch nicht zum zur Seite zu schaffen. WEGENERA also gleich ein bisschen ins Verhältnis WEGENERB Also von wegener die Berge müssen weg. WEGENERB ins Verhältnis setzen. WEGENERA Wegener also die Berge müssen nichts. DIE KONTINENTALEN Wir sind plötzlich Gebirge. WEGENERB Die Berge bleiben aus der Perspektive Geowissenschaften vorläufig, WEGENERA Aus der Perspektive Geowissenschaften, oder sagen wir WEGENERA vorläufig bleiben nämlich die Berge. WEGENERB mit der Perspektive Geowissenschaften, zoomen43 wir. heranholen oder weiter wegrücken (Vergleiche: https://www.duden.de/rechtschreibung/zoomen). 43 Aus dem Englischen: den Aufnahmegegenstand (im Bild) mithilfe eines Zoomobjektivs näher 44 Die KONTINENTALEN zitieren hier den Song „Ok Cool“ von Yung Hurn aus dem Jahr 2018.
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