Davos + 1.7 C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln
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Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Impressum Auftraggeber: Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Klima Amt für Natur und Umwelt Graubünden Gemeinde Davos Autorin und Autor: Veronika Stöckli, Bergwelten 21 AG, Davos Gian Paul Calonder, Gemeinde Davos Projektbegleitung: Thomas Probst, Bundesamt für Umwelt BAFU Roland Hohmann, Bundesamt für Umwelt BAFU Titelbild: Bündaloipe, 16. Dezember 2016 Bildquellen: Wo nicht anders vermerkt stammen die Bilder von der Autorin oder dem Autor. Version: 14. Juni 2018 Ein Projekt im Rahmen des Pilotprogrammes zur Anpassung an den Klimawandel, gefördert durch das Bundesamt für Umwelt BAFU. Für den Inhalt des Berichts sind allein die Autoren verantwortlich. 2
Inhaltsverzeichnis Orientierung ............................................................................................................................................ 4 Der Klimawandel und seine Ursachen ................................................................................................ 4 Vom Klimawandel zum Klimahandeln ................................................................................................. 5 Davos und sein Klima .............................................................................................................................. 6 Stadt und Land .................................................................................................................................... 6 Wetter und Klima ................................................................................................................................ 7 Das Davoser Klima ............................................................................................................................... 7 Klimawandel in Davos ......................................................................................................................... 9 Folgen des Klimawandels ...................................................................................................................... 12 Fische aus den Bahamas.................................................................................................................... 13 Die Sonne ist nur Zeugin.................................................................................................................... 19 Frau Holle wird nachlässig ................................................................................................................. 24 Die verlorene Insel ............................................................................................................................ 30 Tauwetter im Untergrund ................................................................................................................. 37 Grüne Grenzen wandern ................................................................................................................... 41 Gut gewappnet? ................................................................................................................................ 47 Take-off für Pollenflug ....................................................................................................................... 52 Das Ende der Natureiszeit ................................................................................................................. 55 Vom Wandel zum Handeln................................................................................................................ 59 Ausblick ................................................................................................................................................. 63 Das Klima der Zukunft ....................................................................................................................... 63 Ziele und Massnahmen ..................................................................................................................... 65 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 67
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Orientierung Der Klimawandel und seine Ursachen Wir leben in einer Zeit des anthropogenen Klimawandels. Weltweit ist es in den vergangenen 60 Jahren um 0.5 °C bis 1.3 °C wärmer geworden. Die Periode von 1983 bis 2012 war in der nördli- chen Hemisphäre die wärmste 30 Jahre-Periode der vergangenen 1400 Jahre (IPCC, 2014a). In der Schweiz ist die Temperatur seit Messbeginn (1864) um 1.7°C angestiegen (BAFU, 2017). Der globale Wert wird hier also deutlich übertroffen. Der Klimawandel ist hausgemacht Die Ursache für den Klimawandel liegt in der zunehmenden Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre. Dies heizt die Lufttemperatur an. Treibhausgase sind Abfallprodukte von Verbren- nungsprozessen, Industrie und Landwirtschaft. Das Kohlendioxid (CO2) – es ist das bedeutendste Treibhausgas- - hat seit Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert um über 40% zugenommen (Hartmann et al., 2013). Das Gas entsteht, wenn kohlenstoffhaltige Materialien wie Heizöl oder Treibstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin) verbrannt werden. Neben dem CO2 zählen auch Methan (CH4), Lachgas (NO2) und synthetische Gase wie Schwefelhexafluorid (SF6) zu den Treibhausgasen. Gesellschaft und Umwelt reagieren auf den Klimawandel Das veränderte Klima hat Folgen. Extremereignisse wie Hitzewellen fordern Menschenleben, eine lange Trockenperiode zieht Ernteeinbussen nach sich und Überflutungen bedrohen Leib und Leben und schädigen Siedlungen und Infrastruktur. Im Gebirge schmilzt das Eis der Gletscher und die Schneebedeckung nimmt ab. Pflanzen und Tiere haben ihre Vorkommen in höher gelegene Lagen verschoben und ihre saisonalen Aktivitäten verändert (vgl. ANU, 2015a). Der Klimawandel hält an und hat weitere Folgen Die Treibhausgase erwärmen Atmosphäre, Erdoberfläche und Gewässer und führen weitere Verän- derungen im Klimasystem herbei. Die Temperatur der Erdoberfläche wird in den Jahren zwischen 2016 bis 2035 um weitere 0.3 bis 0.7 °C ansteigen, verglichen mit den Jahren 1986 bis 2005 (IPCC, 2014b). Als Folge davon wird in bereits heute trockenen Gebieten noch weniger Niederschlag fallen, während es in feuchten Gebieten mehr regnen wird. Durch den Anstieg des Meeresspiegels werden Küstengebiete vermehrt von Fluten betroffen sein. Dadurch sind auch für uns die Produktion und der Zugang zu Nahrung oder die Preisstabilität in Frage gestellt (IPCC, 2014b). Der Klimawandel wird uns teuer zu stehen kommen, wenn wir nicht rechtzeitig dagegen ankämpfen. Global kann sich das Brut- toinlandprodukt durchschnittlich um 1 bis 5% verringern, wenn es um rund 4 °C wärmer wird (IPCC, 2007). Trotz dieser verheerenden Aussichten werden die nötigen Massnahmen zum Schutz des Kli- mas und zur Anpassung an den Klimawandel nur zögerlich ergriffen. 4
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Vom Klimawandel zum Klimahandeln Der Klimawandel ist überall präsent, auch in Davos. Dies bestätigen zum einen die Klimadaten, wel- che hier bereits seit den 1860er Jahren erhoben werden (vgl. MeteoSchweiz. 2012a). Zum anderen sind in der Landschaft Davos die Folgen des Klimawandels deutlich sichtbar. So kann - wer im Gebirge unterwegs ist - ohne Aufwand erkennen, dass die Gletscher schwinden und dass die Bäume in grös- sere Höhen vordringen. Der Klimawandel ist im Berggebiet offensichtlich In Gebirgsgegenden wie Davos sind die Folgen des Klimawandels besonders augenfällig. Die Jahres- mitteltemperatur liegt hier nahe am Gefrierpunkt. Die Natur spiegelt die kalten Temperaturen mit schneebedeckter Landschaft und Gletschern und die Wirtschaft richtet sich entsprechend auf den Wintertourismus aus. Mit der Erwärmung steigt auch die Nullgradgrenze weiter an. Schnee und Eis werden folglich rarer, die Landschaften werden grüner und die Wirtschaft kann sich immer weniger auf eine winterlich weisse Unterlage abstützen. Eine Neuorientierung ist gefragt. Mit konkreten Beispielen für den Klimawandel und seine Folgen sensibilisieren Das Projekt Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln führt den Klimawandel und seine Folgen vor Augen. Anhand von Beispielen aus einer vertrauten Umgebung zeigt der Film, wie Natur, Landschaft und Wirtschaft in und um Davos auf den Temperaturanstieg von lediglich 1.7 °C sichtbar reagieren. Der Film möchte damit auf die Bedeutung des Klimawandels vor Ort aufmerksam machen. Der vorliegende Bericht erläutert die Inhalte des Davoser Klimafilms. Die im Davoser Klimafilm präsentierten Beispiele sind mithilfe von Expertinnen und Experten sowie auf der Grundlage neuer und historischer Berichte und Bilder aufgearbeitet worden. Davos als Ge- sundheitsplatz und Forschungsstandort mit langer Tradition bietet diesbezüglich ausserordentlich reichliche Quellen. Film und Bericht geben jedoch kein vollständiges Bild der Veränderungen ab. Es gäbe noch zahlreiche weitere Aspekte, welche den Einfluss des Klimawandels in Davos aufzeigen. Der Davoser Klimafirm und der vorliegende Bericht sollen dazu bewegen, im Sinne des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zu handeln. Letztlich muss es uns gelingen, den Klimaschutz voranzutreiben und Strategien einer an den Klimawandel angepassten und nachhaltigen Wirtschaft umzusetzen. So kann Davos auch in Zukunft ein attraktiver Wohn- und Arbeitsort sein. 5
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Davos und sein Klima Stadt und Land Davos ist eine Stadt mitten in den Bergen (vgl. Abbildung 1). Das Siedlungsgebiet liegt in einem Hoch- tal auf 1560 m ü. M. zwischen dem Bündner Rheintal und dem Engadin. Das Gemeindegebiet umfasst 284 km2, womit Davos eine der grössten Gemeinden der Schweiz ist (Gemeinde Davos, 2016a). Rund 2.3% des Gemeindegebiets werden als Siedlungsfläche genutzt, 35% durch die Landwirtschaft be- wirtschaftet und 22% der Fläche sind bewaldet (BFS, 2016a). Das übrige Gemeindegebiet wird durch Gipfel und Seen geprägt. In Davos leben rund 12 800 Personen (Gemeinde Davos, 2015). Zusammen mit dem Schanfigg steu- ert Davos rund 8% des kantonalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei (BAK Basel, 2010). Die Tourismus- wirtschaft ist der bedeutendste Wirtschaftszweig. Er erreichte im Jahr 2008 knapp 60% der hiesigen Wertschöpfung (BAK Basel, 2010). Die rund 6800 Arbeitsplätze sind mehrheitlich in Beherbergung und Gaststätten angesiedelt (Gemeinde Davos, 2016a). Das Gesundheitswesen und die Forschung bilden weitere wichtige Säulen der Davoser Wirtschaft. Heute erforschen das Weltstrahlungszentrum (PMOD/WRC), das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, das Schweizerische Institut für Allergie- und Asthmaforschung (SIAF) und die AO Foundation offene Fragen von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Die Landwirtschaft bewirtschaftet in 87 Betrieben eine Fläche von 1575 ha (Gemeinde Davos, 2015). Abbildung 1. Davos, die höchstgelegene Stadt Europas liegt in einem Hochtal auf 1560 Metern ü. M. 6
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Wetter und Klima Das Klima bezeichnet die meteorologischen Verhältnisse, wie sie für einen bestimmten Ort über ei- nen Zeitraum von in der Regel 30 Jahren typisch sind (Naturwissenschaften Schweiz, 2016). Das Klima wird charakterisiert durch die Strahlung, den Luftdruck, die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit und den Wind. Abbildung 2. Klimasystem der Erde. Quelle: www.hamburger- bildungsserver.de. Das Klima respektive seine meteorologischen Elemente sind wesentlich durch den Standort bestimmt (vgl. Abbildung 2). Der Breitengrad, die Höhenlage oder die Nähe zu Gewässern sind ausschlagge- bend. Auch standortsunabhängige Aspekte wie die Sonnenaktivität, der Verlauf der Erdbahn, Gase und Partikel in der Atmosphäre beeinflussen das Klima. Das Davoser Klima Davos gehört zur Klimaregion Nord- und Mittelbünden. Das Klima gilt als gemässigt zentralalpin. Es steht zwischen dem ausgeglichenen feuchten und milden ozeanischen Klima der westlichen Küsten- länder und dem trockenen und kontinentalen Klima Osteuropas (Lütschg-Lötscher, 1944). Davos weist eine Jahresmitteltemperatur von 3.5 °C auf und es fallen hier rund 1000 mm Nieder- schlag pro Jahr (MeteoSchweiz, 2016). Rund 40% des Niederschlags im Talboden fallen als Schnee (Zappa et al., 2003). Temperatur und Niederschlag zeigen einen deutlichen Jahresgang mit Maxima im Sommer. An schönen Sommertagen setzt um etwa 11 Uhr die Thermik ein und bis zum Sonnenun- tergang weht typischerweise ein Nordwind (Gemeinde Davos, 2016a). In höheren Lagen kann das ganze Jahr über Frost auftreten. Zwischen November und April ist die Landschaft in der Regel schneebedeckt. Gewitter, Hagel und Nebel sind seltener als in den Voralpengebieten (MeteoSchweiz, 2013). So bemerkte von Valär bereits zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts: ..„..die feuchten Ne- bel der tieferen Gegenden sind hier ganz unbekannt, so dass bei uns zuweilen angenehme warme Witterung herrscht, während man in zahmeren Tälern von der Kälte leidet“ (von Valär, 1806). Durch den Kaltluftsee, der sich hin und wieder im Hochtal bildet, sind die Temperaturen dennoch oft tiefer als für die Höhenlage typisch. Den Einfluss dieses Kaltluftsees hat der ehemalige Landschaftsarzt Wilhelm Schibler treffend geschildert: „In mancher Winternacht habe ich mit fast erfrorenen Ohren und Nase das Landwasser passiert, und etwa nach Clavadel aufwärts strebend im Walde angelangt geglaubt, mich in warmer Stube zu befinden“ (Schibler, 1898). Die Klimaverhältnisse von Davos wer- den im Folgenden kurz skizziert. 7
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Temperatur und Niederschlag (Normperiode 1981 bis 2010, vgl. MeteoSchweiz, 2015b) Jahresmitteltemperatur. Der Durchschnittswert der Temperatur eines Jahres beträgt im Talboden von Davos 3.5 °C. Der kälteste Wert des Jahres beträgt durchschnittlich minus 20.5 °C, der wärmste plus 26 °C. Eistage. In der Regel klettert das Thermometer an 58 Tagen nicht über null Grad (Eistag). Auf dem Weissfluhjoch (2691 m ü. M.) geschieht dies an durchschnittlich 168 Tagen. Frosttage. An durchschnittlich 178 Tagen (Weissfluhjoch 262 Tage) fällt die Temperatur unter null Grad (Frosttag). Frosttage werden auch im Talboden in der wärmeren Jahreszeit registriert (durch- schnittlich 11.4 Tage während der Monate Mai bis September). Sommertage. An durchschnittlich 3.5 Tagen pro Jahr zeigt das Thermometer 25 °C an oder mehr (Sommertag). Hitzetage, also Tage an welchen das Thermometer 30 °C erreicht, sind bis anhin in Davos noch nie registriert worden. Der absolute Höchstwert liegt bei 29.6 °C (4. Juli 2015). Auf dem Weissfluhjoch wurden bis heute weder Sommer- noch Hitzetage erreicht. Vegetationsperiode. Die Vegetationsperiode wird anhand von fünf aufeinander folgenden Tagen von über 5 °C definiert. Im Talboden von Davos dauert die Vegetationsperiode in der Regel 164 Tage (MeteoSchweiz, 2015b). Jahresniederschlagssumme. Durchschnittlich fällt in Davos 1022 mm Niederschlag pro Jahr, verteilt auf 175 Tage. Auf dem Weissfluhjoch werden erheblich mehr, nämlich 1411 mm Niederschlag regis- triert. Die niederschlagsreichste Jahreszeit im Talboden ist der Sommer (Juni bis August; 409 mm). Am wenigsten Niederschlag fällt in Davos im Winter (Dezember bis Februar; 184 mm). Die Summe der Niederschläge ist von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. So fielen im Jahr 1989 lediglich 723 mm Niederschlag, während 1999 rund 1370 mm Niederschlag fielen. Schneedecke. Der Anteil des Schnees am Jahresniederschlag nimmt erwartungsgemäss mit der Höhe zu. In subalpinen Lagen beträgt er rund ein Drittel, in alpinen Lagen die Hälfte des Jahresnieder- schlags (Jonas, 2012). Anfang März erreicht die Schneedecke in Davos ihre grösste Höhe, durch- schnittlich 80 cm (vgl. Abbildung 3). Auf dem Weissfluhjoch liegt der Schnee von Mitte Oktober bis anfangs Juli. Die grösste Höhe erreicht die Schneedecke dort Mitte April. Sie misst dann durchschnitt- lich 2.2 m. In alpinen Lagen fällt auch während des Sommers hin und wieder Schnee. Abbildung 3. Entwicklung der Schneedecke in einem durchschnittlichen Jahr in Davos (1960- 2015; Datenquelle: SLF). Die grösste Höhe erreicht die Schneedecke Anfang März. 8
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Klimawandel in Davos Das Klima hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich verändert. Die Lufttemperatur ist deutlich wärmer geworden, was sich an den Messwerten eindrücklich zeigt (vgl. Abbildung 5). Heute, respektive im Mittel der Jahre 1981 bis 2010, liegt die Durchschnittstemperatur in Davos um 0.7 °C höher als im Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. Auf dem Weissfluhjoch ist es im selben Zeitraum von durchschnittlich minus 2.5 °C auf minus 1.9 °C wärmer geworden (MeteoSchweiz, 2016). Abbildung 4. Schnee im Versuchsfeld des WSL- Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF auf dem Weissfluhjoch auf rund 2520 m ü. M., oberhalb von Davos. Am Talboden werden im Juli durchschnittlich 18.1 °C erreicht (durchschnittliche Maximumtempera- tur) statt der 16.9 °C der vorhergehenden Messperiode. Auf dem Weissfluhjoch kletterte die durch- schnittliche Maximumtemperatur von 8.7 °C auf 9.9 °C. Die durchschnittliche Minimumtemperatur des Monats Februar ist im gleichen Zeitraum von minus 9.6 °C auf minus 9.4 °C angestiegen, während sie auf dem Weissfluhjoch von minus 12.1 auf minus 11.4 °C wärmer wurde (MeteoSchweiz, 2016). Vielfach sind in Davos höhere Lufttemperaturen im Winter an Föhnphasen gebunden. Ob die Häufig- keit entsprechender Wetterlagen im Winter ebenfalls zugenommen hat, kann nicht belegt werden. 2 Abbildung 5. Entwicklung der Jahresmitteltempe- ratur von Davos, dargestellt als Abweichung vom Abweichung vom 1 Mittelwert [C°] 0 Mittel der Normperiode 1981-2010. Rote Balken -1 zeigen Jahre an, in welchen die Temperatur über -2 dem Mittelwert dieser Periode lag, blaue Balken -3 zeigen Jahre an, die kälter waren als der Durch- schnitt. Datenquelle: MeteoSchweiz, 2015a. -4 Jahr Die Eis- und Frosttage werden seltener Die zunehmende Wärme spiegelt sich auch in der Häufigkeit von Frost- und Eistagen. Die Tage, an welchen die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt steigt (Eistage), sind in Davos seit den 1960er Jahren von 64 (Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990) auf 58 Tage pro Jahr zurückgegangen (Durch- schnitt der Jahre 1981 bis 2010). Auch auf dem Weissfluhjoch werden die Eistage seltener (Rückgang von 177 auf 168 Tage). Einen ähnlichen Trend zeigen die Frosttage. Diese sind in Davos in der Zeit von 1961-2016 deutlich weniger geworden (Rückgang von über 226 auf 178 Tage; vgl. Abbildung 6). 9
Abbildung 6. Entwicklung der Anzahl Frosttage pro Jahr über die Jahre 1962 bis 2016. Da- tenquelle: MeteoSchweiz, 2017e. Die Sommertage werden häufiger Während die Frost- und Eistage zurückgehen, werden die Sommertage häufiger. Seit dem Beginn der 1960er Jahre sind die Sommertage (Lufttemperatur von mindestens 25 °C) in Davos um 2 Tage pro Jahrzehnt häufiger geworden. (vgl. Abbildung 7). Abbildung 7. Anzahl Sommer- tage in Davos pro Jahr. Da- tenquelle: MeteoSchweiz, 2017f. Die Vegetationsperiode wird länger Mit den wärmeren Temperaturen und den rückläufigen Frosttagen verlängert sich die Phase des Pflanzenwachstums. In Davos dauert die theoretische Vegetationsperiode heute neun Tage länger als zu Beginn der 1980er Jahre (164 statt 155 Tage; MeteoSchweiz, 2015a). Die Nullgradgrenze steigt Die Nullgradgrenze folgt dem Trend der Erwärmung. Sie steigt um rund 150-200 m pro 1°C Erwär- mung an. Heute liegt die Nullgradgrenze im Winter bei rund 850 m ü. M. Im Vergleich zu vor 50 Jah- ren liegt die Nullgradgrenze heute im Schnitt rund 350 m höher (MeteoSchweiz, 2012). Kein Trend in der Niederschlagssumme Die jährliche Summe des Niederschlags hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert (vgl. Abbildung 8). An der Station Davos Dorf werden pro Jahrzehnt durchschnittlich 1.2% mehr Nie- derschlag festgestellt. Diese Zunahme ist aber nicht signifikant. Für das Weissfluhjoch wurde für die- selbe Periode eine Abnahme von 0.6% pro Jahrzehnt berechnet, was ebenfalls nicht signifikant ist (MeteoSchweiz, 2012).
Abbildung 8. Entwicklung der jährlichen Nieder- Abweichung [mm] 400 schlagssummen, dargestellt als Abweichung vom 200 Mittel der Normperiode 1961-1990. Rote Jahre 0 waren trockener, blaue Jahre nässer als der Normwert. Datenquelle: MeteoSchweiz, 2015a. -200 -400 Jahr Starkniederschlag und Trockenheit tendenziell zunehmend An zahlreichen Messstellen in der Schweiz werden mehr und intensivere Niederschläge festgestellt (Scherrer et al., 2016). Dieser Trend zeichnet sich auch für Davos ab (MeteoSchweiz, 2017b). Demge- genüber ist bezüglich Trockenheit in Davos (noch) kein Trend sichtbar (MeteoSchweiz, 2017c). Weniger Schneefall Während die jährliche Summe des Niederschlags mehr oder weniger konstant blieb, hat sich das Verhältnis Regen zu Schnee verändert. Die ansteigende Nullgradgrenze führt dazu, dass es bis in ho- he Lagen mehr regnet und weniger schneit. So hat es auf dem Weissfluhjoch über die Zeitspanne von 1981 bis 2010 an durchschnittlich 120 Tagen pro Jahr geschneit, statt an 128 Tagen wie zuvor (1961 bis 1990; MeteoSchweiz, 2016). Am Talboden ist diesbezüglich eine weniger stark ausgeprägte Ten- denz feststellbar. Die Neuschneesumme ist auf dem Weissfluhjoch von 1055 (1961-1990) auf 981 cm (1981-2010) zurückgegangen, in Davos von 546 cm auf 469 cm (MeteoSchweiz, 2012). Kürzere Schneeliegedauer Eine Veränderung zeichnet sich auch in der Dauer der Schneebedeckung ab (vgl. Abbildung 9). Auf dem Weissfluhjoch ist die Schneeliegedauer in den vergangenen 30 Jahren um rund zwei Wochen zurückgegangen (MeteoSchweiz, 2016). Im Talboden bleibt der Schnee rund 3 Wochen weniger lang liegen als vor 30 Jahren. Abbildung 9. Anzahl Tage mit Schnee an der Klimamesssta- tion in Davos Dorf. Quelle: MeteoSchweiz, 2017d. Klimawandel Schweiz Die Messwerte von Davos spiegeln weitgehend einen schweizweiten Trend. Insbesondere im Mittel- land nimmt die Anzahl der Sommer- und Hitzetage stark zu. In Zürich zum Beispiel zeigt sich seit 1960 eine Zunahme um ein bis zwei Hitzetage pro 10 Jahre. Umgekehrt sind dort die Frosttage deutlich zurückgegangen, und zwar um sechs Tage pro 10 Jahre. Beim mittleren Niederschlag sind aufgrund der grossen jährlichen Schwankungen bisher kaum Veränderungen feststellbar. Die Nullgradgrenze im Winter ist seit 1960 um rund 300 m angestiegen (BAFU, 2016a).
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Folgen des Klimawandels Der Klimawandel ist mit Messwerten belegt, das zeigt das vorhergehende Kapitel klar auf. Der Kli- mawandel ist aber auch weitherum sichtbar. Gerade im Berggebiet spiegelt er sich sehr eindrücklich in der Umwelt und zunehmend auch in der klimaabhängigen Wirtschaft. In der Höhenlage von Davos ist das Leben über weite Gebiete und über viele Tage des Jahres durch Temperaturen unter der Nullgradgrenze, respektive unter dem Gefrierpunkt geprägt. Dieser Gefrier- punkt ist eine bedeutende Zäsur. Er entscheidet über die Art des Niederschlags (Schnee oder Regen) und die Ausdehnung von Gletschern und Permafrost. Von existentieller Bedeutung ist der Gefrier- punkt auch für wechselwarme Lebewesen, also Pflanzen und Tiere, deren eigene Temperatur jener der Umgebung entspricht. Verschiebt sich die Nullgradgrenze in grössere Höhen, so erschliessen sich theoretisch neue Lebensräume für jene Lebewesen. Weil Davos und das Berggebiet im Allgemeinen klimatisch nahe an der Nullgradgrenze liegen, ist der Klimawandel hier besonders ausgeprägt. Die Temperatur und mit ihr das Klima verschieben sich im- mer weiter über den Gefrierpunkt – mit eindrücklichen Folgen für Schnee, Gletscher und Permafrost, für Pflanzen und Tiere und für das Landschaftsbild. Und letztlich für die Wirtschaft, die vom Klima und der Umwelt abhängig ist. Solche Folgen des Klimawandels werden im Davoser Klimafilm aufgezeigt. Der vorliegende Bericht illustriert und dokumentiert die im Film gezeigten Beispiele oder Module. Bericht und Film sind nicht vollständig. Der Klimawandel hat und wird sich anhand weiterer Phänomene in der Landschaft Davos zeigen. Das Ziel bleibt aber dasselbe: der aufgezeigte Wandel vor Ort soll uns alle dazu motivieren, zum Schutz des Klimas und zur Anpassung an den Wandel einen grösstmöglichen Beitrag zu leisten. 12
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Fische aus den Bahamas Das Phänomen des Klimawandels gab es bereits lange bevor der Mensch begann, in das Klimasys- tem einzugreifen. Hinweise dazu finden wir am Beispiel von versteinerten tropischen Fischen, die hoch oben am Ducan Gletscher im Fels eingeschlossen sind. Für den Klimawandel in jener geologi- schen Urzeit waren erdgeschichtliche Entwicklungen ausschlaggebend. Die Landmasse der Erde teilte sich in Kontinente auf und wurde durch verschiedene Klimazonen geschoben. Zugleich sties- sen Vulkane phasenweise viel Staub und Asche aus und liessen die Temperatur auf der Erde abküh- len. Neben den erdgeschichtlichen Vorgängen waren auch astronomische Konstellationen für die Klimaveränderungen ausschlaggebend. Diese astronomischen Konstellationen gelten als Haupt- schrittmacher für das Wechselspiel zwischen Kalt- und Warmzeiten während der letzten 800 000 Jahre. Klimawandel im Verlauf der Erdentwicklung: Geologische Zeiträume Vor rund 300 Mio. Jahren war die Landmasse der Erde - also alle Kontinente -.zusammenhängend. Sie formte den Superkontinent Pangäa (vgl. Abbildung 10, links). Das Gebiet von Davos lag damals im Küstenbereich der afrikanischen Platte, ungefähr auf dem Breitengrad der heutigen Bahamas. Es lag somit in einem subtropischen Klima. Statt schnee- und eisbedeckter Gipfel prägten Lagunen und Deltas das Landschaftsbild (vgl. Abbildung 10, rechts). In den küstennahen Gewässern lebten Mu- scheln, Algen, Knochenfische und kleine Saurier (Furrer et al., 2008). Der Superkontinent Pangäa brach vor etwa 200 Mio. Jahren allmählich in einen Nord- und in einen Südkontinent auseinander, Laurasia und Gondwana (Earthguide, 2017). Von Osten her schob sich ein Meer namens Tethys dazwischen (vgl. Abbildung 10, links). Das heutige Mittelmeer ist ein Überbleib- sel dieses Urmeeres. Davos lag auf Laurasia und reiste auf ihr über Jahrmillionen allmählich nord- wärts. Abbildung 10. Links: Der Superkontinent Pangäa mit dem damaligen Standort von Davos (roter Pfeil) unweit des Äquators. Bildquelle: www.wikipedia.org (Pangäa); Rechts: Landschaft im Trias. Bildquelle: Karen Carr www.dinosaurier-info.de. 13
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Die Lebewesen der ehemaligen Küstenlandschaft sind auf ihrer mehrere Millionen Jahre dauernden Reise rund 1000 Kilometer nordwärts verschoben, im Sediment abgelagert und versteinert. Im Zuge der Alpenfaltung, die vor rund 100 Mio. Jahren begann (Erlebnis Geologie, 2017), wurden sie als Teil des Gletscher Ducan vom Meeresboden an den heutigen Standort angehoben. Tropische Fische aus dem Eis Vor einigen Jahrzehnten sind Forschende der Universität Zürich am Gletscher Ducan auf eine beson- ders reiche Fossilfundstelle aus jener geologischen Urzeit gestossen. Durch den Rückgang des Eises im Verlauf des Klimawandels sind die Versteinerungen am Gletscher freigelegt worden (vgl. Abbil- dung 11). Abbildung 11. Der Ducan Gletscher hat durch seinen Rückzug eine reiche Fossilfundstelle freigelegt. Abbildung 12. Links: Stratigrafie der Silvretta-Decke an der Ducanfurgga. Quelle: Furrer et al. 2008. Rechts: Blick in die fossilführenden Gesteinsschichten des Ducan, welche auch Prosanto Formation bezeichnet wird. Dort am Gletscher Ducan werden seit den 1980er Jahren systematisch Versteinerungen gesucht und die gefundenen Arten bestimmt und erforscht (Furrer et al., 1992). Das Alter der Fossilien kann mit- hilfe der Radio-Isotopen-Analyse bestimmt werden. Die fossilreichen Schichten am Ducan Gletscher 14
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln konnten dank dieser Methode auf ein Alter um 241 Mio. Jahre vor heute datiert werden, in die Zeit der Pangäa (vgl. Abbildung 12; Furrer et al., 2008). Die Landschaft um den Ducan Gletscher zählt heute dank seiner Fossilien zu den Geotopen der Schweiz. Geotope sind schützenswerte, geowissenschaftliche Naturdenkmäler von besonderer geo- logischer, geo-morphologischer oder geoökologischer Bedeutung (Geologie-Portal, 2016). Die Stelle ist nicht zuletzt deshalb besonders wertvoll, weil sie Einblick in längst vergangene klimatische Zeiten gewährt und damalige Lebewesen konserviert. Erdgeschichte ist Klimageschichte Wann immer im Verlauf der Erdgeschichte Kontinente zusammen stiessen oder auseinander bra- chen, so hatte dies tiefgreifende Folgen für das Klima (vgl. Schwarzenbach et al., 2011). Einerseits waren mit den Kontinenten auch die Vulkane in Bewegung und schleuderten grosse Mengen an Treibhausgasen in die Luft. Über eine derart veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre änderte auch das Klima. Anderseits konnten die neu entstandenen Gebirge oder Landverbindungen beste- hende Meerströmungen unterbrechen oder umleiten, oder neue Meere entstehen lassen, was eben- falls zu Veränderungen des Klimas führte. Über eine veränderte Land/Wasser Verteilung und über eine veränderte Meereszirkulation, welche den Wärmetransport vom Äquator zu den Polen steuert, haben die Kontinentalverschiebungen das Klima auf der Erde immer wieder verändert. Jede dieser Klimaveränderungen hatte, als sich Leben auf der Welt ausbreitete, auch Einfluss auf die Biosphäre, welche ihrerseits über den Kohlenstoffkreislauf das Klima mitsteuerte (Schwarzenbach et al., 2011). Klimawandel im Quartär Vor rund 2.6 Millionen Jahre ist es hinsichtlich geologischer Veränderungen vergleichsweise ruhig geworden. Die Kontinente sind erdgeschichtlich gesehen stehen geblieben und die Zeit des Quartärs begann. Aber auch im Quartär hat sich das Klima verändert. Diese Epoche ist durch eine Abfolge von Kalt- und Warmphasen gekennzeichnet. Die Kaltphasen werden auch als Eiszeiten bezeichnet). In den letzten 600 000 Jahren gab es in Mitteleuropa vier Eiszeiten. Diese werden in den Alpen nach vier Flüssen in Bayern benannt: Günz, Mindel, Riss und Würm . Jede dieser Eiszeiten hat ihre Spuren hinterlassen. Alle vier Eiszeiten hatten ihren Ursprung an den Polen (Nord- und Südpol). Während den Kaltzeiten bildeten sich um beide Pole grosse Eisschilde (Schwarzenbach et al., 2011). Auf der Nordhalbkugel reichte das Eis in den Kaltzeiten weit nach Süden. In den Alpen füllte es die Täler bis in grosse Höhen. Während der Kaltzeiten breiteten sich die Inlandeisschilde und die Gebirgsgletscher stark aus und bedeckten bis 32% der Erdoberfläche. Heute werden nur etwa 10% der Landoberflä- chen von Gletschern bedeckt (Wikipedia, 2016c). Die letzte maximale Ausdehnung des Eises wurde vor etwa 21 000 Jahren erreicht. Die globale Durchschnittstemperatur lag etwa 5 bis 6 °C niedriger als heute. -.in Davos lag sie 10 bis 12°C tiefer als heute (Gemeinde Davos, 1998). Milanković-Zyklen als Antrieb der Eiszeiten Die Eiszeiten dauerten deutlich länger, als die Zwischeneiszeiten. In den vergangenen 800 000 Jahren dauerten diese warm-kalt Zyklen jeweils 100 000 Jahre, wobei die Eiszeiten rund 90 000 Jahre und die Zwischeneiszeiten rund 10 000 Jahre andauerten (Schwarzenbach et al.; 2011). Die Wissenschaften stützen mithilfe neuer Klimamodelle die Vermutung, dass es für die Kalt- und Warmzeiten während der letzten Hunderttausenden von Jahren nicht eine einzelne Ursache gibt. Es wird angenommen, dass das Auf- und Ab der Temperatur von bestimmten astronomischen Konstel- lationen beeinflusst wurde (Schwarzenbach et al.; 2011). Diese können sich überlagern, gegenseitig verstärken oder abschwächen. 15
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Zu diesen astronomischen Konstellationen zählen die vom serbischen Mathematiker Milutin Milan- ković endeckten sogenannten Milanković-Zyklen. Der Wissenschaftler erkannte in den 1920er Jahren eine gewisse Übereinstimmung astronomischer Konstellationen mit den warm-kalt-Zyklen (Schwar- zenbach et al.; 2011). Diese astronomischen Konstellationen äussern sich in Veränderungen der Erd- umlaufbahn sowie der Neigung und Rotation der Erdachse. In der Fachsprache wird die Veränderung der Umlaufbahn als Exzentrizität, die Veränderung des Neigungswinkels der Erdachse als Obliquität oder Inklination und die Richtungsänderung der Erdrotationsachse als Präzession bezeichnet (vgl. Abbildung 13). Exzentrizität: Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne zeichnet eine Ellipse. Die Exzentrizität gibt an, wie stark die ellipsenförmige Umlaufbahn von einer kreisförmigen Bahn abweicht. In einem Zyklus von rund 100 000 Jahren verändert sich die Umlaufbahn der Erde um die Sonne von einer mehr kreis- förmigen zu einer mehr elliptischen Form. Alle 400 000 Jahre erreicht die Abweichung einen Maxi- mal- oder Minimalwert (vgl. Abbildung 13). Ursache dieser Abweichungen sind Störungen der Erd- bahn durch die anderen Planeten des Sonnensystems, in erster Linie durch Jupiter und Saturn (Wi- kipedia, 2016b). Abbildung 13. Änderungen in Position und Umlaufbahn der Erde mit den jeweiligen Periodendauern. Bild- quelle: Bildungsserver, 2016a. Obliquität oder Inklination: Der Neigungswinkel (Neigung der Erdachse gegenüber einer Senkrechten zur Ebene der Umlaufbahn), ändert ebenfalls im Lauf der Zeit. Mit einer Periode von rund 41 000 Jahren pendelt sie zwischen 22.0 und 24.5 Grad (vgl. Abbildung 13). Je nach Schiefe der Erdachse unterscheidet sich das Klima zwischen den Jahreszeiten. Bei größerer Neigung sind die Winter kälter und die Sommer wärmer, als bei geringerer Achsneigung. Zurzeit beträgt die Achsneigung 23,43° und liegt etwa im Mittel zwischen den Extremwerten (Wikipedia, 2016b). 16
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Präzession: Die Erde ist keine exakte Kugel, sondern weist am Äquator einen Wulst auf („Äquator- wulst“). Dadurch bewirken die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne ein Drehmoment, welches die Erdachse aufzurichten versucht (vgl. Abbildung 13). Die Erdachse beschreibt dadurch eine kegelartige Umlaufbahn. Für einen vollen Kegelumlauf benötigt die Erdachse rund 23 000 Jahre. Dieser Zeitraum wird Zyklus der Präzession genannt (Wikipedia, 2016a). Mit der Präzession wird der Unterschied zwi- schen den Jahreszeiten verstärkt oder abgeschwächt und Winter und Sommer wechseln ihre Position auf der Erdumlaufbahn. Die vorgehend beschriebenen Zyklen vereinen sich zu einem Zyklus von 100 000 Jahren. Dieser Zyk- lus deckt sich gut mit der Periodizität der Eiszeiten wie es Milanković erkannt hat (vgl. wikipedia, 2016b). Verstärkende Rückkopplungsprozesse Die Milanković-Zyklen haben während der vergangenen Million Jahre die Klimaveränderungen auf der Erde beeinflusst. Dies wird von den Klimawissenschaften als unbestritten betrachtet. Unklar ist allerdings wie stark. Berechnungen haben gezeigt, dass die von den Zyklen verursachten Schwankun- gen der Sonneneinstrahlung zu klein sind, um als alleinige Ursache für die Abkühlungsphasen zu gel- ten. Ohne weitere verstärkende Rückkopplungsprozesse können die Milanković-Zyklen den Wechsel zwischen Eis- und Warmzeiten nicht bewirkt haben (Schwarzenbach et al., 2011). Eine Hypothese besagt, dass sich die Wirkung der Milanković-Zyklen durch den sogenannten Albedo- Effekt verstärkt haben könnte (Schwarzenbach et al., 2011). Darunter versteht man die direkte Rück- streuung der Sonneneinstrahlung von schneebedeckten Flächen. Durch die Klimaabkühlung an den Polen ist der Schnee in den Winterzeiten dort länger liegen geblieben und hat die Albedo verstärkt. Eine weitere mögliche Ursache ist, dass sich aufgrund der Milanković-Zyklen die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen den Breitengraden so verändert haben, dass die globalen Wind- und Meeresströmungen an Intensität zugenommen haben. Dass solche Veränderungen einen wesentli- chen Einfluss auf das Klima haben, ist unbestritten (Schwarzenbach et al., 2011). So gesehen können die Milanković-Zyklen als eine Art Schrittmacher angesehen werden, welche wei- tere Prozesse des Klimasystems angestossen und so die jeweilige Abkühlung eingeleitet haben. Eines aber ist sicher: Weder die Veränderungen der Sonnenaktivität, noch die Milanković-Zyklen können die Ursache der ungewöhnlich schnellen Erderwärmung von 0.7°C im Verlauf der letzten hundert Jahre sein (Schwarzenbach et al., 2011). In dieser Zeit spielt die deutliche Veränderung der CO2- Konzentration, welche auch früher die Klimaveränderung schon mibestimmt hat, eine wichtige Rolle (vgl. Kapitel Die Sonne ist nur Zeugin). Die Spuren der Eiszeiten in Davos Die Eiszeiten haben auch in der Landschaft Davos ihre Spuren hinterlassen (vgl. Maisch, 1981). Heute sind insbesondere die Spuren der jüngsten Eiszeit, der Würm-Eiszeit, noch weit herum sichtbar. Glatt geschliffene Felspartien bis in Höhen um 2600 m ü. M. weisen darauf hin, dass die Gletscher damals die Täler der Landschaft Davos bis in diese Höhe aufgefüllt haben. In den Tälern bezeugen u-förmige Talprofile, Moränen und erratische Blöcke, dass die Landschaft von Eis bedeckt und von den Glet- schern geformt wurde (vgl. Abbildung 14). Andere Spuren wie Schotterterrassen, die ehemaligen Seeböden und Deltas des Gross-Davosersees sind nach dem Rückzug der Gletscher entstanden. Da- runter fällt auch der Bergsturz am Wolfgang. Er geschah nachdem sich der Gletscher zurückgezogen hatte und die Hänge instabil wurden. Die damit verbundene Flussumkehr prägt die Landschaft bis heute. 17
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Seit etwa 11 000 Jahren befinden wir uns in der Nacheiszeit oder Warmzeit (Bildungsserver, 2016b). Auch im Verlaufe dieser Zeit, die als Holozän bezeichnet wird, gab es Klimaschwankungen (vgl. Kapi- tel Die verlorene Insel). Abbildung 14. Ein mächtiger Findling oberhalb der Stilli, der geologisch dem Flüela-Weisshorn zuge- ordnet werden konnte. Dieser stille Zeuge für die Eisbewegungen im Flüelatal musste vor einigen Jahren dem Hotel Interkontinental weichen. Schlussfolgerungen Die Klimageschichte spiegelt in vielerlei Hinsicht die Geschichte der Erde. Über die Land/Wasser Ver- teilung, die Vulkanaktivität und über eine veränderte Meereszirkulation haben die Kontinentalver- schiebungen das Klima auf der Erde immer wieder verändert. Mit Beginn des Quartärs ist geologische gesehen nahezu Ruhe eingekehrt. Aber auch in dieser Zeit hat sich das Klima verändert. Als Auslöser für die Klimaveränderungen des Quartärs gelten die sogenannten Milanković-Zyklen. Im Verlauf die- ser Zyklen verändert sich die Sonneneinstrahlung und deshalb gelten sie als eine Art Schrittmacher für die Eiszeiten. Die Albedo der schneebedeckten Flächen und veränderte Meeres-strömungen führschliesslich zum Wechselspiel zwischen den Warm- und Kaltzeiten. Der Klimawandel in erdgeschichtlich früheren Epochen unterscheidet sich in einem ganz wesentli- chen Punkt vom heutigen Klimawandel. Damals lagen natürliche Ursachen dem Wandel zugrunde. Der heutige Wandel ist über die natürlichen Phänomene nicht erklärbar. Weder die Sonnenaktivität, noch die Milanković-Zyklen können die ungewöhnlich schnelle Erderwärmung im Verlauf der letzten hundert Jahre erklären. 18
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Die Sonne ist nur Zeugin Das Klima ist ein kompliziertes System. Die Energie der Sonne und die abgestrahlte Wärme be- stimmen den Energiefluss auf der Erde. Ändert sich die Ein- oder Abstrahlung, so ändern sich der Energiefluss auf der Erde und dadurch auch das Klima. Bei der aktuell festgestellten Erwärmung der Erde können eine veränderte Sonnenaktivität oder eine erhöhte Vulkantätigkeit als Ursache ausgeschlossen werden. Vielmehr sind die Treibhausgase Grund für den Klimawandel. Sie verän- dern die langwellige Abstrahlung von der Erde und damit das Klima. Das Klima ist das Ergebnis physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse die sich gleichzeitig in der Atmosphäre, im Meer und auf der Erdoberfläche abspielen, sich gegenseitig beeinflussen und aufeinander reagieren (Schwarzenbach et al., 2011). Angetrieben wird das Klimasystem durch Son- nenenergie. Das Spektrum der Sonnenstrahlung reicht von der Röntgen- und Ultraviolettstrahlung (UV) bis hin zur Infrarot- oder Wärmestrahlung (IR). Am intensivsten strahlt die Sonne im Bereich des sichtbaren Lichts. Diese Energie macht rund 50% der gesamten Sonnenenergie aus (Schwarzenbach et al., 2011). Strahlungsbilanz Die Strahlungsleistung der Sonne beträgt 1361 Watt pro Quadratmeter (W/m2; Cubasch et al., 2013) und wird als Solarkonstante bezeichnet. Von dieser Strahlungsleistung erreicht weniger als die Hälfte die Erdoberfläche. Diesen Anteil nennt man Globalstrahlung. Ein Teil der Globalstrahlung wird an der Erd- und Wasseroberfläche reflektiert, der grössere Teil dagegen wird absorbiert und in Wärme um- gewandelt. Der übrige Teil der Strahlungsleistung wird bereits in der Atmosphäre gestreut und re- flektiert. Dabei spielen die Wolken bzw. ihre Wassermoleküle und auch die Aerosole (kleinste feste oder flüssige Partikel) eine wesentliche Rolle (vgl. Abbildung 15; Schwarzenbach et al., 2011). Abbildung 15. Quelle: Cubasch et al., 2013. Die Wärmeenergie, welche die Erde erreicht, geht in den Transport von Luftmassen und in die Ver- dunstung über. Der Rest wird von der aufgeheizten Erdoberfläche und den Wasserflächen als Wär- mestrahlung wieder zurück in die Atmosphäre gestrahlt. Durch die Wolken und durch die Treibhaus- gase wird ein Teil dieser thermischen Abstrahlung wieder zur Erde zurück gestrahlt (Gegenstrahlung). Der Rest der terrestrischen Wärmestrahlung wird zusammen mit der von den Wolken abgegebenen Wärmestrahlung zurück in den Weltraum abgegeben. Weltweite Bedeutung der Davoser Sonnenforschung Die Sonne und ihre Bedeutung für das Klimasystem sind in der Davoser Forschungslandschaft sehr bedeutend. Sie stehen im Zentrum der Arbeit am Physikalisch-Meteorologischen Observatorium 19
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Davos resp. World Radiation Center, dem Weltstrahlungszentrum PMOD/WRC im alten Schulhaus über dem Davoser See. Die Forschung am PMOD/WRC konzentriert sich auf die Einstrahlung der Sonne und auf das Strahlungs-Energiegleichgewicht in der Erdatmosphäre (vgl. PMOD/WRC, 2017). Am PMOD/WRC steht die weltweite Strahlungsreferenz, quasi der Urmeter der Sonnenforschung. Er wird durch die Standardgruppe gewährleistet, die aus sechs präzisen Gesamtstrahlungs-Radiometern (Pyrheliometer) besteht. Damit die Sonnenstrahlung weltweit gleich präzise erfasst wird, werden die Strahlungs-Messgeräte nach der radiometrischen Referenz in Davos kalibriert. Die Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt treffen sich deshalb alle fünf Jahre für die Internationalen Pyrheliome- ter-Vergleiche (IPC) am PMOD/WRC. Die Bedeutung dieser internationalen Treffen wird dadurch unterstrichen, dass der gesamte internationale Flugverkehr am Himmel über Davos in dieser Zeit umgeleitet wird. Abbildung 16. Die Internationalen Pyrheliometer- Vergleiche (IPC) 2015 auf dem Parkplatz vor dem PMOD/WRC in Davos. Zurzeit betreibt das PMOD/WRC zudem an fünf Forschungsstationen der MeteoSchweiz spezielle Infrarotdetektoren mit denen der Treibhauseffekt genau verfolgt wird. Die Energiebilanz spiegelt den Klimawandel Die Erde verzeichnet eine Netto-Wärmeaufnahme, die mit 2.29 W/m2 beziffert wird (IPCC, 2013). Das Ungleichgewicht im Energiebudget der Erde stammt entweder von Veränderungen der Sonnen- einstrahlung (Input) oder von Veränderungen der langwelligen Abstrahlung von der Erde (Output). Sie können natürlichen oder anthropogenen Ursprungs sein. Veränderungen der Sonne und der Vulkane sind die beiden bedeutendsten natürlichen Treiber von Veränderungen des Klimas während des Industriezeitalters (IPCC, 2013). Der Strahlungsantrieb (radi- ative forcing) aufgrund von Veränderungen der Sonneneinstrahlung wird auf durchschnittlich 0.05 W/m2 geschätzt. Vulkane führten über die Jahre 1986 bis 2008 zu einem Strahlungsantrieb von -0.04 W/m2 (IPCC, 2013). Aus diesen Zahlen geht klar hervor, dass der gesamte natürliche Strahlungsan- trieb durch Sonne und Vulkane über das gesamte letzte Jahrhundert nur einen kleinen Beitrag an das veränderte Energiebudget geleistet hat (IPCC, 2013).Sie können deshalb die Erwärmung seit der In- dustrialisierung nur zu einem kleinen Teil erklären. Um den Einfluss der Sonnenaktivität genauer zu prüfen, haben die Klimawissenschaften verschiede- ne Modelle entwickelt und den aktuellen Temperaturtrend mit den Klimaentwicklungen der Vergan- genheit verglichen. Damit konnten sie nachweisen, dass die Temperaturentwicklung der letzten 250 Jahre weder mit den Milanković-Zyklen (siehe Kapitel Fische aus den Bahamas) noch mit den Sonnen- fleckenzyklen erklärt werden kann. Erstere wirken sich sehr viel langsamer auf die Erderwärmung aus und letztere sind zu kurz und zu wenig intensiv um den schnellen Temperaturanstieg zu erklären (Schwarzenbach et al., 2011). So sind die Veränderungen bei der langwelligen Abstrahlung von der Erde in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Und hier spielen die Treibhausgase die zentrale Rolle. 20
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Der „natürliche“ Treibhauseffekt Treibhausgase sind gasförmige Bestandteile der Atmosphäre, die den sogenannten Treibhauseffekt verursachen. Der Treibhauseffekt beruht darauf, dass die Gasmoleküle Wärmeenergie aufnehmen. Die Gase können diese Energie später wieder als Wärmeenergie an die Umgebung abgeben. Zu den wichtigsten Treibhausgasen gehören Kohlendioxid, Methan, Lachgas sowie Schwefelhexafluorid und halogenierte Kohlenwasserstoffe. Daneben sind Wasserstoff und Ozon wichtig. Die Treibhausgase lassen die einfallende kurzwellige Sonnenstrahlung ungehindert passieren. Erst nachdem die Son- nenstrahlung auf der Erde in Wärmestrahlung umgewandelt und als solche wieder in die Atmosphäre reflektiert wird, kann sie von den Treibhausgasen absorbiert werden. Ein Teil dieser absorbierten Wärmestrahlung wird in Richtung Weltall und ein Teil wiederum in Rich- tung Erde abgegeben. Damit verhindern die Treibhausgase, dass die von der Erde abgestrahlte Wär- meenergie gänzlich ins Weltall entweichen kann (Bildungsserver, 2016b). Treibhausgase tragen we- sentlich dazu bei, dass Leben auf der Erde möglich ist. Ohne Treibhausgase würde die Durchschnitts- temperatur an der Erdoberfläche bei minus 18 Grad liegen, statt wie derzeit bei plus 15 Grad. Die Differenz von 33 Grad, welche die Erde erst zu einem lebensfreundlichen Planeten macht, ist auf den natürlichen Treibhauseffekt zurückzuführen (Schwarzenbach et al., 2011). Dies ist insofern erstaun- lich, weil die Treibhausgase in der Erdatmosphäre meist nur in sehr kleinen Konzentrationen vor- kommen. Anthropogene Treibhausgase Mit dem Verbrennen fossiler Brenn- und Treibstoffe, mit dem Abholzen tropischer Regenwälder und mit der Landwirtschaft hat der Mensch über den Ausstoss von Treibhausgasen in den Strahlungs- haushalt der Erde eingegriffen. Seit dem Beginn der Industrialisierung zeigt sich neben dem natürli- chen Treibhausgaseffekt auch immer mehr ein anthropogener Treibhausgaseffekt. So haben Analy- sen der Luft in sehr altem Eis gezeigt, dass die CO2 Konzentration in der Erdatmosphäre seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm (parts per million) auf heute über 400 ppm angestiegen ist. Dass diese Entwicklung aussergewöhnlich ist, erkennt man auch daran, dass in den 800 000 Jahren zuvor die CO2 Konzentration in der Erdatmosphäre den Wert von 280 ppm kaum übertroffen hat (Akade- mien der Wissenschaften Schweiz, 2016). Bereits in den 1950er-Jahren haben Forschende herausgefunden, dass die erhöhte CO2- Konzentration in der Atmosphäre grösstenteils auf die Verbrennung von fossilen Energieträgern zu- rückgeführt werden muss. Sie haben dies mit Hilfe der sogenannten C14-Methode nachgewiesen (Schwarzenbach et al., 2011). Das C14 ist ein Isotop des Kohlenstoffs, das allmählich zerfällt, bis es die stabile Form des Kohlenstoffs C12 erreicht. Weil Kohle, Erdöl und Erdgas mehrere Millionen Jahre alt sind, enthalten sie kein C14. Da die meisten CO2-Moleküle in der Atmosphäre ebenfalls kein C14 enthalten, stammen sie also von fossilen Brenn- und Treibstoffen. Auch wenn diese Feststellungen bedeutend sind, so haben sie der Wissenschaft noch nicht gereicht, um die derzeitige Erwärmung mit der Zunahme der CO2-Konzentrationen zu erklären. Das Klimasys- tem, mit seinen negativen und positiven Rückkopplungsprozessen, wird als zu komplex betrachtet, als dass man mit wenigen Messreihen dies erklären könnte. Kohlenstoffkreislauf bestätigt den Befund Aus der Klimageschichte weiss man, dass die CO2-Konzentrationen in der Erdatmosphäre auch schon höher waren und von 10% (Uratmosphäre) auf heute weit unter ein Promille gesunken sind (Schwar- zenbach et al., 2011). Deshalb war es für die Wissenschaften naheliegend, auch den heutigen Koh- lenstoffkreislauf zu untersuchen und zu bilanzieren. 21
Davos + 1.7 °C konkret: vom Klimawandel zum Klimahandeln Kohlenstoff ist einer der wichtigsten chemischen Elemente. Er ist in den Sedimenten, im Wasser, in der Luft, in den Pflanzen, den Tieren und im Menschen enthalten. Zwischen den genannten Kohlen- stoff-Reservoiren gibt es einen regen Austausch. Von den anthropogenen CO2-Emissionen verbleiben rund 44% für längere Zeit in der Atmosphäre, rund 30% werden von den Meeren und rund 26% von der Biosphäre auf dem Land absorbiert. Von jeder emittierten Tonne CO2 wird also rund die Hälfte innerhalb von 30 Jahren abgebaut, weitere 30% im Verlaufe von einigen 100 Jahren und 20% verblei- ben für etliche 1000 Jahre in der Erdatmosphäre (Schwarzenbach et al., 2011). Der aktuelle Anstieg der CO2 Konzentrationen in der Erdatmosphäre wird also auch bei einem spürbaren Rückgang der Emissionen nicht so schnell abgebremst. Dies wegen der langen Verweilzeit der Treibhausgase in der Erdatmosphäre. Der Strahlungsantrieb Der Strahlungsantrieb beziffert die Veränderung des Energieflusses (IPCC, 2013). Er ist definiert durch die Energiemenge, welche von der Erde absorbiert wird und derjenigen, welche ins All zurückge- strahlt (reflektiert) wird. Ein positiver Strahlungsantrieb wärmt das System bzw. die Erde auf, wäh- rend ein negativer es bzw. sie abkühlt. Gesteuert wird der Strahlungsantrieb über Veränderungen in der Einstrahlung und über Veränderungen in der Konzentration strahlungsaktiver Gase, den soge- nannten Treibhausgasen und Aerosolen (Wikipedia, 2017). Der Strahlungsantrieb nimmt seit der Industrialisierung zu, und diese Zunahme ist im Wesentlichen auf das zunehmende CO2 zurückzuführen (vgl. Abbildung 17). Sein Beitrag wird mit 1.68 W/m2 ange- geben. Weitere Treibhausgase wie Methan, Halogenkohlenwasserstoffe und Lachgas tragen weitere 1.33 W/m2 bei. Der Beitrag von Kohlenmonoxid, flüchtigen Verbindungen und Stickoxiden ist mit 0.18 W/m2 gering. Es gibt auch eine Reihe von Stoffen, die den Strahlungsantrieb reduziert haben. Dazu gehören zum Beispiel Aerosole, welche über eine verstärkte Wolkenbildung dem Strahlungsan- trieb entgegenwirken. Insgesamt verringern sie den Strahlungsantrieb um 0.97 W/m2 (vgl. Abbildung 17). In der Summe ist der Strahlungsantrieb deutlich grösser als null, was dazu geführt hat, dass das Kli- masystem Energie aufnimmt. Insgesamt beträgt der Strahlungsantrieb plus 2.29 W/m2 im Vergleich zu den Bedingungen vor der Industrialisierung. Der Strahlungsantrieb ist über die Zeit nicht konstant angestiegen. Seit 1970 ist er stärker angestiegen als in den Jahrzehnten davor (IPCC, 2013). Im Jahr 1950 war der Strahlungsantrieb mit 0.57 W/m2 rund vier Mal kleiner als heute (vgl. Abbildung 17). Eine Zunahme des Strahlungsantriebs um 1 W/m2 entspricht einer Erderwärmung von 0.8 °C (Schwarzenbach et al., 2011). Bei einem Strahlungsantrieb von 2.29 W/m2 (IPCC, 2013) müsste die Temperatur auf der Erde um fast 1.75°C ansteigen. Dies ist noch nicht der Fall. Grund für die Diffe- renz sind die Ozeane. Die grossen Wassermassen nehmen Wärme auf und verzögern dadurch den Anstieg der globalen Temperatur (Schwarzenbach et al., 2011). Der Anstieg der globalen Mitteltem- peratur beträgt momentan 0.9°C (NOAA; Climate.gov). Auch wenn die Treibhausgase in der Atmo- sphäre nicht mehr zunehmen, wird die Temperatur so lange ansteigen bis sich auf der Erde der Ener- giefluss auf ein neues dynamisches Gleichgewicht eingestellt hat. 22
Abbildung 17. Komponenten des Strahlungsantriebs und ihre Wirkung. Quelle Abbil- dung: IPCC, 2013. Schlussfolgerungen Das Klima ist das Ergebnis physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse die sich in der Atmo- sphäre, im Meer und auf der Erdoberfläche abspielen. Angetrieben wird das Klimasystem durch die Sonnenenergie. Die Energiebilanz der Erde ist heute nicht mehr ausgeglichen. Die Wärmerückstrah- lung ins Weltall ist kleiner als die Sonneneinstrahlung auf der Erde. Die Erde verzeichnet somit eine Netto-Wärmeaufnahme. Als Ursache für die zunehmende Wärme sind die zunehmenden Treibhaus- gase verantwortlich. Zu Treibhausgasen zählen Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan, Ozon, Lachgas sowie einige Spurengase. Die Treibhausgase absorbieren die Wärmestrahlung der Erde und heizen dadurch die Erdatmosphäre auf. Mit dem Verbrennen fossiler Brenn- und Treibstoffe und mit der Abholzung tropischer Regenwälder hat der Mensch den Ausstoss von Treibhausgasen deutlich erhöht und dadurch den Strahlungshaushalt der Erde verändert sodass es auf der Erde wärmer immer wär- mer wird.
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