Das zentrale Riesenzellgranulom - Khaled Mukaddam, Daniel Baumhoer, Andreas Filippi

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Das zentrale Riesenzellgranulom - Khaled Mukaddam, Daniel Baumhoer, Andreas Filippi
ORALCHIRURGIE

Das zentrale Riesenzellgranulom
Khaled Mukaddam, Daniel Baumhoer, Andreas Filippi

   Indizes
   Zentrales Riesenzellgranulom, expansive Osteolyse, benigne Knochenläsion, Knochentumor

   Zusammenfassung

   Anhand eines Fallbeispieles eines 8-Jährigen Patienten wird über die Diagnose sowie chirurgische
   Therapie des zentralen Riesenzellgranuloms berichtet. Das zentrale Riesenzellgranulom gehört zu
   den benignen Knochentumoren, die lokal aggressiv wachsen. Die Therapie beinhaltet zumeist eine
   chirurgische Kürettage der Läsion. Im Falle einer Syndromassoziation – in der Regel RASopathien –
   kann auch über eine medikamentöse Behandlung diskutiert werden.

Einleitung                                              merkt und wird nur als Zufallsbefund bei der zahn-
                                                        ärztlichen Routineuntersuchung festgestellt.
Das zentrale Riesenzellgranulom wurde erstmals             Klinisch macht sich das zentrale Riesenzellgranu-
1953 von Jaffe et al.3 als reparatives Riesenzellgra-   lom durch eine schmerzlose Auftreibung sowie nach-
nulom beschrieben. Der Zusammenhang zwischen            folgend durch die Kippung bzw. Lockerung der Zäh-
einer möglichen Traumatisierung und der Entwick-        ne in den betroffenen Arealen des bezahnten Kiefers
lung dieser Läsion konnte nicht bestätigt werden,       bemerkbar. Die in der Osteolyse stehenden Zähne
sodass die Nomenklatur in zentrales Riesenzellgra-      reagieren grundsätzlich vital. Der Unterkiefer ist häu-
nulom geändert wurde7. Das Riesenzellgranulom ist       figer betroffen als der Oberkiefer4. Radiologisch zeigt
ein benigner Tumor des Kieferknochens, der sich         sich oft eine scharf begrenzte und wolkig imponie-
klinisch aggressiv verhalten kann. Ursächlich wur-      rende Osteolyse (uni- oder multilokulär) mit knöcher-
den vor Kurzem rekurrierende Mutationen im MAP          ner Auftreibung und ausgedünnter Kompakta.
(„Mitogen-activated protein“)-Kinase-Signalweg be-
schrieben (v. a. KRAS („Kirsten rat sarcoma 2 viral     Fallbericht
oncogene homologue“) und FGFR1 („Fibroblast
growth factor receptor 1“)), sodass es sich bei der     Im vorliegenden Fall stellte sich ein 8-jähriger Pati-
Läsion tatsächlich um eine Neoplasie handelt5. Rie-     ent auf Zuweisung des Privatzahnarztes zur Abklä-
senzellgranulome können sporadisch solitär, aber        rung und Therapie einer Läsion in Regio 31–32 vor.
auch multifokal (dann häufiger Syndrom-assoziiert)      Klinisch konnte eine Kippung des Zahnes 31 nach
vorkommen. In 12 % der Fälle neigt das zentrale Rie-    distal, eine Lockerung der Zähne 31 und 32 sowie
senzellgranulom zu Rezidiven5. Vor allem junge Pa-      eine deutliche linguale Auftreibung festgestellt wer-
tienten vor dem 30. Lebensjahr sind betroffen, hier-    den (Abb. 1). Die Zähne 31 und 32 waren kältesensi-
bei Frauen häufiger als Männer. Durch das langsame      bel. Durch den Privatzahnarzt wurde eine intraorale
expansive Wachstum der Läsion bleibt es oft unbe-       Zahnfilmaufnahme veranlasst (Abb. 2), die eine

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Khaled Mukaddam et al.

Abb. 1 Ausgangsbefund in Regio 31–73 mit deutlicher
lingualer Auftreibung.

Abb. 2                                                      Abb. 3 Digitale Volumentomografie der Aufhellung in
Zahnfilmaufnahme der                                        Regio 31–73 mit deutlicher Auftreibung der lingualen
Aufhellung in Regio 31–32.                                  Kompakta.

scharf begrenzte Aufhellung in Regio 31–32 zeigte.          Nach Infiltrationsanästhesien in Regio 73–83 (Septa-
Zur weiterführenden Abklärung wurde daraufhin               nest, Fa. Septodont, Niederkassel) wurde eine margi-
eine digitale Volumentomografie (DVT) veranlasst.           nale Inzision von 73–83 ohne Entlastung durchgeführt.
                                                            Nach Mobilisation des Mukoperiostlappens nach oral
Radiologischer Befund                                       zeigte sich bereits eine Perforation der aufgetriebenen
                                                            Kortikalis lingual der Zähne 31–32 (Abb. 4). Eine reprä-
Die DVT zeigte eine Osteolyse in Regio 31 und 32. Die       sentative Gewebeprobe der wabenartigen Läsion wur­
Größe der apikalen Radioluzenz betrug ca. 15 x 8 mm.        de vorsichtig präpariert und zur Aufbereitung an das
Ebenfalls zeigte sich eine linguale Auftreibung mit         Institut für Pathologie des Universitätsspitals Basel
aufgelockerter sowie ausgedünnter Kompakta. Der             geschickt. Des Weiteren wurde eine Kürettage im ent­
Parodontalspalt der Zähne 31 und 32 war in der DVT          sprechenden Areal durchgeführt, um die Veränderung
bis auf den interdentalen Bereich 31–32 durchgehend         möglichst in toto zu entfernen (Abb. 5). Nach Glät-
beurteilbar. Der periapikale Bereich der Zähne 31 und       tung der scharfen Knochenkanten und ausgiebiger
32 zeigte keinen pathologischen Befund (Abb. 3).            Spülung mit steriler isotoner Kochsalzlösung wurde
                                                            der Mukoperiostlappen reponiert und mit Einzelknopf-
Therapie                                                    nähten fixiert (Supramid 3-0). Zusätzlich wurde eine
                                                            TTS-Schienung (Fa. Medartis, Basel, Schweiz) der
Die Erziehungsberechtigten des Patienten wurden             Unterkieferfrontzähne durchgeführt (Abb. 6a und b).
präoperativ über den klinischen und radiologischen          Nach der Aufklärung über das Verhalten post operatio­
Befund sowie mögliche intra- und postoperative              nem erhielt der Patient einen Kühlbeutel zur Schwel-
Komplikationen aufgeklärt.                                  lungsprophylaxe sowie ein Rezept für ein Analgetikum.

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Abb. 4 Situation nach Mobilisation des Mukoperiost­         Abb. 5 Situation nach Kürettage.
lappens: wabenartige Läsion in Regio 41–32.

 a                                                           b

Abb. 6a und b Reposition des Mukoperiostlappens und Nahtverschluss (a) sowie bukkale Schienung der mobilen
Zähne mit einer TTS-Schiene (Fa. Medartis, Basel, Schweiz, b).

Verlauf/Recall                                              Riesenzellen vom osteoklastären Typ. Sie sind gut
                                                            vereinbar mit einem zentralen Riesenzellgranulom
Bei der Kontrolle und Nahtentfernung nach sieben            (Abb. 10).
Tagen zeigten sich reizlose Verhältnisse (Abb. 7).
Der Patient war beschwerdefrei. Drei Monate später          Diskussion
wurde die TTS-Schiene entfernt. Ein Kontrollzahn-
film zeigte eine progrediente Verknöcherung des             Die Therapie des zentralen Riesenzellgranuloms ist
Defektes. Bei der Kontrolle sechs Monate post ope-          in der Regel die komplette und sorgfältige chirur-
rationem war der Patient weiterhin beschwerdefrei           gische Entfernung der Läsion. Auch bei einem mög-
(Abb. 8 und 9). Aufgrund eines potenziellen Rezidivs        lichen Rezidiv ist eine chirurgische Intervention die
wird der Patient alle sechs Monate zum Recall be-           Therapie der Wahl2. Darüber hinaus werden auch
stellt.                                                     medikamentöse Therapieansätze diskutiert. Eine
                                                            Küret­tage in Kombination mit einer Steroidinjektion
Histopathologischer Befund                                  oder Calcitonin-Applikation zeigt gemäß Literatur
                                                            eine 60%ige Erfolgsrate. Auch Denosumab (Prolia
Histologisch zeigten sich ungerichtete und teils sto-       und XGEVA, Fa. Amgen, Thousand Oaks, CA, USA)
riforme mononukleäre Spindelzellproliferate mit dif-        wird als weitere mögliche Therapiealternative dis­
fus eingestreuten und eher kleinen mehrkernigen             kutiert. Durch diese antiresorptive Therapie wird die

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Abb. 7 Situation sieben Tage post operationem.

Abb. 8 Zahnfilm drei
Monate post operationem:
progrediente Verknöche­
rung und Konvergenz der
Zahnwurzeln

Abb. 9 Sechs Monate
nach Entfernung des
Riesenzellgranuloms.

Abb. 10 Histologisches Präparat: ungeordnete mono­
nukleäre Spindelzell­proliferate mit diffus eingestreuten
und eher kleinen mehrkernigen Riesenzellen vom osteo­
klastären Typ.

Ausbildung der osteoklastären Riesenzellen, die             Knochenzysten oder adenomatoide odontogene Tu-
inte­
    grativer Bestandteil der Riesenzellgranulome            moren. Letztgenannte Läsionen kommen ebenfalls
sind, gehemmt6. Zur Differenzialdiagnostik gehören          häufiger in den vorderen Kieferabschnitten vor. Die
andere, rein lytische oder pseudozystische Kiefer­          histopathologische Untersuchung und Klassifikation
tumoren wie z. B. Ameloblastome, aneurysmatische            im Anschluss an eine chirurgische Intervention ist

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zwingender Bestandteil der Diagnosesicherung.                      Hyperparathyreoidismus sollte weiterhin eine blutche-
Auch das periphere Riesenzellgranulom muss vom                     mische Untersuchung (Parathormon, alkalische Phos-
zentralen Riesenzellgranulom abgegrenzt werden,                    phatase und Calzitonin) erwogen werden.
da es sich hauptsächlich in der Gingiva manifestiert.
Es kann jedoch selten von außen den Knochen arro-                  Fazit
dieren und ggf. infiltrieren, was dann eine klare Ab-
grenzung zum zentralen Riesenzellgranulom er-                      ■ Zur sicheren Diagnosestellung des zentralen Rie-
schwert.                                                             senzellgranuloms ist neben der radiologischen
    Da das Riesenzellgranulom auch Syndrom-assozi-                   Bildgebung auch zwingend eine histopathologi-
iert vorkommen kann, sollte insbesondere bei Multifo-                sche Untersuchung erforderlich.
kalität eine detaillierte (Familien-)Anamnese und ganz-            ■ Die Therapie der Wahl ist nach wie vor die sorg-
körperliche Untersuchung erfolgen. Zum Ausschluss                    fältige chirurgische Intervention – auch nach Vor-
eines histologisch identischen braunen Tumors bei                    liegen eines Rezidivs.

Literatur
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Khaled Mukaddam et al.

                            Khaled Mukaddam                                                   Einfach. Machen.

                            Dr. med. dent.

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   Andreas Filippi
   Univ.-Prof. Dr. med. dent.
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QUINTESSENZ ZAHNMEDIZIN | Jahrgang 72 • Ausgabe 8
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