Dem Leben wieder in die Augen sehen!
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Soziale Phobie Dem Leben wieder in die Augen sehen! 6002157 9/2005 UNTERNEHMEN ZNS Lundbeck GmbH Karnapp 25 • 21079 Hamburg Telefon: 0 40/2 36 49-0 Telefax: 0 40/2 36 49-255 E-Mail: info@lundbeck.de UNTERNEHMEN ZNS www.lundbeck.de Ein Ratgeber für Menschen mit sozialer Phobie und deren Angehörige
Inhalt Vorwort Vorwort 3 Sehr geehrte Patientin, Wenn einen die Angst beschleicht … 4 sehr geehrter Patient, Einleitung Gesunde Angst – krankhafte Angst beim Thema Angst meinen wir alle zu wissen, worüber wir Die soziale Phobie oder Sozialangst reden. Auf den zweiten Blick merken wir dann aber sehr Die Symptome der sozialen Phobie schnell, dass Angst für den einen eine ganz normale Erfah- Schüchternheit – soziale Phobie rung sein kann, während sie vom anderen als eine lebensein- Was harmlos beginnt, steigert sich rasch schränkende und leidvolle Störung wahrgenommen wird. Verschiedene Sozialängste Die Angst vor der Angst Diese Broschüre richtet sich an all diejenigen, für die Angst Die Vermeidungsstrategie einen krank machenden Aspekt besitzt. Sie möchte Ihnen Wovor haben die Betroffenen Angst? und Ihren Angehörigen Informationen zum Krankheitsbild Soziale Phobie, Panikattacken und Platzangst der sozialen Phobie (auch Sozialangst genannt) bieten, die Ihnen das Arztgespräch erleichtern. Denn nur Ihr Arzt kann im Den Ursachen auf der Spur ... 15 Falle einer Angststörung die für Sie notwendige Hilfe in die Wie entsteht eine soziale Phobie? Wege leiten. Denken Sie immer daran: Bei einer Angststörung Mögliche Ursachen der sozialen Phobie handelt es sich um eine Erkrankung und diese lässt sich nur dann behandeln, wenn der Betroffene mit dem Willen, eine Ein Blick in die Statistik … 17 Änderung herbeizuführen, seinen Arzt aufsucht. Gerade bei Zahlen zur sozialen Phobie der sozialen Phobie funktioniert das Vermeidungsverhalten vermeintlich oft über sehr viele Jahre. Im weiteren Verlauf Das Problem anpacken! 18 kommt es durch die Grunderkrankung dann häufig zu wei- Behandlungsmöglichkeiten teren, sekundären Problemen, die man mit einer rechtzeiti- gen Therapie jedoch verhindern kann. Und je früher man sich Anhang 23 in Therapie begibt, desto besser ist die Heilungschance und Literaturtipps desto wahrscheinlicher ist die Möglichkeit, dem Leben wie- Selbsthilfegruppen der in die Augen sehen zu können! 2 3
Wenn einen die Angst beschleicht … Einleitung ersten Fall ist man auf Hilfe angewiesen und die Lebensquali- tät ist stark eingeschränkt. Im zweiten Fall ist es gut möglich, Angsterkrankungen an sich sind weit verbreitet: mehr als dass man sozial integriert und erfolgreich ist. 15 % von uns leiden irgendwann im Laufe ihres Lebens an einer solchen Störung. Egal um welche Angstform es sich Angst ist nicht gleich Angst handelt – über diese Art von Problemen wird nur ungern Man unterscheidet medizinisch drei gesprochen. Meist überwiegen Scham und Unsicherheit. Er- große Gruppen von Angst mit Krank- fahrungen zeigen, dass sich die Betroffenen erst sehr spät heitswert (um zu verdeutlichen, dass in ärztliche Behandlung begeben. Das ist bedauerlich, denn es sich um krank machende Aspekte – wie gesagt – die Behandelbarkeit ist umso besser, je früher der Angst handelt, wird jeweils das der/die Betreffende sich behandeln lässt. Wort „Störung” angefügt): ● Angststörung (generalisierte Angst, frei flottierende Angst Gesunde Angst – krankhafte Angst = Angst, die keinen bestimmten Situationen zugeordnet werden kann) Angst ist zunächst einmal eine gesunde, das Leben erhalten- ● Panikstörung (auch „Panikattacken”; mit oder ohne Platz- de Empfindung. Angst befähigt uns zur Sorge und Sorgfalt angst) uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber. So wie der ● Phobische Störung (sach- und situationsbezogene Angst) Schmerz eine wichtige Alarmfunktion für den Körper besitzt, kommt auch der Angst eine wichtige Bedeutung zu. Es gibt Bei allen diesen Ängsten ist der Übergang vom Normalen also durchaus gesunde Aspekte der Angst. Man spricht auch zum Krankhaften fließend. D. h. es ist eine Frage des Ausma- von der so genannten Real- ßes der Angst, ob z. B. eine allgemein ängstliche Persönlich- angst: Angesichts einer äuße- keit therapiebedürftig wird. ren Gefahr wird der Mensch körperlich, gefühlsmäßig und auf gedanklicher Ebene in ei- Die soziale Phobie oder Sozialangst nen Alarmzustand versetzt. Wichtig ist es, über ein ange- Bei der sozialen Phobie, die auch als Sozialangst oder soziale messenes Maß an Realangst Angst bezeichnet wird, handelt es sich um eine situations- zu verfügen. Genügend, um bezogene Unterform der phobischen Störungen. Das Wort nicht unvorbereitet in eine Phobie selbst leitet sich vom griechischen phobos ab, was Risikosituation zu laufen und „Furcht” bedeutet. Die Patienten meiden zwischenmensch- nicht zu viel, um nicht hand- liche Kontakte, wie z. B. das Sprechen in der Öffentlichkeit. lungsunfähig und „starr vor Angst” zu sein. Es wird deutlich: Durch dieses Verhalten wollen sie eine möglicherweise nega- Zu viel Angst und zu wenig Angst haben Krankheitswert. Im tive Bewertung durch andere Menschen vermeiden. Häufig 4 5
kommt es hierbei zu Symptomen, wie Erröten, Meiden von gegenübersitzen. Sie erwarten von ihm bestimmt eine Unter- Blickkontakt, Händezittern etc. Umfassendere Sozialphobien haltung, denkt Peter, aber er bringt vor lauter Angst kein Wort sind in der Regel mit einem niedrigem Selbstwertgefühl und heraus. Es könnte zu banal, langweilig oder falsch sein. Lang- Furcht vor Kritik verbunden. Die Symptome können sich bis sam glaubt Peter, dass zu Panikattacken steigern. ihm jeder an der Nasen- spitze ansieht, wie un- Andere Phobien sicher er ist. Er schwitzt. Der Begriff Phobie ist auch in anderen Zusammenhängen üb- Sein Zittern sehen jetzt lich: So gibt es z. B. die so genannten sachbezogenen Phobien, auch sicher die anderen, wie z. B. die Angst vor Spinnen oder Schlangen. Eine weitere und deshalb fängt Pe- situationsbezogene Phobie ist z. B. die Höhenangst. ters Herz an zu rasen. Er möchte einfach nur hier Diese Broschüre befasst sich ausschließlich mit der sozia- raus ... len Phobie (weitere Broschüren aus dieser Reihe sind zum Thema „Panikstörungen” und „Generalisierte Angststörung ” Allgemein werden Situationen, in denen wir der Bewertung erschienen). oder dem Urteil anderer ausgesetzt sind, mit Aufregung, Angst oder Unwohlsein verbunden. Zumeist wird dies aber nicht unmittelbar als Problem empfunden. Einige von uns Die Symptome der sozialen Phobie regt eine solche Situation sogar an und sie sind – nachdem sich das anfängliche „Lampenfieber” gelegt hat – in der Lage, Typisch für die soziale Phobie ist eine anhaltende Angst vor über sich hinaus zu wachsen. Bei Menschen mit sozialer Pho- Situationen, in denen der/die Betreffende im Mittelpunkt der bie nimmt diese Phobie Ausmaße an, die zu einer extremen Aufmerksamkeit anderer steht. Einschränkung der Lebensqualität führen. Um entsprechende Situationen zu vermeiden, wird nicht gereist, nimmt man kei- Ein Fallbeispiel: ne gesellschaftlichen Anlässe mehr wahr, ist in keinem Verein, Die Feier eines Freundes, auf die er eingeladen ist, empfindet zieht sich immer mehr zurück und isoliert sich. Peter S. als die Hölle. Er wollte von Anfang an nicht hingehen, schließlich hatte er schon ein schlechtes Gefühl, als er die Ein- ladung in seinem Briefkasten fand. Aber schließlich ist es ja Schüchternheit – soziale Phobie ein runder Geburtstag, ein wichtiger Anlass also. Nun sitzt er in der Gesellschaft der Gäste und ist kaum in der Lage, an der Extreme Schüchternheit allein gilt noch nicht als soziale Pho- Kaffeetafel teilzunehmen. Er hat das Gefühl, sein Stück Kuchen bie, weil dabei in der Regel keine Angst auftritt, die zu einem könne ihm vom Teller fallen oder gleich werde er den Kaffee Vermeidungsverhalten führt. Schüchterne Menschen leiden aus seiner Tasse verschütten. Er fühlt sich von allen Gästen be- eher an dem inneren Konflikt, Ablehnung zu fürchten und da- obachtet und kritisch beäugt, besonders von denen, die ihm bei zugleich Annäherung zu suchen. 6 7
Merkmale, die für eine soziale Phobie sprechen: ● Das Vermeidungsverhalten ● Unangemessene Intensität der Angst beeinträchtigt zwangsläufig ● Unangemessene Häufigkeit der Angst die berufliche Leistungsfä- ● Unangemessene Dauer der Angst higkeit, die üblichen sozialen ● Zunehmendes Vermeidungsverhalten Aktivitäten oder Beziehun- ● Lebenseinschränkungen gen und verursacht so nach ● Kontrollverlust (Auftreten / Dauer) und nach einen ausgeprägten ● Leidensdruck Leidensdruck („ich würde ja gerne rausgehen und andere treffen, aber ich habe zu viel Was harmlos beginnt, steigert Angst davor”). ● Die betroffene Person erkennt sich rasch zunehmend, dass ihre Angst übertrieben oder unvernünf- tig ist. Was zunächst mit der Ängst- ● Kommt keine Hilfe, gerät der/die Betreffende in einen lichkeit vor einer Situation be- Teufelskreis: denn weitere mögliche Folgen sind ein Alko- ginnt kann sich sehr schnell zur hol- und /oder Medikamentenmissbrauch („um das ganze Angst verselbstständigen: erträglich zu machen”) und in der Folge kann zudem eine Depression auftreten. Als Resultat davon verstärkt sich die ● Zunächst besteht „nur” die Angst weiter. Angst vor einer bestimm- ten Situation – z. B. auf Symptom-Kreislauf bei sozialer Phobie: fremde Personen zuzuge- hen. Im weiteren Verlauf löst die Situation selbst fast unvermeidlich eine soforti- Angst ge Angstreaktion aus, oft reicht schon der Gedanke daran aus („ich könnte ja jemanden treffen”). Depression Vermeidung ● In der Folge wird die Angst auslösende Situation vermie- den oder nur unter intensiver Angst durchgestanden. Dar- aus resultiert ein Vermeidungsverhalten: Es wird versucht, der Angst auslösenden Situation so gut es geht „aus dem Alkohol-/Medikamenten- Hilflosigkeit Weg” zu gehen („ich bleibe lieber zu Hause, da treffe ich missbrauch auf niemanden”). ● Der Betroffene steht dem Ganzen hilflos gegenüber, da er Soziale Beeinträchtigung das Ausmaß und die Bedeutung in diesem Krankheitssta- dium oft noch nicht überblickt. 8 9
Die Angst vor der Angst Ein wichtiges Merkmal der Sozialphobie ist das Phänomen der Angst vor der Angst. Schon in Erwartung der Situation tritt starke Angst auf. Also bereits, wenn z. B. eine Einladung ins Haus flattert oder der Termin für einen Restaurantbesuch festgelegt wird. Die Erwartungsangst, die bereits durch die Vorstellung der Angst auslösenden Situation entwickelt wird, führt dann zu körperlichen Beschwerden (s. hierzu im Fol- genden). Die Vermeidungsstrategie Verschiedene Sozialängste Um der Angst aus dem Weg zu gehen, vermeiden Menschen Die Sozialangst als solche kann noch einmal in vier Hauptbe- mit sozialer Phobie Situationen, die diese auslösen. Das aus- reiche eingeteilt werden: dem-Weg-Gehen klappt in der Regel über eine gewisse Zeit ● Die Prüfungs- bzw. Fehlschlagangst, die mit der Sozi- recht gut. Dabei legt sich der Patient Vermeidungsstrategien alphobie gleichgesetzt wird. Gemeint ist damit z. B. die zurecht, die ihm zunächst weiterhelfen. Angst vor Blamage, Kritik oder Missbilligung. ● Die klassische Kontaktangst, die über eine normale Zwei Strategien sind bekannt: Schüchternheit hinausgeht. Dazu gehört nicht nur die ● Rückzugsvermeidung Angst, jemanden kennen zu lernen, sondern auch die ● Vorwärtsvermeidung Angst, ein Gespräch anzuknüpfen und die Angst vor Nähe mit ihren Konsequenzen des häufigen Partnerwechsels Rückzugsvermeidung bedeutet, Verantwortung so gut es und der Bindungsunfähigkeit. geht abzulehnen, möglichst keinen verantwortlichen Beruf ● Die Angst beim Äußern, Zulassen und Durchsetzen ei- zu ergreifen, in der Schule gener Bedürfnisse, einhergehend mit den entsprechen- oder Universität ganz hin- den sozialen Nachteilen („obwohl ich gut bin, kann ich es ten zu sitzen, bloß nicht nie zeigen”). aufzufallen und mit allen ● Die Angst, Forderungen und Bitten abzuschlagen, also das Mitteln „Graue Maus” Problem, nicht „Nein” sagen zu können, d. h. auch eine zu spielen. Solange diese Konfliktunfähigkeit und Angst, abgelehnt und verlassen zu Taktik funktioniert, erspart werden. sich der Patient die Angst. 10 11
Ungünstig ist nur, dass er soziale Nachteile zu spüren be- ● Essen bestimmter Speisen, kommt, weil er übersehen oder übergangen wird. Und hier Wasserlassen, vor allem in öf- beginnen die Probleme. Die Betroffenen suchen meist erst fentlichen Toiletten usw. dann eine Behandlung, wenn sie eine Depression erleiden, ● Arzt- oder Zahnarztbesuch, d. h. nicht aufgrund ihres eigentlichen Problems: der sozialen Anblick von Blut, Verletzungen, Phobie. Spritzen ● Bestimmte Krankheiten, z. B. Die zweite Strategie ist die Vorwärtsvermeidung: Man bie- Geschlechts- oder Strahlen- tet in diesem Fall erst gar keine Angriffsfläche für Kritik, so krankheit, AIDS, ferner Unfälle kann einem auch niemand etwas anhaben. D. h. Perfektio- nismus als Strategie. Patienten, die diese Strategie anwen- Hiervon sind 10 % der Bevölkerung den, bekommen für ihre Vermeidung sogar positive Rückmel- betroffen. Häufiger ist die „allge- dung und sind sozial anerkannter als die „Graue Maus”. Die meine Sozialphobie”, d. h. die Angst Vorwärtsvermeider erreichen natürlich nie die angestrebte vor zwischenmenschlichen Aktivi- Perfektion, denn die Angst, einen Fehler zu begehen, ist stän- täten, wie Parties, Gespräche mit dig da. Sie scheitern aber in der Regel etwas später als die anderen oder neue Kontakte. „Grauen Mäuse”. Ein typischer Zeitpunkt kann um das 40. Lebensjahr sein. Aufgrund der resultierenden Erschöpfung Wovor genau haben die Betroffenen Angst? funktioniert die Strategie nicht mehr. Die Erschöpfung kann auch mit Herz-Kreislauf-Problemen und Depression einher- Es gibt die Angst … gehen. Die Betroffenen sind überfordert, weil sie bereits von ● angeguckt zu werden, d.h. von anderen als nervös und Beginn an mehr und Besseres leisten als andere. Dieses Ver- zittrig „entlarvt” zu werden halten wird aufgeschaukelt und sozial verstärkt: Sie bekom- ● vor negativen Gefühlen men Lob und müssen immer noch mehr geben. ● vor dem Alleinsein ● mit anderen nicht zurechtzukommen, d. h. Angst vor Kon- flikten und Ärger Wovor haben die Betroffenen Angst? ● nicht gemocht zu werden ● dumm zu wirken Soziale Phobien treten bei bis zu 13 % der Bevölkerung auf. ● zurückgewiesen zu werden So schildert fast jeder Fünfte Redeangst in der Öffentlichkeit. Die spezifischen Phobien stellen Phobien vor bestimmten In Beziehungen gibt es die Angst … Objekten und Situationen dar; z. B. ● die eigene Freiheit zu verlieren ● „ertappt” und „durchschaut” zu werden ● Tiere wie Spinnen, Schlangen, Hunde, Ratten, Pferde usw. ● abgelehnt zu werden, wenn der Partner entdeckt, wie man ● Höhlen, enge Räume, Donner, Dunkelheit, Flugreisen u. a. „wirklich” ist 12 13
Den Ursachen auf der Spur … Können solche Situationen nicht vermieden werden, entste- Wie entsteht eine soziale Phobie? hen die Ängste und auch starke körperliche Reaktionen, wie: ● Herzrasen Soziale Phobien zeichnen sich schon in der ● Schwitzen Kindheit ab und manifestieren sich meist ● Verkrampfung in der Pubertät. Fast immer scheint eine ● Erröten unsichere Persönlichkeit der sozialen ● Kopf- und Magenschmerzen Phobie zugrunde zu liegen. Diskutiert ● Atemnot wird, ob die Angst vor Fremden, die in ● Zittern den frühen Kinderjahren auftritt und meist bis zum sechsten Lebensjahr verschwindet, in späteren Lebensjah- Soziale Phobie, Panikattacken und ren durch bestimmte Ereignisse und Platzangst eine erhöhte Sensibilität sozusagen „wiedererweckt” wird. Symptome der sozialen Phobie dürfen nicht mit einer Panik- störung und/oder einer Platzangst (Agoraphobie) verwech- Für die verschiedenen Formen der so- selt werden. Patienten mit einer Panikstörung vermeiden zialen Phobie finden sich unterschied- zwar auch oft Gesellschaften und Restaurants, aber nur aus liche Elternmilieus und Erziehungsstile. der Angst heraus, dort eine Panikattacke zu erleiden. Nicht Gemeinsam ist allen, dass die Betroffe- aus Angst, sich wegen ihrer Person vermeintlich zu blamie- nen nie eine volle Akzeptanz – d. h. Ak- ren! Patienten mit Platzangst fürchten eher, allein zu sein zeptanz ohne zuvor Leistung erbracht zu und keine Hilfe zu bekommen, während Sozialphobiker Angst haben – kennen gelernt haben. Offene in Anwesenheit anderer erleben. und kommunikative Eltern, die beide auf die Kinder zugehen, finden sich nur bei sehr wenigen Patienten. Somit wird ein selbstsicheres und unabhängiges Verhalten wenig gefördert. Abwertung oder Überfürsorge der Eltern kann die Bewältigung der ursprünglichen Fremden- angst behindern. Etwa zwei Drittel der Betroffenen sehen bei sich einen Makel verschiedenster Art, z. B. dass sie angeblich zu klein oder zu dick oder zu dünn sind. Alles Punkte, die zum Außenseitertum führen können. Es finden sich auch Fakto- ren, die in den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten be- gründet sind. So weiß man z. B., dass die Unfähigkeit „Nein” zu sagen, dem Harmonisierungsprinzip entstammt, das sich vor allem in der Mittelschicht findet. 14 15
Ein Blick in die Statistik … Mögliche Ursachen der sozialen Phobie Zahlen zur sozialen Phobie ● Unangenehme/schlechte Erfahrungen: Von der sozialen Phobie betroffen sind häufiger Männer als Ängste, die durch ein reales Ereignis mit negativen Folgen Frauen, und es handelt sich dabei zugleich in hohem Maße ausgelöst worden sind. Der Betroffene will sich vor den um Singles: Je nach Studie fand man zwischen ein bis zwei unangenehmen Gefühlen und Drittel Sozialphobiker ohne einen Partner. Bedrohungen schützen, die er in der damaligen Situation er- Über die Gesamtzahl in der Bevölkerung ist wenig bekannt. lebt hat. Epidemiologische Studien in verschiedenen Ländern gehen ● Soziale Unsicherheit: davon aus, dass bis zu 13 % der Bestrafungsprozeduren in der Bevölkerung an einer sozialen Kindheit mit der Folge sozia- Phobie leiden. Die soziale Pho- ler Unsicherheit („ich habe bie gilt als die zweit- oder dritt- es nie gelernt, mich durchzu- häufigste Form innerhalb der setzen!”) Angststörungen. Auf Platz eins ● Veranlagung: steht unbestritten die Platz- „meine Eltern sind/waren angst (Agoraphobie). Etwa ein ähnlich!” Viertel aller Angstpatienten lei- ● Belastung: det an sozialer Phobie! Stresssituationen, Überforde- rung Leider sucht ein Großteil der Betroffenen keine Behandlung, Menschen mit sozialer Phobie haben häufig eine so genann- und wenn, dann wird dies oft te gestörte Ansprachebilanz: sie müssen viel mehr leisten als erst sehr spät getan bzw. die sie dafür zurückbekommen. Deshalb ist die soziale Phobie in Probleme werden so lange wie ihrem Krankheitsverlauf häufig mit einer Depression/depres- möglich versteckt und verheim- siven Phase verbunden. Der Symptom-Kreislauf kann die Pa- licht. Eine bedauerliche Tatsa- tienten über die Depression bis hin zum Selbstmordversuch che, wenn man bedenkt, dass führen. die Therapiechancen immer geringer werden, je länger man Ein möglicher Krankheitsverlauf mit der Therapie wartet. Oder 15 Jahre 17 Jahre 23 Jahre 26 Jahre besser gesagt: Je früher man sich aufgrund einer sozialen Soziale Alkoholmissbrauch Depression Selbstmordversuch Phobie in Behandlung begibt, desto bessere Heilungschan- Phobie cen hat man! 16 17
Das Problem anpacken! Behandlungsmöglichkeiten ● Training der sozialen Kompetenz: Übung der Angstsituationen bzw. von sozialen Fertigkei- Bei sozialer Phobie gibt es folgende Behandlungsmöglichkei- ten in Rollenspielen und Hausaufgaben. ten: ● Medikamentöse Verfahren ● Kognitives Verfahren: ● Psychotherapeutische Verfahren Nach diesem Ansatz entstehen Angsterkrankungen durch ● Kombination aus beidem Lernprozesse. Therapeutisch sollen daher Veränderungen des Verhaltens und der Lebensbedingungen bewirkt (er- Wie läuft ein Arztbesuch ab? lernt) werden. Zunächst wird Ihr Arzt ein ausführliches Gespräch mit Ih- nen führen. Es dient dazu, herauszufinden, welche Art der ● Systematische Desensibilisierung: Angsterkrankung Sie haben, und Stufenweise Annäherung an die Angstauslöser in Phanta- ferner der Abgrenzung zu ande- sie und Realität. ren psychiatrischen Erkrankungen wie z. B. Depression. Wichtig ist ● Expositions- bzw. Konfrontationstherapie: herauszufinden, wann Ihre Proble- Konfrontation mit den Angstauslösern. me begonnen und ob sie sich im Lauf der Zeit verändert haben. An- ● Entspannungstraining: schließend folgt eine körperliche Die Wahl der Therapieform hängt in hohem Maß von der Untersuchung. Ihr Arzt wird Sie Angst selbst ab. dann über das vorliegende Krank- heitsbild informieren und Ihnen Besonders gut eignet sich die Grup- erklären, welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung pentherapie, denn hier entstehen stehen. Dabei wird er vermutlich mit Ihnen über psychothe- sehr leicht die typischen von Angst rapeutische und medikamentöse Verfahren sprechen und Ih- besetzten Situationen: mit anderen nen Tipps zu unterstützenden Maßnahmen geben. reden, vielleicht mit ihnen essen, sich ihren „Bewertungen” stellen, Psychotherapeutische Verfahren auf das andere Geschlecht treffen. Jedes psychotherapeutische Verfahren hat sich am einzel- Die Gruppe kann dem Betroffenen nen Patienten zu orientieren. Bei der psychotherapeutischen klarmachen, dass seine negativen Behandlung hat sich die Gruppentherapie gegenüber der Gedanken unrealistisch sind, man Einzeltherapie durchgesetzt. Sie führt leichter und schneller ihn nicht so kritisch sieht, wie er zu einem Erfolg. Vorteilhaft sind so genannte verhaltensthe- meint. Er lernt, diese Erfahrungen rapeutische Maßnahmen. Die folgenden Methoden werden auch auf sein Leben außerhalb der dabei angewandt: Gruppe zu übertragen. 18 19
Medikamentöse Therapie Die verschiedenen Substanzklassen entfalten ihre Wirkung über eine Normalisierung der Impulsweiterleitung der Ner- Medikamentengruppe Vor-/Nachteile ven im Gehirn. Dies geschieht durch Erhöhung der Konzen- MAO-Hemmer Wirksamkeit nachgewiesen, z. T. tration bestimmter Botenstoffe (sog. Neurotransmitter). Da- mit unerwünschten Nebenwir- durch kommt es zu kungen. einer Verbesserung Selektive Serotonin-Wieder- Neuere Substanzklasse mit guter der Beschwerden. aufnahme-Hemmer = SSRI Wirksamkeit und Verträglichkeit; Gelegentlich wer- für Behandlung I. Wahl. den zur Akutbe- handlung bei ho- Trizyklische Anti- Hier finden sich häufiger depressiva = TZA Nebenwirkungen wie z. B. die hem Leidensdruck Mundtrockenheit, die von Angst- Beruhigungsmittel patienten subjektiv als äußerst aus der Substanz- unangenehm erlebt wird. klasse der Benzodi- Benzodiazepine Sofortiger Wirkeintritt. Bei länge- azepine eingesetzt, „Beruhigungstabletten” rer Anwendung und bei höheren um dem Patienten Dosen sowie Präparaten mit möglichst rasch kurzer Halbwertzeit Suchtgefahr. Entwicklung von Abhängigkeit eine Linderung zu bei abruptem Absetzen. Entzugs- ermöglichen. Der Vorteil der raschen Wirkung birgt eine ge- symptome. wisse Gefahr in sich: Da die Patienten eine schnelle Besse- rung verspüren, greifen sie gerne und rasch zu diesen Medi- Beta-Blocker Eignen sich nur dazu, die körper- lichen Begleitsymptome, wie z. B. kamenten, die ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotential Herzrasen oder Zittern, zu unter- haben. Sie sollten daher wirklich nur kurzfristig in der akuten drücken. Nicht für die ursächliche Behandlung Anwendung finden. Therapie geeignet und nur bei bestimmten Patientengruppen verwendbar. Ist eine längere Behandlung erforderlich, kommen Antide- pressiva, wie vor allem die MAO-Hemmer, die SSRI oder Neuroleptika Wirksamkeit ist fraglich. trizyklische Antidepressiva (TZA) zur Anwendung. Die Grup- Führen bei längerem Gebrauch zu unerwünschten Nebenwirkun- pe der Antidepressiva wurde ursprünglich – wie der Name gen. schon sagt – für die Behandlung der Depression entwickelt. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Mittel den veränderten Pflanzliche Medikamente Eine ausreichende Wirkung ist Hirnstoffwechsel auch bei verschiedenen Angsterkrankungen nicht nachgewiesen. wirksam beeinflussen können. 20 21
Anhang Historisch gesehen handelt es sich bei den TZA um eine älte- re Medikamentengruppe, die gewisse Nebenwirkungen auf- weist. Die SSRI sind demgegenüber eine Weiterentwicklung der TZA – mit besonderem Augenmerk auf einer besseren Verträglichkeit. Bei Panikstörungen stellen die SSRI bereits die Therapie der ersten Wahl dar, da sie sich aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und ihrer Verträglichkeit in der Anwendung bewährt haben. Wichtig für Sie ist zu wissen, dass sich die positive Wirkung der meis- ten verordneten Medikamente erst nach mehreren Wochen voll entfal- tet hat. So lange dauert es, bis sich Literaturtipps die veränderten Stoffwechselpro- zesse im Gehirn wieder normalisie- Die neue Medizin der Emotionen 22,00 € ren. Daher muss das Medikament von David Servan-Schreiber regelmäßig eingenommen werden Gebundene Ausgabe – 320 Seiten und man darf es nicht vorzeitig und Kunstmann (2004), ISBN: 3888973538 eigenmächtig wieder absetzen, weil sich in den ersten Tagen vielleicht Angstfrei leben 15,90 € noch kein positiver Effekt einge- von Lucinda Bassett stellt hat. Ihre Erkrankung erfordert Taschenbuch – 259 Seiten eine längerfristige Behandlung über Beltz (2000), ISBN: 3407228198 mindestens sechs Monate. Da Anti- depressiva nicht abhängig machen, Grundformen der Angst 14,90 € können sie auch über einen solchen längeren Zeitraum ein- von Fritz Riemann genommen werden. Broschiert – 213 Seiten Reinhardt (2002), ISBN: 3497007498 22 23
Selbsthilfegruppen Eine Auswahl an Adressen: DASH (Deutsche Angst-Selbsthilfe) und Selbsthilfegruppen (SHG) zum Thema Angststörungen finden MASH (Münchner Angst-Selbsthilfe) sich in vielen großen Städten. Bayerstr. 77 a 80335 München Als Anlaufstellen fungieren auch die Kontakt- und Informa- Tel.: 089/51 55 53-15 und 089/51 55 53-0 tionsstellen für Selbsthilfegruppen (KISS) in allen größeren www.panik-attacken.de Städten, die z.T. in Kooperation mit großen Krankenkassen und den Gesundheitsämtern betrieben werden. Die Adressen AGORAPHOBIE e.V. und Telefonnummern finden sich in den regionalen Telefon- Taunusstr. 5 büchern. 12161 Berlin Telefon 030/851 58 24 www.angstzentrum-berlin.de Soziale Angst Selbsthilfe Website für Betroffene von sozialer Phobie und Schüchtern- heit www.sozialeangst.de 24 25
Notizen 26 27
Soziale Phobie Dem Leben wieder in die Augen sehen! 6002157 9/2005 UNTERNEHMEN ZNS Lundbeck GmbH Karnapp 25 • 21079 Hamburg Telefon: 0 40/2 36 49-0 Telefax: 0 40/2 36 49-255 E-Mail: info@lundbeck.de UNTERNEHMEN ZNS www.lundbeck.de Ein Ratgeber für Menschen mit sozialer Phobie und deren Angehörige
Sie können auch lesen