Dem Leben wieder in die Augen sehen!

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Dem Leben wieder in die Augen sehen!
Soziale Phobie

                                                Dem   Leben wieder
                                                    in die Augen sehen!
                               6002157 9/2005

UNTERNEHMEN ZNS

     Lundbeck GmbH
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                                                       Ein Ratgeber für Menschen
                                                mit sozialer Phobie und deren Angehörige
Inhalt                                 Vorwort

Vorwort                                          3    Sehr geehrte Patientin,
Wenn einen die Angst beschleicht …                4
                                                      sehr geehrter Patient,
  Einleitung
  Gesunde Angst – krankhafte Angst                    beim Thema Angst meinen wir alle zu wissen, worüber wir
  Die soziale Phobie oder Sozialangst                 reden. Auf den zweiten Blick merken wir dann aber sehr
  Die Symptome der sozialen Phobie                    schnell, dass Angst für den einen eine ganz normale Erfah-
  Schüchternheit – soziale Phobie                     rung sein kann, während sie vom anderen als eine lebensein-
  Was harmlos beginnt, steigert sich rasch            schränkende und leidvolle Störung wahrgenommen wird.
  Verschiedene Sozialängste
  Die Angst vor der Angst                             Diese Broschüre richtet sich an all diejenigen, für die Angst
  Die Vermeidungsstrategie                            einen krank machenden Aspekt besitzt. Sie möchte Ihnen
  Wovor haben die Betroffenen Angst?                  und Ihren Angehörigen Informationen zum Krankheitsbild
  Soziale Phobie, Panikattacken und Platzangst        der sozialen Phobie (auch Sozialangst genannt) bieten, die
                                                      Ihnen das Arztgespräch erleichtern. Denn nur Ihr Arzt kann im
Den Ursachen auf der Spur ...                    15   Falle einer Angststörung die für Sie notwendige Hilfe in die
  Wie entsteht eine soziale Phobie?                   Wege leiten. Denken Sie immer daran: Bei einer Angststörung
  Mögliche Ursachen der sozialen Phobie               handelt es sich um eine Erkrankung und diese lässt sich nur
                                                      dann behandeln, wenn der Betroffene mit dem Willen, eine
Ein Blick in die Statistik …                     17   Änderung herbeizuführen, seinen Arzt aufsucht. Gerade bei
  Zahlen zur sozialen Phobie                          der sozialen Phobie funktioniert das Vermeidungsverhalten
                                                      vermeintlich oft über sehr viele Jahre. Im weiteren Verlauf
Das Problem anpacken!                            18   kommt es durch die Grunderkrankung dann häufig zu wei-
  Behandlungsmöglichkeiten                            teren, sekundären Problemen, die man mit einer rechtzeiti-
                                                      gen Therapie jedoch verhindern kann. Und je früher man sich
Anhang                                           23   in Therapie begibt, desto besser ist die Heilungschance und
  Literaturtipps                                      desto wahrscheinlicher ist die Möglichkeit, dem Leben wie-
  Selbsthilfegruppen                                  der in die Augen sehen zu können!

                                    2                                               3
Wenn einen die Angst
            beschleicht …

Einleitung                                                      ersten Fall ist man auf Hilfe angewiesen und die Lebensquali-
                                                                tät ist stark eingeschränkt. Im zweiten Fall ist es gut möglich,
Angsterkrankungen an sich sind weit verbreitet: mehr als        dass man sozial integriert und erfolgreich ist.
15 % von uns leiden irgendwann im Laufe ihres Lebens an
einer solchen Störung. Egal um welche Angstform es sich         Angst ist nicht gleich Angst
handelt – über diese Art von Problemen wird nur ungern          Man unterscheidet medizinisch drei
gesprochen. Meist überwiegen Scham und Unsicherheit. Er-        große Gruppen von Angst mit Krank-
fahrungen zeigen, dass sich die Betroffenen erst sehr spät      heitswert (um zu verdeutlichen, dass
in ärztliche Behandlung begeben. Das ist bedauerlich, denn      es sich um krank machende Aspekte
– wie gesagt – die Behandelbarkeit ist umso besser, je früher   der Angst handelt, wird jeweils das
der/die Betreffende sich behandeln lässt.                       Wort „Störung” angefügt):

                                                                ●   Angststörung (generalisierte Angst, frei flottierende Angst
Gesunde Angst – krankhafte Angst                                    = Angst, die keinen bestimmten Situationen zugeordnet
                                                                    werden kann)
Angst ist zunächst einmal eine gesunde, das Leben erhalten-     ●   Panikstörung (auch „Panikattacken”; mit oder ohne Platz-
de Empfindung. Angst befähigt uns zur Sorge und Sorgfalt             angst)
uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber. So wie der        ●   Phobische Störung (sach- und situationsbezogene Angst)
Schmerz eine wichtige Alarmfunktion für den Körper besitzt,
kommt auch der Angst eine wichtige Bedeutung zu. Es gibt        Bei allen diesen Ängsten ist der Übergang vom Normalen
also durchaus gesunde Aspekte der Angst. Man spricht auch       zum Krankhaften fließend. D. h. es ist eine Frage des Ausma-
                              von der so genannten Real-        ßes der Angst, ob z. B. eine allgemein ängstliche Persönlich-
                              angst: Angesichts einer äuße-     keit therapiebedürftig wird.
                              ren Gefahr wird der Mensch
                              körperlich, gefühlsmäßig und
                              auf gedanklicher Ebene in ei-     Die soziale Phobie oder Sozialangst
                              nen Alarmzustand versetzt.
                              Wichtig ist es, über ein ange-    Bei der sozialen Phobie, die auch als Sozialangst oder soziale
                              messenes Maß an Realangst         Angst bezeichnet wird, handelt es sich um eine situations-
                              zu verfügen. Genügend, um         bezogene Unterform der phobischen Störungen. Das Wort
                              nicht unvorbereitet in eine       Phobie selbst leitet sich vom griechischen phobos ab, was
                              Risikosituation zu laufen und     „Furcht” bedeutet. Die Patienten meiden zwischenmensch-
                              nicht zu viel, um nicht hand-     liche Kontakte, wie z. B. das Sprechen in der Öffentlichkeit.
lungsunfähig und „starr vor Angst” zu sein. Es wird deutlich:   Durch dieses Verhalten wollen sie eine möglicherweise nega-
Zu viel Angst und zu wenig Angst haben Krankheitswert. Im       tive Bewertung durch andere Menschen vermeiden. Häufig

                             4                                                                 5
kommt es hierbei zu Symptomen, wie Erröten, Meiden von              gegenübersitzen. Sie erwarten von ihm bestimmt eine Unter-
Blickkontakt, Händezittern etc. Umfassendere Sozialphobien          haltung, denkt Peter, aber er bringt vor lauter Angst kein Wort
sind in der Regel mit einem niedrigem Selbstwertgefühl und          heraus. Es könnte zu banal, langweilig oder falsch sein. Lang-
Furcht vor Kritik verbunden. Die Symptome können sich bis           sam glaubt Peter, dass
zu Panikattacken steigern.                                          ihm jeder an der Nasen-
                                                                    spitze ansieht, wie un-
Andere Phobien                                                      sicher er ist. Er schwitzt.
Der Begriff Phobie ist auch in anderen Zusammenhängen üb-           Sein Zittern sehen jetzt
lich: So gibt es z. B. die so genannten sachbezogenen Phobien,      auch sicher die anderen,
wie z. B. die Angst vor Spinnen oder Schlangen. Eine weitere        und deshalb fängt Pe-
situationsbezogene Phobie ist z. B. die Höhenangst.                 ters Herz an zu rasen. Er
                                                                    möchte einfach nur hier
Diese Broschüre befasst sich ausschließlich mit der sozia-          raus ...
len Phobie (weitere Broschüren aus dieser Reihe sind zum
Thema „Panikstörungen” und „Generalisierte Angststörung ”           Allgemein werden Situationen, in denen wir der Bewertung
erschienen).                                                        oder dem Urteil anderer ausgesetzt sind, mit Aufregung,
                                                                    Angst oder Unwohlsein verbunden. Zumeist wird dies aber
                                                                    nicht unmittelbar als Problem empfunden. Einige von uns
Die Symptome der sozialen Phobie                                    regt eine solche Situation sogar an und sie sind – nachdem
                                                                    sich das anfängliche „Lampenfieber” gelegt hat – in der Lage,
Typisch für die soziale Phobie ist eine anhaltende Angst vor        über sich hinaus zu wachsen. Bei Menschen mit sozialer Pho-
Situationen, in denen der/die Betreffende im Mittelpunkt der        bie nimmt diese Phobie Ausmaße an, die zu einer extremen
Aufmerksamkeit anderer steht.                                       Einschränkung der Lebensqualität führen. Um entsprechende
                                                                    Situationen zu vermeiden, wird nicht gereist, nimmt man kei-
Ein Fallbeispiel:                                                   ne gesellschaftlichen Anlässe mehr wahr, ist in keinem Verein,
Die Feier eines Freundes, auf die er eingeladen ist, empfindet       zieht sich immer mehr zurück und isoliert sich.
Peter S. als die Hölle. Er wollte von Anfang an nicht hingehen,
schließlich hatte er schon ein schlechtes Gefühl, als er die Ein-
ladung in seinem Briefkasten fand. Aber schließlich ist es ja       Schüchternheit – soziale Phobie
ein runder Geburtstag, ein wichtiger Anlass also. Nun sitzt er
in der Gesellschaft der Gäste und ist kaum in der Lage, an der      Extreme Schüchternheit allein gilt noch nicht als soziale Pho-
Kaffeetafel teilzunehmen. Er hat das Gefühl, sein Stück Kuchen      bie, weil dabei in der Regel keine Angst auftritt, die zu einem
könne ihm vom Teller fallen oder gleich werde er den Kaffee         Vermeidungsverhalten führt. Schüchterne Menschen leiden
aus seiner Tasse verschütten. Er fühlt sich von allen Gästen be-    eher an dem inneren Konflikt, Ablehnung zu fürchten und da-
obachtet und kritisch beäugt, besonders von denen, die ihm          bei zugleich Annäherung zu suchen.

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Merkmale, die für eine soziale Phobie sprechen:                   ●   Das Vermeidungsverhalten
● Unangemessene Intensität der Angst                                  beeinträchtigt zwangsläufig
● Unangemessene Häufigkeit der Angst                                   die berufliche Leistungsfä-
● Unangemessene Dauer der Angst                                       higkeit, die üblichen sozialen
● Zunehmendes Vermeidungsverhalten                                    Aktivitäten oder Beziehun-
● Lebenseinschränkungen                                               gen und verursacht so nach
● Kontrollverlust (Auftreten / Dauer)                                 und nach einen ausgeprägten
● Leidensdruck                                                        Leidensdruck („ich würde ja
                                                                      gerne rausgehen und andere
                                                                      treffen, aber ich habe zu viel
Was harmlos beginnt, steigert                                         Angst davor”).
                                                                  ●   Die betroffene Person erkennt
sich rasch                                                            zunehmend, dass ihre Angst übertrieben oder unvernünf-
                                                                      tig ist.
                               Was zunächst mit der Ängst-
                                                                  ●   Kommt keine Hilfe, gerät der/die Betreffende in einen
                               lichkeit vor einer Situation be-
                                                                      Teufelskreis: denn weitere mögliche Folgen sind ein Alko-
                               ginnt kann sich sehr schnell zur
                                                                      hol- und /oder Medikamentenmissbrauch („um das ganze
                               Angst verselbstständigen:
                                                                      erträglich zu machen”) und in der Folge kann zudem eine
                                                                      Depression auftreten. Als Resultat davon verstärkt sich die
                               ●   Zunächst besteht „nur” die
                                                                      Angst weiter.
                                   Angst vor einer bestimm-
                                   ten Situation – z. B. auf      Symptom-Kreislauf bei sozialer Phobie:
                                   fremde Personen zuzuge-
                                   hen. Im weiteren Verlauf
    löst die Situation selbst fast unvermeidlich eine soforti-                                 Angst
    ge Angstreaktion aus, oft reicht schon der Gedanke daran
    aus („ich könnte ja jemanden treffen”).                                 Depression                     Vermeidung
●   In der Folge wird die Angst auslösende Situation vermie-
    den oder nur unter intensiver Angst durchgestanden. Dar-
    aus resultiert ein Vermeidungsverhalten: Es wird versucht,
    der Angst auslösenden Situation so gut es geht „aus dem        Alkohol-/Medikamenten-
                                                                                                           Hilflosigkeit
    Weg” zu gehen („ich bleibe lieber zu Hause, da treffe ich            missbrauch
    auf niemanden”).
●   Der Betroffene steht dem Ganzen hilflos gegenüber, da er                                   Soziale
                                                                                         Beeinträchtigung
    das Ausmaß und die Bedeutung in diesem Krankheitssta-
    dium oft noch nicht überblickt.

                              8                                                                  9
Die Angst vor der Angst
                                                               Ein wichtiges Merkmal der Sozialphobie ist das Phänomen
                                                               der Angst vor der Angst. Schon in Erwartung der Situation
                                                               tritt starke Angst auf. Also bereits, wenn z. B. eine Einladung
                                                               ins Haus flattert oder der Termin für einen Restaurantbesuch
                                                               festgelegt wird. Die Erwartungsangst, die bereits durch die
                                                               Vorstellung der Angst auslösenden Situation entwickelt wird,
                                                               führt dann zu körperlichen Beschwerden (s. hierzu im Fol-
                                                               genden).

                                                               Die Vermeidungsstrategie
Verschiedene Sozialängste
                                                               Um der Angst aus dem Weg zu gehen, vermeiden Menschen
Die Sozialangst als solche kann noch einmal in vier Hauptbe-   mit sozialer Phobie Situationen, die diese auslösen. Das aus-
reiche eingeteilt werden:                                      dem-Weg-Gehen klappt in der Regel über eine gewisse Zeit
● Die Prüfungs- bzw. Fehlschlagangst, die mit der Sozi-        recht gut. Dabei legt sich der Patient Vermeidungsstrategien
   alphobie gleichgesetzt wird. Gemeint ist damit z. B. die    zurecht, die ihm zunächst weiterhelfen.
   Angst vor Blamage, Kritik oder Missbilligung.
● Die klassische Kontaktangst, die über eine normale           Zwei Strategien sind bekannt:
   Schüchternheit hinausgeht. Dazu gehört nicht nur die        ● Rückzugsvermeidung
   Angst, jemanden kennen zu lernen, sondern auch die          ● Vorwärtsvermeidung
   Angst, ein Gespräch anzuknüpfen und die Angst vor Nähe
   mit ihren Konsequenzen des häufigen Partnerwechsels          Rückzugsvermeidung bedeutet, Verantwortung so gut es
   und der Bindungsunfähigkeit.                                geht abzulehnen, möglichst keinen verantwortlichen Beruf
● Die Angst beim Äußern, Zulassen und Durchsetzen ei-          zu ergreifen, in der Schule
   gener Bedürfnisse, einhergehend mit den entsprechen-        oder Universität ganz hin-
   den sozialen Nachteilen („obwohl ich gut bin, kann ich es   ten zu sitzen, bloß nicht
   nie zeigen”).                                               aufzufallen und mit allen
● Die Angst, Forderungen und Bitten abzuschlagen, also das     Mitteln „Graue Maus”
   Problem, nicht „Nein” sagen zu können, d. h. auch eine      zu spielen. Solange diese
   Konfliktunfähigkeit und Angst, abgelehnt und verlassen zu    Taktik funktioniert, erspart
   werden.                                                     sich der Patient die Angst.

                            10                                                               11
Ungünstig ist nur, dass er soziale Nachteile zu spüren be-        ●   Essen bestimmter Speisen,
kommt, weil er übersehen oder übergangen wird. Und hier               Wasserlassen, vor allem in öf-
beginnen die Probleme. Die Betroffenen suchen meist erst              fentlichen Toiletten usw.
dann eine Behandlung, wenn sie eine Depression erleiden,          ●   Arzt- oder Zahnarztbesuch,
d. h. nicht aufgrund ihres eigentlichen Problems: der sozialen        Anblick von Blut, Verletzungen,
Phobie.                                                               Spritzen
                                                                  ●   Bestimmte Krankheiten, z. B.
Die zweite Strategie ist die Vorwärtsvermeidung: Man bie-             Geschlechts- oder Strahlen-
tet in diesem Fall erst gar keine Angriffsfläche für Kritik, so        krankheit, AIDS, ferner Unfälle
kann einem auch niemand etwas anhaben. D. h. Perfektio-
nismus als Strategie. Patienten, die diese Strategie anwen-       Hiervon sind 10 % der Bevölkerung
den, bekommen für ihre Vermeidung sogar positive Rückmel-         betroffen. Häufiger ist die „allge-
dung und sind sozial anerkannter als die „Graue Maus”. Die        meine Sozialphobie”, d. h. die Angst
Vorwärtsvermeider erreichen natürlich nie die angestrebte         vor zwischenmenschlichen Aktivi-
Perfektion, denn die Angst, einen Fehler zu begehen, ist stän-    täten, wie Parties, Gespräche mit
dig da. Sie scheitern aber in der Regel etwas später als die      anderen oder neue Kontakte.
„Grauen Mäuse”. Ein typischer Zeitpunkt kann um das 40.
Lebensjahr sein. Aufgrund der resultierenden Erschöpfung          Wovor genau haben die Betroffenen Angst?
funktioniert die Strategie nicht mehr. Die Erschöpfung kann
auch mit Herz-Kreislauf-Problemen und Depression einher-          Es gibt die Angst …
gehen. Die Betroffenen sind überfordert, weil sie bereits von     ● angeguckt zu werden, d.h. von anderen als nervös und
Beginn an mehr und Besseres leisten als andere. Dieses Ver-          zittrig „entlarvt” zu werden
halten wird aufgeschaukelt und sozial verstärkt: Sie bekom-       ● vor negativen Gefühlen
men Lob und müssen immer noch mehr geben.                         ● vor dem Alleinsein
                                                                  ● mit anderen nicht zurechtzukommen, d. h. Angst vor Kon-
                                                                     flikten und Ärger
Wovor haben die Betroffenen Angst?                                ● nicht gemocht zu werden
                                                                  ● dumm zu wirken
Soziale Phobien treten bei bis zu 13 % der Bevölkerung auf.       ● zurückgewiesen zu werden
So schildert fast jeder Fünfte Redeangst in der Öffentlichkeit.
Die spezifischen Phobien stellen Phobien vor bestimmten            In Beziehungen gibt es die Angst …
Objekten und Situationen dar; z. B.                               ● die eigene Freiheit zu verlieren
                                                                  ● „ertappt” und „durchschaut” zu werden
●   Tiere wie Spinnen, Schlangen, Hunde, Ratten, Pferde usw.      ● abgelehnt zu werden, wenn der Partner entdeckt, wie man
●   Höhlen, enge Räume, Donner, Dunkelheit, Flugreisen u. a.         „wirklich” ist

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Den Ursachen auf der Spur …

Können solche Situationen nicht vermieden werden, entste-     Wie entsteht eine soziale Phobie?
hen die Ängste und auch starke körperliche Reaktionen, wie:
● Herzrasen                                                   Soziale Phobien zeichnen sich schon in der
● Schwitzen                                                   Kindheit ab und manifestieren sich meist
● Verkrampfung                                                in der Pubertät. Fast immer scheint eine
● Erröten                                                     unsichere Persönlichkeit der sozialen
● Kopf- und Magenschmerzen                                    Phobie zugrunde zu liegen. Diskutiert
● Atemnot                                                     wird, ob die Angst vor Fremden, die in
● Zittern                                                     den frühen Kinderjahren auftritt und
                                                              meist bis zum sechsten Lebensjahr
                                                              verschwindet, in späteren Lebensjah-
Soziale Phobie, Panikattacken und                             ren durch bestimmte Ereignisse und
Platzangst                                                    eine erhöhte Sensibilität sozusagen
                                                              „wiedererweckt” wird.
Symptome der sozialen Phobie dürfen nicht mit einer Panik-
störung und/oder einer Platzangst (Agoraphobie) verwech-      Für die verschiedenen Formen der so-
selt werden. Patienten mit einer Panikstörung vermeiden       zialen Phobie finden sich unterschied-
zwar auch oft Gesellschaften und Restaurants, aber nur aus    liche Elternmilieus und Erziehungsstile.
der Angst heraus, dort eine Panikattacke zu erleiden. Nicht   Gemeinsam ist allen, dass die Betroffe-
aus Angst, sich wegen ihrer Person vermeintlich zu blamie-    nen nie eine volle Akzeptanz – d. h. Ak-
ren! Patienten mit Platzangst fürchten eher, allein zu sein   zeptanz ohne zuvor Leistung erbracht zu
und keine Hilfe zu bekommen, während Sozialphobiker Angst     haben – kennen gelernt haben. Offene
in Anwesenheit anderer erleben.                               und kommunikative Eltern, die beide
                                                              auf die Kinder zugehen, finden sich nur bei sehr wenigen
                                                              Patienten. Somit wird ein selbstsicheres und unabhängiges
                                                              Verhalten wenig gefördert. Abwertung oder Überfürsorge der
                                                              Eltern kann die Bewältigung der ursprünglichen Fremden-
                                                              angst behindern. Etwa zwei Drittel der Betroffenen sehen bei
                                                              sich einen Makel verschiedenster Art, z. B. dass sie angeblich
                                                              zu klein oder zu dick oder zu dünn sind. Alles Punkte, die zum
                                                              Außenseitertum führen können. Es finden sich auch Fakto-
                                                              ren, die in den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten be-
                                                              gründet sind. So weiß man z. B., dass die Unfähigkeit „Nein”
                                                              zu sagen, dem Harmonisierungsprinzip entstammt, das sich
                                                              vor allem in der Mittelschicht findet.

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Ein Blick in die Statistik …

Mögliche Ursachen der sozialen Phobie                            Zahlen zur sozialen Phobie
●   Unangenehme/schlechte Erfahrungen:                           Von der sozialen Phobie betroffen sind häufiger Männer als
    Ängste, die durch ein reales Ereignis mit negativen Folgen   Frauen, und es handelt sich dabei zugleich in hohem Maße
    ausgelöst worden sind. Der Betroffene will sich vor den      um Singles: Je nach Studie fand man zwischen ein bis zwei
                               unangenehmen Gefühlen und         Drittel Sozialphobiker ohne einen Partner.
                               Bedrohungen schützen, die er
                               in der damaligen Situation er-    Über die Gesamtzahl in der Bevölkerung ist wenig bekannt.
                               lebt hat.                         Epidemiologische Studien in verschiedenen Ländern gehen
                            ● Soziale Unsicherheit:              davon aus, dass bis zu 13 % der
                               Bestrafungsprozeduren in der      Bevölkerung an einer sozialen
                               Kindheit mit der Folge sozia-     Phobie leiden. Die soziale Pho-
                               ler Unsicherheit („ich habe       bie gilt als die zweit- oder dritt-
                               es nie gelernt, mich durchzu-     häufigste Form innerhalb der
                               setzen!”)                         Angststörungen. Auf Platz eins
                            ● Veranlagung:                       steht unbestritten die Platz-
                               „meine Eltern sind/waren          angst (Agoraphobie). Etwa ein
                               ähnlich!”                         Viertel aller Angstpatienten lei-
                            ● Belastung:                         det an sozialer Phobie!
                               Stresssituationen, Überforde-
                               rung                              Leider sucht ein Großteil der
                                                                 Betroffenen keine Behandlung,
Menschen mit sozialer Phobie haben häufig eine so genann-         und wenn, dann wird dies oft
te gestörte Ansprachebilanz: sie müssen viel mehr leisten als    erst sehr spät getan bzw. die
sie dafür zurückbekommen. Deshalb ist die soziale Phobie in      Probleme werden so lange wie
ihrem Krankheitsverlauf häufig mit einer Depression/depres-       möglich versteckt und verheim-
siven Phase verbunden. Der Symptom-Kreislauf kann die Pa-        licht. Eine bedauerliche Tatsa-
tienten über die Depression bis hin zum Selbstmordversuch        che, wenn man bedenkt, dass
führen.                                                          die Therapiechancen immer
                                                                 geringer werden, je länger man
Ein möglicher Krankheitsverlauf
                                                                 mit der Therapie wartet. Oder
15 Jahre   17 Jahre             23 Jahre    26 Jahre             besser gesagt: Je früher man sich aufgrund einer sozialen
Soziale
           Alkoholmissbrauch   Depression   Selbstmordversuch    Phobie in Behandlung begibt, desto bessere Heilungschan-
Phobie                                                           cen hat man!

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Das Problem anpacken!

Behandlungsmöglichkeiten                                        ●   Training der sozialen Kompetenz:
                                                                    Übung der Angstsituationen bzw. von sozialen Fertigkei-
Bei sozialer Phobie gibt es folgende Behandlungsmöglichkei-         ten in Rollenspielen und Hausaufgaben.
ten:
● Medikamentöse Verfahren                                       ●   Kognitives Verfahren:
● Psychotherapeutische Verfahren                                    Nach diesem Ansatz entstehen Angsterkrankungen durch
● Kombination aus beidem                                            Lernprozesse. Therapeutisch sollen daher Veränderungen
                                                                    des Verhaltens und der Lebensbedingungen bewirkt (er-
Wie läuft ein Arztbesuch ab?                                        lernt) werden.
Zunächst wird Ihr Arzt ein ausführliches Gespräch mit Ih-
nen führen. Es dient dazu, herauszufinden, welche Art der        ●   Systematische Desensibilisierung:
                         Angsterkrankung Sie haben, und             Stufenweise Annäherung an die Angstauslöser in Phanta-
                         ferner der Abgrenzung zu ande-             sie und Realität.
                         ren psychiatrischen Erkrankungen
                         wie z. B. Depression. Wichtig ist      ●   Expositions- bzw. Konfrontationstherapie:
                         herauszufinden, wann Ihre Proble-           Konfrontation mit den Angstauslösern.
                         me begonnen und ob sie sich im
                         Lauf der Zeit verändert haben. An-     ●   Entspannungstraining:
                         schließend folgt eine körperliche          Die Wahl der Therapieform hängt in hohem Maß von der
                         Untersuchung. Ihr Arzt wird Sie            Angst selbst ab.
                         dann über das vorliegende Krank-
                         heitsbild informieren und Ihnen        Besonders gut eignet sich die Grup-
erklären, welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung         pentherapie, denn hier entstehen
stehen. Dabei wird er vermutlich mit Ihnen über psychothe-      sehr leicht die typischen von Angst
rapeutische und medikamentöse Verfahren sprechen und Ih-        besetzten Situationen: mit anderen
nen Tipps zu unterstützenden Maßnahmen geben.                   reden, vielleicht mit ihnen essen,
                                                                sich ihren „Bewertungen” stellen,
Psychotherapeutische Verfahren                                  auf das andere Geschlecht treffen.
Jedes psychotherapeutische Verfahren hat sich am einzel-        Die Gruppe kann dem Betroffenen
nen Patienten zu orientieren. Bei der psychotherapeutischen     klarmachen, dass seine negativen
Behandlung hat sich die Gruppentherapie gegenüber der           Gedanken unrealistisch sind, man
Einzeltherapie durchgesetzt. Sie führt leichter und schneller   ihn nicht so kritisch sieht, wie er
zu einem Erfolg. Vorteilhaft sind so genannte verhaltensthe-    meint. Er lernt, diese Erfahrungen
rapeutische Maßnahmen. Die folgenden Methoden werden            auch auf sein Leben außerhalb der
dabei angewandt:                                                Gruppe zu übertragen.

                            18                                                              19
Medikamentöse Therapie                                              Die verschiedenen Substanzklassen entfalten ihre Wirkung
                                                                    über eine Normalisierung der Impulsweiterleitung der Ner-
Medikamentengruppe            Vor-/Nachteile                        ven im Gehirn. Dies geschieht durch Erhöhung der Konzen-
MAO-Hemmer                    Wirksamkeit nachgewiesen, z. T.       tration bestimmter Botenstoffe (sog. Neurotransmitter). Da-
                              mit unerwünschten Nebenwir-           durch kommt es zu
                              kungen.                               einer Verbesserung
Selektive Serotonin-Wieder-   Neuere Substanzklasse mit guter
                                                                    der Beschwerden.
aufnahme-Hemmer = SSRI        Wirksamkeit und Verträglichkeit;      Gelegentlich wer-
                              für Behandlung I. Wahl.               den zur Akutbe-
                                                                    handlung bei ho-
Trizyklische Anti-            Hier finden sich häufiger
depressiva = TZA              Nebenwirkungen wie z. B. die          hem Leidensdruck
                              Mundtrockenheit, die von Angst-       Beruhigungsmittel
                              patienten subjektiv als äußerst       aus der Substanz-
                              unangenehm erlebt wird.
                                                                    klasse der Benzodi-
Benzodiazepine                Sofortiger Wirkeintritt. Bei länge-   azepine eingesetzt,
„Beruhigungstabletten”        rer Anwendung und bei höheren         um dem Patienten
                              Dosen sowie Präparaten mit            möglichst rasch
                              kurzer Halbwertzeit Suchtgefahr.
                              Entwicklung von Abhängigkeit          eine Linderung zu
                              bei abruptem Absetzen. Entzugs-       ermöglichen. Der Vorteil der raschen Wirkung birgt eine ge-
                              symptome.                             wisse Gefahr in sich: Da die Patienten eine schnelle Besse-
                                                                    rung verspüren, greifen sie gerne und rasch zu diesen Medi-
Beta-Blocker                  Eignen sich nur dazu, die körper-
                              lichen Begleitsymptome, wie z. B.     kamenten, die ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotential
                              Herzrasen oder Zittern, zu unter-     haben. Sie sollten daher wirklich nur kurzfristig in der akuten
                              drücken. Nicht für die ursächliche    Behandlung Anwendung finden.
                              Therapie geeignet und nur bei
                              bestimmten Patientengruppen
                              verwendbar.                           Ist eine längere Behandlung erforderlich, kommen Antide-
                                                                    pressiva, wie vor allem die MAO-Hemmer, die SSRI oder
Neuroleptika                  Wirksamkeit ist fraglich.             trizyklische Antidepressiva (TZA) zur Anwendung. Die Grup-
                              Führen bei längerem Gebrauch
                              zu unerwünschten Nebenwirkun-         pe der Antidepressiva wurde ursprünglich – wie der Name
                              gen.                                  schon sagt – für die Behandlung der Depression entwickelt.
                                                                    Es hat sich aber gezeigt, dass diese Mittel den veränderten
Pflanzliche Medikamente        Eine ausreichende Wirkung ist         Hirnstoffwechsel auch bei verschiedenen Angsterkrankungen
                              nicht nachgewiesen.
                                                                    wirksam beeinflussen können.

                              20                                                                  21
Anhang

Historisch gesehen handelt es sich bei den TZA um eine älte-
re Medikamentengruppe, die gewisse Nebenwirkungen auf-
weist. Die SSRI sind demgegenüber eine Weiterentwicklung
der TZA – mit besonderem Augenmerk auf einer besseren
Verträglichkeit. Bei Panikstörungen stellen die SSRI bereits
die Therapie der ersten Wahl dar, da sie sich aufgrund ihrer
nachgewiesenen Wirksamkeit und ihrer Verträglichkeit in der
Anwendung bewährt haben.

                       Wichtig für Sie ist zu wissen, dass
                       sich die positive Wirkung der meis-
                       ten verordneten Medikamente erst
                       nach mehreren Wochen voll entfal-
                       tet hat. So lange dauert es, bis sich   Literaturtipps
                       die veränderten Stoffwechselpro-
                       zesse im Gehirn wieder normalisie-      Die neue Medizin der Emotionen       22,00 €
                       ren. Daher muss das Medikament          von David Servan-Schreiber
                       regelmäßig eingenommen werden           Gebundene Ausgabe – 320 Seiten
                       und man darf es nicht vorzeitig und     Kunstmann (2004), ISBN: 3888973538
                       eigenmächtig wieder absetzen, weil
                       sich in den ersten Tagen vielleicht     Angstfrei leben                      15,90 €
                       noch kein positiver Effekt einge-       von Lucinda Bassett
                       stellt hat. Ihre Erkrankung erfordert   Taschenbuch – 259 Seiten
                       eine längerfristige Behandlung über     Beltz (2000), ISBN: 3407228198
                       mindestens sechs Monate. Da Anti-
                       depressiva nicht abhängig machen,       Grundformen der Angst                14,90 €
können sie auch über einen solchen längeren Zeitraum ein-      von Fritz Riemann
genommen werden.                                               Broschiert – 213 Seiten
                                                               Reinhardt (2002), ISBN: 3497007498

                            22                                                           23
Selbsthilfegruppen                                             Eine Auswahl an Adressen:
                                                               DASH (Deutsche Angst-Selbsthilfe) und
Selbsthilfegruppen (SHG) zum Thema Angststörungen finden        MASH (Münchner Angst-Selbsthilfe)
sich in vielen großen Städten.                                 Bayerstr. 77 a
                                                               80335 München
Als Anlaufstellen fungieren auch die Kontakt- und Informa-     Tel.: 089/51 55 53-15 und 089/51 55 53-0
tionsstellen für Selbsthilfegruppen (KISS) in allen größeren   www.panik-attacken.de
Städten, die z.T. in Kooperation mit großen Krankenkassen
und den Gesundheitsämtern betrieben werden. Die Adressen       AGORAPHOBIE e.V.
und Telefonnummern finden sich in den regionalen Telefon-       Taunusstr. 5
büchern.                                                       12161 Berlin
                                                               Telefon 030/851 58 24
                                                               www.angstzentrum-berlin.de

                                                               Soziale Angst Selbsthilfe
                                                               Website für Betroffene von sozialer Phobie und Schüchtern-
                                                               heit
                                                               www.sozialeangst.de

                            24                                                             25
Notizen

          26   27
Soziale Phobie

                                                Dem   Leben wieder
                                                    in die Augen sehen!
                               6002157 9/2005

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                                                mit sozialer Phobie und deren Angehörige
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