DAV gibt's nicht" - Eins & Drei
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8 © Deutscher Apotheker Verlag © DAV „Geht nicht, gibt’s nicht“ Wie pharmazeutische Kompetenz statt Preisaktivität funktioniert Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 9 © Deutscher Apotheker Verlag In Bayreuth sind sie mit ihren vier Apotheken einer der Platzhirsche: Apotheker Dr. Jens Landwehr und Apotheker Dr. Andreas Paul. Und dies, obwohl sie nicht mit Rabatten, Talern und OTC-Sonderangebotsflyern arbeiten. Ihr Credo ist, pharmazeutische Kompetenz zu zeigen und zu leben. Ihre Filialleitungen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen hinter dieser Philosophie. Text: Peter Ditzel Fotos: Philip Kottlorz © DAV D as vergangene Jahr hält die beiden Apotheker Jens Landwehr und Andreas Paul, die ihre vier Apo- theken in einer OHG führen, mächtig in Atem: In der mittel weiterverarbeitet“, erinnern sie sich. „Es war unglaublich, die Menschen standen bis auf die Straße, sie wollten alle ein Desinfektionsmittel haben.“ ersten Corona-Welle müssen sie die Schutzwände in Mit ihrem Facebook-Kanal, über den sie unter an- den Apotheken aufbauen und Arbeitsabläufe umstel- derem per Podcasts immer wieder neueste Infos über len, Masken besorgen, Desinfektionsmittel herstellen, den Verlauf der Pandemie, zum Corona-Virus und ihre aber vor allem viele beunruhigte Kundinnen und Kun- Einschätzung dazu in einer sehr persönlichen, gut den informieren und beraten. Dann setzt ihnen die verständlichen und einfachen Sprache verbreiten, er- Umstellung auf die neue Apobank-Soware zu, die reichen sie weit über 100.000 User. „Unsere Podcasts so nebenbei kurzzeitig mal eine sechsstellige Summe waren so erfolgreich, weil wir die Sorgen und die Nöte verschwinden lässt. Im September strei sie die AvP- der Menschen aufgegriffen und Antworten gegeben Insolvenz, zum Glück nicht mit dem Hauptgeschä. haben“, sind die beiden Apotheker überzeugt. Ihr per- Zwischendurch kommt ihre Mohren Apotheke im Zuge sönliches Fazit, warum sie das vergangene Jahr trotz der Black-Lives-Matter-Bewegung wieder einmal in die aller Widrigkeiten gut überstanden haben: „Den Rou- Diskussion. Und gegen Jahresende sorgt noch die zwei- tinebetrieb hatten wir quasi eingestellt, es kam eh te Corona-Welle mit Maskenausgabe und erhöhtem Be- immer anders. Unsere Routine war zu wissen, dass es ratungsbedarf für Mehrarbeit. „Das Jahr war heig“, jeden Tag anders kommt“, lacht Paul. resümieren sie, „aber wir haben es glücklicherweise Ein Problem bei der Arzneimittelbelieferung ist ohne gravierende Einschnitte überstanden.“ Die Coro- auch, dass sie meist aus einem Versorgungsengpass na-Wellen können sie sogar positiv nutzen: „Wir wa- heraus handeln müssen: „Wir haben uns deshalb so- ren von Anfang an gut mit Masken versorgt, konnten gar dazu entschlossen, unser Lager entgegen allen auch über einen befreundeten Importeur kurzfristig betriebswirtschalichen Erwägungen massiv aufzu- Masken aus Asien nachbestellen.“ Dann gelingt es ih- stocken, um liefern zu können – das hat sich herumge- nen, eine große Menge an Isopropanol bei einem Che- sprochen. Und so sind wir relativ gut durch die Corona- miewerk aufzutreiben – sie steigen in die Produktion Welle gekommen.“ von Desinfektionsmitteln ein. Es wird eine „turbulente Zeit“: „Tagsüber haben wir Kunden zu Fragen rund um Aller Anfang ist … die Pandemie beraten und beruhigt, Infos auf Face- book gepostet und nachts standen wir dann bis zwei Jens Landwehr (Jahrgang 1975) weiß, dass er eine Uhr morgens in der Apotheke und haben die 250-Liter- Pole-Position hatte: „Ja, ich komme aus einer Apothe- Fässer mit Isoprop abgepumpt und zu Desinfektions- kerfamilie, die ich bis zu meinem Urgroßvater zurück- > Eins & Drei 1/2021 Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 10 © Deutscher Apotheker Verlag verfolgen kann.“ Wobei die Geschichte dieser Familie nicht an einer Apotheke hängt, die immer weiterver- erbt wurde, Eltern und Großeltern hatten verschiedene Offizinen. Die Rathaus Apotheke gehörte seinen Eltern Enno und Georgia Landwehr, die Brandenburger Apo- theke hatte sein Großvater Otto Wunderlich gegründet – das ist der Grundstock, auf den er aufbauen kann. Als sich Jens Landwehr für ein Studium entschei- det, verspürt er keinen Druck von seinen Eltern, die Apothekerlaufbahn einzuschlagen, fast das Gegenteil: „Mein Vater meinte sogar, das Leben als Apotheker ist lang nicht mehr so schön wie früher, also mach, was du für richtig hältst. Aber natürlich freute er sich über meinen Entschluss, Apotheker zu werden und die Apo- theken weiterzuführen.“ Fürs Pharmaziestudium geht er nach Erlangen. Obwohl er zwischendurch auch mal mit einem Medi- zinstudium liebäugelt, findet er mehr und mehr Spaß an der Pharmazie. Schon im Studium wird ihm klar, dass er den Kontakt zu den Kunden, zu den Menschen sucht und braucht, eine Industrie- und Hochschullauf- © DAV bahn kommt für ihn nicht infrage. Aber er schließt noch eine Promotion ans Studium an: „Mein Doktor- vater sprach mich an und ermunterte mich dazu. Und mein Vater riet mir unbedingt dazu: In die Apotheke kannst du auch noch später kommen. Mit einem Dok- Das imposante Gebäude der Mohren Apotheke wurde im Jahr tortitel ist das Standing den Ärzten gegenüber viel 1610 in der Bayreuther Maximilianstraße erbaut. Im März besser.“ Und so bleibt er noch zur Promotion im Fach 2009 übernahmen Dr. Landwehr und Dr. Paul die Apotheke. Chemie in Erlangen. Während der Erlanger Zeit lernt er Andreas Paul (ebenfalls Jahrgang 1975) kennen, einen Studienkolle- ken: Er fragt bei der Hagener Rathaus-Apotheke von gen, mit dem er zeitweise in einer Wohngemeinscha Dr. Klaus Fehske nach, ob er ein Praktikum machen wohnt. Aus dieser Freundscha heraus wächst die dürfe. Und ja, er kann dort für einige Wochen hospi- Idee: Warum später nicht gemeinsam eine Apotheke, tieren. „Wir haben von Klaus Fehske in der Tat viel ge- einen Apothekenverbund führen? Wobei beiden klar lernt“, so Landwehr. „Wir haben zwar nicht alles, aber ist, dass eine Freundscha und eine geschäliche vieles von Fehskes Gedanken zur Apothekenführung Partnerscha zwei Dinge sind. Und ihnen ist bewusst, übernommen und in unseren Verbund übertragen. Es dass man nicht immer einer Meinung sein kann, „was war eine interessante Zeit. Er war und ist für uns nach durchaus spannend sein kann“, wie Paul es formuliert. wie vor ein guter Ratgeber und Freund.“ Doch bevor sie ihr Projekt in die Tat umsetzen Am 1. Januar 2006 ist es dann so weit, Jens Land- können, geht Landwehr 2005 nach seiner Promotion wehr wird Chef der Rathaus- und der Brandenburger zunächst als Angestellter in die elterliche Apotheke, Apotheke: „Ehrlich gesagt, an Silvester davor habe ich wo sein Vater gerade die beiden Apotheken, die im Fa- schlecht geschlafen, denn mir wurde bewusst, dass milienbesitz sind, in einen Filialverbund zusammen- ab dem nächsten Tag alle Verantwortung, auch die fi- führt und die Filiale im alten Stil der 50er- bis 60er- nanzielle, in meinen Händen liegt. Ein wenig leichter Jahre modernisiert. machte es mir die öffentliche Ankündigung meines Va- Auf die Übernahme der Apotheke bereitet sich ters vor der Belegscha, voll und ganz hinter meinen der junge Apotheker Landwehr nicht durch externe Entscheidungen zu stehen. Und wenn ich Rat bräuchte, Kurse vor. Er schaut sich stattdessen viel bei seinem könne ich gerne auf ihn zukommen.“ Vater ab, z. B. auch das betriebswirtschaliche Arbei- Auch Andreas Paul geht nach dem Studium zu- ten, was er sich durch Learning by Doing aneignet. Und nächst als Angestellter in eine Apotheke, entschließt er schaut über den Tellerrand der heimischen Apothe- sich dann ebenfalls zu einer Promotion im Fach Che- Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 11 © Deutscher Apotheker Verlag mie. Bald darauf tritt er zunächst als Filialleiter seine resultieren. Während die Apotheke am Roten Hügel, Stelle in der Brandenburger Apotheke an, wo er erste die Brandenburger Apotheke und die Rathaus Apo- Erfahrungen mit der Leitung eines Apothekenbetriebs theke überwiegend auf eine Stammkundscha bauen sammelt. können, ist die Stärke der Mohren Apotheke, mitten in der Fußgängerzone, die Laufkundscha. Unter- Wenn der Zufall hil schiede zeigen sich auch im Klientel der einzelnen Apotheken. Die Rathaus Apotheke hat in erster Linie 2008 hört Jens Landwehr durch Zufall, dass die Moh- eine besser gebildete Kundscha, die Brandenburger ren Apotheke von Bayreuth zum Verkauf steht. „Das Apotheke bedient den Mittelstand, das Klientel ist bun- sahen wir als eine besondere Chance, da mussten wir ter gemischt. „Dennoch haben wir für alle Apotheken zugreifen“, begeistern sich die beiden Apotheker noch dieselbe Grundphilosophie, und die ist recht einfach: heute, „obwohl wir zwischendurch schon mal dachten, Geht nicht, gibt’s nicht“, so Landwehr. „Wir wollen was für eine Schnapsidee.“ Aber die einmalige Gelegen- unseren Kunden jeden nur möglichen pharmazeuti- heit, diese Apotheke zu übernehmen, können sie nicht schen Wunsch erfüllen, wobei es sich von selbst ver- verstreichen lassen: Die Mohren Apotheke, gegründet steht: Es muss legal sein. Aber es muss sich für uns Ende des 17. Jahrhunderts in einem der prächtigsten nicht zwingend alles lohnen – da ist bei uns schon so Gebäude von Bayreuth, liegt im Zentrum der Stadt. Mit was wie ein Robin-Hood-Gedanke dabei. Also, wenn einer Fläche von 400 Quadratmetern und einer Keller- sich eine Aktion, eine Besorgung nicht sofort in den fläche von 200 Quadratmetern gehört sie zu den gro- Büchern niederschlägt, dann machen wir es dennoch, ßen Apotheken. Nach der Übernahme modernisieren weil sich aus unserer Erfahrung vieles querfinanziert. sie die Apotheke. Die Mohren Apotheke präsentiert Unsere Grundeinstellung: Die Kunden werden unseren © DAV sich heute als eine „altehrwürdige Dame mit jungem Einsatz belohnen, indem sie wiederkommen, indem sie Gesicht“. Auch wenn sie einen polarisierenden Namen ihrer Familie und ihren Freunden von unserem Enga- hat (dazu weiter unten mehr), „ist sie für unseren Apo- gement erzählen.“ thekerverbund durchaus gesichtsgebend“. Aber sie versuchen, nicht nur nach innen eine Der Kauf der Mohren Apotheke liegt 2014 gerade gemeinsame Philosophie zu leben, sondern ihre Apo- mal fünf Jahre zurück, die Integration der Apotheke theken auch im äußeren Auritt anzunähern. „Wir in den Apothekenverbund ist abgeschlossen, da klop haben zum Beispiel ein gemeinsames Branding, eine der nächste Zufall an die Tür: Die Apotheke am Roten einheitliche Kleidung, wir haben sehr viele Eigen- Hügel steht zum Verkauf. Landwehr und Paul zögern spezialitäten, z. B. Homöopathika, Phytotherapeutika, > nicht: „Der Kauf war eine strategische Entscheidung. Wir haben dadurch eine sehr schöne Verteilung un- serer Apotheken im Stadtgebiet erreicht, mit der wir unseren Kunden einen guten Service in der Lieferfä- higkeit und Belieferung bieten können.“ Eine Philosophie für vier Apotheken Vier Apotheken, die unterschiedlicher nicht sein kön- nen – muss oder kann es da ein ähnliches Erschei- nungsbild, einen einheitlichen Auritt, eine gemein- same Ausrichtung geben? Nur bedingt, wie Landwehr und Paul für ihren Verbund lernen. Sie wissen: Wenn man eine fremde Apotheke samt ihrem Team zu einem Filialverbund hinzunimmt, wenn man also eine Apo- theke nicht von Anfang an selbst gestaltet und sie nicht mit eigenem Personal besetzen kann, dann dau- ert es seine Zeit, bis die neuen Strukturen in den Köp- fen aller Mitarbeiter*innen ankommen. Aber sie schaffen es dennoch, eine Art roten Fa- den für ihre vier Apotheken zu knüpfen, auch wenn Für Apotheker Dr. Andreas Paul spielt die Zufriedenheit es Unterschiede gibt, die aus der Lage der Apotheken der Kunden und seiner Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Eins & Drei 1/2021 Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 12 © Deutscher Apotheker Verlag … man sollte Mitarbeiterführung können Landwehr und Paul legen großen Wert auf sehr gut ausgebildete Mitarbeiter*innen, die sich mit dem, was sie machen, identifizieren und sich engagieren. Im Gegenzug versuchen die Chefs, alles zu tun, dass die Mitarbeiter*innen Spaß an ihrer Arbeit haben. Selbst- kritisch merken sie an: Mitarbeiterführung ist nicht trivial. Teams zu formen ist nicht immer einfach, mit- unter auch ein schmerzhaer Prozess. Man sollte sich auf diesem Gebiet gewisse Fähigkeiten aneignen. Paul gesteht: „Unsere Anfänge waren da doch eher hemds- ärmelig.“ Aber die beiden Apotheker holen sich Rat beim Apothekencoach Klaus Holling, mit dem sie die Grundlagen und Fähigkeiten zur Mitarbeiterführung in ihren Apotheken legen. Wichtig ist den beiden, dass ein guter kollegialer Umgang miteinander im Betrieb herrscht. In den vier Apotheken arbeiten derzeit gut 50 Kräe, überwiegend Frauen. Jede Apotheke hat ihr eigenes Team, eine Kommunikation zwischen den Apo- theken findet im Geschälichen viel, im Persönlichen © DAV aber nur bedingt statt. „Diese Inselbildung hat sich so entwickelt“, so Landwehr, „und ist wohl ein Stück weit Ob Cannabis-Extrakt, traditionelle Heilmittel aus der normal. Auch bei Betriebsfeiern zeigt sich, dass gerne chinesischen Medizin oder homöopathische Arzneimittel: Die die Teams zusammensitzen.“ Mohren Apotheke lässt keine Kundenwünsche offen. „Trainings und Coachings für Mitarbeiter*innen gab’s in der Anfangsphase, da konnten die Hauptprob- leme, die in Teams entstanden waren, gelöst werden. Nahrungsergänzungsmittel, die es nur in unseren Heute vermitteln wir den neuen Mitarbeiter*innen in Apotheken gibt und die bei uns keine Regalhüter sind, erster Linie unsere Grundregeln, wie wir in unseren sondern gelebt werden“, so Landwehr. Apotheken arbeiten wollen“, fügt Landwehr hinzu. Auch das gehört zur Philosophie dieses Apothe- Eine dieser Grundregeln ist: Gib kein Medikament ab, kenverbunds dazu: Sonderangebote finden sich nur im ohne die Beratung zumindest anzubieten. Die nament- Kosmetikbereich. Sonderpreise und Rabatte bei Arz- liche Kundenansprache, der Blickkontakt mit dem neimitteln gibt es nicht – auch wenn dies nicht alle Kunden, positive Formulierungen sind das A und O Kunden gut finden, zumal die eine oder andere Apo- im Kundengespräch. Stumm den Dienst zu vollziehen theke von Mitbewerbern durchaus preislich aktiv ist. wird in den Apotheken von Landwehr und Paul nicht Paul: „Wenn mich Kunden ansprechen, ob man ein akzeptiert: „Denn jeder nicht gegebene Ratschlag ist Präparat ähnlich günstig bekommen kann wie in einer in unseren Augen eine unterlassene Hilfeleistung. Und anderen Apotheke, sage ich ihnen: ‚Kaufen Sie’s dort deshalb arbeiten bei uns Menschen, die einfach gerne und wenn Sie Hilfe brauchen, kommen Sie zu mir.' So mit anderen Menschen kommunizieren. Der Kunden- zu handeln, es authentisch rüberzubringen – das muss kontakt soll vermitteln: Wir kümmern uns um eure man lernen, ja, Größe muss man lernen.“ Und sollte Anliegen und es gibt nichts, was wir nicht können.“ es in Zukun tatsächlich in die Richtung gehen, dass Eigentlich sollten und wollten die Apotheker dieses nur Niedrigpreise zählen, bleibt Paul gelassen: „Billig- Coaching noch weiter ausbauen – „aber im Moment preisetiketten und Preisflyer könnten auch wir sofort ist damit nicht zu rechnen, das Alltagsgeschä bindet drucken. Aber wir stützen uns lieber auf unsere gute derzeit alle Ressourcen“, beschreibt Landwehr die ak- pharmazeutische Kompetenz, nehmen uns gerne die tuelle Situation. Zeit für ausführliche und gute Beratungsgespräche und bauen auf ein großes Vorratslager – das lässt sich nicht von heute auf morgen einrichten“, so Paul. Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 13 © Deutscher Apotheker Verlag „Eine Apotheke ist wie eine große in dieser oder jener Filiale. Paul: „So eine Apotheke ist Familie“ letztlich so etwas wie eine große Familie, die wiederum nahezu jeden ihrer Stammkunden kennt – ein großes Über eine große Fluktuation bei den Mitarbeiter*innen Kapital, das man nicht unterschätzen sollte.“ können sie sich nicht beklagen. „Wir zahlen halt auch Regelmäßige Teambesprechungen und Jahresmit- gut“, so Landwehr, „und wenn wir eine passende Be- arbeitergespräche sind ein Teil der Mitarbeiterführung, werbung erhalten, sind wir in der guten Lage, uns zu ebenso stehen in normalen Zeiten natürlich zahlreiche fragen, ob wir eine weitere Kra einstellen wollen oder soziale Aktivitäten auf dem Programm, z. B. ein Bow- nicht. Im Zweifelsfall sagen wir Ja, auch wenn wir im ling-Turnier, bei dem die Teams gegeneinander antre- Moment ausreichend Mitarbeiter*innen haben.“ Aber ten, ein Sommerfest und die Weihnachtsfeier – Corona die beiden Chefs wissen: Die nächste Schwangerscha hat allerdings die Zahl solcher Besprechungen und Zu- kommt bestimmt, und es ist besser, wenn man nicht sammenküne stark reduziert, wie sie eingestehen. händeringend suchen muss, sondern auf eine ausrei- Mit ihren beiden Filialleitungen stehen die Inha- chend große Personaldecke zurückgreifen kann. Den- ber in einem ständigen und sehr guten Kontakt, um noch, auch in der Bayreuther Gegend wird es immer anstehende Themen zu besprechen. „Wir versuchen, schwerer, gutes Personal zu finden, „PKAs, so wichtig allen unseren Apothekerinnen und Apothekern Frei- sie sind, sind absolute Mangelware“. heiten zu geben und das Gefühl zu vermitteln, sie Ein Vorteil, wenn man vier Apotheken hat: Man arbeiten in ihrem eigenen Betrieb nach dem Motto: kann beim Einsatz von Arbeitskräen in der Regel fle- Ich arbeite nicht für die Inhaber, sondern mit ihnen“, xibler agieren. So hat dieser Verbund Mitarbeiterinnen, erklärt Landwehr die Zusammenarbeit mit seinem die gerne auch als Springerinnen arbeiten und in den Führungspersonal. „Sie sollen sich mit ihrem Betrieb © DAV Filialen des Verbunds eingesetzt werden können, in de- identifizieren können. Wir haben daher die Zustän- nen Not an der Frau ist. Wobei dies nur in Ausnahmesi- digkeiten und Kompetenzen der Filialleitungen nicht tuationen geschieht, denn das Personal ist per se nicht explizit geregelt, der gesunde Menschenverstand, das beliebig austauschbar: Zum einen möchten die Kunden Miteinander und das Verständnis für den Betrieb ge- in ihrer Apotheke ihre bekannten Personen sehen und ben die Richtung vor.“ nicht bei jedem Besuch auf neue Mitarbeiter*innen Mit diesem Vertrauen, das sie ihren Mitarbei- stoßen. Und zum anderen kennen ständig wechselnde ter*innen entgegenbringen, sind die beiden Apotheker Mitarbeiter nicht die einzelnen spezifischen Vorgänge bisher gut gefahren: „Und wenn eine Führungskra in einer Frage unsicher ist, kommt sie auf uns zu, um sich Rat zu holen. Es tut meinen leitenden Mitarbeiter*in- nen gut, frei agieren können, aber zugleich zu wissen, dass wir im Zweifelsfall immer für sie da sind.“ Paul fügt hinzu: „Bei uns wird eine Kra nicht danach beurteilt, welchen Umsatz sie generiert, viel- mehr steht die pharmazeutische Beratung im Mittel- punkt. Bei uns soll sich jeder so einbringen, wie er es am besten kann. Wenn sich eine Filialleitung entschei- det, ein teures Produkt zu verkaufen, an dem wir nicht unbedingt viel verdienen, aber sie sich dafür entschie- den hat, weil sie überzeugt ist, den Kunden dadurch zu halten, so ist das doch genau richtig.“ Als zusätzliche Motivation für alle Teams haben Landwehr und Paul für alle Mitarbeiter*innen eine Be- teiligung am Umsatzzuwachs eingeführt. Steigt der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr, gibt es für alle Be- rufsgruppen und für alle Apotheken eine prozentuale Beteiligung am Umsatzzuwachs, die für alle gleich ist: „Wir haben den gleichen Bonus bewusst für alle Be- Tradition trifft auf Moderne: Nach der Übernahme haben die rufsgruppen eingeführt, da wir überzeugt sind, dass beiden Apotheker viel Geld in umfangreiche Umbaumaßnah- das Engagement aller Berufsgruppen gleich wertvoll men investiert. ist, vom Fahrer über die Reinigungskra bis zum Lei- > Eins & Drei 1/2021 Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
14 © Deutscher Apotheker Verlag Preisdumping – Fehlanzeige. Das Inhaber-Duo überzeugt seine Kunden mit phar- mazeutischer Kompetenz und herausragendem Engagement. ter. Gerade die Arbeit der PKA, z. B. die Kommunika- … mit E-Rezept © DAV tion am Telefon, ist für die Apotheke von besonderer Bedeutung – und deshalb bekommen alle die gleiche Aber die Auslieferung ist per se nicht das große Prob- Extra-Gratifikation.“ lem, sondern: Der Patient, der Kunde muss zunächst in die Apotheke kommen. Im Internet zu bestellen ist zu- Die Zukun … nächst bequem, die Auslieferung allerdings dann mit- unter enttäuschend: Es dauert. „Wir fragen uns daher“, Landwehr sieht die Zukun realistisch. Er ist über- überlegt Landwehr, „wie können wir besser werden zeugt, dass der Online-Versand den Vor-Ort-Apothe- und mehr Bequemlichkeit bieten als der Versand via ken noch mehr zusetzen wird als bisher. „Die Apothe- Internet? Die Frage ist auch: Was verändert sich mit kenlandscha wird sich in den nächsten Jahren weiter dem E-Rezept? Werden die Älteren ihre E-Rezepte an ausdünnen. Aber die Vor-Ort-Apotheke kann dagegen die Apotheken ihrer Wahl elektronisch weiterleiten ankämpfen“, ist er überzeugt, „wenn sie sich ein unver- können? Ja, E-Rezept kann eine Chance, aber auch wechselbares Image gibt.“ ein Risiko zugleich sein.“ Landwehr sieht das größte „Es ist doch ein großes Pfund, dass die Kunden Problem in der Frage, ob das Makelverbot eingehal- bei uns eine persönliche Ansprache haben – das kann ten wird: „Es hängt viel davon ab, ob sich die Ärzte an das Internet in dieser Form nicht leisten“, fügt Paul dieses Makelverbot halten. Ein Fehlverhalten müsste hinzu. „Die große Frage bleibt, ob das am Ende reichen drastisch sanktioniert werden, bis hin zum Verlust der wird, um die niedergelassene Apotheke zu erhalten.“ Approbation“, schlägt Paul vor. Auch in Bayreuth und seinem Landkreis schlie- Was der Apotheker in diesem Zusammenhang ßen jedes Jahr mehrere Apotheken, eine Entwicklung, begrüßt: dass Spahn den Botendienst gestärkt hat und die bisher noch nicht zum Stillstand gekommen ist. den Versand damit ein Stück weit uninteressanter für Immer mehr Stadtviertel verwaisen, sie sind ohne Apo- die Kunden gemacht hat: „Die Vergütung des Boten- theke. „Gerade für ältere Menschen mit eingeschränk- dienstes ist zudem ein kleiner Anreiz, allerdings nicht ter Mobilität ist das eine fatale Entwicklung“, so Land- zu hoch, sodass so manche Kolleg*innen nicht auf die wehr. „Wir bieten natürlich unseren Lieferservice an, Idee kommen, den Botendienst mit Lkws ausbauen.“ aber das ist in den Köpfen dieser Menschen immer Die Größe ihres Verbunds macht die beiden Inha- noch nicht ausreichend verankert. Trotzdem haben ber allerdings ein wenig gelassener: „Wir können der wir beim Botendienst massiv aufgestockt und zusätz- Entwicklung von E-Rezept und Versandhandel einiger- lich zwei Studenten angestellt, die für uns Arzneimit- maßen ruhig entgegensehen. Wir gehen davon aus, tel ausfahren. Mittlerweile sind fünf Personen für uns dass unser Betrieb in den nächsten fünf Jahren nicht unterwegs.“ kaputtgehen wird.“ Landwehr ist sich auch im Klaren Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
Hinter den Kulissen 15 © Deutscher Apotheker Verlag darüber: "Ich hänge nicht um jeden Preis an einer Apo- Auf ein Wort: die Mohren Apotheke theke, wie wir sie heute kennen. Wenn es Volkes Wil- le ist, dass Arzneimittel nur noch im Internet bestellt Eine der Apotheken dieses Verbunds heißt Mohren werden, dann ist es so, dann ist die Vor-Ort-Apotheke Apotheke, ein problematischer Name. Im Sommer 2020 weg. Und wenn sich das Volk später darüber ärgert, zieht die Diskussion im Zuge der Black-Lives-Matter- dann war’s wohl eine falsche Entscheidung.“ Und Paul Bewegung besonders an. Hinzu kommt, dass die Uni ergänzt: „Es ist doch so, dass man bereits heute libe- Bayreuth ein europaweit anerkanntes Institut für Afri- ralisierte Märkte in anderen Ländern verfolgen kann kastudien hat mit einer sehr aktiven Community von und sieht, wie dort die Vor-Ort-Versorgung zerstört People of Color. Paul hat sich mit den Fragen rund um wird und die Kosten in die Höhe gehen. Wir sollten uns den Namen der Apotheke auseinandergesetzt. Seine rechtzeitig fragen, ob wir sehenden Auges einer Ent- Mohren Apotheke wurde bereits attackiert, die Schau- wicklung nachlaufen, die so fatal ist.“ Er bringt es auf fenster beklebt, es fanden sich Kritzeleien auf dem den Punkt: „Man sollte sich vor Augen halten: Unser Bürgersteig vor der Apotheke, Kunden beschimpen Staat nimmt für die Arzneimittelversorgung Einser- Mitarbeiter als Rassisten, es gab Berichte in Zeitungen Abiturienten, die Pharmazie studieren und dann in und im Internet. Andererseits führten die Attacken ihrer Apotheke mit ihrem privaten Vermögen haen. auch zu einer Solidarisierungswelle vieler Bürger mit Das ist doch ein riesiger Ansporn, täglich darauf zu der Mohren Apotheke. Paul hat großes Verständnis für achten, dass alles richtig läu. Warum sollte man so die Beweggründe von Menschen, wenn sie die Darstel- ein gut laufendes System zerschlagen wollen?“ lung des Mohren als diskriminierend betrachten. „Ich akzeptiere diese Meinung“, so Paul, „aber ich sehe die „Wir sind und bleiben Apotheker“ Debatte um den Apothekennamen durchaus anders © DAV und bitte darum, vor dem Hintergrund der Meinungs- Trotz ihrer Management-Aufgaben für vier Apotheken freiheit auch meine Meinung zu akzeptieren.“ Nach fühlen sich Landwehr und Paul als Apotheker, nicht als intensiven Diskussionen sind die Apotheker zu dem Kaufleute. „Unser Ansatz ist: Wir arbeiten hier phar- Schluss gekommen: „Es gibt gute Gründe, dass wir mazeutisch und nicht kaufmännisch“, spitzt es Land- unsere Mohren Apotheke nicht umbenennen, es auch wehr zu. „Wenn wir es pharmazeutisch richtig und gut nicht können und letztlich auch nicht wollen. Wir ver- machen, dann muss es auch kaufmännisch funktio- suchen vielmehr, das Thema aktiv anzugehen und zu nieren.“ Natürlich, auch diese beiden Apotheker kom- leben, z. B. wollen wir in unseren Apothekendekora- men nicht darum herum, auf die Zahlen zu schauen tionen diese Fragen aufarbeiten und darstellen, auch und ihre betriebswirtschalichen Auswertungen zu mit musealem Charakter. Wir wollen unseren Kunden lesen: „Aber wir achten primär schon darauf, dass zeigen: Wir sind uns dieser Fragen bewusst, wir setzen unsere Mitarbeiter*innen und Kund*innen glücklich uns damit auseinander.“ sind, auch wenn manches rein betriebswirtschalich gesehen anders entschieden werden müsste. Aber wir Sport hält uns fit wissen mittlerweile seit 15 Jahren, dass dieser Ansatz aufgeht.“ Entspannung vom Apothekenalltag finden Jens Land- Ihre internen Zuständigkeiten und Aufgaben ha- wehr und Andreas Paul in der Familie: Beide sind ben sie eher nach ihren individuellen Stärken unterei- verheiratet, beide haben zwei Kinder. Und beide sind nander aufgeteilt: Um die organisatorischen und struk- sportbegeistert, haben sogar die gleichen sportlichen turellen Aufgaben kümmert sich Apotheker Paul, das Aktivitäten: Skifahren ist für sie genauso eine Lei- liegt ihm mehr, wie er einräumt, während sich Apothe- denscha wie Mountain-Bike-Fahren. Paul freut sich, ker Landwehr z. B. für Personalfragen und -gespräche dass er auf seinem Grundstück eine kleine Sporthal- zuständig sieht, auch für Verhandlungsgespräche und le errichten und einen Beach-Volleyball-Platz anlegen das Erschließen neuer Geschäskontakte. Zurzeit sind konnte. „Sport ist ein wichtiger Bestandteil unseres die beiden damit beschäigt, mehr zu delegieren, z. B. Lebens, Sport zu treiben macht den Kopf frei.“ Aber sie eine Assistenz-Ebene einzurichten für die Geschäs- können durchaus auch genießen: „Wir kochen und es- leitung: „Die organisatorischen Aufgaben, die auf die sen gerne.“ Und ja, sie feiern gerne, sie sind gesellige Apotheke zukommen, nehmen zu, wir glauben, dass Typen im besten Sinn. uns der eine oder die andere Kra in unserem Team einige Aufgaben abnehmen kann.“ • Eins & Drei 1/2021 Kein Nachdruck, keine Veröffentlichung im Internet oder einem Intranet ohne Zustimmung des Verlags!
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