Burnout-Syndrom: Zur professionellen Therapie einer neuen klinischen Herausforderung

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569-573 Heim 229.qxp           24.7.2008       15:29 Uhr      Seite 569

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      Burnout-Syndrom:
      Zur professionellen Therapie einer neuen
      klinischen Herausforderung
      Rolf Heima, Beate Schulzeb
      a
          Institut für Arbeitsmedizin, Baden, b Psychiatrische Universitätsklinik, Zürich

                                                                                                     Einleitung
      Quintessenz
      쎲 Das Burnout-Syndrom ist zu einem der populärsten Beschwerdebilder in                         Gibt es heute noch «gesunde» Arbeitsplätze, oder
      unserem Kulturraum geworden. Aktuell bestehen keine einheitliche Definition                    stellen vielmehr die Arbeitsbedingungen in einer
      der Krankheit und keine eindeutigen diagnostischen Kriterien im ICD-10.                        globalisierten Welt ganz neue Anforderungen an
                                                                                                     unsere Gesundheit? Das Klima auf dem Arbeits-
      쎲 In der Bevölkerung weitgehend akzeptiert, ist das Burnout-Syndrom im                         markt ist in allen Branchen rauer geworden.
      Arbeitsumfeld nach wie vor ein Tabu-Thema: Ausgebrannt zu sein steht als Indiz
                                                                                                     Wachstum auf einem dicht umkämpften Markt
      für mangelnde Belastbarkeit.
                                                                                                     erfordert Kostenoptimierung, knappere Ressour-
      쎲 Der für eine erfolgreiche Therapie so wichtige Konsens zwischen Arzt und                     cen der öffentlichen Hand führen zu Sparmass-
      Patient ist unter diesen Umständen oft schwierig zu erreichen.                                 nahmen im Gesundheitswesen und im sozialen
                                                                                                     Bereich. Für Mitarbeitende heisst das oft, mit
      쎲 Die Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ist ab Beginn der
                                                                                                     dünnerer Personaldecke in kürzerer Zeit die
      Therapie ein zentrales Thema.
                                                                                                     gleichen oder gar wachsenden Aufgaben zu be-
      쎲 Eine allfällige Krankschreibung muss durch weitere Interventionen begleitet                  wältigen [1]. Gleichzeitig lässt sich die berufliche
      sein; es geht darum, dass der Patient effizient und zielgerichtet an seiner psy-               Zukunft kaum mehr planen: Arbeitsstellen sind
      chischen und körperlichen Regeneration arbeitet.                                               projektgebunden und damit zeitlich begrenzt;
                                                                                                     Organisationen werden häufig umstrukturiert
      쎲 Dafür braucht es sorgfältige Abklärungen, die im Rahmen einer umfassenden
                                                                                                     oder gar «feindlich übernommen», während die
      Anamnese erhoben werden. Neben somatischen und psychischen Beschwerden
                                                                                                     Unternehmensziele zunehmend von den Prio-
      werden auch soziale Aspekte beachtet.
                                                                                                     ritäten der Finanzmärkte geprägt sind. Die Wirt-
      쎲 Der Patient wird über das geplante Procedere informiert und hat eine grobe                   schaft richtet sich immer mehr kurzfristig aus [2].
      Ahnung, wo er im Verlauf seiner Genesung steht.                                                Neue Technologien ermöglichen und verpflichten
                                                                                                     gleichsam zu ständiger Verfügbarkeit, Qualifika-
      쎲 Eine wirksame Therapie umfasst neben individuellen (Patient) Interventionen
      auch strukturelle (Betrieb). Für letztere sind Gespräche mit dem Vorgesetzten und              tionsanforderungen steigen, besonders bezüg-
      evtl. der Personalabteilung wichtig.                                                           lich Team- und Kommunikationsfähigkeit. Para-
                                                                                                     doxerweise kommt es gleichzeitig zu einer
                                                                                                     stärkeren Individualisierung und Konkurrenz
      Summary
                                                                                                     unter den Mitarbeitenden – als «Stresspuffer»
      Burnout syndrome: professional therapy                                                         wirkende soziale Unterstützung wird somit im-
      for a new clinical challenge                                                                   mer seltener. Auch auf Mitarbeiterseite heisst
                                                                                                     der Trend «schneller, höher, weiter!»: Wir verfü-
      쎲 Burnout has become one of the most popular health concerns in the Western                    gen heute über die bestausgebildete Generation
      world. To date the syndrome has not been officially defined as an illness in
                                                                                                     von Arbeitnehmenden aller Zeiten – entsprechend
      ICD-10, and thus lacks consistent diagnostic criteria.
                                                                                                     wachsen unsere Erwartungen an die Arbeit be-
      쎲 While largely accepted among the general public, burnout still has a significant             züglich persönlicher Bedeutsamkeit, Aufstiegs-
      stigma attached to it in the workplace. Being “burnt out” is considered a personal             chancen, Entscheidungsspielraum sowie respekt-
      failure indicative of a lack of toughness and inability to work under pressure.                voller und fairer Behandlung [1, 3]. Beruflicher
                                                                                                     Erfolg, Wohlstand und ein exklusiver Lebens-
      쎲 This stigma creates barriers to insight and thus negatively affects coope-
                                                                                                     stil sind gesellschaftliche Leitwerte und persön-
      ration on treatment, as problem definitions may differ between doctor and pa-
                                                                                                     licher Antriebsmotor zugleich. Die «klassische»
      tient.
                                                                                                     Karriere also, aber höher hinaus, mit doppelter
      쎲 From the start, maintaining or restoring patients’ capacity to work is a                     Geschwindigkeit und zugleich nachhaltiger. Doch
      central concern in the treatment of burnout.                                                   wie steht es in der heutigen Arbeitswelt um die
                                                                                                     Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen?

      CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. I oder im Internet unter www.smf-cme.ch.
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                                                                                          tätsspital platzte aus allen Nähten, über hundert
    쎲 Sick-leave must be accompanied by additional interventions. It is essential         Interessenten musste im Vorfeld abgesagt
    that patients cooperate actively and purposefully in their psychological and          werden. Dieser Beitrag möchte die begonnene
    physical recovery.                                                                    Diskussion aufgreifen und Eckpunkte einer
    쎲 Targeting these interventions necessitates thorough diagnosis. A compre-            adäquaten Burnout-Therapie einer breiten Leser-
    hensive history takes into account not only somatic and psychological symp-           schaft erschliessen.
    toms but also social aspects.
                                                                                          Definition und Symptomatik
    쎲 Patients are briefed on the treatment plan and procedures, and are regularly        Zur Erfassung des Burnout-Syndroms im kli-
    updated on the stage reached in their recovery.                                       nischen Alltag eignen sich etablierte arbeits-
    쎲 Effective treatment comprises both individual (patient) and structural (com-        psychologische Tests. Am besten validiert ist das
    pany) interventions. The latter involves consultation with the patient’s superiors    Maslach Burnout Inventory (MBI) [7, 8], das Bur-
    and/or the human resources department.                                                nout als anhaltende Stressreaktion auf chronische
                                                                                          Arbeitsbelastungen mit drei Kernsymptomen ver-
                                                                                          steht:
                                                                                          – Erschöpfung bezieht sich auf das Gefühl, so-
                                     Hintergründe                                             wohl emotional als auch körperlich entkräftet
                                                                                              zu sein.
                                     Hohe quantitative Anforderungen am Arbeits-          – Zynismus beschreibt eine distanzierte, gleich-
                                     platz, gepaart mit geringem Gestaltungsfreiraum          gültige Einstellung gegenüber der Arbeit.
                                     und fehlender Unterstützung durch Vorgesetzte        – Ineffektivität beschreibt das Gefühl beruf-
                                     und Kollegen erhöht das Risiko, bei der Arbeit           lichen Versagens sowie den Verlust des Ver-
                                     «auszubrennen». Im Durchschnitt leiden etwa              trauens in die eigenen Fähigkeiten.
                                     30% der Bevölkerung unter dem Burnout-Syn-           Entscheidend für die Einstufung des Burnout-
                                     drom [4, 5], und das branchenunabhängig.             Risikos ist nicht allein das Vorhandensein von
                                     Das Burnout-Syndrom rüttelt an den Grundfe-          Anzeichen wie Schlaflosigkeit, Energiemangel
                                     sten der westlichen Wirtschaft: Kann sich die        oder Mangel an Freude an der Arbeit, sondern
                                     Spirale so weiter drehen? Gnadenlos und erschüt-     die Häufigkeit bzw. Dauer der Symptomatik.
                                     ternd zeigt sich, dass wir als Menschen begrenzt,    Damit lassen sich Schweregrade definieren und
                                     nicht perfekt, nicht omnipotent sind, sondern Ge-    Anhaltspunkte für die Therapie ableiten.
                                     fühle und Schwächen haben. Gerade Letzteres          Darüber hinaus gibt es zwei weitere Kriterien [4]:
                                     macht den Betroffenen, deren Umgebung (insbe-        – Burnout ist generell arbeitsbezogen.
                                     sondere deren Vorgesetzten) und manchmal             – Unangemessene Erwartungen und hohe emo-
                                     auch den Vertretern der medizinisch-therapeu-            tionale Anforderungen spielen eine wichtige
                                     tischen Seite oft Mühe [6].                              Rolle.
                                     Therapeuten und Mediziner sind meist nicht gut       Dies lässt eine Abgrenzung gegenüber Depres-
                                     genug auf die Behandlung von Burnout-Patienten       sion zu: Eine Erschöpfungssymptomatik ist nur
                                     vorbereitet. Das Thema Burnout hat derzeit Kon-      so lange als Burnout zu betrachten, wie sie aus-
                                     junktur. Im Klima der verstärkten öffentlichen       schliesslich den Arbeitskontext betrifft.
                                     Diskussion zu beruflichen Stressbelastungen und      Entscheidend für die Diagnostik des Burnout-
                                     einer gleichzeitigen «Heroisierung» des Burnout-     Syndroms ist zudem sein progressiver Verlauf
                                     Begriffs als eine Art ungenügender Leistungs-        [9]. Den Anfang nimmt ein Burnout, wenn Men-
                                     ausweis sprechen immer mehr Patienten von            schen auf berufliche Stresssituationen mit einem
                                     «Ausbrennen», wenn sie sich bei ihrem Arzt vor-      gesteigerten Engagement reagieren. Bekannte
                                     stellen. Bei einer Burnout-Diagnose sind viele       Bewältigungsstrategien werden aktiviert, auch
                                     Mediziner erstmal ratlos, da es sich nicht um eine   wenn deren Anwendung in der Vergangenheit
                                     offizielle Diagnose in DSM-IV oder ICD-10 der        die Betroffenen bereits an ihre Belastungs-
                                     WHO handelt. In Letzterem wird es lediglich un-      grenzen geführt hat. Erweisen sich diese als
                                     ter den Z-Diagnosen im Anhang als «Ausge-            ineffektiv, besteht die Gefahr, dass Symptome wie
                                     branntsein» und «Zustand der totalen Erschöp-        negative emotionale Reaktionen und Antriebs-
                                     fung» (Z73.0) erfasst.                               störungen sich schrittweise vom Arbeitskontext
                                     So stellen sich im klinischen Alltag immer wieder    auf weitere Lebensbereiche ausweiten und letzt-
                                     Fragen bezüglich der ärztlichen Handlungs-           lich im Vollbild einer klinischen Depression mün-
                                     optionen. Welche Behandlungsmethoden sind            den [10].
                                     angezeigt? Gibt es Evidenz bezüglich ihrer Wirk-
                                     samkeit? Genau zu diesen Fragen organisierte
                                     die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich ge-     Fallstricke im klinischen Management
                                     meinsam mit der Dialog-Plattform «Swiss Bur-
                                     nout» im Herbst 2006 ein Symposium. Allein die       Während Burnout in der öffentlichen Diskussion
                                     Nachfrage nach diesem Fortbildungsangebot            zunehmend als «schickes Leiden» firmiert, ist es
                                     lässt auf einen grossen Informationsbedarf           im Arbeitsumfeld nach wie vor tabu: Ausge-
                                     schliessen: Der Hörsaal am Zürcher Universi-         brannt zu sein wird als Indiz für mangelnde Be-
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                                   lastbarkeit oder gar berufliches Versagen ver-        auf, im Sinne von: «Nun siehe endlich, wie
                                   standen. Daher ist Verdrängung die meist ver-         schlecht es mir geht und hilf mir, schone mich.»
                                   breitete Reaktion auf Symptome, die dem Betrof-       Diese offensichtliche Forderungshaltung trifft
                                   fenen seine Grenzen aufzeigen. Dies hat wichtige      bei uns Ärzten entweder den «Helfernerv» («die-
                                   Auswirkungen auf die Arzt-Patienten-Kommu-            sem armen Menschen muss man helfen») oder
                                   nikation, hängen doch Behandlungserfolge              aber, er führt zu einer Distanzierung und harten
                                   wesentlich von der Qualität der therapeutischen       Führung («der soll nicht so schwach tun, schliess-
                                   Beziehung ab. Demnach ist die Therapie beson-         lich sind wir alle unter Druck») [11]. Natürlich
                                   ders wirksam, wenn die subjektiven Krankheits-        beruht solches Vorgehen nicht auf Böswilligkeit
                                   modelle des Patienten mit denen des Arztes weit-      oder mangelndem Verständnis. Im praktischen
                                   gehend übereinstimmen. Ein Konsens zwischen           Alltag fallen uns dafür drei mögliche Ursachen
                                   Arzt und Patient wird vor allem erschwert, wenn       gehäuft auf:
                                   die Krankheit mit einem Stigma behaftet ist. Be-      – Ärzte sind über arbeitsassoziierte psychoso-
                                   sonders psychische Erkrankungen werden nach               matische Krankheiten und deren spezifische
                                   wie vor überwiegend mit negativen Eigenschaf-             Therapie zu wenig informiert (beispielsweise
                                   ten wie Unberechenbarkeit, mangelnde Willens-             Mobbing, Burnout).
                                   kraft oder Faulheit verbunden.                        – Ärzte stehen selbst unter hohem Druck, leiden
                                   In einer solchen Situation kommt es zum ersten            gehäuft sogar selbst unter Burnout (20–30%
                                   Flaschenhals: Der Patient möchte sich keine               [12]), was es ihnen erschwert, den Patienten
                                   Blösse geben und dissimuliert. Der Arzt möchte            geduldig und empathisch zu betreuen.
                                   ihm nicht zu nahe treten, unterlässt eine Kon-        – Patienten möchten nicht einsehen, dass sie
                                   frontation und entspricht den Anliegen des Er-            mit der bisher angewandten Lebens- und
                                   steren nach einer raschen Symptomlinderung.               Arbeitsweise nicht weiter kommen. Und ihre
                                   Der Griff zum Rezeptblock ist kurz, Antidepres-           Ärzte wollen ihnen diese Konfrontation er-
                                   siva und Hypnotika sind rasch verschrieben. Die           sparen.
                                   Folge davon: Beide sind zufrieden, und an der
                                   Situation ändert sich nichts Grundlegendes.
                                   Dafür werden ernstzunehmende Symptome ab-             Professionelle Therapieansätze
                                   geschwächt, der Patient vertröstet.
                                   Wertvolle Zeit geht verloren, bis der Betroffene      Bleibt eine adäquate, die Ursachen verändernde
                                   merkt, dass er sich kräftemässig immer noch im        Therapie aus, verstärkt sich das Leiden der Be-
                                   Ungleichgewicht befindet. Möglicherweise wird         troffenen und die Leidenszeit verlängert sich. Das
                                   er für diese Zeit auch krank geschrieben, was an      dem Problem zugrunde liegende Verhalten wird
                                   und für sich ja nicht falsch ist. Jedoch sollte bei   weiter aufrecht erhalten und verstärkt, ganz
                                   der Behandlung die berufliche Rehabilitation von      nach dem Gesetz von Watzlawick: «mehr dessel-
                                   Anfang an ein Thema sein. Allem voran geht es         ben». Ungeduld und Unverständnis wachsen, To-
                                   um einen schrittweisen Wiedereinstieg. So kön-        leranz sinkt – sowohl beim Betroffenen als auch
                                   nen die Betroffenen lernen, im Alltag direkt für      bei seiner Umgebung. Somit kommen neue Pro-
                                   Entlastung zu sorgen, z.B. indem sie regelmässige     bleme hinzu, die Symptome können sich steigern
                                   Pausen zur Erholung einplanen, Unterstützung          bis zur schweren Depression. Im schlimmsten
                                   bei der Erledigung von Aufgaben suchen und            Fall treffen die Betroffenen Kurzschluss-Ent-
                                   keine exzessiven Überstunden leisten [9].             scheidungen oder es wird ihnen wegen man-
                                   Nur rechnet der Arbeitgeber nach zwei bis vier        gelnder Leistung und Effizienz gekündigt [10].
                                   Wochen mit der vollen Leistungsfähigkeit und          Um solches zu verhindern, braucht es so früh wie
                                   wird ungeduldiger. Wie auch der Patient und           möglich eine spezifische Therapie. Diese zeich-
                                   seine Angehörigen, die weder den Verlauf des          net sich aus durch eine klare Strukturierung und
                                   Burnouts kennen, noch über die für die Genesung       eine nachhaltige Begleitung des Patienten. Am
                                   nötigen Schritte informiert sind. Gerade pflicht-     Anfang steht eine sorgfältige Abklärung der ak-
                                   bewusste Mitarbeiter (und das sind die meisten        tuellen Umstände [9]:
                                   Burnout-Patienten) laufen Gefahr, in eine «Schul-     – eine genaue Anamnese der Beschwerden
                                   denspirale» zu geraten: Sie sind nicht arbeits-       – körperliche und laborchemische Untersuchun-
                                   fähig 3 der innere Leistungsdruck steigt 3 die           gen, um somatische Ursachen auszuschliessen
                                   Effizienz sinkt, der Heilungsprozess wird verzö-      – eine umfassende Analyse der beruflichen,
                                   gert 3 der innere Leistungsdruck nimmt weiter            privaten und persönlichen Situation. Das sind
                                   zu usw. [10].                                            vor allem Informationen über:
                                   Die relative Unschärfe des Syndroms hat weitere       – Arbeitsstil (vgl. u.a. Perfektionismus), Identi-
                                   Folgen: Während diejenigen, die schon auf dem            fikation und Engagement bei der Arbeit
                                   Zahnfleisch laufen, sich jeder Krankheitseinsicht     – Arbeitsklima, soziale Unterstützung und Wert-
                                   verwehren, diagnostizieren andere, die sich gerne        schätzung seitens des Vorgesetzten; Organi-
                                   etwas Ruhe und Verständnis verschaffen, ihre             sation von Arbeits-Abläufen
                                   Krankheit gleich selbst. Letztere treten ihrem        – Distanzierungs- und Entspannungsfähigkeit;
                                   Umfeld gegenüber vorwurfsvoll und fordernd               Bereitschaft zu Erholung und Genuss
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                                   – soziales Netz, Familie                                und Entspannungsfähigkeit geachtet. Viele
                                   – gesellschaftliches Engagement: Vereine, poli-         Betroffene zeigen in beiden Kategorien er-
                                       tische Tätigkeit                                    hebliche Defizite. Einerseits laden sie sich zu
                                   – Coping-Strategien bei Beschwerden oder Miss-          viel Verantwortung und praktische Arbeit auf,
                                       erfolgen; z.B. Konsum von Medikamenten,             verzeichnen Mühe beim Delegieren und Zu-
                                       Alkohol und Drogen                                  rückweisen von Arbeit («nicht nein sagen kön-
                                   – bisherige Massnahmen, Therapien                       nen»). Andererseits halten sie Entspannung
                                   – Einschränkungen bei der Arbeit und privat             für Zeitverschwenden und sehen den prakti-
                                   Als nächstes folgt die Klärung der Behandlungs-         schen Nutzen, ja die unabdingbare Notwen-
                                   strategie. Je nach Schweregrad und vorhande-            digkeit nicht ein.
                                   nen Ressourcen beinhaltet diese unterschied-          – Im Verlauf werden weitere fehlende oder
                                   liche Ansätze [4]:                                      unterentwickelte Fähigkeiten eruiert und ge-
                                   – Schonung quantitativer und qualitativer Art.          zielt auftrainiert. Als Beispiele genannt seien
                                       Beispielsweise soll eine vollständige Krank-        Wahrnehmung von Selbstkompetenz, offene
                                       schreibung sorgfältig abgewogen werden, da          Kommunikation, Konfliktfähigkeit, Sensibi-
                                       sie Spuren im Team und im eigenen Arbeits-          lität den eigenen Bedürfnissen gegenüber. Ar-
                                       fluss hinterlässt. Anderseits ist eine Erholung     beitsplatzspezifische Fähigkeiten können in
                                       bei «schweren Fällen» nur in kompletter Ab-         Weiterbildungen angeeignet werden.
                                       schottung (stationäre Therapie) möglich. Im       – Manchmal ist es nötig, allfällige Trauerpro-
                                       Weiteren müssen das Freizeitverhalten und           zesse abzuschliessen und grössere Frustra-
                                       die Tagesstruktur überprüft und gegebenen-          tionserlebnisse zu verarbeiten. Dies können
                                       falls verändert werden. Die dadurch gewon-          eine verpasste Kündigung sein, eine Scheidung
                                       nen Ressourcen müssen für die Regeneration          oder auch traumatisierende Kindheitserleb-
                                       verwendet werden (s.u.).                            nisse.
                                   – Besprechung mit dem Vorgesetzten zur Pla-
                                       nung des Arbeitseinsatzes, mögliche organi-
                                       satorische Umstellungen und Entlastungen          Schlussfolgerung
                                       des Patienten. Immer wieder werden beim
                                       Ausfall eines Mitarbeitenden Mängel im Be-        Eine spezifische Therapie bei arbeitsassoziierten
                                       trieb deutlich – beispielsweise komplizierte,     psychosomatischen Beschwerden folgt somit ei-
                                       energiefressende Abläufe, unklare Kommuni-        nem klaren Leitfaden. Dabei wird dem Verhalten
                                       kation, schlechte Verteilung der Aufgaben.        und den Denkmustern der Betroffenen sowie der
                                       Persönlich haben wir schon einige Firmen          Situation am Arbeitsplatz eine zentrale Rolle zu-
                                       gesehen, die durch das Burnout eines Mitar-       geschrieben. Soll die Arbeitsfähigkeit langfristig
                                       beitenden sensibilisiert wurden, längst not-      erhalten bleiben, müssen auf diesen Ebenen
                                       wendige Veränderungen anzugehen, wie:             Veränderungen erfolgen. Die Therapie beinhaltet
                                       neue Verteilung von Kompetenzen und Arbeits-      somit auch Coaching und Vermittlung zwischen
                                       inhalten oder die Schaffung neuer Arbeits-        dem betroffenen Mitarbeiter und dem Arbeit-
                                       plätze.                                           geber. Die Sitzungen sollen regelmässig stattfinden,
                                   – Eventuell Gespräche mit der Partnerin. Je           je nach Schweregrad von zweimal wöchentlich
                                       nach Situation bestehen auch hier Ansprüche       bis zweimal monatlich. Falls nötig werden Medi-
                                       und Erwartungen (Familienplanung, Arbeit          kamente eingesetzt (meist Antidepressiva und
                                       am Eigenheim usw.). Verständnis auf dieser        Hypnotika), allerdings nur supportiv und nicht
                                       Ebene ist für die Erholung wichtig.               kurativ.
                                   – Im Rahmen einer verhaltensorientierten The-         Mit einer Einstellungs- und Verhaltensänderung
                                       rapie folgt eine Analyse des bisherigen Ver-      lassen sich erfahrungsgemäss mittelfristig sehr
                                       haltens, das zur aktuellen Situation geführt      befriedigende Resultate erreichen. Wenn ein Pa-
                                       hat. Hier werden auch Wertsysteme und Mo-         tient den Willen dazu und die nötige Geduld auf-
                                       tivationsaspekte besprochen. Dabei geht es        bringt, darf man ihm zu recht gute Hoffnungen
                                       nicht um eine tiefenpsychologische Analyse,       auf einen erfolgreichen Therapieverlauf machen.
                                       sondern um eine rasche Veränderung des            Abschliessend stehen die Chancen für einen erfolg-
                                       einseitigen und somit krankheitsfördernden        reichen Umgang mit Burnout am besten, wenn
                                       Verhaltens.                                       eine entsprechende Belastungsreaktion früh er-
                                   – Darauf folgt sinnvollerweise die Suche nach         kannt wird, Betroffene niederschwellig spezifi-
                                       Alternativen, die einen Ausgleich von Ener-       sche psychotherapeutische Angebote nutzen kön-
                                       gieverbrauch und Regeneration gewährlei-          nen und im betrieblichen Umfeld Unterstützung
                                       sten. Im Besonderen wird auf Distanzierungs-      erhalten.
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